Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich · report fachwissenschaftlicher teil Den Kern von...

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Friedemann W. Nerdinger Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich 8 reportpsychologie ‹37› 1|2012

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Friedemann W. Nerdinger

Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich

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reportpsychologie‹37› 1|2012

r e p o r t fachwissenschaftlicherteil

Den Kern von Dienstleistungen bildet die Inter-aktion zwischen Dienstleister und Bedienten, d.h.

Klienten, Patienten, Schülern etc., wobei im Folgendenv.a. auf Kunden, d.h. den Bereich kommerzieller Dienst-leistungen, Bezug genommen wird. Das macht diese Tä-tigkeiten zu einem besonderen (sozial-)psychologischenForschungsgegenstand. Die interaktive Produktion vonLeistungen stellt spezifische psychologische Anforderun-gen an Dienstleister, u.a. müssen sie ihre eigenen Emo-tionen kontrollieren können mit dem Ziel, den Kunden ei-nen erwünschten Gefühlsausdruck zu präsentieren. DieseAnforderung wird als Emotionsarbeit bezeichnet. Dienst-leistungsunternehmen fordern aus ökonomischen Grün-den, dass ihre Mitarbeiter mit Kundenkontakt Emotions-arbeit leisten, die Konsequenzen für die Mitarbeiter sindaber ambivalent. Neben positiven Wirkungen finden sichviele Belege, dass Emotionsarbeit in bestimmten Fällenauch zu Burnout führen kann. Im Folgenden wird derStand der Forschung zu diesen Fragen diskutiert.

1. Dienstleistungen in ökonomischer PerspektiveDer Begriff der Dienstleistung wird in den verschie-densten Zusammenhängen verwendet; die folgendenAusführungen stellen Dienstleistungen im ökonomi-schen Sinne in den Mittelpunkt. Das legt es nahe, vonder volkswirtschaftlichen Einteilung der Wirtschaft aus-zugehen, wonach Dienstleistungen den tertiären Sektorbilden (vgl. zum Folgenden Nerdinger, 2011). Der auch als»Urproduktion« bezeichnete primäre Sektor umfasstnach dieser Konzeption Land- und Forstwirtschaft sowieViehzucht und Fischerei. Zum sekundären Sektor der in-dustriellen Produktion zählen in erster Linie die metall-verarbeitenden Industrien sowie Bergbau, Energiewirt-schaft und Handwerk. Bleibt der tertiäre Sektor, demsämtliche Dienstleistungen zugeordnet werden.Die Beantwortung der Frage, was Dienstleistungen sind,wird durch diese Einteilung allerdings nicht unbedingteinfacher. In der Statistik wird dem tertiären Sektor al-les zugeschlagen, was nicht eindeutig zum primärenoder sekundären Sektor zählt (vgl. Statistisches Bundes-amt, 2009), u.a. Handel, Gastgewerbe, Verkehr, Nach-richtenübermittlung, Kredit- und Versicherungsgewerbe,Grundstücks- und Wohnungswesen usw. Der Begriff»Dienstleistungen« bildet in der volkswirtschaftlichenKlassifikation eine residuale Sammelkategorie, in die al-les eingeordnet wird, was sich in den gängigen Sektorender Ur- bzw. der gewerblichen Produktion nicht unter-bringen lässt. Das ist auf eine Reihe von Besonderheitenzurückzuführen, in denen sich Dienstleistungen von Pro-dukten unterscheiden (vgl. Meffert & Bruhn, 2009). Alszentrale Merkmale von Dienstleistungen werden amhäufigsten genannt:1. Intangibilität bzw. Immaterialität: Dienstleistungensind materiell nicht greifbare Güter. Zwar können ineine Dienstleistung auch greifbare Produkte integriertwerden – z.B. die Füllung, die der Zahnarzt in einenkranken Zahn einbringt –, die eigentliche Dienstleistungbesteht aber in den Handlungen des Dienstleisters. Die-ses Merkmal führt u.a. dazu, dass Kunden die Qualitätvon Dienstleistungen schlechter einschätzen könnenals die Qualität von Produkten.

2. Uno-actu-Prinzip: Produktion und Konsumtion derLeistung fallen räumlich und zeitlich zusammen, wobeider Kunde an der Erstellung der Leistung mehr oder we-niger beteiligt ist. Dienstleistungen sind aufgrund die-ses Merkmals nicht lager- und transportfähig, und derLeistungsfähigkeit sind zeitliche (und körperliche) Gren-zen gesetzt.Diese Merkmale von Dienstleistungen sind letztlich auf(sozial-)psychologische Qualitäten der Erstellung vonDienstleistungen zurückzuführen: Aus psychologischerSicht steht im Zentrum einer Dienstleistung die Inter-aktion zwischen Anbieter und Kunde, zwischen derPerson des Dienstleistungsgebers und der Person desDienstleistungsnehmers. Das ist der entscheidendeGrund dafür, dass die wirtschaftswissenschaftlichen Dis-ziplinen bislang noch keine umfassende, allgemein an-erkannte Definition von Dienstleistungen entwickelthaben.

