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ZUR FORTBILDUNG DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Zu Ende des ersten Trimenons der Schwangerschaft fällt der ar- terielle Blutdruck im Mittel um et- wa 10 mmHg. Während der Schwangerschaft gelten daher niedrigere Normwerte für den. Blutdruck. Bei schwangerschafts- induziertem Hochdruck, auch auf- gepfropft auf eine bestehende, meist essentielle Hypertonie, droht die Gefahr einer Präeklampsie oder Eklampsie. Wegen des hohen Risikos für Mutter und Kind sind. frühzeitige Erkennung und konse- quente Behandlung erforderlich. ereits im vierten Jahr- hundert vor Christus wurde über das Auftre- ten von Krampfanfällen in der späten Schwan- gerschaft berichtet, die oft mit dem Tod von Mutter und Kind endeten. Und auch heute noch zählen Präek- lampsie und Eklampsie zu den wich- tigsten Ursachen der perinatalen Morbidität und Mortalität von Mut- ter und Kind. Mit Hilfe der antihy- pertensiven und antikonvulsiven Be- handlung konnte erst in unserem Jahrhundert eine drastische Reduk- tion der mütterlichen und der kindli- chen Sterblichkeit erreicht werden. Im folgenden soll auf die pathophy- siologischen Zusammenhänge und die daraus abgeleiteten therapeuti- schen Konsequenzen eingegangen werden. Bei der Behandlung des Blut- hochdrucks in der Schwangerschaft ergibt sich hinsichtlich des mütterli- chen Blutdruckverhaltens und der unterschiedlichen Bedürfnisse zwei- er Organismen, nämlich von Mutter und Kind, eine besondere Situation. Die Kenntnis des physiologischen Blutdruckverhaltens während der normalen Schwangerschaft und der Pathophysiologie des schwanger- schaftsinduzierten Hochdrucks ist daher Voraussetzung für die frühzei- tige Erkennung und differenzierte Therapie der Schwangerschaftshy- pertonie. Definition des Schwangerschaftshoch- drucks Aufgrund der besonderen Gege- benheiten in der Schwangerschaft muß die Schwangerschaftshyperto- nie sowohl nach Genese als auch be- züglich der Normwerte für den arte- riellen Blutdruck anders als der Blut- hochdruck Nichtschwangerer beur- teilt werden (11). So sind drei For- men des Bluthochdrucks in der Schwangerschaft zu unterscheiden: der schwangerschaftsindu- zierte Bluthochdruck. Er tritt bei et- wa zehn Prozent aller Schwanger- schaften auf, und zwar meist bei jün- geren Erstgebärenden. Der Hoch- druck manifestiert sich im allgemei- nen nach der 22. oder 24. Schwan- gerschaftswoche und kann zur Prä- eklampsie fortschreiten; O der chronische Bluthoch- druck, ein überwiegend schon vor der Schwangerschaft bestehender, bekannter oder auch bisher nicht er- kannter Hochdruck. Er findet sich im allgemeinen bei älteren Erstgebä- Nach einem bei der 95. Tagung der Deut- schen Gesellschaft für Innere Medizin 1989 gehaltenen Referat renden oder bei Mehrgebährenden. Dabei handelt es sich meist um eine essentielle Hypertonie, selten um se- kundäre Hochdruckformen. Beson- ders zu beachten ist, daß eine vorbe- stehende Hypertonie infolge der physiologischen Blutdruckabnahme gegen Ende des ersten Trimenons leicht übersehen werden kann. Eine chronische Hypertonie findet sich bei etwa zwei bis drei Prozent aller Schwangeren. 0 Bei wiederum 30 Prozent dieser Schwangeren tritt ein auf den chronischen Bluthochdruck aufge- pfropfter schwangerschaftsinduzier- ter Hochdruck auf. Eine seltene Sonderform stellt die ohne Proteinurie einhergehende benigne Form des Hochdrucks dar, die peripartal auftritt und bei der sich der Blutdruck innerhalb von zehn Tagen nach der Entbindung wieder normalisiert. Wegen der besonderen klini- schen Bedeutung und Risiken sowie der für die Therapie bedeutsamen pathogenetischen Mechanismen werde ich mich im folgenden auf die schwangerschaftsinduzierte Hyper- tonie beziehungsweise Präeklampsie beschränken. Kriterien des Schwangerschaftshoch- drucks Systolischer und diastolischer Blutdruck der gesunden Schwange- ren sinken gegen Ende des ersten Trimenons und erreichen niedrigste Werte im zweiten Trimenon, die durchschnittlich etwa 10 mmHg un- ter den Ausgangswerten zu Beginn der Schwangerschaft liegen. Erst im Erkrankungen der Niere (8) Schwangerschafts- Hochdruck Herbert J. Kramer Dt. Ärztebl. 88, Heft 36, 5. September 1991 (53) A- 2891

