Erwachsenenbildung in Finnland -...

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Wilhelm Filla Erwachsenenbildung in Europa Ihre internationale Dimension Einführung in die europäische Erwachsenenbildung am Beispiel ausgewählter Länder, Diskussionen und Projekte Skriptum VII Finnland Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) – Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle (PAF) Wien 2009

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Wilhelm Filla

Erwachsenenbildungin

Europa

Ihre internationale Dimension

Einführung in die europäische Erwachsenenbildung

am Beispiel ausgewählter Länder, Diskussionen und Projekte

Skriptum VII

Finnland

Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) –

Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle (PAF)

Wien 2009

Wilhelm Filla: Erwachsenenbildung in Europa. Skriptum Finnland, Wien 2009.

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Inhalt

Informations- und Forschungsstand Seite 1

Erwachsenenbildungsrelevante sozio-geografische Daten Seite 3

Strukturelle Merkmale der finnischen Weiterbildung Seite 5

Anfänge der modernen finnischen Volksbildung Seite 6

Kurzer historischer Exkurs Seite 7

Kurzer Exkurs zur staatsrechtlichen Struktur Seite 8

Anfänge der finnischen (Heim-)Volkshochschule Seite 8

Charakteristika der finnischen Volkshochschulen Seite 9

Weitere Einrichtungen der finnischen Erwachsenenbildungim historischen Überblick Seite 9

Die gegenwärtige Situation der finnischen Erwachsenenbildung Seite 11

Grundrichtungen der finnischen Erwachsenenbildung Seite 12

Gesetzliche Grundlagen Seite 12

Struktur der Erwachsenenbildung in Finnland Seite 15

Freie Erwachsenenbildung Seite 19

Spezielle Aufgaben der Erwachsenenbildung Seite 20

Einrichtungen der Erwachsenenbildung Seite 22

I. Exkurs: Heimvolkshochschulen Seite 25

II. Exkurs: „Arbeiterakademie“ Seite 26

III. Exkurs: Heimvolkshochschule Lahti Seite 29

Die finnische Erwachsenenbildungsgesellschaft (FAEA) Seite 32

Veränderungen in der Teilnahmestruktur der finnischenErwachsenenbildung Seite 33

Die öffentliche Verwaltung der finnischen Erwachsenenbildung Seite 33

Regulierung der Erwachsenenbildung Seite 35

Regulierung der sonstigen Organisationen der Erwachsenenbildung Seite 36

Aufwendungen für Erwachsenenbildung Seite 37

Entwicklungstendenzen der finnischen Erwachsenenbildung Seite 38

Mängel Seite 40

Faktoren, die Erwachsenenbildung in Finnland begünstigen Seite 40

Bücher in der finnischen Gesellschaft Seite 41

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Erwachsenenbildung in Finnland

Richten Erwachsenenbildner/innen ihren Blick nach Nordeuropa, dann nehmen sie in der Re-gel Dänemark, das Mutterland der Volkshochschulen, oder Schweden, das Land mit einer besonders ausgebauten Förderung der Erwachsenenbildung in den Blick. Wenig bekannt hier-zulande ist dagegen die Erwachsenenbildung in Finnland, wie das Land überhaupt. Das be-ginnt sich erst im Zug der PISA-Studien zu ändern, die Finnland einen Bildungs-Spitzenwert unter den OECD-Staaten beschert hatten. Seither gerät auch unter Erwachsenenbildner/innen Finnland mehr und mehr in den Blickpunkt. Dabei zeigt sich, dass Finnland auch in der Er-wachsenenbildung zu jenen Ländern in Europa zählt, die eine Vorreiterrolle einnehmen. Auf der Homepage des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur „erwachsenenbil-dung.at“ ist vom „Bildungsparadies Finnland“ zu lesen. Und weiters heißt es: „Der Stellen-wert der Erwachsenenbildung ist in Finnland sehr hoch. Die Beteiligung der Erwachsenen zwischen 25 und 64 Jahren liegt bei nahezu 60 Prozent.“

Informations- und Forschungsstand

Wer sich anhand deutschsprachiger Fachliteratur zur finnischen Erwachsenenbildung ausführ-lich und wissenschaftlich fundiert informieren möchte, wird, von einer Ausnahme abgesehen, kaum fündig werden. Erst 2007 hat das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) im Rahmen seiner Ländermonografien ein „Porträt Weiterbildung Finnland“ herausgebracht –über die anderen nordeuropäischen Länder allerdings noch nicht. Daher ist eine Literaturliste zur Erwachsenenbildung in Finnland – gemessen an der europäischen Bedeutung der finni-schen Erwachsenenbildung – schmal. Eine Literaturliste wird daher auch offizielles Broschü-ren- und Prospektmaterial vom zuständigen Ministerium wie von Bildungseinrichtungen e-benso einschließen müssen wie die in Englisch verfassten Beiträge in der Lose-Blatt-Sammlung „Europahandbuch Weiterbildung“.

Als hervorragende Informationsquelle erweisen sich seit wenigen Jahren die Berichte der OECD zur Erwachsenenbildung (Country Notes), von denen auch einer über Finnland vor-liegt, der in englischer Sprache im Internet publiziert wurde. Im Internet sind auch weitere Informationen über die finnische Erwachsenenbildung abrufbar. Insbesondere der Bericht von Gaby Filzmoser „Erwachsenenbildung in Finnland“ über eine Studienreise der ARGE Bil-dungshäuser im Juni 2008 ist sehr aufschlussreich.

