Entwicklungsarbeit der Andheri-Hilfe an einem ausgewählten...
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Helmholtz-Gymnasium Bonn 53123 Bonn
Entwicklungsarbeit der Andheri-Hilfe an einem ausgewählten Beispiel (Frauenförderung in Tamil Nadu)
Facharbeit im Grundkurs Erdkunde
Von Sonja Nellinger
Betreuende Fachlehrerin: Barbara Kliesch
Studiendirektorin
Schuljahr 2012/2013
2
Bonn, den 24.02.2013
Inhaltsverzeichnis:
Seiten:
I. Einleitung 3
II. Indien 4
III. Die Andheri-Hilfe 6
III.1. Die Geschichte der Andheri-Hilfe 7
III.2 Aktuelle Projektbereiche 9
III.3 Grundsätze der Andheri-Hilfe 11
IV. Beispielprojekt: Frauen in ihrer sozio-ökonomischen
Entwicklung und Eigenständigkeit stärken (Tamil Nadu) 14
IV.1 Konzept 15
IV.2 Fallbeispiel: Frau S. Anjalai 16
IV.3 Anwendung der Grundsätze/Erfo1ge 18
V. Fazit 20
VI. Fachworterklärung 21
VII. Literaturverzeichnis 22
VIII. Anhang
A Prospekt: Gemeinsam für mehr Menschlichkeit
B Interview mit der Projektreferentin Barbara von Hillebrandt-Jung
C Brief summary Report of Sustainable Development and self Reliance of Rural Women Period of Report 01.01.2012 to 31.12.2012
D RPEDC Case study
IX. Erklärung 25
3
I. Einleitung:
Nachdem wir im Erdkundeunterricht das Thema Strategien der Entwicklungshilfe
besprochen haben, war mein Interesse geweckt, mich mit einem konkreten
Entwicklungshilfeprojekt auseinanderzusetzen. Als die Überlegungen zum
Facharbeitsthema anstanden, habe ich überlegt, ob es nicht interessant wäre, über dieses
Thema zu schreiben. Es lag nahe, ein Entwicklungsland und eine Organisation
vorzustellen. Darüber hinaus wollte ich eine Fragestellung behandeln, zu der ich mit
eigenen Überlegungen und Schlüssen beitragen kann. Da ich schon oft von
gescheiterten Entwicklungshilfeprogrammen gehört habe, habe ich mich gefragt, wo der
Unterschied zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Projekten liegt.
Schließlich habe ich entschieden, dass ich mir eine erfolgreiche Organisation
heraussuche und ihre Entwicklungsarbeit im Hinblick auf ihr Konzept analysiere.
Ich habe mich für die Andheri-Hilfe als Beispiel entschieden, da ihr Erfolg für sich
spricht und mir ihr Konzept als sehr gut überlegt erscheint. Außerdem hat die
Organisation ihren Sitz in Bonn und bietet sich deshalb gut zur
Informationsbeschaffung an.
In meiner Facharbeit zur „Entwicklungsarbeit der Andheri-Hilfe anhand eines
Fallbeispiels“ werde ich mir die Entstehung der Bonner Hilfe, ihre angewandten
Grundsätze und das Konzept ihrer Entwicklungsarbeit erarbeiten. Anschließend gehe
ich auf das Projekt „Förderung der Frauen in Tamil Nadu“ ein und analysiere,
inwieweit die Grundsätze der Andheri-Hilfe in diesem Projekt angewendet werden.
Danach will ich ganz konkret die Unterstützung der Existenzgründung bei einer
Einwohnerin im Projektgebiet vorstellen, eine Frau, die als Beispiel für die vielen
Frauen aus Tamil Nadu steht, denen durch die Andheri-Hilfe geholfen wurde.
Ich möchte herausfinden, wie es Rosi Gollmann, die Gründerin der Andheri-Hilfe,
geschafft hat, mit der Unterstützung von Helfern und Spendern zahlreiche Projekte
aufzubauen, welche große Veränderungen in einigen Teilen von Indien und
Bangladesch bewirkt haben. Im Hintergrund stellt sich für mich die Frage, was
erfolgreiche Entwicklungsarbeit ausmacht.
4
II. Indien
Mit einer Fläche von 3 287 000 km2
erstreckt sich Indien an der südlichen
Küste Asiens am nördlichen
Wendekreis (Abb.1). Im Norden
begrenzt vom Himalaya-Gebirge, im
Süden umschlossen vom Indischen
Ozean, gehört der Staat zu den 7
größten der Welt. Mit einer ständig
wachsenden Einwohnerzahl von
derzeit über 1,2 Milliarden und einer
Bevölkerungsdichte von 365
Einwohnern pro km2 ist Indien das
zweitbevölkerungsreichste Land der
Erde. Die Bundeshauptstadt ist die im Abb.1) Landkarte Indiens1
Norden liegende Metropole Neu-Delhi.
Sie ist gleichzeitig auch Sitz der 28 Landesstaaten vereinenden Regierung.2
Indien ist von einer großen Vielfalt im Bereich der Kultur, Religionen und Sprachen
geprägt. Zu den Landessprachen Hindi und Englisch kommen noch 21 weitere
anerkannte Sprachen hinzu. Neben dem Islam, dem Christentum, dem Sikhismus und
anderen Religionen dominiert der Hinduismus mit etwa 80 Prozent.3 Doch der
Hinduismus eint nicht nur das Land. Durch das Denken in Schichten im Kastensystem
wird das Volk gespalten. „Es ist kein Zufall, dass die sogenannten Unberührbaren
(scheduled castes/ Dalits) und die Stammesbevölkerung (Adivasi, offiziell scheduled
tribes) nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch am untersten Ende stehen.“4
Aufgrund einer sich über Jahrzehnte verbessernden wirtschaftlichen Situation wird
Indien heutzutage als industrielles Schwellenland bezeichnet. Fortschritte im
wissenschaftlich-technischen Bereich, wirtschaftliche Erfolge und eine Verbreitung der
urbanen Mittelschicht haben dazu beigetragen. Allerdings ist Indien noch weit vom
Entwicklungsstand der westlichen Industrieländer entfernt. Die Wohlstandsschere
1 Karte von Indien. In: http://www.welt-atlas.de/karte_von_indien_5-171 [Stand:23.02.2013]
2 Vgl. Indien. In: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-
Nodes_Uebersichtsseiten/Indien_node.html [Stand:08.02.2013 ] 3 Vgl. ebd.
