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FG Systemdynamik und Reibungsphysik TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN Fakultät V – Verkehrs- und Maschinensysteme – Institut für Mechanik Energiemethoden der Mechanik Vorlesungsnotizen WS 2009/10 Prof. Dr. rer. nat. V. Popov www.reibungsphysik.de

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FG Systemdynamik und Reibungsphysik

TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN

Fakultät V – Verkehrs- und Maschinensysteme – Institut für Mechanik

Energiemethoden der Mechanik

Vorlesungsnotizen WS 2009/10

Prof. Dr. rer. nat. V. Popov www.reibungsphysik.de

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Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 1. Generalisierte Koordinaten, Lagrangefunktion, Lagrangegleichungen II. Art • Hauger, Schnall, Gross: Technische Mechanik 3 (Abschnitt 4.3 Lagrangesche Gleichungen) • Schnell, Gross, Hauger: Technische Mechanik 2 (Kapitel 6) • G.-P. Ostermeyer: Mechanik III

I. Verallgemeinerte Koordinaten Wenn die Gesamtheit irgendwelcher Größen

1 2, ,..., sq q q die Lage eines Systems (mit s

Freiheitsgraden) völlig charakterisiert, so nennt man diese Größen verallgemeinerte (oder generalisierte) Koordinaten und die Ableitungen iqɺ verallgemeinerte Geschwin-

digkeiten.

Wichtig: Verallgemeinerte Koordinaten können nichts mit den uns bereits bekannten kartesischen oder polaren Koordinaten zu tun haben. Das kön-nen beliebige Größen sein (Volumen, Spannung, elektrische Kapazität oder Ladung, aber auch Winkel, Abstände u.s.w).

II. Lagrange-Funktion

Die Lagrange-Funktion eines Systems von Massenpunkten

L K U≡ − = = kinetische Energie − potentielle Energie =

2

1 2( , ,...) ( , )2a a

ia

m rU r r L q q− =∑

ɺ ɺ

Bemerkung: Potentielle Energie ist bis auf eine additive Konstante definiert. Diese Ei-genschaft hat auch die Lagrange-Funktion.

III. Lagrangesche Gleichungen II. Art

0i i

d L L

dt q q

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

Beispiel 1. Gegeben sei ein Körper mit Masse m auf einer Feder mit Fe-dersteifigkeit c. Zu bestimmen ist die Bewegungsgleichung.

Lösung. Als verallgemeinerte Koordinate wählen wir Auslenkung x aus dem ungespann-ten Zustand der Feder. Kinetische Energie ist

gleich 2

2

mxK =

ɺ, potentielle Energie der Fe-

der ist 2

2

cxU = . Lagrangefunktion ist gleich

2 2

2 2

mx cxL K U= − = −

ɺ. Die Ableitungen lau-

ten: 2 2 2

2 2 2

L mx cx mxmx

x x x

∂ ∂ ∂= − = = ∂ ∂ ∂

ɺ ɺɺ

ɺ ɺ ɺ,

d L dmx mx

dt x dt

∂ = =∂

ɺ ɺɺɺ

,

2 2 2

2 2 2

L mx cx cxcx

x x x

∂ ∂ ∂= − = − = − ∂ ∂ ∂

ɺ.

Die Lagrangegleichung lautet

0d L L

dt x x

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

⇒ 0mx cx+ =ɺɺ . (Das 2. N.G.)

Beispiel 2. Bewegung im Schwerefeld.

2

2

mxK =

ɺ, U mgx= ,

2

2

mxL mgx= −

ɺ

Lmx

x

∂ =∂

ɺɺ

, L

mgx

∂ = −∂

⇒ 0mx mg+ =ɺɺ .

Beispiel 3. Bestimmen Sie für ein Pendel: (1) Lagrange-Funktion, (2) Bewegungsgleichung. Lösung:

2 2 2

2 2

m mK v l ϕ= = ɺ

cosϕ= = −U mgz mgl Lagrangefunktion:

2 2 cos2

ϕ ϕ= +ɺmL l mgl :

Ableitungen:

2Lml ϕ

ϕ∂ =∂

ɺɺ

, 2d Lml

dtϕ

ϕ∂ =∂

ɺɺɺ

, sinϕϕ

∂ = −∂L

mgl .

Bewegungsgleichung:

2 sinϕ ϕ= −ɺɺml mgl .

Dies ist der Drallsatz für das Pendel.

x

Teil 1 Teil 2

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Beispiel 4. Gegeben sei das auf dem Bild skizzierte System. Der Körper 2m auf dem

Keil und der Keil auf der horizontalen Ebene gleiten ohne Reibung. Zu bestimmen sind die Bewegungsgleichungen in passend gewählten generalisierten Koordinaten.

Lösung. Koordinate der vorderen Kante des Keils und des Abstandes der Masse 2m von

dieser Kante beschreiben eindeutig die Lage des gesamten Systems und können daher als verallgemeinerte Koordinaten gewählt wer-den. Zur Bestimmung kinetischer Energien beider Körper drücken wir zunächst kartesi-sche Koordinaten von jedem Körper durch die gewählten verallgemeinerten Koordinaten:

1x x= , 1 0y =

2 cosx x s α= + , 2 siny s α= . 2

11 2

m xK =

ɺ,

( ) ( )2 222

2 22

cos sin2

2 cos2

mK x s s

mx s xs

α α

α

= + + =

+ +

ɺ ɺ ɺ

ɺ ɺ ɺɺ

1U konst= , 2 2 2 2 sinU m gy m gs α= = .

Lagrange-Funktion: ( ) 2 2

1 2 22 2cos sin

2 2

m m x m sL m xs m gsα α

+= + + −

ɺ ɺɺ ɺ

Ableitungen:

( )1 2 2 cosL

m m x m sx

α∂ = + +∂

ɺ ɺɺ

, 0L

x

∂ =∂

2 2 cosL

m s m xs

α∂ = +∂

ɺ ɺɺ

, 2 sinL

m gs

α∂ = −∂

.

Lagrangeschen Gleichungen:

( )1 2 2 cos 0m m x m s α+ + =ɺɺ ɺɺ ,

2 2 2cos sin 0m s m x m gα α+ + =ɺɺ ɺɺ .

Daraus können beide Beschleunigungen be-stimmt werden. Falls, z.B., nach xɺɺ gefragt wird, multiplizieren wir die zweite Gleichung mit cosα und ziehen die zweite Gleichung von der ersten ab. Daraus folgt

22

1 2

sin cos

sin

m gx

m m

α αα

=+

ɺɺ .

Beispiel 5. Zu bestimmen sind die Bewe-gungsgleichungen für den Körper im Füh-rungskanal auf einer sich drehenden Scheibe (Rotationsachse senkrecht zur Scheibe, Win-kelgeschwindigkeit ω ).

Lösung: Als verallgemeinerte Koordinate wählen wir den Abstand r des Körpers von der Rota-tionsachse. Lagrangesche Funktion:

( )2 2 2

2

mL K r r ω= = +ɺ (potentielle Energie

fällt aus, da sie konstant ist). Partielle Ablei-

tungen: L

mrr

∂ =∂

ɺɺ

, 2Lmr

rω∂ =

∂.

Lagrange-Gleichung: 2mr mrω=ɺɺ .

Man kann leicht die Bewegungsgleichung in einem nicht inertialen (rotierenden) System erkennen: 2mrω ist nichts anderes als Zentri-fugalkraft.

Beispiel 6. Fußpunkterregung eines Schwingers. Zu bestimmen ist die Lagrange-Funktion und die Bewegungsgleichung.

Lösung. x sei die Dehnung der Feder aus dem ungespannten Zustand. Die x-Koordinate der Masse ist dann

1 0 cosx x t xω= + . Die

Geschwindigkeit der Masse ist

1 0 sinx x t xω ω= − +ɺ ɺ .

Kinetische Energie ist

( )2201

sin

2 2

m x t xmxK

ω ω− += =

ɺɺ , potentielle

Energie ist 2

2

cxU = . Die Lagrange-Funktion:

( )2 20 sin

2 2

m x t x cxL

ω ω− += −

ɺ. Ableitungen:

( )0 sinL

m x t xx

ω ω∂ = − +∂

ɺɺ

, L

cxx

∂ = −∂

.

Lagrangegleichung:

( )20 cos 0

d L Lm x t x cx

dt x xω ω∂ ∂− = − + + =

∂ ∂ɺɺ

ɺ.

20 cosmx cx mx tω ω+ = −ɺɺ - N.G. für einen

Schwinger mit Fußpunkterregung.

ω

r m1

m2

α

x

s

0 cosFx x tω=

x

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 2. Prinzip der virtuellen Arbeit (Prinzip der virtuell en Verrückungen)

I. Kraft als Gradient der potentiellen Ener-gie. Aus Mechanik II wissen Sie, dass poten-tielle Energie bei einer eindimensionalen Be-

wegung als Integral ( ) ( )U x F x dx= −∫ defi-

niert wird. Aus dieser Definition folgt, dass

( ) UF x

x

∂= −∂

. Verallgemeinerung dieser Be-

ziehung auf mehrere Freiheitsgrade lautet:

ii

UF

x

∂= −∂

.

II. Prinzip der virtuellen Arbeit (Prinzip der virtuellen Verrückungen)

Im statischen Gleichgewicht sind alle Kräfte

gleich Null. Falls wir es mit einem konserva-

tiven System zu tun haben, gilt

1

0U

x

∂ =∂

,... 0i

U

x

∂ =∂

. (1)

Dies sind aber die Bedingungen für ein Mini-mum der potentiellen Energie. Gleichungen (1) bedeuten, dass das erste Differential der potentiellen Energie

1 21 2

... 0U U

dU dx dxx x

∂ ∂= + + =∂ ∂

oder

1 1 2 2 ... 0x xdW F dx F dx= + + =

Im Gleichgewicht ist die Arbeit bei beliebigen virtuellen Verschiebungen

gleich Null.

Umgekehrt:

Wenn die Arbeit bei beliebigen virtuellen Verschiebungen gleich Null ist,

so ist das System im Gleichgewicht

Da die Zwangskräfte (Reaktionskräfte) keine Arbeit leisten, brauchen sie bei der Berech-nung der Arbeit nicht berücksichtigt zu wer-den. Das Prinzip der virtuellen Verrückungen wird daher meistens in der folgenden Form verwendet:

Im Gleichgewicht muss die Arbeit von allen Kräften ohne Berücksichtigung von Reakti-onskräften auf allen mit den Bindungen ver-träglichen Bewegungen verschwinden.

III. Beispiele für das Prinzip der virtuellen Verrückungen.

Beispiel 1. Gegeben sei ein Hebel der Länge 2l im statischen Gleichgewicht. Im Punkt A ist der Hebel gelagert. Am Hebel greifen die Kräfte F und G sowie ein Moment M wie skizziert an.

M und G sind gegeben. Zu bestimmen ist die Kraft F und die Auflagerreaktionen.

Um die virtuelle Arbeit bei beliebigen virtuel-len Verrückungen des Hebels zu erhalten, muß zunächst der Hebel vom Lager freige-schnitten werden, um alle Kräfte am Hebel

sichtbar zu machen. Jetzt nehmen wir eine kleine, aber ansonst beliebige Verschiebung des Hebels vor. Ein starrer Körper in einer Ebene hat nur drei Freiheitsgrade: Er kann nach oben um yδ , in horizontaler Richtung

um xδ verschoben werden und darüber hin-aus um einen Winkel δϕ gedreht, sagen wir um das linke Ende des Hebels.

Virtuelle Verrückungen: , ,x yδ δ δϕ . Die auf der virtuellen Verrückung geleistete Arbeit muss im Gleichgewicht verschwinden:

( ) ( )2 0x yW A x A G F y lG lF Mδ δ δ δϕ= + − + + − + − =

Die Gleichgewichtsbedingungen: 0xA = , 0yA G F− + = ,

2 0lG lF M− + − = .

x

y

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2

Beispiel 2. Flaschenzug. Bei gegebener Gewichtskraft G ist die Kraft F zu bestimmen.

Lösung: Das ist ein Sys-tem mit einem Freiheits-grad. Das Ende des Seils wird um Fsδ gezogen. Dabei hebt sich das Ge-wicht um / 2G Fs sδ δ= .

Die dabei verrichtete Ar-beit ist

( )/ 2

δ δ δδ

= −= −

F G

F

A F s G s

F G s.

Das System ist im Gleichgewicht, wenn die virtuelle Arbeit bei einer beliebigen Verschie-bung gleich Null ist: / 2 0F G− = .

Beispiel 3. Welche horizontale Kraft muss an den Keil angelegt werden, um das System im Gleichgewicht zu halten?

Lösung: 2 tanR ps sδ δ α=

Die virtuelle Arbeit muss verschwinden:

( )2 tan 0δ δ δ α δ= − = − =P R pW P s R s P R s

⇒ 2 tan

PR

α= .

Beispiel 4. Schraubenpresse. Zu bestimmen ist das zum Erzeugen einer Druckkraft N er-forderliche Kraftmoment des Kräftepaars P, P'.

IV. Anwendung des Prinzips der virtuellen Arbeit zur Bestimmung der Reaktionskräf-te.

Ist nach einer bestimmten Reaktionskraft in einem Konstruktionselement gefragt, so er-setzen wir nur die uns interessierende Bin-dung durch die Reaktionskräfte und geben ihr ansonsten die Möglichkeit, sich zu bewegen (virtuelle Verrückungen auszuführen).

Beispiel 5. Zu berech-nen ist die Spannkraft des Fadens AB in dem skizzierten Teufelsarm. Lösung. Wir "schnei-

den" den Faden und lassen das Gewicht G eine kleine Verschie-bung δ Ds ausführen.

Dabei verschiebt sich der Punkt B um

/ 4δ δ=B Ds s ; Die da-

bei geleistete Arbeit muss im Gleichgewicht verschwinden:

0B DW T s G sδ δ δ′= − ⋅ + ⋅ =

Daraus folgt 4T G= .

Beispiel 6. Stabkraft Wie groß ist die Stab-kraft im Obergurt des Fachwerks?