Verstreut gibt es darüber hinaus eine Vielzahl von publizierten Beiträgen über die Erwachse-nenbildung in Finnland, die inhaltlich und von ihrer Qualität und Fundierung her jedoch sehr unterschiedlich sind.

Literatur:Jorma Ahola: Validation of Prior Learning in Finland. In: Golden Riches. No. 1/2003. Nordic Adult Learning. p. 8-10.

Adult Education and Training in Finland. National Board of Education. Helsinki 1996.

Bildung und Wissenschaft in Finnland. Helsinki 2006

Brigitte Bosche: XXXI. Meeting in Finland. In: DIE, Heft II/2002, S. 6.

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Klaus Bostelmann (Red.): Regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Erwachsenenbildung. Aufgaben vernetzen – Potentiale nutzen – Chancen verwirklichen. (= Internationale Perspektiven der Erwachse-nenbildung. Bd. 24 – IIZ des DVV), Bonn 1999. Darin: Arbeiterakademie (Työväen Akatemia), S. 128-130; Heimvolkshochschulen in Finnland, S. 131-139.

Education in Finland. Adult Education and Training. Sävypaino 1999.

Erwachsenenbildung in Finnland. Rauma 1993.

Extensive Network of Summer Universities in Finland. Prospect 1996.

Wilhelm Filla: Ausgebaute Erwachsenenbildung in Finnland. In: Die Österreichische Volkshochschule. 48. Jg., Nr. 185, September 1997, S. 42-47.

Gaby Filzmoser: Erwachsenenbildung in Finnland. Bericht. Studienreise ARGE Bildungshäuser Öster-reich. 2. bis 8. Juni 2008. St. Pölten 2008 (Veröffentlicht im Internet).

Finnisches Bildungssystem. Zentralamt für Unterrichtswesen. Helsinki o. J. www.oph.fi

Finnland – Ländliche Bildungszentren sind bedroht. In: Erwachsenenbildung. Heft 1/2008, S. 39.

Folk High Schools in Finland. The Finish Folk High School Association. Helsiniki 1997. Lahti Adult Education Centre. Prospect.

Golden Riches – Nordic Adult Learning. (Journal about lifelong learning in the Nordic countries.) Nordic Coun-cil of Ministers. Kopenhagen. www.norden.org

Heimvolkshochschulen in Finnland. Ungez. und undat. Arbeitspapier.

Ville Heinonen: Porträt Weiterbildung Finnland. Bielefeld 2007.

Kari Kantasalmi: The Field of University Adult Education. A Border County between Academy and Popular Education in Finland. 1890-1939. In: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wis-senschaftspopularisierung. NF. 12. Jg., Heft 1-4/2001, S. 148-184.

Kari Kinnunen, Stella Hansson, Timo Sorvoja: Wege zur Demokratie. (EU-Socrates-Projekt), o. O., o. J. (ca. 2000).

Kari Kinnunen: Von der Klassenerziehung zur Konsenserziehung. Unveröff. Manuskript eines Vortrages bei den 49. Salzburger Gesprächen 2006 in Eugendorf.

Lahti Heimvolkshochschule – Vielseitige Erwachsenenbildung. Ungez. und undat. Arbeitspapier.

Alfred Lang, Nicole Ehlers, Lenny van Kempen (Hrsg.): Bildung über Grenzen. Erwachsenenbildung in europäi-schen Grenzregionen. Eisenstadt 2005. Darin:Ulf Olovzon, Anne Arrelo, Sirpa Hyttinen: Nordkalotten – Gipfel Europas. Schweden – Finnland – Norwegen. S. 17-30;Ulf Olovzon, Anne Arrelo: Stiftelsen Utbildning Nordkalotten – Dioe Arktische Stiftung für berufliche Bildung. S. 169-171;Nordic Studies in Nursing. Zweisprachiges Krankenpflegepersonal für den grenzübergreifenden Gesundheits-dienst im Tornetal. S. 199-201.

Judita Löderer: Weiterbildung im internationalen Vergleich. In: Die Österreichische Volkshochschule. 50. Jg., Nr. 192, Juni 1999, S. 15-17.

OECD: Thematic Review on Adult Education. Finland. Country Note. Version October 2001. Internet:http://www.oecd.org/oecd/pages/home/displaygeneral/0.3380,EN-document-592-17-no-21-17182-592-no-no,FF.htm

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Paul Röhrig: Skandinavien. In: Walter Leirman, Franz Pöggeler (Hrsg.): Erwachsenenbildung in fünf Kontinen-ten. Bestandsaufnahme und Vergleich. (= Handbuch der Erwachsenenbildung, hrsg. v. Franz Pöggeler, Bd. 5), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1979, S. 33-55. Insbes. S. 50-53.

Matti Ropponen: Adult Education Policy in Austria and Finland. Unveröff. Manuskript eines Vortrages bei den 48. Salzburger Gesprächen 2005 in Eugendorf.

Hannele Salminen: Beiträge in: Europahandbuch Weiterbildung. 2. März 2001:The Education System. S. 1-6;Historical Overview. S. 1 f.;Main Areas of Continuing Education. S. 1-6;Laws. S. 1;Financial Aspects of Continuing Education. S. 1 f.;Providing Bodies. S. 1S. 1 f.

