Entwicklungslinien in Logistik und Supply Chain … · rungen im Markt- und Kundenverhalten zu...

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1 Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Wildemann Copyright by TCW Transfer-Centrum GmbH & Co. KG TCW-report Nr. 60 München 2009 Bibliograsche Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograe; detaillierte bibliograsche Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Verlag: TCW Transfer-Centrum GmbH & Co. KG • Leopoldstr 145 • 80804 München • Tel: +49 89 36 05 23 0 • Fax: +49 89 36 10 23 20 eMail: [email protected], Internet: http://www.tcw.de Alle Rechte, auch die der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form, auch nicht zum Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Horst Wildemann Entwicklungslinien in Logistik und Supply Chain Management ISBN 978-3-937236-85-8 Entwicklungslinien

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Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Wildemann

Copyright by TCW Transfer-Centrum GmbH & Co. KG TCW-report Nr. 60München 2009

Bibliografi sche Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e;detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Verlag: TCW Transfer-Centrum GmbH & Co. KG • Leopoldstr 145 • 80804 München • Tel: +49 89 36 05 23 0 • Fax: +49 89 36 10 23 20 eMail: [email protected], Internet: http://www.tcw.de

Alle Rechte, auch die der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form, auch nicht zum Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

Horst Wildemann Entwicklungslinien in Logistik und Supply Chain ManagementISBN 978-3-937236-85-8

Entwicklungslinien

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Entwicklungslinien

Was der TCW-report „Entwicklungslinien in Logistik und Supply Chain Management“ leistet:

Der TCW-report „Entwicklungslinien in Logistik und Supply Chain Management“ diskutiert die Trends und Entwicklungsli-nien der Logistik sowie die Erweiterungen der Basiskonzepte zu umfassenden Planungs- und Steuerungsinstrumenten im Rahmen eines umfassenden Supply Chain Managements. Die Entwicklung der Logistik erfolgte in weiten Teilen basierend auf einem Übergang von einem funktionsorientierten zu einem managementorientierten Logistikverständnis. So wurden Lie-ferprinzipien zu umfassenden Planungs- und Steuerungsinstru-menten wie dem CPFS (Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment) weiterentwickelt. Unterstützende EDV-Systeme wie PPS (Produktionsplanungs- und Steuerungssystem) gingen in umfassenden ERP (Enterprise Resource Planning) und integrierten Informations- und Kommunikationssystemen auf. Mit dem Wan-del des Logistikverständnisses einher ging darüber hinaus eine Tendenz zur Wertorientierung anstelle von reinen Kosten- und Leistungsbetrachtungen sowie die Tendenz über ein klassisches Outsourcing hinaus Betreibermodelle als logistische Optionen zu nutzen und anzuwenden.Kern des TCW-reports ist es, aufbauend auf den Entwicklungs-linien der Logistik und des Supply Chain Managements die Per-spektiven dieses Fachbereichs und dieser Branche für die Zukunft abzuleiten und zu charakterisieren.

Der Autor:

Horst Wildemann(Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult.)Technische Universität München

RedaktionelleMitarbeit:

Dr. Christian BechheimTCW Transfer Centrum GmbH & Co. KG

Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing.Klaus SchreiberTechnische Universität München

Dipl.-Kfm. (Univ.)Thomas WinterTechnische Universität München

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Entwicklungslinien

Welche Trends zeichnen sich in der Logistik und im Supply Chain Management ab? ................................................................ 4

Wie verlaufen die Entwicklungslinien? ................................................................................................................................................................... 7

Vom funktionsorientierten zum managementorientierten Logistikverständnis ................................................................................ 9

Von Just-In-Time (JIT) zu Collaborative Planning, Forecasting & Replenishment (CPFR) ............................................... 12

Von PPS-Systemen zu integrierten Informations- und Kommunikationssystemen ..................................................................... 28

Von der Kosten- und Leistungsorientierung zur Wertorientierung ....................................................................................................... 35

Vom Outsourcing unter Kostengesichtspunkten zu Betreibermodellen ............................................................................................. 45

Fallstudien ............................................................................................................................................................................................................................ 61

Lessons Learned ............................................................................................................................................................................................................... 82

Welche Perspektiven eröffnen sich für die Zukunft? .................................................................................................................................... 84

Literaturverzeichnis ......................................................................................................................................................................................................... 86

Impressum ............................................................................................................................................................................................................................. 93

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WELCHE TRENDS ZEICHNEN SICH IN DER LOGISTIK AB? Entwicklungslinien

Welche Trends zeichnen sich in der Logistik und im Supply Chain Management ab?

