Entwicklung der Sozialausgaben/-lasten der Kommunen in … · 2019-02-26 · Entwicklung der...

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Entwicklung kommunaler Sozialausgaben 2006 2015 Entwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland Für das Jahr 2015 beliefen sich die öffentlichen Ausgaben (Bund, Länder und Kommunen) für die Kinder- und Jugendhilfe bundesweit auf 40,7 Milliarden Euro. Der Anteil der Kommu- nen beläuft sich auf ca. 70 Prozent. Damit haben sich die Gesamtausgaben der öffentlichen Jugendhilfe seit dem Jahr 2001 (19,2 Milliarden Euro) mehr als verdoppelt. Der Anteil der Kinder- und Jugendhilfe an den Gesamtausgaben der kommunalen Gebietskörperschaften stieg in den letzten Jahren von 9 Prozent auf 14 Prozent. Die höchsten Ausgaben entstehen durch die Kindertagesbetreuung. Sie lagen 2015 mit 25,4 Milliarden Euro auf einem mehr als doppelt so hohen Niveau im Vergleich zum Jahr 2006 mit 11,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshil- fe haben sich mit 10,3 Milliarden Euro im Jahr 2015 seit 2006 (5,7 Milliarden Euro) um 80 Prozent erhöht. Die Einnahmen (Elternbeiträge und Eigenanteile der freien Träger der Kinder- und Jugendhil- fe) der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sind seit dem Jahr 2006 von damals 2,2 Milliarden Euro auf 3,0 Milliarden Euro im Jahr 2015 gestiegen. Die reinen Ausgaben der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe abzüglich der Einnahmen beliefen sich daher für das Jahr 2006 auf 18,7 Milliarden Euro, für das Jahr 2015 auf 37,7 Milliarden Euro. Öffentliche Ausgaben und Einnahmen der Kinder- und Jugendhilfe in 1.000,00 Euro (Statistisches Bundesamt; www.destatis.de) Jahr Insgesamt darunter für Tages- einrichtungen für Kinder für Hilfe zur Erzie- hung und Eingliederungshilfe Einnahmen 2006 20.924.286 11.638.762 5.650.389 2.171.699 2015 40.717.755 25.389.906 10.260.262 2.990.822 Ausgaben für die Kindertagesbetreuung (Kindertagesstätten und Kindertagespflege) ohne Ausgaben für Schulkinder in Horten/ Hortgruppen/altersgemischten Gruppen (geschätzt) nach Finan- zierungsebenen 2005 bis 2015 in Deutschland in Milliarden Euro Die Ausgaben für die Kindertagesbetreuung für Kinder zwischen 0 und 6 Jahren sind in den letzten 15 Jahren enorm angestiegen. Dies ist zum Teil auf den Ausbau ganztägiger Ange- bote und die Weiterentwicklung der Qualität der Kindertagesbetreuung zurückzuführen. Durch die Einführung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung für Kinder zwischen 1 und 3 Jahren kam ein maßgeblicher zusätzlicher Impuls hinzu. Der Rechtsanspruch wird allerdings aufgrund steigender Kinderzahlen und steigender Nachfrage noch nicht in allen Kommunen vollständig erfüllt. Sowohl der quantitative als auch der qualitative Ausbau der Kindertagesbetreuung und der damit verbundene Kostenanstieg werden also auch in den nächsten Jahren anhalten. Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Ju- gend- und Familienministerkonferenz wurde ein Zwischenbericht zur Weiterentwicklung der

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Entwicklung kommunaler Sozialausgaben 2006 – 2015 Entwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland Für das Jahr 2015 beliefen sich die öffentlichen Ausgaben (Bund, Länder und Kommunen) für die Kinder- und Jugendhilfe bundesweit auf 40,7 Milliarden Euro. Der Anteil der Kommu-nen beläuft sich auf ca. 70 Prozent. Damit haben sich die Gesamtausgaben der öffentlichen Jugendhilfe seit dem Jahr 2001 (19,2 Milliarden Euro) mehr als verdoppelt. Der Anteil der Kinder- und Jugendhilfe an den Gesamtausgaben der kommunalen Gebietskörperschaften stieg in den letzten Jahren von 9 Prozent auf 14 Prozent. Die höchsten Ausgaben entstehen durch die Kindertagesbetreuung. Sie lagen 2015 mit 25,4 Milliarden Euro auf einem mehr als doppelt so hohen Niveau im Vergleich zum Jahr 2006 mit 11,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshil-fe haben sich mit 10,3 Milliarden Euro im Jahr 2015 seit 2006 (5,7 Milliarden Euro) um 80 Prozent erhöht. Die Einnahmen (Elternbeiträge und Eigenanteile der freien Träger der Kinder- und Jugendhil-fe) der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sind seit dem Jahr 2006 von damals 2,2 Milliarden Euro auf 3,0 Milliarden Euro im Jahr 2015 gestiegen. Die reinen Ausgaben der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe abzüglich der Einnahmen beliefen sich daher für das Jahr 2006 auf 18,7 Milliarden Euro, für das Jahr 2015 auf 37,7 Milliarden Euro.