The nordic folk high schools. o. N., o. O., o. J.The workers‘ Academy – A modern Educational Centre. Kauniainen o. J. Unterrichtsministerium/Opetusministeriö (Hrsg.): Bildung und Wissenschaft in Finnland. Helsinki 2006. (Inter-net: http://www.minedu.fi/export/sites/default/OPM/Julkaisut/2006/liittect/sak opn16.pdf? lang=en – Zugriff: 18 Dezember 2007)

Zur GeschichteDavid Kirby: A Concise History of Finland. Cambridge 2006.

Erwachsenenbildungsrelevante sozio-geografische Daten

Finnland weist eine Fläche von 338.000 km2 auf und ist damit flächenmäßig rund viermal so groß wie Österreich, hat aber mit 5,3 Millionen Einwohner/innen rund ein Drittel weniger als Österreich. Das Land ist also dünn besiedelt – 17 Einwohner/innen je Quadratkilometer - und weist eine deutliche Bevölkerungskonzentration im Süden zwischen Turku-Helsinki-Lahti auf. Ein Problem ist die starke Binnenwanderung vom Norden in den Süden.

Die Hauptstadt des Landes Helsinki zählt rund 540.000 Einwohner/innen und weist damit nicht einmal ein Drittel der Einwohner/innenzahl von Wien auf.

Die überwiegende Bevölkerungsmehrheit spricht die Landessprache Finnisch als Mutterspra-che – 94 Prozent. (Leicht unterschiedliche Prozentangaben.) Der Anteil der schwedischen Minderheit wird mit 6 Prozent angegeben. Finnisch und Schwedisch sind die Amtssprachen. Beide Sprachen sind seit 1919 gleichwertig. Bis 1863 war Schwedisch die Nationalsprache. Rund 30 bis 40 Prozent der Finnen geben an, schwedisch zu können. Eine Gemeinde ist zwei-sprachig, wenn mindestens 8 Prozent oder 3.000 Einwohner/innen die jeweils andere Landes-sprache sprechen.

Im Norden des Landes leben die Samen im Gebiet von Lappland, deren Bevölkerungsanteil in der offiziösen Broschüre „Education in Finland“ nicht ausgewiesen wird. In einem, aller-dings 1980 erschienenen „Handbuch der westeuropäischen Regionalbewegungen“ ist von 65.000 Samen die Rede, die im Gebiet von der Halbinsel Kola in Russland über den Norden von Finnland und Norwegen bis nach Schweden siedeln. In Finnland ist von rund 6.000 bis 10.000 Samen die Rede, deren Sprache Saami auch universitär gelehrt wird. Neuere Angaben gehen von 75.000 Samen, davon 7.000 in Finnland aus. Im finnischen Teil von Lappland le-ben rund 187.000 Menschen. Verwaltungszentrum ist Rovaniemi mit rund 35.000 Einwoh-ner/innen.

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LiteraturÜberlebensstrategie Lernen. Wie das Volk der Samen seine Identität behält. In: Erwachsenenbildung. 53 Jg., Heft 1/2007, S. 14 f.

Der Anteil an Ausländer/innen liegt in Finnland bei 2 Prozent und ist damit deutlich geringer als in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Die dominierende Religion ist der Protestantismus lutheranischer Prägung mit einem Bevöl-kerungsanteil von rund 85 Prozent. Der Anteil der Griechisch-Orthodoxen liegt bei 1 Prozent. Konfessionslos sind 13 Prozent der Bevölkerung.

Wirtschaftlich ist Finnland ein Land der Industrie und der Dienstleistungen. Der Bevölke-rungsanteil, der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten liegt bei rund 5 Prozent. Zwi-schen den zu Ende gehenden 1950er Jahren und den 1970er Jahren kam es in Finnland zu einem tief greifenden Strukturwandel, der viel schneller verlief als in anderen europäischen und insbesondere auch nordeuropäischen Ländern. Es handelte sich um eine Transformation von einer ländlich geprägten Gesellschaft hin zu einer industrie- und dienstleistungsorientier-ten Wirtschaft. Zu Beginn der neunziger Jahre geriet Finnland nach dem Zerfall der Sowjet-union, auf die seine Wirtschaft ausgerichtet war, in eine schwere Rezession, die es in relativ kurzer Zeit durch eine rasche und intensive Modernisierung seiner Wirtschaft überwinden konnte. Es kam in kurzer Zeit zu einem Rückgang des Bruttosozialprodukts um rund 14 Pro-zent. Geblieben sind relativ hohe, aber rückläufige Arbeitslosenzahlen. Im März 2007 betrug die Arbeitslosigkeit nur noch 7,5 Prozent bei einer Inflationsrate von 3,7 Prozent (vgl. Filz-moser 2008).

Das bedeutendste und international bekannteste finnische Unternehmen ist NOKIA. Die Wirt-schaftskraft dieses Unternehmens stieg zwischen 1994 und 1999 um jährlich rund 25 Prozent. Der Beitrag von NOKIA zum Bruttosozialprodukt beträgt rund 4 Prozent. Der Umsatz von NOKIA ist größer als das Staatsbudget. Das Bildungsbudget von NOKIA beträgt soviel wie das Budget von zwei bis drei Universitäten zusammen.

Bildung und Erwachsenenbildung sind für den Aufstieg der finnischen Wirtschaft in den neunziger Jahren gezielt eingesetzt worden.

