Erfolgreich erschließen - MEHR WERDEN · unsere Erschließungsarbeit hat in den letzten Jahren...

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Erfolgreich erschließen Das Handbuch für die Praxis

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  • Erfolgreich erschließenDas Handbuch für die Praxis

  • IMPRESSUM

    Herausgeber:IG Metall-VorstandFunktionsbereich Mitglieder und ErschließungRessort Erschließung

    Konzept und Redaktion:Beate Willms, Philipp Zysas, Friedrich Bossert, Susanne Kim

    Gestaltung: Heiko von Schrenk, www.schrenkwerk.de

    alle Fotos © IG Metall, falls nicht anders angegeben

    Frankfurt am Main, Mai 2018

  • Erfolgreich erschließenDas Handbuch für die Praxis

  • 4 Inhalt

    INHALT

    VORWORT 6

    1. EINLEITUNGWofür der Werkzeugkasten alles gut ist! 8

    Wo hilft das Handbuch? 8Das bietet es 9So kann damit gearbeitet werden 9

    2. DER ANSATZWas meinen wir mit Erschließung? 10

    Grundprinzip der Erschließungsarbeit 11Anlässe für die Erschließungsarbeit 11Der Organizing-Ansatz 12

    Checkliste für erfolgreiche Erschließungsarbeit 13

    3. RECHERCHE UND ANALYSEWas muss ich vor Beginn wissen? 14

    Potenzialanalyse 15Sondierung und Zielauswahl 16Betriebe gezielt verstehen 18

    Praxisbeispiel Unternehmensrecherche: Recherche als Grundlage

    für eine erfolgreiche Strategie bei DFH Haus 20Überblick: Wichtige Informationen und hilfreiche Quellen 21

    4. ZUGANGWie komme ich am besten in Kontakt mit der Belegschaft? 23

    Betriebe mit Mitbestimmungs- und IG Metall-Strukturen 24Betriebe ohne Kontakte 25

    5. BASISAUFBAUWie können wir im Betrieb mehr und stärker werden? 26

    Das Erschließungsteam 27Aktivenkreis und Vertrauenskörper 29Die Rolle von Schlüsselpersonen 29Hilfreiche Instrumente: 30

    Betriebslandkarte und Gewerkschaftlicher Betriebsplan:

    Wer, wo, wie – den Basisaufbau sytematisch planen 30Praxisbeispiel Betriebslandkarte und Betriebsplan: Wie Aktive bei Maja Möbelwerke

    einen Betriebsrat gründeten und dabei 200 neue Mitglieder gewannen 33

  • Inhalt 5

    1:1-Gespräche: Anliegen erfahren, Lösungswege aufzeigen und aktivieren 34Praxisbeispiel 1:1-Gespräche: Kommunikations training und erfolgreiche

    Mobilisierung zur Tarifaktion beim IT-Dienstleister Atos 38Identifizierung und Entwicklung von Schlüssel personen:

    Wen sollten wir unbedingt dabeihaben? 39Aktiventreffen und VK-Sitzungen:

    Beteiligung, Aktivierung und konkrete Verabredung 40Praxisbeispiel Aktiventreffen: Syncreon – von Treffen zu Treffen stärker werden 41

    6. BETRIEBLICHE KAMPAGNENFÜHRUNGWie können wir Themen durchsetzen und dabei wachsen? 42

    Themenfindung 43Praxisbeispiel Befragung: Wie die Geschäftsstelle Hannover

    Angestelltenthemen identifizierte 44Themenauswahl 45Themenkampagne planen und umsetzen 46

    Praxisbeispiel Meilensteinplanung: Wie bei BMW in Landshut

    die Projektplanung im Team erarbeitet wurde 48Kommunikationsstrategie 49Botschaft 50Instrumente und Wege der Kommunikation 51

    Praxisbeispiel Kommunikationsstrategie: Mitgliedergewinnung

    und Aktivierung vor, während und nach der Tarifrunde bei Mapal WWS 56Der Blitz: Durch eine intensive Anspracheaktion einen Ruck erzeugen 58Durchsetzung: Mobilisieren und Druck erzeugen 59

    Aktionsideen: Eine Übersicht 60Praxisbeispiel Druckaufbau: Wie die Belegschaft bei SSI Schäfer

    durch einen Aktionsplan aktiviert wurde 61Erfolge nutzen: Mitglieder- und strukturwirksam kommunizieren 63

    7. UNION BUSTINGWas tun bei aggressiven Arbeitgebern? 65

    Union Busting erkennen und verstehen 66Gegenstrategien 68

    Praxisbeispiel Union Busting: Wie es gelingen kann,

    Union Busting zurückzuschlagen 72

  • 6

  • Vorwort 7

    LIEBE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN,

    unsere Erschließungsarbeit hat in den letzten Jahren erfolgreich Fahrt aufgenommen.

    Durch Euer Engagement als Vertrauensleute, Betriebsräte, aktive Mitglieder und Haupt-amtliche sind wir stärker geworden, haben Tarifbindung erreicht, Betriebsräte gegründet,neue Betriebe und Branchen erschlossen und konnten neue Mitglieder für uns gewinnen.

    Damit leistet Ihr einen entscheidenden Beitrag dazu, erfolgreich die Arbeitsbedingungenvon Millionen von Beschäftigten zu verbessern.

    Wir wollen Tarifbindung, faire Entgelte, gute Arbeitsbedingungen, Beteiligung und Mit-bestimmung auch dort durchsetzen, wo dies noch nicht gegeben ist. Gute Arbeit und guteBildung müssen die Maßstäbe auch im digitalen Zeitalter sein.

    Wir wollen mit dem Erschließungsansatz zeigen, dass Beschäftigte eine Wahl und eineStimme haben, sich einmischen, ja das Heft in die eigene Hand nehmen können, wenn siesich in der IG Metall zusammenschließen und aktiv werden.

    Genau hier setzt das Erschließungshandbuch an. In ihmhaben wir Methoden, Umsetzungs-und Durchsetzungs -strategien, Erfahrungswissen und praktische Beispiele zusammengefasst. Mit ihm wollen wir motivieren und dazuanregen, Neues auszuprobieren.

    Hierbei wünsche ich Euch weiterhin viel Erfolg!

    Eure

    Irene SchulzGeschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

  • Unser Ziel sind gute Arbeits- und Lebensbedingungen füralle. Durchsetzen können wir diese nur, wenn wir uns mitvielen zusammentun und gemeinsam und solidarischhandeln. Dies gilt besonders in den Betrieben. Um hierjederzeit handlungsfähig und stark zu sein, brauchen wirGewerkschafts- und Mitbestimmungsstrukturen, die vonvielen Mitgliedern und Aktiven getragen und gelebt wer-den. Entscheidend ist, dass wir mehr und stärker wer-den!

    Genau darum geht es bei der Er-schließungsarbeit, und deswegen hatdie IG Metall sie zu einer Kernauf-gabe gemacht. Die Erfolge motivie-ren uns: Über betriebĺiche Erschlie-ßungsprojekte haben wir in den ver-gangenen Jahren zahlreiche neueMitglieder gewonnen; Aktivenkreise,Vertrauenskörper und Betriebsrätesind gegründet oder gestärkt wor-den. Gemeinsam konnten wir an vielen Orten eine Tarif-bindung erreichen und Arbeitsbedingungen verbessern.

    Die Methoden und Vorgehensweisen, die wir dabei ange-wandt haben, sind vielfältig und entwickeln sich immer weiter. Das vorliegende Handbuch hat mitgelernt und sollAktiven in den Betrieben sowie Gewerkschaftssekretärin-

    nen und -sekretären dabei helfen, geplant vorzugehen,wenn sie die Themen der Belegschaft anpacken und dieGewerkschaft stärken wollen. Es bietet eine Vielzahl vonTipps und erklärt Vorgehensweisen, Strategien, Instru-mente und Methoden für die erfolgreiche Erschließungs-arbeit. Damit kann es sowohl zur Inspiration für einzelneAktionen oder Maßnahmen genutzt werden als auchdazu, einen systematischen längerfristigen Erschließungs-

    plan auszuarbeiten.

    WO HILFT DAS HANDBUCH?

    Dieses Handbuch ist für Ehren- undHauptamtliche gemacht, die in ihrerGeschäftsstelle neue Bereiche er-schließen wollen. Es liefert Metho-den und Strategien für das Vorge-hen in:

    , Betrieben, in denen wir stärker werden wollen, um Themen der Belegschaft anzugehen.

    , Betrieben mit Strukturen, also dort, wo wir etablierteBetriebsräte und/oder Vertrauensleute haben, in denenaber einzelne Abteilungen oder bestimmte Zielgruppenweiße Flecken sind.

    EINLEITUNG

    Wofür der Werkzeugkasten alles gut ist!

    8 Einleitung

    »Das Handbuch erklärt Strategien

    und Methoden für die erfolgreiche

    Erschließungsarbeit.«

  • , Betrieben mit Betriebsrat, aber mit schwacher Bindungan die IG Metall.

    , Betrieben ohne Betriebsrat, also weißen Flecken.

    DAS BIETET ES

    Dieses Handbuch beschreibt, wie einzelne Betriebe oderBereiche gewerkschaftlich erschlossen werden können.

    , Es erklärt die verschiedenen Schritte und Phasen eines Erschließungsprozesses.

    , Es stellt hilfreiche Methoden und Instrumente vor.

    , Es zeigt Praxisbeispiele, wie diese Methoden und Instrumente erfolgreich eingesetzt werden können.

    , Es liefert Hintergrund- und Arbeitsmaterial sowie Verweise auf weiterführendes Material und Vorlagenim Internet.

    SO KANN DAMIT GEARBEITET WERDEN

    Du willst Dir einen Gesamtüberblick verschaffen, wie eineErschließungskampagne aufgebaut ist, welche Phasen sie

    hat? Geht es schon um ein konkretes Erschließungspro-jekt? Oder steckt Ihr in Eurem Betrieb gerade mittendrinund Du willst erfahren, wie Ihr den Basisaufbau systema-tisch angeht oder eine Kampagne führt? Brauchst DuIdeen für die betriebliche Umsetzung?

    In diesem Praxishandbuch findest Du alles, was dazunötig ist: eine Beschreibung für den Aufbau einer Er-schließungskampagne, Methoden und Instrumente fürjede einzelne Phase, Praxisbeispiele zur Inspiration. Fra-gebögen, Betriebspläne und weitere Vorlagen und hilfrei-che Materialien haben wir im Internet bereitgestellt, dieentsprechenden Links sind in den jeweiligen Kapiteln an-gegeben.

    Das Handbuch stellt den aktuellen Stand und einen Aus-schnitt der bisherigen Arbeit dar. Die IG Metall ist vorallem in der Erschließungsarbeit eine lernende Organisa-tion. Wir werden insbesondere die im Internet hinterleg-ten Materialien regelmäßig erweitern, aktualisieren undum Beispiele, Vorlagen sowie wichtige Hinweise aus derPraxis ergänzen. Anmerkungen von Nutzerinnen undNutzern sind daher ausdrücklich gewünscht!

    Einleitung 9

  • 10 Der Ansatz

    Im Zentrum der Erschließungsarbeit stehen die Beleg-schaften und ihre Themen. Diese sind vielfältig. Sie rei-chen von fehlender Tarifbindung über unbezahlte oder zuoft geforderte Überstunden und schlechte Arbeitsbedin-gungen bis hin zu mangelnder Wertschätzung der Arbeit.Aber egal, wie unterschiedlich die Anliegen sein können,eines haben sie gemein: Wenn sich die Beschäftigten zu-sammentun, sich organisieren und aktiv werden, könnensie zusammen etwas bewegen. DieGewerkschaft unterstützt sie dabei –mit Ressourcen, vor allem aber mitKnow-how, Erfahrungen und einemNetzwerk.

    Damit eine Auseinandersetzung er-folgreich sein kann, ist es wichtig,systematisch vorzugehen. Die Stra-tegie muss nicht nur klug, sondernauch gut geplant sein, ein Schritt aufdem anderen aufbauen, eine Maß-nahme effektiv an die andere gereiht werden. Entschei-dend ist, dass es gelingt, die Beschäftigten zu aktivierenund auch neue Mitglieder zu gewinnen. So werden nach-haltige, sich selbst tragende gewerkschaftliche Strukturenim Betrieb entwickelt: selbstbewusste Betriebsräte, Ver-trauensleute und Aktive. Eine durchsetzungsfähige Beleg-schaft muss nicht nur gut organisiert sein, sondern auch

    auf starke und aktive Gewerkschaftsstrukturen zurück-greifen können, die Aktionen zu koordinieren und Druckaufzubauen vermögen.