Obwohl sich Theorie und Unternehmenspraxis in den vergangenen 20 Jahren intensiv mit logistischen Fragestellungen auseinander-gesetzt haben, hat die Logistik keineswegs an Aktualität verlo-ren. Im Gegenteil: Sowohl die steigenden Kunden- und Wettbe-werbsanforderungen als auch der technologische Wandel deuten darauf hin, dass der Unternehmenslogistik auch zukünftig eine strategische Schlüsselposition zukommt (vgl. Baumgarten/Thoms (2002); Göpfert (2000); Wildemann (2001a); Klaus (2002)). Die weiterhin wachsende Bedeutung der Logistik kann auf eine Reihe von Trends zurückgeführt werden.In den meisten Industriezweigen sind tiefgreifende Verände-rungen im Markt- und Kundenverhalten zu beobachten. Der Wan-del äußert sich in weltweiten Überkapazitäten, einer schnelleren internationalen Angleichung von Produkt- und Prozessqualitäten, verkürzten Innovationszyklen, einer hohen Markttransparenz und in einer steigenden Individualisierung der Kundenwünsche. Kun-den und Wettbewerber fordern in preis- aber auch in qualitäts-sensitiven Marktsegmenten kurze Lieferzeiten sowie eine hohe Lieferqualität und Termintreue. Flexibilität und Lieferbereit-schaft lassen sich aufgrund der wachsenden Variantenvielfalt und bei schwankendem Nachfrageverhalten nicht durch den Aufbau von Lagerbeständen erreichen, sondern müssen durch eine kun-dennahe Produktion und Zulieferung mit kurzen Durchlauf- und

Globale Trends im Wettbewerb …

... erfordern eine Anpassung und Weiter-entwicklung logistischer Konzepte und Prinzipien.

Logistik/SCM

KundennäheProduktion und

Zulieferung

WeltweiteÜberkapazitäten

Aufteilung vonProdukt- und

Prozessqualitäten

Hohe Markt-transparenz

Individualisierungder

Kundenwünsche

Varianten-vielfalt

SchwankendesNachfrage-verhalten

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WELCHE TRENDS ZEICHNEN SICH IN DER LOGISTIK AB? Entwicklungslinien

Wiederbeschaffungszeiten sichergestellt werden. Dem hohen Stellenwert der Produkteinführungszeiten und damit des Anlauf-managements kann ohne einen schnellen und zuverlässigen Ma-terial- und Informationsfl uss nicht entsprochen werden. Es wird deutlich, dass diejenigen Unternehmen dauerhafte Markterfolge erzielen, die ihr logistisches Leistungspotenzial erschließen und als aktives Instrument im Wettbewerb einsetzen.Es zeichnet sich infolge zunehmender Know-how-Konzentration weiterhin eine Verringerung der Leistungstiefe ab. Die Unterneh-men fokussieren ihre Aktivitäten auf Wertschöpfungsprozesse, die eine hohe Attraktivität und relative Kompetenz aufweisen. Mit der Verringerung der Leistungstiefe steigen die Anforde-rungen an die Unternehmenslogistik, da ein gemessen an der Ge-samtleistung anwachsender Zukaufanteil mit einer Erhöhung der Logistikkomplexität verbunden ist.Parallel zu der Verringerung der Leistungstiefe ist ein fortschrei-tender Trend zur Globalisierung von Unternehmensaktivitäten gerade in Niedriglohnländern festzustellen. Die Aufgabe der Lo-gistik mündet in der Gestaltung und Koordination der sich daraus ergebenden Material- und Informationsfl üsse. Die Fokussierung und Globalisierung von Wertketten wird überlagert von einer weiterhin zunehmenden Ausbreitung von Informationstechno-logien. Als Konsequenz aus der Reduzierung der Leistungstiefe und dem verstärkten Einsatz von Informationstechnologien haben sich die Kostenstrukturen und die Kosteneinfl ussgrößen grundle-gend verändert. Die Kostenstrukturen sind sowohl durch einen

Trends und Entwicklungslinien ...

... verdeutlichen den Anstieg der Dynamik und Komplexität im Logistikbereich.