Öffentliche Ausgaben und Einnahmen der Kinder- und Jugendhilfe in 1.000,00 Euro (Statistisches Bundesamt; www.destatis.de)

Jahr Insgesamt darunter für Tages-

einrichtungen für Kinder

für Hilfe zur Erzie-hung und

Eingliederungshilfe

Einnahmen

2006 20.924.286 11.638.762 5.650.389 2.171.699

2015 40.717.755 25.389.906 10.260.262 2.990.822

Ausgaben für die Kindertagesbetreuung (Kindertagesstätten und Kindertagespflege) ohne Ausgaben für Schulkinder in Horten/ Hortgruppen/altersgemischten Gruppen (geschätzt) nach Finan-zierungsebenen 2005 bis 2015 in Deutschland in Milliarden Euro Die Ausgaben für die Kindertagesbetreuung für Kinder zwischen 0 und 6 Jahren sind in den letzten 15 Jahren enorm angestiegen. Dies ist zum Teil auf den Ausbau ganztägiger Ange-bote und die Weiterentwicklung der Qualität der Kindertagesbetreuung zurückzuführen. Durch die Einführung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung für Kinder zwischen 1 und 3 Jahren kam ein maßgeblicher zusätzlicher Impuls hinzu. Der Rechtsanspruch wird allerdings aufgrund steigender Kinderzahlen und steigender Nachfrage noch nicht in allen Kommunen vollständig erfüllt. Sowohl der quantitative als auch der qualitative Ausbau der Kindertagesbetreuung und der damit verbundene Kostenanstieg werden also auch in den nächsten Jahren anhalten. Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Ju-gend- und Familienministerkonferenz wurde ein Zwischenbericht zur Weiterentwicklung der

Frühen Bildung im Herbst 2016 vorgelegt. Hierin wurden auch die Ausgabenentwicklung so-wie die Verteilung auf die föderalen Ebenen dargestellt. Die Gesamtausgaben für die Kindertagesbetreuung für Kinder zwischen 0 und 6 Jahren lagen demnach im Jahr 2005 bei 12,5 Milliarden Euro und sind bis zum Jahr 2015 auf 26,9 Milliarden Euro angestiegen. Hier-bei ist zu beachten, dass die Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten i.H.v. 1,345 Milliarden Euro zu den laufenden Ausgaben hinzugerechnet wurden. Der Finanzie-rungsanteil der Kommunen ist im gleichen Zeitraum von 5,6 Milliarden Euro auf 10,3 Milliarden Euro gestiegen. (Quellenangabe unter der nachfolgenden Abbildung.) Ausgaben für die Kindertagesbetreuung (einschl. Kindertagespflege) ohne Ausga-ben für Schulkinder in Horten/Hortgruppen/altersgemischten Gruppen (geschätzt)

nach Finanzierungsebenen 2005 bis 2015 in Deutschland in Milliarden Euro*

Quelle: „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“ – Zwischenbericht 2016 von Bund und Ländern und Erklä-rung der Bund-Länder-Konferenz * Nicht vorhanden in der Grafik sind die seitens des Bundes den Ländern über Umsatzsteuerpunkte zur Verfügung gestell-ten jeweils zusätzlichen 100 Millionen Euro für die laufenden Betriebskosten beim U3-Ausbau in 2017 und 2018 sowie die von 2016 bis 2018 zur Verbesserung der Kinderbetreuung über Umsatzsteuerpunkte zur Verfügung gestellten Mittel aus

dem Betreuungsgeld. Der Bund hat mit den Bundesgesetzen zum Ausbau der frühkindlichen Betreuung für Kinder unter 3 Jahren diese Entwicklung maßgeblich befördert. Zunächst ist das Inkrafttreten des Gesetzes zur qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG) am 1. Januar 2005 zu nennen. Dieses Gesetz wurde durch das Kinderförderungsgesetz (KiföG) ergänzt, das am 16. Dezember 2008 in Kraft getreten ist. Darin war der Rechtsanspruch auf Kindertagesbe-treuung für Kinder ab dem 1. Geburtstag bis zum 3. Geburtstag geregelt. Kalkulationsgrundlage für die Ausgaben war seinerzeit die Annahme, dass 35 Prozent der Kinder unter 3 Jahren Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen oder in Kindertages-pflege in Anspruch nehmen werden.

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2005 2010 2011 2012 2013(vorl.Ist)

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Durch den Anstieg der Geburtenzahlen und den Zuzug geflüchteter Familien mit kleinen Kin-dern ist die Zahl der Kinder, die einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung haben, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Trotz erheblicher Ausbauanstrengungen liegt die ak-tuelle Betreuungsquote bei Kindern und 3 Jahren derzeit noch bei 32,7 Prozent und bei Kindern zwischen 3 und 6 Jahren bei 93,6 Prozent. Diese Zahlen wurden vom Statistischen Bundesamt zum Stichtag 1. März 2016 unter www.destatis.de veröffentlicht. Hinsichtlich der Zahl der betreuten Kinder liegen aktuelle Daten zum Stichtag 1. März 2017 vor: Zu diesem Zeitpunkt wurden fast 763.000 Kinder unter 3 Jahren in einer Kindertagesein-richtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Zum Vergleich: Zum Stichtag 1. März 2013 – also kurz vor dem Inkrafttreten des Rechtsan-spruchs auf Kindertagesbetreuung für Kinder unter 3 Jahren – wurden 597.000 Kinder unter 3 Jahren in einer Kindertageseinrichtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Dies entsprach damals einer bundesweiten Betreuungsquote von 29,3 Prozent be-zogen auf die Kinder unter 3 Jahren. Die Kommunen schufen also zwischen 2013 und 2017 weitere 166.000 Plätze, erreichten hierdurch aber lediglich eine Steigerung der Betreuungsquote von 3,4 Prozentpunkten. Hier zeigt sich die überraschend eingetretene Dynamik im Aufwuchs der Kinderzahlen.

