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Erhöhung der Verschleißfestigkeit beim Scherschneiden durch aktivgelötete Keramik- und Hartmetall-Schneidstempelinlays
B.-A. Behrens1, R. Krimm1, T. Pielka1, Fr.-W. Bach2, K. Möhwald2, J. Schaup2
1 Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen, Leibniz Universität Hannover (IFUM)
2 Institut für Werkstoffkunde, Leibniz Universität Hannover (IW)
Das Scherschneiden von hoch- und höchstfesten Blechwerkstoffen führt zu einem erhöhten
Verschleiß der Aktivschneidelemente und somit zu einer geringeren Standmenge der
Werkzeuge als beim Schneiden von herkömmlichen Blechqualitäten. Vom Institut für
Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) und vom Institut für Werkstoffkunde (IW) der
Leibniz Universität Hannover wurden Basisstempel aus kostengünstigem Material durch
partielle Integration von Hartmetallen und Keramiken mittels stoffschlüssigen Fügens
modifiziert und Verschleißuntersuchungen mit Blechwerkstoffen unterschiedlicher
Festigkeiten unterzogen. Für bestimmte Kombinationen aus Blechwerkstoff und
Schneidelement konnte so der Verschleiß minimiert und somit die Standmenge der
Werkzeuge erheblich erhöht werden. Es zeigte sich allerdings auch, dass eine Vorhersage
der Standmenge von mit Keramik modifizierten Schneidstempeln für die betrachteten
Blechwerkstoffe aufgrund der Bruchmechanik keramischer Werkstoffe teilweise nicht möglich
ist. Es können lediglich Prozessmerkmale identifiziert werden, die ein Versagen begünstigen.
Die Auswertung der Schneidversuche umfasste neben einer Simulation des
Schneidvorgangs die Messung der Prozesskräfte sowie eine Mikrohärtemessung in der
Schneidzone mit entsprechenden Schliffbildern.
Schlüsselwörter: Scherschneiden, Aktivlöten, technische Keramik, hochfeste Stähle
Einleitung
Durch heutige industrielle Anforderungen, wie dem Trend zum Leichtbau, werden in der
blechverarbeitenden Industrie, insbesondere im Automobilbau, vermehrt hoch- und
höchstfeste Blechwerkstoffe eingesetzt [Jac-00]. Das Scherschneiden wird häufig für die
Herstellung von Bauteilen mit großer Stückzahl eingesetzt. Diese ist von der Standmenge
der Schneidwerkzeuge abhängig [Gil-99]. In der Praxis werden für das Schneiden hoch- und
höchstfester Blechwerkstoffe beschichtete Schneidstempel oder Schneidstempel aus teuren
Stempelmaterialien, wie PM-Stählen, verwendet, um den erhöhten Verschleiß zu
kompensieren. Für eine wirtschaftlichere Gestaltung der Schneidstempel wurde die partielle
Integration von Hartmetallen und Keramiken mittels stoffschlüssigen Fügens (Aktivlötens) in
Basisstempel aus kostengünstigen Grundwerkstoffen untersucht. Neben der Auswirkung auf
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die Standmenge sowie das Schneidergebnis, lag ein Arbeitsschwerpunkt auf der Nutzung
aktueller Entwicklungen im Bereich keramischer Schneidstoffe sowie der Fügetechnik von
Metall/Keramik- und Metall/Metall-Verbunden. Bedingt durch die hohe Sprödigkeit
keramischer Werkstoffe werden hohe Anforderungen, besonders bei der Erzeugung von
Keramik/Metall-Compositen, an die Verbindungstechnik gestellt. Hinzu kommt, dass für
einen stoffschlüssigen Metall/Keramik-Verbund zwei Werkstoffe mit extrem unterschiedlichen
physikalischen Eigenschaften, insbesondere hinsichtlich der Wärmeausdehnung, gefügt
werden, was gerade im Hinblick auf die Lebensdauer des Verbundes besondere
Schwierigkeiten aufwirft [Wil-86; Div-88; Nic-90]. Im Sonderforschungsbereich 489
„Prozesskette zur Herstellung präzisionsgeschmiedeter Hochleistungsbauteile“ konnte vom
IW und IFUM bereits erfolgreich gezeigt werden, dass sich mittels Aktivlötens
Verbundwerkzeuge aus Keramik (Si3N4) und Stahl (1.2379 sowie X38CrMoV 5-3) für das
Scherschneiden sowie das Präzisionsschmieden herstellen lassen, welche zu einer
deutlichen Erhöhung der Verschleißfestigkeit führen [Bac-07].
