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Page 1: Energie Geballte - Internationale Bachakademie Stuttgart · PDF filepracht brachten die Gächinger a cappella Ives’ Psalm 67 von 1899 zum vibrierenden Erblühen, und betörend klangschön

Das Bühnenbild ist hell, belebt vonTapetenmustern und Dekors, die Charakte-re sind mit freundlicher Naivität überzeich-net, und selbst die Mutter, die zum Monsterwurde, ist in ihrem bunten Strickpulloverein drolliges, trauriges Ungeheuer.

Gesprochen wird in diesem Stück nurwenig, denn die Erwachsenen knurren, siefauchen, blubbern. Nur der Kleine gibt hinund wieder gelassen seinen Kommentar. Ja,das Leben ist schwer, mit einer verbiestertenMutter, sagt er: „Um alles muss man sichselbst kümmern, so, als wäre sie gar nichtda!“ Bis eine alte Freundin vorbeikommtund der Mutter die schiefen Zähne zieht,darf er warten, lange: „1000 Jahre vor einerUmkleidekabine!“

Die Mama findet die Sprache schließlichwieder, wird wieder ein Mensch, und plötz-lich klappt es auch mit dem Verkäufer – aberder Papa muss noch für ein Weilchen Tierbleiben: ein ulkiger großer Werwolf, derzuletzt mit dem Kleinen auf der Mauer sitzt,hinter der der Fußball hüpft.

Karten: 0711/ 21848018, Mehr unter:www.jes-stuttgart.de

Vater, den Verkäufer und die Freundin aufeiner drehbaren Bühne. Einmal zeigt dieBühne die Wohnung, in der Mutter und Kindleben, in der ein Kalender mit buntenAutomobilen an den Vater erinnert und einKühlschrank vollgepackt ist mit Nudel-saucen. Dreht sie sich, wird sie zum Super-markt, in dessen Regalen „Tschips“ und„Korn Flecks“ stehen und in dem die Mutter,das Untier, den Verkäufer anschreit. DerKleine steht daneben und tröstet sich: Dassdie Mutter zum Biest wurde, hat auch seinGutes, findet er – sie sieht sich ihre Einkäufenicht mehr an, er stapelt den Schokoladen-nikolaus auf das Fließband.

Rund um die Drehbühne eine Stadtland-schaft aus hohen weißen Häusern, auf ihnensteht „Bank“, „Bar“, „Post“ oder „Garage“.Droben, auf dem „Musikhaus“, sitzt Bene-dikt Abert, der Musiker, der mit Schlagzeugund Gitarre einen flotten Soundtrack zumbelebten Cartoon spielt – und der in einemwilden Fantasieportugiesisch losbrüllt,wenn der Kleine seinen Fußball tritt.Carolin Mittler hat die Ausstattung desStücks besorgt, Franziska Finke die Drama-turgie, Martin Wolter richtete das Licht ein.

Von Thomas Morawitzky

Die Mama ist nicht mehr, was sie einmal war.Ihr Kopf ist groß und hässlich, ihre Zähnestehen schräg hervor, ihr Haar ist dünn, ihreAugen glotzen, sie wiegt gewiss das Doppel-te. Ihre Zehen sind dick und haarig, und siehat Krallen.

Was ist geschehen? Das wird klar, spätes-tens, als der Papa erscheint: Auch er hat sichin ein Monster verwandelt, und er kommtnur noch einmal in der Woche. Das neueStück des Jungen Ensembles Stuttgart gehtdas Thema Scheidung fantasievoll aus derPerspektive eines Kindes an: Der Kleine iststark und geduldig, begegnet der Verbieste-rung der Mutter mit kindlichem Gleichmut.

Unter Regie von Brigitte Dethier erlebte„Der Kleine und das Biest“ am Samstag sei-ne Uraufführung – und etliche Kinder samtEltern kamen, sahen, lachten über ein Stück,das Schweres mit großer Leichtigkeit er-zählt. Inspiriert wurde es von einem Kinder-buch, das Marcus Sauermann 2012 schrieb.Der Autor lebt in der Nähe von Stuttgart.

