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Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Forschungsvorhaben fe 2/15: „Vergleich der International Public Sector Accounting Standards mit den Standards staatlicher Doppik“ Management Summary Im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen Stuttgart, 31. März 2016

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Ernst & Young GmbHWirtschaftsprüfungsgesellschaftForschungsvorhaben fe 2/15:„Vergleich der International Public Sector AccountingStandards mit den Standards staatlicher Doppik“

Management Summary

Im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen

Stuttgart, 31. März 2016

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Management Summary

Die Standards staatlicher Doppik (SsD) und der aus ihnen abgeleitete Verwaltungs-kontenrahmen (VKR) sind in Deutschland für Bund und Länder maßgeblich, wenn dieGebietskörperschaften ein doppisches Rechnungswesen verwenden. Die SsD zeich-nen sich dadurch aus, dass ihnen das Handelsrecht als Referenzmodell zu Grundeliegt. Darüber hinaus normieren sie auch spezifisch öffentliche Sachverhalte, wie et-wa die Ertragsrealisierung von Steuern. Die internationalen Buchführungsstandardsfür den öffentlichen Sektor (International Public Sector Accounting Standards,IPSAS) sind hingegen das führende internationale Regelwerk für die Rechnungsle-gung öffentlicher Haushalte. Sie basieren im Wesentlichen auf den International Fi-nancial Reporting Standards (IFRS), die im Zeitablauf immer wieder auch Änderungendes deutschen Handelsrechts (z.B. im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsge-setz) und damit auch die SsD beeinflusst haben. Damit stellt sich auch für das öffent-liche Rechnungswesen auf der staatlichen Ebene die Frage, welche grundlegendenUnterschiede basierend auf den unterschiedlichen Buchführungstraditionen trotzzunehmender Internationalisierung der Rechnungslegung weiterhin bestehen.

In ihrem Bericht „Die angestrebte Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungs-grundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten“ aus dem Jahr 2013hat die Europäische Kommission aufgrund der festgestellten Heterogenität des öf-fentlichen Rechnungswesens in Europa die Notwendigkeit einer Harmonisierung derRechnungsführungsgrundsätze abgeleitet und strebt seither die Schaffung von ein-heitlichen und verbindlichen Rechnungsführungsgrundsätzen in Europa an. Als Aus-gangspunkt für die sog. European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) solldabei nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission auf die IPSAS zurückge-griffen werden, welche jedoch modifiziert und an die europäischen Bedürfnisse ange-passt werden sollen.

Detaillierte Studien über die Unterschiede zwischen IPSAS und SsD bzw. VKR liegenbislang nicht vor. Ziel des Forschungsprojektes ist es deshalb, einen fundierten unddetaillierten Vergleich der praktisch relevanten Regelungen in den nationalen undinternationalen Standards vorzunehmen. Gegenstand des Hauptteils des vorliegen-den Berichts ist deshalb die Analyse der IPSAS auf deren Vereinbarkeit mit den SsD.Ausgangspunkt und Grundlage für die Gliederung der Analyse der beiden Rechnungs-legungssysteme stellen dabei die Bestimmungen der SsD dar.

Die vergleichende Analyse der Bestimmungen der IPSAS und der SsD hat in einerGesamtschau zu den folgenden wesentlichen Ergebnissen geführt:

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A. Themenfeld „Einzelabschluss“ auf staatlicher Ebene

1. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Grundprinzipien► Das handelsrechtliche Anschaffungskostenprinzip ist nach den IPSAS kein all-

gemeiner Grundsatz, weshalb es zu Wertansätzen für Vermögenswerte ober-halb der Anschaffungskosten kommen kann. Nach IPSAS kann es damit auch zueiner Durchbrechung des Realisationsprinzips kommen.

► Der Grundsatz der Einzelbewertung ist in den IPSAS nicht explizit vorgesehen.► Der Grundsatz der Vorsicht ist nach den IPSAS deutlich geringer ausgeprägt als

im Handelsrecht. Im IPSAS Rahmenkonzept wird das Vorsichtsprinzip durch dasqualitative Charakteristikum der „glaubwürdigen Darstellung“ (faithful re-presentation) repräsentiert.

2. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich einzelner ausgewählter Bilanzpositio-nen

a) Immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens► Während nach den SsD für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegen-

stände des Anlagevermögens ein Bilanzierungsverbot besteht, ist in IPSAS 31 —bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen — eine Ansatzpflicht normiert.