Entwicklung eines Versuchswerkzeugs
Für die Durchführung der Scherschneiduntersuchungen wurde auf Basis eines Vier-Säulen-
Führungsgestells ein modulares Werkzeug konstruiert und gebaut (Bild 1).
Kopfplatte
Stickstoffzylinder
Schneidstempel
Matrize
Niederhalterplatte
Grundplatte
Säulenführung
Kopfplatte
Stickstoffzylinder
Schneidstempel
Matrize
Niederhalterplatte
Grundplatte
Säulenführung
Bild 1: Werkzeug in der Versuchspresse
Der modulare Aufbau dieses Werkzeugs ermöglicht einen schnellen Austausch der
Aktivschneidelemente ohne dessen Zerlegung. Zur Aufbringung der Niederhalterkraft wurden
Stickstoffzylinder eingesetzt, um ohne Ausbau des Werkzeugs aus der Presse die
Niederhalterkraft an die Schneidkraft anpassen zu können. Des Weiteren bietet das
Werkzeug die Möglichkeit, den Schneidspalt auf einfache Weise mittels Variation der
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Schneidmatrize einzustellen. Zur Messung und Aufzeichnung von Prozesskräften wurde ein
Kraftsensor im direkten Kraftfluss zwischen Stempel und Kopfplatte im Werkzeug integriert.
Modifizierung der Schneidstempel
Für die Modifizierung der Schneidstempel wurden Si3N4 und ZrO2 sowie WCCo eingesetzt.
Aufgrund der unterschiedlichen Bindungsverhältnisse und Oberflächenenergien des
metallischen Lots und der Keramik- und Hartmetall-Scheiben erfolgt mit konventionellen
metallischen Loten keine Benetzung, sodass die Fügepartner mit dem Aktivlot CB4
(Zusammensetzung: Ag70,5Cu26,5Ti3) gelötet wurden. Das Aktivlot modifiziert die Keramik-
bzw. Hartmetall-Oberfläche derart, dass eine Benetzung ermöglicht wird. Da Aktivlote keine
guten Fließeigenschaften besitzen, muss das Lot vor dem Lötprozess möglichst genau
zwischen den zu fügenden Komponenten platziert werden. Zu diesem Zweck wurde die in
Bild 2 dargestellte Lötlehre angefertigt, welche es erlaubt, die Scheiben zentrisch auf die
Basisstempel zu löten.
Basisstempel
Schneidelement aus Keramik
Nut im Bereich der Fügezone
Nut zum Ausrichten von Basistempel und Inlay
Lotfolie
Basisstempel
Schneidelement aus Keramik
Nut im Bereich der Fügezone
Nut zum Ausrichten von Basistempel und Inlay
Lotfolie
Bild 2: Lötlehre zur Positionierung von Stempel und Schneidelement
Der Lötprozess wurde in einem Vakuumofen durchgeführt, in welchem sich Restgasdrücke
von <10-4 mbar realisieren lassen. Die Löttemperatur betrug 900 °C, die Lötzeit 15 Minuten.
Beim Erreichen der Löttemperatur kommt es zu einer verstärkten Diffusion des
Aktivelements Titan im schmelzflüssigen Lot und im weiteren Verlauf zur Bildung einer fest
haftenden Reaktionsschicht.