2. Wie werden Dienstleistungstätigkeiten verrichtet?Aus psychologischer Sicht lassen sich Dienstleistungs-tätigkeiten als entgeltliche Lösungen der Probleme vonKunden verstehen, die persönliche Kommunikation mitdem Dienstleister erfordern (Nerdinger, 2011). Gewöhn-lich gehen Kunden wegen eines Problems zu einemDienstleister, um im Tausch gegen finanzielle Mitteleine Lösung ihres Problems zu erhalten (vgl. zum Fol-genden Nerdinger, 2011). Damit ist die ökonomischeBasis der Beziehung benannt, die Transaktion »Leistung(Problemlösung) gegen Geld«. Psychologisch zentral istdie Frage, wie die gegen Geld getauschte Leistung er-bracht wird. In dieser Sicht sind alle Leistungen von be-sonderer Bedeutung, die vom Kunden und dem Dienst-leister gemeinsam erstellt werden. Solche Leistungen er-fordern zwischen den beiden Akteuren eine Interaktion,die gewöhnlich – aber nicht notwendigerweise immer– von Angesicht zu Angesicht abläuft. Die Struktur derBegegnung zwischen Dienstleister und Kunde veran-schaulicht idealtypisch Abbildung 1.

Abbildung 1:Modell der Dienstleistungsdyade

(vgl. Nerdinger, 2011)

Das Problem gehört dem Kunden, was in Abbildung 1durch die verbundene Linie angedeutet wird. »Problem«ist hier im weitesten Sinne zu verstehen: Dabei kann essich um Objekte des Kunden handeln, die einer Repara-tur bedürfen; es können Probleme sein, zu deren Lösungder Dienstleister die adäquaten Produkte anzubietenhat, und natürlich zählen dazu auch körperliche und psy-

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chische Probleme. Dabei muss dem Kunden noch nichteinmal bewusst sein, dass er ein Problem hat. Nicht sel-ten versuchen Dienstleister, dem – in diesem Falle po-tenziellen – Kunden überhaupt erst klarzumachen, dasser ein Problem hat. Das ist es, was z.B. Versicherungs-vertreter mehr oder weniger erfolgreich praktizieren.In jedem Fall ist es die Aufgabe des Dienstleisters, dieProbleme des Kunden zu lösen – das wird durch deneinseitig gerichteten, durchgezogenen Pfeil in Abbil-dung 1 veranschaulicht. Diese Aufgabe erfordert vonDienstleistern technische Kompetenzen, sie müssen diefür die Lösung des Problems notwendigen instrumen-tellen Handlungen beherrschen. Dazu zählen z.B. dasHeraussuchen von Kleidern in der vom Kunden ge-wünschten Größe, das Steuern des Autos durch den Ta-xifahrer, die Messung des Blutdrucks durch den Arztoder die Fragen nach der Kindheit des Klienten, die einPsychotherapeut mit dem Ziel der Diagnose von Pro-blemursachen stellt. Bei der Ausführung instrumentel-ler Handlungen ist der Dienstleister auf die Zusam-menarbeit mit dem Kunden angewiesen, d.h., Letztererist mehr oder weniger an der Leistungserstellung be-teiligt. Das wird in Abbildung 1 durch den gestricheltenPfeil angedeutet. Die Leistungserstellung verlangt alsoeine bestimmte Form der Kooperation zwischen denbeiden Akteuren, die auf das Ziel der Problemlösung ab-gestimmt ist. Dieses Merkmal von Dienstleistungen –die gemeinsame Produktion der Leistung durch denMitarbeiter und den Kunden – wird auch als Kopro-duktion bezeichnet (Hacker, 2009).Um diese Zusammenarbeit realisieren zu können, müs-sen beide Akteure persönlich in Beziehung treten, wasin Abbildung 1 durch einen wechselseitigen Pfeil veran-schaulicht wird. Gelegentlich beschränken sich die da-mit bezeichneten sozialen Handlungen auf rituelle Ach-tungsbezeugungen vor der Persönlichkeit des anderen,wichtiger ist die gewöhnlich auf der Ebene sozialenHandelns stattfindende kommunikative Abstimmung.Durch solche sozialen Handlungen wird eine Bezie-hungsebene im kommunikationspsychologischen Sinndefiniert (Blickle, 2004). Aus diesem Merkmal der Tä-tigkeit von Dienstleistern lässt sich auch ihre psycholo-gische Besonderheit ableiten: Ihre erfolgreiche Bewäl-tigung erfordert nicht nur fachliche, sondern auch so-ziale Fähigkeiten. Dazu zählen natürlich die Fähigkeitzur Kommunikation und das Vermögen, sich in andereeinzufühlen (Empathie) bzw. die Sicht des anderen ein-zunehmen (Perspektivenübernahme). Grundlegend fürdas Gelingen der Interaktion ist dabei aber die Fähigkeit,die eigenen Emotionen zu kontrollieren mit dem Ziel,dem Dienstleistungsnehmer einen bestimmten emo-tionalen Eindruck zu vermitteln. Diese Leistung wird alsEmotionsarbeit bezeichnet.