Kosten der Hilfe zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) Nach der Kindertagesbetreuung sind die Hilfen zur Erziehung das zweitgrößte Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe. Etwa jeder vierte Euro wird hierfür von den Jugendämtern aus-gegeben. Zu diesen Leistungen, die als Rechtsanspruch ausgestaltet sind, gehören ambulante Leistungen, wie z.B. Erziehungsberatung, ambulante Betreuung, sozialpädagogi-sche Familienhilfe und stationäre Leistungen, wie Erziehung in einer Tagesgruppe, Vollzeitpflege, Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen. Die Ausgaben für Leistungen der Hilfe zur Erziehung und der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a SGB VIII) sind seit dem Jahr 2006 kontinuierlich gestiegen. Insgesamt hat sich das Volumen der finanziellen Aufwendungen von 5,7 Milliar-den Euro im Jahr 2006 auf 10,3 Milliarden Euro im Jahr 2015 erhöht. Ein Teil der Ausgaben – die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der unbegleiteten minderjährigen Aus-länder – wird den Kommunen jedoch von den Bundesländern erstattet.

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Entwicklung der finanziellen Aufwendungen für Leistungen der Hilfen zur Erziehung einschließlich der Eingliederungshilfe nach

§ 35 a SGB VIII in Deutschland 2001 - 2015 in Milliarden Euro

Aufwendungen

Die ambulanten erzieherischen Hilfen haben sich teilweise sehr dynamisch entwickelt. Die größte Dynamik hat die sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 SGB VIII entwickelt. Die Fallzahlen haben sich von 32.731 betreuten Familien im Jahr 2006 auf 71.846 betreute Familien im Jahr 2016 mehr als verdoppelt. Die ambulante Betreuung einzelner junger Menschen nach § 30 SGB VIII lag im Jahr 2006 bei 25.481 Fällen, im Jahr 2016 bei 31.698.

Die stationäre Hilfe zur Erziehung außerhalb des Elternhauses ist nach einem Rückgang zwischen 2005 und 2010 gerade in den letzten Jahren wieder stark gestiegen. Der zwischenzeitliche Rückgang der stationären Leistungen war auf ein Umsteuern der Jugendämter zu mehr ambulanten Leistungen, vor allem auf den Ausbau der sozialpädagogischen Familienhilfe und auf den Ausbau der Vollzeitpflege zurückzuführen. Im Jahr 2007 wurden 52.793 Kinder und Jugendliche in Jugendheimen und sonstigen betreuten Wohnformen erzogen, im Jahr 2016 waren es 95.582. Der Anstieg der Fallzahlen seit 2014 ist vor allem auf die große Zahl an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zurückzuführen. Spiegelbildlich hat sich die Unterbringung in Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie entwickelt. Im Jahr 2007 waren 49.673 Kinder und Jugendliche in Vollzeitpflege untergebracht. Im Jahr 2016 lag die Zahl bereits bei 74.120.

Für das Jahr 2006 liegen keine Angaben in der Statistik des Statistischen Bundesamtes vor.

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20062007200820092010201120122013201420152016

Ambulante erzieherische Hilfen nach JahrenBetreuung einzelner junger Menschen § 30 SGB VIII

Sozialpädagogische Familienhilfe § 31 SGB VIII

sozialpädagogischeFamilienhilfe

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Hilfe zur Erziehung außerhalb des Elternhauses