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Versuchsparameter
Die Scherschneidversuche wurden mit einem Stanzautomaten durchgeführt (Bild 3). Für die
Schneiduntersuchungen wurden folgende Prozess- und Versuchsparameter festgelegt:
Schneidgeometrie: Ø10 mm Kreisgeometrie, Hubzahl: 100 Hub/min, Niederhalterkraft: 20 %
der Schneidkraft, relativer Schneidspalt: 8 % der Blechdicke.
Mit H400 (höherfester mikrolegierter Stahl), DP600 (Dualphasenstahl) sowie MS-W1200
(Martensitphasenstahl) wurden drei verschiedene Blechwerkstoffe für die Schneidversuche
eingesetzt, wobei Untersuchungen mit Ausgangs- (Prelube) und Zusatzbeölung stattfanden.
Stanzautomat
Pressensteuerung
Abwickelhaspel mit Coil
Blech
Stanzautomat
Pressensteuerung
Abwickelhaspel mit Coil
Blech
Bild 3: Stanzautomat RHS 630
Einzelschnitte und Optimierung
In der ersten Phase der Schneidversuche wurden Scheiben mit einem Durchmesser von
10 mm und einer Höhe von 6 mm verwendet, welche auf Trägerstempel aus 1.2379 gelötet
wurden. Pro Versuchsreihe wurden zunächst 1.000 Schnitte durchgeführt.
Ausgehend von den Ergebnissen dieser Versuchsreihen wurden Optimierungsmaßnahmen
umgesetzt. Die Geometrie der Schneidelemente wurde dahingehend verändert, dass die
Scheibenhöhe auf 3,5 mm reduziert wurde. Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass bei
keramischen Werkstoffen mit zunehmendem Bauteilvolumen auch die Wahrscheinlichkeit für
das Vorhandensein kritischer Defekte zunimmt. Des Weiteren wurden die Schneidkanten der
Keramikscheiben mit einer Fase (0,1 mm * 45 °) versehen, um Spannungsspitzen beim
Schneiden zu vermeiden, welche bevorzugt an scharfen Kanten auftreten und sich ungünstig
auf die Standmenge auswirken. Bei den Hartmetallscheiben wurde die Höhe auf 3,5 mm
reduziert, eine Fase wurde nicht angebracht. Der Durchmesser aller Scheiben von 10 mm
blieb unverändert. Darüber hinaus wurde die Stempelgeometrie für die Versuche mit dem
Blechwerkstoff MS-W1200 an die Prozesskräfte angepasst, indem der Stempelkörper
massiver ausgeführt wurde, um ein Stauchen zu verhindern.
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Verschleißuntersuchungen
Bei den Verschleißversuchen betrug die angestrebte Schnittzahl 100.000, wobei pro
Kombination jeweils zwei Versuchsreihen durchgeführt wurden. Tabelle 1 zeigt die bei den
Verschleißuntersuchungen erreichten Schnittmengen.
Tabelle 1: Erreichte Hubzahlen bei den Verschleißuntersuchungen
Werkstoff
Blechdicke
Versuchsreihe
H400
1,5 mm
1
H400
1,5 mm
2
DP600
1 mm
1
DP600
1 mm
2
MS-W1200
2 mm
1
MS-W1200
2 mm
2
Si3N4
2.000
40.200
100.000
100.000
1
1
ZrO2
100.000
31.400
100.000
100.000
1
3
WCCo
100.000
68.200
100.000
100.000
120
60
HSS Vollmaterial
-
-
100.000
100.000
-
-
Da beim Blechwerkstoff DP600 alle Stempel die gewünschte Schnittzahl von 100.000
erreichten, wurden zusätzlich Referenzstempel aus einem Schnellarbeitsstahl (HSS)
eingesetzt. Bild 4 zeigt, dass die Keramikstempel nach 100.000 Schnitten lediglich
Verfärbungen, jedoch keinerlei sicht- und messbare Verschleißerscheinungen aufweisen.