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ZUR FORTBILDUNG DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Zu Ende des ersten Trimenons der Schwangerschaft fällt der ar-terielle Blutdruck im Mittel um et-wa 10 mmHg. Während der Schwangerschaft gelten daher niedrigere Normwerte für den. Blutdruck. Bei schwangerschafts-induziertem Hochdruck, auch auf-gepfropft auf eine bestehende, meist essentielle Hypertonie, droht die Gefahr einer Präeklampsie oder Eklampsie. Wegen des hohen Risikos für Mutter und Kind sind. frühzeitige Erkennung und konse-quente Behandlung erforderlich.

ereits im vierten Jahr-hundert vor Christus wurde über das Auftre-ten von Krampfanfällen in der späten Schwan-

gerschaft berichtet, die oft mit dem Tod von Mutter und Kind endeten. Und auch heute noch zählen Präek-lampsie und Eklampsie zu den wich-tigsten Ursachen der perinatalen Morbidität und Mortalität von Mut-ter und Kind. Mit Hilfe der antihy-pertensiven und antikonvulsiven Be-handlung konnte erst in unserem Jahrhundert eine drastische Reduk-tion der mütterlichen und der kindli-chen Sterblichkeit erreicht werden. Im folgenden soll auf die pathophy-siologischen Zusammenhänge und die daraus abgeleiteten therapeuti-schen Konsequenzen eingegangen werden.

Bei der Behandlung des Blut-hochdrucks in der Schwangerschaft ergibt sich hinsichtlich des mütterli-chen Blutdruckverhaltens und der unterschiedlichen Bedürfnisse zwei-

er Organismen, nämlich von Mutter und Kind, eine besondere Situation. Die Kenntnis des physiologischen Blutdruckverhaltens während der normalen Schwangerschaft und der Pathophysiologie des schwanger-schaftsinduzierten Hochdrucks ist daher Voraussetzung für die frühzei-tige Erkennung und differenzierte Therapie der Schwangerschaftshy-pertonie.

Definition des Schwangerschaftshoch-drucks

Aufgrund der besonderen Gege-benheiten in der Schwangerschaft muß die Schwangerschaftshyperto-nie sowohl nach Genese als auch be-züglich der Normwerte für den arte-riellen Blutdruck anders als der Blut-hochdruck Nichtschwangerer beur-teilt werden (11). So sind drei For-men des Bluthochdrucks in der Schwangerschaft zu unterscheiden:

• der schwangerschaftsindu- zierte Bluthochdruck. Er tritt bei et-wa zehn Prozent aller Schwanger-schaften auf, und zwar meist bei jün-geren Erstgebärenden. Der Hoch-druck manifestiert sich im allgemei-nen nach der 22. oder 24. Schwan-gerschaftswoche und kann zur Prä-eklampsie fortschreiten;

O der chronische Bluthoch-druck, ein überwiegend schon vor der Schwangerschaft bestehender, bekannter oder auch bisher nicht er-kannter Hochdruck. Er findet sich im allgemeinen bei älteren Erstgebä-

Nach einem bei der 95. Tagung der Deut-schen Gesellschaft für Innere Medizin 1989 gehaltenen Referat

renden oder bei Mehrgebährenden. Dabei handelt es sich meist um eine essentielle Hypertonie, selten um se-kundäre Hochdruckformen. Beson-ders zu beachten ist, daß eine vorbe-stehende Hypertonie infolge der physiologischen Blutdruckabnahme gegen Ende des ersten Trimenons leicht übersehen werden kann. Eine chronische Hypertonie findet sich bei etwa zwei bis drei Prozent aller Schwangeren.

0 Bei wiederum 30 Prozent dieser Schwangeren tritt ein auf den chronischen Bluthochdruck aufge-pfropfter schwangerschaftsinduzier-ter Hochdruck auf.

Eine seltene Sonderform stellt die ohne Proteinurie einhergehende benigne Form des Hochdrucks dar, die peripartal auftritt und bei der sich der Blutdruck innerhalb von zehn Tagen nach der Entbindung wieder normalisiert.

Wegen der besonderen klini-schen Bedeutung und Risiken sowie der für die Therapie bedeutsamen pathogenetischen Mechanismen werde ich mich im folgenden auf die schwangerschaftsinduzierte Hyper-tonie beziehungsweise Präeklampsie beschränken.

Kriterien des Schwangerschaftshoch-drucks

Systolischer und diastolischer Blutdruck der gesunden Schwange-ren sinken gegen Ende des ersten Trimenons und erreichen niedrigste Werte im zweiten Trimenon, die durchschnittlich etwa 10 mmHg un-ter den Ausgangswerten zu Beginn der Schwangerschaft liegen. Erst im

Erkrankungen der Niere (8)

Schwangerschafts- Hochdruck Herbert J. Kramer

Dt. Ärztebl. 88, Heft 36, 5. September 1991 (53) A-2891

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RRs

75 - RRd

50

100 - RR

Normales Blutdruckverhalten in der Schwangerschaft

RR (mm Hg)

1. 2. 3. Trimenon

Abbildung 1: Verhalten des systolischen (Rft s) und diastolischen (RRd) Blutdrucks und des arteriellen Mitteldrucks (RR) im Verlauf der normalen Schwangerschaft

Laufe des dritten Trimenons steigt der Blutdruck langsam wieder an, um gegen Ende der Schwangerschaft etwa die Ausgangsblutdruckwerte wieder zu erreichen (Abbildung 1).