3. Was versteht man unter Emotionsarbeit?Das Konzept der Emotionsarbeit geht auf Hochschild(1990) zurück. Sie hat Emotionsarbeit definiert als dasManagement des Fühlens mit dem Ziel, im Tausch fürLohn eine öffentlich sichtbare Darstellung von Gefühlenzu präsentieren. Den Ausgangspunkt ihrer Überlegun-gen bildet die Feststellung, dass sich in vielen Dienst-

leistungsunternehmen Darstellungsregeln finden, dievorschreiben, welchen Gefühlsausdruck die Mitarbeiterim Kontakt mit den Kunden zeigen sollen. Solche Re-geln bleiben gewöhnlich implizit, in manchen Unter-nehmen werden sie aber auch schriftlich fixiert bzw. denMitarbeitern im Rahmen von entsprechenden Trainingsvermittelt (Rastetter, 2008). Regeln der Gefühlsdarstel-lung variieren gewöhnlich auf zwei Dimensionen: denAnforderungen, positive Emotionen darzustellen, bzw.der Forderung, negative Gefühle zu unterdrücken. Nurin Ausnahmefällen finden sich andere Anforderungen:So sollen z.B. Angestellte von Inkassounternehmen beianderen Menschen möglichst Angst auslösen und daherentsprechende negative Gefühle darstellen (vgl. Sut-ton, 1991). Gelegentlich soll auch ein möglichst neutra-ler Eindruck vermittelt werden (interessanterweise hatsich in einer Untersuchung an Interviewern in derMarktforschung gezeigt, dass diese Anforderung so-wohl bei den Interviewern als auch bei den Interviewtennegativer wirkt als die Forderung, positive Gefühle dar-zustellen; vgl. Trougakos, Jackson & Beal, 2011).Die bewusste Herstellung und Präsentation eines Ge-fühlsausdrucks, der in Einklang mit den normativenDarstellungsregeln einer Arbeitssituation steht, be-zeichnet Hochschild (1990) als Emotionsarbeit (zumStand der Forschung über das sehr viel weitere Feld»Emotion und Arbeit« vgl. z.B. Wegge, 2001). Warum dieWahrnehmung von Darstellungsregeln zu Emotionsar-beit im Sinne der Regulation von Emotionen führt, ha-ben Diefendorff und Gosserand (2003) kontrolltheore-tisch erklärt. Die Kontrolltheorie postuliert, dass Selbst-regulation über den Vergleich des wahrgenommenenIst-Zustandes mit einem vorgegebenen Soll-Zustand –einem zu erfüllenden Standard – erfolgt. Werden Dis-krepanzen zwischen Ist und Soll festgestellt, kommt eszur Regulation bis zu dem Punkt, an dem die Diskrepanzverschwunden ist. Übertragen auf das Problem derEmotionsarbeit lassen sich Darstellungsregeln als Stan-dard (Soll-Wert) interpretieren, der mit der aktuell wahr-genommenen Gefühlsdarstellung verglichen wird. Wer-den dabei Diskrepanzen festgestellt, versuchen Dienst-leister, sie durch Emotionsarbeit zu beseitigen.Ausgehend von dieser kontrolltheoretischen Interpre-tation haben Allen, Pugh, Grandey und Groth (2010) em-pirisch belegt, dass die Wahrnehmung von Standards inForm von Darstellungsregeln zu Emotionsarbeit führt,und zwar unabhängig von der Persönlichkeit der be-fragten Dienstleister. Dabei reagieren aber nicht alleMenschen auf Darstellungsregeln gleich, d.h., nicht alleMenschen übernehmen solche Normen als Standardoder Soll-Wert und richten daran ihre Emotionsregula-tion aus. Vielmehr hängt die Einhaltung der Regelnvom Commitment, d.h. der Bindung an die Regeln, ab.Je mehr sich Dienstleister an die Regeln gebunden füh-len, desto ausgeprägter ist ihre Emotionsarbeit unddesto besser entsprechen die im beruflichen Kontaktmit Kunden gezeigten Gefühle den Darstellungsregelnder Organisation (Gosserand & Diefendorff, 2005). Auch im Alltagsleben müssen Menschen häufig ihre Ge-fühle regulieren, als Beispiel führt Hochschild die Teil-nahme an einer Beerdigung an. In dieser Situation gilt die

Friedemann W. Nerdinger, Prof. Dr. phil., geb. 1950; Studium der Psychologie an der Universität München;dort Promotion zum Dr. phil. und Habilitation; seit 1995 Professor für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Rostock;Forschungsschwerpunkte:Psychologie der Dienstleistung; Motivationberuflichen Handelns; Extra-Rollenverhalten in Organisationen; computervermittelte Kommunikation; Mitarbeiterbeteiligung in Organisationen

KontaktProf. Dr. Friedemann W. NerdingerUniversität RostockUlmenstraße 6918051 RostockE [email protected]

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Darstellungsregel, dass die Anwesenden Gefühle derTrauer präsentieren sollen. In dem Maße, in dem dieseGefühle nicht empfunden werden, muss der entspre-chende Gefühlsausdruck willkürlich hervorgerufen wer-den. Ähnliche Anforderungen erleben Dienstleister inberuflichen Interaktionen mit den Kollegen, den Vorge-setzten und vor allem mit den Kunden. Während die Ori-entierung an Darstellungsregeln im Alltag unproblema-tisch erscheint – nach Hochschild (1990) hat die Ge-fühlsdarstellung im Alltagsleben einen Gebrauchswertim Marx’schen Sinne –, wird in Dienstleistungstätigkei-ten, die eine Interaktion mit Kunden erfordern, die Re-gulation des Gefühlsausdrucks zu einem wesentlichen Teilder Arbeit. Nach der Konzeption von Marx bekommt derGefühlsausdruck in diesem Fall einen Tauschwert. Dasseine bestimmte Gefühlsdarstellung einen Tauschwert be-kommt, liegt letztlich an den Kunden. Sie bewerten dieQualität und den Wert einer Dienstleistung auch – in vie-len Fällen sogar in erster Linie – nach der Form, in der sieerbracht wird (Nerdinger, 2011).

