Erfolglose Widerspruchsverfahren kÖnnen teuer werden!

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12 MMW-Fortschr. Med. Sonderheft 1 / 2013 (155. Jg.) UNTERNEHMEN ARZTPRAXIS VON HAUSARZT ZU HAUSARZT Dr. Gerd W. Zimmermann Facharzt für Allgemeinmedizin Kapellenstraße 9, D-65719 Hofheim Die neuen Patientenrechte _ Wie erwartet, hat der Bundesrat das neue Patientenrechtegesetz in seiner Ple- narsitzung am 1.2.2013 passieren lassen. Entgegen einer früheren Ankündigung hat er davon abgesehen, einen Antrag auf Ein- berufung des Vermittlungsausschusses zu stellen, der aufgrund des Ausgangs der Wahl in Niedersachsen rechnerisch mit Mehrheit hätte beschlossen werden kön- nen. Somit konnte das Gesetz am 25.2.2013 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wer- den. Die Opposition hatte zuletzt deutlich schärfere Auflagen für Ärzte gefordert. Neu ist die Verpflichtung des Arztes, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern. Die notwendigen Informationen beziehen sich dabei nicht nur auf medizinische, sondern in bestimmten Fällen auch auf wirtschaftliche Aspekte der Behandlung. Bei Zweifeln über die Erstattung von Behandlungskosten durch Dritte muss der Patient schriftlich über die auf ihn zukommenden Kosten informiert werden. Auch Patienten, die nicht einwilligungsfähig sind, sollen künftig stärker in das Behand- lungsgeschehen einbezogen werden. Auch mit ihnen muss der Arzt sprechen und – ent- sprechend der vorhandenen Verständnismög- lichkeiten – die wesentlichen Umstände einer bevorstehenden Maßnahme erläutern. Ferner werden die Anforderungen an die Dokumen- tation der Behandlung und das Recht der Patienten auf Einsicht in ihre vollständige Pa- tientenakte gesetzlich festgeschrieben. Dieses Einsichtsrecht darf nur mit einer besonderen Begründung abgelehnt werden. MMW Kommentar Auch die nun vorhandene neue Beweislast- umkehr für bestimmte Fälle von Behand- lungs- und Aufklärungsfehlern sollte beach- tet werden. Vor Durchführung einer medi- zinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Arzt verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Ein Behandlungsfeh- ler des Arztes wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Arzt voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Nur wenn der Arzt beweisen kann, dass er entsprechend den Anforde- rungen aufgeklärt und eine Einwilligung eingeholt hat, ist diese Beweislastumkehr zu vermeiden. Ein gesondertes Element stellt darüber hinaus das Widerrufsrecht bei Selektiv- verträgen dar. Patienten können jetzt die Teilnahme an Hausarzt- und anderen Selek- tivverträgen innerhalb einer Zweiwochen- frist nach Abgabe der Teilnahmeerklärung widerrufen. Mindestmengen bei Ultraschall- untersuchungen Ärzte, die eine Genehmigung zur Abrech- nung von Ultraschallleistungen beantra- gen, teilweise aber die in der Ultraschall- vereinbarung (US-V) definierten Zahlen nicht in der geforderten Form oder Art nachweisen können, haben nun eine er- gänzende Nachweismöglichkeit. KBV und Kassen haben sich darauf verständigt, dass individuelle Untersuchungsnachweise für Organe, die sich in mehreren Anwen- dungsbereichen überschneidend wieder- finden, auch für mehrere zutreffende An- wendungsbereiche anerkannt werden können. MMW Kommentar Konkret bedeutet das, dass eine KV in einem solchen Genehmigungsverfahren z. B. die Nachweise für den Anwendungsbereich Ab- domen und Retroperitoneum, die sowohl das Retroperitoneum als auch die Urogeni- talorgane betreffen, ebenfalls als Nachweise für den Anwendungsbereich Urogenitalor- gane anerkennen kann. Erfolglose Widerspruchsverfahren können teuer werden! Nach einem Urteil des Bundessozialge- richts (BSG) in Kassel dürfen Kassenärzt- liche Vereinigungen (KVen) von ihren Mitgliedern Gebühren für ein erfolg- loses Widerspruchsverfahren verlan- gen. Die Richter sind der Auffassung, dass eine Verwaltungstätigkeit – wie im Fall des Wi- derspruchsverfahrens – die von den Mit- gliedern einer KV in unterschiedlichem Ausmaß in Anspruch genommen wird und durch die ein (Verwaltungs-)Mehr- aufwand entsteht, zur Erhebung von Ge- bühren berechtigt (§81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V). MMW Kommentar Laut BSG gilt diese Entscheidung nicht nur für allgemeine Verwaltungskostenbeiträge. Das Gericht hatte dies bereits in Bezug auf Disziplinarverfahren so gesehen und nun bei Widerspruchsverfahren von Vertrags- ärzten bestätigt (BSG, Urteil vom 7. Februar 2013, AZ: B 6 KA 2/12 R).