Lösung. Indem man den Stab herausnimmt und durch die gesuchte Stabkraft ersetzt, ent-steht ein verschiebliches System mit einem Frei-heitsgrad (z.B.,φ ), durch den alle anderen virtuellen Verschiebun-gen ausgedrückt werden können. Die virtuelle Arbeit muss verschwinden:

0

W Fa Sa

Sa

δ δφ δφδφ= +

+ =

⇒ 12S F= − .

F

G

Fsδ

Gsδ

/ / 2Ns hδ δϕ π=

02

NW M N s

hM N

δ δϕ δ

δϕπ

= −

= − =

2

hM N

π=

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 3. Generalisierte Kräfte, Lagrangesche Gleichungen 2. Art mit nicht konservativen Kräften

I. Verallgemeinerte (generalisierte) Kräfte Gegeben sei ein Massenpunkthaufen

Wenn alle Körper um irδ verschoben werden

(das sind die "virtuellen Verrückungen"), werden die zwischen den Körpern wirkenden konservativen Kräfte eine Arbeit

1 1 11 1 1

...U U U

dW dU dx dy dzx y z

∂ ∂ ∂= − = − − −∂ ∂ ∂

leisten. Wir wissen, dass "Arbeit=Kraft mal Weg". Daraus ist ersichtlich, dass

1 1 1

, ,U U U

x y z

∂ ∂ ∂− − −∂ ∂ ∂

- Komponenten der Kraft

sind. In verallgemeinerten Koordinaten gilt

1 21 2

... ...ii

U U UdW dU dq dq dq

q q q

∂ ∂ ∂= − = − − − − −∂ ∂ ∂

In Analogie werden die Ableitungen i

U

q

∂−∂

verallgemeinerte Kräfte genannt, so dass die Regel "Arbeit= verallgemeinerte Kraft mal verallgemeinerte Verschiebung" auch weiter-hin gilt. Ähnlich werden verallgemeinerte nichtkon-servative Kräfte definiert.

Ist die Arbeit bei einer beliebigen virtuellen Verschiebung gleich

1 1 2 2 ... ...i idW Q dq Q dq Q dq= + + +

ist, so nennt man iQ die der verallgemeinerten

Koordinate iq entsprechende verallgemeiner-

te Kraft.

Beispiel 1. Zu finden ist die verallgemeinerte KraftQϕ , die dem Winkel ϕ entspricht.

Lösung: Aus der Dynamik wissen wir, dass die bei einer Rotation geleistete Arbeit ist gleich ϕ=dW Md , wobei M das Kraftmo-ment ist.

Das Kraftmoment M ist die dem Winkel zu-geordnete verallgemeinerte Kraft.

Beispiel 2. Ein Zentrifugalregler kann sich um die verti-kale Achse drehen. Gewicht jeder Kugel ist G, andere Teile können als gewichtslos ange-

nommen werden. Verallgemeinerte Koordi-naten seien α undϕ . Zu finden sind die entspre-chenden ver-allgemeinerten Kräfte.

Lösung:

1 2s s lδ δ δα= = ⋅Die virtuelle Arbeit bei Änderung des Winkels α ist

1 2sin sin 2 sinαδ δ α δ α δα α= − ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅ = − ⋅ ⋅ ⋅W G s G s G l

Für die verallgemeinerte Kraft folgt 2 sinQ G lα α= − ⋅ ⋅ .

0Wϕδ = ⇒ 0Qϕ = .

Beispiel 3. Ein Kolben kann sich in einem unter Druck p stehenden Zylinder bewegen. Als verallgemeinerte Koordinate des Kolbens sei das Volumen der linken Kammer gewählt. Zu berechnen ist die dieser verallgemeinerten

Koordinate zu-geordnete ver-allgemeinerte Kraft. Lösung. Die auf

die Oberfläche des Kolbens wirkende Kraft ist gleichF p A= ⋅ . Die Arbeit dieser Kraft bei einer kleinen Verschiebung dx des Kolbens ist gleich dW F dx p A dx p dV= ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅ .

Die verallgemeinerte Kraft ist VW

Q pV

∂= =∂

.

Die der verallgemeinerten Koordinate "Volumen" zugeordnete verallgemeinerte Kraft ist Druck.

Tabelle der generalisierten Kräfte

Generalisierte Koordi-nate

Generalisierte Kraft

kartesische Koordinate

x x-Komponente der Kraft xF

Rotationswinkel ϕ Kraftmoment bezüglich des-selben Punktes

M

Volumen V Druck p

Im Allgemeinen q /W qδ δ

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2

II. Lagrangesche Gleichungen 2. Art mit nicht konservativen Kräften

Die uns bekannten Lagrangeschen Gleichun-gen 2. Art

0i i

d L L

dt q q

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

können auch in der folgenden Form geschrie-ben werden:

0i i i

d K K U

dt q q q

∂ ∂ ∂− + =∂ ∂ ∂ɺ

oder

ii i i

d K K UQ

dt q q q

∂ ∂ ∂− = − =∂ ∂ ∂ɺ

.

Eine Bewegung kann sich aber nicht ändern, wenn wir Kräfte einer Natur durch die glei-chen Kräfte anderer Natur ersetzen. Daraus

folgt, daß die Gleichung ii i

d K KQ

dt q q

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

auch dann gilt, wenn iQ beliebige verallge-

meinerte Kräfte (nicht unbedingt konservati-ve) sind. Wenn wir die Kräfte als eine Summe aus kon-servativen und nicht konservativen Kräften darstellen, so gilt:

( .) ( . .) ( . .)kons n kons n konsi i i

i i i

d K K UQ Q Q

dt q q q

∂ ∂ ∂− = + = − +∂ ∂ ∂ɺ

Diese Gleichung kann in der folgenden Form geschrieben werden:

( . .)n konsi

i i

d L LQ

dt q q

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

Lagrangesche Gleichungen 2. Art für Systeme mit

nicht konservativen Kräften

Beispiel 1. Gegeben sei eine abgesetzte Rolle mit den Radien r und R auf einer schrägen Ebene im Erdschwerefeld. Sie wird über einen Faden und eine Feder-Dämpferkombination gehalten. Die Ruhelänge der Feder sei l. Man ermittle die Bewegungsgleichungen des Sys-tems.

Lösung. Die Lagrangefunktion des Systems:

( )22 21 1 1* sin

2 2 2L mx c x l mgxϕ α= + Θ − − +ɺɺ

Die Dämpferkraft ist eine nicht konservative Kraft. Die zugehörige virtuelle Arbeit ist

* *DämpferW bx xδ δ= − ɺ .

Die Koordinaten , *,x x ϕ sind abhängig. 1. Bindung: Die Rolle rollt ⇒ x Rϕ= . 2. Bindung: *x liegt auf der Rolle ⇒

( )*x R r ϕ= + .

Daraus folgen die Zusammenhänge zwischen den Koordinaten:

/x Rϕ = , *R r

x xR

+= .

Die Lagrangefunktion ausgedrückt als Funkti-on der einzigen gebliebenen verallgemeiner-ten Koordinate x :

22

2

1 1sin

2 2

R rL m x c x l mgx

R RαΘ + = + − − +

ɺ

Zur Berechnung der generalisierten Kraft, die derselben Koordinate x zugeordnet ist, be-rechnen wir die virtuelle Arbeit des Dämpfers

( )2

2Dämpfer

R rW b x x

Rδ δ

+= − ɺ ⇒

Die der Koordinate x zugeordnete nicht kon-servative verallgemeinerte Kraft ist somit

( )2

2x

R rQ b x

R

+= − ɺ .

Die Lagrangegleichung lautet

x

d L LQ

dt x x

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

Ableitungen:

2

∂ Θ = + ∂ ɺ

ɺ

Lm x

x R,

2

∂ Θ = + ∂ ɺɺ

ɺ

d Lm x

dt x R,

sinα∂ + + = − − + ∂

L R r R rc x l mg

x R R

Somit ergibt sich die folgende Bewegungs-gleichung

( )

2

2

2

sinαΘ + + + + − − =

+= −

ɺɺ

ɺ

R r R rm x c x l mg

R R R

R rb x

R

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 4 Die Dissipationsfunktion. Zwangskräfte.

I. Die Dissipationsfunktion. Zur Berechnung von generalisierten dissipa-tiven (Widerstands-) Kräften benutzt man Dissipationsfunktion.

Definieren wir eine Funktion D, deren Ablei-tungen nach Geschwindigkeitskomponenten mit Minus-Vorzeichen die Reibungskraft-komponenten ergeben:

(1)

1x

DF

x

∂= −∂ɺ

, (1)

1y

DF

y

∂= −∂ɺ

,... (1)

Beispiele: • Gleitreibung: relD N vµ= ,

µ - Reibkoeffizient, N- Normalkraft

• lineare Dämpfung: 21

2 relD bv= ,

b-Dämpfungskonstante

• Luftwiderstand: 31

3 relD k v= .

relv ist relative Gleitgeschwindigkeit.

Wir wollen nun verallgemeinerte dissipative Kräfte berechnen. Bei Beschreibung eines Systems mit verallgemeinerten Koordinaten sind seine kartesischen Koordinaten Funktio-nen von verallgemeinerten Koordinaten:

1( ,..., )i i sx x q q= .

Zur Berechnung der verallgemeinerten Kräfte berechnen wir die virtuelle Arbeit bei einer beliebigen Verrückung des Systems:

i i ii i i

DdW F dx dx

x

∂= = −∂∑ ∑ɺ

.

eine verallgemeinerte Kraft wird definiert als

i ij

i ij i j i j j

W D x D x DQ

q x q x q q

∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂= = − = − = −∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂∑ ∑

ɺ

ɺ ɺ ɺ ɺ

Daraus folgt für beliebige generalisierte Ko-ordinaten iq :

iqi

DQ

q

∂= −∂ ɺ

Mit der Dissipationsfunktion lassen sich die Lagrangegleichungen wie folgt schreiben:

ii i i

d L L DQ

dt q q q

∂ ∂ ∂− + =∂ ∂ ∂ɺ ɺ

In dieser Form sind die folgenden Kräfte be-rücksichtigt: (a) alle konservativen Kräfte stecken bereits in der Lagrangefunktion, (b) dissipative (Widerstands-) Kräfte durch die

Dissipationsfunktion, (c) alle sonstigen mit

iQ .

Beispiel. Modell eines Fahrzeuges: Aufbau + zwei Räder über Feder-Dämpferbeine abge-stützt. Nickbewegungen des Aufbaus seien klein. Ein Rad wird mit einem Moment M angetrieben. Der Aufbau erfährt einen Wider-stand durch den mit konstanter Geschwindig-keit v wehenden Wind. Man stelle die Bewe-gungsgleichungen auf.

Lösung. Die Lagrangefunktion des Systems:

( ) ( )

2 2 2

2 22 2

2 23 3

2 2

2 3

1 1( )

2 21 1

2 21 1

2 21 1

2 2

s

r

r

L M x y

mx

mx

Mgy c y l c y l

ϕ

ϕ

ϕ

= + + Θ

+ + Θ

+ + Θ

− − − − −

ɺɺ ɺ

ɺɺ

ɺɺ

Die Dissipationsfunktion des Systems ist 32 2

2 3

1 1 1

2 2 3D by by k x v= + + +ɺ ɺ ɺ .

Das Antriebsmoment muss über die virtuelle Arbeit 3AntriebW Mδ δϕ= − berücksichtigt wer-

den.

Bindungsgleichungen: Als generalisierte Ko-ordinaten werden , ,x y ϕ gewählt.

2x x a= − ⇒ 2x x=ɺ ɺ

3x x a= + ⇒ 3x x=ɺ ɺ

2y y aϕ= − ⇒ 2y y aϕ= − ɺɺ ɺ

3y y aϕ= + ⇒ 3y y aϕ= + ɺɺ ɺ

22

x x a

r rϕ −= − = − ⇒ 2

x

rϕ = −

ɺɺ

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2

33

x x a

r rϕ += − = − ⇒ 3

x

rϕ = −

ɺɺ

Für die Lagrangesche Funktion ergibt sich

( )

( ) ( )

2 2 2 2 22

2 2

1 1 1 12 2

2 2 2 21 1

2 2

rsL M x y mx x

r

Mgy c y a l c y a l

ϕ

ϕ ϕ

Θ= + + Θ + +

− − − − − + −

ɺɺ ɺ ɺ ɺ

oder

( )( )

2 2 2 22

2 2 2

1 1

2 2r

sL M x y m xr

Mgy c y l ca

ϕ

ϕ

Θ = + + Θ + +

− − − −

ɺɺ ɺ ɺ

Die Dissipationsfunktion

( ) ( )2 2 3

32 2 2

1 1 1

2 2 31

3

D b y a b y a k x v

by ba k x v

ϕ ϕ

ϕ

= − + + + + =

= + + +

ɺ ɺɺ ɺ ɺ

ɺɺ ɺ

Die virtuelle Arbeit des Antriebsmomentes ist

Antrieb

MW x

rδ δ= ⇒ x

MQ

r= .

Die Bewegungsgleichungen:

( )22 2 /rM m x k x v x v M r

r

Θ + + + + + =

ɺɺ ɺ ɺ

2 ( ) 2 0My Mg c y l by+ + − + =ɺɺ ɺ 2 22 2 0ca baϕ ϕ ϕΘ + + =ɺɺ ɺ

II. Zwangskräfte können auch im Lagrange-formalismus berechnet werden.

Zwangskräfte stehen immer senkrecht zu den "erlaubten" Bewegungen. Gibt es in einem System eine Bindung der Form

1 2( , ,..., ) 0sg q q q = , (1)

so kann sich dieses System im q-Raum nur auf der Hyperfläche (1) bewegen:

Die Zwangskräfte sind senkrecht zu dieser Fläche gerichtet. Diese "senkrechte Rich-tung" kann analytisch berechnet werden: Er-leiden alle Koordinaten iq eine beliebige

kleine Änderung, die mit der Bedingung (1) verträglich ist, so ändert sich g nicht, d.h.:

0ii

i i

gdg dq

q

∂= =∂∑ .

Diese Gleichung kann als Skalarprodukt von

zwei Vektoren: 1

,...,s

g gg

q q

∂ ∂∇ = ∂ ∂ und

( )1,..., sdq dq dq→

= aufgefasst werden. Vektor

dq→

liegt dabei immer in der Hyperebene und

Vektor 1

,...,s

g gg

q q

∂ ∂∇ = ∂ ∂ folglich senkrecht

zu dieser Ebene. Das bedeutet, dass die Zwangskraft die gleiche Richtung hat, wie der Vektor g∇ :

.Zwangi

i

gQ

qλ ∂=

∂.