Daraus ergibt sich, daß der Blut-hochdruck während der Schwanger-schaft anders definiert werden muß als außerhalb der Schwangerschaft.

Entsprechend liegt im dritten Trime-non dann ein Bluthochdruck vor, wenn der diastolische Blutdruck über 85 mmHg beziehungsweise der arterielle Mitteldruck ( = diastoli-scher Blutdruck + ein Drittel der Blutdruckamplitude) über 95 mmHg liegen. Von einem Bluthochdruck muß auch immer dann ausgegangen werden, wenn systolischer oder dia-stolischer Blutdruck um mehr als 30 mmHg beziehungsweise 15 mmHg über den niedrigsten während der bisherigen Schwangerschaft gemes-senen Blutdruckwerten liegen.

Epidemiologische Studien wei-sen auf die Bedeutung dieser Blut-druck-Grenzwerte für den schwan-gerschaftsinduzierten Hochdruck hin. Diese zeigen, daß die perinatale kindliche Mortalität ab einem arte-riellen Mitteldruck von 95 mmHg im dritten Trimenon rasch und gravie-rend ansteigt. Ebenso nimmt die pe-rinatale Mortalität erheblich zu,

wenn der arterielle Mitteldruck im zweiten Trimenon bereits den Grenzwert von 85 bis 90 mmHg überschreitet (16).

Ursache des hohen perinatalen Mortalitätsrisikos sind Entwick-lungsstörungen, vor allem eine Wachstumsretardierung, des Föten. Sie treten wegen chronisch-nutritiver

Plazentainsuffizienz mit uteropla-zentarer Minderdurchblutung auf und sind auf meist irreversible Ver-änderungen der Plazentarzotten bei der schwangerschaftsinduzierten Hy-pertonie beziehungsweise Präek-lampsie zurückzuführen.

Stadien des Schwangerschaftshoch-drucks

Als frühestes Stadium des schwangerschaftsinduzierten Hoch-drucks wird das isolierte Vorliegen einer Hypertonie nach den oben ge-nannten Kriterien gewertet. Nur re-gelmäßige Blutdruckmessungen bei der Schwangeren lassen diesen er-sten Hinweis auf das bevorstehende Risiko für Mutter und Kind erken-nen.

Mit zunehmender Schwere des Verlaufs tritt in der zweiten Phase

zur Hypertonie eine Proteinurie, im allgemeinen von mehr als 300 bis 500 mg pro 24 Stunden, hinzu. Wir spre-chen dann von der Präeklampsie. An dieses Stadium können sich sehr rasch zentralnervöse Symptome wie allgemeine Gereiztheit, Kopf-schmerz, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen als Ausdruck der schwe-ren Präeklampsie anschließen. Ebenso unvorhersehbar und unab-hängig von der Höhe des Blutdrucks kann diesem Stadium die Eklampsie mit generalisierten Krämpfen (Kon-vulsionen) folgen (11).

Organmanifestationen

Die bei der Präeklampsie müt-terlicherseits auftretenden Sympto-me sind Ausdruck der Beteiligung zahlreicher Organe. So manifestie-ren sich die Veränderungen im Be-reich des arteriellen Gefäßbettes als Bluthochdruck und die Schädigung der Niere durch Proteinurie, einge-schränkte glomeruläre Filtrationsra-te (GFR) und Anstieg der Harnsäu-re-Konzentration im Serum. Unruhe, Kopfschmerz und schließlich Kon-vulsionen sind Ausdruck der Beteili-gung des Zentralnervensystems. Schwerwiegende Komplikationen mit einem hohen Risiko für die Mut-ter sind Leberschädigung mit Trans-aminasenanstieg und Abnahme der Prothrombinsynthese sowie Beteili-gung des Gerinnungsystems mit Mi-krothrombenbildung. Bei schwerer Eklampsie können die beiden letzten Störungen zusammen mit einer be-gleitenden Hämolyse als HELLP-Syndrom auftreten. Das Akronym HELLP steht für: Hemolysis, Eleva-ted Liver Enzymes, Low Platelet Count. Dieses Syndrom ist mit einer hohen perinatalen Mortalität behaf-tet (12).