Trends

Markt und Kunde

Entwicklung und Produkt

Produktion und Beschaffung

Entwicklungslinien

1985 1995 2005

Funktions-orientierung

Management-orientierung

Logistik-verständnis

Formen der Zusammenarbeit

IT-Unterstützung

Controlling

Leistungstiefe

JIT

PPS

KLR

Outsourcing

ECR

SCM-Systeme

BSC

3PL/4PL

CPFR

eTechnologieRFID

EVA

Betreiber-modelle

Zeitachse

Themenfelder

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WELCHE TRENDS ZEICHNEN SICH IN DER LOGISTIK AB? Entwicklungslinien

Anstieg der Fixkosten als auch durch eine Verschiebung der Re-lationen zwischen Einzel- und Gemeinkosten gekennzeichnet. So konnte in mehreren empirischen Untersuchungen nachgewiesen werden, dass der Anteil der Logistikkosten an den Gesamtkosten insbesondere bei Global Sourcing über 10% betragen kann. Als Kostentreiber sind außer den traditionellen Mengen-, Zeit- und Wertgrößen Einfl ussparameter wie die Varianten- und Teileviel-falt, die Anzahl Bestellungen oder die Wiederholhäufi gkeit von Produkten und Aufträgen zu nennen. Derartige Kostentreiber stellen hohe Anforderungen an die Unternehmenslogistik.Die aufgezeigten Trends unterstreichen das Leistungspotenzial der Unternehmenslogistik. Sie bringen zum Ausdruck, dass durch eine effi ziente Logistik strategische Wettbewerbsvorteile aufge-baut und verteidigt werden können. Da das logistische Kosten- und Leistungsprofi l in zunehmendem Maße den Kundennutzen bestimmt und von Kunden sowie von Konkurrenten verstärkt wahrgenommen wird, bietet die Logistik wesentliche Gestal-tungsansätze zur dauerhaften Differenzierung. Um diesem An-spruch gerecht zu werden, bedarf es jedoch einer entsprechenden Logistikkonzeption. Die Unternehmenslogistik darf weder beste-hende Aufgabeninhalte und tradierte Verhaltensweisen unter ei-ner neuen Etikette zusammenfassen, noch als „technologisches Supersystem“ versuchen, logistische Problemlösungen durch IT-Einsatz zu beanspruchen. Logistik bedeutet vielmehr ganzheit-liches, zeit- und kundenorientiertes Denken und Handeln in sämt-lichen Hierarchiestufen sowie in allen Wertkettenelementen (vgl. Wildemann (2001a)).

... spiegeln stellvertretend die Dynamik und Komplexität wider.

Zwölf ungebrochene Trends ...

1. Anhaltender Preisdruck und weitere Konsolidierung der Märkte

2. Steigende Kundensensibilität hinsichtlich kurzer Lieferzeiten, hoher Liefertermintreue und Änderungsflexibilität sowie Terminzusage bei Bestellung

3. Nachfrage kundenindividueller Produkte

4. Komprimierung der Produkt-lebenszyklen und steigende Nachfragevolatilität

Kunden- und marktbezogene Trends

9. Mass Customization/ Kundenindividuelle Produktion

10. Fokussierung auf Kernkompetenzen

11. Aufbau von System- und Modullieferanten

12. Globalisierung von Produktion und Beschaffung

Produktions- und beschaffungsbezogene

Trends

5. Hoher Innovationsanspruch6. Reduktion Time-to-Market 7. Steigende technologische Komplexität 8. Steigende Produktvielfalt

Lieferanten

Entwicklungs- und produktbezogene Trends

Produkt-entstehungsprozess

Material-beschaffungsprozess

Kundenauftragsprozess

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WIE VERLAUFEN DIE ENTWICKLUNGSLINIEN? Entwicklungslinien

Wie verlaufen die Entwicklungslinien?

In Bezug auf die unterschiedlichen Logistikkonzeptionen ist fest-zuhalten, dass in den 1980er Jahren in Japan sowie in den 1990er Jahren verstärkt in den USA Ausschau nach neuen Denkansätzen gehalten wurde. Seit Beginn des neuen Jahrtausends sind eigen-ständige Ansätze zu fi nden. Als Ursache kann angeführt werden, dass auf Fehler in der Vergangenheit reagiert wurde: Vielfach wurden japanische und amerikanische Logistikkonzepte unrefl ek-tiert auf die deutsche Industrie übertragen. Ohne den konkreten Anwendungsfall zu kennen, wurden basierend auf ad hoc Ent-scheidungen japanische Produktionskonzepte wie das JIT-Kon-zept eingeführt.Wenn den Aussagen derer Glauben geschenkt wird, die alle das Toyota-Prinzip vor Ort kennen gelernt haben, hätte Toyota mit der Durchführung von Firmenbesuchen und Seminaren ein eige-nes profi tables Geschäftsfeld eröffnen können. Mancher Logisti-ker hat zudem die Auffassung vertreten, es würde reichen, ein Buch von Ohno - wohl gemerkt die orginale japanische Fassung - zu lesen, um dann im eigenen Unternehmen recht zügig mit der Umsetzung der dort beschriebenen Konzepte starten zu können. Diese Herangehensweise hat dazu geführt, dass bei einigen Un-ternehmen die Fehlteilesituation stieg.Eigene Erfahrungen des Verfassers in den letzten 20 Jahren zei-gen, dass gerade die, welche ad hoc Entscheidungen getroffen haben, die Potenziale der Logistik nicht hinreichend genutzt ha-