In der jüngsten PISA-Studie (2004) erreichte Finnland den 1. Platz. Die Lesefähigkeit der finnischen Schüler/innen wird auf eine Mehrzahl von Faktoren zurückgeführt. Als Gründe werden unter anderem die hohe Frequenz der ausgebauten öffentlichen Büchereien und der privaten Buchhandlungen sowie die hohe Rate an Zeitungsleser/innen angeführt. Ein wesent-licher Faktor ist darüber hinaus die Notwendigkeit, dass im finnischen Fernsehen zahlreiche Sendungen in der Originalsprache mit finnischen Untertiteln gezeigt werden, die gleichfalls das Leseverhalten anregen.

Der Anteil der Bildungsausgaben an den öffentlichen Gesamtausgaben liegt bei 11.9 Prozent. (Vgl. Finnisches Bildungssystem)

Zu den gesellschaftlichen Problemen des Landes gehört der Alkoholkonsum. Alkoholprob-leme waren 2005 die häufigste Todesursache unter Finnen im arbeitsfähigen Alter (vgl. Filz-moser 2008, S. 7). Es gibt Diskrepanzen in der Lebenserwartung zwischen Finnen und Schweden von bis zu sechs Jahren zugunsten der über weit mehr Sozialkontakte verfügenden Schweden. Die Amokläufe in Schulen der vergangenen Jahre weisen ebenfalls auf gesell-schaftliche Probleme hin, wenngleich sie im Einzelnen individuell bedingt sind.

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Politisch wird der Staatsrat (Regierung) derzeit aus einer Koalition von Zentrumspartei, Sammlungspartei, Grünen und Schwedischer Volkspartei gebildet.

Strukturelle Merkmale der finnischen Weiterbildung

Die Erwachsenen- und Weiterbildung in Finnland ist durch ähnliche strukturelle Merkmale gekennzeichnet, wie sie – in jeweils unterschiedlicher Ausprägung - in den meisten europäi-schen Ländern anzutreffen sind. Allerdings ist Erwachsenenbildung in Finnland in ein Bil-dungssystem integriert, das in einem Höchstmaß durchlässig ist. Jede Person kann jederzeit eine höhere Bildungsstufe erreichen und Erwachsenenbildung wird auf allen Bildungsstufen angeboten – von der Grundbildung bis zum Hochschulbereich. Auch hier unterscheiden sich das finnische Bildungssystem und seine Erwachsenenbildung deutlich von Österreich.

In Finnland besteht ein Markt für die zumeist privat, jedenfalls nicht staatlich organisierte Weiterbildung, wodurch sich Konkurrenz unter den Anbietern von Weiterbildung ergibt. Al-lerdings besteht in Finnland ein hoher staatlicher Zuschuss für Weiterbildungsmaßnahmen, auf den Anspruch besteht und, anders als in Österreich, existieren in Finnland Leitinstitutio-nen, die Erwachsenenbildung auch nach außen hin institutionell verkörpern und zugleich prä-gen. Hier handelt es sich insbesondere um die Heimvolkshochschulen. Darüber hinaus ist die finnische Erwachsenenbildung sehr pragmatisch ausgerichtet. Weiterbildung wird auch von den Universitäten angeboten.

Wie in nahezu allen Ländern Europas ist die finnische Erwachsenenbildung überwiegend lo-kal organisiert und bewegt sich in einem nationalen Rahmen. Trotz der geografischen Rand-lage des Landes war die finnische Erwachsenenbildung schon früh auch grenzüberschreitend tätig und ist heute betont international, das heißt europäisch ausgerichtet. Das ist insofern bemerkenswert, als die Anfänge der modernen Volksbildung in Finnland in einem Kontext zu nationalen Bewegungen und zur Betonung der Spracherhaltung standen.

Eingebettet ist das System der finnischen Erwachsenen- und Weiterbildung in ein Bildungs-system, das zu den anderen europäischen Ländern einige Besonderheiten aufweist:• Die Pflichtschule beginnt im Alter von sieben Jahren. Von rund 3.900 Schulen sind nur

rund 40 privat.• Die einheitliche Gesamtschule, die zu Beginn der siebziger Jahre (1972) eingeführt wur-

de, erstreckt sich auf die Altersgruppe von sieben bis sechzehn Jahre.• Die Reformaktivitäten der Schulpolitik zielten in Finnland in den Achtziger- und Neunzi-

gerjahren systematisch auf die Dezentralisierung und die Übergabe von weit reichenden Autonomierechten an die Schulen nach dem Prinzip des „school-based-management“.

• 74,6 Prozent der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren haben eine abgeschlossene Sekundär- beziehungsweise Tertiär-Ausbildung. 33.2 Prozent haben eine universitäre Qualifikation. Dabei handelt es sich um den höchsten Wert in der Europäischen Union.

• 10 Prozent der Finnen haben keinen Grundschulabschluss. Dieser Wert soll bis 2020 auf 5 Prozent reduziert werden.

• Die Ausbildung von Lehrer/innen erfolgt ausschließlich an Universitäten.• 0.4 Prozent des Bruttosozialprodukts wird für Erwachsenenbildung aufgewendet.

Wie die Erwachsenenbildung in den meisten europäischen Ländern hat die finnische eine lan-ge, in ihrer modernen Form ins 19. Jahrhundert zurückreichende Geschichte. Ähnlich wie in

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den meisten europäischen Ländern ist die finnische Erwachsenenbildung nur vor dem Hinter-grund der historischen Entwicklung des Landes erklär- und verstehbar.