Pathophysiologie

Während der normalen Schwan-gerschaft besteht bei stimuliertem Renin-Angiotensin-System ein deut-lich vermindertes Ansprechen der Gefäße auf intravenös infundiertes Angiotensin II. Diese vaskuläre Re-sistenz gegenüber exogenem Angio-

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Tabelle 1: Systemische Hämodynamik und Nierenfunktion in der Schwangerschaft (SS)

Blutdruck Gefäßwiderstand Herzzeitvolumen (HZV) Plasmavolumen extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen (EZFV)

normale SS Präeklampsie

+

n

Nierenfunktion: renaler Plasmafluß (RPF) Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) Filtrationsfraktion (FF) Proteinurie Harnsäure-Clearance Natrium-Ausscheidung Natrium-Konservierung

n

n = normal; + = gesteigert; — = reduziert

Tabelle 2: Hormonelle Faktoren in der Schwangerschaft (SS)

normale SS

Plasma- Renin-Substrat Renin-Aktivität (PRA) Renin-Konzentration (PRC) gesamt Renin-Konzentration (PRC) aktiv

Präeklampsie

Plasma- Angiotensin II Aldosteron Desoxykortikosteron (DOC) Progesteron Prostaglandin/Thromboxan (PGE2-P GI2/TX-A2) Atriales Natriuretisches Peptid (ANP) Ouabain-ähnliche Faktoren (OLF)

n n+

n = normal; + = gesteigert; — = reduziert

tensin II könnte auf einer Abnahme („Down-Regulation") der Zahl an Angiotensin-Il-Rezeptoren, auf ei-ner endogenen Besetzung (Präokku-pation) dieser Rezeptoren und auf einer gesteigerten vaskulären und uterinen Prostazyklin-(PGI 2)-Syn-these beruhen (17).

Im Gegensatz dazu findet sich als frühestes Zeichen des schwanger-schaftsinduzierten Hochdrucks eine eindeutig gesteigerte Empfindlich-

keit der Gefäße gegenüber exoge-nem Angiotensin II bereits Wochen vor der Manifestation des Hoch-drucks (7). Die Blutdruckreaktion auf infundiertes Angiotensin II gilt daher auch als Indikator des Risikos einer bevorstehenden schwanger-schaftsinduzierten Hypertonie.

In diesem Zusammenhang ist ab der 28. Schwangerschaftswoche der sogenannte „Roll-over"-Test von praktischer Bedeutung. Ein Anstieg

des diastolischen Blutdruckes um mehr als 20 mmHg innerhalb von fünf Minuten nach Umlagerung der Schwangeren aus 15minütiger Sei-tenlage in die Rückenlage weist mit etwa 75prozentiger Zuverlässigkeit auf das Risiko eines schwanger-schaftsinduzierten Bluthochdrucks hin.

Systemische Hämodynamik

Wie bereits erwähnt, kommt es in der normalen Schwangerschaft ge-gen Ende des ersten Trimenons zu einer Abnahme des Blutdrucks mit einer maximalen Blutdrucksenkung im zweiten Trimenon um durch-schnittlich etwa 10 mmHg. Im drit-ten Trimenon steigt der Blutdruck dann langsam wieder an, um gegen Ende der Schwangerschaft etwa die Ausgangsblutdruckwerte zu errei-chen. Die Blutdrucksenkung ist Fol-ge einer Abnahme des peripheren Gefäßwiderstandes. Die allgemeine Vasodilatation in der frühen Schwangerschaft könnte auf einer gesteigerten Synthese von Prosta-glandinen (PGI 2, PGE2) und Proge-steron beruhen; in der zweiten Hälf-te der Schwangerschaft scheint die uteroplazentare Durchblutung im Sinne einer arteriovenösen (A-V) Fi-stel für die Abnahme des peripheren Gefäßwiderstandes mitverantwort-lich zu sein. Die nachweislich hohe uterine Prostazyklin-(PGI 2)-Synthe-se wird als wichtiger Faktor für den niedrigen Blutdruck und Gefäßwi-derstand und die reduzierte Emp-findlichkeit der Gefäße gegenüber Angiotensin II angesehen. Bei der ausgeprägten Vasodilatation kommt es gleichzeitig zur renalen Retention von durchschnittlich etwa 500 bis 900 mmol Natrium im Verlauf der ge-samten Schwangerschaft, damit zu einer Zunahme des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens um vier bis sechs Liter sowie des Plasmavolu-mens und des Herzzeitvolumens um 25 bis 50 Prozent (18) (Tabelle 1 und Abbildung 2).

Bei der Präeklampsie ist die Blutdrucksteigerung Folge einer Zu-nahme des systemischen peripheren Gefäßwiderstandes bei weitgehend

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4 12 20 28 36 Wochen

Systematische Hämodynamik bei SSiH

% Änderung

+10

0

-10

0

-50

+50 - HZV

0

+50- EZFV

0

RR

Abbildung 2: Prozentuale Änderung von arteriellem Mitteldruck (RR), peripherem Gesamt-widerstand (TPR), Herzzeitvolumen (HZV) und extrazellulärem Flüssigkeitsvolumen (EZFV) bei schwangerschaftsinduziertem Hochdruck (SSiH) (unterbrochene Linie) im Vergleich zu entsprechenden Änderungen während der normalen Schwangerschaft (durchgezogene Li-nien)

unverändert hohem Herzzeitvolu-men. Die gleichzeitig verminderte Volumen-Dehnbarkeit („Complian-ce") des venösen Gefäßsystems führt zur Abnahme des Plasmavolumens mit gleichzeitiger Hämokonzentrati-on. Trotz einer Reduktion des extra-zellulären Flüssigkeitsvolumens (EZFV) bleibt aber das interstitielle Flüssigkeitsvolumen erhöht. Die Zu-nahme des peripheren Gefäßwider-standes ist auf die mangelnde ute-roplazentare Durchblutung zurück-zuführen, das heißt die uteroplazen-

tare Einheit kann funktionell nicht mehr wie eine arteriovenöse Fistel wirksam werden. Einer gestörten Synthese gefäßerweiternder Prosta-glandine soll dabei eine entscheiden-de Rolle zukommen (Tabelle 2 und Abbildung 2).