4 Dr. Massing, Wolfgang: Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit in Indien. In:
http://www.andheri-hilfe.de/armut-indien-referat.html [Stand: 08.02.2013]
5
zwischen den oberen und den untersten Bevölkerungsschichten klafft immer noch weit
auseinander. 2011 belegte Indien beim Vergleich des Human Development Index (siehe
Fachworterklärung Seite 21) nur Rang 134 von insgesamt 187 Ländern.5 Fast zwei
Drittel der indischen Gesamtbevölkerung leben in Armut, etwa 400 Millionen
Menschen unter der absoluten Armutsgrenze und fast ein Viertel der
Gesamtbevölkerung ist laut FAO unterernährt. Pro Jahr sterben rund 2,1 Millionen
Menschen bevor sie überhaupt das 5. Lebensjahr erreicht haben. 6 „In keinem anderen
Land der Erde sterben so viele Menschen an Unterernährung oder an Krankheiten.“7
Geschätzte 40 bis 100 Millionen indische Kinder müssen Tag für Tag harte Arbeit
verrichten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.8 Das ist wertvolle Zeit, die ihnen fehlt,
um in die Schule zu gehen oder ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Eine Folge der Armut
ist, dass viele Familien ihre Kinder in Heime oder an Kinderhändler abgeben, aus
Angst, diese nicht ausreichend ernähren zu können - ganz zu schweigen von den großen
Gesundheits- und Versorgungproblemen, die zu einer hohen Kindersterblichkeit in den
Familien führen.
Ein anderes Problemfeld in Indien liegt bei der Rolle der Frau. Frauen sind in Indien
„die größte unterprivilegierte Bevölkerungsgruppe“9. Trotz der großen Verantwortung,
die Frauen in Form von Kindererziehung, Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit tragen
müssen, haben sie sich den Männern unterzuordnen. Aus Sicht der Männer kosten
Frauen nur zusätzliches Geld, weshalb es zu Mädchentötungen kommt. Frauen haben
kein Mitsprache- oder Entscheidungsrecht, sie gelten als Last, haben weniger Chancen
auf Schulbildung und kosten ihre Familien Mitgift.10
Die politische Situation in Indien kann man als stabil bezeichnen. Das Land ist die
bevölkerungsreichste parlamentarische Demokratie der Welt, momentan mit Präsident
Pranab Kumar Mukherjee als Staatsoberhaupt, und hat „nach der Unabhängigkeit von
Großbritannien (1947) den Grundsatz der Gewaltenteilung […] durchgesetzt.“11/12
Überdies haben Regierung und Politik Gesetze und Rechte geschaffen, die den 5 Vgl. Human Development Index( HDI). In: http://www.laenderdaten.de/indizes/hdi.aspx
[Stand:08.02.2013] 6 Vgl. Dr. Massing, Wolfgang: Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit in Indien. In:
http://www.andheri-hilfe.de/armut-indien-referat.html [Stand: 08.02.2013] 7 Ebd.
8 Vgl. ebd.
9 Ebd.
10 Vgl. Anlage A) Gemeinsam für mehr Menschlichkeit. Frauen: Entwicklung fördern.
11 Indien. Innenpolitik. In: http://www.auswaertiges-
amt.de/sid_557F408F5E2595CB53CA231E85C1612A/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/In
nenpolitik_node.html [Stand:17.02.2013] 12
Vgl. ebd.
6
Inländern ein menschenwürdiges Leben ermöglichen sollen und Chancengleichheit
sichern. Das Problem liegt darin, dass viele Einwohner nicht über ihre Rechte aufgeklärt
sind und Betroffene nicht wissen, wie sie Regierungsprogramme nutzen können.
III. Die Andheri-Hilfe
1967 wurde die Andheri-Hilfe von der Vorsitzenden Rosi Gollmann und 16
Mitgliedern als gemeinnütziger Verein in Bonn gegründet mit dem Ziel der
„Unterstützung armer und hilfsbedürftiger Kinder, besonders der Kinder des St.
Catherine’s Home zu Andheri bei Bombay“.13
Heute, nach 45 Jahren, hat sich der Verein zu einer erfolgreichen und sehr angesehenen
unabhängigen Organisation der Entwicklungszusammenarbeit entwickelt und
unterstützt unzählige Projekte in Indien und Bangladesch. Um Nachhaltigkeit und
Langfristigkeit der Andheri-Hilfe miteinander zu verbinden, wurde 2002 zusätzlich ein
Stiftungskonto (Rosi-Gollmann-Andheri-Stiftung) eröffnet. Inzwischen gab Rosi
Gollmann, die mittlerweile 10 Auszeichnungen für ihre gemeinnützliche Arbeit erhalten
hat14, die Vereinsführung an die nächste Generation ab. Unter der Leitung von Elvira
Greiner werden etwa 150 soziale Projekte mit Hilfe von 20.000 Spendern unterstützt.15
Den Schwerpunkt hat die Andheri-Hilfe auf „Projekte der Sozialarbeit, des Bildungs-
und Gesundheitswesens sowie der
landwirtschaftlichen und dörflichen
Entwicklung“ gelegt.16 Zielgruppen
dieser Projekte sind Kinder, Frauen,
Kranke und Behinderte sowie alle
Familien, die durch ihre Herkunft oder
Kaste sozial benachteiligt sind.
Abb.2) Spendenverwendung (2011)17
13
Gollmann, Rosi mit Beate Rygiert: Einfach Mensch. Das Unmögliche wagen für unsere Welt. Kailash
Verlag, München 2012, S. 125 14
Vgl. Eine starke Frau kämpft 50 Jahre für Menschen – Rosi Gollmann. In: http://www.andheri-
hilfe.de/html [Stand:08.02.2013] 15
Vgl. Hilfe zur Selbsthilfe in Indien und Bangladesch In: http://www.andheri-hilfe.de/ueber-uns.html
[Stand: 08.02.2013] 16
Gollmann, Rosi mit Beate Rygiert: Einfach Mensch. Kailash Verlag, München 2012, S.381 17
Jahresbericht 2011. Projektarbeit in Indien und Bangladesch. In: http://www.andheri-
hilfe.de/fileadmin/user_upload/PDFs/Berichte/ganzer_jahresbericht_2011_andheri_hilfe_bonn_01.pdf
[Stand:08.02.2013]
7
Darüber hinaus sollen Menschen über ihre Rechte aufgeklärt und in ihrer
Verantwortung gestärkt werden.
Um die Situation der Betroffenen nachhaltig verändern zu können, legt die Andheri-
Hilfe besonderen Wert darauf, den Betroffenen ihre Eigenverantwortung bewusst zu
machen und ihnen auf dem Weg zur Selbstständigkeit zu helfen.18
III.1 Die Geschichte der Andheri-Hilfe: Von der täglichen Handvoll Reis
für Waisenkinder zu nachhaltigen Entwicklungsprogrammen
Alles begann mit einem Zeitungsartikel über ein indisches
Kinderheim in Not im stern, auf den eine Schülerin
ihre Religionsklasse aufmerksam macht. Rosi Gollmann
unterrichtet diese Klasse neben vielen anderen
Religionsklassen und ist, wie die restliche Klasse auch, geschockt Abb.3)19
von den im Artikel geschilderten Zuständen des Kinderheims aus Andheri bei Bombay.