4. Wie wird Emotionsarbeit ausgeführt?Bei der Erzeugung eines gewünschten Gefühlsausdruckslassen sich nach Hochschild zwei Strategien unterschei-den, die sie Oberflächenhandeln bzw. Tiefenhandelnnennt. Beim Oberflächenhandeln versuchen Dienstleis-ter, die sichtbaren Anteile der Emotion – den Gefühls-ausdruck – unabhängig von den erlebten Gefühlen in Ein-klang mit den Darstellungsregeln zu bringen. Sollen siealso z.B. den Kunden freundlich begegnen, werden sie indiesem Fall die Kunden anlächeln. Allerdings ist der non-verbale Ausdruck von Gefühlen nicht so leicht zu beein-flussen wie das verbale Verhalten und wirkt daher leichtunglaubwürdig. Beispielsweise unterliegen die um denMund liegenden Muskeln der willkürlichen Kontrolle,weshalb es relativ einfach ist, mit dem Mund ein Lächelnzu simulieren. Wird aber das dazugehörige Gefühl derFreude nicht erlebt, bleibt die Muskulatur um die Augenunbewegt, da sich diese nicht willkürlich beeinflussen las-sen – sie reagieren unwillkürlich auf die erlebten Gefühlebzw. die damit verbundenen physiologischen Änderun-gen (Ekman, 2003). Vermutlich orientieren sich Men-schen im Rahmen von Interaktionen gerade deshalb anbestimmten nonverbalen Signalen – besonders am Aus-druck der Augen –, um herauszufinden, ob sie den Ge-fühlsdarstellungen des anderen trauen können.Oberflächenhandeln kann unauthentisch wirken und da-mit den beim Kunden erwünschten Effekt verfehlen, zu-dem kann es auch negative Konsequenzen für denDienstleister haben. Dargestellte und erlebte Gefühlekönnen sich widersprechen, ein Zustand, den Hochschild(1990) als emotionale Dissonanz bezeichnet hat. DieserZustand wird als unangenehm und belastend erlebt. Sehrviele empirische Untersuchungen belegen, dass Oberflä-chenhandeln gehäuft zum Erleben emotionaler Dissonanzführt, was wiederum negativ auf das Wohlbefinden vonDienstleistern wirkt (vgl. Nerdinger, 2011).Diese negativen Konsequenzen können durch Tiefen-handeln vermieden werden. Im Unterschied zum Ober-flächenhandeln wird beim Tiefenhandeln versucht, daszu fühlen, was dargestellt werden soll. Dazu setzen

Dienstleister nach Hochschild (1990) im Wesentlichendrei Techniken ein.1. Durch Aufmerksamkeitsfokussierung werden die Ge-danken auf Erlebnisse oder Objekte gerichtet, die in derLage sind, die erforderlichen Gefühle hervorzurufen. InAnlehnung an den russischen Theaterregisseur Stanis-lawski, der diese Technik seinen Schauspielern zur Er-zeugung eines authentischen Gefühlsausdrucks vermit-telte, wird das auch als Stanislawski-Technik bezeichnet.So können negative Gefühle im Kundenkontakt durchdas gezielte Hervorrufen angenehmer Erinnerungen be-kämpft werden. Zum Beispiel stellen sich manche Flug-begleiter angesichts schwieriger Fluggäste vor, dass sichdiese wie Kinder vor der Situation im Flugzeug fürchtenund daher für ihr ungebührliches Verhalten nicht ver-antwortlich sind (Hochschild, 1990). Sofern ihnen dies ge-lingt, werden sie ähnliche Gefühle wie gegenüber ängst-lichen Kindern erleben und automatisch den entspre-chend fürsorglichen Gefühlsausdruck zeigen.2. Bei der zweiten Technik – der kognitiven Umdeutung– werden Situationen umbewertet, da in Abhängigkeitvon der Bewertung unterschiedliche Emotionen ausge-löst werden. So kann ein Mitarbeiter z.B. versuchen, dieUrsachen für den Ärger des Kunden nicht bei der eige-nen Person zu suchen, sondern auf Merkmale der Si-tuation zurückzuführen. Dabei hilft es gewöhnlich,wenn man sich durch Perspektivenübernahme in dieLage des Kunden versetzt und dadurch mehr Verständ-nis für seine Reaktion gewinnt.3.Negative Gefühle lassen sich schließlich auch durch denEinsatz von Entspannungstechniken kontrollieren. WennDienstleister vor einem schwierigen, möglicherweiseangstauslösenden Kundenkontakt stehen, können sie sichdurch entsprechende Techniken vorher körperlich ent-spannen. Da Entspannung und Angst inkompatibel sind– das Gefühl der Angst geht immer mit physiologischenProzessen einher, die zu körperlicher Spannung führen –,fällt es dann leichter, dem Kunden mit einem freundlichenGefühlsausdruck zu begegnen. Die Bewältigung von Dienstleistungstätigkeiten fordertEmotionsarbeit, die Fähigkeit zur damit verbundenenEmotionsregulation ist eine wesentliche Voraussetzung füreine erfolgreiche Problemlösung durch den Dienstleister.Emotionsarbeit bietet Dienstleistern eine Möglichkeit,den Kunden in ihrem Sinne zu steuern und damit ihre Tä-tigkeit möglichst reibungslos zu bewältigen. Bei gelunge-ner Emotionsarbeit wird sich der Kunde in der Interaktionwohler fühlen und daher die Qualität der Dienstleistungbesser bewerten. Den positiven Folgen für den Kundensteht allerdings eine Vielzahl von Untersuchungen ent-gegen, die belegen, dass bestimmte Formen der Emoti-onsarbeit für Dienstleister mit verschiedenen negativenKonsequenzen, v.a. mit Burnout, verbunden sind. DieKonsequenzen der Tätigkeit sind allerdings differenzierterzu betrachten.