Prisca Maier, Nils Beckmann und GerdRitter spielen die Mutter, den Kleinen, den

Von Müttern und MonsternIm Jungen Ensemble Stuttgart: Brigitte Dethier inszeniert „Der Kleine und das Biest“

US-amerikanischeMusik in der Reihe„Sakral modern“Von Verena Grosskreutz

Selten erklingt in deutschen Konzertsälen„klassische“ Musik aus den USA. Wenn,dann sind es meist Werke der Minimalistenoder immer dieselben Hits wie Charles Ives’„Unanswered Question“, Samuel Barbers„Adagio“ oder Leonard Bernsteins „WestSide Story“-Suite.

Dass die letzteren drei noch eine Mengeanderer exzellenter Musik geschriebenhaben, war jetzt im Hegel-Saal der Stuttgar-ter Liederhalle im Rahmen der Reihe „Sa-kral modern“ der Internationalen Bachaka-demie zu hören. Das Radio-Sinfonieorches-ter Stuttgart (RSO) und die Gächinger Kan-torei widmeten sich in der Leitung JonathanStockhammers geistlich inspirierter Musikdieser Komponisten.

Stockhammer, selbst US-Amerikaner,ließ in seinen kurzen Werkeinführungen sei-ner Begeisterung freien Lauf und übertrugsie dann auf die Ensembles. In voller acht-stimmiger, dennoch durchsichtiger Farb-pracht brachten die Gächinger a cappellaIves’ Psalm 67 von 1899 zum vibrierendenErblühen, und betörend klangschön entfal-tete sich Barbers doppelchöriges „God’sGrandeur“ von 1938, das die Gächingerlinks und rechts von der Empore herabsangen.

WeilStockhammereinSpezialist fürNeueMusik ist, besitzt er ein besonderes Gespürfür Klangfarben, Struktur und rhythmisch-metrische Komplexität, was nicht nur Ives’3. Sinfonie „The camp meeting“ von 1904zugutekam, welche die Atmosphäre US-amerikanischer Zeltgottesdienst-Feste ein-fängt. Bei aller satter, oft hymnischer Klang-fülle gingen dem RSO keine Feinheitverloren. Sensationell klar und durchsichtigerklang auch Bernsteins 1. Sinfonie „Jere-miah“ von 1944 – das ekstatische Scherzo,das klagende Finale mit seinem ergreifendenSolo von Mezzosopran Frances Pappas undselbst die bombastischen Verdichtungen desKopfsatzes.

Sehr traurig, dass im Zuschauerraumnicht viel mehr Menschen saßen als auf derBühne.

Vorfreude

WennMänner tanzen

Tough guys don’t dance! Welche Fraukennt diesen Spruch nicht, mit demMann sich gerne von Tanzflächen fern-hält. Harte Jungs tanzen nicht? Von we-gen! Gegenbeweise bietet das nächsteHeilbronner Tanzfestival gleich mehr-fach. „Männer unter sich“ ist das Mottoder siebten Auflage von „Tanz! Heil-bronn“; vom 6. bis zum 10. Mai befasstsich das von Karin Kirchhoff kuratierteFestival mit verschiedenen Facetten derMännlichkeit. Einer der Höhepunkte:Aus London kommen die Ballet Boyzerstmals nach Deutschland. Aber auchdie übrigen Gäste stellend tanzend dieGender-Frage: unter ihnen die Kompanievon Emanuel Gat mit ihrem Stück „Pla-ge romantique“, die israelischen Tänzerund Performer Niv Sheinfeld und OrenLaor mit ihrem Beziehungsduett „TwoRoom Apartment“ oder die CompagniePál Frenák, die in „The Hidden Man“ einsinnliches Spiel um Archetypen anzet-telt. Denn in der Gender-Frage geht esnicht nur um die veränderte Rolle derFrau in der Gesellschaft; auch das Bildvom Mann befindet sich im Wandel, ob inBeruf, Familie, Partnerschaft. Das Festi-val skizziert mit insgesamt acht Stückenein breites Spektrum von Männlichkeits-darstellungen: vom traditionellen Män-nerbild bis zum Überschreiten von Ge-schlechtergrenzen und dem Verwirrspielmit Körpermerkmalen. (ak)

www.theater-heilbronn.de

Geballte Männlichkeit: Die Ballet Boyzaus London Foto: Elliot Franks

Kunstnotizen

Parrotta verlängert

Sandro Parrotta freut sich über den Er-folg seiner aktuellen Ausstellung mitWerken der Konzeptkünstlerin SusanneM. Winterling. „Drift“ heißt die Schauund thematisiert „Solidarität, Empathieund Immersion“ – „jene Kräfte, die dasgesellschaftliche Leben erst als Realitäterfahrbar machen“. Noch einmal ist dieAusstellung in der Stuttgarter GalerieParrotta (Augustenstraße 87, Di bis Fr 11bis 18, Sa 11 bis 16 Uhr) verlängert – biseinschließlich diesen Samstag. (StN)