► IPSAS 21 bzw. IPSAS 26 sehen für die außerplanmäßigen Abschreibungen(Wertminderungen) von immateriellen Vermögensgegenständen eine andereVorgehensweise als die SsD vor. Während außerplanmäßige Abschreibungennach SsD zu berücksichtigen sind, wenn sie voraussichtlich dauerhaft sind, stel-len die IPSAS für die Vornahme außerplanmäßiger Wertminderungen allein aufden erzielbaren Betrag ab. Während nach IPSAS mindestens einmal jährlich undnach SsD regelmäßig zu überprüfen ist, ob Anzeichen für eine außerplanmäßigeWertminderung vorliegen, sind außerplanmäßige Wertminderungen nach SsDimmer dann zu berücksichtigen, wenn sie voraussichtlich dauerhaft sind. DieIPSAS stellen für die Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen auf den er-zielbaren (Leistungs-) Betrag (recoverable (service) amount) als höherem Wertaus „beizulegendem Zeitwert abzüglich Verkaufskosten“ (fair value less cost tosell) und „Nutzungswert“ (value in use) ab.

► Ein derivativer Geschäfts- und Firmenwert ist nach IPSAS nicht planmäßig ab-zuschreiben, während nach SsD eine planmäßige Abschreibung gefordert wird.

► Folgt man der Definition des Rahmenkonzepts für einen Vermögenswert, danndürfen geleistete Investitionszuweisungen und -zuschüsse grundsätzlich nichtaktiviert werden.

b) Sachanlagevermögen► Für Kulturgüter besteht nach IPSAS 17 ein Ansatzwahlrecht, während diese

nach SsD ansatzpflichtig und separat ausweispflichtig sind.

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► Nach IPSAS sind künftige Verpflichtungen in Bezug auf eine Sachanlage (z.B.Rekultivierungsverpflichtungen) im Zeitpunkt der Ersterfassung der Anlage so-fort zu passivieren und korrespondierend in die Anschaffungs- oder Herstel-lungskosten einzubeziehen, während solche Verpflichtungen nach SsD in Formeiner Ansammlungsrückstellung zu erfassen sind.

► Nach IPSAS sind die Herstellungskosten grundsätzlich zu Vollkosten zu bewer-ten, während die Herstellungskosten nach SsD auf Teilkostenbasis zu ermittelnsind. Die SsD sehen für die handelsrechtlichen Wahlbestandteile gem. § 255Abs. 2 HGB ein Aktivierungsverbot vor.

► Bei der Folgebewertung des als Finanzinvestition gehaltenen Immobilienvermö-gens als separat auszuweisende Bilanzposition ist nach IPSAS 16 sowohl eine(einheitliche) Bewertung nach dem Anschaffungskostenmodell als auch eine(einheitliche) Bewertung nach dem Zeitwertmodell zulässig, während aufgrunddes Anschaffungskostenprinzips nach HGB und SsD nur eine Bewertung zufortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach dem Anschaffungs-kostenmodell zulässig ist. Nach IPSAS 16 ist der Zeitwert des als Finanzinvesti-tion gehaltenen Immobilienvermögens allerdings in jedem Fall, unabhängig vomgewählten Modell der Folgebewertung, zu ermitteln: bei Anwendung derAn-schaffungskostenmethode ist der Zeitwert zumindest im Anhang anzugeben.

► Während zur Erfassung planmäßiger Abschreibungen nach IPSAS alle Ab-schreibungsmethoden zulässig sind, die den Verbrauch des zukünftigen wirt-schaftlichen Nutzens bzw. des Nutzenpotentials sachgerecht wiedergeben, darfnach SsD lediglich die lineare Methode angewendet werden.

► Vermögensgegenstände des (sonstigen) Sachanlagevermögens sind nachIPSAS in einzelne Komponenten aufzuteilen. Diese sind separat abzuschreiben,wenn sie unterschiedliche Nutzungsdauern aufweisen und ihr Anteil an den An-schaffungs- oder Herstellungskosten signifikant ist (Komponentenansatz), wäh-rend die SsD eine vergleichbare, verpflichtende Regelung nicht kennen. In derPraxis ist aufgrund der handelsrechtlichen bzw. steuerlichen Vorschriften(bspw. zu den Betriebsvorrichtungen) eine komponentenweise Bilanzierungs-weise in Teilbereichen dennoch gebräuchlich.