Die Klasse nimmt unter Leitung von Frau Gollmann Kontakt zu den Schwestern der
Kinderheimleitung auf und startet eine Aktion, in der 400 Pakete mit Hygieneartikeln an
die 400 Kinder des Kinderheims verschickt werden. Die Schüler fangen an, sich für das
Projekt zu begeistern und wiederholen die Päckchenaktion in dem darauf folgenden
Jahr. Als Rosi Gollmann 1962 selber nach Indien in das St. Catherine’s Home reist,
beginnt für sie ein großes Abenteuer. Zusammen mit den Schwestern der Heimleitung
verhilft Rosi Gollmann dem Heim zu menschenwürdigen Lebensumständen.20
Nachdem den akuten Problemen des Heims Abhilfe geschaffen war, durch den Ausbau
der Unterkünfte, der ärztlichen Versorgung und durch Verbesserungen der Hygiene,
ging es anschließend darum, Maßnahmen zu ergreifen, die dem Heim helfen würden, in
Zukunft nicht mehr von Spenden abhängig zu sein. Die Anlegung eines Gemüsegartens
und die Ermöglichung von Viehhaltung haben dazu beigetragen, dass das Heim heute
auf eigenen Füßen steht.
Nach ihrem ersten Besuch in Indien wird die Aufgabe, für menschlichere Verhältnisse
in Indien zu sorgen, zur Berufung von Rosi Gollmann. Um eine rechtliche Grundlage
für die Verwendung der Mittel von damals 449 Spender zu schaffen, gründen insgesamt
18
Vgl. Gollmann, Rosi mit Beate Rygiert: Einfach Mensch. Kailash Verlag, München 2012, S. 381 19
Andheri-Hilfe Bonn. In: http://www.andheri-hilfe.de/start.html [Stand:08.02.2013] 20
Vgl. Gollmann, Rosi mit Beate Rygiert: Einfach Mensch. Kailash Verlag, München 2012, S.63- S.115
8
16 Mitglieder zusammen mit ihr 1967 den Verein der Andheri-Hilfe. 1971 beginnt der
Bau einer Vereins-Zentrale in der Bonner Innenstadt.21
In den Jahren darauf dehnt die Andheri-Hilfe ihre Spenden auf die Unterstützung der
„Helpers of Mary“ aus, einem Zusammenschluss von Frauen, die ihr Leben dem Helfen
in armen Dorfgebieten und Slums widmen und den Menschen vor Ort zur Seite stehen.
Außerdem erweitert die Andheri-Hilfe ihr Hilfsgebiet auf den Bezirk Mangalore, wo in
vier Jahren 750 000 D-Mark in 24 Kinderheime investiert werden.22
Doch in den 70er-Jahren gibt es eine Wende in der Vorgehensweise der Andheri-Hilfe.
Die Organisation konzentriert sich von nun an auf die Ursachen der Armut, weil diese
im Endeffekt dafür verantwortlich ist, dass Kinder überhaupt in Heime gesteckt werden
müssen. Nachdem zuvor die schlimmsten Symptome durch die Hilfe für Kinderheime
gelindert wurden, wird klar, dass man die Probleme an der Basis anpacken muss, um für
eine langfristige Verbesserung der Situation zu sorgen. Die Andheri-Hilfe steigt in der
dörflichen Entwicklung ein. Es geht nun darum, Dorfbewohner zu motivieren, etwas an
ihrer Situation zu ändern, sie in der Bildung von Arbeitsgruppen zu unterstützen und für
zinslose Darleihen in Form von Kleinkrediten zu sorgen. Mit der Unterstützung der
indischen Partnerorganisation „Canara Organisation for Development and Peace“
(CODP) und den Spenden für Kleinkredite gelingt es der Organisation, dem Hunger in
der Region Mangalore durch die Unterstützung von Kleinfarmern entgegenzuwirken.23
Die Projektgebiete breiten sich rasant aus und nach einiger Zeit gelingt es der Andheri-
Hilfe zusammen mit ihren Partnerorganisationen, die Familien soweit „durch
Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage sowie durch parallele Aufklärungs- und
Bildungsarbeit“24 zu fördern, dass 40 000 Kinder aus Heimen zurück in ihre Familien
geführt werden können.
In den 80er und 90er Jahren sowie nach der Jahrtausendwende wächst nicht nur die Zahl
der Spenden sondern auch die Zahl der Projekte und Partnerorganisationen.25
21
Vgl. Chronik unserer Arbeit in Indien und Bangladesch. Von der täglichen Handvoll Reis für
Waisenkinder zu nachhaltigen Entwicklungsprogrammen. In: http://www.andheri-hilfe.de/chronik.html
[Stand: 08.02.2013] 22
Vgl. Gollmann, Rosi mit Beate Rygiert: Einfach Mensch. Kailash Verlag, München 2012, S. 135- S.160 23
Vgl. Ebd., S. 161-S. 173 24
Ebd., S. 175 25
Vgl. Chronik unserer Arbeit in Indien und Bangladesch. Von der täglichen Handvoll Reis für
Waisenkinder zu nachhaltigen Entwicklungsprogrammen. In: http://www.andheri-hilfe.de/chronik.html
[Stand: 08.02.2013]
9
Abb.4) Rosi Gollmann während eines Indienaufenthalts26
III.2 Aktuelle Projektbereiche:
Kinder und Jugendliche sind Zielgruppe des aktuellen Programms zur Schulbildung für
Dorfkinder in Jharkhand. Zunächst werden die Eltern in diesem Projekt auf die
Notwendigkeit einer Schulausbildung aufmerksam gemacht, anschließend werden die
Familien darin unterstützt, ihr Geld anzusparen, um ihren Kindern die Schule zu
finanzieren. Parallel dazu wird ein Komitee aus Dorfbewohnern aufgestellt, welches für
die Schule im Dorf verantwortlich ist und darauf achtet, dass die staatlichen Pflichten
zur Schulbildung eingehalten werden.27
In einem Projekt zur Stärkung der Irula-Ureinwohner (Adivasi) wird die Organisation
HELP von der Andheri-Hilfe finanziell unterstützt. Im Laufe der Jahre ist es durch
dieses Projekt gelungen, dass Irula-Ureinwohner ihre Rechte eingefordert haben, sich zu
Selbsthilfegruppen zusammengeschlossen haben und 176 Menschen aus der
Schuldknechtschaft (siehe Fachworterklärung Seite 21) befreit werden konnten.28
Im Sinne der Frauenförderung werden zwei aktuelle Spendenprojekte angeführt: Zum
einen die Bildung, Organisation und Stärkung von armen Frauen und Mädchen, zum
26
Fischer, Nicolas: Rosi Gollmann: „Die Andheri-Hilfe ist mein Leben“ In: http://www.general-anzeiger-
bonn.de/dialog/klasse/klasse/Rosi-Gollmann-Die-Andheri-Hilfe-ist-mein-Leben-article216503.html?&i=2
[Stand:23.02.2013] 27
Vgl. Jharkhand: Schulbildung statt Kinderarbeit für Dorfkinder. In: http://www.andheri-
hilfe.de/kinder-kinderarbeit-spenden.html [Stand:02.08.2013] 28
Vgl. Irulas (Ureinwohner) in Tamil Nadu stärken. In: http://www.andheri-hilfe.de/ureinwohner-indien-
adivasi.html [Stand: 02.08.2013]
10
anderen die Förderung der Frauen in Tamil Nadu. In beiden Projekten stehen
Frauenzusammenschlüsse in Form von Selbsthilfegruppen im Vordergrund. Im Kern
sollen sich die Frauen dabei gegenseitig unterstützen und voneinander lernen.