5. Konsequenzen der Tätigkeit im Kundenkontakt für die DienstleisterDie Konsequenzen der Tätigkeit mit Kundenkontakt fürden Dienstleister werden von zwei psychologischenForschungsrichtungen sehr unterschiedlich modelliert

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(vgl. Grandey & Diamond, 2009). Der Arbeitsgestal-tungsansatz betrachtet Interaktionen mit der Öffent-lichkeit – besonders mit Kunden, aber auch mit Vertre-tern anderer Organisationen – als wichtiges Merkmaldes sozialen Kontextes einer Tätigkeit, das über die inder Folge wahrgenommene erhöhte Bedeutung der ei-genen Tätigkeit positiv auf die Arbeitsmotivation wirkensoll. Solche Interaktionen sollen für positive Stimmungsorgen, Rollenambiguität – die Unklarheit über die zuerreichenden Ziele – vermindern (da Interaktionen im-mer auch zu Rückmeldungen über die eigene Leistungführen), und zudem sollten sich daraus Möglichkeitender sozialen Unterstützung ergeben. Darüber hinauskönnen Kunden als Quelle positiver Wertschätzung wir-ken. Nach den Ergebnissen einer qualitativen Studie vonJacobshagen und Semmer (2009) bezeichnen Dienst-leister ihre Kunden nach den Vorgesetzten als zweit-häufigste Quelle der Wertschätzung – neben verbalemLob kann sich die Anerkennung der Kunden auch in Prä-senten und Folgeaufträgen äußern.Demgegenüber sollten nach dem EmotionsarbeitsansatzInteraktionen mit der organisationsexternen Öffent-lichkeit häufiger zum Erleben unangenehmer Kommu-nikation und zu Konflikten führen, weshalb im Rahmendieses Ansatzes erwartet wird, dass solche Tätigkeitenmit hohen persönlichen Kosten verbunden sind (vgl.Nerdinger, 2011). Zudem löst der Zwang zur Einhaltungvon Darstellungsregeln gehäuft emotionale Dissonanzaus, die nach Hochschild (1990) Burnout zur Folge hat.Entsprechend untersucht diese Forschungsrichtung inerster Linie negative Konsequenzen der Tätigkeit mitKundenkontakt wie Stress und Burnout.Die Forschungslage zu den beiden Ansätzen stellt sichsehr ungleich dar. Während der Arbeitsgestaltungsan-satz im Sinne von Grandey und Diamond (2009) erst seiteinigen Jahren seine darauf bezogenen Hypothesen un-tersucht, hat der Emotionsarbeitsansatz seit der bahn-brechenden Arbeit von Hochschild (1990) eine Fülleäußerst differenzierter Ergebnisse zur Frage der Konse-quenzen vorgelegt. Zudem findet die These positiverKonsequenzen der Kontakte mit der Öffentlichkeit bis-lang nur schwache empirische Unterstützung (andereAspekte der Arbeitsgestaltung haben dagegen sehr wohlstarke Wirkungen auf das Erleben positiver Emotionen;vgl. z.B. Fisher, 2010). In einer Metaanalyse konnte le-diglich eine korrigierte Korrelation von .06 zwischen derAnforderung »Interaktion mit der Öffentlichkeit« undder Arbeitszufriedenheit nachgewiesen werden(Humphrey, Nahrgang & Morgeson, 2007). Aufgrunddieser eher enttäuschenden Ergebnisse haben Grandeyund Diamond (2009) vermutet, dass bedeutsame posi-tive Zusammenhänge zwischen Kundenkontakt und Ar-beitszufriedenheit nur in komplexen Dienstleistungstä-tigkeiten mit höheren Autonomiegraden, in denen zwi-schen Dienstleister und Kunde eher Beziehungen ent-stehen, nachzuweisen sind. Diese Hypothese muss abererst noch genauer geprüft werden.Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf denEmotionsarbeitsansatz. Ganz im Sinne von Hochschild(1990), die gesundheitliche Beeinträchtigungen als Folgevon Emotionsarbeit postulierte, hat die psychologische