► IPSAS 21 bzw. IPSAS 26 sehen für die außerplanmäßigen Abschreibungen(Wertminderungen) eine andere Vorgehensweise als die SsD vor. Während nachIPSAS mindestens einmal jährlich und nach SsD regelmäßig zu überprüfen ist,ob Anzeichen für eine außerplanmäßige Wertminderung vorliegen, sind außer-planmäßige Abschreibungen nach SsD immer dann zu berücksichtigen, wennsie voraussichtlich dauerhaft sind. Die IPSAS stellen für die Vornahme außer-planmäßiger Wertminderungen allein auf den erzielbaren (Leistungs-)Betrag ab(recoverable (service) amount).

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c) Finanzanlagevermögen► Hinsichtlich der Folgebewertung von Finanzanlagen bestehen konzeptionelle

Unterschiede zwischen den SsD und IPSAS als Konsequenz der Zuordnung zueiner bestimmten Kategorie von finanziellen Vermögenswerten nach IPSAS.

► Bei der Folgebewertung von un- bzw. niedrigverzinslichen Ausleihungen anverbundene Unternehmen und Einrichtungen sowie an Unternehmen und Ein-richtungen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, sehen die IPSAS fürdie Folgebewertung die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten unterAnwendung der Effektivzinsmethode vor (IPSAS 29.48(a)). Ferner ist nach denIPSAS für (wesentliche) Ausleihungen jährlich ein Werthaltigkeitstest (impair-ment test) durchzuführen. Un- bzw. niedrigverzinsliche Ausleihungen an ver-bundene Unternehmen und Einrichtungen sowie an Unternehmen und Einrich-tungen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, sind nach den SsD grund-sätzlich mit dem Barwert anzusetzen. Außerplanmäßige Abschreibungen sindanalog zu § 253 Abs. 3 S. 3 HGB bei voraussichtlich dauernder Wertminderungvorzunehmen, um diese mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen amAbschlussstichtag beizulegen ist.

► Da Wertpapiere des Anlagevermögens als finanzielle Vermögenswerte gem.IPSAS 29 zu bilanzieren sind, erfolgt die Folgebewertung grundsätzlich zumbeizulegenden Zeitwert respektive mittels der Effektivzinsmethode. Wertpapie-re des Anlagevermögens werden nach den SsD wie Finanzanlagen grundsätzlichmit den Anschaffungskosten bewertet. Außerplanmäßige Abschreibungen sindanalog zu § 253 Abs. 3 S. 3 HGB bei voraussichtlich dauernder Wertminderungvorzunehmen, um diese mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen amAbschlussstichtag beizulegen ist.

d) Vorräte► Nach IPSAS sind Vorräte, die für die Verteilung gegen keine oder eine symboli-

sche Gebühr oder für den Verbrauch während des Herstellungsprozesses vonGütern zur Verteilung gegen keine oder eine symbolische Leistung bestimmtsind, mit dem niedrigeren Wert aus AHK und Wiederbeschaffungswert zu be-werten. Vorräte sind nach den SsD grundsätzlich mit den Anschaffungskostenoder dem niedrigeren Wert, der sich aus dem Marktpreis am Abschlussstichtagergibt, anzusetzen. Die SsD sehen hinsichtlich der Bewertung der Vorräte keinederartige Unterscheidung wie die IPSAS vor.

► Als Verbrauchsfolgeverfahren dürfen nach den SsD die FIFO- und LIFO-Methodeangewendet werden. Daneben sind als Bewertungsvereinfachungsverfahren dieDurchschnitts-, Festwert- und Gruppenbewertung zulässig. Nach IPSAS ist dieAnwendung der LIFO-Methode grundsätzlich unzulässig, ebenso das Festwert-verfahren (außer bei Unwesentlichkeit). Gemäß IPSAS 12.35 sind lediglich dieFIFO-Methode und die gewogene Durchschnittswertmethode als Bewertungs-vereinfachungsverfahren anwendbar.

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e) Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände► Forderungen unterliegen gem. IPSAS einer grundsätzlich anderen Bewertungs-

konzeption als nach den SsD, da diese als finanzielle Vermögenswerte zu klassi-fizieren und deshalb einer der vier Kategorien von finanziellen Vermögenswer-ten zuzuordnen sind. Unterschiede ergeben sich deshalb, basierend auf der Ka-tegorienzuordnung, insbesondere bei der Folgebewertung von Forderungen.Gleiches gilt für die Bewertung von Fremdwährungsforderungen.