Heimerziehung, sonstigebetreute Wohnform

Vollzeitpflege in eineranderen Familie

Kosten für Unterkunft und Heizung – KdU (§ 22 SGB II) und Bildungs- und Teilhabepaket Im Jahre 2005 wurde die bundesfinanzierte Arbeitslosenhilfe und die kommunalfinanzierte Sozialhilfe für alle Langzeitarbeitslosen im Sozialgesetzbuch II (SGB II) zusammengeführt. Als Bestandteil der damaligen Gemeindefinanzreform sollten die kommunalen Haushalte durch die Zusammenlegung der beiden Hilfesysteme um 2,5 Milliarden Euro pro Jahr entlas-tet werden. Den Kommunen wurde die Zuständigkeit und Finanzierung der Unterkunftskosten sowie für sozialintegrative Leistungen übertragen, während der Bundes-haushalt die Lebenshaltungskosten (Arbeitslosengeld II), Sozialversicherungsbeiträge und die Eingliederungsmaßnahmen der Langzeitarbeitslosen und ihrer Familien finanziert. Die kommunalen Ausgaben für die Unterkunftskosten waren jedoch so hoch, dass eine Entlas-tung um 2,5 Milliarden Euro nicht eintreten konnte. Der Bund beteiligte sich daraufhin ab dem Jahre 2005 mit einer variablen Quote an den kommunalen Unterkunftskosten, um die-ses Entlastungsvolumen sicherzustellen. Diese Entlastung wurde in den Kommunen aufgrund massiv steigender Ausgaben im Sozialbereich kaum wahrgenommen. Später wurde die Höhe der Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie an den Verwaltungs- und Personalkosten gesetzlich in § 46 SGB II geregelt. Die Höhe des kommunalen Finanzierungsanteils an den Verwaltungskosten liegt bei 15,2 Prozent. Die Höhe der Bundesbeteiligung KdU wird jährlich an aktuelle Entwicklungen angepasst. Darüber hinaus wurde im Jahr 2011 das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt, es beinhal-tet kommunale Leistungen für Kinder und Jugendliche aus SGB II-Haushalten, SGB XII-Haushalten und Haushalten, die Wohngeld oder Asylbewerberleistungen erhalten. Zur Kom-pensation der kommunalen Ausgaben ist eine entsprechende Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung im SGB II vereinbart wor-den, die jährlich entsprechend den tatsächlichen Ausgaben für das Bildungs- und Teilhabepaket angepasst wird. Die Analyse der Ausgabenentwicklung für KdU im SGB II ist daher sehr komplex. Obwohl die Zahl der Leistungsempfänger und der Bedarfsgemeinschaften, die KdU bezie-hen, stark gesunken ist, haben sich die Gesamtausgaben KdU seit 2005 leicht erhöht. Hierfür ist der Anstieg der Miet- und Mietnebenkosten verantwortlich. Hier zeigt sich ein er-hebliches Risiko für die Kommunen bei einem wirtschaftlichen Abschwung und dem damit verbundenen Anstieg an Leistungsempfängern. Dann werden die Kosten der KdU deutlich dynamischer wachsen, als bislang gekannt. Die Verwaltungs- und Personalkosten haben sich allerdings stark erhöht, wodurch der Anteil der Kommunen von 385 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 920 Millionen Euro im Jahr 2016 angestiegen ist. Die Ausgaben für kommunale Eingliederungsleistungen im SGB II (insbesondere Schuldner- und Suchtberatung, psychosoziale Beratung, Kinderbetreuung) werden nicht statistisch er-hoben.

Entwicklung der Gesamtausgaben KdU und des Anteils des Bundes

Gesamtaus-gaben KdU (geschätzt)

Bundesbeteili-gung KdU

Bundesan-teil KdU (in

Euro)

Bundesanteil Verwaltungskos-

ten

2006 13.805 29.1 % 4.017 3.607

2007 13.632 31,8 % 4.332 3.676

2008 13.324 29,2 % 3.889 3.776

2009 13.573 26,0 % 3.515 4.210

2010 13.700 23,6 % 3.235 4.413

2011 13.339 36,4 % 4.855 4.339

2012 13.292 36,4 % 4.838 4.209

2013 13.671 34,3 % 4.685 4.495

2014 13.849 31,9 % 4.162 4.696

2015 13.910 35,7 % 5.249 4.810

2016 13.820 38,9 % 5.384 5.131

Entwicklung der kommunalen Ausgaben im SGB II

Kommunale Ausgaben für

KdU

Kommunaler Finanzierungsanteil an den

Verwaltungskosten *

Kommunale Ausgaben für Sachleistungen

nach BuT

2006 9,788 Mrd. € 454 Mio. € __

2007 9,3 Mrd. € 463 Mio. € __

2008 9,435 Mrd. € 476 Mio. € __

2009 10,058 Mrd. € 530 Mio. € __

2010 10,465 Mrd. € 556 Mio. € __

2011 8,484 Mrd. € 660 Mio. € k.A.

2012 8,454 Mrd. € 640 Mio. € 433 Mio. €

2013 8,986 Mrd. € 683 Mio. € 483,4 Mio. €

2014 9,687 Mrd. € 841 Mio. € 531,1 Mio. €

2015 8,661 Mrd. € 862 Mio. € 569 Mio. €

2016 8,436 Mrd. € 920 Mio. € 602,2 Mio. €

* Der kommunale Finanzierungsanteil (KFA) an den Verwaltungskosten wurde für die Jahre 2006 bis 2010 geschätzt auf

der Basis der von 12,6 Prozent, ab dem Jahr 2011 ist der KFA gesetzlich auf 15,2 Prozent normiert.

Ausgabenentwicklung in der Sozialhilfe (SGB XII) Kaum ein Sozialleistungsbereich wächst derart rasant und kontinuierlich an wie die Sozialhil-fe nach dem SGB XII. Dabei erbringt sie dem Grund nach nur Leistungen für die Menschen, die ihre Bedarfe nicht aus eigener Kraft decken können und auch keine ausreichenden Leis-tungen aus vorgelagerten Sicherungssystemen wie der Renten- oder der Pflegeversicherung erhalten. Trotz ihrer Funktion als letztes Netz der sozialen Sicherung wächst die Inanspruchnahme von Sozialhilfe stetig. Dies liegt auch daran, dass sie zwischenzeitlich immer stärker als Aus-fallbürge für ungenügende vorrangige Sicherungssysteme herhalten muss. In den letzten 10 Jahren stiegen die reinen Bruttoausgaben von 18,1 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 29 Milliarden Euro im Jahr 2016 an, eine Steigerung um rd. 60 Prozent! Da die Leistungen der Grundsicherung im Alter (4. Kapitel) i.H.v. 6 Milliarden Euro (2016) zwischenzeitlich vollständig vom Bund finanziert werden, wird nachfolgend nicht weiter da-rauf eingegangen.