    Zum Grundgedanken von Erschließung gehört es, pro-aktiv und dem Arbeitgeber immer einen Schritt voraus zusein. Wenn nötig, nutzen wir Möglichkeiten, Druck zuentfalten und Konflikte zuzuspitzen. Vor allem in der

    Auseinandersetzung zeigt sich sehrklar, wie nützlich und notwendig esist, sich gewerkschaftlich zu organi-sieren. Genau diese Erfahrbarkeitvon Gewerkschaft ist es, die denNährboden für Solidarisierung undeinen stärkeren Anstieg des Organi-sationsgrades schafft.

    Sich auf Erschließungsarbeit einzu-lassen, bedeutet also, weniger Stell-vertreterpolitik zu machen und

    mehr direkte Beteiligung der Beschäftigten zuzulassen –und auf diese Weise mehr Organisationsmacht und einebessere Handlungsfähigkeit und Durchsetzungskraft inden Betrieben zu gewinnen.

    DER ANSATZWas meinen wir

    mit Erschließung?

    »Wenn sich die Beschäftigten

    zusammentun, können sie viel

    bewegen.«

  • GRUNDPRINZIP DER ERSCHLIESSUNGSARBEIT

    Unser Ansatz lässt sich in dem Dreischritt Wut–Hoff-nung–Aktion zusammenfassen:

    Was sind die heißen Themen, die den Beschäftigten auf den Nägeln brennen?Wie kommen wir mit ihnen über ihre Probleme im Betrieb ins Gespräch? Wieaktivieren wir sie, sich für ihre Anliegenund Veränderungswünsche einzusetzen?

    Wie erreichen wir Veränderungen? Wie organisieren wir uns? Was kann miteiner starken Gewerkschaft erreichtwerden?

    Was können wir tun? Was kann jedereinzelne Kollege und jede einzelne Kol-legin tun, um Probleme anzugehen undeine starke Gewerkschaft aufzubauen?Wie können wir unsere Interessendurchsetzen? Was sind die nächstenSchritte?

    Diese drei Schritte sind das Grundprinzip, wenn es umErschließung geht – bei der Kontaktaufnahme mit denBeschäftigten, beim gemeinsamen Aufbau einer Kampa-gne und bei jedem Zwischenerfolg.

    ANLÄSSE FÜR DIE ERSCHLIESSUNGSARBEIT

    Im Kern geht es darum, unsere Mitgliederbasis und unsereAktivenstrukturen durch planvolles Vorgehen zu stärkenund so Themen anzugehen. Die Anlässe für Erschließungs-arbeit können dabei sehr vielfältig sein. So zum Beispiel:

    , Die Geschäftsstelle möchte neue Bereiche erschließen.

    , Beschäftigte eines Betriebs möchten einen Betriebsratgründen.

    , Die IG Metall möchte in einem Betrieb die Tarif -bindung durchsetzen oder absichern.

    , Ein Betrieb gerät durch die Strategie der Geschäfts -führung oder die Wirtschaftslage in Gefahr. Nun gehtes darum, dass sich die Belegschaft gut organisiert, umfür die Absicherung des Standorts einzutreten.

    , Eine wichtige Betriebsvereinbarung soll abgeschlossenwerden. Um einen guten Abschluss machen zu kön-nen, bedarf es des aktiven Rückhalts einer gut organi-sierten Belegschaft.

    , In einem gut organisierten Produktionsbetrieb wach-sen seit Jahren die Angestelltenbereiche. Um den Orga-nisationsgrad hoch zu halten, müssen diese Bereichesystematisch erschlossen werden.

    In jeder Situation geht es darum, eine individuelle undpassgenaue Erschließungsstrategie zu finden. Wie dasgeht, dazu liefert dieses Handbuch Erklärungen, Vor-schläge und Methoden. Praxisbeispiele zeigen, wie diekonkrete Umsetzung aussehen kann – und zwar sowohlfür Aktive aus Betrieben und Erschließungssekretäre wieauch für Gewerkschaftssekretäre, die viele Betriebe be-treuen. Je nach Anlass sind unterschiedliche Kapitel desBuchs besonders hilfreich.

    , Fast immer spielt die systematische Stärkung der ge-werkschaftlichen Basis eine zentrale Rolle. Hierzu fin-dest Du im Kapitel 5 zum Thema Basisaufbau erprobteVorgehensweisen und Methoden.

    , Kapitel 6 zur betrieblichen Kampagnenführung ist vorallem dann relevant, wenn Themen der Belegschaft er-folgreich angegangen werden sollen. Damit eine solcheThemenkampagne über den konkreten Erfolg hinausauch zu einem nachhaltigen Struktur- und Mitglieder-aufbau führt, ist es sinnvoll, auch hier die Methodenund Strategien des Basisaufbaus aus Kapitel 5 mit zubedenken.

    , Handelt es sich um Betriebe, zu denen die IG Metallnoch keinen engeren Kontakt hat, oder steigt ein Er-schließungssekretär der IG Metall in einen Betrieb neuein, sollte zunächst eine Recherche stattfinden, um diewichtigsten Informationen zusammenzutragen. EineAnleitung dazu gibt es in Kapitel 3. Außerdem ist eshier wichtig, einen Zugang zur Belegschaft zu finden.Siehe hierzu Kapitel 4.

    , Bei Betrieben ohne Betriebsrat oder mit schwacherBindung an die IG Metall sollten gewisse Vorsichts-

    Der Ansatz 11

    Wut:

    Hoffnung:

    Aktion:

  • 12 Der Ansatz

    maßnahmen getroffen werden. Nicht selten muss mitentschiedener Gegenwehr des Arbeitgebers gerechnetwerden. Um sich auf etwaige Abwehrstrategien vorzu-bereiten, sei hier das Kapitel 7 zum Thema Union Bus-ting empfohlen.

    Gewerkschaftssekretäre, die für eine Vielzahl von Betrie-ben zuständig sind, können dieses Handbuch sehr gut fürdie anlassbezogene Erschließungsarbeit heranziehen.Schließlich gibt es in allen Betrieben neben Phasen derStabilität auch immer wieder dynamische Phasen, indenen ein bestimmtes Thema die Beschäftigten umtreibt,das einen Anknüpfungspunkt bietet. Solche Chancen las-sen sich mit dem Einsatz von Erschließungsmethoden effektiv nutzen. Auch hier sind insbesondere die Kapitel 5und 6 – zum Basisaufbau und zur betrieblichen Kampa-gnenführung – wichtig. Wie in der nachfolgenden Grafikdargestellt, stärken wir mit jedem Anlass unsere Organi-sationsgrade und Aktivenstrukturen. Die Schwerpunkteder Erschließungsarbeit wandern dabei jeweils in die Be-triebe, in denen sich Möglichkeitsfenster auftun.

    DER ORGANIZING-ANSATZ

    Der Organizing-Ansatz ist eine mitglieder-, konflikt- undbeteiligungsorientierte Offensivstrategie und eine spezifi-sche, sehr systematische Form der Erschließung. Aus-gangspunkt einer Organizing-Kampagne im Betrieb sindinner betriebliche Konflikte, die die Beschäftigten selbstals solche wahrnehmen und benennen. Die Planung undDurchführung der Kampagnen kann sich in diesem Zu-sammenhang durchaus über einen längeren Zeitraumhinziehen. Dabei kann es hilfreich sein, mit Bündnispart-

    nern aus anderen Betrieben und gesellschaftlichen Akteu-ren zusammenzuarbeiten.

    Über ein spezifisches methodisches Vorgehen und be-stimmte Instrumente als Hilfsmittel werden Kolleginnenund Kollegen gezielt angesprochen und zur Durchsetzungihrer Interessen aktiviert. Zugleich lassen sich so systema-tisch neue Mitglieder gewinnen. Ziel ist der Aufbau vondurchsetzungsstarken, nachhaltigen – weil sich selbst tragenden – gewerkschaftlichen Strukturen im Betrieb:selbstbewusste gewerkschaftliche Betriebsräte, Vertrau-ensleute und Aktive.

    Kampagnenphasen einer Organizing-KampagneOrganizing-Kampagnen lassen sich in verschiedene Phasen einteilen.

    Diese Einteilung des Organizing-Prozesses soll helfen, die eigene Arbeit zu strukturieren und sich bewusst zu ma-chen, auf welche Aufgaben man sich vorbereiten muss.

    VorgehenIdealtypisch verläuft eine Organizing-Kampagne folgen-dermaßen:

    1. Recherche und Analyse

    3. Bildung eines Erschließungsteams

    5. Ansprache der Beschäftigten in 1:1-Gesprächen

    2. Zugang schaffen

    4. Erstellung von Betriebslandkarte und Betriebsplan

    6. Aufbau des Aktivenkreises

    7. Identifizierung und Auswahl eines »heißen Themas«

    8. Planung der betrieblichen Themenkampagne

    9. Schrittweise Zuspitzung der Themenkampagne

    10. Erfolg mitglieder- und strukturwirksam umsetzen

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    Mitglieder- und strukturwirksame Nutzung der Anlässe mit Erschließungsmethoden

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  • Was wir dabei berücksichtigen sollten: Ideal ist es, sich zuBeginn ausreichend Zeit für die Potenzialanalyse, Recher-che und Sondierung zu nehmen, um eine profundeGrundlage für unser Erschließungsprojekt zu haben.Denn es ist ärgerlich, wenn wir Aufwand und Erfolgs-chancen wegen einer zu dürftigen Informationslage falscheinschätzen.

    Nach der Zugangsphase, in der wir Kontakt zu Beschäf-tigten aufnehmen und verlässliche Mitstreiterinnen undMitstreiter ausfindig machen, beginnt eine längere Phasedes Basisaufbaus. Auch hierfür sollte in der Regel genugZeit eingeplant werden. Denn jetzt müssen wir zielgerich-tet und genau arbeiten. Schließlich bauen wir die Akti-venstruktur und ein Kommunikationsnetzwerk auf – undein funktionierender Aktivenkreis im Betrieb ist dieGrundlage für alles Folgende.

    Erst wenn wir gemeinsam der Meinung sind, stark genugzu sein, planen und führen wir einen betrieblichen Kon-flikt um ein (kleines) heißes Thema. Das ist der Test fürdie eigene Handlungsfähigkeit. Wenn dieser bestandenist, können auch die größeren Themen angegangen underfolgreich durchgesetzt werden.

    Oft verläuft ein Organisierungsprozess in der Realitätnicht unbedingt in diesen theoretischen Phasen. Stattdes-sen führt die betriebliche Situation immer wieder dazu,dass Prozesse eine Dynamik bekommen und mehrereAufgaben zeitgleich bearbeitet werden müssen. Wenn beispielsweise in einem gewerkschaftsfeindlichen Betriebschnell eine Betriebsratswahl eingeleitet werden muss,bleibt wenig Zeit für eine gründliche Vorbereitung undeinen langen Basisaufbau. Der anstehende Themenkon-flikt ist dann die Betriebsratswahl selbst, der Basisaufbaubesteht darin, verlässliche und belastbare Kandidatinnenund Kandidaten für den Wahlvorstand und für den Be-triebsrat zu finden. Kommen auch noch gewerkschafts-feindliche Aktivitäten des Arbeitgebers hinzu, müssen ge-gebenenfalls Ressourcen für zusätzliche Öffentlichkeits -arbeit abgezweigt werden.

    Der Ansatz 13

    ½ Haben wir alle notwendigen Informationen, damit wir loslegen können?

    ½ Kennen wir die Kräfteverhältnisse im Betrieb?

    ½ Kennen wir die Schlüsselpersonen im Betrieb?

    ½ Können wir einschätzen, wie viel Gegenwind wir vom Arbeitgeber zu erwarten haben?

    ½ Welche Akteurinnen und Akteure im Betrieb sollen einbezogen werden?

    ½ Stehen die Schlüsselpersonen auf unserer Seite?

    ½ Haben wir die heißen Themen identifiziert?