► Die Bestimmungen der IPSAS zur Rechnungslegung von Kurssicherungsge-schäften sind deutlich umfangreicher und detaillierter (Hedge Accounting).

► Nach IPSAS ist für Steuerforderungen das steuerbare Ereignis an die Erfüllungdes in den Steuergesetzen genannten Tatbestands geknüpft. Die Erfassung vonForderungen aus Steuern erfolgt somit unabhängig von der Veranlagung. Auchdie Vereinfachungsregel der SsD zur Erfassung von Steuerforderungen ist nachIPSAS nicht zulässig.

f) Wertpapiere des Umlaufvermögens► Die SsD folgen für die Bewertung der Wertpapiere des Umlaufvermögens § 253

Abs. 4 HGB, wonach diese stets mit dem niedrigeren Wert aus AHK und Markt-preis anzusetzen sind. Nach IPSAS erfolgt die Folgebewertung je nach Katego-rie grundsätzlich zum beizulegenden Zeitwert respektive mittels der Effektiv-zinsmethode.

g) Aktive Rechnungsabgrenzungsposten► Konzeptionell betrachtet kennen die IPSAS Rechnungsabgrenzungsposten im

Sinne des Handelsrechts nicht. Insofern haben IPSAS strengere Ansatzvor-schriften für Abgrenzungsposten als die SsD. Eine Ausgabe stellt nicht alleinedeswegen einen Aktivposten in der Bilanz dar, weil sie zu einem Aufwand nachdem Bilanzstichtag führt. Zwingend erforderlich ist nach IPSAS vielmehr, dassdie Definition und die Ansatzvoraussetzungen für einen Vermögenswert erfülltsind.

h) Eigenkapital► Das Ergebnis einer Periode ergibt sich nach den IPSAS als Saldo aus dem „tra-

ditionellen“ Gewinn, der im Rahmen der Ergebnisrechnung ermittelt wird, undausgewählten Ergebnisbeiträgen, welche unmittelbar im Eigenkapital verrech-net werden. Bei den unmittelbar im Eigenkapital verrechneten Ergebnisbeiträ-gen handelt es sich i.d.R. um die der Zeitwertbilanzierung geschuldeten entob-jektivierten Ergebnisbeiträge, welche vom Periodenergebnis getrennt darge-stellt werden.

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i) Sonderposten für Investitionen► Die IPSAS kennen den Begriff der Sonderposten als eigene Passivposition nicht;

bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine Passivierung sind diese Sachverhal-te als Verbindlichkeit auszuweisen.

► Die IPSAS qualifizieren erhaltene, investive Zuweisungen und Zuschüsse bzw.Beiträge bei Vorliegen von Bedingungen als Verbindlichkeit, während nach denSsD ein Ausweis unter den Sonderposten zu erfolgen hat. Investive Zuweisun-gen und Zuschüsse bzw. Beiträge, für die Leistungsverpflichtungen bzw. Rück-zahlungs-/Rückgabeverpflichtungen bestehen, sind nach den IPSAS zwingendals Verbindlichkeit zu bilanzieren. Eine Passivierung von Sonderposten für In-vestitionen setzt nach SsD lediglich den Erhalt von Zuweisungen, Zuschüssen,Beiträgen o.Ä. zur Finanzierung aktivierungsfähiger Vermögensgegenständevoraus, unabhängig davon, ob diese Ressourcen mit Bedingungen (und beiNichteinhaltung mit einer Rückgabeverpflichtung) verbunden sind oder nicht.Die ertragswirksame Auflösung der Verbindlichkeit orientiert sich nach IPSASam Grad der Abnahme der Leistungs- respektive der Rückgabeverpflichtung,während Sonderposten nach SsD über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauerdes bezuschussten, aktivierten Vermögensgegenstands aufzulösen sind.

j) Rückstellungen► Nach den SsD erfolgt die Bewertung der Rückstellungen nach dem Vorsichts-

prinzip zum Höchstwert, während IPSAS 19 eine Bewertung zum wahrscheinli-chen Wert bzw. einem statistisch gewichteten Erwartungswert (bei einer Viel-zahl von Risiken) normiert.