Anfänge der modernen finnischen Volksbildung

Finnland war im ausgehenden 19. Jahrhundert im Vergleich mit den anderen nordeuropäi-schen Ländern noch rückständig. Das galt für die ökonomische und politische Entwicklung ebenso wie für die kulturelle. Die moderne Volksbildung begann sich daher später als in den anderen Teilen Nordeuropas zu konstituieren. Als in Finnland das Interesse an Volks- und Erwachsenenbildung erwachte, gab es in anderen Ländern bereits entwickelte institutionelle Modelle, so dass sich in Finnland keine originären Einrichtungen zu entwickeln begannen. Vielmehr wurden übernommene Einrichtungen schöpferisch weiterentwickelt, um den eige-nen Verhältnissen gerecht zu werden. Dabei kam es zu – aus heutiger Sicht – überraschenden Entwicklungen, weil nicht nur nordeuropäische Einflüsse, sondern auch deutsche eine Rolle spielten.

Ausländische Einflüsse auf die Entstehung der Erwachsenenbildung in Finnland waren viel-fältig. Die Einrichtung, die als älteste finnische Erwachsenenbildungsinstitution gilt, die 1874 gegründete „Gesellschaft für Volksbildung“, geht auf grenzüberschreitende Einflüsse der drei Jahre zuvor, 1871, in Deutschland gegründeten „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbil-dung“ zurück.

Die finnischen Gewerkschaften, die bis heute in der Erwachsenenbildung eine erhebliche Rol-le spielen, standen im ausgehenden 19. Jahrhundert unter stark ausländischem Einfluss. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts standen sie der dänischen Arbeiterbewegung nahe und förderten die Emanzipation der Arbeiter/innen durch Bildung bis sie in den neunziger Jahren unter den Einfluss der deutschen Sozialdemokratie gerieten und Bildungsarbeit zugunsten der politischen Agitation und des politischen Kampfes zurückstellten. Erst nach 1910 begannen sie nach englischem und schwedischem Vorbild wieder Bildungsarbeit zu forcieren und 1919 wurde der finnische Arbeiterbildungsverband (Työväen Sivilstyslitto – TSL) gegründet.

In der Frühzeit der modernen Bildungsbewegung in Finnland hatte aber die dänische Heim-volkshochschulidee, wie nahezu überall in Nordeuropa, den größten und nachhaltigsten Er-folg. Dabei standen auch national-finnische Bestrebungen und nationale Ideologien Pate.

Die aus Dänemark kommende Volkshochschule wurde in Finnland zunächst ein Organ des finnischen Volkstumskampfes gegen die russische Unterdrückung. Ebenso unterstützte sie die Sprachbewegung der finnischen Mehrheit gegen die sie überlagernde schwedische Kultur, half aber gleichzeitig der schwedischen Minderheit im Land, als diese die Eigenständigkeit ihrer Muttersprache gegen die Mehrheitsbevölkerung verteidigen musste. In Finnland, das Teil Schwedens war und dann unter russischer Vorherrschaft stand, war die einzigartige Sprache der Mehrheitsbevölkerung das vielleicht wichtigste identitätsstiftende Element, das als solches auch lange Zeit die Volksbildung beeinflusste.

Die Ursprünge der finnischen Erwachsenenbildung können überhaupt im Kontext der Entste-hung des finnischen Nationalbewusstseins im späten 19. Jahrhundert gesehen werden. „Um das Entstehen des Nationalbewusstseins zu beschleunigen, sollte die Bildung so gestaltet wer-den, dass sich die Menschen ihrer Wurzeln bewusst werden, die sich von schwedischen und

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russischen unterscheiden. Insofern ist der Ursprung der finnischen Erwachsenenbildung ein Ergebnis aufklärerischer und national-romantischer Ideen.“ (Heinonen, 2007, S. 16)

Kurzer Historischer Exkurs

Die Wurzeln der finnischen Kultur liegen sowohl im kulturellen Erbe Schwedens als auch Russlands. Im Jahr 1155 erreichten erste von Schweden kommende Missionare Finnland. Das Land wurde Teil des Schwedischen Königreichs, aber nicht okkupiert, sondern zum Ost-Schwedischen-Reich. Der Ursprung der finnischen Erwachsenenbildung liegt in der Zielset-zung der lutherischen Kirche, dem Volk lesen zu lehren, damit es die Bibel selbst lesen kann. Um das zu realisieren konnte lange Zeit nur heiraten, wer lesen konnte.

1809 musste Schweden Finnland an Russland abtreten, dessen Zar Finnland zum halb-autonomen Großherzogtum erklärte, mit ihm selbst als konstitutionellem Monarchen. Der Zar ließ sich durch einen Generalgouverneur repräsentieren. Erst am 6. Dezember 1917 erhält Finnland die Unabhängigkeit von Russland, bleibt dem Nachbarn aber politisch – mit Aus-nahme des Zweiten Weltkrieges - bis zur Zeitenwende um 1990 politisch und vor allem wirt-schaftlich eng verbunden.

Zu Beginn der Unabhängigkeit brach 1918 ein Bürgerkrieg aus. Er spaltete die Nation in die einfache Bevölkerung (die Roten) und in die bürgerliche Oberschicht (die Weißen) und be-hinderte mehrere Jahrzehnte lang das Entstehen einer einheitlichen Nation. Heute ist das Land im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ homogen und zum Teil auch egalitär geprägt.