    ½ Ist die Belegschaft aktiv beteiligt?

    ½ Gehen wir nach dem Dreischritt Wut–Hoffnung– Aktion vor?

    ½ Ist die Zielsetzung realistisch?

    CHECKLISTE FÜR ERFOLGREICHE ERSCHLIESSUNGSARBEIT

    ½ Haben wir eine Plattform/einen Raum für die interne Kommunikation, gibt es eine Mailing-/ Handyliste, eine Whatsapp-Gruppe?

    ½

    Ziel ist der Aufbau durchsetzungsstarker gewerkschaftlicher Strukturen im Betrieb

  • 14 Recherche und Analyse

    Ob wir als IG Metaller in unserem Betrieb Kolleginnenund Kollegen in neuen Bereichen organisieren wollenoder einen Tarifvertrag anstreben, ob wir als Hauptamtli-che Mitglieder dabei unterstützen wollen, gewerkschaftli-che Strukturen in ihrem Betrieb zu etablieren, oder ob esum die Erschließung eines weißen Fleckens geht: Wichtigist immer, dass wir genau wissen, worauf wir uns einlas-sen.

    Dabei geht es im Prinzip um zweigroße Fragen: Was haben wir zu ge-winnen? Und mit wem haben wir eszu tun? Können wir diese beant-worten, hilft uns das, Fehleinschät-zungen und Fettnäpfe zu vermei-den. Und wir haben die grundle-genden Informationen, um die rich-tige Strategie zu finden, wie wir mitgezieltem Ressourceneinsatz zunachhaltigen Ergebnissen kommen.

    Wie aufwändig das ist, wie viel Zeitund andere Ressourcen wir also einplanen müssen, hängtvon unserem Projekt ab. Wollen wir als Vertrauensleute inunserem Betrieb mehr Kolleginnen und Kollegen für dieIG Metall gewinnen, brauchen wir weniger und andereInformationen, als wenn wir als Betreuungs- oder Er-

    schließungssekretäre neu in einen Betrieb hineingehenwollen, über den wir noch gar nichts wissen.

    Natürlich hat jedes Projekt seine Eigenheiten. Trotzdemsind in aller Regel eine Potenzialanalyse und eine Unter-nehmensrecherche hilfreich – die dann eben mal kürzer,mal intensiver ausfallen. Die Potenzialanalyse hilft uns

    einzuschätzen, was die Erschlie-ßung bringen kann: Wie viele Mit-glieder sind zu gewinnen? Wiewichtig ist die Gruppe von Beschäf-tigten, die Abteilung, der Bereich,der Betrieb oder auch die Branchenach strategischen Gesichtspunk-ten? Das kann sowohl für unsereEntscheidung, ob wir ein Projektüberhaupt angehen, wichtig sein alsauch dafür, wie wir vorgehen wol-len.

    Bei der Unternehmensrecherchegeht es dagegen darum, den Bereich

    oder den Betrieb genauer kennenzulernen. Wie geht esdem dahinterstehenden Unternehmen wirtschaftlich? Wiesieht das Beziehungsgeflecht aus? Das hilft uns, Stärkenund Schwachpunkte zu analysieren.

    RECHERCHE UND ANALYSE

    Was muss ich vor Beginn wissen?

    »Recherche und Analyse bilden dieGrundlage für eine

    erfolgreiche Zielauswahl und

    Erschließungs -strategie.«

  • Je nach unserer Ausgangslage bewegen wir uns dabei aufunterschiedlichen Ebenen. Wollen wir Kolleginnen undKollegen in neuen Bereichen des eigenen Betriebs organi-sieren, ist es gut, zu wissen, wie genau diese Bereiche imUnternehmen integriert sind.

    Wollen wir gewerkschaftliche Strukturen wiederbelebenoder auch neu aufbauen, haben wir vermutlich viel mehroffene Fragen. Ganz wichtig beispielsweise: Was wissenwir über die Einstellung des Arbeitgebers gegenüber Ge-werkschaften oder auch speziell der IG Metall? Finden wirheraus, dass der Arbeitgeber schon mit aggressivem Vor-gehen gegen Betriebsratswahlen aufgefallen ist, ist klar,dass wir vorsichtig und außerhalb der betrieblichen Öf-fentlichkeit vorgehen und nicht unbedacht vor demWerkstor Flyer verteilen sollten.

    Auch welche Recherchequellen wir nutzen können, hängtvon der Ausgangslage ab. Sind wir schon im Betrieb, alsVertrauensleute oder sogar Betriebsratsmitglieder, sitzenwir selbst an der Quelle. Arbeiten wir mit Hauptamtli-chen gemeinsam an einem Erschließungsprojekt, könnenwir wichtige Informationen beisteuern. Umgekehrt gilt,dass wir als Hauptamtliche die Kontakte in den Betrieb alserste und wichtigste Informationsgeber nutzen.

    Oft brauchen wir aber noch weiteres Wissen, etwa überdie tatsächliche wirtschaftliche Situation, das Verhältniszu Kunden, Lieferanten und Banken, Konzernverstri-ckungen, Streitigkeiten im Aufsichtsrat oder Personalque-relen im Vorstand.

    In diesem Kapitel zeigen wir, wie die einzelnen Schrittebei einer Sondierung und Zielauswahl aussehen. Wir er-klären, wie eine Potenzialanalyse und strategische Unter-nehmensrecherche ablaufen können, um eine guteGrundlage für die Strategieentwicklung zu schaffen. Undnatürlich finden sich auch Hinweise und Tipps für weiter-führendes Material sowie hilfreiche Links.

    AusgangssituationWelche Informationen beschafft werden müssen und wel-che Quellen dafür angezapft werden können, hängt vonder Ausgangslage ab. Ganz grob gesehen gibt es zwei Ein-stiege:

    a) Die Geschäftsstelle entscheidet sich, aktiv neue Berei-che zu erschließen.

    b) Gewerkschaftliche Aktive möchten ihren eigenen Betrieb erschließen oder der Betrieb steht aus anderenGründen schon fest.

    Im Fall a) gilt es zunächst, einen Überblick zu gewinnen,welche Betriebe in unserer Geschäftsstelle existieren, wel-che weißen Flecken es gibt und welche Potenziale für unsin diesen Betrieben schlummern. Hier ist eine sorgfältigePotenzialanalyse unabdinglich. Betriebe mit einem hohenPotenzial sollten dann genauer sondiert werden, um be-werten zu können, wie gut die Erfolgsaussichten sind. Aufdieser Grundlage können dann Zielbetriebe für die Er-schließung ausgewählt werden.

    Im Fall b) spielt die Potenzialanalyse insgesamt eine ge-ringere Rolle. Wichtig ist sie aber, um herauszufinden, wiegroß die Potenziale in den verschiedenen Abteilungenund Bereichen des Betriebs sind. So lassen sich die eige-nen Ressourcen effizienter fokussieren.

    POTENZIALANALYSE: WO LIEGEN DIE ERSCHLIESSUNGSPOTENZIALE?

    ZielMitgliederpotenziale, weiße Flecken und interessante Betriebe im Einzugsbereich der Geschäftsstelle ausfindigmachen.

    Vorgehen

    Recherche und Analyse 15

    1. Für die Geschäftsstellen existieren Potenzialbe-richte, die von Bevollmächtigten aus dem Intranetheruntergeladen werden können. Darin findest Dunach Potenzial sortierte Listen von Betrieben ausdem Zuständigkeitsbereich der Geschäftsstelle.Dabei werden Betriebe mit und ohne Betriebsratsowie in der MDB erfasste und nicht erfasste Be-triebe unterschieden.

    2. Daten mit Informationen der Geschäftsstelle, Inter-netrecherche und eigenem Wissen abgleichen: Sindalle Betriebe erfasst und die Angaben richtig?

  • 16 Recherche und Analyse

    KurzbeispielDer Potenzialbericht der Geschäftsstelle plus die eigeneNachrecherche umfassen die Daten von 92 Betrieben mitPotenzialen von über 100 Beschäftigten. 76 dieser Betriebehaben einen Betriebsrat. Allerdings scheinen die Struktu-ren in 37 davon schwach ausgeprägt zu sein, 16 Betriebehaben keinen Betriebsrat. Bei genauerer Betrachtung zeigtsich, dass es im stark wachsenden Maschinenbau einigegrößere Lücken gibt. Ein großer Faserhersteller mit über500 Beschäftigten ist ein komplett weißer Fleck. Außerdemhaben sich offenbar in den letzten Jahren in einem Gewer-begebiet eine Reihe neuer Betriebe gegründet, von denenbislang nur einer einen Betriebsrat hat. Aber auch unterden betreuten Betrieben gibt es lohnenswerte Potenziale.Bei einem größeren Zulieferer ist in den letzten Jahren derAngestelltenbereich schnell gewachsen. Obwohl die IG Me-tall im Produktionsbereich schon gut organisiert ist, ist soein bedeutendes Erschließungspotenzial entstanden. Die

    Potenzialanalyse offenbart in diesem Fall also mehrere guteAnsatzpunkte für die weiteren Überlegungen.

    Um entscheiden zu können, bei welchem der Potenzialbe-triebe mit der Erschließungsarbeit begonnen werden soll,benötigen wir nun weitere Informationen, die Hinweiseauf die Erfolgsaussichten sowie die jeweils benötigtenRessourcen und Fähigkeiten geben.

    Der nächste Schritt ist die Sondierung und Zielauswahl.Tipps und Hinweise zur Vorgehensweise werden im fol-genden Absatz beschrieben.

    SONDIERUNG UND ZIELAUSWAHL:DEN RICHTIGEN SCHWERPUNKTSETZEN – ABER WIE?

    ZielDie Informationen filtern, Schwerpunkte setzen, verschie-dene Betriebe in die engere Auswahl nehmen undschließlich einen oder mehrere Zielbetriebe auswählen.

    Vorgehen1. Weitere Recherche zu den weißen Flecken oder poten-

    zialreichen Betrieben, die bei der Potenzialanalyse er-kannt wurden. Neben anderen Quellen (siehe Über-sicht auf S. 21 f) kann hier das IGM-Intranet genutztund ein Rechercheauftrag gestellt werden. Untersuchtwerden sollten:

    Der Potenzialbericht bietet unter anderem eine grafische Darstellungder nicht in der MDB vermerkten Erschließungs potenziale. Je größerder Würfel, desto größer das Potenzial.

    3. Fehlende oder fehlerhafte Daten, wie etwa kon-krete Beschäftigtenzahlen in einzelnen Betrieben,korrigieren. Diese Informationen auch rückmelden,so dass sie im folgenden Potenzialbericht berück-sichtigt werden.

    4. Die mitgelieferten Tabellen und Grafiken als Vorla-gen nutzen, um eine auf einen Blick erfassbareÜbersicht über Mitgliederpotenziale aufzustellen.

    a) objektive Faktoren:

    , Zusammensetzung der Belegschaft

    , Bedeutung im Unternehmen

    , Beschäftigtenzahl

    , Anzahl der Standorte

    , wirtschaftliche Lage

    b) subjektive Faktoren:

    , Zugangsmöglichkeiten zum Betrieb

    , Anzahl der IGM-Mitglieder

    , mögliche Geschichte der IGM mit dem Unternehmen

    , Tarifbindung

    , die Einstellung von Belegschaft, Management undgegebenenfalls Gremien zur IGM

  • 2. Zielauswahl nach Abwägen der subjektiven und objek-tiven Faktoren sowie der vorhandenen Ressourcen.

    Um die sondierten Betriebe miteinander vergleichen zukönnen, bietet es sich an, ein kurzes Profil zu jedem derBetriebe zu erstellen. Eine Vorlage hierfür steht im Inter-net zur Verfügung.

    Vorsicht ist bei Unternehmen angebracht, die

    , zu einer volatilen Branche gehören und wirtschaftlichschlecht dastehen.

    , eine kritische Vergangenheit mit der IGM haben, sodass zu viele Vorurteile überwunden werden müssten.

    , aus anderen Gründen nicht oder nur schwer zugäng-lich erscheinen, so dass die vorhandenen Ressourcennicht ausreichen.

    In solchen Fällen dürfte es schwer sein, ein vernünftigesVerhältnis von Aufwand und Nutzen zu wahren. Die Ge-fahr von Frustration durch einen möglicherweise abseh-baren Misserfolg ist relativ hoch.