Die Ausgaben der Sozialhilfe werden von den örtlichen und überörtlichen Trägern der Sozi-alhilfe erbracht und weitgehend auch finanziert. Lediglich für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (2016 6,07 Milliarden Euro netto und damit 20 Prozent der Ausgaben des SGB XII) erstattet der Bund die Leistungsausgaben der Sozialhilfe. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind ausnahmslos Kommunen, bei den Auf-gaben und der Organisation der überörtlichen Träger finden sich Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Teilweise sind die überörtlichen Träger kommunal verfasst, teil-weise handelt es sich um Landesbehörden. Eine detaillierte Zuordnung der Ausgaben zu der kommunalen Ebene ist vor diesem Hintergrund nicht möglich. Im Einzelnen lassen sich die Leistungen der Sozialhilfe weiter unterteilen. Von besonderer finanzieller Bedeutung für die Kommunen sind:

- die Hilfen zum Lebensunterhalt (1,4 Milliarden Euro*) - die bis zum 31. Dezember 2019 im SGB XII geregelte Eingliederungshilfe, aufgrund

BTHG ab 1. Januar 2020 SGB IX (16,5 Milliarden Euro*) - die Leistungen der Hilfe zur Pflegen (3,8 Milliarden Euro*)

* Zahlen aus dem Jahr 2016

Hilfe zum Lebensunterhalt (3. Kapitel SGB XII)

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Nettoausgaben der Sozialhilfe 2006 - 2016

Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII erhalten Menschen, die weder er-werbsfähig (dann erhalten sie bei Bedarf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II) noch dauerhaft voll erwerbsunfähig sind (hier wären die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB XII einschlägig). Trotz dieser im Rahmen der Hartz-Reformen eingeführten engen Begrenzung des leistungsberechtigten Personenkreises nimmt die Anzahl der Leis-tungsempfänger insgesamt deutlich zu. Zurzeit sind etwa 370.000 – 400.000 (2006: ca. 300.000) Menschen Empfänger von Hilfen zum Lebensunterhalt. Aufgrund einer Stichtagserfassung lassen sich aus der Zahl der Emp-fänger aber keine statistisch relevanten Aussagen treffen. Aufschlussreicher ist hier die Entwicklung ist hier die Entwicklung der Nettoausgaben. Diese weisen einen kontinuierlichen Anstieg aus, so dass von insgesamt steigenden Empfängerzahlen ausgegangen werden kann. Betrugen die Leistungsausgaben im Jahr 2006, also kurz nach den sog. Hartz-Reformen, lediglich 676 Millionen Euro, ist zehn Jahre später eine Verdoppelung der Ausga-ben auf 1,4 Milliarden Euro zu konstatieren.

Es fällt auf, dass die Leistungsausgaben deutlich stärker steigen als die Anzahl der Leis-tungsempfänger. Diese Entwicklung dürfte auf mehrere Ursachen zurückzuführen sein, so etwa auf geringere Selbsthilfemöglichkeiten der betroffenen Menschen, durch den Rückzug vorgelagerter Sicherungssysteme (Sozialhilfe als Ausfallbürge), aber auch auf steigende Regelbedarfe und zunehmende Unterkunftskosten. Eine Umkehrung dieses Trends ist nicht absehbar, so dass perspektivisch von weiterhin deutlichen Steigerungsraten ausgegangen werden muss.

Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen

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Nettoausgaben für Hilfe zum Lebensunterhalt 3. Kapitel SGB XII 2006 - 2016

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(6. Kapitel SGB XII) Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert oder von einer Behinderung bedroht sind, können Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel SGB XII erhalten. Aufgabe dieser Hilfeart ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten, eine vorhandene Behinderung zu mildern und Teilhabe zu gewährleisten. Kinder- und Ju-gendliche mit einer seelischen oder psychischen Behinderung erhalten entsprechende Leistungen über die Jugendhilfe gem. § 35a SGB VIII. Diese Ausgaben sind in den Statisti-ken der Jugendhilfe mit umfasst (Kapitel 1 des Beitrags) 2006 erhielten 643.064 Menschen diese Leistungen. Binnen 10 Jahren ist ein Anstieg um rd. 40 Prozent auf 894.638 Empfän-ger im Jahr 2016 zu verzeichnen. Die meistgenannten Gründe hierfür sind die steigende Lebenserwartung, auch aufgrund des medizinischen Fortschritts. Aber auch die deutliche Zunahme an psychisch Erkrankten trägt zu dieser Steigerung bei. Auch hier sind zunehmend mehr Menschen auf diese Hilfeart angewiesen, weil die vorgelagerten Regelleistungssyste-me die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen immer weniger decken. So ist festzustellen, dass z.B. Integrationshelfer für Schulen nicht vom System Schule, sondern durch die Sozialhilfe bereitgestellt werden müssen, um die Beschulung von Kindern mit Be-hinderungen zu ermöglichen. Vormalige Krankenversicherungsleistungen müssen ebenso aufgefangen werden. Ähnliche Entwicklungen sind in der Pflegeversicherung zu erkennen. Diese Problematik widerspricht nicht nur dem Grundgedanken der Behindertenrechtskonven-tion der Vereinten Nationen, nämlich der Inklusion. Danach müssen sich die für den jeweiligen Lebensbereich in erster Linie zuständigen Leistungsträger für die Belange von Menschen mit Behinderung öffnen. Sie führt auch zu einer schleichenden Kostenverlagerung auf die Kommunen, da die Sozialhilfe wiederum als Ausfallbürge und letztes Sicherungsnetz mit ihren Leistungen einspringt, um die Teilhabe der Menschen mit Behinderungen abzusi-chern.