► Langfristige Rückstellungen mit einer Restlaufzeit über einem Jahr werdennach den SsD grundsätzlich mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durch-schnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Jahre abgezinst, währendnach IPSAS 19 eine Abzinsung mit einem marktgerechten, laufzeitenspezifi-schen und risikoadäquaten Zins nur dann erfolgt, wenn der Zinseffekt wesent-lich ist. Bei Altersvorsorgeverpflichtungen erfolgt die Abzinsung nach den SsDmit dem Durchschnittszinssatz der vergangenen sieben Jahre, der sich aus denUmlaufrenditen für börsennotierte Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeitzwischen 15 und 30 Jahren ergibt, während IPSAS 25 einen laufzeit- und risi-koadäquaten Marktzinssatz fordert, der aus Staatsanleihen oder Unterneh-mensanleihen abzuleiten ist.

► Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen unterliegen grund-sätzlich einer unterschiedlichen Grundkonzeption hinsichtlich der Einordnungund Verrechnung von unmittelbaren und mittelbaren Verpflichtungen und De-ckungsvermögen sowie der aktuarischen Ermittlungssystematik des Barwertesder Verpflichtungen nach IPSAS 25. Weitere wesentliche Unterschiede ergebensich aus den verschiedenen Diskontierungssätzen und der Erfassung der versi-cherungsmathematischen Änderungen.

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k) Verbindlichkeiten► Verbindlichkeiten unterliegen gem. IPSAS einer grundsätzlich anderen Bewer-

tungskonzeption. Da Verbindlichkeiten nach IPSAS grundsätzlich als finanzielleSchulden zu klassifizieren sind, unterliegen sie den Bestimmungen des IPSAS29. Unterschiede ergeben sich deshalb insbesondere bei der Folgebewertungvon Verbindlichkeiten.

► Nach den IPSAS werden Fremdwährungsverbindlichkeiten grundsätzlich alsmonetäre Posten gem. IPSAS 4.27 (a) ergebniswirksam zum (Bilanz-) Stich-tagskurs umgerechnet.

► Bestimmungen der IPSAS zur Rechnungslegung von Bewertungseinheiten sinddeutlich umfangreicher und detaillierter (Hedge Accounting).

► Die IPSAS berücksichtigen die im Rahmen der Gewährung von Zuweisungenund Zuschüssen auferlegten Bedingungen (conditions) bei der Bilanzierung die-ser Transfers. Dies führt beim Empfänger bis zur Erfüllung dieser Bedingungenzunächst zur Bilanzierung von „performance obligations“. Aufgrund dieser kon-zeptionellen Differenzen zu den SsD bestehen hier wesentliche Unterschiede.

l) Passive Rechnungsabgrenzungsposten► Konzeptionell betrachtet kennen die IPSAS Rechnungsabgrenzungsposten im

Sinne des Handelsrechts nicht. Insofern haben die IPSAS strengere Ansatzvor-schriften für Abgrenzungsposten als die SsD. Eine Einnahme stellt nicht alleinedeswegen einen Passivposten in der Bilanz dar, weil sie nach dem Bilanzstich-tag zu einem Ertrag führt. Zwingend erforderlich ist, dass ein Verbindlichkeits-charakter vorliegt. Hat eine Einheit Beherrschung („control“) über eine Ein-nahme, dann ist die Einnahme nach Auffassung des IPSAS-Board als Vermö-genswert zu bilanzieren. Ob im Gegenzug ein Ertrag gebucht werden darf,hängt davon ab, ob mit der Erfassung des Vermögenswerts eine Verbindlichkeit(Performance Obligation oder Financial Liability) verbunden ist.

3. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich einzelner ausgewählter Positionen derErfolgsrechnung

a) Steuern, steuerähnliche Erträge► Während die IPSAS für die Ertragsrealisierung auf das steuerbare Ereignis ab-

stellen, ist in den SsD der Ablauf des Veranlagungs- bzw. Anmeldungszeitraumssowie die erfolgte Freigabe der Daten durch den Steuerpflichtigen maßgeblich.

► Risiken wie Delkredererisiken sind nach SsD durch vorsichtige Bemessung desWertansatzes zu berücksichtigen, indem pauschalierte Einzelwertberichtigun-gen aufgrund der Erfahrungen ausgefallener Steuerforderungen der Vergan-genheit vorgenommen werden. Die Vornahme pauschaler Wertberichtigungenist nach IPSAS unzulässig; auch pauschalierte Einzelwertberichtigungen sinddann mit den IPSAS nicht zu vereinbaren, wenn sie lediglich ein latentes Aus-

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fallrisiko abdecken und sich nicht auf ein tatsächlich eingetretenes Ereignis be-ziehen.

b) Erträge aus Finanzausgleichsbeziehungen► Nach IPSAS 23.44 sind Forderungen aus Finanzausgleichsbeziehungen zum

Erwerbszeitpunkt in gleicher Höhe als Ertrag zu erfassen. Eine Ausnahme liegtvor, wenn und soweit im Zusammenhang mit dem Ressourcenzufluss eine Ver-bindlichkeit erfasst wird. Eine Verbindlichkeit ist zu erfassen, wenn der Res-sourcenzufluss mit einer gegenwärtigen Verpflichtung, die durch eine Bedin-gung entsteht, verbunden ist. Die SsD sehen hierzu keine Regelungen vor.