Die noch unbekannte Größe λ heißt Lagran-ge-Multiplikator und kann aus der Bedingung (1) berechnet werden.

Lagrangesche Gleichungen 1. Art für Systeme mit beliebigen eingeprägten

Kräften und Zwangskräften

1

λ=

∂∂ ∂ ∂− + = +∂ ∂ ∂ ∂∑ɺ ɺ

rk

j kki i i i

gd L L DQ

dt q q q q

1 1 2( , ,..., ) 0=sg q q q

.................

1 2( , ,..., ) 0=k sg q q q

Beispiel: Ein Pendel. Man stelle die Bew-gungsgleichungen auf und gebe die Stangenkraft an. Lösung: Die Lagrangefunktion ohne Berücksichtigung der Zwangsbedingung ist

2 2 21 1cos

2 2L mr mr mgrϕ ϕ= + +ɺɺ

. Die Zwangsbedingung ist 0r l− = , somit

( , )g r r lϕ = − . Die Bewegungsgleichungen sind:

1) 2 cosg

mr mr mgr

ϕ ϕ λ λ∂− − = =∂

ɺɺɺ

2) 2 2 sin 0g

mr mrr mgrϕ ϕ ϕ λϕ

∂+ + = =∂

ɺɺ ɺɺ

3) r - l = 0 ⇒ 0r =ɺɺ . Die zweite Gleichung ist dann die gesuchte Bewegungsgleichung und die erste gibt die Zwangskraft an:

2 cosr

gF mr mg

rλ ϕ ϕ∂= = − −

∂ɺ .

ϕ

r l=

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 5. I. Zwangskräfte (Fortsetzung) II. Potentielle und kinetische Energie eines elastischen Stabes, Eigenschwingungen

I. Lagrangesche Gleichungen 1. Art für ein System mit mehreren Bindungen Gibt es in einem mechanischen System mit der Lagrangefunktion L r Bindungen, die mittels der Bindungsgleichungen

1( ,..., ) 0k sg q q = , 1,...,k r=

dargestellt werden können, so haben die Be-wegungsgleichungen die Form:

Lagrangesche Gleichungen 1. Art

1

rk

i kki i i i

d L L D gQ

dt q q q qλ

=

∂ ∂ ∂ ∂− + = +∂ ∂ ∂ ∂∑ɺ ɺ

1 1 2( , ,..., ) 0sg q q q =

.........

1 2( , ,..., ) 0r sg q q q =

Beispiel: Ein Pendel. Man stelle die Bewe-gungsgleichungen auf und gebe die Stangenkraft an.

Lösung: Die Lagrangefunktion ohne Berücksichtigung der Zwangsbedingung ist

2 2 21 1cos

2 2L mr mr mgrϕ ϕ= + +ɺɺ

Die Zwangsbedingung ist 0r l− = , somit ( , )g r r lϕ = − .

Die Lagrangegleichungen sind:

1) 2 cosg

mr mr mgr

ϕ ϕ λ λ∂− − = =∂

ɺɺɺ

2) 2 2 sin 0g

mr mrr mgrϕ ϕ ϕ λϕ

∂+ + = =∂

ɺɺ ɺɺ

3) r - l = 0 ⇒ 0r =ɺɺ . Die zweite Gleichung ist die gesuchte Bewe-gungsgleichung und die erste gibt die Zwangskraft an:

2 cosr

gF mr mg

rλ ϕ ϕ∂= = − −

∂ɺ .

II. Kontinuierliche Medien

A. Potentielle und kinetische Energie eines deformierten Stabes

Spannung: u

E Ex

σ ε ∂= =∂

. Kraft:

ii i i i i

i i

l AEF A AE AE l k l

l lσ ε ∆= = = = ∆ = ∆ ⇒

Steifigkeit eines Elementes: i

AEk

l= .

Potentielle Energie eines Elementes: 2 2

2

2

22

2 2 2

2 2

i ii i i

i i

i i ii

l AE AE lU k l l

l l

AE AE ul l

∆ ∆= = ∆ = =

∂ = = ∂

Potentielle Energie des ganzen Stabes: 2

2i ii i i

AE uU U l

x

∂ = = ∂ ∑ ∑

oder

22

0 02 2

l lAE u AEU dx u dx

x

∂ ′= = ∂ ∫ ∫

Kinetische Energie des Stabes:

2 2

0 02 2

l lv uK dm A dxρ= =∫ ∫

ɺ.

Lagrangefunktion: 22

0 2 2

l u AE uL A dx

∂ = − ∂ ∫

ɺ

B. Lagrangefunktion eines elastischen Sta-bes in Fourier-Darstellung Betrachten wir einen an beiden Enden festge-spannten elastischen Stab der Länge l (Rand-bedingungen (0) 0u = , ( ) 0u l = ):

Mit welchen generalisierten Koordinaten kann man einen Stab beschreiben?

Erste Möglichkeit: ( )u x ; hier spielt u die Rolle von generalisierten Koordinaten und x die Rolle des Indexes i, welcher Koordinaten nummeriert.

Zweite Möglichkeit: Jede nicht singuläre Funktion kann auf dem Intervall (0, )l in eine Taylor-Reihe entwickelt werden:

l i

x 0 l

u

ϕ

r l=

x x x dx+

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2

0

( , ) ( ) nn

n

u x t a t x∞

=

=∑ . Die Entwicklungskoef-

fizienten na können als generalisierte Koor-

dinaten gewählt werden.

Dritte Möglichkeit: Jede Funktion, die den Randbedingungen (0) 0u = , ( ) 0u l = genügt, kann auf dem Intervall (0, )l in eine Fourier-Reihe entwickelt werden:

0

( , ) ( )sinnn

nxu x t a t

l

π∞

=

=∑ .

Die Fourier-Koeffizienten na können eben-

falls als generalisierte Koordinaten gewählt werden.

Weitere Möglichkeiten:

0

( , ) ( ) ( )n nn

u x t a t xϕ∞

=

=∑ , wobei ( )n xϕ ein vol-

ler Satz von Basisfunktionen (es gibt ver-schiedene).

Betrachten wir näher die dritte Wahl der ge-neralisierten Koordinaten:

0

( , ) ( )sinnn

nxu x t a t

l

π∞

=

=∑ .

Wir leiten her die Bewegungsgleichungen für die generalisierten Koordinaten na . Zu die-

sem Zweck muss die Lagrange-Funktion des Stabes

( )2 2

0

1'

2

l

L Au AEu dxρ= −∫ ɺ als Funktion der

generalisierten Koordinaten dargestellt wer-den. Die Ableitungen sind:

0

( , ) ( )sinnn

nxu x t a t

l

π∞

=

=∑ɺ ɺ ,

0

'( , ) ( ) cosnn

n nxu x t a t

l l

π π∞

=

=

∑2

, 1 00

1sin sin

2 4

ln

n kn k n

nx kx Aa lK Aa a dx

l l

π π ρρ∞ ∞

= =

= =∑ ∑∫ɺ

ɺ ɺ

, 10

1cos cos

2

l

n kn k

n k nx kxU AEa a dx

l l l l

π π π π∞

=

= ∑∫2

2

1

1

4 nn

nAEa l

l

π∞

=

=

Die Lagrangefunktion: 2 2 2

2

0 1

1

4 4n

nn n

Aa l nL AEa

l

ρ π∞ ∞

= =

= −∑ ∑ɺ

.

Die Lagrangegleichungen

0n n

d L L

dt a a

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

lauten: 2 2

0n n

nAa l AEa

l

πρ + =ɺɺ .

Diese Gleichung beschreibt harmonische Schwingungen mit der Kreisfrequenz

n

E n

l

πωρ =

.

Wir haben gefunden, dass die Bewegungs-gleichungen für alle generalisierten Koordi-naten na unabhängig von einander sind!

Die allgemeine Lösung für die Koordinate ( )na t lautet:

( ) cos sin

cos sin

n n n n n

n n

a t A t B t

E n E nA t B t

l l

ω ω

π πρ ρ

= +

= +

Wenn wir eine Deformation haben, bei der zum Zeitpunkt 0t = nur eine Koordinate na

verschieden von Null war, so ist dies auch zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt gültig. In diesem Fall ist die Verschiebung durch den Ausdruck

( , ) ( )sinn

nxu x t a t

l

π=

gegeben. Diese Funktion heißt die n-te Eigen-form der Schwingungen des elastischen Sta-bes. Der Stab oszilliert dabei mit einer kon-

stanten Frequenz nE n

l

πωρ =

, welche als

n-te Eigenfrequenz bezeichnet wird. Die ge-neralisierten na Koordinaten heißen Normal-

koordinaten des Stabes. Die allgemeine Lö-sung für die n-te Eigenform ist

( , ) cos sin sinn n

E n E n nxu x t A t B t

l l l

π π πρ ρ

= +

mit beliebigen Konstanten nA und nB , deren

Werte von den Anfangsbedingungen abhän-gen.

Im zweiten Teil des Kurses, der Konti-nuumsmechanik, werden wir diese Lösung auf einem anderen Weg, als die sogenannte Bernoullische Lösung der Wellengleichung, bekommen.

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 6. Potentielle und kinetische Energie eines elastischen Balkens, eines Torsionsstabes, einer ge-spannten Saite. Beispiele für Statik und Dynamik eines Balkens.

I. Energie eines Balkens

Gegeben sei ein Balken mit der Länge l, dem geometrischen Trägheitsmoment des Quer-schnitts I und dem Elastizitätsmodul E in einem deformierten Zustand, der durch die Querverschiebung ( )w x seiner Achse gege-ben ist. Zu bestimmen ist seine potentielle Energie.

Wir betrachten einen infinitesimal kleinen Ausschnitt aus dem Balken

Aus der vorigen Vorlesung wissen wir, dass potentielle Energie eines gedehnten Stabes ist

2 2

2 2

AE EU l Vε ε= = ⋅ (V ist Volumen).

Deformation einer "Faser" mit der Querkoor-dinate y (gemessen von der Mittellinie) ist

( ) / ''y y R y wε = − = − ⋅ . Die potentielle Energie ist gleich:

2 2 2

0 0

1( ) '' ( )

2 2

l lEU dx y dydz dx Ey w x dydzε= =∫ ∫∫ ∫ ∫∫

oder

2

0

1'' ( )

2

l

U EIw x dx= ∫

Kinetische Energie berechnet sich wie bei

einem Stab zu: 2

0 2

l wK A dxρ= ∫

ɺ

II. Energie eines Torsionsstabes

Wir schneiden aus einem verdrehten Stab ein infinitesimal kleines Element zwischen x und x+dx. Der linke Rand ist gedreht um den Winkel ( )xθ , der rechte um

( )x dx dθ θ θ+ = + . Das Torsionsmoment im Querschnitt ist gleich

r rM GI GIx

θ θ∆ ′= =∆

( rI ist das polare geo-

metrisches Trägheitsmoment des Quer-schnitts). Der Torsionssteifigkeitskoeffizient des Elementes ist /rk GI x= ∆ . Die potentiel-le Energie des Elementes ist

2 2 22

22 2 2 2r r rI I GI

U k G G x xx x

θ θ θ θ∆ ∆ ∆ ′∆ = = = ∆ = ∆∆ ∆

Potentielle Energie des gesamten Stabes ist

2

0 2

lrGI

U dxθ ′= ∫

Kinetische Energie eines Elementes: 2 2 2

2 22 2

2 2

2 2

über überQuerschnitt Querschnitt

über überQuerschnitt Querschnit

mv x y z rK

y z rx x r dydz

ρ θ

ρ θ ρ θ

∆ ⋅ ∆ ∆ ∆ ⋅∆ = =

⋅ ∆ ∆ ⋅= ∆ = ∆

∑ ∑

∑ ∫

ɺ

ɺɺ

2

2rI

xρ θ= ∆ ɺ . Die gesamte kinetische Energie:

2

0 2

lrI

K dxρ θ= ∫ ɺ

III. Energie einer gespannten Saite Saite ist ein vorgespannter Faden, der keine Biegesteifigkeit besitzt.

Wir nehmen einen elastischen Faden mit der Länge 0l im ungespannten Zustand und deh-

nen ihn um 0l∆ auf eine neue Länge

0 0l l l= + ∆ ; dadurch entsteht eine Spannkraft

0S c l= ∆ (c ist Steifigkeitskoeffizient).

x

w(x)

l

neutrale Linie

R

x

w,y

1/ ''R w=

x

w

x l

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2

Jetzt lenken wir die Saite aus diesem Zustand (Verschiebung in der Querrichtung ( )w x ). Dadurch dehnt sich der Faden auf die Länge

22

0 0

2 2

0 0 0 0 1

0 0

1 1 . . .2

2 2

l l

l l

wl w dx G h O dx

w wl dx l l dx l l l

′ ′ ′= + = + +

′ ′≈ + = + ∆ + = + ∆ + ∆

∫ ∫

∫ ∫Die potentielle Energie vor der Auslenkung

war 21 02

cU l= ∆ . Nach der Auslenkung:

( ) ( )2 22 0 1 0 0 12 . . .

2 2

c cU l l l l l G h O= ∆ + ∆ = ∆ + ∆ ∆ +

2 1 0 1 1U U U c l l S l= − = ∆ ∆ = ∆ oder

2

02

lSU w dx′= ∫

Sie hängt nicht von der Steifigkeit des Fa-dens, sondern nur von der Vorspannkraft S ab. Kinetische Energie ist wie beim Balken

2

0 2

l wK A dxρ= ∫

ɺ

IV. Ein Balken im statischen Gleichge-

wicht: ein Beispiel. Zu berechnen ist die Durchbiegung in der Mitte.

Lösung: Die poten-tielle Energie ist

( )2

0

1''( ) ( / 2)

2

l

U EI w x dx Fw l= +∫

Mit dem Ansatz 0

( ) sinnn

nxw x a

l

π∞

=

=∑ , (der

den Randbedingungen (0) 0w = , ( ) 0w l = genügt), bekommen wir

2

0

''( ) sinnn

n nxw x a

l l

π π∞

=

=

∑ .