    Genauer hinschauen lohnt sich hingegen, wenn

    , es sich um einen gut laufenden oder besser noch florie-renden Betrieb in einer Zukunftsbranche handelt.

    , schon einzelne Kontakte bestehen oder aktive Mitglie-der bekannt sind.

    , bereits Themen erkennbar sind, die für eine Kampagnetaugen und die Organisierung erleichtern könnten.

    Im Kurzbeispiel zur Potenzial analyse könnte das so aussehen:Von den in der Potenzialanalyse der Geschäftsstelle zu-nächst identifizierten Betrieben weist ein Automobilzulie-

    ferer die meisten interessanten und erfolgversprechendenPunkte auf:

    , Zukunfts-/Kernbranche (viel Erschließungspotenzial).

    , In Deutschland haben bereits zwei von sechs weiterenStandorten des Unternehmens einen Betriebsrat (mög-licher Zugang), bislang gibt es kein Wissen über ge-werkschaftsfeindliches Verhalten des Arbeitgebers.

    , Das Unternehmen verfolgt eine Wachstumsstrategie,geplant ist der Aufbau einer weiteren Produktionshallein der Nähe, untersucht wird eine Ausweitung ins eu-ropäische Ausland (wirtschaftlicher Spielraum, po-tenziell nachhaltige Investition, günstiger Anlass).

    , Das Unternehmen verkauft sich in Deutschland nachaußen als jung, dynamisch und nachhaltig (möglicherAnsatzpunkt).

    , Der neue CFO des US-Mutterkonzerns ist für Kosten-drückerei bekannt (mögliches Thema/möglicher An-knüpfungspunkt für Bündnispartner etwa in derKommunalpolitik).

    , Letztes Jahr gab es 7 Arbeitsunfälle am Standort (mög-liches Thema).

    , 3 betroffene Kollegen haben sich in der Vergangenheitwegen einer anderen Geschichte an die IG Metall ge-wandt und erfolgreich Unterstützung in Anspruch ge-nommen (Kontakte und Zugangsmöglichkeit).

    Recherche und Analyse 17

    WUSSTEST DU?

    , Das Ressort Zentralbibliothek / Archiv und Dokumentation recherchiert zum Beispiel Unternehmensprofile, Firmen -verflechtungen, Brancheninformationen und Presseartikel.

    , Beschäftigte der IG Metall können ganz einfachüber das Intranet einen Rechercheauftrag stellen:

    2 http://intranet.bo-it.de -> Praxis -> Recherchieren

    MATERIALIEN ZUM THEMA

    d Betriebsprofilvorlage zur Erfassung und Gegenüberstellung von Potenzialbetrieben

    2 www.igmetall-mehr-werden.de/handbuch

    ž

  • 18 Recherche und Analyse

    BETRIEBE GEZIELT VERSTEHEN: DIE STRATEGISCHEUNTERNEHMENS RECHERCHE

    Wer einen Betrieb erschließen will, sollte ihn möglichstgut kennen. Je besser wir verstehen, wie ein Betrieb funk-tioniert – und zwar nach innen wie nach außen –, destobesser können wir uns vorbereiten.

    Wir sollten herausfinden, welche Anknüpfungspunkteund Zugangsmöglichkeiten es zur Belegschaft gibt, welcheStärken und Schwächen Unternehmen und Betriebhaben, was das interne Personal – von der Belegschaft biszur Geschäftsführung – umtreibt.

    Und wir sollten nach der Recherche eine Idee davonhaben, in welchem Umfeld und Geflecht sich das Unter-nehmen bewegt, wie stark der ökonomische Druck istund von wem er ausgeht. Aber auch, wo es potenzielleBündnispartner bei Kunden, Lieferanten, Nachbarbetrie-ben, in der Politik und der Öffentlichkeit gibt.

    Insbesondere bei gewerkschaftsfeindlichen Arbeitgebernsollten wir gut gewappnet sein. Wenn es hart auf hartkommt, kann ein Überblick über externe Druckmöglich-

    keiten, wie zum Beispiel gut organisierte Kundenunter-nehmen oder Verbündete in der Lokalpolitik, den Unter-schied machen.

    In diesem Kapitel führen wir durch eine Reihe von Infor-mationskategorien, die zum Verständnis eines Betriebsgehören. Wie breit und tiefgehend recherchiert werdensollte, hängt vom jeweiligen Betrieb und der Ausgangslageab. Merke: Je größer ein Betrieb und je gewerkschafts-feindlicher das Management ist, desto intensiver und tief-gehender sollte die Recherche ausfallen, um Risiken zuminimieren und die Erfolgsaussichten durch die Aus-schöpfung aller Druckpunkte zu verbessern.

    Ziel

    1. Einen genaueren Einblick in das wirtschaftliche, politi-sche und soziale Umfeld des Betriebs gewinnen unddie Unternehmenskultur verstehen.

    2. Stärken und Schwächen analysieren, um Ansatzpunktefür Druckmöglichkeiten zu identifizieren.

    VorgehenFolgende Fragen sind für die Recherche hilfreich:

    2. Produkte und Dienstleistungen

    12. MutterunternehmenKommando & Kontrolle

    25. Tarifliche Situation

    19. Kunden und Klienten

    17. Transport und Vertrieb

    16. Rohmaterialien und Zulieferer

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    erat

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    Interessengruppen außerhalb

    Zielfirma

    8. Management

    6. Unternehmensgeschichte 7. Unternehmensstrategie

    1. Basisinformationen 5. Finanzen

    3. Standorte und Gebäude 4. Beschäftigte, BRund Gewerkschaften

    9. Eigentümer und Investoren10. Aufsichtsrat/Organeund Mitbestimmung

    11. Kreditgeber

    14. Branche 15. Wettbewerber

    18. Hilfsmittel und Versorgungs-UN

    20. Arbeitsschutz und -sicherheit 13. Tochterunternehmen

    22. Behördliche Aufsicht und Gesetze/Regulierung

    23. Soziales Umfeld/Zivilgesellschaft 21. Umwelt 24. Politik und Verbände

    Die strategische Recherche zielt auf ein ganzheitliches Verständnis des Unternehmens.

  • Diese Liste ist nicht abschließend und variiert mit demUnternehmen und der Branche.

    TippBei der strategischen Unternehmensrecherche ist es sinn-voll, die Ergebnisse so weit wie möglich zu visualisieren:

    , Wer hat das Sagen, wer die Kontrolle – und zwar nichtnur im Betrieb selbst, sondern auch von außen?

    , Wie läuft das operative Geschäft? Welche Dienstleister,Zulieferer und Kunden prägen es wesentlich?

    , Was gibt es sonst noch für Interessengruppen außer-halb des Betriebs? Was regulieren oder kontrollierenAufsichtsbehörden? Welche Rolle spielen Umwelt-oder Sozialverbände? Die Kirchen?

    , Wie ist das Verhältnis zur (Kommunal-)Politik? Wiedas zur Zivilgesellschaft?

    , Wichtige Termine wie Messen, Aufsichtsratssitzungen,Aktionstage sollten vorsorglich im zeitlichen Kampa-gnenplan eingetragen werden. Ob dort ein öffentlicherAuftritt als Eskalationsstufe erfolgt, hängt davon ab,wie die Kampagne verläuft und ob es notwendig ist,derartigen Druck zu entfalten.

    Recherche und Analyse 19

    , Umweltschutz: Ist das Unternehmen vorbildlich imSachen Umweltschutz oder gibt es Anlass zur Kritik?

    , Sponsoring: Engagiert sich das Unternehmen ge-sellschaftlich? Gibt es Geld für soziales Sponsoring?

    , Welches Image gibt sich das Unternehmen?

    , Zulieferer/Wertschöpfungskette: Wer liefert Vorpro-dukte, welche Dienstleistungen werden eingekauft?

    , Kunden: Wer sind die Abnehmer der Produkte oderDienstleistungen? Gibt es eine starke Abhängigkeitvon einzelnen Geschäftskunden?

    , Sicherheit/Gesundheit: Gibt es hohe Krankenständeoder Unfälle? Sorgt das Unternehmen vor, was liegtim Argen?

    , Unternehmensverantwortung: Gibt es einen Verhal-tenskodex und wird dieser befolgt? Unterschiedzwischen Anspruch und Wirklichkeit.

    Geldgeber

    EigentümerAktionäre

    ZuliefererSubunternehmen

    MitarbeiterGewerkschaft Medien

    Management

    KundenPolitiker

    Gewerkschaft

    Mitarbeiter

    Politiker

    Unternehmen MutterkonzernTochterfirmen

    , Produkte/Dienstleistungen: Was bietet das Unter-nehmen an? Welches Image hat das Produkt bzw.wie soll es angesehen werden?

    , Finanzielle Situation des Unternehmens: Ist es profi-tabel oder geht es dem Unternehmen schlecht?Wodurch wird Geld verdient?

    , Geschäfts- und Wachstumsstrategie: Auf welchenFeldern will das Unternehmen wachsen, auf wel-chen schrumpfen oder ausgliedern?

    , Unternehmensgeschichte: Wer gründete wann dasUnternehmen? Aus der Unternehmensgeschichtelässt sich oft auch auf die Geschäftsstrategie schließen.

    , Belegschaft: Größe und Zusammensetzung der Be-legschaft, Arbeitszeiten und Fluktuation, gewerk-schaftliche Organisierung, Tarifverträge, Betriebsräte.

    , Standorte: Wo befinden sich Produktionsstandorte/Verkaufsstellen?

    , Eigentümer: Wem gehört das Unternehmen? Wer sind die Hauptaktionäre?

    , Banken/Investoren: Wie finanziert sich das Unternehmen? Wer gibt Geld?

    , Management/Aufsichtsrat: Wer sind die Entscheiderim Unternehmen, welchen Einfluss hat die Mutter-gesellschaft? Wer ist im Aufsichtsrat? In welchen an-deren Aufsichtsräten sitzen Manager/Aufsichtsräte?Welche Verbindungen bestehen zu Politik, Verbän-den, Wohltätigkeitsorganisationen?

  • PRAXISBEISPIEL UNTERNEHMENSRECHERCHERECHERCHE ALS GRUNDLAGE FÜREINE ERFOLGREICHE STRATEGIE BEI DFH HAUS

    \

    20 Recherche und Analyse

    Mit über tausend Beschäftigten ist DFH Haus in Simmerneiner der größten Fertighaushersteller in Deutschland.Eine Tarifbindung durchzusetzen, kann sich die Beleg-schaft aber lange nicht vorstellen – bis die aktiven IG Me-taller im Betrieb gemeinsam mit der Geschäftsstelle BadKreuznach und dem bezirklichen Erschließungsprojektder IG Metall Mitte (GEP) beschließen, in die Offensivezu gehen. Im ersten Schritt gehen sie daran, mehr undmehr Beschäftigte für die Gewerkschaft zu gewinnen.Mitte 2017 ist die Basis stark genug und die IG Metallkann den Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen auffordern.Ziel: die volle Anerkennung der Tarifverträge der Holz-und Kunststoffindustrie. Die Verhandlungen beginnenschleppend, bis die Belegschaft einen Warnstreik organi-siert, bei dem deutlich wird, dass sich mit gemeinsamenAktionen sehr gut Druck aufbauen lässt.

    Allerdings zeigt sich, dass es wichtig ist, zu wissen, wieder Arbeitgeber tickt. Der Vorstandsvorsitzende undHauptgesellschafter der DFH Haus, der auch an zahlrei-chen anderen Firmen beteiligt ist, genießt einen Ruf alsGewerkschaftsgegner.

    Da im Laufe der Auseinandersetzung einige Betriebsrats-mitglieder eine Abmahnung erhalten, stellen sich den Ak-tiven und Hauptamtlichen mehrere Fragen: Wie wird derArbeitgeber auf weiteren Druck reagieren, droht die Ge-

    fahr des Union Busting? Ist das Unternehmengar bereit, an der Beleg-

    schaft ein Exempel zu statuieren? Davon hängt ihre wei-tere Verhandlungsstrategie ab.