► Nach IPSAS sind Erträge aus Finanzausgleichsbeziehungen anhand des Betragsder Erhöhung des von der Einheit erfassten Nettovermögens zu bewerten. Er-füllt die Einheit die als Verbindlichkeit erfasste gegenwärtige Verpflichtung, istder Buchwert der erfassten Verbindlichkeit ertragswirksam aufzulösen. Die Auf-lösung orientiert sich an dem Ausmaß bzw. Zeitpunkt, in dem die Rückgabever-pflichtung (respektive die Leistungsverpflichtung) abnimmt bzw. endet. Die SsDenthalten keine Regelungen zur Bewertung von Erträgen aus Finanzausgleichs-beziehungen.

c) Erträge aus Zuweisungen und Zuschüssen► Nach SsD sind empfangene Zuwendungen für konsumtive Zwecke, die mit einer

mehrjährigen Gegenleistungsverpflichtung verbunden sind, in einen passivenRechnungsabgrenzungsposten einzustellen und analog zur Erfüllung der Ge-genleistungsverpflichtung ertragswirksam zu erfassen. Ferner ist für investiveZuweisungen und Zuschüsse für Investitionen ein Sonderposten für Investitio-nen zu bilden. Die IPSAS kennen den Begriff der passiven Rechnungsabgren-zungsposten und den Begriff der Sonderposten als eigene Passivposition nicht;bei Erfüllung der Voraussetzungen für eine Passivierung als gegenwärtige Ver-pflichtung sind diese Sachverhalte als Verbindlichkeit auszuweisen.

► Eine mehrjährige Gegenleistungsverpflichtung muss nach IPSAS 23 nur dannals Verbindlichkeit ausgewiesen werden, wenn eine Nichterfüllung der Gegen-leistungsverpflichtung eine einklagbare Rückzahlungsverpflichtung nach sichzieht, die, sofern bereits Erfahrungswerte bestehen, auch durchgesetzt wird.Die SsD enthalten diese Anforderung nicht, sondern stellen auf eine möglicheDurchsetzbarkeit durch rechtliche Verankerung im Förderbescheid ab.

d) Erträge aus Verwaltungstätigkeit, Umsatzerlöse► Grundsätzlich unterscheiden sich die Ansatzkriterien für die Ertragsrealisierung

von Gebühren. Allerdings ergeben sich hinsichtlich der ersten beiden Ansatzkri-terien der IPSAS (1. verlässliche Bestimmung der Höhe der Erträge und 2. hin-reichende Wahrscheinlichkeit, dass der wirtschaftliche Nutzen oder das Nut-zenpotenzial zufließen wird) in der Praxis keine wesentlichen Unterschiede.

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Insbesondere die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Ressourcenzuflusseshängt eng mit der Leistungserbringung und dem Vorliegen eines Gebührenbe-scheids zusammen. Da es sich bei Gebühren in der Regel um Gebühren aus er-brachten Dienstleistungen handelt, sind die weiteren Ansatzvoraussetzungenvon IPSAS 9 zu beachten. Sofern die Ansatzkriterien erfüllt sind, ist nach IPSAS9 zwingend die PoC-Methode zu beachten, d.h. eine Teilrealisation der Erträgeentsprechend des Grads der Fertigstellung der Dienstleistung vorzunehmen.

► Bei der Ertragsrealisierung von Umsatzerlösen im Falle von Dienstleistungen istnach IPSAS 9 zwingend die PoC-Methode anzuwenden. Nach den SsD bzw. denhandelsrechtlichen Bestimmungen ist die PoC-Methode grundsätzlich nicht zu-lässig. Bei Vereinbarung von Meilensteinen im Rahmen eines Dienstleistungs-auftrags dürfte aber auch nach HGB eine (Teil-)Realisierung von Erträgen ange-zeigt sein.