Mitarbeiter stehen dabei unterstützend zur Seite und sorgen dafür, dass sich Frauen ihrer
Rechte bewusst werden und Regierungsprogramme zur Frauenförderung einfordern
können.29/ 30
Im Bereich der Lobbyarbeit ist die Andheri-Hilfe aktuell im Raum Kancheepuram in
Bezug auf Kinderrechte engagiert. Neben diesem konkreten Programm zeigen sich die
durch die Andheri-Hilfe und ihre Partnerorganisationen gebildeten Arbeits- und
Selbsthilfegruppen als politisch engagiert.31 Auf höheren Eben schließen sich oft
Gruppen zu Föderationen zusammen und machen sich gemeinsam für ihre Rechte stark
oder Mitglieder der Selbsthilfegruppen bewerben sich für regionale Posten.32
Zusätzlich werden Projekte zum Thema Ressourcen- und Klimaschutz von der Andheri-
Hilfe unterstützt. Ein Projekt aus Kerala nennt sich beispielsweise: „Wasser ist Leben:
Ernährung sichern durch Wasser- uns Ressourcenschutz“. Ziel des Projektes ist ein
bewusster Umgang mit Ressourcen und eine Sensibilisierung der Kleinbauern.33 Auf
Schwemmlandinseln (Chars) im Gangesdelta von Bangladesch sind 700 Solaranlagen
und 300 Biogasanlagen in Planung.34 Darüber hinaus ist der Umweltschutz ein
wichtiges Kriterium für die Andheri-Hilfe und wird in den meisten Projekten parallel
thematisiert.
Mobile Eye Camps in Bangladesch wurden für die rund 800.000 Blinden in
Bangladesch eingeführt. In dem Projekt werden Blinde geheilt, vorbeugende
Maßnahmen eingesetzt und Blinde auf ihrem Weg in die wirtschaftliche
Unabhängigkeit begleitet.35
29
Vgl. Bildung, Organisation und Stärkung von armen Frauen und Mädchen. In: http://www.andheri-
hilfe.de/spenden-frauen-maedchen.html [Stand: 02.08.2013] 30
Vgl. Tamil Nadu: Frauen in ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung und Eigenständigkeit stärken. In:
http://www.andheri-hilfe.de/frauen-spenden-indien.html [Stand:02.08.2013] 31
Vgl. Netzwerk zur Sicherung der Kinderrechte im Distrikt Kancheepuram. In: http://www.andheri-
hilfe.de/aktuelles-projekt-lobbyarbeit.html [Stand:02.08.2013] 32
Vgl. Anlage B. Interview: Laut Auskunft von Frau Hillebrandt-Jung 33
Vgl. Wasser ist Leben: Ernährung sichern durch Wasser - und Ressourcenschutz. Zielgruppe: Dörfliche
Gemeinschaften der Bergregionen Keralas. In: http://www.andheri-hilfe.de/projekt-
ressourcenschutz.html [Stand:02.08.2013] 34
Vgl. Klimaschutz durch erneuerbare Energien und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel für
arme Familien an den Flussufern in Bangladesch. In: http://www.andheri-hilfe.de/klimawandel.htm
[Stand:02.08.2013] 35
Vgl. Augenoperation Grauer Star: 40 Euro! In: http://www.andheri-hilfe.de/spenden-projekt-
blinde.html [Stand: 02.08.2013]
11
Das Projekt „Kampf gegen Mütter- und Kindersterblichkeit“ umfasst Mini-Kliniken und
Ausbildungen für Freiwillige im Mahaboobnagar Distrikt unter Leitung der
Partnerorganisation „Youth for Action“.36
III.3 Grundsätze der Andheri-Hilfe:37
• Wir wollen die ärmsten Bevölkerungsschichten erreichen, ohne Rücksicht auf Hautfarbe, Kaste
oder Religion.
• Wir legen Wert darauf, dass die Projekte an der Wurzel ansetzen, um nicht Symptome, sondern
Ursachen für Armut dauerhaft zu beseitigen.
• Die von uns geförderten Projekte sollen dazu beitragen, Menschenrechte zu stärken und jegliche
Form von Diskriminierung zu bekämpfen.
• Uns ist die Stärkung der Selbsthilfekräfte, der Eigenverantwortlichkeit und der Selbstbestimmung
der Zielgruppe wichtig - sie muss an Planung und Durchführung des Projektes intensiv
partizipieren.
• Wir arbeiten ausschließlich mit einheimischen Projektträgern zusammen: Niemand anders kennt
die Situation, die Kultur, die Menschen vor Ort so gut wie sie.
• Wir achten darauf, dass das Umfeld in die Projektplanung einbezogen wird: Wenn Netzwerke
entstehen, können die Menschen selbst für ihre Rechte eintreten.
• Wir prüfen, ob die Projektmaßnahmen umweltfreundlich und nachhaltig sind, d.h. die
Lebensgrundlagen auch künftiger Generationen bewahren und stärken.
• Wir respektieren die kulturellen Werte der Zielgruppen und fördern sie, die ihnen wertvollen
Traditionen und Lebensweisen zu bewahren
• Wir legen Wert auf intensiven, partnerschaftlichen Dialog mit den Projektträgern. Dabei geht es
um gegenseitiges Lernen.
• Wir wollen in jedem Fall nur zeitlich begrenzte Starthilfe geben: Wir unterstützen die Zielgruppe
dabei, von Anfang an die Weiterführung des Projektes aus eigenen Kräften zu planen.
• Die einheimischen Projektträger müssen bereit und in der Lage sein, regelmäßig Projektberichte
und Abrechnungen vorzulegen sowie - auch unangekündigte - Besuche unserer Mitarbeiter zu
akzeptieren.
In den 5 Jahrzehnten, in denen die Andheri-Hilfe aktiv war, hat die Organisation
Grundsätze erarbeitet, nach denen sie handelt und nach denen sie Projekte auswählt.