    Um eine bessere Grundlage zur Einschätzung zu haben,beschließen sie eine strategische Unternehmensrecherche.Die Geschäftsstelle stellt einen Rechercheauftrag beimRessort IDB in der Vorstandsverwaltung der IG Metall,das ein Unternehmensprofil mit Wirtschaftsdaten undeine Analyse der Firmenverflechtungen von DFH Hauserstellt. Der Bewertung der Wirtschaftsdaten folgt eineRecherche über das Management: War der Arbeitgeber inirgendeiner Weise in anderen Unternehmen mit tarifli-chen Auseinandersetzungen konfrontiert? Wie ist er dortvorgegangen? Wie ist er wirtschaftlich, sozial und poli-tisch vernetzt, und ergeben sich dadurch Möglichkeiten,Druck zu entwickeln?

    Die Resultate intensiver Internetsuche, der Recherche vonZeitungs- und Medienberichten, Datenbanken wie NorthData, persönlicher Gespräche und zahlreicher weitererQuellen helfen schließlich, das Risiko solide abschätzenzu können.

    Parallel dazu wird recherchiert, wo und wann die rund450 Monteure des Betriebs aufgesucht werden können,um auch sie für die Tarifauseinandersetzung und die an-stehende Betriebsratswahl zu aktivieren und für die IGMetall zu gewinnen. Ihre Ergebnisse bilden die Grundlagefür eine gemeinsame Blitzaktion auf zahlreichen Baustel-len. Innerhalb kürzester Zeit gelingt es Ehren- undHauptamtlichen, einen Großteil der Monteure zu besu-chen und anzusprechen. Weitere Aktionen folgen. Dannist es so weit.

    Der Arbeitgeber gibt dem Druck der Warnstreiks nach und»flüchtet« als Mitglied mit Tarifbindung in den Arbeitge-berverband. Als erster Erfolg wird dazu ein Überleitungsta-rifvertrag abgeschlossen, der deutliche Entgelterhöhungenund weitere wichtige Verbesserungen mit sich bringt.Zudem etabliert dieser einen klaren Zeitplan für die voll-ständige Übernahme der Bedingungen des Flächentarifver-trags, wozu unter anderem die 35-Stunden-Woche gehört.Mit Warnstreiks macht die Belegschaft Druck.

  • WICHTIGE INFORMATIONEN UND HILFREICHE QUELLEN

    IG METALL

    UNTERNEHMEN

    INTERNETSUCHE

    Recherche und Analyse 21

    Kontakte der Geschäftsstelle nutzen

    Rechercheauftragbeim Vorstand

    IG Metall-Geschäfts-stellensuche

    Unternehmens-Homepage

    Zeitschriften und Informations -materialien des Unternehmens

    Suchmaschinen

    bbb

    bbb

    bbb

    bbb

    bbb

    bbb

    , Erste Anlaufstelle, falls vorhanden: Kontakte/Mitglieder/Aktive imBetrieb (Themen, Arbeitsbedingungen, Beschäftigtenstruktur …)

    , Betriebsräte/Mitglieder in Nachbarbetrieben (Kontakte, Betriebs -informationen …)

    , Betriebsräte/Mitglieder in anderen Standorten des Unternehmens(Kontakte, Betriebsinformationen …)

    , IHK und Arbeitsagentur (z. B.: Beschäftigtenzahlen), Lokalpolitiker (Betriebsinformationen, öffentliche Förderungen …)

    , Grundlegende wirtschaftliche und rechtliche Informationen zu Betrieben und Unternehmen

    , Auszüge diverser privater und öffentlicher Datenbanken (sonst meist kostenpflichtig)

    , Oft auch Angaben zur Beschäftigtenzahl, Presserecherche2 http://intranet.bo-it.de/cps/rde/xchg/intranet/style.xsl/

    view_533.htm

    , Zu welcher Geschäftsstelle gehört der Betrieb?2 https://www.igmetall.de/view_ogs_suche.htm

    , Standorte, Produkte, Beschäftigtenzahl, Eigentümer, Management, Firmengeschichte …

    , Aktuelle Projekte, Produkte, Standorte, Beschäftigtenzahl …

    , Alle möglichen Informationen, Auffinden weiterer Online-Quellen über den Betrieb2 z. B. www.google.com oder www.startpage.com

    Google-Alert einrichten

    bbb, Neueste Informationen zum Unternehmen automatisch erhalten

    Suchmaschine für Unternehmensdaten

    bbb, Stellt Firmenverstrickungen auf Grundlage von verschiedenen Da-tenbanken übersichtlich dar

    , Bietet Informationen zu Management- und Eignernetzwerken undstellt diese übersichtlich dar

    2 www.northdata.de

    WO? AUFWANDWAS?

    Fortsetzung nächste Seite

  • 22 Recherche und Analyse

    PRESSE

    ÖFFENTLICHE DATENBANKEN

    PRIVATE DATENBANKEN

    Arbeitgeber -bewertungsportale

    Finanzportale

    Lokalzeitungen

    Unternehmens -register

    Amerikanische Börsenaufsicht

    bbb

    bbb

    bbb

    bbb

    bbb

    , Arbeitgeberbewertungen der Beschäftigten, Kommentare von Beschäftigten, die auf mögliche Themen

    hinweisen können2 www.kununu.com oder www.glassdoor.de

    , Berichte börsennotierter Aktiengesellschaften(z. B. Yahoo Finance, Finanzteil des Focus)

    , Artikel über den Betrieb, Teilweise online frei verfügbare Artikel, teilweise kostenpflichtig

    Fachzeitschriften bbb, Unternehmenspressemitteilungen, Entwicklung neuer Produkte

    , Geschäftsberichte, Veränderungen der Geschäftsführung, Gegen Gebühr: gerichtliche Registerdaten2 www.unternehmensregister.de

    Bundesanzeiger bbb, Jahresabschlüsse2 www.bundesanzeiger.de

    Parlaments -dokumente

    bbb, Antwort auf kleine parlamentarische Anfragen, Förderung von Unternehmen auf Landes- und Bundesebene2 www.parlamentsspiegel.de2 www.bundestag.de/dokumente/parlamentsdokumentation/

    index.html

    Informativ bei Unternehmen, die an US-amerikanischen Börsen notiert sind, Eigner, Manager, Oft aufgrund der Rechtslage umfassendere Informationen als in

    deutschen Datenbanken2 www.sec.gov/edgar/searchedgar/companysearch.html

    Firmendatenbanken(z.B. Bisnode, Markus /Bureau van Dijk, CRIFBürgel, Credit reform,D&B), Genios, Firmen-wissen

    bbb, Verflechtungen, Eigner, BonitätÜber die Rechercheanfrage beim Vorstand können Geschäftsstellenkostenfrei Datenauszüge von einigen dieser Datenbanken erhalten.Die Datenbanken sind kostenpflichtig.

    Wikipedia bbb, Informationen zur Firmengeschichte2 https://de.wikipedia.org

    Personensuch -maschine

    bbb, Auffinden personenbezogener Informationen im Internet2 www.yasni.com

  • Erschließungsarbeit kann in Betrieben sowohl ohne alsauch mit Gewerkschafts- und Mitbestimmungsstrukturenstattfinden. Themen und Mitgliederpotenzial gibt esschließlich in beiden Fällen. In Betrieben ohne Betriebsratgeht es meist zunächst darum, Wahlen vorzubereiten unddurchzuführen. In Betrieben mit schwachen Strukturenwollen wir diese stärken, indem wir weitere Kolleginnenund Kollegen aktivieren und den gewerkschaftlichen Or-ganisationsgrad erhöhen. Und inBetrieben mit etablierten Struktu-ren gibt es immer wieder Abteilun-gen oder Bereiche – wie etwa beiden Angestellten oder Ingenieurenund Ingenieurinnen –, in denen wirals IG Metall weniger gut vertretensind.

    Welche Strukturen es bereits gibtund wie stark sie sind, entscheidetüber unsere Vorgehensweise unddabei als Allererstes darüber, wiewir überhaupt Zugang zur Belegschaft finden.

    Relativ unproblematisch ist es, wenn wir als IG Metall be-reits starke Strukturen im Betrieb haben, weil unsereFunktionärinnen und Funktionäre dort die ersten An-sprechpartner sind. Schwieriger wird der Zugang, wenn esBetriebsräte gibt, die nur eine schwache Bindung an die

    IG Metall haben. Denn diese sind oft misstrauisch, wennsich in ihrem Betrieb plötzlich aktive Gewerkschaftsmit-glieder zu erkennen geben und engagieren wollen oderwenn sich gar hauptamtliche Gewerkschafter für ihrenBetrieb interessieren. In diesen Fällen müssen wir unsgründlich überlegen, wie wir vorgehen.

    Besonders aufwändig ist es, wenn wir einen Betrieb ohneStrukturen erschließen wollen. Hierbeginnen wir bei null und müssensehr genau planen, welche Kolleginoder welchen Kollegen wir als Ers-tes ansprechen. Als Betreuungs-oder Erschließungssekretär fragenwir uns, wie und mit wem über-haupt wir Kontakt aufnehmen.

    Vor allem in diesen ohnehinschwierigeren letzten beiden Fällenmüssen wir zudem damit rechnen,dass der Arbeitgeber Gegenmaß-

    nahmen ergreift. Deshalb ist es hier angezeigt, sehr vor-sichtig vorzugehen, um weder Kolleginnen oder Kollegennoch das Projekt zu gefährden.

    Dieses Kapitel zeigt, wie wir den Zugang in den unter-schiedlichen Ausgangssituationen systematisch planen,durchführen und absichern können.

    Zugang 23

    ZUGANG

    Wie komme ich am besten in Kontakt mit der Belegschaft?

    »Welche Strukturen es bereits gibt,

    entscheidet über unsere Vorgehens-

    weise.«

  • 24 Zugang

    ZielIn dieser Phase geht es darum, Zugänge zu den Kollegin-nen und Kollegen im Betrieb zu finden. Wir wollen Kon-takt zu vorhandenen Betriebsräten und Vertrauensleutenoder – falls es diese nicht gibt – zu einzelnen Beschäftig-ten herstellen und Vertrauen aufbauen.

    Vorgehen

    BETRIEBE MIT MITBESTIMMUNGS-UND IG METALL-STRUKTUREN

    Bei Betrieben, in denen es bereits etablierte Strukturen gibt,sind unsere (anderen) Mitglieder sowie Funktionärinnenund Funktionäre die ersten Kontaktpersonen. Vermutlichhaben wir sie schon bei der Sondierung, Recherche und Pla-nung des Erschließungsprojektes einbezogen. Wenn nicht,ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sie direkt anzusprechen.

    Gerade wenn wir die Akteurinnen und Akteure, die wir alsErstes ansprechen, oft schon kennen, ist es hilfreich, sichvorher zu überlegen, wer davon vermutlich Interesse an derErschließungsarbeit hat. Mit ihnen gemeinsam kann mandann herausfinden, welche Kolleginnen und Kollegen dieweitere Arbeit aktiv unterstützen würden und in den Basis-aufbau (siehe hierzu ab S. 26 ff) einbezogen werden können.

    So gelingt ein guter Start in Betrieben mit vorhandenen, aber schwachen StrukturenBei Betrieben, in denen es Betriebsräte mit keiner oder

    einer schwachen Bindung an die IG Metall und einzelneMitglieder gibt, ist es sinnvoll, schrittweise vorzugehenund zu prüfen:

    , Welche Kontakte habe ich? Dafür hilft die Erstellungeiner Kontaktliste.

    , Wen kontaktiere ich zuerst? Wer ist bekannt, wer istzugänglich, wer weniger offen? Welche Haltung habendie einzelnen Betriebsräte zur IG Metall?

    , Wie kontaktiere ich die Kolleginnen und Kollegen?

    , Man sollte bewusst entscheiden, wie und wo der Kontakt aufgenommen werden soll. Spreche ich je-manden im Pausenraum an? Greift man zum Telefon,schreibt einen klassischen Brief oder eine E-Mail? Und:Wähle ich die Dienstnummer oder die private, dieDienstadresse oder die Privatanschrift? Oder ent-scheide ich mich doch für einen persönlichen Hausbe-such?

    , Merke: Für die Entscheidung sollten wir uns darüberim Klaren sein, welche Stimmung im Betrieb herrscht.Ist der Arbeitgeber in der Vergangenheit wegen seinesVerhaltens beim Thema Gewerkschaft oder im Um-gang mit Beschwerden von Kolleginnen und Kollegenaufgefallen? Wenn ja, ist klar, dass der persönlicheErstkontakt im privaten Umfeld oder an einem ge-schützten Ort stattfinden sollte.