Die potentielle Energie: 4

2

0 0

sin4 2n n

n n

EIl n nU a F a

l

π π∞ ∞

= =

= + ⋅

∑ ∑ .

Die Bedingungen für ein Gleichgewicht: 4

sin 02 2n

n

U EIl n na F

a l

π π∂ = + ⋅ = ∂

Daraus ( )3 4 42 sin /2n

na Fl EI n

π π = −

.

Die Durchbiegung in der Mitte ist somit 3 2

4 40 0

3 3

4 40

2 sin2sin

2 2

2 1.

(2 1) 48

nn n

k

nFll n

w aEI n

Fl Fl

EI k EI

ππ

π

π

∞ ∞

= =

=

= = − =

− = −+ ⋅

∑ ∑

4

40

1:

(2 1) 96k

berücksichtigek

π∞

=

= +

V. Dynamik eines Balkens Gegeben sei ein beidseitig drehbar gelagerter Balken. Zu bestimmen sind die Eigenfre-quenzen. Lösung: Die Querauslenkung des Balkens genügt den Randbedingungen (0) 0w = ,

( ) 0w l = und kann daher als folgende Fou-rier-Reihe dargestellt werden:

0

( , ) ( )sinnn

nxw x t a t

l

π∞

=

=∑ .

Als generalisierte Koordinaten wählen wir na .

Die zur Berechnung von Energien benötigten Ableitungen sind:

0

( , ) ( )sinnn

nxw x t a t

l

π∞

=

=∑ɺ ɺ ,

2

0

( , ) ( ) sinnn

n nxw x t a t

l l

π π∞

=

′′ = −

∑ .

Kinetische und potentielle Energien: 2

, 1 00

1sin sin

2 4

ln

n kn k n

nx kx Aa lK Aa a dx

l l

π π ρρ∞ ∞

= =

= =∑ ∑∫ɺ

ɺ ɺ

42

1

1

4 nn

nU EIa l

l

π∞

=

=

Die Lagrangefunktion: 42

2

0 1

1

4 4n

nn n

Aa nL l EIa

l

ρ π∞ ∞

= =

= − ∑ ∑

ɺ.

Die Lagrangegleichungen:

0n n

d L L

dt a a

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

oder

4

0n n

nAa EIa

l

πρ + =

ɺɺ . Diese Gleichungen

beschreiben Schwingungen mit den Kreisfre-

quenzen 4

2n

EI n

A l

πωρ

= .

2

n

n EI

l A

πωρ

=

F

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 7. Näherungslösungen auf der Basis von Prinzipien. Das Verfahren von Rayleigh-Ritz. Literatur: Ostermeyer §25.2

I. Ritz-Ansatz (Statik) Mehrere statische und dynamische Aufgaben mit Stäben und Balken haben wir gelöst, indem wir die Auslenkung als eine Fourier-Reihe dar-gestellt haben. Allgemeiner kann man eine Entwicklung der Form

0

( , ) ( ) ( )n nn

w x t a t xϕ∞

=

=∑ (1)

benutzen, wobei ( )n xϕ ein voller Satz von Ba-

sisfunktionen ist. Wir haben gesehen, dass man oft sehr gute Er-gebnisse bereits mit nur wenigen ersten Glie-dern der Entwicklung (1) bekommt. Meistens reicht es, statt einer unendlichen Rei-he einen endlichen Ansatz

0

( ) ( )N

n nn

w x a xϕ=

=∑ (2)

zu benutzen (Ritz-Ansatz).

Bemerkung 1: Die Ansatzfunktionen müssen die geometrischen Randbedingungen erfüllen. Bemerkung 2: Bisher haben wir Fourier-Reihen benutzt, bei denen die Basis-Funktionen ( )n xϕ den Ortogonalitätsbedin-

gungen genügten. Das ist zwar sehr bequem, aber nicht zwingend erforderlich.

Beispiel 1. Zu bestimmen ist die Form eines links fest einge-spannten Balkens, auf dessen rechten Ende eine konzent-rierte Kraft F wirkt. Lösung: Benutzen wir den Ansatz:

2 3 2 30 1 2 3 2 3( )w x a a x a x a x a x a x= + + + = +

(Aus den geometrischen Randbedingungen links folgt 0 0a = , 1 0a = ).

Zweite Ableitung: 2 3"( ) 2 6w x a a x= +

Die potentielle Energie:

( )2

0

1''( ) ( )

2

l

U EI w x dx Fw l= +∫ ist gleich

( )2 2 32 3 2 3

0

12 6 ( )

2

l

U EI a a x dx F a l a l= + + +∫

( )2 2 2 3 2 32 2 3 3 2 32 6 6 ( )U EI a l a a l a l F a l a l= + + + +

Die Bedingungen für ein Minimum lauten

2 34 6Fl

a a lEI

+ = −

2 36 12Fl

a a lEI

+ = −

Die Durchbiegung ist

2 3( )2 6

Fl Fw x x x

EI EI= − +

Die Durchbiegung im Endpunkt ist 3

( )3

Flw l

EI= − . (Das ist das exakte Ergebnis!)

Allgemeine Formulierung. Wir betrachten dieselbe Aufgabe mit einem links eingespann-ten Balken, jetzt aber mit einer beliebigen Stre-ckenlast ( )q x . Zu bestimmen ist die Form des Balkens im Gleichgewicht. Die potentielle Energie des Balkens

( )2

0 0

1''( ) ( ) ( )

2

l l

U EI w x dx q x w x dx= +∫ ∫

muss im Gleichgewicht minimal werden. Be-rechnen wir U mit dem Ansatz (2):

0

''( ) ''( )N

n nn

w x a xϕ=

=∑ ,

( )2

, 0

''( ) ''( ) ''( )N

n k n kn k

w x a a x xϕ ϕ=

= ∑

000

00

1''( ) ''( )

2

( ) ( )

l N

n k n knk

l N

n nn

U EI a a x x dx

q x a x dx

ϕ ϕ

ϕ

==

=

= +

+

∑∫

∑∫

Wir führen die folgenden Bezeichnungen ein:

0

''( ) ''( )l

n k nkx x dx Aϕ ϕ =∫ , 0

( ) ( )l

n nq x x dx bϕ =∫

Offensichtlich gilt nk knA A= .

Die potentielle Energie erhält die Form:

, 0 0

1

2

N N

nk n k n nn k n

U EI A a a b a= =

= +∑ ∑ .

Die Bedingung für ein Minimum ist

0

0N

nk k nkn

UEI A a b

a =

∂ = + =∂ ∑ .

oder in Matrix-Form EI + =Aa b 0. Die Entwicklungskoeffizienten ergeben sich daraus zu

11

EI−= −a A b ,

F x w

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2

d.h. die Aufgabe über die Gleichgewichtsform eines Balkens wird mit Hilfe des Ritzschen Ansatzes auf Lösung eines linearen algebrai-schen Gleichungssystems zurückgeführt.

Beispiel 2. Zu berechnen ist die Durchbiegung des unten gezeigten Balkens in der Mitte. (Ge-geben: l,E,I).

Lösung: Wir haben diese Aufgabe be-reits mit Hilfe einer unendlichen Fourier-

Reihe exakt gelöst. Jetzt benutzen wir einen Ritz-Ansatz in Form eines Polynoms vierter Ordnung:

2 2

1 2

( ) ( ) ( )

( ) ( )

w x ax l x bx x l

a x b xϕ ϕ= − + −

= +. (*)

Die potentielle Energie ist gleich

( )2

0

1''( ) ( / 2)

2

l

U EI w x dx Fw l= +∫

Mit dem Ansatz (*) erhält man

( ) ( )2 4( / 2) / 2 / 2w l a l b l= + .

Es ist leicht zu prüfen, dass

21

0

( ) 4l

x dx lϕ′′ =∫ , 2 52

0

4( )

5

l

x dx lϕ ′′ =∫ ,

1 2

0

( ) 0l

x dxϕ ϕ′′ ′′ =∫ . Für die potentielle Energie

ergibt sich somit 2 4

2 2 412

5 2 2

l lU EIl a b l F a b

= + + + .

Die Gleichgewichtsbedingungen lauten

24 04

U FEIla l

a

∂ = + =∂

5 440

5 16

U FEIl b l

b

∂ = + =∂

Die Durchbiegung in der Mitte ist somit 363

2 64 48

l Flw

EI = − ⋅

. (Fehler ca. 1.5%).

II. Ritz-Ansatz (Dynamik) Betrachten wir eine vorgespannte Saite. Das System ist mittels des Ritz-Ansatzes zu dis-kretisieren und Bewegungsgleichungen der Saite sind aufzustellen. Lösung. Wir benutzen den Ritz-Ansatz:

( , ) ( ) ( )N

k kk

w x t a t xϕ=∑ .

Die Lagrangefunktion einer Saite ist

22

0 02 2

l lw SL A dx w dxρ ′= −∫ ∫

ɺ.

Mit Bezeichnungen

0

( ) ( )l

n k nkA x x dx mρ ϕ ϕ =∫ ,0

( ) ( )l

n k nkS x x dx cϕ ϕ′ ′ =∫

erhalten wir

, 1 , 1

1 1

2 2

N N

nk n k nk n kn k n k

L m a a c a a= =

= −∑ ∑ɺ ɺ

Die Lagrangegleichungen bezüglich der Vari-ablen na lauten

1 1

0N N

nk k nk kk k

m a c a= =

+ =∑ ∑ɺɺ

oder in der Matrix-Form + =Ma Ca 0ɺɺ .

Die Aufgabe über Bewegung einer Saite wird somit auf ein System von N gewöhnlichen Dif-ferentialgleichungen zurückgeführt, die mit Hilfe eines Exponentialansatzes gelöst werden können. M nennt man Massenmatrix, C Steifigkeits-matrix.

Beispiel 3. Zu bestimmen ist die kleinste Eigen-frequenz einer Saite. Lösung: Nehmen wir den Ritz-Ansatz mit nur einer Funktion: ( ) ( )u a t xψ= . Die Lagrangefunktion ist gleich

2 2

2 2

0 0

( ) ' ( )2 2

l la aL A x dx S x dxρ ψ ψ= −∫ ∫ɺ

Die Lagrangesche Gleichung ist

2 2

0 0

( ) ' ( ) 0l l

a A x dx a S x dxρ ψ ψ⋅ + ⋅ =∫ ∫ɺɺ

Das ist eine Schwingungsgleichung mit der Kreisfrequenz

2

2 0

2

0

' ( )

( )

l

l

S x dx

A x dx

ψω

ρ ψ=∫

∫ (Rayleigh-Quotient).

Wenn wir ( )( ) sin /x x lψ π= wählen, dann ist 2

22

/ 2

/ 2

SlSl

Al A l

ππω

ρ ρ

= =

.

Das ist das exakte Ergebnis! Bei einer beliebigen anderen Ansatzfunktion wird die berechnete Eigenfrequenz größer als die exakte sein.

F

16

F la

EI= −

5 1

4 16

Fb

EIl= −

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 8. Ritz-Ansatz. Rayleigh-Ritz Verfahren

I. Rayleigh-Ritz Verfahren zur Bestim-mung von Eigenfrequenzen.

Beispiel 1. Zu bestimmen ist die kleinste Ei-genfrequenz einer Saite.

Mit Hilfe eines eingliedrigen Ansatzes ( ) ( )u a t xψ= erhalten wir die Lagrangefunk-

tion:

2 2

2 2

0 0

( ) ' ( )2 2

l la aL A x dx S x dxρ ψ ψ= −∫ ∫ɺ

Die Bewegungsgleichung ist

2 2

0 0

( ) ' ( ) 0l l

a A x dx a S x dxρ ψ ψ⋅ + ⋅ =∫ ∫ɺɺ

Das ist eine Schwingungsgleichung mit der Kreisfrequenz

2

2 0

2

0

' ( )

( )

l

l

S x dx

A x dx

ψω

ρ ψ=∫

∫ (Rayleigh-Quotient).

Wenn wir ( ) sinx

xl

πϕ =

wählen, dann ist

2

22

12

12

S lSlA lA l

ππω

ρρ

= =

.

Das ist das exakte Ergebnis für die kleinste Eigenfrequenz der Saite, da wir als Ansatz-funktion die exakte Eigenform genommen haben. Nehmen wir ( ) ( )x x l xψ = − , so be-

kommen wir 22

10S

A lω

ρ= , was etwa 1,3%

über dem exakten Wert liegt.

Die Näherung (3) ist immer größer als die erste Eigenfrequenz.

Mit einem zweigliedrigen Ansatz 2 2( ) ( ) ( )x x l x ax l xψ = − + −

erhalten wir für den Rayleigh-Quotienten

2

2 4 22 0

2 2 4 22

0

' ( )6 (2 14 35)

( 9 21)( )

l

l

S x dxS a l al

Al a l alA x dx

ψω

ρρ ψ

+ += =+ +

Dieser Ausdruck hat ein Minimum bei

2

7 133:

4a

l

− +=

Der minimale Wert ist gleich

22

1S

A lω

ρ= 9.8697

Vergleiche mit dem exakten Wert 2

2

1S

A lω

ρ= 9.8696 .

II. Statisches Gleichgewicht und seine Sta-bilität Ein System mit der potentiellen Energie

1( ,..., )sU q q ist dann im statischen Gleichge-

wicht, wenn 0i

U

q

∂ =∂

für alle i.

Ein Gleichgewicht ist stabil, wenn es einem Minimum der potentiellen Energie entspricht und instabil in allen anderen Fällen. Im eindimensionalen Fall ist das Stabilitäts-kriterium besonders einfach:

U hat ein Minimum, wenn 2

20

U

q

∂ >∂

(stabil)

U hat ein Maximum, wenn 2

20

U

q

∂ <∂

(insta-

bil).

Beispiel 2. Gegeben sei ein mathematisches Pendel (Masse m auf einem masselosen Stab der Länge l) .Man bestimme die Gleichge-

wichtslagen und ihre Stabilität.

Lösung. Mit cosU mgl ϕ= −

berechnet man die Gleichgewichtsla-

gen aus der Gleichung

sin 0U

mgl ϕϕ

∂ = =∂

. Sie hat zwei Lösungen:

1 0ϕ = und 2ϕ π= . Die zweite Ableitung der potentiellen Energie nach ϕ gibt Auskunft über Stabilität:

2

2cos

Umgl ϕ

ϕ∂ =∂

.