Der WCCo-Stempel weist dagegen leichten abrasiven Mantelflächenverschleiß auf. Beim
HSS-Referenzstempel ist diese Verschleißform am stärksten ausgeprägt. Hier ist die
Schneidkante auch ungleichmäßig verrundet. Beim Schneiden von H400 gab es sehr große
Unterschiede bezüglich der erreichten Standmenge, welche sich zwischen 2.000 und
100.000 bewegte. Die Stempel versagten plötzlich ohne eine vorherige Verschlechterung der
Schnittflächenqualität. Prozessstörungen, wie beispielsweise das Anschneiden eines
Butzens oder ein einseitiges, teilflächiges Anschneiden des Bleches mit dem Stempel führte
zu sofortigen Ausfällen. Für das Schneiden von MS-W1200 erwiesen sich alle Stempel als
ungeeignet. Bei sämtlichen Kombinationen kam es beim ersten oder innerhalb weniger Hübe
zum Stempelversagen. Neben den Untersuchungen mit der Ausgangsbeölung wurden
Standmengenuntersuchungen mit zwei Stanz- und Feinschneidölen für den Blechwerkstoff
H400 durchgeführt, welche allerdings zu keiner Verbesserung der Ergebnisse führten.
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Si3N4 ZrO2 WCCo HSSSi3N4 ZrO2 WCCo HSS
Bild 4: Stempel nach Erreichen von 100.000 Schnitten in DP600
2.3.3 Standmengenversuch ZrO2-Schneidelement/DP600
Für die Kombination ZrO2-Schneidelement/DP600 wurde ein Versuch mit 100 Hub/min
durchgeführt, welcher nach 500.000 Hüben beendet wurde. Während die Keramik keinen
sichtbaren Verschleiß zeigt, weist der HSS-Referenzstempel dagegen schon nach 100.000
Hüben deutlichen Verschleiß an der Mantelfläche sowie ungleichmäßige Verrundungen der
Schneidkante auf (Bild 5).
ZrO2 nach 0,5 Mio. Schnitten
Mantelflächenverschleiß
Schneidkantenabrundung
Kein Mantelflächenverschleiß
Fase, nicht verschlissen
HSS nach 0,1 Mio. SchnittenZrO2 nach 0,5 Mio. Schnitten
Mantelflächenverschleiß
Schneidkantenabrundung
Kein Mantelflächenverschleiß
Fase, nicht verschlissen
HSS nach 0,1 Mio. Schnitten
Bild 5: Vergleich ZrO2-Stempel und HSS-Referenzstempel
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Die hohe Verschleißbeständigkeit von ZrO2 und dessen Maßhaltigkeit nach 500.000
Schnitten stellen eine deutliche Verbesserung des Standes der Technik dar.
Auswertung der Prozesskraftverläufe
Die Schneidversuche wurden hinsichtlich der Eignungsbewertung der Inlaywerkstoffe für das
Schneiden von hoch- und höchstfesten Stahlblechwerkstoffen ausgewertet. Dies beinhaltete
die Beurteilung der Schnittflächenqualität nach VDI 2906, die Analyse der Prozesskräfte, die
Simulation des Prozesses und die Messung der Mikrohärte in der Schnittzone.
Die Betrachtung der Schnittflächenqualität nach VDI 2906 zeigte, dass anhand der
Kennwerte keine vom Inlaywerkstoff abhängigen Einflüsse auf die Schnittflächenkenngrößen
festgestellt werden können. Einzige Ausnahme stellt die Breite des Kanteneinzugs beim
Schneiden des Blechwerkstoffes DP600 dar. Hier erzeugen die mit einer Fase versehenen
Schneidkanten der Keramikinlays einen breiteren Kanteneinzug als beim Schneiden mit
einem WCCo-Stempel, der über keine Fase verfügt.
Die Bilder 6 und 7 zeigen die Prozesskraftverläufe beim Schneiden mit unterschiedlichen
Schneidstempelinlay/Blechwerkstoff-Kombinationen. Es ist zu erkennen, dass der
Inlaywerkstoff zu keiner wesentlichen Beeinflussung des Schneidkraftverlaufs führt.