e) Bestandsveränderungen/aktivierte Eigenleistungen► Aufgrund der Tatsache, dass die Herstellungskosten nach IPSAS zwingend die

produktionsbezogenen Vollkosten umfassen, können sich aufgrund der han-delsrechtlichen Wahlrechte Unterschiede hinsichtlich der Höhe der Bestands-veränderungen ergeben. Für die Wahlbestandteile der Herstellungskosten nach§ 255 Abs. 2 HGB besteht im Rahmen der SsD ein Aktivierungsverbot.

f) Personalaufwand► Unterschiede hinsichtlich der Höhe des periodischen Pensionsaufwands erge-

ben sich insbesondere durch die unterschiedliche Bewertungsmethodik bei derBestimmung der Pensionsrückstellungen.

g) Abschreibungen (Wertminderungen)► Die Konzeptionen in den SsD und in den IPSAS für die Folgebewertung von im-

materiellen Vermögenswerten, von als Finanzinvestition gehaltenen Immobilienund von Sachanlagevermögen unterscheiden sich grundlegend. Hierzu gehörtinsbesondere das Wahlrecht zwischen der Anschaffungskostenmethode und derZeitwert- (IPSAS 16) bzw. der Neubewertungsmethode (IPSAS 17 und 31).

► Hinsichtlich der Bestimmung der außerplanmäßigen Abschreibungen respektiveder Wertminderungen für Vermögenswerte liegt den IPSAS mit IPSAS 21 bzw.IPSAS 26 eine grundsätzlich andere Vorgehensweise zu Grunde als den SsD.

► Der Komponentenansatz unter IPSAS für das Sachanlagevermögen als auch fürdie als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien ist nach SsD und HGB nichtverpflichtend vorgesehen.

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4. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Finanzrechnung► Unter IPSAS besteht die Pflicht zur Erstellung einer Finanzrechnung unabhän-

gig von der Gestaltung des Haushaltswesens für den Einzel- und den konsoli-dierten Abschluss, während die SsD eine verpflichtende Erstellung einer Finanz-rechnung im Einzelabschluss nur bei doppischem Haushaltsplan und im Rahmendes konsolidierten Abschlusses verlangen.

5. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Anhangs (Einzelabschluss)► Die IPSAS sehen deutlich detailliertere und umfangreichere Angaben vor, als

die SsD. Zudem regeln die IPSAS grundsätzlich vergleichbare Angaben teilweisedetaillierter, was sich ebenfalls in umfangreicheren Anhängen niederschlägt.

► Als besonders komplex erweisen sich in der praktischen Umsetzung insbeson-dere die Erläuterungen zu bestehenden Altersversorgungsverpflichtungen(IPSAS 25) und zu Finanzinstrumenten (IPSAS 30).

► Mit der Segmentberichterstattung (IPSAS 18), den gebotenen Angaben zu Be-ziehungen mit nahestehenden Einheiten und Personen (IPSAS 20) sowie derDarstellung von Haushaltsansätzen (IPSAS 24) erfordern die IPSAS Angaben,welche nach den SsD nicht vorgesehen sind.

B. Themenfeld „Konsolidierter Abschluss“ auf staatlicher Ebene

1. Definition► Die SsD verwenden anstelle des Begriffs Konzern den Begriff „Verbund“. In den

Verbundbereich fallen verbundene Einheiten und andere Beteiligungen derKernverwaltung, die wirtschaftlich eigenständig operieren, den Zielen derKernverwaltung dauerhaft dienen sollen und auf die zumindest ein maßgebli-cher Einfluss besteht. Assoziierte Einheiten sind hingegen kein Bestandteil derDefinition einer wirtschaftlichen Einheit nach IPSAS.

2. Konsolidierungskreis► Nach den SsD hat eine Kernverwaltung alle rechtlich unselbständigen bzw.

selbständigen Einheiten, auf die sie mindestens einen maßgeblichen Einflussausübt, in den konsolidierten Abschluss aufzunehmen. Assoziierte Einheiten,also solche Einheiten, auf die die Kernverwaltung maßgeblichen Einfluss aus-übt, sind demgegenüber nach IPSAS für den Konsolidierungskreis unerheblich.

► Die nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HGB vorgesehenen Ausnahmen von derEinbeziehung in den Konsolidierungskreis sind in den IPSAS nicht vorhanden.

► Aufgrund der Unterscheidung von IPSAS 37 in gemeinschaftliche Tätigkeitenund Gemeinschaftsunternehmen kann es aufgrund der unterschiedlichen Defi-nition der Organisationsformen zu Abweichungen hinsichtlich der Einbeziehungvon Gemeinschaftsunternehmen nach SsD kommen. Die SsD sprechen bei Ge-meinschaftsunternehmen von organisatorischen Einheiten, die unter einer ge-

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meinsamen Leitung mit anderen verbundfremden organisatorischen Einheitenstehen.