    KurzbeispielEin F&E-Standort eines großen Zulieferers für die Auto-mobilindustrie mit über 600 Beschäftigten hat einen Be-triebsrat. Drei von den neun Mitgliedern des Gremiumssind Mitglieder der IG Metall, es besteht aber keine starkeVerbindung. Deshalb kann nicht davon ausgegangen wer-den, dass es erfolgversprechend ist, einen Brief an das ge-samte Gremium zu schreiben und um eine Einladung zurnächsten Sitzung zu bitten. Auch ist unklar, welche Stel-lung die Mitglieder im Gremium haben und wie intensivsie sich mit der IG Metall identifizieren.

    Der erste Schritt besteht darin, die drei IG Metall-Be-triebsräte als Mitglieder anzurufen und ein persönlichesTreffen mit ihnen zu verabreden. Bei diesem geht esdarum, sie kennenzulernen, also eine Verbindung aufzu-bauen, die die Grundlage für eine weitere vertrauensvolleZusammenarbeit sein kann.

    1. Ausgangslage bewusst machen. Merke: Bei einemBetrieb ohne Betriebsrat kann ein offenes Auftretenals IG Metall kontraproduktiv sein.

    3. Entscheiden, wie die Kontaktaufnahme stattfindensoll, und diese vorbereiten.

    5. Kontaktdatei anlegen.

    2. Alle Zugangsmöglichkeiten und bestehenden Kontakte auflisten und prüfen.

    4. Bereits bekannte (potenziell) Aktive anrufen/ ansprechen und einbinden oder Erstkontakt aufnehmen. Notizen zu den Gesprächen machen,um den Überblick zu behalten.

    6. Rechercheergebnisse anhand der neuen Informationen aktualisieren.

  • BETRIEBE OHNE KONTAKTE

    Bei Betrieben, in denen wir uns als IG Metall-Mitglied al-leine wähnen oder die für uns als Hauptamtliche weißeFlecken sind, müssen wir deutlich mehr Zeit aufwenden,um die Bedingungen für den Zugang zu recherchierensowie Erstkontakte vorzubereiten und durchzuführen.Erstkontakte können dabei sowohl über andere Personenals auch über reale oder virtuelle Orte angebahnt werden.

    PersonenAls direkter Erstkontakt, aber auch für die Vermittlungeines Erstkontakts kommen in Frage:

    , bislang unbekannte IGM-Mitglieder in der Belegschaft.Diese kann die Geschäftsstelle möglicherweise übereinen Abgleich mit Sammelnummern aus den Mitglie-derdatenbanken (MDB) ausfindig machen.

    , Beschäftigte, die möglicherweise auf der Website desUnternehmens aufgeführt werden. Auch hier lohnt einAbgleich mit MDB.

    , IG Metall-Betriebsräte oder Vertrauensleute aus organisierten Nachbarbetrieben. Möglicherweise ken-nen sie jemanden oder teilen eine Kantine oder einenKiosk mit den Beschäftigten des Zielbetriebs, so dasswir auf diese Weise Kontakt aufnehmen können.

    , Mitglieder anderer DGB-Gewerkschaften in der Belegschaft.

    , private Bekanntschaften von jemandem in der Geschäftsstelle mit einzelnen Beschäftigten des Zielbetriebs.

    OrteMöglichkeiten, einen Erstkontakt zu finden, bieten:

    , Kneipen, Kantinen, Kioske in der Umgebung des Be-triebs, die von den Beschäftigten genutzt werden.

    , soziale Netzwerke.

    , Bus und Bahn auf dem Weg vom und zum Betrieb.

    , Berufsschulen.

    , Stand vor dem Werkstor. Merke: Hier besteht die Ge-fahr, dass der Arbeitgeber durch unsere Aktivitätenalarmiert wird und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen

    Zugang 25

    ergreift (siehe hierzu Union Busting ab S. 65). Auch istdie erste Hürde für interessierte Kolleginnen und Kol-legen, ins Gespräch zu kommen, wegen der sozialenKontrolle oft zu groß. Diesen Weg sollten wir also nurwählen, wenn wir sicher wissen, dass es sich nicht umeinen gewerkschafts- oder mitbestimmungsfeindlichenArbeitgeber handelt. Können wir das nicht ausschlie-ßen, sollten wir vorsichtshalber davon absehen.

    KurzbeispielAus dem anvisierten Betrieb sind keine IG Metall-Mit-glieder bekannt, die direkt angesprochen werden könnten.Bei der Recherche, wo Beschäftigte aus dem Unterneh-men zu finden sind, sucht der Erschließungssekretär inden sozialen Medien nach Betriebssport- oder anderenGruppen, die mit dem Firmennamen zusammenhängen.Bei Facebook wird er fündig: Dort haben sich 300 Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter aus dem Gesamtunterneh-men privat organisiert und tauschen sich regelmäßig aus.Tatsächlich sind in der Facebook-Gruppe 9 IG Metall-Mitglieder, die in der Geschäftsstelle unter anderen Be-triebsnamen und als Sammelnummer geführt wurden.

    Der erste Schritt ist, diese Mitglieder nach Feierabend an-zurufen. Der Anruf ist zunächst rein informativ und solleine erste Kontaktaufnahme sein und Interesse wecken.Der Erschließungssekretär ist damit erfolgreich: Immer-hin 4 Mitglieder hält er für so interessiert, über die Situa-tion im Betrieb zu sprechen und sich über Veränderungs-möglichkeiten auszutauschen. Diese lädt er zu einem per-sönlichen Gespräch ein.

    MATERIALIEN ZUM THEMA

    d Übersicht von möglichen Kontakt-quellen bei komplett weißen Flecken

    d Brief/E-Mail zur Kontaktabfrage

    2 www.igmetall-mehr-werden.de/handbuch

    ž

  • 26 Basisaufbau

    bereich in einem bereits gut erschlossenen Betrieb erwei-tern oder stabilisieren wollen, können wir beispielsweiserelativ offen und transparent agieren. Wenn wir dagegeneine bislang gewerkschaftsfreie Zone erobern wollen, be-

    rücksichtigen wir das, um initiativgewordene Kolleginnen und Kolle-gen nicht in Gefahr zu bringen.

    Wollen wir die Gewerkschaft quasivon null aufbauen, beginnen wirmit dem Aufbau eines Aktivenkrei-ses aus interessierten Beschäftigten.Dazu gilt es als Allererstes heraus-zufinden, ob es überhaupt solcheengagierungswilligen Kolleginnenund Kollegen gibt und wo wir siefinden. Dann müssen wir sie an-

    sprechen und zusammenbringen. Unser Ziel ist, auf dieseWeise eine Kerngruppe zu bilden, die wiederum weitereMitstreiterinnen und Mitstreiter gewinnen kann.

    Sind wir selbst Vertrauensleute oder Teil eines Betriebs-rats, werden wir schon einen recht guten Überblick überdie Beschäftigten haben. Wir kennen die Belange des Be-triebs, seine Organisation, wissen, was die Belegschaftumtreiben könnte. Aus genau diesen Gründen sind enga-gierte Betriebsräte und – wenn vorhanden – Vertrauens-

    Bei jedem großen Erschließungsprojekt und in jeder ein-zelnen Phase der Erschließung brauchen wir eine stabilegewerkschaftliche Basis im Betrieb, also engagierte Kolle-ginnen und Kollegen. Wie stark und gut organisiert dieBelegschaft ist, entscheidet darüber,was wir gemeinsam durchsetzenkönnen. Das gilt für alle Hand-lungsfelder, ob wir also einen gan-zen – womöglich gewerkschafts-feindlich geleiteten – Betrieb er-schließen wollen oder nur einenschlechter organisierten Bereich ineinem Betrieb mit einem ansonstenhohen Organisationsgrad. Und esgilt für alle möglichen Themen, diewir angehen wollen – gleich, ob esum Dienstpläne geht, Entgelte,mangelnde Anerkennung, Überstundenforderungen oderdie Kantine. Immer wieder wird es zentral sein, hand-lungsfähige Akteure zu entwickeln.

    Die Instrumente und Methoden, die wir in diesem Kapitelvorstellen, helfen uns dabei, systematisch und effektiv vor-zugehen. Weil der Basisaufbau von Fall zu Fall unter-schiedlich ablaufen muss, lassen sie sich flexibel einsetzen.Nicht immer werden wir zu jedem Zeitpunkt alle brau-chen. Wenn wir mit dem Projekt unseren Organisations-

    BASISAUFBAU

    Wie können wir im Betrieb mehr und stärker werden?

    »Immer wieder wird es zentral sein,

    handlungsfähige Akteure zu

    entwickeln.«

  • leute auch die wichtigsten Ansprechpartner, wenn wir alsaktive Mitglieder oder Hauptamtliche Betriebe mit beste-henden Strukturen erschließen wollen. Selbst wenn dieKolleginnen und Kollegen sich im konkreten Fall viel-leicht nicht als treibende Kraft im Erschließungsprozesssehen und andere Aufgabenschwerpunkte haben, könnenwir keine aktive Struktur an ihnen vorbei aufbauen. Wirmüssen uns mit ihnen abstimmen und soweit möglich zu-sammenarbeiten – weil sie hilfreiches Wissen und nützli-che Kompetenzen haben, aber auch, weil wir nicht unter-schätzen sollten, dass sie sich sonst möglicherweise über-gangen fühlen. Damit könnten unnötige Konflikte – undschlimmstenfalls eine Konkurrenz entstehen, in der wiruns gegenseitig schwächen. Gemeinsam zu agieren, ist aufjeden Fall erfolgversprechender.

    Merke: In einigen Fällen ist es so, dass der Erschließungs-prozess vom Vertrauenskörper als Gremium ausgeht. Mitgut informierten, handlungsfähigen Vertrauensleuten las-sen sich zum Beispiel weiße Flecken im Betrieb, wie etwadie Angestellten oder Hochqualifizierten, erschließen.Hier sollten wir darauf achten, dass Aktiventreffen oderAktionen nicht als geschlossene Veranstaltung des Ver-trauenskörpers erscheinen. Denn Ziel ist es ja gerade,neue Aktive und Vertrauensleute zu gewinnen und diesean der Arbeit zu beteiligen. Es macht also Sinn, eine vonder Vertrauenskörperleitung unterstützte, aber offene Ar-beits- oder Aktivengruppe zu bilden, zu der neue Kolle-ginnen und Kollegen einfach dazustoßen können.

    ZielZiel ist, eine breite, sich selbst tragende gewerkschaftlicheStruktur im Betrieb aufzubauen. Dazu müssen wir Unter-stützer im Betrieb identifizieren, ansprechen und aktivie-ren. Entscheidend ist, dass wir mit möglichst vielen Be-schäftigten in Kontakt kommen. So gewinnen wir neueMitglieder und die Voraussetzungen dafür, Themen derBelegschaft erfolgreich anzugehen.

    Vorgehen

    Basisaufbau 27

    ERSCHLIESSUNGSTEAM: DIE KERNMANNSCHAFT FÜR ALLES WEITERE

    Einen Betrieb zu erschließen, ist nichts, was man aus demÄrmel schütteln kann. Das strategische Herangehen erfor-dert konzentrierten und kontinuierlichen Einsatz, Know-how über Erschließungsmethoden und weitere Kompe-tenzen, die wir uns oft zumindest teilweise erst aneignenmüssen. Deshalb ist es in aller Regel sinnvoll, wenn es einverantwortliches Erschließungsteam gibt, das in der ers-ten Zeit die Impulse gibt: Es schafft die Rahmenbedin-gungen, entwickelt die Strategie, leitet und steuert denProzess, gibt Anregungen für die nächsten Schritte, orga-nisiert Treffen und unterstützt die Arbeit der Aktiven. Zu-sammengefasst ist es stabiler Kern, Motivator und zuver-lässiger Begleiter.

    Wichtig ist, dass dieses Team eine Vorstellung davon hat,wie es die Kolleginnen und Kollegen aktiv einbindenkann, damit sie selbst ihre eigenen Probleme angehenkönnen. Und, dass es immer das Gesamtkonzept im Augebehält.