Ganz grundlegende Einsichten erschlossen sich Rosi Gollmann während ihrer Reisen
nach Indien. In ihrem Buch zeigt sich deutlich, dass während sich über die Jahrzehnte
36
Vgl. Kampf gegen Mütter- und Kindersterblichkeit. In: http://www.andheri-hilfe.de/aktuelles-
projekt-gesundheit.html [Stand:02.08.2013] 37
Wörtlich übernommen aus: Grundsätze unserer Arbeit. In: http://www.andheri-
hilfe.de/grundsaetze.html [Stand:02.08.2013]
12
die Entwicklungsarbeit der Andheri-Hilfe änderte, auch die Grundsätze
weiterentwickelt wurden. Aufgrund ihres sensiblen Gespürs für die Einwohner Indiens,
hat es Rosi Gollmann geschafft, die Projekte so zu konzipieren, dass die Betroffenen
motiviert waren mitzuarbeiten und vor allem selber ihre Situation zu verändern.
Ihr war es schon immer besonders wichtig, allen auf derselben Augenhöhe zu begegnen,
sich auf die gleiche Ebene zu stellen und der indischen Bevölkerungen zu zeigen, dass
sie sich weder in Bezug auf ihre Herkunft noch auf ihren Einfluss überlegen fühlt.
Früher, in Zeiten der Modernisierungstheorie, war es einer der Fehler, dass einfach nur
Geld in die Länder gepumpt wurde, ohne die Einwohner zu motivieren, selbst Initiative
zu ergreifen. Außerdem ist der Grundsatz „Begegnung auf Augenhöhe“ besonders
auch im Hinblick auf das Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe entscheidend, da es die
Einwohner sind, die sich selber Maßnahmen überlegen sollen und die zur Veränderung
ihrer Lage hauptsächlich aktiv sein müssen. Es ist also besonders wichtig, Projekthelfer
zu wählen, die den Betroffenen auf partnerschaftlicher Ebene begegnen und sich in ihre
Lage versetzen können. Zur Umsetzung dieses Grundsatzes hat sich die Andheri-Hilfe
dazu entschlossen, nur mit einheimischen Projektträgern zusammen zu arbeiten, was
zusätzlich Geld spart.
Der Grundsatz, die Probleme an der Wurzel anzupacken, um die Ursachen anstelle der
Symptome von Armut zu bekämpfen, hat sich erst einige Jahre nach der
Vereinsgründung durchgesetzt. Beispiel für das Prinzip dieses Grundsatzes sind die
Kinder, die durch Armut ihrer Familien in Kinderheime abgegeben werden müssen.
Die Überfüllung der Kinderheime ist also eine Folge der Probleme der Familien in den
Dörfern. Also gilt es die Armut der Familien zu mindern, damit es erst gar nicht dazu
kommt, dass Kinder abgegeben werden müssen.
Die Andheri-Hilfe steht allgemein unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ und verfolgt
damit ein Prinzip der seit Mitte der 1970er Jahre populäre Entwicklungsstrategie:
„Befriedigung der Grundbedürfnisse“. Dabei geht es im Allgemeinen darum, Arme zu
lehren, Tätigkeiten zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse auszuführen, ganz nach
dem chinesischen Sprichwort „Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal
satt, lehre ihn fischen, und er wird nie wieder hungern“. Das Konzept setzt
Mitverantwortung der Betroffenen voraus, damit sie die Maßnahmen zur Befriedigung
ihrer Grundbedürfnisse aus eigener Kraft ergreifen. Die Andheri-Hilfe handelt insofern
nach dieser Entwicklungsstrategie, als dass es ihr ebenso um die Eigeninitiative der
Betroffenen geht und dass sie Projekte der dörflichen Entwicklung unterstützt, die
13
darauf basieren, Einwohner zur ökonomischen Eigenständigkeit zu führen. In vielen
Projekten werden die Menschen durch Aus- und Fortbildungen in wirtschaftlichen
Angelegenheiten geschult. Zur Durchführung dieser Projekte hat die Andheri-Hilfe
Mikrokreditprogramme in die Wege geleitet noch bevor sie in den Fokus der
Entwicklungspolitik kamen.
Darüber hinaus ist es Grundsatz der Andheri-Hilfe, ausschließlich zeitlich begrenzte
Starthilfe zu leisten. Die von der Andheri-Hilfe unterstützten Projekten werden so
angelegt, dass die ihre Weiterführung aus eigener Kraft möglich ist, indem Netzwerke
gebildet werden mit dem Prinzip: Jeder lernt von jedem und alte Arbeitsgruppen helfen
neuen.
Nun ist noch nicht geklärt inwieweit die Andheri-Hilfe nach dem heutigen Leitbild der
„Nachhaltigen Entwicklung“ handelt. Die Strategie der nachhaltigen Entwicklung
basiert auf der Annahme, dass Entwicklungshilfe nur dann funktioniert bzw. nur dann
Erfolg hat, wenn die wirtschaftlichen, sozialgesellschaftlichen, und ökologischen
Probleme eines Entwicklungslandes gleichzeitig angegangen werden, und zwar unter
der Voraussetzung von politischer Stabilität. Eine Beteiligung von Regierung,
Projektträgern und Betroffenen
an den Verhandlungen zur
Durchführung des jeweiligen
Projekts ist von besonderer
Wichtigkeit. Die Andheri-Hilfe
ist in allen Bereichen der im
Diagramm abgebildeten
Hauptziele, in einigen mehr in
anderen weniger, engagiert und
trägt mit allen ihren Projekten
zu einem der Bereiche bei.
Abb.5) Schaubild zur Entwicklungshilfestrategie „ Nachhaltige Entwicklung“38
Auch das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung, dass Beteiligte aus allen Ebenen in die
Projektplanung eingebunden sein sollten, ist für die Andheri-Hilfe von besonderer
Bedeutung. Zudem sind seit den Jahren, in denen die Problematik des Klimawandels ins
Bewusstsein rückte, Projekte zum Klima- und Ressourcenschutz hinzugekommen.
38
Wirtschaft. In: http://de.silvasemadeni.ch/posizioni/wirtschaft/ [Stand:23.02.2013]
14
IV. Beispielprojekt: Frauen in ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung und
Eigenständigkeit stärken (Tamil Nadu):
Die Frauenförderung in Tamil Nadu, einem Bundesstaat im Südosten Indiens, ist ein
aktuelles Spendenprojekt der Andheri-Hilfe. “In diesem ländlichen Gebiet, in welchem
die Dorfgemeinden weitestgehend patriarchalisch geprägt sind, ist die geringe
Wertschätzung von Frauen allgegenwärtig.“39 Mädchentötungen sowie Gewalt an
Frauen sind ein ubiquitäres Problem. Weil die Frauen keine Chance auf ökonomische
Eigenständigkeit haben, können sie auch nichts zum Familieneinkommen beitragen und
bekommen kein Mitspracherecht.