Ausnahme bildet hier der Stempel mit WCCo-Inlay, der im Gegensatz zu den Keramikinlays
nicht über eine Fase an der Schnittkante verfügt (Bild 7).
-2
0
2
4
6
8
10
12
14
16
0 10 20 30 40 50 60
Zeit [ms]
Kra
ft [
kN]
ZrO2/DP600
ZrO2/H400
ZrO2/DP600
ZrO2/H400
-2
0
2
4
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0 10 20 30 40 50 60
Zeit [ms]
Kra
ft [
kN]
ZrO2/DP600
ZrO2/H400
ZrO2/DP600
ZrO2/H400
Bild 6: Prozesskraftverlauf beim Schneiden von DP600 und H400 mit einem ZrO2-
Schneidstempelinlay
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16
0 10 20 30 40 50 60
Zeit [ms]
Kra
ft [
kN]
Si3N4/H400WCCo/H400ZrO2/H400
Si3N4/H400
ZrO2/H400WCCo/H400
-2
0
2
4
6
8
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12
14
16
0 10 20 30 40 50 60
Zeit [ms]
Kra
ft [
kN]
Si3N4/H400WCCo/H400ZrO2/H400
Si3N4/H400
ZrO2/H400WCCo/H400
Bild 7: Prozesskraftverlauf beim Schneiden von H400 mit unterschiedlichen
Schneidstempelinlay-Werkstoffen
Unabhängig vom verwendeten Inlaywerkstoff zeigen sich grundsätzliche Unterschiede
zwischen den Prozesskraftverläufen beim Schneiden von DP600 und H400 (Bild 6). Als
Folge der geringeren Werkstoffdicke und der höheren Festigkeit (geringerer
Glattschnittanteil) ist die Zeit zwischen dem Aufsetzen des Stempels und dem Blechabriss
bei DP600 kürzer als bei H400.
Darüber hinaus lassen sich vom Blechmaterial bedingte Charakteristika feststellen, die bei
allen drei Stempelinlaywerkstoffen auftreten. Zum Einen ist die maximale Prozesskraft beim
Blechwerkstoff H400 höher als bei DP600, zum Anderen ist bei diesem Werkstoff die Phase
des plastischen Fließens länger. Zusätzlich ist der Kraftabfall nach dem Blechabriss steiler
und führt zu einer größeren Stößelschwingung als bei DP600. Diese Charakteristika belegen
die höhere Belastung der Inlays beim Schneiden von H400, die sich in dem häufiger
auftretenden Versagen der Inlays widerspiegelt. Insbesondere der schnellere Kraftabfall
nach dem Blechabriss und der auftretende Schnittschlag scheinen ein Versagen der Inlays
zu begünstigen.
Simulation des Prozesses
Zur Untersuchung der Belastung der Schneidelemente während des Schneidvorgangs
wurden mehrere FE-Simulationen (Finite Elemente) mit dem Simulationsprogramm
Transvalor Forge 2008 durchgeführt. Unabhängig vom Blechwerkstoff sind beim
Scherschneiden die auftretenden Spannungen im Schneidelement höher als im Blech.
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Darüber hinaus ist die resultierende Spannung im Schneidelement inhomogen verteilt. Da
sowohl Stirn- und Mantelfläche, als auch die Schneidkante der Scheiben lokal belastet
werden, treten dort die größten Spannungen auf, wobei diese mit zunehmender Entfernung
zur Schneidkante abnehmen.
Beim simulierten Schneiden des Werkstoffs MS-W1200 entstehen am Schneidelement die
höchsten Vergleichsspannungen aller Werkstoffe, wobei der Höchstwert kurz vor dem
Blechabriss 3500 MPa beträgt. Die Druckfestigkeit von ZrO2 (2200 MPa) wird also deutlich
überschritten. Beim Schneiden des Blechwerkstoffs H400 steigen die Spannungen dagegen
auf kleinere Werte und langsamer an. Zum Zeitpunkt des Blechabrisses beträgt der
maximale Wert im Schneidelement 1900 MPa. Die Vergleichsspannungen bei DP600
erreichen mit maximal 2000 MPa einen ähnlichen Wert.