Besondere Charakteristika des schwangerschaftsinduzierten Hoch-drucks stellen die Blutdrucklabilität und die Aufhebung des physiologi-schen Tag-Nacht-Rhythmus dar. Während der normalen Schwanger-schaft und selbst bei der essentiellen

Hypertonie bleibt die normale zirka-diane Rhythmik des Blutdrucks er-halten. Beim schwangerschaftsindu-zierten Hochdruck kommt es dage-gen zu einer Labilität des Blutdrucks und zum Verlust des physiologischen 24-Stunden-Rhythmus bis hin zur Umkehr des normalen Blutdruckver-haltens. Unter Umständen werden sogar höhere Blutdruckwerte wäh-rend der Nacht als während des Ta-ges beobachtet (11) (Abbildung 3).

Renale Hämodynamik

Während der normalen Schwan-gerschaft nehmen der renale Plas-mafluß (RPF) um fast 70 Prozent und die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) um fast 50 Prozent zu, so daß die Filtrationsfraktion (FF) gering abnimmt (2). Trotz der oben er-wähnten, für die normale Schwan-gerschaft erforderlichen, physiologi-schen Zunahme des extrazellulären Flüssigkeits- und Plasmavolumens ist die Empfindlichkeit des sogenannten tubulo-glomerulären „Feedback"-Mechanismus in der Niere gestei-gert, so als ob ein zu geringes zirku-lierendes, das heißt effektives Plas-mavolumen („Underfilling") vorläge. Auf diese Weise werden übermäßige renale Natrium- und Wasserverluste vermieden (18) (Tabelle 1).

Bei der schwangerschaftsindu-zierten Hypertonie beziehungsweise Präeklampsie fehlt dieser Anstieg von renalem Plasmafluß und glome-rulärer Filtrationsrate. Eine Serum-Kreatinin-Konzentration im oberen Normbereich kann dabei schon Aus-druck einer deutlich reduzierten glo-merulären Filtrationsrate sein. Die Nierenschädigung manifestiert sich weiterhin durch das Auftreten einer unselektiven glomerulären Protein-urie von mehr als 300 bis 500 mg pro 24 Stunden; häufig kann sie sogar zum nephrotischen Syndrom führen (Tabelle 1).

Exkretorische Nierenfunktion

Obwohl bei der normalen Schwangerschaft eine „physiologi-sche" Retention von Natrium ein-

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1; I

, -SSiH

.......... 0 .-- Ess. Hypertonie

Gesunde

■ •

Blutdruck-Tagesrhythmik bei SSiH Art. Mitteldruck

800 1W, 2 1400

ii°° Uhr

Abbildung 3: Schematische Darstellung der gestörten Blutdruck-Tagesrhythmik bei schwangerschaftsinduziertem Hochdruck (SSiH) im Vergleich zur Blutdruck-Tagesrhythmik bei gesunden Personen und bei Patienten mit essentieller Hypertonie

normale SS Präeklampsie Literatur

Na-Konzentration in der Zelle Na-Li-„Counter-Transport" Na-K-„Co-Transport" Na-K-Transport aktiv Na-K-ATPase

n n

(6, 19) (1) (5) (6) (6, 19)

Tabelle 3: Zellmembran-Transport in der Schwangerschaft (SS)

n = normal; + = gesteigert, erhöht; — = reduziert

tritt, ist die Niere nicht imstande, bei kochsalzarmer Kost ausreichend Na-trium zu retinieren. Eine streng na-triumarme Kost kann daher in der Schwangerschaft nicht empfohlen werden. Die Harnsäure-Elimination, die von der proximal-tubulären Re-sorption und Sekretion von Harnsäu-re bestimmt wird, ist in der normalen Schwangerschaft gesteigert. Dies ist auf eine erhöhte Sekretion von Harnsäure und gleichzeitig — infolge der Expansion des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens — auf eine ver-minderte Resorption von Harnsäure zurückzuführen. Niedrige Serum-Harnsäure-Konzentrationen sind da-her die Regel in der normalen Schwangerschaft.

Im Gegensatz zur oben beschrie-benen Nierenfunktion bei normaler Schwangerschaft ist die Niere beim schwangerschaftsinduzierten Hoch-druck nicht imstande, übermäßig zu-geführtes Kochsalz ausreichend rasch zu eliminieren. Ausdruck der gestörten exkretorischen Nieren-funktion ist zudem eine reduzierte Harnsäure-Clearance. Ein Anstieg der Serum-Harnsäure-Konzentration über 4,5 mg/dl während der Schwan-gerschaft stellt daher ein ominöses Zeichen dar. Gerade die Höhe der Harnsäurekonzentration im Serum korreliert gut mit dem Schweregrad des schwangerschaftsinduzierten Hochdrucks (16) (Tabelle 1).