Eigenständige Denkansätze ...

... in Europa, Japan und den USA prägen die Logistik.

Rohstoff Endabnehmer

100%

90%

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%interne

ProzessedirekteKunden

direkteLieferanten

Endkunden Sublieferanten ExterneServicedienstleister

zukünftig

USA heute

Europa heute

Japan heute

Tigerstaaten heute

1

2

USA

Euro

paJa

pan

Tige

rsta

aten

3

4

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WIE VERLAUFEN DIE ENTWICKLUNGSLINIEN? Entwicklungslinien

ben. Empirisch lässt sich dies daran belegen, dass der Durchdrin-gungsgrad etablierter Methoden einerseits und die Zahl der Pilot-projekte innovativer Methoden andererseits geringer ist als bei erfolgreichen Unternehmen. Die Logistik ist aber im Gegensatz zu anderen Disziplinen eine sehr pragmatische, was sich darin zeigt, dass viele der dort tätigen Mitarbeiter ihre Prozesse selbst auf der Aktivitätenebene sehr genau kennen. Den Beteiligten ist eine hohe Kompetenz zuzuschreiben, was die Beurteilung der Wirksamkeit der Logistikkonzepte betrifft. Die Entwicklungslinien in der Logistik sind daher als Antwor-ten auf die einem Wandel unterliegende Umwelt zu verstehen. Basierend auf einem sich kontinuierlich weiter entwickelnden Verständnis der Logistik wurden in Wissenschaft und Praxis ent-sprechende Konzepte diskutiert, die unternehmensübergreifende Formen der Zusammenarbeit zum Gegenstand hatten. Ein we-sentlicher Beitrag für diese zügige Entwicklung wurde durch die IT-Architekturen und IT-Applikationen geschaffen, die sich heu-te bereits vielfach durch hohe Interoperabilität und Kompatibili-tät auszeichnen. Logistikkonzepte und -methoden werden heute nicht nur hinsichtlich operativer, sondern vielmehr hinsichtlich strategischer Relevanz diskutiert. Die Wertorientierung hat mitt-lerweile Einzug in die Bewertung logistischer Leistungen gefun-den. Diese bilanzielle Betrachtung der Logistik zeigt sich insbe-sondere bei der Fremdvergabe logistischer Leistungen.

Werthebel

Wert-beitrag

derLogistk

Kapital-umschlag

Cash-FlowRendite

Umsatz

Funktions-kosten

Umlauf-vermögen

Anlage-vermögen

Logistik-kosten

Vorräte

Anlage-vermögen der

Logistik

Gesamtunternehmen

Logistik-leistungen

- Personalkosten- Materialkosten- ...

- Lagerbestände- Work in Process- ...

- Grundstücke und Gebäude- Technische Anlagen und Betriebsmittel- Betriebs- und Geschäftsausstattung- ...

- Lieferbereitschaft- Lieferflexibilität- Lieferqualität- Durchlaufzeit- ...

Stellgrößen der LogistikWerttreiber Werttreiber

Logistik

Der Wertbeitrag der Logistik ...

... spiegelt sich mittlerweile in der Ausgestal-tung des Supply Chain Managements (SCM) wider.