► Nach § 296 HGB nicht vollkonsolidierte verbundene Einheiten sowie in Anleh-nung an § 296 HGB nicht at equity einbezogene Einheiten und Beteiligungenmit Quoten unter 20 % sind aufgrund der in den IPSAS fehlenden Wahlrechtezur Einbeziehung in den konsolidierten Abschluss entweder als beherrschte Un-ternehmen, assoziierte Unternehmen oder als Finanzinstrumente zu klassifizie-ren. Dementsprechend kann es hinsichtlich der Zugangs- und Folgebewertungdieser Einheiten zu Unterschieden zwischen IPSAS und SsD kommen.

3. Konsolidierungsmethoden► Während die SsD eine Übergangsperiode von fünf Jahren zur Harmonisierung

der Ansatz-, Bewertungs- und Darstellungsgrundsätze im Gesamtverbund vor-sehen, erlaubt IPSAS 33 lediglich einen Übergangszeitraum von drei Jahren, indem von einer Konsolidierung abgesehen werden kann.

4. Konzernanhang► Die IPSAS erfordern im Vergleich zu den SsD deutlich detailliertere und um-

fangreichere Angaben im Konzernanhang. Eine weitere Zunahme der Komplexi-tät eines IPSAS-Konzernanhangs ergibt sich aus IPSAS 38, welcher über dienach den SsD erforderlichen Angaben hinausgeht.

C. Themenfeld „Regelungen in den IPSAS, die nicht in den SsD geregelt sind“

Neben diesen grundlegenden Unterschieden, die sich aus dem Vergleich der SsD mitden IPSAS ergeben haben, ist zu beachten, dass es innerhalb der IPSAS Standardsgibt, die keine direkte Entsprechung in den SsD haben. Hierbei handelt es sich umIPSAS 3, 16, 20, 21, 24 und 32. Zu beachten ist ferner, dass es mit den IPSAS 34 bis38 ab dem 1. Januar 2017 zu einer Änderung des Regelwerks der IPSAS kommenwird. Zum gleichen Zeitpunkt werden viele der bisherigen Übergangsbestimmungenin den Einzelstandards durch den Dachstandard IPSAS 33 ersetzt. Darüber hinaussind auch die jüngsten Verlautbarungen des IPSAS-Boards in Form von IPSAS ED 56 –61 hinsichtlich zukünftiger Änderungsbedarfe der IPSAS zu beachten. Diese Ände-rungsbedarfe werden in diesem Bericht für IPSAS 56 – 58 dargestellt.

D. Umstellungsaufwand von bereits nach SsD buchenden Einheiten bei einerverpflichtenden Anwendung der IPSAS

Der Bericht befasst sich abschließend mit der Darstellung des Umstellungsaufwandsvon bereits nach SsD doppisch buchenden Einheiten bei einer verpflichtenden An-wendung der IPSAS. Die sich durch die Einführung der IPSAS ergebenden inhaltlichen

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Veränderungen auf den Jahresabschluss können sich je nach betrachteter Organisa-tion sehr unterschiedlich auswirken und damit unterschiedlich hohe Umstellungsauf-wände nach sich ziehen. Für eine systematische Beschreibung des erforderlichenUmstellungsaufwands werden die Auswirkungen einer Umstellung von den SsD aufdie IPSAS entlang der drei Perspektiven „Prozesse“, „IT“ und „Akteure“ untersucht.

Die kritische Würdigung der IPSAS hinsichtlich ihres Umstellungsaufwands bei bereitsnach SsD buchenden Einheiten hat gezeigt, dass eine Systemumstellung wie erwartetauch mit einem nicht zu vernachlässigenden Aufwand gerade zu Beginn der Reformeinhergeht. Es wurde allerdings auch deutlich, dass der operative Aufwand, der sichaus der Anpassung von IT-Systemen, aus der Veränderung von Prozessen und ausdem Aufwand der einzelnen Akteure ergibt, für bereits nach SsD buchende Einheitenbeherrschbar erscheint. Eine Umstellung auf IPSAS stellt ein herausforderndes Zieldar. Die von den SsD abweichenden Regelungen sind fordernd, aber nach Einschät-zung der Autoren nicht überfordernd.