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672.339712.513

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788.298

820.944834.494

860.489

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Empfänger von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen 2006 - 2016

Wie in den bisher genannten Leistungsarten, so steigen auch die Kosten der Eingliede-rungshilfe deutlich stärker als die Anzahl der leistungsberechtigten Menschen. 2006 lagen die Nettoausgaben bei 10,5 Milliarden Euro, 2016 betrugen sie 16,5 Milliarden Euro. Das entspricht einer Steigerung von rd. 57 Prozent in 10 Jahren.

Die Entwicklungen im Recht der Menschen mit Behinderungen haben, unterstützt auch durch die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, zu der Forderung geführt, das Leistungsrecht für Menschen mit Behinderungen aus der Sozialhilfe herauszuführen. Mit dem Bundesteilhabegesetz, das zwischen 2017 und 2020 nach und nach in Kraft tritt, sind die Schritte dazu eingeleitet. Nachdem zunächst kleinere leistungsrechtliche Verbesserun-gen und Verfahrensänderungen in Kraft getreten sind, soll zum 1. Januar 2020 das neue Eingliederungshilferecht vollumfänglich in Kraft treten. Zunächst sind jedoch relevante Vor-fragen in den Bundesländern zu klären, insbesondere müssen die Bundesländer unter Beachtung der landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregeln gesetzlich festschreiben, wer für die neue Aufgabe zuständig sein soll. Es ist nach Einschätzung der Städte davon auszugehen, dass sich die bisherige Kostendy-namik in der Eingliederungshilfe weiter fortsetzen wird. Gründe hierfür sind insbesondere die weit gefassten, offenen Formulierungen der Anspruchsvoraussetzungen in der neuen Ein-gliederungshilfe, die eine weitere Ausweitung des leistungsberechtigten Personenkreises erwarten lassen. Neue Leistungstatbestände vor allem im Bereich der Bildung, der sozialen Teilhabe, der Mobilität und der Assistenz bei gleichzeitig fehlender inklusiver Ausgestaltung der eigentlich vorrangigen Regelsysteme lassen erwarten, dass auf die Eingliederungshilfe weiter anwachsend zurückgegriffen wird. Auch für die Zukunft ist daher mit steigenden Fall-zahlen und Leistungsausgaben zu rechnen. Ob diese Einschätzung tatsächlich zutrifft, wird auch im Rahmen einer wissenschaftlichen Evaluation durch das BMAS überprüft werden.

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Nettoausgaben für Eingliederungshilfe für behinderte Menschen 2006 - 2016

Hilfe zur Pflege (7. Kapitel SGB XII) Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel erhalten pflegebedürftige Menschen, die nicht pflege-versichert sind oder wenn die Leistungen der vorrangigen Pflegeversicherung und die eigenen Ressourcen nicht ausreichen, um den Pflegebedarf zu decken. Mit der Einführung der Pflegeversicherung 1995 hatte diese Leistungsart der Sozialhilfe zunächst an Bedeutung verloren, mittlerweile setzt sich der Kostenanstieg mit erheblicher Dynamik wieder fort.

In den letzten 10 Jahren sind die Nettoausgaben der Hilfe zur Pflege von 2,53 Milliarden Eu-ro auf 3,8 Milliarden Euro und damit um rd. 50 Prozent gestiegen. Ein Grund hierfür liegt in der unzureichenden Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung an die Preisentwick-lung, die zu einer stärkeren Inanspruchnahme des Ausfallbürgen Sozialhilfe führen. Auch werden die sich ändernden Familienstrukturen weiter kostensteigernd auswirken, da sich der Bedarf an professioneller kostenintensiver Pflege erhöhen wird. Bedauerlich ist, dass weiterhin einige Sozialhilfeempfängergruppen aus dem solidarischen System der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch aus der Pflegeversiche-rungspflicht ausgeschlossen sind. Diese Menschen sind bei Pflegebedürftigkeit vollumfänglich auf eigene Mittel oder auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. Der Deutsche Städtetag fordert seit langem, eine Kranken- und Pflegeversicherungspflicht für alle Einwoh-nerinnen und Einwohner einzuführen und damit den rd. 90.000 vom Ausschluss betroffenen Menschen den Zugang zu den Versicherungssystemen zu eröffnen. Die mit den Pflegestär-kungsgesetzen eingeführten neuen Leistungen für pflegebedürftige Menschen wirken sich hier unmittelbar in den Ausgaben der Hilfe zur Pflege aus. Besonders zu erwähnen ist die Personengruppe der Menschen mit Behinderungen, die in einer Behinderteneinrichtung leben. Sie werden bei den Leistungen der Pflegeversicherung diskriminiert und erhalten lediglich 266 Euro von ihrer Pflegeversicherung, obschon sie die volle Versicherungsprämie bezahlen. Ein weiterer Grund ist die demographische Entwicklung, da mit einer zunehmend älteren Bevölkerung auch die Zahl der Pflegebedürftigen und damit auch die Leistungsausgaben ansteigen. Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der nunmehr auch kognitive Be-einträchtigungen berücksichtigt, wird der leistungsberechtigte Personenkreis nicht unerheblich ausgeweitet.