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VOM FUNKTIONSORIENTIERTEN ZUM MANAGEMENTORIENTIERTEN LOGISTIKVERSTÄNDNIS Entwicklungslinien

Vom funktionsorientierten zum managementori-entierten Logistikverständnis

Die Konzeption der Unternehmenslogistik stützt sich auf system-theoretische Erkenntnisse. Sie umfasst die ganzheitliche Funk-tions- und Unternehmensgrenzen überwindende Gestaltung, Steu-erung und Koordination der Material- und Produktfl üsse sowie der hierzu komplementären Informationsfl üsse von den Lieferanten durch das Unternehmen bis hin zu den Kunden. Aus diesem Ge-genstandsbereich heraus haben sich vier Konzepte der Logistik herausgebildet (vgl. Wildemann (2001a); Schulte (2004)).- Instrumentelle Logistikkonzeption: Diese Dimension bein-

haltet das betriebswirtschaftlich-technologische Instrumenta-rium, welches zur Durchführung logistischer Aufgaben ein-gesetzt wird. Neben der Entwicklung und Anwendung von Verfahren zur Planung, Steuerung und Koordination logisti-scher Prozesse oder Systeme befasst sich der instrumentelle Logistikansatz mit dem Einsatz und der Nutzung von Materi-alfl uss-, Informations- und Kommunikationstechnologien.

- Funktionale Logistikkonzeption: Die funktionale Sichtweise betrachtet die Unternehmenslogistik als Aufgabenkomplex, der sich aus sämtlichen zur bedarfsgerechten Ver- und Entsor-gung einer Unternehmung erforderlichen operativen, admi-nistrativen und dispositiven Aktivitäten zusammensetzt. Die

Schritt 1: Internes Prozess Reengineering

Schritt 2:Supply Chain Management

Einkauf

Kundenbindungs-prozess

Unternehmensführung / Strategische Planung

Produktentwicklung

Kunden-akquisitions-

prozess

Auftrags-abwicklungs

prozessProduktions

prozess

ControllingPersonalmanagementQualitätsmanagement

Informationstechnologie

Einkauf

Kundenbindungs-prozess

Unternehmensführung / Strategische Planung

Produktentwicklung

Kunden-akquisitions-

prozess

Auftrags-abwicklungs

prozessProduktions

prozess

ControllingPersonalmanagementQualitätsmanagement

Informationstechnologie

Einkauf

Kundenbindungs-

prozeß

Unternehmensführung / Strategische Planung

Produktentwicklung

Kunden-akquisitions-

prozess

Auftrags-abwicklungs

prozessProduktions

prozess

ControllingPersonalmanagementQualitätsmanagement

Informationstechnologie

Die Unternehmenslogistik umfasst ...

... die funktions- und unternehmensübergrei-fende Koordination der Material- und Infor-mationsfl üsse.

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VOM FUNKTIONSORIENTIERTEN ZUM MANAGEMENTORIENTIERTEN LOGISTIKVERSTÄNDNIS Entwicklungslinien

Logistik tritt in dieser Betrachtung als eigenständiges funk-tionales Subsystem neben traditionellen Unternehmensfunk-tionen wie Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion und Vertrieb auf.

- Institutionelle Logistikkonzeption: Der institutionelle Logis-tikansatz behandelt die Einordnung der Unternehmenslogistik in das Organisationssystem und die aufbauorganisatorische Strukturierung der Logistik. Obwohl die primär funktionsin-tegrierende Sichtweise der Logistik die Bildung eigenständi-ger organisatorischer Strukturen nicht präjudiziert, wird die Reorganisation bestehender Organisationsstrukturen als we-sentliche Schlüsselgröße zur erfolgreichen Umsetzung der Logistikkonzeption angesehen. Durch die Bündelung von Aufgaben und Kompetenzen in selbständigen Organisations-einheiten sollen die Voraussetzungen für eine ganzheitliche Optimierung der Material- und Informationsfl üsse geschaffen werden.

- Managementorientierte Logistikkonzeption: Die management-orientierte Perspektive betrachtet die Unternehmenslogistik als Führungskonzept und stellt strategische Gestaltungsas-pekte in den Vordergrund. Die Logistik wird nicht als eine auf die Steuerung, Abwicklung und Überwachung von Mate-rial- und Informationsfl ussaktivitäten beschränkte Dienstlei-stungsfunktion angesehen, sondern als querschnittsorientierte Grundhaltung zur zeiteffi zienten, kunden- und prozessori-

Phase 1Phase 2

Phase 3Phase 4

Logisti-sche Ge-staltungs-prinzipien

Logistik-zieleLogistik-stratgien

Logisti-scheProzesse

Logisti-schePotential-faktoren

Logistik-organi-sation

Logistik alsManagement-

konzeptLogistik alsinstitutionelles

KonzeptLogistik alsUnternehmens-

funktionInstrumentellesLogistikverständnis

Strategisch

Operativ 1985 1995 2005 Zeit

Das Logistikverständnis ...