Forschung bislang v.a. die negativen Konsequenzen vonEmotionsarbeit untersucht. Dabei stand die Wirkung aufBurnout im Zentrum des Interesses. Burnout ist einespezifische Beanspruchungsfolge, die durch belastendeKontakte mit anderen Menschen entsteht (vgl. Burisch,2005). Mit diesem Begriff wurde ursprünglich ein Pro-zess beschrieben, in dessen Verlauf zunächst idealis-tisch-aufopferungsbereite, pflichtbewusste und hoch-motivierte Dienstleister v.a. im Sozial- und Gesund-heitsbereich im Zuge des Berufslebens immer mehrSymptome von chronischer Erschöpfung und Müdigkeitzeigen. Die ursprünglich positive Einstellung zu denKlienten verändert sich im Zuge dieses Prozesses undwird zunehmend zynischer und rücksichtsloser, die Hel-fer zeigen Anzeichen von Reizbarkeit, Rigidität und De-pressivität. Ursprünglich auf psychosoziale und medizi-nische Berufe begrenzt, wird Burnout heute als Merk-mal aller Dienstleistungen, die einen persönlichen Kon-takt mit Dienstleistungsnehmern erfordern, untersucht.Burnout wird als Syndrom von emotionaler Erschöp-fung, Depersonalisierung und Gefühlen reduzierter per-sönlicher Leistungsfähigkeit beschrieben (Burisch, 2005).Emotionale Erschöpfung äußert sich im unterschiedlichintensiven Gefühl, ausgelaugt, erledigt, ausgebranntund frustriert zu sein; die Arbeit mit Menschen wird alsStrapaze und als zu anstrengend erlebt. Depersonali-sierung beschreibt die Tendenz, Kunden als unpersön-liche Objekte zu behandeln und ihnen gegenüber ne-gative und zynische Einstellungen zu entwickeln. Als re-duzierte Leistungsfähigkeit wird das Gefühl mangelnderTatkraft bezeichnet, das durch den wachsenden Ein-druck der Inkompetenz und des Versagens bei der Ar-beit mit Menschen entsteht.Viele empirische Studien im Dienstleistungsbereich zei-gen nun, dass Burnout gewissermaßen die Berufs-krankheit in diesem Bereich ist. Dienstleistungen erfor-dern den täglichen Kontakt mit mehr oder wenigerfremden Menschen, der zu emotionalen Problemen mitder Folge der emotionalen Erschöpfung führen kann.Entscheidend dafür scheint das Erleben von emotiona-ler Dissonanz zu sein. Hülsheger und Schewe (2011) ha-ben 494 Korrelationen aus 95 unabhängigen Studien ei-ner Metaanalyse unterzogen. Dabei zeigten sich sehrausgeprägte Zusammenhänge von emotionaler Disso-nanz mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Korre-lationen zwischen .39 und .44) sowie negative Wirkun-gen auf die Einstellungen zur Arbeit, besonders auf dieArbeitszufriedenheit (zwischen -.24 und -.40; vgl. Hüls-heger & Schewe, 2011).Die Höhe des Zusammenhangs zwischen emotionalerDissonanz und emotionaler Erschöpfung hängt abervon einigen Merkmalen der beruflichen Situation bzw.der Person des Mitarbeiters ab. Bei hoher Autonomie inder Arbeit sind die negativen Konsequenzen für dieDienstleister sehr viel geringer als in beruflichen Situa-tionen, in denen keine Autonomie besteht (Grandey,Fisk & Steiner, 2005). Autonomie umschreibt, inwieweitder Mitarbeiter selbst darüber entscheiden kann, wiedie Arbeit ausgeführt wird. Verfügen die Beschäftigtenüber genügend Autonomie, haben sie die Möglichkeit,solche Emotionen zu zeigen, die der jeweiligen Situation

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FamFG und Fragen der Begutachtung

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Das neue Themenschwer-punktheft Praxis der Rechtspsychologie enthält neben einer Einführung in das FamFG u.a. folgende Beiträge:

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Ergänzt wird dies durch einen höchst aktuellen Beitrag von Georg Ehrmann, der sich kritisch mit dem neuen Bundeskinderschutzgesetz auseinandersetzt, das am 27.10.2011 vom Bundestag beschlossen wurde. Am 25.11.2011 versagte der Bundesrat diesem Gesetz jedoch seine Zustimmung. Mit diesem für den Kinderschutz problematischen Verlauf und dessen Hintergründen setzt sich in Jan Hendrik Kolberg mit seiner kritischen Stellung-nahme „Zocken mit dem Kindeswohl?“ auseinander.

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angemessen sind. Da sie in diesem Fall ihre Gefühls-darstellung selbst steuern können, erleben sie wenigeremotionale Dissonanz. Soziale Unterstützung kann ebenfalls die negativen Fol-gen emotionaler Dissonanz abschwächen. Hat ein Mit-arbeiter die Möglichkeit, sich nach belastenden Inter-aktionen mit Kollegen, Vorgesetzten oder auch Freun-den und Bekannten über die erlebten Vorfälle auszu-sprechen, und stärken diese sein Selbstwertgefühl, in-dem sie ihn z.B. in seinen Deutungen des Kunden be-stätigen, hat die erlebte emotionale Dissonanz kaum ne-gative Folgen für sein Wohlbefinden. Schließlich beein-flussen auch Persönlichkeitsmerkmale die Wirkung vonEmotionsarbeit. So ist emotionale Kompetenz im Sinneder Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu regulieren, einewichtige persönliche Ressource zur Verringerung nega-tiver Effekte der Emotionsarbeit (Giardini & Frese, 2006).