1919 erhält das Land auch eine republikanische Verfassung mit einem Präsidenten als Staats-oberhaupt. Zwei Jahrzehnte später, 1939/40 kommt es zum Winterkrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion. Die Kämpfe zwischen finnischen und sowjetischen Kräften gehen 1941 in einen kontinuierlichen Krieg über. Es wird Territorium abgetreten, aber Finnland wird nicht okkupiert und erhält seine Unabhängigkeit und Souveränität. Gegen Ende des Krieges kämpft Finnland gegen Deutschland. Finnlands Bundesgenossenschaft mit dem faschistischen Deutschland ist ein wenig aufgearbeitetes Kapitel der Zeitgeschichte. In Finnland gab es auch eine temporäre faschistische Bewegung, die gleichfalls relativ wenig historisch aufgearbeitet ist.

LiteraturKlaus Reichel: An Hitlers Seite. In: Die Zeit vom 2. März 2006.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kommt es zu einer ausgeprägten Ausrichtung der finnischen Wirtschaft auf die Sowjetunion. Im demokratischen Finnland etabliert sich eine starke kommunistische Bewegung. 1955 tritt das Land der UNO bei.

Finnland kämpfte stets um seine Unabhängigkeit und um eine politisch, ökonomisch und kul-turell gleichrangige Stellung mit den anderen nordeuropäischen Ländern. Erwachsenenbildne-rische Aktivitäten zielten daher (siehe oben) lange Zeit auf den Schutz und die Förderung der finnischen Sprache – zuerst gegenüber Schweden und dann gegenüber russischen Ein-flüssen. „Das 19. Jahrhundert war gekennzeichnet durch lebhafte Diskussionen über die finni-sche Identität und die Entwicklung eines eigenen Staatskonzepts mit einer eigenen Amtsspra-che. Bis zu diesem Zeitpunkt war die finnische Sprache mehr oder weniger nur von der einfa-chen Bevölkerung benutzt worden. Die Sprache der Elite war fast ausschließlich Schwedisch.

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Voraussetzung für das Aufkommen finnischer Sprache und Umgangsformen war das Entste-hen einer neuen Elite, die mit Finnland und der ländlichen Bevölkerung sympathisierte.“ (Heinonen, 2007, S. 9)

Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstehende Volkshochschule war von ihren Anfän-gen an Teil dieses Kampfes um Unabhängigkeit und Spracherhalt beziehungsweise Sprachentwicklung, wobei eine nationale Komponente nicht zu übersehen war.

Vor allem in der „russischen Zeit“ war die Weckung des finnischen Nationalgefühls eine Aufgabe der damaligen Volksbildung. Nach Erlangung der staatlichen Selbständigkeit war die Stärkung der Demokratie eine der zentralen Aufgaben der Erwachsenenbildung in Finnland.

Die Heimvolkshochschule als zentrale Institution der finnischen Erwachsenenbildung war und ist mit den relevanten gesellschaftlichen Bewegungen und Bestrebungen des Landes eng verbunden – sowohl „Produkt“ dieser Bewegungen als auch ihr mitgestaltendes Element. Daraus erklärt sich zu einem guten Teil ihre starke Verankerung in der finnischen Gesell-schaft bis in die Gegenwart, die sich auch in einer entsprechenden materiellen Förderung nie-derschlägt, die in Österreich keinen Vergleich hat.

Kurzer Exkurs zur staatsrechtlichen Struktur

Finnland ist in fünf Provinzen unterteilt, die nur über wenige Entscheidungskompetenzen ver-fügen und nicht mit den Bundesländern in Österreich vergleichbar sind. Die Entscheidungs-kompetenzen liegen hauptsächlich beim Staat und bei den rund 500 Gemeinden. Gemeinden haben beispielsweise das Recht, Steuern zu erheben. Sie tragen auch die Verantwortung für das Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen. In Bildungsfragen handeln die Provinzen als regionale Organisationseinheiten der staatlichen Bildungsverwaltung. Ihr Aufgabenbereich umfasst beispielsweise die Entgegennahme und Bearbeitung von Beschwerden gegen Bil-dungseinrichtungen.

Gemeinden und Gemeindeverbünde sind häufig Träger von Bildungseinrichtungen im Sekun-darbereich I und II. Gleichzeitig verfügen sie über Entscheidungskompetenzen in rechtlichen und finanziellen Fragen. Neben den Gemeinden können auch Stiftungen oder GmbHs Träger von Bildungseinrichtungen sein, selbstverständlich auch Vereine. Durch eine Gemeindere-form könnte es zu einer Gefährdung ländlicher Bildungszentren kommen. (Vgl. Erwachse-nenbildung. Heft 1/2008)

Anfänge der finnischen (Heim-)Volkshochschule

Die erste Volkshochschule Finnlands wurde 1889 in Kangasala durch Sofia Hagman gegrün-det. Das sind mehr als vier Jahrzehnte nach der ersten dänischen Volkshochschulgrün-dung. Es handelte sich in Finnland um eine Mädchenschule, in der von Beginn an ein Grund-zug der finnischen Volkshochschulen realisiert wurde: der Unterricht in praktischen Handfer-tigkeiten. In diesem Fall waren dies Handarbeit und Weben. Geschichte, Religion und mutter-sprachlicher Unterricht fehlten jedoch nicht. Im gleichen Jahr gründete Elias Strömberg in Borga eine schwedischsprachige Volkshochschule nach Grundtvigs Prinzip des „lebendigen

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Wortes“. Am Beginn der finnischen Volkshochschulbewegung standen ausschließlich Heim-volkshochschulen. Volkshochschulen vom zentraleuropäischen Typ kamen erste später dazu.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es im kleinen Finnland bereits 16 finnische und 5 finnisch-schwedische Volkshochschulen, die alle als Heimvolkshochschulen konzipiert waren. Damit war Finnland Österreich und Deutschland auf diesem spezifischen Gebiet der Erwachsenenbildung weit voraus.