    Im Verlauf des Prozesses wird es zunächst übernommeneAufgaben und Funktionen, aber auch Verantwortungnach und nach an weitere Aktive aus dem Aktivenkreisoder Vertrauenskörper abgeben. Schließlich ist das Ziel,im Betrieb über den bestehenden Funktionärskörper hi-naus zusätzliche Akteurinnen und Akteure zu entwickeln,die selbst handlungs- und auch konfliktfähig sind.

    Was bedeutet das für das Erschließungsteam?Das Erschließungsteam sollte für jedes Projekt individuellzusammengesetzt sein. Welche Kolleginnen oder Kollegenaus welchen Positionen und mit welchen Kompetenzenwir hier am besten einsetzen und zusammenbringen,hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen vorOrt ab. Auch hier ist also wieder vor allem interessant, ob

    , Bildung eines Erschließungsteams.

    , Erstellen einer Betriebslandkarte.

    , Erstellen einer Anspracheplanung.

    , Anlegen eines gewerkschaftlichen Betriebsplans.

    , Direkte Kommunikation: 1:1-Gespräche mit Beschäftigten.

    , Identifizieren von Schlüsselpersonen.

    , Aufbau eines Aktivenkreises, eines aktiven Vertrauenskörpers.

  • 28 Basisaufbau

    es in unserem Projektbetrieb schon gewerkschaftlicheStrukturen gibt und wie diese aussehen. Im direkten Zu-sammenhang damit steht die Frage, was das jeweilige Zielunseres konkreten Projekts ist.

    Betriebe mit etablierten StrukturenBei Betrieben mit starken IG Metall-Strukturen kann dasbeispielsweise so aussehen, dass wir weiße Flecken inner-halb des Unternehmens erschließen oder unsere Organi-sationsmacht weiter stärken wollen. Etwa wenn der Ange-stelltenbereich zuletzt überproportional gewachsen, aberbislang nicht entsprechend in den Gremien vertreten ist.Oder wenn wir einen Tarifvertrag neu abschließen odereinen bestehenden verbessern wollen. In so einem Fallsind unsere betrieblichen Funktionärinnen und Funktio-näre häufig schon beim Erschließungsprojekt dabei – viel-leicht haben sie es sogar angestoßen oder sich frühzeitigan der Planung beteiligt. Sie sollten aber mit dem Projektnicht von den zuständigen Hauptamtlichen allein gelassenwerden – denn die wenigsten gewerkschaftlichen Akteu-rinnen und Akteure im Betrieb haben schon Erfahrungmit Erschließungsprozessen und den dazugehörigen Me-thoden und Arbeitsweisen. Hier ist es wichtig, dass dieGeschäftsstelle unterstützt und Qualifizierungsangebotemacht. Das muss nicht immer in Seminarform passieren,sondern kann auch prozessbegleitend über eine enge Zu-sammenarbeit durch »learning by doing« geschehen. Das

    Erschließungsteam besteht hier idealerweise aus den zu-ständigen Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretären,aus besonders engagierten Mitgliedern aus dem zu er-schließenden Bereich und aus Betriebsräten und Mitglie-dern des Vertrauenskörpers, die Verantwortung für denErschließungsprozess übernehmen möchten und dafürvon ihren Gremien die Unterstützung haben.

    Betriebe mit Betriebsrat, aber schwacher Bindungan die IG MetallWenn es einen Betriebsrat gibt, dieser aber weniger starkan die IG Metall gebunden ist, sollte es unser erstes Zielsein, das Betriebsratsgremium für unser Erschließungs-vorhaben zu gewinnen. Das kann viel Zeit und Geduld er-fordern – vor allem wenn es bis dahin keine Zusammen-arbeit mit der IG Metall gegeben hat, vielleicht sogarschlechte Erfahrungen mit früheren Projekten gemachtwurden.

    Und auch wenn wir schon Vertrauensleute im Betriebhaben, heißt das nicht, dass alle automatisch für das Er-schließungsprojekt brennen – zumal auch hier die we-nigsten schon einmal an einem solchen Vorhaben betei-ligt gewesen sein dürften. Bei den einen müssen wir unserst das Vertrauen erarbeiten, andere wollen motiviert,begeistert und nicht zuletzt auch mit den Methoden be-kannt gemacht und qualifiziert werden. Dann aber kön-nen sie wertvollen Input leisten.

    Es empfiehlt sich, bei der Kontaktaufnahme gut vorbe-reitet und schrittweise vorzugehen: Statt gleich beim ge-samten Gremium mit dem Thema aufzuschlagen, tastenwir uns bei einzelnen Mitgliedern des Betriebsrats undder Vertrauenskörperleitung vor. Am besten sprechenwir zuerst diejenigen Kolleginnen und Kollegen an, dieunserer Einschätzung nach sehr offen für unser Vorha-ben sind. Im Idealfall wird hier das Erschließungsteamaus besonders an der Erschließung interessierten ehren-amtlichen Aktiven sowie der zuständigen Gewerk-schaftssekretärin bzw. dem Gewerkschaftssekretär gebil-det.

    Betriebe ohne StrukturenDen größten Aufwand haben wir zu erwarten, wenn imZielbetrieb noch gar keine Strukturen bestehen und esnur wenige IG Metall-Mitglieder sowie womöglich auchnoch einen gewerkschaftsfeindlichen Arbeitgeber gibt.

    Unbeteiligte

    Unterstützerinnen

    Aktive

    Erschließungs-team

    Aktive

    Unterstützer

    Unbeteiligte

    Ablehnend kritisch

    Das »Bullseye« gibt eine Übersicht, wie verschiedene Teile der Belegschaft in die Erschließung eingebunden sind.

  • Hier sollten wir am meisten Zeit und Ressourcen einpla-nen. Und wir müssen von vornherein mitbedenken, dasses im Lauf der Erschließung – etwa wenn es zu einer Be-triebsratswahl kommen sollte – notwendig werden kann,schnell zu reagieren, beispielsweise auch an die Öffent-lichkeit zu gehen und mit gezielten Aktionen Druck zuentfalten.

    Nehmen wir uns ein solches Projekt vor, sollten im Er-schließungsteam gut geschulte, im besten Fall bereits inder Erschließung erfahrene Sekretärinnen und Sekretäresein, die sich in der laufenden Arbeit regelmäßig mit an-deren Hauptamtlichen austauschen, beraten und von dortauch praktisch Unterstützung erhalten können. Sobaldvorhanden, sollten auch erste besonders interessierte Mit-glieder aus dem Betrieb in das Erschließungsteam aufge-nommen werden. Einige Verwaltungsstellen beziehen da-rüber hinaus ehrenamtliche Aktive aus anderen Betriebenfür Betriebsratsneugründungen ein oder gewinnen Orts-vorstandsmitglieder als Paten zur Unterstützung und Er-mutigung von Kolleginnen und Kollegen, die die Gewerk-schaft in ihrem Betrieb aufbauen wollen.

    AKTIVENKREIS UND VERTRAUENSKÖRPER: TRÄGER DER ERSCHLIESSUNGSARBEIT

    Die treibende Kraft bei der Erschließung sind Aktive imBetrieb, die idealerweise regelmäßig und verbindlich amProjekt mitarbeiten und so die gewerkschaftlichen Aktivi-täten im Betrieb tragen. Gemeinsam bilden sie den Akti-venkreis. Im Vergleich zum Erschließungsteam handelt essich hier um eine deutlich breitere Gruppe. Das Erschlie-ßungsteam stößt die Aktivitäten und Treffen an und über-nimmt die Organisation, viele Mitglieder des Aktivenkrei-ses beteiligen sich zunächst an diesen und übernehmenSchritt für Schritt verabredete Aufgaben. Sie besorgenzum Beispiel Informationen, führen 1:1-Gespräche, for-mulieren Flyer oder Plakate und beteiligen sich an Aktio-nen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt zeigen sie sich inder Betriebsöffentlichkeit als Unterstützer.

    In Betrieben ohne bestehende gewerkschaftliche Struktu-ren ist der Kreis zunächst meist eher klein, aber fein –und er sollte zumindest zunächst ein geschützter Raumsein. Vor allem in einem angstbesetzten Umfeld sollten

    am Anfang nur Kolleginnen und Kollegen zusammen-kommen, die sich untereinander kennen und vertrauen.

    Wo es bereits Betriebsräte, Vertrauenskörper oder beidesgibt, sind einzelne BR-Mitglieder oder Vertrauensleutewichtige Träger des Aktivenkreises. Ziel ist aber immer,über diese hinaus auch neue Mitstreiterinnen und Mit-streiter für langfristige Aufgaben zu gewinnen.

    Qualitätskriterien für einen Aktivenkreis

    , Ist er repräsentativ: Besteht er aus Aktiven aus allen Hal-len, Bereichen, Abteilungen, Schichten, Beschäftigten-gruppen des Betriebs? – Geht es konkret um die Erschlie-ßung eines einzelnen Bereiches, ist es natürlich wichtig,dass insbesondere viele Aktive aus diesem stammen.

    , Wie gut ist der Kontakt zur Belegschaft?

    , Wächst der Aktivenkreis beständig und dynamisch, vorallem zu Beginn des Erschließungsprozesses?

    , Wenn nicht: Was ist der Grund dafür? Sprechen dieAktiven nicht regelmäßig und gezielt mit ihren Kolle-ginnen und Kollegen? Herrscht Angst, gibt es einenneuen Konflikt?

    , Übernehmen die Aktiven Aufgaben und Verantwortung?

    DIE ROLLE VON SCHLÜSSELPERSONEN

    Damit eine Erschließung gelingen kann, ist es wichtig,Schlüsselpersonen ausfindig zu machen und für das Vor-haben zu gewinnen. Das müssen keineswegs Kolleginnenund Kollegen sein, die an wichtigen Positionen wie der

    Basisaufbau 29

    WUSSTEST DU?

    , Das Handbuch für Vertrauens-leute kann als Nachschlagewerkzu den vielfältigen Themen undAufgaben der Vertrauensleute -arbeit genutzt werden.

    , Das Handbuch kann über dieGeschäftsstelle bestellt werden.

  • 30 Basisaufbau

    Pforte oder der Werkzeugausgabe sitzen, wo sie Kontaktzu vielen anderen Kolleginnen und Kollegen haben –auch wenn das ebenfalls interessante Mitstreiterinnen undMitstreiter sein können.

    Die Schlüsselkompetenz für unser Vorhaben ist aber, dassdiese Personen von sich aus eine natürliche Autorität aus-strahlen, Anerkennung genießen und daher andere Kolle-ginnen und Kollegen mitziehen und mobilisieren können.Dass sie eigene Ideen mitbringen, strategisch denken undden Prozess tragen und antreiben können. Merke: Schlüs-selpersonen sind nicht zu verwechseln mit wild Ent-schlossenen, die zwar für gewerkschaftliche Aktionenbrennen, die für die eigenen Kolleginnen und Kollegenaber nicht die Bezugsperson darstellen.

    Wichtige Aufgaben von Schlüsselpersonen

    , 1:1-Gespräche führen und Kolleginnen und Kollegenaktivieren: Schlüsselpersonen sollten wissen, wie sie dieZiele und Maßnahmen klar und glaubwürdig vermit-teln und Gegenargumente entkräften.

    , Strategische Arbeit: Sie sollten einen Plan für das wei-tere Vorgehen haben und Aktionen verantwortlichführen können.

    , Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen im Betrieb: Siesollten ein Verständnis von der Rolle des Aktivenkrei-ses bzw. Vertrauenskörpers haben, Kolleginnen undKollegen auf ihre Mitmachbereitschaft testen und sieklar einschätzen können.

    Merke: In den wenigsten Fällen werden wir Schlüsselper-sonen finden, die all das auf einmal und sofort können. Essollte aber unser gemeinsames Ziel sein, sie gezielt dabeizu unterstützen, sich die entsprechenden Kompetenzenanzueignen.

    Da Schlüsselpersonen für den Erschließungsprozess vonbesonderer Bedeutung sind, ist in diesem Kapitel (aufS. 39) ein weiterer Abschnitt enthalten, der sich explizitmit Fragen und Vorgehensweisen beschäftigt, die dabeihelfen, Schlüsselpersonen ausfindig zu machen. Ebensowerden dort Hinweise gegeben, wie wir Schlüsselperso-nen dabei unterstützen können, mit ihren gewerkschaftli-chen Aufgaben zu wachsen.