Morphologie der Niere bei Präeklampsie

Die lichtmikroskopisch in den Glomeruli zu beobachtende Kapil-larwandverdickung läßt sich elektro-nenmikroskopisch als Endothelzell-schwellung und subendotheliale Ab-

lagerungen von fibrinähnlichen Komplexen identifizieren. Die sub-endothelialen Ablagerungen werden rasch nach der Entbindung abgebaut (14), die Endothelschädigung („En-dotheliose") ist somit reversibel.

Trotz des erhöhten Natrium-und Wasserbestandes verhält sich der Organismus bei der normalen Schwangerschaft so, als ob ein Volu-menmangel vorläge. Zirkulierendes Reninsubstrat (Angiotensinogen), die Plasma-Renin-Aktivität (PRA), die Plasmakonzentrationen von Ge-samt-Renin und aktivem Renin so-wie von Angiotensin II, Aldosteron und Desoxykortikosteron sind er-höht. Ebenso finden sich hohe Plas-makonzentrationen von Progesteron, der Prostaglandine PGE 2 und PGI2

sowie von Thromboxan A2 (TXA2). Während die Plasmakonzentration des atrialen natriuretischen Peptids (ANP) bei der gesunden Schwange-ren im Normbereich liegt und nur bei der Präeklampsie oder Eklamp-sie erhöht ist, wurden — wahrschein-lich zum Teil unspezifisch — erhöhte Konzentrationen von Ouabain-ähnli-

chen Faktoren im Plasma bei norma-ler und pathologischer Schwanger-schaft beobachtet (3, 9, 10, 13) (Ta-belle 2).

Bei der Präeklampsie ist die Plasmakonzentration von aktivem Renin trotz relativer intravasaler Hy-povolämie erniedrigt; es liegt sozu-sagen eine hyporeninämische Hypo-volämie vor (3). Die fixiert erhöhte Desoxykortikosteronkonzentration im Plasma könnte zur gesteigerten renalen Natriumretention mit Ödennbildung beitragen (13).

Besonderes Interesse gilt der uteroplazentaren und systemischen Synthese des stark vasodilatorischen und die Plättchenaggregation hem-menden Prostazyklin (PGI 2) (8). Vor allem ist die uteroplazentare Synthe-se von Prostazyklin bei der Prä-eklampsie signifikant reduziert bei weiterhin gesteigerter Synthese des stark vasokonstriktorisch und die Plättchenaggregation fördernden Thromboxan A2 (TXA2). Das gestör-te Verhältnis zwischen PGI, und TXA, könnte daher für zahlreiche Manifestationen der Präeklampsie zumindest mitverantwortlich sein.

Ätiologie

Wie die zahlreichen Befunde zeigen, ist die Ätiologie der schwan-gerschaftsinduzierten Hypertonie beziehungsweise der Präeklampsie bis heute nicht endgültig geklärt. Im Rahmen der verschiedenen Theori-en werden als ursächliche Faktoren im wesentlichen diskutiert:

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Tabelle 4: Indikation und Ziel der medikamentösen Therapie bei schwangerschaftsinduziertem Hochdruck (SSiH)

unkomplizierter SSiH chronische Hypertonie + Präeklampsie

RR > 170/105 mmHg RR > 160/100 mmHg

■ Indikation:

■ Therapieziel:

RR < 160/ 90 mmHg

1. ein primär gestörter, das heißt verminderter uteroplazentarer Blutfluß, der sich möglicherweise nach initial übermäßig starkem Wachstum der Plazenta einstellt,

2. eine immunologische Störung mit fehlerhafter mütterlicher Im-munantwort auf den Trophoblasten beziehungsweise Föten, und

3. eine genetische Störung mit einer dem Histokompatibilitätssy-stem (HLA-System) assoziierten au-tosomal-rezessiv vererbten Dispositi-on zur Präeklampsie.

Eine Synopsis aller bisherigen Befunde läßt am ehesten eine gene-tische Disposition zu einer patholo-gischen Immunreaktion als Ätiologie der Präeklampsie vermuten (11, 16). Dabei dürfte es sich um eine fehler-hafte Immunantwort der Mutter ge-genüber dem Trophoblasten oder Föten handeln. Für eine solche Ge-nese sprechen die Ablagerungen von

und Komplikationen der Präeklamp-sie erklären, wie den verminderten uteroplazentaren Blutfluß, die Pla-zenta-Ischämie und -Infarzierung, die gesteigerte Thrombozytenaggre-gation und disseminierte intravasale Koagulation, die gesteigerte Emp-findlichkeit des Gefäßbettes auf An-giotensin II, den erhöhten periphe-ren Gefäßwiderstand und Hoch-druck sowie die Abnahme der Nie-rendurchblutung und der glomerulä-ren Filtrationsrate. Schließlich könn-

sierung der Schwangeren. Bei leich-ter Hypertonie genügen zunächst Bettruhe und entsprechende Blut-druckkontrollen. Eine Indikation zur medikamentösen Therapie bei un-komplizierter schwangerschaftsindu-zierter Hypertonie ergibt sich bei Blutdruckwerten ab 170/105 mmHg. Da das Risiko für Mutter und Kind bei vorbestehendem Bluthochdruck der Schwangeren mit aufgepfropf-tem schwangerschaftsinduziertem Hochdruck ungleich höher ist, be-