Abb.6) Bundesstaat Tamil Nadu40
Das Projekt läuft seit 2009 in 70 Dörfern von Tirukoilur, als Erweiterung eines alten,
ähnlich aufgebauten Frauenförderungsprojektes unter der Organisation der indischen
Partnerorganisation Rural People Education and Development Center (RPEDC). Die
Nichtregierungsorganisation (NGO) setzt sich ausschließlich aus Dalit-Frauen, den
sogenannten „Unberührbaren“ der untersten Schicht des Kastensystems, zusammen. Die
Beschäftigung der kaum angesehenen Dalit-Frauen soll deren Chancen verbessern und
trägt gleichzeitig dazu bei, dass ihr Ansehen wächst.
39
Tamil Nadu: Frauen in ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung und Eigenständigkeit fördern. In:
http://www.andheri-hilfe.de/frauen-spenden-indien.html [Stand:20.02.2013] 40
In: http://revolutionaryfrontlines.wordpress.com/category/south-asia/india/tamil-nadu/
[Stand:23.02.2013]
15
Seit Beginn des Projektes konnten insgesamt 207 Frauen-Selbsthilfegruppen mit 3960
Mitgliedern gebildet werden. Die Selbsthilfegruppen werden von Projektmitarbeitern
betreut, die ihre Gruppe in allen Angelegenheiten unterstützen, beraten und sie zudem
über ihre Situation bzw. über ihre Rechte als Frauen aufklären. Darüber hinaus werden
die Frauengruppen dazu motiviert, eigenes Geld anzusparen, um selbst Mitgliedern
zinslose Kleinkredite verleihen zu können. Zudem werden Fortbildungen in den
Bereichen Organisation, Gesundheit und ökologische Anbaumethoden sowie
Ausbildung von der indischen Partnerorganisation angeboten.41
Abb.7) Frauenarbeitskreis in Tamil Nadu42
Konzept:
1) Jede Frauengruppe wählt eine Gruppenleiterin, die in den meisten Gruppen auch
von den Mitgliedern bezahlt wird. Frauen in Führungspositionen sind in Indien sehr
unüblich. Die Gruppenleiterinnen entwickeln durch ihre Rolle und ihre Aufgaben
Führungsqualitäten, zudem dürfen sie vom RPEDC organisierte Fortbildungen zu
Führungsaufgaben und Einkommen schaffenden Maßnahmen besuchen, um das
Gelernte anschließend an ihre Gruppe weiterzugeben.
2) Damit sich Frauen finanziell unabhängig machen oder ihre Familien finanziell
unterstützen können, werden Kleinkredite eingesetzt. Es werden Kleinkredite der
staatlichen indischen Banken genutzt oder Ersparnisse der jeweiligen Gruppe
zinslos an Mitglieder verliehen. Seit einigen Jahren können Frauen außerdem auf
41
Vgl. Tamil Nadu: Frauen in ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung und Eigenständigkeit fördern. In:
http://www.andheri-hilfe.de/frauen-spenden-indien.html [Stand23.02.2013] 42
Ebd.
16
Kredite der Frauenbank zurückgreifen. Die Frauenbank hat sich im Rahmen des
Frauenförderungsprojekts im alten Projektgebiet entwickelt und besteht aus einem
Zusammenschluss von mehreren Arbeitsgruppen, die ihre Ersparnisse
zusammengelegt haben.
3) Das Frauenförderungsprojekt basiert auf einem ausgeklügelten System der
Wissens- bzw. Erfahrungsweitergabe. Die Informationen aus den von der RPEDC-
Organisation geleiteten Ausbildungen, Fortbildungen und Trainings sollen unter
Gruppenmitgliedern ausgetauscht werden. Generell soll der gruppeninterne
Austausch von Erfahrungen die Mitglieder stärken. Darüber hinaus haben Gruppen
aus dem alten Projektgebiet den Auftrag, neuen Gruppen beratend zur Seite zu
stehen.
4) Die Projektdurchführung ist in zwei Phasen von jeweils 3 Jahren eingeteilt. In der
ersten sollen die Gruppen ihre eigenen Ersparnisse zur Kreditvergabe nutzen, in
der zweiten werden die Frauen motiviert, sich auf höheren Ebenen
zusammenzuschließen und mit Spendenzuschüssen eine eigene Frauenbank zu
gründen.43/44/45
IV.2 Fallbeispiel: Frau S. Anjalai
Frau Anjalai ist 55 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihren 8 Kindern im kleinen
Dorf namens Irumbalakurichi im Panchayat (siehe Fachworterklärung Seite 21)
Madampoondi in einem Distrikt Tamil Nadus. In ihrer Region wurden seit 2009
8 Frauengruppen mit insgesamt 159 Mitgliedern gebildet, Frau Anjalai ist eine von
ihnen.
Frau Anjalai nutzt, wie alle anderen Gruppenmitglieder in Irumbalakurichi, jedes
Programm des RPEDC. Sie nimmt an Gruppentreffen teil, spart monatlich Rs. 100,
nutzt Mikrokredite der staatlichen Banken und der Frauenbank, besucht Trainings und
ist Mitglied der jährlichen Frauenkonferenz. Als die Frauengruppen von den Erfolgen
der „milk producers union“ aus dem alten Projektbezirk hören, beschließen mehrere
Gruppen aus Madampoondi auch eine milk producers union in ihrem Bezirk zu
gründen. Mit der Hilfestellung des RPEDC und einer Summe von 700.000 Rupien aus
Privatersparnissen, dem Nachhaltigkeitsfond der RPEDC und einem Kredit der
43
Vgl. ebd. 44
Vgl. Anlage B) Interview mit der Projektreferentin Barbara von Hillebrandt-Jung 45
Vgl. Anlage C) Brief summary Report of Sustainable Development and self Reliance of Rural Women
Period of Report 01.01.2012 to 31.12.2012
17
Frauenbank bestehend, konnten sich alle Mitglieder von 20.000 Rupien ein Milchtier
kaufen.
Abb.8) Milchviehhaltung: Frau Anjalai mit ihrem Mann46
Motiviert von den Projekthelfern und ihrer Gruppenleiterin hat sich Frau Anjalai der
milk producers union angeschlossen. Mit dem Ertrag ihrer Kuh trägt sie zum
Einkommen ihrer neunköpfigen Familie bei und kann ihre Enkelkinder ausreichend mit
Milch versorgen, damit sich diese gesund entwickeln können. Durch das Projekt hat
Frau Anjalai ein Gefühl von Stolz und Vertrauen entwickelt, wird von ihrer Familie
mehr respektiert, hat sich eine Altersabsicherung geschaffen und fühlt sich gestärkt von
den Frauen ihres Dorfes.47
46
Anlage D) RPEDC, Case study 47
Vgl. ebd.