Mittels der Simulation wurde bestätigt, dass die verwendeten Scheibenwerkstoffe für das
Schneiden des Blechwerkstoffs MS-W1200 ungeeignet sind, da die auftretenden
Spannungen höher als die ertragbaren Druckfestigkeiten der Werkstoffe sind. Hinsichtlich
der Standmengen-Unterschiede beim Scherschneiden der verwendeten Blechwerkstoffe
H400 und DP600 konnte die Simulation dagegen keine Anhaltspunkte liefern.
Mikrohärtemessung in der Schnittzone
Bei sämtlichen Verfahren der Kaltumformung, zu denen auch das Scherschneiden zählt,
kommt es in der Verformungszone zu einer Verfestigung, während die Duktilität abnimmt.
Daher wurden die Werkstoffe DP600 und H400 in der Schnittzone hinsichtlich ihrer
Kaltverfestigung untersucht. Zu diesem Zweck wurden Schliffbilder erstellt und die
schnittkantennahen Bereiche der Blechwerkstoffe Mikrohärtemessungen unterzogen (Bild 8).
Die Härte wurde entlang der Schnittkante in Entfernungen von 60 µm, 120 µm und 180 μm
von dieser gemessen. Zusätzlich wurde die Grundhärte des Materials außerhalb der
Einflusszone erfasst. Beide Werkstoffe weisen eine ähnlich ausgeprägte Einflusszone der
Verformung auf. Aufgrund einer höheren Grundhärte ist die Härte bei DP600 insgesamt
höher als bei H400, jedoch ist der Härteanstieg im erfassten Bereich qualitativ vergleichbar.
Die Zunahme des höchsten Wertes gegenüber der Grundhärte beträgt jeweils etwa 65%.
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Bild 8: Mikrohärteverlauf beim Blechwerkstoff DP600 (links) und H400 (rechts)
Zusammenfassung
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass das Modifizieren von Basisstempeln aus
kostengünstigem Material mittels eines verschleißharten Werkstoffs im Bereich der
Schneidzone mittels des Aktivlötens dazu geeignet ist, den Verschleiß von
Schneidwerkzeugen zu minimieren und somit deren Standmenge erheblich zu erhöhen.
Insbesondere die Untersuchungen mit dem Blechwerkstoff DP600 zeigen, dass sehr hohe
Standmengen möglich sind. Es gibt allerdings auch Einsatzgrenzen für mit Keramik
modifizierte Schneidstempel, welche neben den Werkstoffkennwerten der Keramik selbst vor
allem durch die Zugfestigkeit der zu schneidenden Blechwerkstoffe sowie deren Dicke
vorgegeben werden.
Im Schneidprozess können schon kleine Beeinflussungen des Prozesses zum sofortigen
Ausfall des Schneidelements führen. Eine zuverlässige Vorhersage, welche Blechmaterialien
für den Einsatz der modifizierten Schneidstempel geeignet sind, ist nicht zweifelsfrei möglich,
wie die unterschiedlichen Ergebnisse für die Blechwerkstoffe H400 und DP600 zeigen.
Durch ihre äußerst geringe kritische Risslänge sowie die hohe Streubreite ihrer
Festigkeitswerte können keramische Werkstoffe, ohne dass sich dieses vorher ankündigt
durch Sprödbruch versagen.
Aufgrund seiner sehr hohen Zugfestigkeit von bis zu 1400 MPa ist für den Blechwerkstoff
MS-W1200 der Einsatz von mit Hartmetall oder Keramik modifizierten Schneidstempeln nicht
möglich.
0
50
100
150
200
250
300
350
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Messpunkt
Hä
rte
[HV
0,0
5]
60 μm
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180 μm
Grundhärte
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Messpunkt
Härt
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60 μm
120 μm
180 μm
Grundhärte
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Literatur
[Jac-00] Jacob, A.; Flaxa, V.; Freier, K.: Karosserieleichtbau und die umfassende
Verwendung höherfester Stähle. In: Leichtbau durch Umformtechnik. 7.