1

2

20

U

ϕ ϕϕ =

∂ >∂

⇒ stabiles Gleichgewicht.

2

2

20

U

ϕ ϕϕ =

∂ <∂

⇒ instabiles Gleichgewicht

Beispiel 3. Knickung eines Stabes. Ein elastischer Stab sei an seinen Enden ge-lenkig gelagert und in der vertikalen Rich-

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2

tung mit einer Kraft F belastet. Gegeben: , , ,E I l F . Zu bestimmen sind die Stabili-

tätsbedingungen.

Lösung. Vorbereitender Schritt: Berechnung der potentiellen Energie:

( )2

0

1''( )

2

l

U EI w x dx F= − ∆∫Bestimmen wir die Ver-schiebung ∆ . Die Verkür-

zung wegen vertikaler Verschiebung ist ∆ . Die Verlängerung wegen Biegung ist

212

0

l

w dx′∫ . Die Längssteifigkeit eines schlan-

ken Stabes ist viel größer als seine Biegestei-figkeit: In erster Annäherung kann der Stab als undehnbar angenommen werden. Das bedeutet, daß sich die Länge bei einer Aus-

lenkung nicht ändert: 212

0

l

w dx′∆ = ∫ .

Für die potentielle Energie ergibt sich

2 212

0 0

1

2

l l

U EIw dx F w dx′′ ′= −∫ ∫

Mit dem Ansatz 0

( ) sinnn

nxw x a

l

π∞

=

=∑

(der den Randbedingungen (0) 0w = , ( ) 0w l = genügt), bekommen wir

0

'( ) cosnn

n nxw x a

l l

π π∞

=

=

2

0

''( ) sinnn

n nxw x a

l l

π π∞

=

= −

∑ .

Die potentielle Energie: 4 2

2 2

0 0

4 22

0

4 4

4

n nn n

nn

l n Fl nU EI a a

l l

l n na EI F

l l

π π

π π

∞ ∞

= =

=

= −

= −

∑ ∑

Diese Energie hat bei 1 0,..., 0na a= = ein

Minimum, wenn alle Koeffizienten vor 2na

positiv sind: 4 2

0n n

EI Fl l

π π − >

oder

2

0n

EI Fl

π − >

.

Der gerade Zustand ist stabil, wenn

( )2/F EI lπ<

IV. Rayleigh-Ritz-Verfahren zur Bestim-mung von Knicklasten.

Die potentielle Energie eines wie gezeigt belasteten Stabes ist mit (1)

gegeben. Wenn wir einen eingliedrigen An-satz ( )w a xψ= benutzen, so bekommen wir:

2 2 212

0 0

1

2

l l

U a EI dx F dxψ ψ

′′ ′= − ∫ ∫ .

Die potentielle Energie hat bei 0a = ein Mi-nimum (stabiles Gleichgewicht), wenn

2 212

0 0

10

2

l l

EI dx F dxψ ψ′′ ′− >∫ ∫ .

Für die kritische Last bekommen wir daraus

2

0

2

0

l

l

EI dx

F

dx

ψ

ψ

′′=

∫ (Rayleigh-Quotient) (2)

Die exakte Knicklast ist immer kleiner als eine Abschätzung der Form (2)!

Bemerkung: Die Ansatzfunktionen müssen stets die geometrischen Randbedingungen erfüllen. Die dynamischen Randbedingungen brauchen nicht berücksichtigt zu werden. Das Ergebnis wird allerdings verbessert, wenn auch die dynamischen Randbedingungen berücksichtigt werden.

Numerisches Beispiel: Im 1. Eulerschen

Knickfall ist ( )2 2 2/ 4 /kF EI l EI lπ= = 2.467 .

Benutzen wir einen eingliedrigen Ansatz 2xψ = , so ergibt sich für die Knicklast:

( )2

2

0

4/

4k l

lF EI EI l

x dx= =

∫3 .

Mit einem zweigliedrigen Ansatz 2 3x axψ = + :

( )31 4

18 92 5 4 39 4

5 3

2 61

3k

alF EI

a a l al l

+ −=

+ +.

( )( )

2 2

22 2

180 18 22 50

27 45 20

ka l aldF

da l a l al

+ += =

+ +

311118 18

a

l= − + .

( )2/kF EI l= 2.485 (Genauigkeit 0.7%)

(1)

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 9. Das Verfahren von Castigliano. Lit: Ostermeyer 25.3

I. Erster Satz von Castigliano. Verallgemeinerte Kräfte bekommt man als Ableitungen der potentiellen Energie nach

verallgemeinerten Koordinaten: ii

UQ

q

∂ = −∂

.

Dieser Satz, den wir schon mehrmals benutzt haben, heißt der erste Satz von Castigliano.

II. Zweiter Satz von Castigliano. Betrachten wir eine Feder, an der mit der Kraft F gezogen wird.

Es gilt: F cx= , F

xc

= , 21

2U cx= ⇒

2

2

FU

c= . Daraus folgt:

U Fx

F c

∂ = =∂

.

D.h. die Koordinate ist Ableitung der poten-tiellen Energie nach Kraft. Diese Behauptung ist als 2. Satz von Castigliano bekannt. Eine genauere Formulierung siehe weiter!

III. Eine allgemeine Herleitung des 2. Sat-zes von Castigliano.

1 2( , ,.. )sU q q q sei die potentielle Energie eines

Systems mit s Freiheitsgraden. Das volle Dif-ferential der potentiellen Energie ist

1 2( , ,.. )s ii

UdU q q q dq

q

∂=∂∑ .

ii

UQ

q

∂ = −∂

sind generalisierte Kräfte. Um

System in diesem Zustand im Gleichgewicht zu halten, müssen äußere generalisierte Kräf-

te exti

i

UQ

q

∂ =∂

angebracht werden. Somit:

exti idU Q dq=∑ . Die Summe ext

i iQ dq∑

kann transformiert werden:

( )ext ext exti i i i i idU Q dq d Q q q dQ= = −∑ ∑ ∑ .

Daraus folgt: ( )ext exti i i id Q q U q dQ− =∑ ∑ .

Der Ausdruck exti iU Q q U= −∑ɶ heißt kom-

plementäre Energie.

Mit dieser Größe gilt exti idU q dQ=∑ɶ .

Daraus folgt i exti

Uq

Q

∂=∂

ɶ

:

Der 2. Satz von Castigliano: i exti

Uq

Q

∂=∂

ɶ

Generalisierte Verschiebungen bekommt man als partielle Ableitungen der komplementären Energie nach generalisierten äußeren Kräf-ten.

Wichtige Bemerkung: Im Fall von linear elastischen Systemen sind die komplementäre Energie und die potentielle Energie gleich.

Beispiel: Für eine Feder ist 2 2 2

2

2 2 2

cx cx FU xF U cx U

c= − = − = = =ɶ .

Der 2. Satz von Castigliano für linear elas-tische Systeme: Die generalisierten Ver-schiebungen sind gleich den partiellen Ablei-tungen der potentiellen Energie, ausgedrückt als Funktion von generalisierten Kräften, nach generalisierten Kräften.

Beispiel 1. Ein Dehnstab der Länge l mit der Dehnsteifigkeit EA hat die potentielle Energie

2

0

1'

2

l

U AEu dx= ∫ .

Mit ( ) ( )N x EAu x′= erhält man die potentielle Energie

2

0

1 ( )

2

l N xU dx

EA= ∫ .

( )N x ist der Normalkraftverlauf im Stab. Greift am Ende des Stabes eine Kraft F an, so

ist ( )N x F= . ⇒ 2

2

F lU

EA= .

Die Verschiebung des Angriffspunktes von F

in Richtung F: U Fl

xF EA

∂= =∂

.

IV. Komplementäre Energien für ver-schiedene Systeme

F ist hier die äußere Kraft

2

0

1 ( )

2

l N xU dx

EA= ∫

2

0

1 ( )

2

lt

p

M xU dx

GI= ∫

2

0

1 ( )

2

l M xU dx

EI= ∫

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2

Hier haben wir die Formeln für die Energie

eines Torsionsstabes 2

0 2

lpGI

U dxθ

′=

∫ und

eines Biegebalkens 2

0

1'' ( )

2

l

U EIw x dx

=

benutzt sowie die Beziehungen t pM I θ ′= für

einen Torsionsstab und M EIw′′= − für einen Biegebalken.

Beispiel 2. Man berechne die Absenkung des skizzierten Kragbalkens unter der Kraft F.

Lösung: Frei-schneiden des Balkens bei x liefert den Mo-mentenverlauf

( ) ( )M x F l x= − −Die potentielle Energie ist

2 2 2 2 3

0 0

1 1 ( ) 1

2 2 2 3

l lM F l x F lU dx dx

EI EI EI

−= = =∫ ∫

⇒3

( )3

U Flw l

F EI

∂= =∂

.

Anmerkung: Der große Vorteil des Satzes von Castigliano ist die Berechnung der Ver-formung, ohne die Biegedifferentialgleichung lösen zu müssen!

V. Berechnung von Verschiebungen an Stellen, wo keine Kräfte angreifen

Interessiert man sich für Verformungen an Stellen eines elastischen Systems, an denen keine Kräfte oder Momente angreifen, so bringt man eine Kraft oder ein Moment an dieser Stelle an, berechnet die gewünschte Verformung und bringt in dieser dann den Einfluss der zusätzlichen Kraftgröße wieder zum Verschwinden, indem die Kraft oder das Moment gleich Null gesetzt wird.

Beispiel 3. Man berechne den Endwinkel des skizzierten Kragbalkens unter der Kraft F.

Lösung: Einem Winkel ist als verallgemeiner-te Kraft ein Kraftmoment zugeordnet. Also bringen wir am Ende

ein Moment *M ein. Freischneiden bei x liefert den Mo-mentverlauf

( ) ( ) *M x F l x M= − − − Die Ableitung der Formänderungsenergie nach *M liefert

( ) ( )

2

0 0

0 0

2 2

0

1( )

* * 2 *

( ) *1

*

( ) * *

2 2

l l

l l

x l

x

U M M Ml dx dx

M M EI EI M

F l x MM Mdx dx

EI M EI

F l x M x Fl M l

EI EI

ϕ

=

=

∂ ∂ ∂= = = =∂ ∂ ∂

− − −∂ = − =∂

− − − −=

∫ ∫

∫ ∫

Bei * 0M = ⇒ 2

( )2

Fll

EIϕ = .

VI. Berechnung von Lagerkräften mit dem Satz von Castigliano. Ist die Verformung vorgegeben, kann man mit dem Satz von Castigliano die dazugehö-rigen Kräfte berechnen.

Beispiel 4. Gegeben sei ein links eingespann-ter Balken mit einer konstanten Streckenlast

0q . Gesucht ist die Lagerkraft bei B.

Lösung: Freischneiden des Systems am Lager B macht die gesuchte Lagerkraft sichtbar.

Das System ist statisch unbestimmt: Kräfte-gleichgewicht am Gesamtsystem reicht nicht aus zur Bestimmung von Lagerreaktionen. Man kann die Aufgabe durch Lösung der Biegedifferentialgleichung lösen. Oder man benutzt die Castigliano-Methode: Man be-rechnet die resultierende Verschiebung unter der Wirkung der Kraft B. Und diese Ver-schiebung muss verschwinden: / 0U B∂ ∂ = .

( )2

0

1( ) ( )

2M x B l x q l x= − − − .

( )320

0 0

3 40

1 1( )

2

1 1 10

3 8

l lU M Mdx B l x q l x dx

B EI B EI

Bl q lEI

∂ ∂ = = − − − = ∂ ∂

− =

∫ ∫

Daraus folgt 0

3

8B q l= .

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 10. Das Verfahren von Castigliano II. Die Sätze von Betti und Maxwell. Literatur: 1. W.H. Müller, Technische Mechanik, 21.4 (Sätze von M&B) oder 2. Schnell, Gross, Hauger, Technische Mechanik 2, Kapitel 6.3, 6.4

I. Drei Beispiele zum Verfahren von Castigliano.

Beispiel 1. Elastische Formänderung von Fachwerken. Zu bestimmen ist die vertikale Verschiebung des Punktes A.

Lösung: Zunächst wer-den Stabkräfte

iN in allen Stä-

ben bestimmt und die jeweili-ge potentielle

Energie 2

2i i

i

N lU

EA= berechnet.

No. Ni li Ui 1 P l 2 2P l EA 2 2P− 2l 22 2 2P l EA 3 P l 2 2P l EA 4 -P l 2 2P l EA 5 2P− 2l 22 2 2P l EA 6 2P l 24 2P l EA

Die gesamte potentielle Energie ist

( )2

7 4 22

P lU

EA= + .

Die gesuchte Verschiebung des Punktes A ist

( )7 4 2A

U Pl

P EAδ ∂= = +

∂.

Beispiel 2. Berechnung der Federkonstante einer "Torsionsfeder".

Parameter der Feder seien die folgenden: Durchmesser des Drahtes d, Radius der Feder R, Anzahl der Win-dungen N, Elastischer Mo-dul E. Zu bestimmen ist die Torsionssteifigkeit γ . (Definition der Torsionsstei-figkeit: M γϕ= , wobei ϕ

der Torsionswinkel ist). Lösung: In jedem Querschnitt der Feder wirkt das Kraftmoment M. Die potentielle Energie der Feder ist.

2 2 2

0

12

2 2 2

l M M MU dx l RN

EI EI EIπ= = =∫

Der Drehwinkel ist 2U M

RNM EI

ϕ π∂= =∂

.

Das geometrische Trägheitsmoment eines

Kreises ist 4

64

dI

π= . Für den Drehewinkel

erhalten wir 4

128MRN

Edϕ = . Die Federstei-

figkeit ist 4

128

Ed

RNγ = .

Beispiel 3. Ein Kragbalken wird durch eine Einzelkraft belastet. Wie groß ist die Absen-kung w im Angriffspunkt bei Berücksichti-

gung der Schubdeformati-on? Lösung: Potentielle Ener-gie der Biegung und der Scherung können sum-miert werden:

( ) ( )2 2

0 0

1 1

2 2

l lM x Q xU dx dx

EI GA= +∫ ∫ .