Daimler setzt auf Baumeister

Nach der Premiere im KunstmuseumStuttgart in einer eindringlichen Präsen-tation auch im Museum Küppersmühle inDuisburg gezeigt, ist die Ausstellung„Willi Baumeister International“ jetzt beiDaimler Contemporary (Weinhaus Huth,Potsdamer Platz) in Berlin zu sehen. DieSchau verdeutlicht die frühen und engenKontakte des 1955 gestorbenen Stuttgar-ter Malers und Bühnenkünstlers vor al-lem zu französischen Künstlerinnen undKünstlern sowie seine Verbindungen nachItalien, Spanien und in die Schweiz. Vor-zeitig hat Daimler jetzt die Schau verlän-gert – bis zum 12. April. Mehr:www.art.daimler.com. (StN)

Eröffnung imKunstvereinAn diesem Freitag um 19 Uhr eröffnet derWürttembergische Kunstverein Stuttgart(Kunstgebäude am Schlossplatz) eineEinzelausstellung zum Werk des BerlinerMedienkünstlers und Komponisten Jan-Peter E.R. Sonntag. „Rauschen“ ist dieSchau programmatisch betitelt, stehtdoch im Zentrum des Vierecksaals – „alseine Art White Cube im White Cube“ –ein eigens für die Ausstellung entwickel-ter Rauschraum. In diesem werden dieBesucher „den Phänomenen von Rau-schen ausgesetzt“. Die Kunstvereinsdi-rektoren Iris Dressler und Hans D. Christsehen die Schau als Befragung des Dia-logs von Kunst und Wissenschaft. (StN)Szene aus „Der Kleine unddas Biest“mit PriscaMaier als Biest (rechts) undNils Beckmann als der Kleine Foto: Karolin Back/Jes

Vonder TV-Castingshowdirekt ins großeRampenlicht: Queen-Sänger AdamLambert Foto: Lichtgut

Von Cornelius Oettle

Als hätten sie es provoziert: Fünf Sekundennachdem das Publikum den bekannten „WeWill Rock You“-Rhythmus, also „klopf,klopf, klatsch“, applaudiert, fällt derVorhang. Der Konzertbesucher sieht dasgroße Q, in dessen Innern ein gigantischerBildschirm die Bewegungen von Brian May,Roger Taylor und Adam Lambert vergrößert.An den Seiten und frontal führen Stege überdie Köpfe hinaus, rechts und links hängenstudentenzimmerwandgroße Flachbild-schirme. Queen, eine der wichtigsten Rock-bands der Geschichte, begeistern dieSchleyerhalle.

Den legendären, doch 1991 verstorbenenFrontman Freddie Mercury kann niemandersetzen. Das weiß jeder. „Quecksilberfred“,wie ihn ein Fan liebevoll am Bierstandbezeichnet, bleibt unvergessen. Was kannalso ein Nachfolgesänger anstellen? Imitierter Mercury, kommt er niemals an das Origi-nal heran. Zieht er sein eigenes Ding durch,entfernt er sich wohl zu sehr vom Idol. Esgibt keine Idealbesetzung jenseits Mercury.Und doch versuchen es Queen nun mit AdamLambert. Der ersetzt Mercury so gut wie nurmöglich.

Zu Beginn gestikuliert Lambert nichtweniger obszön, als es Freddie Mercury tat.Mit seinen Lenden stößt er in die Luft, wasBrian May ein Grinsen auf die Mundwinkelzaubert. Mit fast väterlichem Stolz in denAugen blickt er auf Lambert, der nach MaysAussagen ein „Geschenk Gottes“ für dieBand ist.