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Nettoausgaben Hilfe zur Pflege 2006 - 2016

Flüchtlingsmigration stellt die Kommunen vor neue finanzielle Herausforderungen Viele Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten, Afrika und den Ländern des Westbal-kans suchten in den letzten Jahren den Weg nach Deutschland. Der Zuzug von Flüchtlingen bestimmte dabei nicht nur die gesellschaftspolitischen Debatten, sondern stellte insbesonde-re die Kommunen vor organisatorische und vor allem auch zusätzliche finanzielle Herausforderungen. Die gestiegene Zahl an Flüchtlingen sorgte für einen starken Anstieg der Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Allerdings stiegen hierdurch auch die Ausga-ben in vielen anderen sozialen Bereichen. Mehrausgaben bei Kindertagesstätten, in den erzieherischen Hilfen, im Schul- und Wohnungsbau sind deutlich spürbar. Weitere Ausgaben für vielfältige Maßnahmen der Sozialarbeit kommen hinzu. Ein Blick auf die Dynamik aller kommunalen Sozialaufwendungen verdeutlicht die Auswir-kungen des Zuzuges. Ankommende Flüchtlinge bewirkten eine deutliche Niveauverschiebung der gesamten sozialen Aufwendungen nach oben. Ein neuer strukturel-ler Kostenfaktor ist zu finanzieren, der sich trotz sinkender Zahl neu ankommender Flüchtlinge verfestigen wird. Denn die Kosten hängen im Wesentlichen nicht nur davon ab, wie viele Flüchtlinge in einem Jahr hinzukommen. Es ist vielmehr auch entscheidend, wie viele Flüchtlinge den Weg in die wirtschaftliche Eigenständigkeit finden. Hierbei handelt es sich um mehrjährige Prozesse. Deshalb sind die gestiegenen Ausgaben der Kommunen gerade im Sozialbereich keine kurzzeitige Ausgabenspitze, sondern stellen eine über die mittlere Frist andauernde Niveauverschiebung dar. Besonders betroffen davon sind die Städte, da sie auch von Flüchtlingen als attraktiver Wohnort wahrgenommen werden. Darüber hinaus finden sie dort bestehende Sozialstruktu-ren von Menschen ihrer jeweiligen Herkunftsländer vor. Auch erhoffen sie sich hier einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt. Der urbane Raum ist daher im Vergleich zum ländli-chen überproportional vom Zuzug von Flüchtlingen betroffen. Die Wohnsitzauflage in einigen Bundesländern ist zwar ein notwendiges Instrument, kann jedoch die überproportionale Be-lastung der Städte allein nicht abfedern. Zusätzliche finanzielle Ausgleichsmechanismen zwischen urbanem und ländlichem Raum müssen geschaffen werden.

Anspruchsberechtigte des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) Die Ausgaben des AsylbLG werden in der Regel von den Kommunen getragen. Eine einheit-liche Beteiligung der Bundesländer gibt es nicht. Von Land zu Land unterscheiden sich die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen, auch abhängig vom Aufenthaltsstatus. Um die Risiken für die kommunalen Haushalte erfassen zu können, lohnt sich ein differen-zierter Blick auf die unterschiedlichen Gruppen der Anspruchsberechtigten: Ursprünglicher Zweck des Gesetzes war es, Asylbewerbern in der Zeit bis zur Entscheidung über den Asylantrag den Lebensunterhalt zu sichern. Nach einer positiven Asylentscheidung erhält ein anerkannter Flüchtling in der Regel Leistungen nach den allgemeinen Leistungs-gesetzen der Grundsicherung im Rahmen des SGB II oder SGB XII. Neben Personen im Asylverfahren gehören allerdings auch trotz Ablehnung geduldete und vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Für diese Personengruppe finanziert das AsylbLG den Lebensunterhalt für die Übergangszeit bis zur Ausreise. Diese Übergangszeit erstreckt sich häufig über mehrere Jahre. In den meisten Bundesländern endet mit der Entscheidung über den Asylantrag die finanzielle Beteiligung

der Länder spätestens nach einer kurzen Übergangsfinanzierung. Die Kommunen sind dann in der Regel bei der Finanzierung der Ausreisepflichtigen auf sich allein gestellt. Deshalb ist es für die finanzielle Belastung der Kommunen nicht nur entscheidend, wie sich die Anzahl der Asylsuchenden entwickelt und wie schnell über den Asylantrag entschieden wird, sondern auch wie zeitnah Ausreisepflichtige tatsächlich ausreisen.

Entwicklung der Asylsuchenden in den letzten Jahren Der Zuzug von Flüchtlingen hat nachgelassen. Im Jahr 2017 ging die Anzahl der Asylsu-chenden merklich zurück. Insgesamt wurden 2017 nur noch 186.644 Asylsuchende in Deutschland registriert. Im Jahr 2016 waren es noch 280.000 und 2015 noch 890.000 asyl-suchende Menschen So stieg in den Jahren 2015 und 2016 die Zahl der Empfänger von Leistungen nach dem AsylbLG mit einer bislang nicht gekannten Dynamik an. Bezogen im Jahr 2013 ca. 225.0001 Menschen Leistungen nach dem AsylbLG, waren es zwei Jahre später ca. 974.000 Menschen. Die Dynamik bei den Anspruchsberechtigten sorgte auch für einen ra-santen Ausgabenanstieg. In den Jahren 2015 und 2016 verdoppelten sich die Ausgaben jeweils gegenüber dem Vorjahr. Lagen 2013 die Gesamtausgaben bei ca. 1,3 Milliarden Eu-ro pro Jahr, erhöhten sich die Ausgaben auf Grundlage des AsylbLG im Jahr 2016 auf ca. 9,4 Milliarden Euro.