18
IV.3 Anwendung der Grundsätze/ Erfolge:
Das Projekt der Frauenförderung in Tamil Nadu hat einige Veränderungen bewirkt und
weist heute viele Erfolge auf. Dazu hat das gut überlegte Konzept des RPEDC
beigetragen. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit das Projekt den Grundsätzen der
Andheri-Hilfe entspricht und welche Erfolge dadurch jeweils erzielt werden konnten.
Das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ wurde in jedem Fall umgesetzt. Das RPEDC gibt als
Input in das Projekt hauptsächlich Wissen und Beratung. Die Frauen sollen in Fort- und
Ausbildungen sowie Trainings aufgeklärt werden, Wissen erlangen und neue
Fähigkeiten entwickeln. Das Motto ist am besten an der Förderung von Einkommen
schaffenden Maßnahmen erkennbar. Frauen werden für bestimmte Ausbildungen
ausgewählt, lernen, ihre Tätigkeiten auszuüben und bauen sich anschließend
selbstständig eine Existenz auf. Außerdem wird in dem Jahresbericht des RPEDC
deutlich, dass die Frauen auf Grund der Projektmaßnahmen indirekt neue Fähigkeiten
entwickeln. Beispielsweise lernen die Frauen beim Sparen ihres Geldes zum Verleih
von Kleinkrediten mit Geld umzugehen und Entscheidungen zu treffen. “After joining
women groups, women feel that now they are become more responsible, act with
courage, confidence and gaining respect from public and familiy.“48
Das Projekt zeigt auch, wie effektiv es ist, Maßnahmen an der Wurzel anzusetzen, um
Folgewirkungen zu erzielen. Dadurch, dass die Frauen in vielerlei Hinsicht gestärkt
werden, erlangen sie mehr Ansehen von Seiten der Gesellschaft und Probleme wie
Mädchentötungen oder Chancendifferenzen können indirekt angegangen werden.
Zudem trägt das Wirtschaften der Frauen dazu bei, dass sie ihre Familie finanziell
unterstützen oder sich von einem gewalttätigen Ehemann unabhängig machen können.
Die Armut kann gelindert werden, was indirekt dazu beiträgt, Kindern eine
Schulbildung zu ermöglichen und deren Chancen zu verbessern. Der Jahresbericht des
RPEDC (Anlage C) nennt weitere Erfolge, die diesem Prinzip zugrunde liegen.
„Uns ist die Stärkung der Selbsthilfekräfte, der Eigenverantwortlichkeit und der
Selbstbestimmung der Zielgruppe wichtig - sie muss an Planung und Durchführung des Projektes
intensiv partizipieren.“49
Im Beispielprojekt steht die Eigeninitiative der Zielgruppe klar im Vordergrund. Die
Betroffenen sollen ihre eigenen Ideen verwirklichen. Eine Haushaltsgesellschaft und
die „milk producers union“ sind aus dem Frauenförderungsprojekt aus Initiative der
48
Anlage C) Brief summary Report of Sustainable Development and self Reliance of Rural Women Period
of Report 01.01.2012 to 31.12.2012 49
Grundsätze unserer Arbeit. In: http://www.andheri-hilfe.de/grundsaetze.html [Stand:02.08.2013]
19
Einwohner entstanden. Andererseits entstehen nicht alle Maßnahmen aus Eigeninitiative
der Zielgruppe. Das RPEDC plant einige Maßnahmen gezielt selber, wie z.B. die
Bildung einer Frauenföderation und Frauenbank.
Auf ökologische Nachhaltigkeit wird in dem Beispielprojekt auch geachtet.
Umweltschutz ist Thema der Selbsthilfegruppen, zudem wurde zum 40. Geburtstag der
Andheri-Hilfe das Projekt „bio kitchen gardens“ gestartet. 525 Frauen haben
Bioküchengärten angelegt „to raise nutritional level, proper utilisation of waste and
water and some raise additonal income“. 50
Die Andheri-Hilfe will in ihren geförderten Projekten nur begrenzt Starthilfe geben.
Auch dieser Grundsatz wird in dem Projekt umgesetzt, weil jenes so konzipiert wurde,
dass sich nach 6 Jahren Netzwerke gebildet haben, die eine eigenständige
Weiterführung des Projekts ermöglichen.
Die restlichen zuvor genannten Grundsätze der Andheri-Hilfe (Seite 10), wie die
Auswahl der Zielgruppe, Kriterien für Projektträger und Transparenz, wurden im
Rahmen des Projektes eingehalten.51/52
50
Anlage C) Brief summary Report of Sustainable Development and self Reliance of Rural Women Period
of Report 01.01.2012 to 31.12.2012 51
Vgl. ebd. 52
Vgl. Anlage B) Interview mit der Projektreferentin Barbara von Hillebrant-Jung
20
V. Fazit:
Nachdem ich das Thema meiner Facharbeit abgehandelt habe, bin ich erst einmal
fasziniert von der Entwicklungsarbeit meiner ausgewählten Organisation. Es erstaunt
mich, wie viel die Organisation erreicht hat und wie viele Überlegungen hinter der
Konzeption der Andheri-Hilfe stecken.
Mit der Andheri-Hilfe habe ich die richtige Wahl getroffen, weil meine Quellen viel
Stoff zu den Grundsätzen ihrer Arbeit und den damit erreichten Erfolgen geboten haben.
Ich hatte die Möglichkeit, eigene Schlüsse aus den Informationen zu ziehen und habe
versucht, den Zweck und die Wirkung der Grundprinzipien zu erläutern. Meine
Ausführungen haben leider keinen Platz für einen Vergleich von zwei Organisationen
gelassen. Es wäre möglicherweise interessant gewesen, Grundsätze der Andheri-Hilfe
mit denen eines gescheiterten Programmes zu vergleichen.
Insgesamt würde ich sagen, dass die Andheri-Hilfe ein sehr gutes Beispiel für
erfolgreiche Entwicklungshilfe ist. Die Erfahrungen der Andheri-Hilfe zeigen, wie
wichtig es ist, ein Gespür für die Situation der Zielgruppe zu haben, um die Projekte so
anlegen zu können, dass die Betroffenen sich engagieren. Das Projekt der
Frauenförderung in Tamil Nadu und das Beispiel von Frau Anjalai zeigen, dass die
Grundsätze der Andheri-Hilfe zu einer effektiven Projektrealisation führen.