Für Q und M gilt ( )Q x F= − , ( )M x Fx= − . Die potentielle Energie:

2 2 2 2 3

0 0

1 1

2 2 2 3

l lF x F F l lU dx dx

EI GA EI GA

= + = +

∫ ∫

Die Absenkung ist gleich 3

3

U l lw F

F EI GA

∂= = + ∂ .

Schub vernachlässigbar, wenn 2 3 /l EI GA≫ . Für ein dünnwandiges Rohr ist 2 / 2I r A= . Das Rohr kann als ein "schlanker Balken" angesehen werden, wenn

2 2 2 2 23 / 2 3(1 ) 4l Er G r r dν= + ≈ =≫ .

II. Einflußzahlen. Betrachtet wird ein linear elastisches System. In N Angriffspunkten wirken Kräfte iQ . Ver-

schiebungen der Angriffspunkte in der Rich-tung der jeweiligen Kraft seien iq . Aus der

Linearität folgt:

1

N

i ij jj

q Qα=

=∑ . (1)

Die Koeffizienten ijα werden Maxwellsche

Einflußzahlen genannt. Aus (1) folgt: /ij i jq Qα = ∂ ∂ . Nach dem Satz

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2

von Castigliano gilt aber /i jq U Q= ∂ ∂ . Für

die Einflußzahlen ergibt sich deshalb: 2

iji j

U

Q Qα ∂=

∂ ∂. Daraus folgt der

Vertauschungssatz von Maxwell: ij jiα α= .

II. Der Satz von Betti (auch Reziprozitäts-satz von Betti). Wenn ein linearelastischer Körper zwei verschiedenen Lastsystemen ausgesetzt ist, so ist die Arbeit der Kräfte des ersten Systems an den Verschiebungen des zweiten Systems gleich der Arbeit der Kräfte des zweiten Systems an den Verschiebungen des ersten Systems.

Beweis: Zu beweisen ist also, dass A AB B BAF u F uδ δ= ,

wobei ABuδ die Verschiebung des Punktes A

(in der Richtung der Kraft AF ) unter der Wir-

kung der Kraft BF ist und BAuδ umgekehrt. Aus dem Satz von Maxwell folgt

A AB A AB BF u F Fδ α= ,

B BA B BA A A AB BF u F F F Fδ α α= = .

Beispiel 4. Zu bestimmen ist die Änderung des Volumens eines elastischen Körpers be-liebiger Form unter der Einwirkung eines Kräftepaars. Abstand zwischen den Angriffs-punkten der Kräfte sei h. Lösung: Betrachten wir außer des Kräftepaars auch einen hydrostatischen Druck p.

ph∆ sei die Änderung des

Abstandes zwischen bei-den Angriffspunkten unter der Einwirkung des Dru-ckes; FV∆ sei die Ände-rung des Volumens unter

der Einwirkung des Kräftepaars. Nach dem Satz von Betti: p FF h p V∆ = ∆ . Unter der

Wirkung des hydrostatischen Druckes

( )1 2ph p

h E E E E

σ σ σε ν ν ν∆

= = − − = − . ⇒

( )1 2p

ph h

Eν∆ = − . Aus dem Satz von Betti

folgt dann ( )1 2

F

FhV

E

ν−∆ = .

Beispiel 5. Eine sphärische, nicht dehnbare Schale ist belastet durch ein beliebiges Kräf-

tesystem. Zu zeigen ist, daß sich das einge-schlosse-

ne Volumen bei der Biegung nicht ändert. Lösung: 0F i ipp V Fδ δ⋅ = =∑ .

Beispiel 6. Gegeben: Ein gerader Balken steht unter der Wirkung von n Einzellasten. Gefragt wird nach Verschiebung ( )iw x in

einem beliebigen Punkt ix .

Lösung: Definiti-onsgemäß gilt

1

( )n

i ij jj

w x Fα=

=∑ .

Nach dem Satz von Maxwell gilt

1

( )n

i ji jj

w x Fα=

=∑ .

jiα ist die Verschiebung 1

( )i

j Fw x

= unter der

Wirkung einer Einheitslast im Punkt i. Somit

11

( ) ( )i

n

i j jFj

w x w x F=

=

=∑ .

Damit ist die Aufgabe zwar nicht gelöst, wird aber viel leichter lösbar, als die ursprüngli-che. Statt Verschiebung unter Wirkung von

mehreren Kräften berechnen wir nun mehrere Verschie-bungen unter Wir-kung einer einzigen Kraft (im Punkt ix ).

(0, )ix x∈ : 2 3( )2 6

iFx Fw x x x

EI EI= − +

( , )ix x l∈ : 3 2

( ) ( )3 2

i ii

Fx Fxw x x x

EI EI= − − − .

Z.B., wenn alle Kräfte links vom Punkt an-greifen, in dem die Absenkung gesucht wird, so findet man:

3 32 2

1( ) ( )

3 2 6 2i

i i i ij iF

x x x xw x x x x

EI EI EI EI== − − − = −

3 2

1

( )6 2

ni i

i j jj

x xw x x F

EI EI=

= −

∑ .

A B FA

FB

F

F h

Fi

xi

xi

p

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 11. Das Prinzip der kleinsten Wirkung. Variationsrechnung Lit: Ostermeyer 24.2

I. Beweis der Gültigkeit der Lagrangeschen Gleichungen 1). Äquivalenz der Newtonschen Gleichungen und der Lagrangeschen Gleichungen in karte-sichen Koordinaten ist elementar zu beweisen,

denn d L

mxdt x

∂ =∂

ɺɺ

ɺ und x

L UF

x x

∂ ∂= − =∂ ∂

.

2). Die Lagrangesche Gleichungen sind äqui-valent zum Prinzip der kleinsten Wirkung.

3). Aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung folgen Lagrangesche Gleichungen in beliebi-gen generalisierten Koordinaten.

Das Prinzip der kleinsten Wirkung

1 2 1 2( , ,..., , , ,..., , )s sL q q q q q q tɺ ɺ ɺ oder in abgekürzter Schreibweise ( , )L q qɺ

sei die Lagrange-Funktion eines mechani-schen Systems. Zu den Zeitpunkten t=t1 und t=t2 nehme das System bestimmte Lagen ein, die durch zwei Koordinatenkonfigurationen (1)q und (2)q charakterisiert sind. Die Bewegung des Sys-tems zwischen diesen beiden Lagen verläuft dann auf eine solche Weise, daß das Integral

2

1

( , , )t

t

S L q q t dt= ∫ ɺ (1)

den kleinstmöglichsten Wert annimmt.

Das Integral S heißt Wirkung.

Variationsaufgabe: Bei welcher Bewegung hat das Integral (1) ein Minimum?

Lösung: Angenommen ( )q q t= sei eben die gesuchte Funktion. ⇒ S wächst, wenn ( )q t durch eine beliebige Funktion der Form

( ) ( )q t q tδ+ ersetzt wird. ( )q tδ heißt Varia-tion der Funktion ( )q t .

Die Änderung (Variation) von S ist gleich: 2 2

1 1

( , , ) ( , , )t t

t t

S L q q q q t dt L q q t dtδ δ δ= + + −∫ ∫ɺ ɺ ɺ

In einem Minimum muss die erste Variation

verschwinden:

2

1

0t

t

L LS q q dt

q qδ δ δ ∂ ∂= + = ∂ ∂

∫ ɺ

ɺ

dq q

dtδ δ=ɺ , ⇒ partielle Integration:

2

2

1

1

0t

t

tt

L L d LS q qdt

q q dt qδ δ δ ∂ ∂ ∂= + − = ∂ ∂ ∂

∫ɺ ɺ

.

Nach dem Prinzip der kleinsten Wirkung ist

1 2( ) ( ) 0q t q tδ δ= = .⇒

0d L L

dt q q

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

Bei mehreren Freiheitsgraden:

0i i

d L L

dt q q

∂ ∂− =∂ ∂ɺ

II. Variationsproblem für ein kontinuierli-ches Medium am Beispiel eines statisches Gleichgewichtes ("das Prinzip der kleins-ten potentiellen Energie").

Ein System ist im stabilen statischen Gleich-gewicht, wenn seine potentielle Energie U

ein Minimum annimmt.

Beispiel 1. Zu bestimmen ist die Durchbie-gung eines links fest eingespannten schweren Balkens (Parameter , , , , ,A E I l gρ ).

Lösung: Die potentielle Energie eines Balkens im Schwerefeld ist

( )2

0 0

1''( ) ( )

2

l l

U EI w x dx g Aw x dxρ= +∫ ∫ .

Die Bedingung für ein Minimum besteht im Verschwinden der ersten Variation der poten-tiellen Energie:

0 0

''( ) ''( ) ( )l l

U EIw x w x dx g A w x dxδ δ ρ δ= ⋅ + ⋅∫ ∫Im ersten Term führen wir zweimal partielle Integration aus:

00

00

00

''( ) ''( ) ''( ) '( )

'''( ) '( ) ''( ) '( )

'''( ) ( ) ( ) ( )

ll

ll

ll IV

EIw x w x dx EIw x w x

EIw x w x dx EIw x w x

EIw x w x EIw x w x dx

δ δ

δ δ

δ δ

⋅ = ⋅ −

⋅ = ⋅ −

− ⋅ + ⋅

Somit

x

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2

00

( ) ''( ) '( )l

lU g A w x dx EIw x w xδ ρ δ δ= ⋅ + ⋅ −∫

00

'''( ) ( ) ( ) ( )l

l IVEIw x w x EIw x w x dxδ δ− ⋅ + ⋅∫ .

Daraus folgt 0IVg A EIwρ + = und

(0) 0w = , '(0) 0w = , ''( ) 0w l = , '''( ) 0w l = .

Aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung folgt nicht nur die Biegedifferentialgleichung son-dern auch alle Randbedingungen. Integration ergibt (s. Bild oben).

4 3 24 1 1 1( )

18 6 4

g Al x x xw x

EI l l l

ρ = − + −

III. Anwendung des Prinzips der kleinsten Wirkung zur Herleitung von Bewegungs-gleichungen für einen elastischen Stab.

Beispiel 2. Der Stab sei am linken Ende fest eingespannt. Die Bewegungsgleichungen be-kommt man aus der Forderung, daß die erste Variation des Wirkungsintegrals gleich Null ist:

1 1

0 0 0

t t l

t t

Au u

S Ldt dx dtu uAE

x x

ρ δδ δ δ

− = = ∂ ∂ − ∂ ∂

∫ ∫ ∫ɺ ɺ

Im ersten Term führen wir eine partielle In-tegration nach Zeit und im zweiten eine par-tielle Integration nach Koordinate aus:

11

0 0

1

0

1

0 0

0

tt l l

t t

t l

t

S Au u dxdt Au u dx

Au u dxdt

δ ρ δ ρ δ

ρ δ

= ⋅ = ⋅ −

− ⋅

∫ ∫ ∫

∫ ∫

ɺ ɺ ɺ

ɺɺ

1

0

1 1

0 0

2

0

2

200

t l

t

lt t l

t t

u uS AE dx dt

x x

u uAE u dt AE udx dt

x x

δδ

δ δ

∂ ∂ = − = ∂ ∂

∂ ∂− + ∂ ∂

∫ ∫

∫ ∫ ∫

Daraus folgt: 2

20

uAu AE

xρ ∂− + = ∂ ɺɺ

sowie

0

0x x l

u u

x x= =

∂ ∂= =∂ ∂

.

Das Prinzip der kleinsten Wirkung liefert ne-ben der Bewegungsgleichung auch die Rand-bedingungen.

Beispiel 3. Gegeben sei der skizzierte Stab. An seinem freien Ende ist eine Masse und eine Feder angeheftet. Bei nicht gedehntem Stab sei die Feder entspannt. Man berechne die Bewe-gungsgleichungen und die Randbedingungen.

Lösung: Die Lagrangefunktion ist:

2 2 2 2

0 0

1 1 1 1( , ) ( , ) '

2 2 2 2

l l

L mu l t cu l t Au dx AEu dxρ= − + −∫ ∫ɺ ɺ

Die Variation des Wirkungsintegrals: 1

1

0

0

1

0

0

0

00

( , ) ( , )

( )

'' ( ' )

tlt

t

t

l

t x l

lx lt

x

S mu l t u l t Au udx

mu cu u Au udx

dt

EAu udx EAu u

δ δ ρ δ

δ ρ δ

δ δ

=

=

=

= + +

− + − + + −

∫∫∫

ɺ ɺ

ɺɺ ɺɺ

Daraus ergibt sich: '' 0EAu Auρ− =ɺɺ u(0)=0 (feste Einspannung, 0uδ = )

'( , ) ( , ) ( , ) 0EAu l t mu l t cu l t+ + =ɺɺ .

IV. Herleitung der Eulerschen "Knick-Gleichung".

Potentielle Energie:

2 212

0 0

1(1)

2

l l

U EIw dx F w dx′′ ′= −∫ ∫

Im Gleichgewicht hat die potentielle Energie ein Minimum: Die erste Variation muß ver-schwinden:

0 0

l l

U EIw w dx F w w dxδ δ δ′′ ′′ ′ ′= ⋅ −∫ ∫

Zweifache partielle Integration im ersten Glied und eine einmalige partielle Integration im zweiten Glied führen zum Ausdruck

0 0

Randvariationenl l

IVU EIw wdx F w wdxδ δ δ′′= ⋅ + +∫ ∫Dies ist identisch gleich Null, wenn

0IVEIw Fw′′+ = , was nichts anderes ist als die Eulersche Knick-Gleichung. Die Randva-riationen ergeben die Randbedingungen.

F

x

w

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 12. Methode der Finiten Elementen (statische Aufgaben)

I. Finite Elemente auf dem Beispiel eines Balkens.

Wir teilen den Balken in mehrere Bereiche und approximieren die Form des Balkens in jedem Bereich mit Hilfe von Ansatzfunktio-nen. Wählen wir die Ansatzfunktionen in Form von Polynomen. Da jedes Element an jedem Ende jeweils zwei Rand- bzw. Über-gangsbedingungen erfüllen muss, muss der Ansatz mindestens 4 Koeffizienten enthalten. Wir müssen deshalb mindestens ein Polynom dritter Ordnung nehmen:

2 31 2 3 3( )u x a a x a x a x= + + + .