Immunglobulinen, Komplement und Fibrin in den Glomeruli, uteropla-zentaren Arterien sowie den Leber-sinusoiden. Damit wäre auch eine Störung des Arachidonsäure-Stoff-wechsels mit gesteigerter Bildung der entzündungsvermittelnden und vasokonstriktorischen Lipoxygenase-und Zyklooxygenase-Produkte, den Leukotrienen und dem Thromboxan, bei gleichzeitiger Suppression der Synthese des vasodilatorischen und die Plättchenaggregation hemmen-den Prostazyklin vereinbar. Eine Endothelzellschädigung mit gestör-ter Prostazyklin-Synthese würde auch zahlreiche Manifestationen

te auch ein generalisierter Mem-brandefekt mit Zunahme der intra-zellulären Natrium- und Kalzium-konzentrationen in der glatten Gefäßmuskelzelle zur Hypertonie und im Erythrozyten in besonders schweren Fällen zur Hämolyse bei-tragen (Tabelle 3).

Therapie des Schwangerschaftshoch-drucks

Der schwangerschaftsinduzierte Hochdruck beziehungsweise die Prä-eklampsie erfordern die Hospitali-

steht hier bereits die Indikation zur medikamentösen Therapie bei Blut-druckwerten ab 160/100 mmHg. Ziel der antihypertensiven Behandlung ist die Senkung des diastolischen Blutdrucks auf Werte zwischen 80 und 90 mmHg und des systolischen Blutdrucks auf unter 160 mmHg (Ta-belle 4).

Zur medikamentösen Behand-lung der Schwangerschaftshyperto-nie (4) wird nach wie vor a-Methyl-dopa (Presinol®, Sembrina® u. a.) als Mittel der ersten Wahl eingesetzt, da seine Wirksamkeit und Unbedenk-lichkeit aufgrund des jahrzehntelan-gen Einsatzes erwiesen sind. Kann mit a-Methyldopa allein die ange-strebte Blutdrucksenkung nicht er-reicht werden, so ist der zusätzliche Einsatz von Dihydralazin (Nepre-sol®) angezeigt. Als weitere Medika-mentengruppe kommen heute die ß 1-selektiven ß-Rezeptorenblocker auch als Mittel der ersten Wahl zum Einsatz (Tabelle 5).

Gegen den Einsatz von Diureti-ka als Antihypertensiva bei der schwangerschaftsinduzierten Hyper-tonie beziehungweise Präeklampsie sprechen die obengenannten patho- physiologischen Faktoren, nämlich erstens das bei der Präeklampsie schon verminderte Plasmavolumen sowie zweitens der verminderte ute-

Tabelle 5: Antihypertensive Therapie in der Schwangerschaft

■ Bettruhe

■ Medikamentöse Therapie: a-Methyldopa Hydralazin, Dihydralazin [3 1-Rezeptorenblocker

■ relative Kontraindikation: Diuretika (Einsatz nur bei Lungen-ödem, Herzinsuffizienz, Niereninsuffi-zienz)

■ kein Einsatz von:

Reserpin, Clonidin, Guanfacin, Kalziumantagonisten, ACE-Hemmern

■ bei hypertensiver Krise: Dihydralazin, Diazoxide i. v.

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roplazentare Blutfluß, die beide durch den Einsatz von Diuretika weiter reduziert würden; drittens birgt der Einsatz von Diuretika die potentielle Gefahr von schwerwie-genden Elektrolytstörungen in sich, und schließlich viertens sind Diureti-ka bei der schwangerschafts-induzierten Hypertonie/Präeklamp-sie im allgemeinen nicht oder wenig wirksam. Seltene Indikationen für den Einsatz von Diuretika stellen das Vorliegen eines Lungenödems, einer Herzinsuffizienz oder einer Hypervolämie bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz dar (Tabelle 5).

Wegen ungenügender blut-drucksenkender Wirkung bei der Mutter beziehungsweise der beim Kind zu erwartenden Nebenwirkun-gen ist der Einsatz von zentral oder zentral und peripher wirkenden An-tihypertensiva wie Reserpin, Cloni-din oder Guanfacin, Guanethidin und von Ganglienblockern nicht in-diziert.

Der Einsatz von Kalzium-Ant-agonisten (Kalziumkanal-Blocker) sollte so lange zurückgestellt werden, bis ausreichende klinische Erfahrun-gen vorliegen. Die schwangerschafts-induzierte Hypertonie/Präeklampsie stellt keine Indikation für den Ein-satz von Angiotensin-Konversions-enzym-Hemmern (ACE-Hemmer) dar. Gerade wegen der Bedeutung des Renin-Angiotensin-Systems be-ziehungsweise des Angiotensin II für die Aufrechterhaltung der uteropla-zentaren Durchblutung ist der Ein-satz von ACE-Hemmern, die die Bil-dung von Angiotensin II unterdrük-ken, in der Schwangerschaft nicht in-diziert. Auch kann deren teratogene Wirkung noch nicht sicher ausge-schlossen werden (Tabelle 5).