6. Führt Emotionsarbeit zwangsläufig zu Burnout?Emotionale Dissonanz ist demnach ein wichtiger Aus-löser von emotionaler Erschöpfung, das bedeutet abernicht, dass Emotionsarbeit zwangsläufig zu Burnoutführt. Hier müssen verschiedene Moderator-Variablenberücksichtigt werden, zum einen die Einstellung zur Tä-tigkeit, zum anderen die gewählte Form der Emotions-regulation.Einstellung zur Tätigkeit: Nerdinger und Röper (1999)haben die Konsequenzen der Emotionsarbeit im Pfle-gebereich eines Krankenhauses untersucht. In Anleh-nung an Rafaeli und Sutton (1987) haben sie vermutet,dass Emotionsarbeit in zwei verschiedenen Einstellun-gen zur Tätigkeit durchgeführt werden kann: Zum einenkönnen die Betroffenen Gefühle darstellen, die sie nichterleben, weil sie der Überzeugung sind, dass die Dienst-leistungsnehmer einen Anspruch darauf haben – Rafaeliund Sutton (1987) nennen das »faking in good faith«.Zum Beispiel kann eine Pflegekraft einem sterbens-kranken Patienten hoffnungsvolle Zuversicht »vorspie-len«, weil sie davon überzeugt ist, dass sie damit demPatienten die letzten Tage erleichtert. Sie kann das aberauch gegen die eigene Überzeugung machen – allein,weil es in der Arbeit verlangt wird. Eine solche Ge-fühlsdarstellung entgegen der eigenen Überzeugungwird als »faking in bad faith« bezeichnet. Bei Pflege-kräften eines Krankenhauses der Allgemeinversorgungkonnten sie zeigen, dass die Darstellung von Emotionenaus Überzeugung (»faking in good faith«) signifikantnegativ mit emotionaler Erschöpfung korreliert, Emoti-onsarbeit entgegen der Überzeugung (»faking in badfaith«) dagegen korreliert damit positiv. Demnach kannEmotionsarbeit mit dem Ziel der Darstellung nicht er-lebter Gefühle, von deren Wert die Beschäftigten über-zeugt sind, emotionale Erschöpfung verhindern. Ent-sprechend haben Allen et al. (2010) gezeigt, dass einekundenorientierte Einstellung – der Wunsch, die Be-dürfnisse des Kunden zu erfüllen (Nerdinger, 2003) – dasHandeln »in good faith« verstärkt.Nach den Ergebnissen sehr vieler Studien ist aber v.a.die Art der gewählten Emotionsregulationsstrategie zubeachten. Zum Beispiel haben Totterdell und Holman

(2003) in einer Untersuchung von Callcenter-Agentennachgewiesen, dass diese fast zehn Prozent aller Kon-takte mit Kunden als unangenehm erleben. Die Agen-ten reagieren darauf in der Regel mit der Vortäuschungvon positiven Gefühlen mit Hilfe von Oberflächenhan-deln. Diese Reaktion – nicht jedoch Tiefenhandeln –führt zu emotionaler Dissonanz, die wiederum mit Ge-fühlen der emotionalen Erschöpfung korreliert. Tiefen-handeln korreliert dagegen positiv mit der Qualität derLeistung. Auch die bereits erwähnte Metaanalyse (Hüls-heger & Schewe, 2011) belegt anhand der Ergebnisse ei-ner Vielzahl von Studien, dass Oberflächenhandeln zuemotionaler Dissonanz führt, was wiederum der wich-tigste Auslöser gesundheitlicher Beeinträchtigungen ist.Demgegenüber zeigt der Einsatz von Tiefenhandeln nurgeringe Zusammenhänge zu negativen Konsequenzenfür den Dienstleister, korreliert aber deutlich mit Ge-fühlen der Leistungsfähigkeit (.27) und mit Kundenzu-friedenheit (.37).Während bei den meisten vorliegenden Untersuchun-gen die Frage der Kausalität unklar ist, belegen Hüls-heger, Lang und Maier (2010) in einer Längsschnittstu-die an Lehramtsanwärtern mit Hilfe einer Cross-Lagged-Panel-Analyse, dass Oberflächenhandeln die ein Jahrspäter gemessene emotionale Belastung erklären kann,wogegen Tiefenhandeln zu einer Steigerung der Leis-tung nach einem Jahr führt. Die zeitlich versetzten um-gekehrten Zusammenhänge sind nicht signifikant, wasfür eine kausale Wirkung in der erwarteten Richtungspricht. Einen Hinweis auf die psychologischen Prozesse, diediesen Zusammenhängen zugrunde liegen, gibt eineStudie von Scott und Barnes (2011). Die Autoren habenvermutet, dass die Strategien der Emotionsarbeit die je-weils aktuellen emotionalen Zustände von Dienstleis-tern nachhaltig beeinflussen. Werden dadurch nega-tive emotionale Zustände ausgelöst, so soll das zu so-genanntem Rückzugsverhalten führen – z.B. werdenlängere Pausen als erlaubt eingenommen, man widmetsich während der Arbeit privaten Dingen oder arbeiteteinfach mit weniger Engagement. Zudem wurde ver-mutet, dass diese Folgen geschlechtsabhängig variieren.Die Autoren haben diese Vermutungen an 58 Busfah-rern (davon 25 Frauen) untersucht. Die Fahrer musstenzwei Wochen lang jeweils vor Beginn der Arbeit undnach deren Beendigung verschiedene Skalen ausfüllen.Vor der Arbeit wurden der positive und der negative af-fektive Zustand erhoben. Am Ende der Schicht wurdendiese affektiven Zustände wieder erhoben, und es wur-den zudem die Häufigkeit des während der Arbeit ein-gesetzten Oberflächen- und Tiefenhandelns sowie dasRückzugsverhalten erfasst. Durch Kontrolle der affekti-ven Zustände am Beginn der Schicht können die Aus-wirkung der Emotionsarbeit auf das emotionale Erlebensowie das Rückzugsverhalten erschlossen werden.Die Ergebnisse belegen eindrucksvoll, dass sich dieemotionalen Zustände deutlich verschlechtern, wennwährend der Arbeit Oberflächenhandeln gezeigt wird.Sie verbessern sich jedoch, wenn Tiefenhandeln alsStrategie der Emotionsarbeit eingesetzt wird. Zudemführt Oberflächenhandeln zu Rückzugsverhalten, wobei

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r e p o r t fachwissenschaftlicherteil

negative affektive Zustände diesen Zusammenhang ver-mitteln. Diese Zusammenhänge treffen besonders starkfür Frauen zu, wie Abbildung 2 verdeutlicht.