Im Jahr der Erlangung der Unabhängigkeit, 1917, gab es bereits 44 Volkshochschulen. 1970, als in den deutschsprachigen Ländern der „Mega-Trend“ Bildung einzusetzen begann, gab es in Finnland bereits 83 Heimvolkshochschulen. Heute gibt es in Finnland 91 Heimvolkshoch-schulen sehr unterschiedlicher Richtung, zu denen noch eine auf den Aland-Inseln kommt.

Charakteristika der finnischen Volkshochschulen

Die finnischen Heimvolkshochschulen sind von ihrem Beginn an bis in die unmittelbare Ge-genwart vorrangig private Einrichtungen, die in ihrer Gesamtheit plural ausgerichtet sind. Sie werden von religiösen, gewerkschaftlichen, politischen und anderen gesellschaftlichen Orga-nisationen getragen. Sie erhalten aber – aus österreichischer Sicht – hohe staatliche Zuschüs-se.

Inhaltlich unterscheiden sich die finnischen Volkshochschulen von den dänischen in einigen Punkten. Sie haben immer schon stärker gesellschaftsbezogene Studien und Angebote betont, ohne allerdings der allgemeinen persönlichen Bildung ihren Stellenwert zu nehmen. Sie haben jedoch noch eine dritte „Säule“, die sie von den klassischen Heimvolkshochschulen im Sinne Grundtvigs unterscheidet: die berufsbezogene Bildungstätigkeit. Sie richtet sich vor allem an junge Menschen, die von der Volkshochschule berufliche Orientierung und Hilfe erwarten und die unter ihren Besucher/innen eindeutig dominieren.

Den gesellschaftlichen Hintergrund für diese Besonderheit der finnischen Heimvolkshoch-schulen hat Röhrig analysiert: „Gerade die finnischen Volkshochschulen stießen in ihrer Ent-wicklung in eine große Umbruchphase der finnischen Gesellschaft hinein, vor allem der In-dustrialisierung und Verstädterung. So ging die Mehrzahl der aus land- und forstwirtschaft-lich orientierten Familien kommenden Jugendlichen nicht in die Volkshochschulen, um ein besserer Bauer zu werden, sondern um sich auf eine neue Existenz in der Stadt vorzubereiten. Die Volkshochschulen haben dem mit Recht durch berufsbezogenen Unterricht Rechnung getragen.“ (Röhrig, 1979, S. 51)

Weitere Einrichtungen der finnischen Erwachsenenbil-dung im historischen Überblick

Gesellschaft für Volksbildung

Die 1874 gegründete „Gesellschaft für Volksbildung“ (Kansanvalistusseura) hatte sich beson-ders der Aufgabe angenommen, preiswerte und gute Literatur zu publizieren und durch die Einrichtung von Bibliotheken wichtige Bücher dem Volk zugänglich zu machen. Sie hat die

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erste Volksakademie gegründet und stellte vor allem ein Bindeglied zwischen verschiedenen Institutionen der Erwachsenenbildung im In- und Ausland dar.

Arbeiterinstitute

In Anlehnung an die schwedischen Arbeiterinstitute, und damit wieder nach einem ausländi-schen Vorbild, wurde 1899 in Tampere das erste finnische Arbeiterinstitut gegründet. Die finnischen Arbeiterinstitute haben stärker als die schwedischen Einrichtungen ökonomische und soziologische statt naturwissenschaftliche Themen zum Gegenstand. Sie hatten ein breites wissenschaftliches Programm und gewannen breite Bevölkerungskreise als Teilnehmer/innen, so dass sich viele von ihnen ab 1920 „Bürgerinstitute“ nannten. Sie glichen den deutschspra-chigen Volkshochschulen und englischen Arbeiterbildungseinrichtungen. In den siebziger Jahren gab es bereits rund 270 „Workers educational Centres“, die sich aber tendenziell für große Teile der Bevölkerung öffneten. Das hat wesentlich zu ihrer Verbreitung beigetragen. 1990 zählten sie bereits 620.000 Teilnehmer/innen.

Sommeruniversitäten

Eine finnische Spezialität sind die – das ganze Jahr über arbeitenden – Sommer-Universitäten, die auf wissenschaftlich anspruchsvoller Ebene tätig sind, eng mit den Univer-sitäten kooperieren und für die gesamte Bevölkerung offen sind. In den siebziger Jahren hat-ten sie eine Frequenz von rund 30.000 Teilnehmer/innen pro Jahr. Heute gibt es rund 20 Sommeruniversitäten in Finnland.