Zur Behandlung der hypertensi-ven Krise in der Schwangerschaft eignet sich besonders die intravenöse Verabreichung von Dihydralazin. Daneben kann Diazoxid (Hyperto-nalum®) mit Titration der Dosis in Form eines 30-mg-Bolus pro Minute bis zur gewünschten Blutdrucksen-kung zum Einsatz kommen. Zur Be-handlung der Eklampsie haben sich schließlich die intravenöse Verabrei-chung von Magnesiumsulfat sowie die Gabe von Antikonvulsiva be-währt (15).

Hinsichtlich der unter pathoge-netischen Aspekten oben erwähnten Störung des Gleichgewichts zwi-schen Prostazyklin- und Thrombo-xan-Synthese bei der schwanger-schaftsinduzierten Hypertonie/Prä-eklampsie wird in den letzten Jahren der prophylaktische Einsatz niedri-ger Dosen von Acetylsalicylsäure (Aspirin®) (100 mg pro Tag oder we-niger) untersucht. Die bisherigen Er-gebnisse lassen vermuten, daß mit diesem Behandlungskonzept ein wichtiger pathogenetischer Faktor des schwangerschaftsinduzierten Hochdrucks beziehungsweise der Präeklampsie wirksam angegangen werden kann (17).

Bei Vorliegen einer Präeklamp-sie ist die vorzeitige Entbindung in jedem Fall dann angezeigt, wenn 1. eine weitgehende Reifung des Föten vorliegt, oder 2. innerhalb von 24 bis 48 Stunden keine ausreichende Blut-drucksenkung erzielt werden kann. Sie ist besonders auch dann ange-zeigt, wenn zusätzliche Risiken für die Mutter wie Zeichen der Gerin-nungsstörung oder Einschränkung der Nierenfunktion auftreten, wenn eine Eklampsie droht oder wenn schließlich ein akutes Risiko für den Föten vorliegt. Hier gilt der Leitsatz „Das Kind ist heute besser in einem Inkubator aufgehoben als in einem präeklamptischen Uterus".

Nach Beendigung der Schwan-gerschaft ist die Prognose des rein schwangerschaftsinduzierten Blut-hochdruckes gut, da sich der Blut-druck rasch normalisiert und die Nierenveränderungen im allgemei-nen voll reversibel sind.

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder-druck, anzuforden über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Herbert J. Kramer Medizinische Poliklinik Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Wilhelmstraße 35-37 W-5300 Bonn 1

Stuhlbeschaffenheit bei langfristiger hoch- molekularer Formeldiät

Die parenterale Ernährung birgt Katheterprobleme und metabolische Risiken. Zunehmend werden post-operativ oder bei beatmeten Patien-ten bilanzierte enterale Diäten ein-gesetzt.

Bei zehn Gesunden wurden die Effekte einer 14tägigen hochmoleku-laren, ballaststoffreichen Trinkdiät untersucht. Die Probanden nahmen trotz ausreichender Energiezufuhr signifikant ab — das Körpergewicht sank von 72,0 ± 7,0 kg auf 69,3 ± 6,5 kg —, was eventuell auf eine be-schleunigte Dünndarmpassage zu-rückzuführen ist. Die Mund-Anus-Transit-Zeit, die wesentlich durch die Kolonpassage bestimmt wird, än-derte sich kaum. Weiter zeigte sich eine signifikante Verminderung der fäkalen Gallensäuren, vor allem der Chol- und Chenodesoxycholsäure. Auch im Serum wurde eine deutliche Verminderung der Gesamtgallen-säuren beobachtet. Hinweise für ei-ne bakterielle Überwucherung erga-ben sich nicht. Aus all dem schließen die Autoren, daß eine längere Er-nährung mit hochmolekularer Diät zu erheblichen Änderungen intesti-naler Funktionen führt, und dies, ob-wohl Kalorienmenge, Anteile und Relation der Nährstoffe den Emp-fehlungen der Deutschen Gesell-schaft für Ernährung unter Berück-sichtigung eines erhöhten Proteinbe-darfs im Krankheitsfall entsprachen. Ein höherer Ballaststoffanteil wäre wünschenswert. mle

Kruis, W. et al.: Änderungen der Stuhlbe-schaffenheit, der Darmpassage, des Gal-lensäurenmetabolismus und der intestina-len Fermentation unter langfristiger Er-nährung mit hochmolekularer Formeldiät. Med. Klin. 86 (1991), 241-244.

Prof. Dr. W. Kruis, Medizinische Klink der Universität, Joseph-Stelzmann-Straße 9, W-5000 Köln 41

A-2900 (64) Dt. Ärztebl. 88, Heft 36, 5. September 1991