Sächsische Fachtagung Umformtechnik, 24./25.10, Seite 119-142, 2000
[Gil-99] Gillner, A.; Hellrung, D.: Produktionstechnik zum Mikrostanzen und
Mikroprägen metallischer Bauteile; Abschlussbericht des Projektverbundes
PROMPT; Forschungszentrum Karlsruhe Technik und Umwelt FZKA-PFT
199; 1999
[Bac-07] Bach, Fr.-W.; Möhwald, K.; Deißer, T. A.; Behrens, B.-A.; Kamp, M.;
Bistron, M.: Keramik-Metall-Verbundwerkzeuge für die Metallbearbeitung.
Tagungsband zum 8. Internationalen Kolloquium Hart- und
Hochtemperaturlöten und Diffusionsschweißen (LÖT 2007, Aachen, 19. –
21. Juni 2007), DVS 243, S. 52-58
[Wil-86] Willmann, G.: Konstruieren mit Keramik – Verbinden und Fügen.
Sprechsaal 119, Heft 10, S. 888-890, 1986
[Div-88] Div.: Technische Keramik, Kap. "Fügetechnik keramischer Bauteile". Hrsg.
Thier, B.; Willmann, G.; Wielage, B., Vulkan-Verlag Essen, S. 136-178,
1988
[Nic-90] Nicholas, M. G.: Joining of Ceramics. Verlag Chapman and Hall, London,
1990
Danksagung
Das Forschungsvorhaben wurde unter der Fördernummer AiF 14978N von der EFB e.V.
finanziert und betreut und über die Arbeitsgemeinschaft industrieller
Forschungsvereinigungen (AIF e.V.) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie (BMWI) gefördert. Für diese Förderung sei gedankt.
Autoren:
Prof. Dr.-Ing. Bernd-Arno Behrens studierte Maschinenbau an der Universität Hannover und
promovierte am Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) in Hannover. Er
war Leiter der Abteilung Umformtechnik bei der Salzgitter AG. Im Jahr 2002 ist sein
Verantwortungsbereich auf die gesamte Anwendungstechnik des Konzerns erweitert
worden. Seit Oktober 2003 ist er Leiter des IFUM der Leibniz Universität Hannover.
Dr.-Ing. Richard Krimm, geb. 1966, studierte Maschinenbau an der Universität Hannover.
Nach mehrjähriger Tätigkeit in der freien Wirtschaft ist er seit Januar 2000 wissenschaftlicher
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Mitarbeiter am Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) und promovierte bei
Prof. Dr.-Ing. B.-A. Behrens auf dem Gebiet Umformmaschinen.
Dipl.-Ing. Thomas Pielka studierte Maschinenbau an der Leibniz Universität Hannover. Seit
Ende 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Umformmaschinen am IFUM
und beschäftigt sich hier mit Scherschneidprozessen.
Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Friedrich-Wilhelm Bach studierte Maschinenbau an
der Universität Hannover und promovierte am Institut für Werkstoffkunde (IW) in Hannover.
Von 1997 bis 2001 war er Inhaber des Lehrstuhls Werkstofftechnologie (LWT) der
Universität Dortmund. Seit 2001 ist er Direktor des Instituts für Werkstoffkunde der Leibniz
Universität Hannover.
Dr.-Ing. habil. Kai Möhwald studierte Maschinenbau an der Universität Dortmund und
promovierte am Lehrstuhl Werkstofftechnologie (LWT) in Dortmund. Seit 2001 ist er Leiter
des Geschäftsbereichs FORTIS des Instituts für Werkstoffkunde (IW) der Universität
Hannover. 2009 habilitierte er sich an der Leibniz Universität Hannover und erhielt die venia
legendi für das Fachgebiet „Werkstofftechnik“.
Dipl.-Ing. Jörg Schaup studierte Chemietechnik an der Universität Dortmund und ist seit
2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Werkstoffkunde der Leibniz Universität
Hannover.