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Asylentscheidungen Die Zahl der Leistungsempfänger hatte in den Jahren 2015 und 2016 ihre Spitze erreicht. Seitdem verringert sich die Zahl der Anspruchsberechtigten. Weniger Erstanträge und die Bearbeitung von Altanträgen sind dafür verantwortlich. Die Zahl der anhängigen Verfahren

1 Statistisches Bundesamt:

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Soziales/Sozialleistungen/Asylbewerberleistungen/Tabellen/4_3_ZV_AufenthaltsrechtlStatus.html 2 Datengrundlage: Statistisches Bundesamt:

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Soziales/Sozialleistungen/Asylbewerberleistungen/Tabellen/Tabellen_Bruttoaus

gabenBL.html

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Bruttoausgaben für Asylbewerleistungen

reduzierte sich auf 68.245 zum Jahresende 2017 und konnte auf den Stand von etwa Mitte 2013 zurückgeführt werden. Ende Dezember 2016 lag die Zahl der anhängigen Asylverfah-ren noch bei rd. 434.000.

3 Nach Anerkennung des Asylantrages erhalten Flüchtlinge Leistungen der Jobcenter. Dieses umfasst die Sicherstellung des Lebensunterhalts sowie den uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und zu den Förderinstrumenten. Kommunen sind als Träger von Jobcentern in der Systematik des SGB II finanziell vor allem anteilig durch die KdU betroffen. Aktuell übernimmt der Bund befristet bis Ende 2018 diesen kommunalen Anteil für den Personenkreis der anerkannten Flüchtlinge in Höhe von ca. 1,6 Milliarden Euro. Dieser Personenkreis umfasst allerdings nur Flüchtlinge, die nach dem 1. Oktober 2015 ihren Antrag gestellt haben. Insgesamt erreichen die KdU für alle Flüchtlin-ge im Jahr 2017 schon bis Oktober mehr als 1,7 Milliarden Euro4. Für das Jahr 2017 werden die realen Ausgaben deutlich höher liegen und die Grenze von 2 Milliarden Euro überstei-gen.

3 Siehe Fußnote 1 4 Bundesagentur für Arbeit: Sonderauswertung „ELB im Kontext von Fluchtmigration“

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Anträge auf Asyl

jährliche Asylantragszahlen Anhängige Verfahren Entscheidung über Asylanträge

Abgelehnte Asylbewerber Für die kommunalen Ausgaben nehmen die abgelehnten Asylbewerber an Bedeutung zu. Ein gutes Drittel der Asylbewerber erhielt 2016 einen negativen Bescheid und wurde ausrei-sepflichtig. Die Gesamtschutzquote für alle Staatsangehörigen sank 2017 auf 43,3 Prozent, d.h. der Anteil an Ausreisepflichtigen nimmt zu und nähert sich den Schutzquoten vor dem Jahr 2015 an. So erhielten im Jahr 2017 123.9095 Personen die Rechtsstellung eines Flücht-lings nach der Genfer Konvention und 98.074 Personen subsidiären Schutz. Abgelehnt wurden die Anträge von 232.307 Personen und 39.659 Personen unterliegen einem Ab-schiebungsschutz.

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5 Siehe Fußnote 1 6 Siehe Fußnote 1

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Ablehnungen

Ausreisepflichtige haben formal keine Bleibeperspektive. In der Regel reist ein Großteil die-ser Menschen allerdings nicht aus. Sie bleiben in Deutschland und werden aus unterschiedlichen Gründen geduldet. So war Ende 2016 von den 207.4847 nur ein kleiner Teil vollziehbar ausreisepflichtig. Der Großteil von 153.047 war geduldet. Dieses Bild verän-derte sich auch nicht im Laufe des Jahres 2017. Erwartungsgemäß nahm die Zahl der Ausreisepflichtigen zu und erreichte Mitte des Jahres 228.833 Personen. Gleichzeitig wuchs aber auch die Personengruppe der Geduldeten auf 162.131 an. Eine Duldung kann dabei einen sehr langen Zeitraum umfassen. Im Durchschnitt verbleiben abgelehnte Flüchtlinge 6,68 Jahre in Deutschland. Die Lebenswirklichkeit entspricht bei dieser Gruppe nicht mehr den Annahmen des Gesetz-gebers. Leistungen nach dem AsylbLG für den Personenkreis der Ausreisepflichtigen werden deshalb auch über Jahre weiter bewilligt. Nach 15 Monaten steigen die Leistungen auf das Niveau der Regelsätze im SGB II oder XII. An der Zuständigkeit der Behörden und auch an der Finanzierung der Leistungen gem. AsylbLG ändert dies jedoch nichts. Der Anteil der Geduldeten an der Gesamtzahl der Leistungsempfänger steigt deutlich an. Die Kommu-nen tragen deshalb in den meisten Bundesländern bereits jetzt eine höhere Nettobelastung, da sie in der Regel Geduldete alleine finanzieren. Außerdem gilt: je höher der Anteil der Ge-duldeten bei den Leistungsempfängern nach dem AsylbLG wird, desto weniger wirkt sich die Begrenzung der Zuwanderung auf die Gesamtzahl der Leistungsempfänger aus.

7Ausländerzentralregister 8 Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr.387 vom 2. 11.17