21
VI. Fachworterklärung:
Human Development Index:
„Abkürzung HDI, Index der menschlichen Entwicklung; eine relative Bestimmungsgröße zur
Kennzeichnung des weltweiten materiellen und immateriellen Wohlstands. Nach dem HDI
werden im jährlichen Human Development Report (Bericht über die menschliche Entwicklung)
des UNDP (Entwicklungsprogramm der UNO) alle Staaten der Welt bewertet und zur
internationalen Vergleichbarkeit in eine Rangfolge gebracht. Der HDI geht über die rein
ökonomische Betrachtung der Wirtschaftsleistung pro Kopf hinaus und berücksichtigt und
gewichtet zusätzlich Lebenserwartung, Ausbildungsstand, soziale Versorgung und tatsächliche
Kaufkraft.“
In: http://www.wissen.de/lexikon/human-development-index
Schuldknechtschaft:
„Schuldknechtschaft (Obnoxiation) ist eine Rechtsstellung oder Lage, die dadurch entsteht, dass
ein Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine persönlichen Dienstleistungen oder diejenigen
einer unter seiner Kontrolle stehenden Person verpfändet [und] wenn der [] Wert dieser
Dienstleistungen nicht zur Tilgung der Schuld dient oder wenn diese Dienstleistungen nicht
sowohl nach ihrer Dauer wie auch nach ihrer Art begrenzt und bestimmt sind.“
In: http://de.wikipedia.org/wiki/Schuldknechtschaft
Panchayat:
„Der Panchayati Raj […] ist eine dezentrale Regierungsform der dörflichen Selbstverwaltung
durch gewählte Räte, die vor allem in Indien, Pakistan und Nepal verbreitet ist. Panchayat
[…]bedeutet wörtlich Versammlung (yat) von fünf (panch) weisen und geachteten Älteren, die
von der Dorfgemeinschaft gewählt und akzeptiert werden. Diese Versammlungen schlichten
traditionell Streitigkeiten zwischen Dorfbewohnern oder Dörfern. Die moderne indische
Regierung hat verschiedene Verwaltungsaufgaben auf kommunaler Ebene dezentralisiert und
gewählte Gram Panchayats ermächtigt. Die Gram Panchayats dürfen nicht mit den nicht
gewählten khap Panchayats (Kasten-Panchayats) in einigen Teilen Indiens verwechselt
werden.“
In: http://de.wikipedia.org/wiki/Panchayati_Raj
22
VII. Literaturverzeichnis:
Titelbild:
Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit in Indien.
In: https://www.andheri-hilfe.de/armut-indien-referat.html
Bücher, Prospekte und Dokumente:
• Andheri-Hilfe: Gemeinsam für mehr Menschlichkeit. (Prospekt)
Frauen: Entwicklung fördern
• Rural People Education and Development Centre: RPEDC. Case study. (Dokument)
Case study -5
• Rural People Education and Development Centre: Brief summary Report of Sustainable
Development and self Reliance of Rural Women. Period Report 01.01.2012 to
31.12.2012
• Rosi Gollmann mit Beate Rygiert : Einfach Mensch. Gemeinsam für mehr
Menschlichkeit. Kailash Verlag, München 2012
• Interview mit der Projektreferentin Barbara von Hillebrandt-Jung
Internetquellen:
• www.andheri-hilfe.de Dr. Massing, Wolfgang: Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit in Indien. In: http://www.andheri-hilfe.de/armut-indien-referat.html Eine starke Frau kämpft 50 Jahre für Menschen – Rosi Gollmann. In: http://www.andheri-hilfe.de/html Chronik unserer Arbeit in Indien und Bangladesch. Von der täglichen Handvoll Reis für Waisenkinder zu nachhaltigen Entwicklungsprogrammen. In: http://www.andheri-hilfe.de/chronik.html Jharkhand: Schulbildung statt Kinderarbeit für Dorfkinder. In: http://www.andheri-hilfe.de/kinder-kinderarbeit-spenden.html Irulas (Ureinwohner) in Tamil Nadu stärken. In: http://www.andheri-hilfe.de/ureinwohner-indien-adivasi.html Bildung, Organisation und Stärkung von armen Frauen und Mädchen. In: http://www.andheri-hilfe.de/spenden-frauen-maedchen.html Tamil Nadu: Frauen in ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung und Eigenständigkeit stärken. In: http://www.andheri-hilfe.de/frauen-spenden-indien.html
Netzwerk zur Sicherung der Kinderrechte im Distrikt Kancheepuram. In: http://www.andheri-hilfe.de/aktuelles-projekt-lobbyarbeit.html Wasser ist Leben: Ernährung sichern durch Wasser - und Ressourcenschutz. Zielgruppe:
Dörfliche Gemeinschaften der Bergregionen Keralas. In: http://www.andheri-hilfe.de/projekt-ressourcenschutz.html
23
Klimaschutz durch erneuerbare Energien und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel für arme Familien an den Flussufern in Bangladesch. In: http://www.andheri-hilfe.de/klimawandel.htm Augenoperation Grauer Star: 40 Euro! In: http://www.andheri-hilfe.de/spenden-projekt-blinde.html Kampf gegen Mütter- und Kindersterblichkeit. In: http://www.andheri-hilfe.de/aktuelles-projekt-gesundheit.html
Grundsätze unserer Arbeit. In: http://www.andheri-hilfe.de/grundsaetze.html Hilfe zu Selbsthilfe in Indien und Bangladesch In: http://www.andheri-hilfe.de/ueber- uns.html
Jahresbericht 2011. Projektarbeit in Indien und Bangladesch. In: http://www.andheri-
hilfe.de/fileadmin/user_upload/PDFs/Berichte/ganzer_jahresbericht_2011_andheri_hilfe_bonn_01.pdf
• www.auswaertiges-amt.de
Indien
In: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-
Nodes_Uebersichtsseiten/Indien_node.html
Innenpolitik.
In: http://www.auswaertiges-
amt.de/sid_557F408F5E2595CB53CA231E85C1612A/DE/Aussenpolitik/Laender/Laende
rinfos/Indien/Innenpolitik_node.html
• www.general-anzeiger-bonn.de
Fischer, Nicolas: Rosi Gollmann: „Die Andheri-Hilfe ist mein Leben“
In: http://www.general-anzeiger-bonn.de/dialog/klasse/klasse/Rosi-Gollmann-Die-
Andheri-Hilfe-ist-mein-Leben-article216503.html?&i=2
• www.laenderdaten.de
Human Development Index( HDI).
In: http://www.laenderdaten.de/indizes/hdi.aspx
• www.revolutionaryfrontlines.worldexpress.com
In: http://revolutionaryfrontlines.wordpress.com/category/south-asia/india/tamil-
nadu/
• www.silvasemadeni.ch
Wirtschaft.
In: http://de.silvasemadeni.ch/posizioni/wirtschaft/
• www.wikipedia.de
Schuldknechtschaft
In: http://de.wikipedia.org/wiki/Schuldknechtschaft
24
Panchayati Raj
In: http://de.wikipedia.org/wiki/Panchayati_Raj
• www.wissen.de
Human Development Index
In: http://www.wissen.de/lexikon/human-development-index
25
IX. Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Facharbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst und nur die angegebenen Hilfsmittel verwendet habe. Insbesondere
versichere ich, dass ich alle wörtlichen und sinngemäßen Übernahmen aus anderen
Werken als solche gekennzeichnet habe.
Bonn, den 24.02.2013
__________________________
Unterschrift