Abbildung 2: Wirkung von Oberflächenhandeln in Abhängigkeit

vom Geschlecht (nach Scott & Barnes, 2011, S. 128)

Je mehr Oberflächenhandeln während der Arbeit gezeigtwird, desto stärker nehmen demnach die negativen af-fektiven Zustände im Laufe der Arbeit zu (das umge-kehrte Verhältnis zeigt sich beim Tiefenhandeln; vgl.Scott & Barnes, 2011). Besonders stark findet sich dieserZusammenhang bei Frauen – vermutlich erleben sie dieDiskrepanz zwischen erlebten und dargestellten Gefüh-len intensiver als Männer und reagieren mit negativenEmotionen darauf. Daraus kann möglicherweise ein Teu-felskreis entstehen, der längerfristig zu Burnout führt.

7. FazitDienstleistungstätigkeiten fordern Emotionsarbeit, wo-bei die Mitarbeiter im Bereich kommerzieller Dienst-leistungen den Kunden gewöhnlich einen positiven Ge-fühlsausdruck zeigen sollen. So kann die Zufriedenheitder Kunden und die wahrgenommene Qualität der Leis-tung erhöht werden. Für Dienstleister hat diese Anfor-derung ihrer Tätigkeit aber häufig negative Konsequen-zen, wobei v.a. Burnout als Konsequenz von Emotions-

arbeit diskutiert wird. Dabei ist aber zu differenzieren:Während bislang keine negativen Konsequenzen desTiefenhandelns nachgewiesen wurden, führt Oberflä-chenhandeln gewöhnlich zu negativen affektiven Zu-ständen und emotionaler Dissonanz, die wiederum einwichtiger Auslöser von Burnout ist. Dabei hat Oberflä-chenhandeln aber nicht immer die gleichen negativenWirkungen, vielmehr muss es gegen die eigene Über-zeugung (»in bad faith«) durchgeführt werden, damit eszu negativen Konsequenzen kommt. Dagegen tritt keinBurnout auf, wenn die Dienstleister die Darstellungsre-geln bejahen und die geforderten Gefühle darstellen,weil sie davon überzeugt sind, dass die Dienstleis-tungsnehmer einen gerechtfertigten Anspruch auf einesolche Darstellung haben. Aus den hier präsentierten Befunden ergeben sich eineReihe von Konsequenzen für die Führung von Mitar-beitern mit Kundenkontakt (vgl. dazu Nerdinger, 2011):Zum einen ist eben nicht jeder Mensch geeignet für dieentsprechenden Tätigkeiten im direkten Kontakt mitanderen Menschen, vielmehr ist schon bei der Aus-wahl von Mitarbeitern für Dienstleistungen u.a. auf de-ren Einstellung zur Emotionsarbeit achten. Im Zuge derAusbildung sollten die Mitarbeiter zudem besser auf dieemotionalen Anforderungen ihrer Aufgaben vorbereitet,und es sollten ihnen auch adäquate Techniken der Emo-tionsarbeit vermittelt werden.

Service providers have to provide emotional labor, i.e.they must control their own emotions in order to present customers with a desired emotional expres-sion. In service companies, there are display rules thatdictate what feelings are presented to the customer inpersonal contact. Emotional labor can be fulfilled bysurface acting, whereby the service providers try tobring the emotional expression, regardless of the experienced emotions, in accordance with the displayrules. Using deep acting, service providers attempt toevoke the claimed feelings within themselves. Surfaceacting can be seemingly inauthentic and thus angering the customer. Moreover, surface acting canresult in emotional dissonance – the contradictionbetween the depicted and experienced emotions.Emotional dissonance can, in turn, lead to burnout,especially, if it is performed »in bad faith«. In contrast,deep acting shows no correlation with burnout.

A B S T R A C T

Dienstleister müssen Emotionsarbeit leisten, d.h., siemüssen ihre eigenen Emotionen kontrollieren mit demZiel, den Kunden einen erwünschten Gefühlsausdruckzu präsentieren. In Dienstleistungsunternehmen findensich Darstellungsregeln, die vorschreiben, welche Ge-fühle den Kunden im persönlichen Kontakt zu präsen-tieren sind. Emotionsarbeit kann durch Oberflächen-handeln (die Dienstleister versuchen, den Gefühlsaus-druck unabhängig von den erlebten Gefühlen in Ein-klang mit den Darstellungsregeln zu bringen) oder durchTiefenhandeln erfüllt werden (man versucht, die Gefühlein sich hervorzurufen, die man darstellen soll). Oberflä-chenhandeln kann unauthentisch wirken und damitden Kunden verärgern. Zudem kann dadurch emotio-nale Dissonanz entstehen, der Widerspruch zwischendargestellten und erlebten Gefühlen. Emotionale Dis-sonanz kann wiederum zu Burnout führen, v.a. wenn esgegen den eigenen Willen (»in bad faith«) durchgeführtwird. Demgegenüber hängt Tiefenhandeln nicht be-deutsam mit Burnout zusammen.

Z U S A M M E N F A S S U N G

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