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12 MMW-Fortschr. Med. Sonderheft 1 / 2013 (155. Jg.)

UNTERNEHMEN ARZTPRAXIS

VON HAUSARZT ZU HAUSARZT

Dr. Gerd W. ZimmermannFacharzt für AllgemeinmedizinKapellenstraße 9, D-65719 Hofheim

Die neuen Patientenrechte_ Wie erwartet, hat der Bundesrat das neue Patientenrechtegesetz in seiner Ple-narsitzung am 1.2.2013 passieren lassen. Entgegen einer früheren Ankündigung hat er davon abgesehen, einen Antrag auf Ein-berufung des Vermittlungsausschusses zu stellen, der aufgrund des Ausgangs der

Wahl in Niedersachsen rechnerisch mit Mehrheit hätte beschlossen werden kön-nen. Somit konnte das Gesetz am 25.2.2013 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wer-den. Die Opposition hatte zuletzt deutlich schärfere Auflagen für Ärzte gefordert.

Neu ist die Verpflichtung des Arztes, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern. Die notwendigen Informationen beziehen sich dabei nicht nur auf medizinische, sondern in bestimmten Fällen auch auf wirtschaftliche Aspekte der Behandlung. Bei Zweifeln über die Erstattung von Behandlungskosten durch Dritte muss der Patient schriftlich über die auf ihn zukommenden Kosten informiert werden. Auch Patienten, die nicht einwilligungsfähig sind, sollen künftig stärker in das Behand-lungsgeschehen einbezogen werden. Auch mit ihnen muss der Arzt sprechen und – ent-sprechend der vorhandenen Verständnismög-lichkeiten – die wesentlichen Umstände einer bevorstehenden Maßnahme erläutern. Ferner werden die Anforderungen an die Dokumen-tation der Behandlung und das Recht der Patienten auf Einsicht in ihre vollständige Pa-tientenakte gesetzlich festgeschrieben. Dieses Einsichtsrecht darf nur mit einer besonderen Begründung abgelehnt werden.

– MMW Kommentar

Auch die nun vorhandene neue Beweislast-umkehr für bestimmte Fälle von Behand-lungs- und Aufklärungsfehlern sollte beach-tet werden. Vor Durchführung einer medi-zinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Arzt verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Ein Behandlungsfeh-ler des Arztes wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Arzt voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Nur wenn der Arzt beweisen kann, dass er entsprechend den Anforde-rungen aufgeklärt und eine Einwilligung eingeholt hat, ist diese Beweislastumkehr zu vermeiden. Ein gesondertes Element stellt darüber hinaus das Widerrufsrecht bei Selektiv-verträgen dar. Patienten können jetzt die Teilnahme an Hausarzt- und anderen Selek-tivverträgen innerhalb einer Zweiwochen-frist nach Abgabe der Teilnahmeerklärung widerrufen.

Mindestmengen bei Ultraschall-untersuchungen Ärzte, die eine Genehmigung zur Abrech-nung von Ultraschallleistungen beantra-gen, teilweise aber die in der Ultraschall-vereinbarung (US-V) definierten Zahlen nicht in der geforderten Form oder Art nachweisen können, haben nun eine er-gänzende Nachweismöglichkeit. KBV und Kassen haben sich darauf verständigt, dass individuelle Untersuchungsnachweise für Organe, die sich in mehreren Anwen-dungsbereichen überschneidend wieder-finden, auch für mehrere zutreffende An-wendungsbereiche anerkannt werden können.

– MMW Kommentar

Konkret bedeutet das, dass eine KV in einem solchen Genehmigungsverfahren z. B. die Nachweise für den Anwendungsbereich Ab-domen und Retroperitoneum, die sowohl das Retroperitoneum als auch die Urogeni-talorgane betreffen, ebenfalls als Nachweise für den Anwendungsbereich Urogenitalor-gane anerkennen kann.

Erfolglose Widerspruchsverfahren können teuer werden!Nach einem Urteil des Bundessozialge-richts (BSG) in Kassel dürfen Kassenärzt-liche Vereinigungen (KVen) von ihren Mitgliedern Gebühren für ein erfolg-loses Widerspruchsverfahren verlan-gen. Die Richter sind der Auffassung, dass eine Verwaltungstätigkeit – wie im Fall des Wi-derspruchsverfahrens – die von den Mit-

gliedern einer KV in unterschiedlichem Ausmaß in Anspruch genommen wird und durch die ein (Verwaltungs-)Mehr-aufwand entsteht, zur Erhebung von Ge-bühren berechtigt (§81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V).

– MMW Kommentar

Laut BSG gilt diese Entscheidung nicht nur

für allgemeine Verwaltungskostenbeiträge.

Das Gericht hatte dies bereits in Bezug auf

Disziplinarverfahren so gesehen und nun

bei Widerspruchsverfahren von Vertrags-

ärzten bestätigt (BSG, Urteil vom 7. Februar

2013, AZ: B 6 KA 2/12 R).