Mit dem Song „One Vision“ starten Queenkraftvoll in den Abend. Die Lampen könnennicht schneller aufblitzen, als Brian May dieSaiten der Gitarre abgreift. May beweistdabei britischen Stil. Andere werfen sich aufden Boden oder klettern am Bühnengerüstherum. Er konzentriert sich auf sein heraus-ragendes Spiel.

Eine großartige Idee ist die am Gitarren-sattel angebrachte Kamera. Einerseits filmtsie die flinken Finger Mays, andererseitsmacht sie ihn zum Kameramann: richtet ersein Instrument gen Publikum, erscheinendie Gesichter der Menge auf dem Riesen-

bildschirm. Kurz darauf läuft er durch dieeigenen Reihen und schickt beispielsweisedas Konterfei des Drummers Roger Taylorauf die Leinwand.

Als Lambert schließlich „Killer Queen“anstimmt, bemerkt man seine Musical-erfahrung. Er gibt eine Figur, wedelt mitgoldenem Fächer, gibt sich adlig. Zuvor nochin der mit Goldnieten besetzenden Leder-jacke, trägt der Sänger nun einen glitzernd-glamourösen Umhang. Elstergleich liebt erdas Funkelnde. Sich auf einem pompösenDivan räkelnd, singt er seine Zeilen. Dannspuckt er eine Sektfontäne ins Publikum.„Danke, dass ihr mir heute Nacht eineChance gebt“, verkündet er. Die Massejubelt ihm zu.

Bereits nach wenigen Minuten hatLambert die Queen-Fans von seiner Taug-lichkeit überzeugt. Und ja: Technisch istLambert vielleicht sogar der bessere Sänger.In puncto Stimmoriginalität kann erMercury freilich nicht das Wasser reichen.Aber wer könnte das?

Die einstige Arbeit Mercurys teilen siesich auf: Brian May singt „’39“, während erdie Akustikgitarre streichelt. Roger Taylorwidmet seine Vocals dem Titel „It’s A KindOf Magic“. Bei „Love Of My Life“ erscheintMercury zum ersten Mal auf der Leinwand,nachdem May angekündigt hatte: „Machenwir’s für Freddie!“

Der Geist dieses Mannes sucht die Bandauch fast 25 Jahre nach Mercurys Tod nochheim. Ein Drittel der Zeit wirken dieHerrschaften melancholisch.

Die neuen Queen spiegeln ihr Publikumwider. Während May und Taylor die ältereFangeneration, häufig mit langem oder aus-fallendem Haar, vertreten, stehen Lambertund der zweite Drummer, Rufus Taylor, fürdie Jungen auf der Bühne. Rufus ist der SohnRoger Taylors und liefert sich mit seinemebenfalls trommelnden Vater ein amüsantesSchlagzeugduell.

Hinter einem Netz aus Laserstrahlenstimmt Lambert schließlich „Who Wants toLive Forever“ an und zündet damit dieHitlunte. Es folgen „I Want It All“ , „RadioGaga“ und das Meisterwerk „BohemianRhapsody“. Man muss ihn loben, erbeherrscht sein Handwerk. Höchstens fehltihm bei „Another One Bites The Dust“ dieEnergie.

Schließlich packen die Herren und Jungsin der Zugabe die wohl gängigsten Liederobendrauf. Für „We Will Rock You“ bräuch-te es an sich nur die Perkussionen, denn denText kennt die Menge ohnehin. „We Are TheChampions“ geht schließlich im Konfetti-regen und dem angesichts einer irren Showabsolut verdienten Applaus unter.

GeballteEnergieDie britische BandQueen begeistert in derSchleyerhalle Stuttgartmit einer irren Show

Vor 25 Jahren starb der Sänger FreddieMercury. Seine Band, Queen, ohne dencharismatischen Frontmann, das könnenicht gehen. Lange genug bestätigtenQueen selbst diese Position. DochmitAdam Lambert hat die Show, die immerweitergehen soll, wieder eine Chance.

Für den Gitarristen Brian May

ist Adam Lambert

„ein Geschenk Gottes“

„We Are The Champions“

geht im Konfettiregen und

im verdienten Applaus unter

Bei Parrotta: Arbeit von Susanne M.Winterling Foto: Galerie Parrotta

Blick in die Baumeister-Schau beiDaimler in Berlin Foto:©Gaul/Daimler

13Nummer 38 • Montag, 16. Februar 2015Kultur