Die Koeffizienten 1a ,..., 4a könnte man als

generalisierte Koordinaten benutzen. Da Elemente in benachbarten Bereichen kontinu-ierlich in einander übergehen müssen, ist es aber am einfachsten als generalisierte Koor-dinaten unmittelbar die Verschiebungen und die Neigungen in Knotenpunkten zu wählen. Weiterhin führen eine neue, dimensionslose Variable ξ ein: x lξ= . Mit dieser Variablen sieht der Ansatz wie folgt aus:

2 31 2 3 4( )u c c c cξ ξ ξ ξ= + + + .

Als nächstes versuchen wir, die Koeffizienten des Ansatzes durch "Knotenvariablen" 1u ,

2u , 1u′ und 2u′ auszudrücken.

1 1

1 2

2 1 2 3 4

2 2 3 42 3

u c

u c

u c c c c

u c c c

=

′ = = + + + ′ = + +

Daraus folgt:

1 1

2 1

3 1 1 2 2

4 1 1 2 2

3 2 3

2 2

c u

c u

c u u u u

c u u u u

= ′= ′ ′= − − + − ′ ′= + − +

( )( )

21 1 1 1 2 2

31 1 2 2

( ) 3 2 3

2 2

u u u u u u u

u u u u

ξ ξ ξ

ξ

′ ′ ′= + + − − + − +

′ ′+ + − + =

1 2

3 4

2 3 2 31 1

2 3 2 32 2

(1 3 2 ) ( 2 )

(3 2 ) ( )

N N

N N

u u

u u

ξ ξ ξ ξ ξ

ξ ξ ξ ξ

′= − + + − + +

′+ − + − +

Die vier eingeführten Funktionen kann man auch in der folgenden Form schreiben:

21 1 2(1 2 )N L L= + , 2

2 1 2N L L= 2

3 1 2(1 2 )N L L= + , 24 1 2N L L= − .

wobei 1L ξ= , 2 1L ξ= − .

Bei den Integrationen ist es im Weiteren be-quem die folgende Formel zu benutzen:

1

1 2

0

! !

( 1)!p q

pq

p qI L L d

p qξ= =

+ +∫

Zur Berechnung der potentiellen Energie

brauchen wir das Integral 1

2

0

u dξ′′∫ .

1 1

2 2

( ) ( 6 12 ) ( 4 6 )

(6 12 ) ( 2 6 )

u u u

u u

ξ ξ ξξ ξ

′′ ′= − + + − + +′+ − + − +

2 2 2 2 21 1

2 2 2 22 2

1 1

1 2

1 2

1 2

1 2

2 2

( ) ( 6 12 ) ( 4 6 )

(6 12 ) ( 2 6 )

2 ( 6 12 )( 4 6 )

2 ( 6 12 )(6 12 )

2 ( 6 12 )( 2 6 )

2 ( 4 6 )(6 12 )

2 ( 4 6 )( 2 6 )

2 (6 12 )( 2 6 )

u u u

u u

u u

u u

u u

u u

u u

u u

ξ ξ ξξ ξ

ξ ξξ ξξ ξ

ξ ξξ ξξ ξ

′′ ′= − + + − + +′+ − + − + +

′+ − + − ++ − + −

′+ − + − +′+ − + −′ ′+ − + − +

′+ − − +

12 2 2 2 2

1 1 2 2

0

12 4 12 4u d u u u uξ′′ ′ ′= ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅ +∫

1 1

1 2

1 2

1 2

1 2

2 2

2 6

2 ( 12)

2 6

2 ( 6)

2 2

2 ( 6)

u u

u u

u u

u u

u u

u u

′+ ⋅+ ⋅ −

′+ ⋅′+ ⋅ −′ ′+ ⋅

′+ ⋅ −

Die Matrix S nennt man die Steifigkeitsele-mentmatrix.

1u 2u

1u′ 2u′

1 2 3

12 6 12 6

6 4 6 2ˆ12 6 12 6

6 2 6 4

S

− − = − − − −

Aber Vorsicht - in ursprünglichen Koordinaten:

2 2

3

2 2

12 6 12 6

6 4 6 21ˆ12 6 12 6

6 2 6 4

l l

l l l lS

l ll

l l l l

− − = − − − −

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2

1 12 2

,

ˆTi ij j

i j

U EIu Su EI u S u= = ∑

.

Beispiel. Gegeben: 1 0u = , 2 0.05u = − , 3 0.05u = + ,

1 0u′ = , 4 0u = . Die Steifigkeitselementmatrix für ein Bal-kenelement mit Länge l haben wir eben be-rechnet. Die Länge des ersten Elements sei 1, des zweiten 2 und des dritten 1, 1EI = . Dann ist

1 3

12 6 12 6

6 4 6 2ˆ ˆ12 6 12 6

6 2 6 4

S S

− − = = − − − −

2

12 12 12 12 1.5 1.5 1.5 1.5

12 16 12 8 1.5 2 1.5 11ˆ

12 12 12 12 1.5 1.5 1.5 1.58

12 8 12 16 1.5 1 1.5 2

S

− −

− −= =

− − − − − −

− −

Potentielle Energie des Elementes 1 ist

]

2 22 21 11 1 2 22 2

1 1 1 2 1 2 1 2

1 2 2 2

ˆ 12 4 12 4

2 6 2 ( 12) 2 6 2 ( 6)

2 2 2 ( 6)

TElementU u Su u u u u

u u u u u u u u

u u u u

′ ′= = ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅ +′ ′ ′+ ⋅ + ⋅ − + ⋅ + ⋅ −

′ ′ ′+ ⋅ + ⋅ −

Die gesamte Steifigkeitsmatrix ist

12 6 12 6

6 4 6 2

12 6 12 6

6 2 6 4

− − −

1.5 1.5 1.5 1.5

1.5 2 1.5 1

1.5 1.5 1.5 1.5

1.5 1 1.5 2

− − −

12 6 12 6

6 4 6 2

12 6 12 6

6 2 6 4

− − −

1( u u′1 22 3 3 4u u u u u′ ′ 4)u′

2 2 3 3 4u u u u u ′ ′ ′

13.5 4.5 1.5 1.5 0

4.5 6 1.5 1 0

1.5 1.5 13.5 4.5 6

1.5 1 4.5 6 2

0 0 6 2 4

− − − − − −

Die Gleichgewichtsbedingungen lauten / 0idU dq = . Die freien Variablen sind nur

2u′ , 3u′ , 4u′ . Nur nach diese Variablen wird

abgeleitet.

2 2 3 3 4

2 2 3 3 4

2 2 3 3 4

4.5 6 1.5 1 0 0

1.5 1 4.5 6 2 0

0 0 6 2 4 0

u u u u u

u u u u u

u u u u u

′ ′ ′− + − + ⋅ + ⋅ = ′ ′ ′+ ⋅ + + + = ′ ′ ′⋅ + ⋅ + + + =

2 3 4 2 3

2 3 4 2 3

2 3 4 3

6 1 0 4.5 1.5

1 6 2 1.5 4.5

0 2 4 6

u u u u u

u u u u u

u u u u

′ ′ ′+ + ⋅ + ⋅ = + ′ ′ ′+ ⋅ + + = − − ′ ′ ′+ ⋅ + + = −

16 1 0 20 4 2

11 6 2 4 24 12

1160 2 4 2 12 35

− − = − − −

.

Die Lösung:

2 2 3

3 2 3

4 3

2 3

2 3

2 3

20 4 2 4.5 1.51

4 24 12 1.5 4.5116

2 12 35 6

0.827 0.310 0.0259

0.465 0.362 0.00517

0.232 1.31 0.0776

u u u

u u u

u u

u u

u u

u u

′ − + ′ = − − − − =

′ − −

+ − − − =

− − Somit sind alle 8 Knotenvariablen bekannt und die Form jedes Elementes lässt sich mit dem Ansatz 3. Ordnung direkt berechnen. Hier ist die Form:

1 2 3

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1

Mechanik III / Prof. Popov / Vorlesung 12 (Zusatz). Methode der Finiten Elemente II I. 2D-FE am Beispiel einer Membran Potentielle Energie einer Membran hat die Form

22

2

S u uU dxdy

x y

∂ ∂= + ∂ ∂

∫ , wobei S die

Spannkraft pro Längeneinheit ist.

1 2 1 3 1

1 2 1 3 1

( ) ( )

( ) ( )

x x x x x x

y y y y y y

ξ ηξ η

= + − + − = + − + −

dxdy Jd dξ η=

2 1 2 1

3 1 3 1

( ) ( )

( ) ( )

yx

yx

x x y yJ

x x y yξ ξ

η η

∂∂∂ ∂

∂∂∂ ∂

− −= =

− − -

Jakobi-Determinante.

Konvention: x

uu

x

∂ ≡∂

, y

uu

y

∂ ≡∂

,....

x x x

y y y

u u u

u u u

ξ η

ξ η

ξ ηξ η

= + = +

2 1 3 1

2 1 3 1

1 ( ) ( )

0 ( ) ( )x x

x x

x x x x

y y y y

ξ ηξ η

= − + − = − + −

2 1 3 1

2 1 3 1

0 ( ) ( )

1 ( ) ( )y y

y y

x x x x

y y y y

ξ ηξ η

= − + − = − + −

3 1x

y y

Jξ −= , 2 1

x

y y

Jη −= − ,

3 1y

x x

Jξ −= − , 2 1

y

x x

Jη −= .

( )2 2 2

22

x yu u dxdy a u d d

b u u d d c u d d

ξ

ξ η η

ξ η

ξ η ξ η

+ = +

+

∫ ∫

∫ ∫

[ ]

2 23 1 3 1

3 1 2 1 3 1 2 1

2 22 1 2 1

( ) ( ) /

( )( ) ( )( ) /

( ) ( ) /

a x x y y J

b x x x x y y y y J

c x x y y J

= − + − = − − − + − −

= − + −

Linearer Ansatz:

1 2 3u α α ξ α η= + +

( ) ( )( )

2 31

1 2 1 3 1

1 2 31N NN

u u u u u u

u u u

ξ ηξ η ξ η

= + − + − =

− − + +

1 1

2 1 2

3 1 3

u

u

u

αα αα α

= = + = +

1 1

2 2 1

3 3 1

u

u u

u u

ααα

= = − = −

2 1 3 1,u u u u u uξ η= − = −

( ) ( )22 2 21 2 1 1 1 2 2/ 2 2 / 2I u d d u u u u u uξ ξ η= = − = − +∫

1

1 1 01

1 1 02

0 0 0

S

− = −

( )( )2 2 1 3 1

12 2

2I u u d d u u u uξ η ξ η= = − − =∫

( )21 1 3 1 2 2 3

12 2 2 2

2u u u u u u u= − − +

2

2 1 11

1 0 02

1 0 0

S

− − = − −

( ) ( )22 2 23 3 1 3 3 1 1

1 12

2 2I u d d u u u u u uη ξ η= = − = − +∫

3

1 0 11

0 0 02

1 0 1

S

=

( )2 2 Tx yu u dxdy u Su+ =∫

mit

1 2 3S aS bS cS= + +

P1

P2

P3

3

x P1 P2

P3

1

1

ξ

η y

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2

II. Kubischer Ansatz im Dreieck Potentielle Energie einer Platte ist

( )23 2 2

2 2224 1Platte

Eh Z ZU

x yν

∂ ∂= + + ∂ ∂+ ∫∫

22 2 2

2 22(1 )Z Z Z

dxdyx y x y

ν ∂ ∂ ∂ + − − ∂ ∂ ∂ ∂

Wenn wir Gleichgewicht einer Platte suchen, so müssen Verschiebungen und Ableitungen kontinuierlich sein. In jedem Knoten gibt es drei Knotenvariablen, insgesamt 9. Aber es gibt keinen (vollen) Ansatz mit 9 Koeffizien-ten. Kubischer Ansatz würde 10 Koeffizienten enthalten. Deshalb führen wir eine weitere Variable – Verschiebung im Schwerpunkt des Elements (1/3 jeweiliger Kante):

1 1 1 2 2 2 3 3 3 4, , , , , , , , ,x y x y x yu u u u u u u u u u

( ) 2 21 2 3 4 5 6

3 2 2 37 8 9 10

,u c c c c c c

c c c c

η ξ ξ η ξ ξη η

ξ ξ η ξη η

= + + + + +

+ + + +

P1 P2

P3

1

1

ξ

η

P3

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 13 I. Bewegung in einem nicht inertialen Bezugssystem II. Gleichgewichtslagen und ihre Stabilität

I. Bewegung in einem rotierenden Bezugs-system. r

sei Radiusvektor eines Körpers

im Bezugssystem K, welches sich bezüglich K' mit einer Winkelge-

schwindigkeit Ω

dreht. Zu bestimmen sind die Bewegungsgleichun-gen bezüglich des rotierenden Systems. Lösung: Die Lagrangefunktion ist in diesem Fall

( )2 2'

2 2

mv mL K v r= = = + Ω ×

. Als verall-

gemeinerte Koordinaten sind Komponenten des Radiusvektors r

bezüglich des rotieren-

den Koordinatensystems gewählt. Für Kom-ponenten des Kreuzproduktes gilt:

( ) y zxr z yΩ × = Ω − Ω

( ) z xyr x zΩ × = Ω − Ω

( ) x yzr y xΩ × = Ω − Ω

.

Die Lagrangefunktion:

( ) ( )( ) ( )

( ) ( ) ( )

2 2 2

2 22

2

2

x y z x y z

y z x z x y

y z z x x y

mL v v v mv z y

mv x z mv y x

mz y x z y x

= + + + Ω − Ω +

+ Ω − Ω + Ω − Ω +

Ω − Ω + Ω − Ω + Ω − Ω

Die zur Aufstellung der Bewegungsglei-chungen erforderlichen Ableitungen:

( )x xx

Lmv m r

v

∂ = + Ω ×∂

,

( ) ( )( ) ( )( )

y z z y

z yy z

x x

Lmv mv

x

m r m r

m v m r

∂ = Ω − Ω +∂

Ω× Ω − Ω× Ω =

× Ω + Ω× × Ω

Die Lagrangesche Gleichung, die der Koor-dinate x zugeordnet ist:

( ) ( ) ( )( )x x x xmv m v m v m r+ Ω× = ×Ω + Ω× ×Ω

ɺ

oder ( ) ( )( )2x x xmv m v m r= ×Ω + Ω× ×Ω

ɺ

In der Vektorform:

( ) ( )( )2mv m v m r= × Ω + Ω× ×Ω ɺ

Das erste Glied auf der rechten Seite ist die Coriolis-Kraft, das zweite die Zentrifugal-kraft.