    HILFREICHE INSTRUMENTE

    BETRIEBSLANDKARTE UND GEWERKSCHAFT-LICHER BETRIEBSPLAN: WER, WO, WIE – DENBASISAUFBAU SYSTEMATISCH PLANEN

    Bei der Betriebslandkarte und dem GewerkschaftlichenBetriebsplan handelt es sich um praktische Instrumente,mit denen sich das Erschließungsteam und der Aktiven-kreis einen Überblick über den Betrieb und die bestehen-den Kräfteverhältnisse verschaffen können. Die beidenFormate ergänzen sich sehr gut: Während die Landkartesehr anschaulich ist, bietet der Plan Raum für weiterge-hende Informationen und ermöglicht eine zielführendeAnspracheplanung.

    Betriebslandkarte: Potenziale, Strukturen und Themen auf einen BlickDie Betriebslandkarte stellt den Betrieb in einer Grafik dar.Sie zeigt sowohl die formellen als auch die informellenStrukturen. Am Anfang eines Erschließungsprozesses istsie ein besonders gutes Instrument, um unsere Ausgangs-position gemeinsam zu analysieren. Schließlich wollen wirunsere Arbeit nicht auf Mutmaßungen aufbauen, sondernauf einer soliden Einschätzung, wie die realen Verhältnissesind. Dabei interessiert uns eine abteilungs- und manch-mal auch arbeitsplatzgenaue Zuordnung, wo genau wir wiestark oder schwach sind, wie viele Mitglieder, Aktive undunterstützende Betriebsräte in welchen Bereichen arbeiten.

    Der Charme dieses Instruments liegt darin, dass wir dieGrundlage für eine Kräfteanalyse in einem Gespräch mitaktiven Mitstreiterinnen und Mitstreitern gemeinsam er-arbeiten und gleichzeitig die Informationen visualisieren.Die Kolleginnen und Kollegen sind also die Experten, dieihre Abteilung kennen. Im besten Fall erhalten sie eine an-dere Perspektive auf ihren Betrieb und ihre Abteilung.Zudem können alle am Prozess Beteiligten herausfinden,wo noch Unklarheiten herrschen und Informationen feh-len. Daraus ergeben sich sehr transparent und für allenachvollziehbar die nächsten Schritte und Aufgaben.

    ZielEinen Überblick und Verständnis über die realen Kräftever-hältnisse im Betrieb zu gewinnen und damit eine Grundlagefür die nächsten Schritte zur Aktivierung zu schaffen.

  • VorgehenDa wir für die Betriebslandkarte vielfältige Informationenbrauchen, sollte sie von Aktiven aus verschiedenen Berei-chen gemeinsam erstellt werden. Das kann auf einem Ak-tiventreffen passieren oder als Auftrag an einzelne Aktiveausgegeben werden. Auf jeden Fall braucht es einen ver-bindlichen, möglichst kurzen Zeitplan für die Fertigstel-lung, der nicht länger dauern sollte als 2 bis 3 Wochen.Der Plan sollte möglichst viele der folgenden Fragen be-antworten und übersichtlich darstellen:

    Der Gewerkschaftliche BetriebsplanDer Gewerkschaftliche Betriebsplan ist ein Tool auf Excel-basis, mit dem IG Metall-Betriebsräte einen detailliertenÜberblick über ihre Betriebe bekommen. Er bietet einegute Möglichkeit, Informationen schnell und übersicht-lich aufzubereiten. Mit ihm lässt sich beispielsweise analy-sieren, welche Beschäftigtengruppen es im Gesamtbetrieboder auch in Teilbereichen wie Abteilungen, Werkstätten,Kostenstellen oder anderen gibt. Oder auch, wie die je-weilige Altersstruktur ist. Das ist sehr praktisch, wenn wirzielgruppenorientierte Ansprachen durchführen und esdarum geht, zu planen, wer wann wen anspricht.

    Bei kleinen oder mittleren Betrieben kann ein Betriebs-plan ganz einfach selbst mit Excel erstellt werden. Min-destens folgende Felder sollte er haben:

    Bei größeren Betrieben bietet sich das im braunen Kastenbeworbene IG Metall-eigene Tool an, das zwar deutlichkomplexer ist, dafür aber auch einige Möglichkeiten derAutomatisierung bietet.

    AnspracheplanungEine systematische Anspracheplanung hilft uns sehr beimAufbau unseres Aktivenkreises und der gewerkschaftli-chen Organisierung: Wir setzen unsere Ressourcen effi-zienter ein, vermeiden frustrierende Erfahrungen undhaben eher motivierende Erfolgserlebnisse.

    Basisaufbau 31

    , Wie sieht der Betrieb aus? Gibt es verschiedene Etagen oder Nebengebäude?

    , Welche Abteilungen und Bereiche gibt es?

    , Was sind heiße Themen in den verschiedenen Bereichen?

    , Wie viele Beschäftigte gibt es in den verschiedenenBereichen?

    , Wie viele Mitglieder haben wir in den verschiede-nen Bereichen?

    , Wo sind die Arbeitsplätze der Aktiven?

    , Wie groß sind Betriebsrat und Vertrauenskörperund wo sitzen die Mitglieder?

    , Gibt es ein Betriebsratsbüro, und wenn ja, wo?

    , Wo arbeiten Schlüsselpersonen?

    , Wo sitzt der Chef?

    , Gibt es ein Besprechungszimmer?

    , Gibt es eine Kantine?

    , Wo trifft man sich zum Rauchen oder Kaffee -trinken?

    , Gibt es unterschiedliche Nationalitäten?

    , Wie ist die Geschlechterverteilung?

    Betriebsplan

    Firma:

    Kontaktdaten der Kolleginnen und KollegenName, Vorname

    Abteilung/Bereich

    Beruflicher Status

    IG Metal-Mitglied

    Interesse an Zu-sammenarbeit

    Ansprache durch

    Name, Vorname

    Ansprache bis

    Nr. ja nein ☺w ☺? ☺�

  • Wir können so relativ genau abschätzen, wie viele Kolle-ginnen und Kollegen bereits dabei sind, wie viele wirnoch überzeugen können und wie viele vielleicht nochganz weit weg von uns stehen. Für einen schnellen Über-blick kann diese Erkenntnis auch in die Betriebslandkarteübertragen werden.

    Natürlich kann man als einzelner Aktiver auch sehr gutim Kleinen beginnen und sich eine Anspracheplanung fürdie eigene Abteilung oder das nähere betriebliche Umfeldmachen.

    Merke: Die Anspracheplanung sollte ständig überprüftund womöglich angepasst werden. Bei vorerst zögerlichenKolleginnen und Kollegen entsteht Interesse. Aufgeschlos-sene werden aktiv, wenn sie sehen, dass sich etwas tut undandere sich beteiligen.

    ZielZiel sind ein effizienter Ressourceneinsatz bei der Aktivie-rung und Mitgliedergewinnung sowie die Erlangung einerfundierten Einschätzung unserer Durchsetzungskraft imBetrieb.

    Vorgehen

    32 Basisaufbau

    Zur Vorbereitung sollten wir uns mit einigen Fragen be-schäftigen und versuchen, zu möglichst objektiven Ein-schätzungen zu kommen:

    , Wer hat Interesse an der Zusammenarbeit (oder an derIG Metall-Mitgliedschaft)?

    , Wer ist unentschieden oder von wem wissen wir esnicht?

    , Wer hat bereits signalisiert, kein Interesse zu haben?

    Können wir diese Fragen beantworten, sind wir einerguten Anspracheplanung schon deutlich näher. Diejeni-gen, die bereits Interesse haben, aber noch nicht dabeisind, sollten wir zuerst ansprechen. Hier haben wir beson-ders gute Chancen, schnell neue Mitstreiterinnen undMitstreiter zu gewinnen. Als Nächstes sollten wir die un-entschiedenen und die uns noch weniger bekannten Kol-leginnen und Kollegen ansprechen. Diese Gruppe stellt innoch nicht so gut organisierten Betrieben meist vorerstdie Mehrheit dar. Hier ist etwas mehr Geduld gefragt.Viele möchten unser Anliegen oder uns als IG Metall ersteinmal kennenlernen, bevor sie entscheiden können, obsie mitmachen wollen. Mit diesen Kolleginnen und Kolle-gen sollten wir immer wieder sprechen und sie einladen,bei unseren Aktivitäten und bei der IG Metall mitzuma-chen. Nicht festbeißen sollten wir uns an denjenigen, vondenen wir bereits wissen, dass sie momentan kein Inte-resse haben. Nur wenn es gewichtige Gründe gibt, dasswir eine bestimmte Person unbedingt dabeihaben wollen,sprechen wir diese trotzdem an. Im Übrigen werden vieleder zunächst weniger interessierten Kolleginnen und Kol-legen ihre Einstellung ändern, sobald wir die ersten Ver-besserungen im Betrieb gemeinsam durchsetzen.

    Als Nächstes planen wir, wie wir die Ansprache möglichsterfolgreich umsetzen können: Wer spricht am besten wenan? Wo und wann bietet sich eine angenehme Atmo-sphäre für ein Gespräch? Welcher Anlass oder welchesThema eignet sich am besten für die Ansprache? Bis wannsollte das Gespräch stattgefunden haben? Wurde ein Fol-getermin vereinbart?

    Besonders effizient lässt sich die Anspracheplanung miteinem Betriebsplan organisieren. Ein weiterer Vorteil istdann, dass uns die Anspracheplanung auch einen fundier-ten Blick auf unsere Durchsetzungskraft im Betrieb bietet.

    1. Überlegen, wer Interesse haben könnte, wer unentschlossen ist und wer kein Interesse hat.

    3. Verbindliche Planung und Umsetzung der Ansprache: Wer spricht bis wann wen an?

    2. Erstellen eines Überblicks in Form des Betriebsplans oder einer persönlichen Anspracheplanung.

    MATERIALIEN ZUM THEMA

    d Eine einfache Betriebsplan-Vorlage findest Du online hier:

    2 www.igmetall-mehr-werden.de/handbuch

    d Das excelbasierte Tool Gewerkschaft-licher Betriebsplan findest Du hier:

    2 www.mein-betriebsplan.de

    ž

  • Die Erschließung von Maja Möbelwerke beginnt 2014 miteinem Besuch in der IG Metall-GeschäftsstelleOstsachsen. Drei Kollegen des Möbelherstellers,der ausschließlich für das schwedische MöbelhausIkea arbeitet, suchen Unterstützung bei den Haupt-amtlichen: Wütend über das Lohnsystem, aber auchüber 12-Stunden-Schichten, fehlenden Arbeits-schutz, Unvereinbarkeit von Familie und Beruf undmangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit wollen sieeine Betriebsratswahl organisieren.

    Maja Möbel beschäftigt knapp 900 Leute, darunter350 polnische Arbeitskräfte. Leiharbeitnehmer ma-chen rund ein Drittel aus. Für die IG Metall ist der1990 gegründete Betrieb bis dahin ein weißer Fleck.

    In der Geschäftsstelle sieht man wichtige Kriterien fürein Erschließungsprojekt erfüllt: Wegen seiner Größeist Maja Möbel für die Geschäftsstelle relevant. Und dassdie Kollegen von selbst kommen, zeigt, wie hoch der Lei-densdruck ist, aber auch die Motivation, etwas zu verän-dern.

    Der Erschließungssekretär baut gemeinsam mit den vor-stellig gewordenen Kollegen einen Aktivenkreis auf. AlsErstes klären sie die Ziele: erst die Betriebsratswahl orga-nisieren und dann den Organisationsgrad weiter steigern,

    um einen Tarifvertrag verhandeln zu können. Um die pol-nischen Kollegen mitzunehmen, finden Gespräche undVeranstaltungen von Anfang an mit Dolmetscher statt.

    Als wichtige Instrumente für ein systematisches Vorgehenerweisen sich der Gewerkschaftliche Betriebsplan und dieBetriebslandkarte. War den Aktiven zunächst nicht klar,wie viele Kollegen genau im Betrieb arbeiten, ermögli-chen ihnen die beiden Instrumente bald eine umfangrei-che betriebliche Situationsanalyse.

    Mit dem Betriebsplan können die Aktiven dieAnsprache zielgerichtet planen: Wer ist für unsansprechbar? Wer sind potenzielle Schlüssel-personen? Wo finden wir Ka