... hat sich von einem institutionellen, funk-tionsbezogenen Verständnis zu einem inte-grierten Managementkonzept entwickelt.

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VOM FUNKTIONSORIENTIERTEN ZUM MANAGEMENTORIENTIERTEN LOGISTIKVERSTÄNDNIS Entwicklungslinien

entierten Koordination von Wertschöpfungsaktivitäten. Das managementorientierte Logistikverständnis geht über den ei-gentlichen Logistikbereich hinaus. Dieses Verständnis impli-ziert logistisches Denken und Handeln in sämtlichen Unter-nehmenseinheiten und Hierarchiestufen.

Die konzeptionellen Alternativen spiegeln nicht nur die in der Li-teratur anzutreffenden Abgrenzungen des Logistikbegriffs wider. Sie können auch als Stufen eines Entwicklungspfades verstanden werden. Während zu Beginn der Auseinandersetzung mit logis-tischen Phänomenen die Lösung von operativen Transport-, Ver-sorgungs- sowie Distributionsproblemen im Vordergrund standen, traten mit zunehmendem Erkenntnisfortschritt aufgabenbezogene Gestaltungsaspekte in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei wurde deutlich, dass zur durchgängigen Umsetzung der Quer-schnittsfunktion Logistik eine institutionelle Aufwertung logis-tischer Aufgaben erforderlich ist. Als Weiterentwicklung des organisationsorientierten Logistikverständnisses kehrt die ma-nagementorientierte Logistikkonzeption den strukturoptimie-renden Entwicklungstrend um, indem sie darauf abzielt, den insti-tutionellen Einfl uss der Logistik auf ein notwendiges Mindestmaß zu beschränken, aber gleichzeitig fordert, dass sämtliche an der Wertschöpfung direkt oder indirekt beteiligte nach logistischen Prinzipien ausgerichtet werden müssen, wenn ein Gesamtopti-mum erreicht werden soll.

Log. Ge-staltungs-prinzipien

Logistik-ziele

Logistik-strategien

Logistische Prozesse

Logisti-sche

Potential-faktoren

Logistik-organi-sation

Logistikorganisation Materialfluss

InformationsflussProduktionsstruktur

Humanressourcen

Produktstruktur

Kunde

Liefe-rant Kunde

Liefe-rant

Sämtliche Wertschöpfung ist nach ...

... logistischen Prinzipien auszurichten.

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VON JUST-IN-TIME (JIT) ZU COLLABORATIVE PLANNING, FORECASTING & REPLENISHMENT (CPFR) Entwicklungslinien

Von Just-In-Time (JIT) zu Collaborative Plan-ning, Forecasting & Replenishment (CPFR)

Japanische Unternehmen organisierten ihre Produktion nach anderen Prinzipien als europäische Unternehmen. Der zuneh-mende Konkurrenzdruck, steigende Kosten und die Forderung des Marktes nach Flexibilität zwangen die europäischen Unter-nehmen bereits zu Beginn der 1980er Jahre zur Ausschöpfung vorhandener Rationalisierungsreserven. Dazu musste das Just-In-Time (JIT)-Konzept analysiert und eine den europäischen Ver-hältnissen angepasste Konzeption entwickelt werden. So wurde Just-In-Time in der Produktion vieler europäischer Unternehmen implementiert. Später erfolgte die Ausweitung des Konzeptes über die Unterneh-mensgrenzen hinweg über den Bereich der Zulieferung bis hin zum Kunden über die gesamte unternehmensübergreifende Wert-schöpfungskette. Im Zusammenhang mit einem managementori-entierten Logistikverständniss wurden damit die JIT-Prinzipien über die gesamte Wertschöpfungskette angewendet. Die Umgestaltung der Produktion und Zulieferung nach JIT-Ge-sichtspunkten orientiert sich an vier Erkenntnissen (vgl. Wilde-mann (2001a)):- Erkenntnis 1: Bestände in der Produktion und im Fertigwaren-

lager stellen gespeicherte Kapazitäten dar:

Kunde

Montage

Vormontage

Teilebearbeitung

Vorprodukt

Rohmaterial

Markt/Kunde

Hersteller/Produzent

ZuliefererKapazitätseinheiten

Lager (Puffer)Informationsfluß

Materialfluß

JIT-

Anb

indu

ng

Im Laufe der Zeit ...

... erfolgte die Ausweitung des JIT-Konzeptes über die Unternehmensgrenzen hinweg.