II. Statisches Gleichgewicht und seine Stabilität

Ein System mit der potentiellen Energie

1( ,..., )sU q q ist dann im statischen Gleichge-

wicht, wenn 0i

U

q

∂ =∂

für alle i.

Ein Gleichgewicht ist stabil, wenn es einem Minimum der potentiellen Energie entspricht und instabil in allen anderen Fällen.

In der Nähe eines Gleichgewichts gilt die folgende Potenzentwicklung der potentiellen Energie (mehrdimensionale Taylor-Reihe):

1 2 1 2

2

1 11

( , ,..., ) ( *, *,..., *)

( *) ( *) ( *) ...

s s

s s

i i i i j ji ii i j

j

U q q q U q q q

U Uq q q q q q

q q q= ==

= +

∂ ∂+ ⋅ − + ⋅ − ⋅ − +∂ ∂ ∂∑ ∑

Der lineare Term ist identisch gleich Null wegen der Gleichgewichtsbedingung, somit ist die Änderung der potentiellen Energie in der Nähe eines Gleichgewichtspunktes eine quadratische Form:

1 2 1 2

2

11

( , ,..., ) ( *, *,..., *)

( *) ( *) ( )

s s

s

i i j ji i jj

U U q q q U q q q

Uq q q q GhO

q q==

∆ = − =

∂ ⋅ − ⋅ − +∂ ∂∑

Die notwendige und ausreichende Bedin-gung für ein stabiles Gleichgewicht ist, dass diese Form positiv definit ist. Wie Sie wis-sen, ist diese Forderung gleichbedeutend mit der Forderung nach positiver Definitheit der symmetrischen Matrix

2 2

2112

2 2

21

...

........................

...

s

i j

s s

U U

q qqU

q qU U

q q q

∂ ∂ ∂ ∂∂ ∂ = ∂ ∂ ∂ ∂

∂ ∂ ∂ Das ist dann der Fall, wenn alle Wurzeln der charakteristischen Gleichung

2 2

2

1

2 2

2

...

......................... 0

...

i j

i j s

U U

q qq

U U

q q q

λ

λ

∂ ∂−

∂ ∂∂

=

∂ ∂−

∂ ∂ ∂

positiv sind.

K K'

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2

Im eindimensionalen Fall ist das Stabilitäts-kriterium besonders einfach:

U hat ein Minimum, wenn 2

20

U

q

∂ >∂

(stabil)

U hat ein Maximum, wenn 2

20

U

q

∂ <∂

(insta-

bil).

Beispiel 1. Gegeben sei ein mathematisches Pendel (Masse m auf einem masse-losen Stab der Länge l) .

Man bestimme die Gleichgewichtslagen und ihre Stabilität.

Lösung. Mit cosU mgl ϕ= − berechnet man die Gleichgewichtslagen aus der Gleichung

sin 0U

mgl ϕϕ

∂ = =∂

. Sie hat zwei physika-

lisch verschiedene Lösungen: 1 0ϕ = und

2ϕ π= . Die zweite Ableitung der potentiellen Ener-gie nach ϕ gibt Auskunft über Stabilität:

2

2cos

Umgl ϕ

ϕ∂ =∂

.

1

2

20

U

ϕ ϕϕ =

∂ >∂

⇒ stabiles Gleichgewicht.

2

2

20

U

ϕ ϕϕ =

∂ <∂

⇒ instabiles Gleichgewicht

Beispiel 2.

Ein elastischer Stab sei an seinen Enden gelenkig gela-gert und in der vertikalen Richtung mit einer Kraft F belastet. Gegeben: , , ,E I l F . Zu bestimmen sind die Stabi-litätsbedingungen.

Lösung. Vorbereitender Schritt: Berechnung der po-tentiellen Energie:

( )2

0

1''( )

2

l

U EI w x dx F= − ∆∫

Bestimmen wir die Verschiebung ∆ . Zu diesem Zweck berechnen wir die Gesamt-länge des Stabes nach der Auslenkung:

( )

2 2 2

0 0

2 21 12 2

0 0

1

1

l l

l l

l ds dx dw w dx

w dx l w dx

−∆

−∆

′= = + = + ≈

′ ′≈ + ≈ − ∆ +

∫ ∫ ∫

∫ ∫

Die Längssteifigkeit eines schlanken Stabes ist viel größer als seine Biegesteifigkeit. In erster Annäherung kann der Stab als un-dehnbar angenommen werden. Das bedeutet, dass sich die Länge bei einer Auslenkung

nicht ändert: 212

0

l

l w dx l′− ∆ + =∫ . Daraus

folgt: 212

0

l

w dx′∆ = ∫ .

Für die potentielle Energie ergibt sich

2 212

0 0

1

2

l l

U EIw dx F w dx′′ ′= −∫ ∫

Mit dem Ansatz 0

( ) sinnn

nxw x a

l

π∞

=

=∑ (der

den Randbedingungen (0) 0w = , ( ) 0w l = genügt), bekommen wir

0

'( ) cosnn

n nxw x a

l l

π π∞

=

=

2

0

''( ) sinnn

n nxw x a

l l

π π∞

=

= −

∑ .

Die potentielle Energie: 4

2 2

00

22 21

200

1sin

2

cos

l

nn

l

nn

n nxU EI a dx

l l

n nxF a dx

l l

π π

π π

=

=

=

∑∫

∑∫

oder

4 22 2

0 0

4 22

0

4 4

4

n nn n

nn

l n Fl nU EI a a

l l

l n na EI F

l l

π π

π π

∞ ∞

= =

=

= −

= −

∑ ∑

Diese Energie hat bei 1 0,..., 0na a= = ein

Minimum, wenn alle Koeffizienten vor 2na

positiv sind: 4 2

0n n

EI Fl l

π π − >

oder

2

0n

EI Fl

π − >

.

Der gerade Zustand ist stabil, wenn

( )2/F EI lπ<

F

x

w

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1

Energiemethoden der Mechanik / Prof. Popov / Vorlesung 14 Verschiedenes

Aufgabe 1. (Berechnung von generalisierten Kräften). Ge-geben ist ein Doppelpen-del. Als ralisierte ordinaten wählen wir Winkel 1ϕ

und 2ϕ . Auf

den zweiten Körper wirkt eine nicht konser-vative KraftF

. Der Betrag der Kraft F

ist

konstant, die Wirkungslinie ist stets recht zum zweiten Pendelstab. Zu bestimmen sind die mit der Kraft den generalisierten Kräfte

1Qϕ und

2Qϕ .

Lösung: Die Kraft ( )2 2cos , sinF F Fϕ ϕ= −

wirkt auf den zweiten Körper und leistet Ar-beit bei seinen Verschiebungen. Koordinaten des zweiten Körpers sind

2 1 1 2 2sin sinx l lϕ ϕ= + ,

2 1 1 2 2cos cosy l lϕ ϕ= + . Kleine Änderungen von generalisierten Ko-ordinaten 1ϕ und 2ϕ führen zu Änderungen

von Koordinaten 2x und 2y :

2 1 1 1 2 2 2cos cosx l lδ ϕ δϕ ϕ δϕ= +

2 1 1 1 2 2 2sin siny l lδ ϕ δϕ ϕ δϕ= − − ,

was bedeutet, daß der zweite Körper sich um den Vektor ( )2 2 2,r x yδ δ δ= verschiebt. Die

Arbeit der Kraft ( )2 2cos , sinF F Fϕ ϕ= −

auf dieser Verschiebung ist gleich

( )( )

( )( )

( )( )

2

2 1 1 1 2 2 2

2 1 1 1 2 2 2

1 2 1 2 1 1

2 22 2 2 1

1 1 2 1 2 2

cos cos cos

sin sin sin

cos cos sin sin

cos sin

cos

W F r

F l l

F l l

lF

l

F l l

δ δϕ ϕ δϕ ϕ δϕϕ ϕ δϕ ϕ δϕ

ϕ ϕ ϕ ϕ δϕ

ϕ ϕ δϕ

ϕ ϕ δϕ δϕ

= ⋅ =− + +

+ − − =

+ + = − =

+

− − +

Die generalisierten Kräfte sind demnach gleich:

( )1 1 1 2cosQ Flϕ ϕ ϕ= − −

2 2Q Flϕ = − .

Aufgabe 2. Gegeben sei der skizzierte Stab. An seinem freien Ende sind eine Masse und

eine Feder angeheftet. Bei nicht gedehntem Stab sei die Feder entspannt. Schreiben Sie die Lagrangefunktion des Systems und be-rechnen Sie die Eigenfrequenz des Systems mit einem passenden Ritz-Ansatz!

Lösung: Die Lagrangefunktion ist:

2 2

2 2

0 0

1 1( , ) ( , )

2 2

1 1'

2 2

l l

L mu l t cu l t

Au dx AEu dxρ

= − +

+ −∫ ∫

ɺ

ɺ

Der einfachste brauchbare Ansatz für einen Stab ist ein (als Funktion von x) linearer An-satz: 0( , ) ( )( / )u x t a t c x l= + . Die Randbe-

dingung (0) 0u = ergibt 0 0c = , somit

( , ) ( ) /u x t a t x l= .

Die für die Berechnung der Lagrangefunkti-on erforderlichen Werte bzw. Funktionen sind:

( , ) ( )u l t a t=ɺ ɺ , ( , ) ( )u l t a t=

( , ) ( ) /u x t a t x l=ɺ ɺ , ( , ) ( ) /u x t a t l′ = .

Daraus ergibt sich die Lagrangefunktion

2 21 12 2

2 2 22 2

0 0

1 1

2 2

l l

L ma ca

Aa x dx AEa dxl l

ρ

= − +

+ −∫ ∫

ɺ

ɺ

Oder

( ) ( )2 21 1 12 3 2

AElL m Al a c aρ= + − +ɺ .

Unter Berücksichtigung der Tatsachen, daß *m Alρ= die Masse und * AE

lc = die Stei-figkeit des Stabes ist, ist unser System dem folgenden äquivalent:

Aufgabe 3. Berechne mit einem passenden Ritz-Ansatz die erste Eigenfrequenz einer auf einer Blattfeder schwingenden Masse m. Gegeben: m , EI , l .

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2

Lösung. Die Lagrangefunktion ist in diesem Fall

2 2 2

0 0

1 1 1( , )

2 2 2

l l

L mw l t Aw dx EIw dxρ ′′= + −∫ ∫ɺ ɺ .

Da jetzt zwei geometrische Randbedingun-gen am linken Ende ((0, ) 0w t = und

(0, ) 0w t′ = ) erfüllt sein müssen, ist der mi-nimale Ansatz eine kubische Funktion. Dy-namische Randbedingungen am rechten En-de müssen nicht unbedingt erfüllt sein. Je-doch bekommt man bessere Ergebnisse, wenn man auch die dynamischen Randbe-dingungen berücksichtigt. In diesem Fall die Momentenfreiheit ( , ) 0w l t′′ = . Ein nichttri-vialer Ansatz ist demnach eine Funktion vierter Ordnung, die wir in der folgenden Form schreiben:

( )2 3 30 1 2( , ) ( ) / 2w x t a t c c x c x x l= + + + .

Aus den Randbedingungen ergibt sich

0 0c = , 1 0c = , 222 3/ 0c l+ = ⇒

22 1.5 /c l= − . Der Ansatz ist demnach

3 2

3 2( , ) ( ) 0.5 1.5

x xw x t a t

l l

= −

.

( , ) ( )w l t a t= − . Die zur Berechnung der potentiellen Energie erforderliche zweite Ableitung ist gleich

2

3 ( )( , ) 1

a t xw x t

l l ′′ = −

.

Für die Lagrangefunktion ergibt sich zu 23 2

2 23 2

0

22

40

1 1( , ) ( ) 0.5 1.5

2 2

1 9 ( )1

2

l

l

x xL ma l t Aa t dx

l l

a t xEI dx

l l

ρ = + −

− −

ɺ ɺ

Oder

2 23

1 33 1 3

2 140 2

EIL m Al a a

lρ = + −

ɺ

Unter Berücksichtigung der Tatsachen, daß

*m Alρ= die Masse und 3

3*

EIc

l= die Stei-

figkeit des Blattfeder ist, ist unser System dem folgenden äquivalent (Bild rechts). Die Eigenfrequenz ist gleich

*

0.236 *

c

m mω =

+.

III. Was man alles zur schriftlichen Klau-sur wissen muß?

1) Was ist Lagrangefunktion?

2) Generalisierte Koordinaten

3) Kinetische Energie bei Translation und Rotation

4) Potentielle Energie in Standardsituationen (Feder, Gewicht)

5) Lagrangegleichungen 1. und 2. Art

6) Bindungen

7) Das Prinzip der virtuellen Arbeit (oder der virtuellen Verschiebungen)

8) Generalisierte Kräfte und ihre Berechnung mit dem Prinzip der virtuellen Arbeit

9) Dissipationsfunktion und ihre Benutzung zur Aufstellung von Bewegungsdifferential-gleichungen.

10) Kinetische und potentielle Energien für Dehnstab, Torsionsstab, Biegebalken (alles auswendig): (a) als Funktion von Auslenkungen und Ver-drehungen (b) potentielle Energie darüber hinaus auch als Funktion von Momenten und Schnittkräf-ten.

11) Kinetische und potentielle Energie von Kombinationen aus kontinuierlichen und diskreten Elementen

12) Der 2. Satz von Castigliano

13) Berechnung von Durchbiegungen mit dem Satz von Castigliano an den Stellen, wo keine Kräfte wirken

14) Näherungsmethoden: (a) Ritz-Ansatz. Wie wählt man Ansatzfunk-tionen? (b) Rayleigh-Ritz-Verfahren zur Bestim-mung von Eigenfrequenzen

15) Bedingungen für das Gleichgewicht und seine Stabilität bzw. Instabilität

16) Definition der Einflußzahlen; Vertau-schungssatz von Maxwell und Betti

Sehr wichtig:

Eine der Klausuraufgaben ist eine der Hausaufgaben. Mann sollte alle Hausaufga-ben selbst (am besten mehrmals) durchge-rechnet haben!