Arbeiterbildung

Wie in vielen europäischen Ländern lässt sich auch die finnische Erwachsenenbildung in zwei Richtungen gliedern, die sich allerdings in der Praxis sehr stark überschneiden: die allgemeine und offene Volksbildung und die gruppenspezifische Arbeiterbildung.

Die weitaus größte Organisation für Arbeiterbildung ist in Finnland der nach schwedischem Vorbild 1919 gegründete Arbeiterbildungsverband, der von den Gewerkschaften und anderen Organisationen der Arbeiterbewegung getragen wird. Der Verband gründete 1924 eine Volks-akademie, 1951 eine Volkshochschule für Arbeiterjugendliche und 1950 eine Gewerkschafts-Volkshochschule.

Hauptaktivität des Arbeiterbildungsverbandes ist aber die Organisation von Kursen und Stu-dienzirkeln, die aus Schweden übernommen wurden. Über die auch aktuell in Schweden die Erwachsenenbildung prägenden Studienzirkel ist für Finnland allerdings unter systematischen Gesichtspunkten nicht sehr viel bekannt, außer das ihre Zahl viel geringer als in Schweden ist. In der finnischen Erwachsenenbildung gibt es aber die Bildungsform der Studienzirkel.

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Exkurs: Arbeiterbildungsverband in der Gegenwart

Der Arbeiterbildungsverband TSL arbeitete von seinem Beginn an intensiv mit der Gewerk-schafts- und der (sozialdemokratischen) Arbeiterbewegung zusammen. Er unterhält heute auch Kontakte mit Seniorenverbänden und Behindertenorganisationen. Er zählt rund 55 Mit-arbeiter/innen, die Hälfte von ihnen in pädagogischen und Managementfunktionen. Dazu kommen eine Vielzahl von Lehrer/innen sowie ehrenamtlich tätige Gruppenleiter/innen und Mitarbeiter/innen. Das Zentralbüro liegt in Helsinki. Daneben gibt es 13 regionale Büros.

Die Tätigkeit des TSL ist vielfältig:

- Veranstaltung von jährlich rund 2.500 ein- bis mehrtägigen Kursen;- Unterstützung der Arbeit von rund 3.500 Studienzirkel, die aus der schwedischen Bil-

dungstradition kommen;- Veranstaltung von Vorlesungen zu unterschiedlichen Themen;- Aufrechterhaltung einer Verbindung zur Arbeiterkultur.

Der TSL finanziert sich ungefähr je zur Hälfte aus staatlichen Mitteln und aus Mitgliedsbei-trägen und Gebühren. Der Jahresumsatz beträgt (Stand 2004) rund 6 Millionen Euro. (Vgl. http://www.tsl.fi/deutsch - Zugriff 13. November 2004)

Neben den hier angeführten Einrichtungen, die charakteristisch für die finnische Erwachse-nenbildung im 20. Jahrhundert sind, gibt es wie in allen nordeuropäischen Ländern ein Netz von öffentlichen Büchereien, Fernkurse der verschiedensten Art, Bildungsangebote in Funk und Fernsehen, Umschulungsmaßnahmen und berufliche Fortbildung in Betrieben und öf-fentlichen Institutionen zur Lösung von Arbeitsmarktproblemen sowie Kurse und Lehrgänge zum Nachholen von Schulabschlüssen. Darauf wird noch zurück zu kommen sein.

Die gegenwärtige Situation der finnischen Erwachsenen-bildung

Methodischer Hinweis

Eine literaturbasierte und damit zumindest vom Ansatz her wissenschaftliche Darstellung der Erwachsenenbildung eines Landes, und das gilt selbstverständlich auch für Finnland, hat das Problem des Zeitunterschieds, zwischen dem Abschluss von Studien oder der Fertigstellung von Manuskripten für Materialien und deren Erscheinen beziehungsweise Rezeption. Dieser Unterschied wird gerade bei grenzüberschreitender Information, wenn sie auch auf Überset-zungen beruht, besonders gravierend. Innerhalb dieser Zeit kann sich in der Erwachsenenbil-dung des jeweiligen Landes und in seiner politischen Orientierung sehr viel verändern, so dass ein Hinweis auf die „gegenwärtige“ Situation immer unter relativierende Anführungszei-chen gestellt werden muss.

Die folgenden Ausführungen sind daher vor dem Hintergrund dieses Hinweises zu verstehen und von ihrem Aktualitätsgehalt nicht in jedem Detail auf die Goldwaage zu legen, sondern als Beschreibung von Charakteristika und Tendenzen aufzufassen. Dies umso mehr, als es

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sich auch nicht um den Versuch einer umfassenden Darstellung handeln kann, sondern nur um das Herausarbeiten vergleichsrelevanter Charakteristika.

Grundrichtungen der finnischen Erwachsenenbildung

Die finnische Erwachsenenbildung ist traditionell in zwei Richtungen gegliedert: • die allgemeine, so genannte „liberal education“ und • die zertifizierungsorientierte, berufliche Erwachsenenbildung sowie Trainings.

Weiterbildung (Continuing Education) erstreckt sich mehr auf die zweite Richtung. „Liberale Bildung“ ist nicht im (partei-)politischen Sinn zu verstehen, wenngleich in ihr vorrangig durchaus liberal agiert wird. Erwachsenenbildung hat sich in den letzten vier Jahrzehnten strukturell und von den gesellschaftlichen Voraussetzungen her, stark verändert.

Bis zu den 1960er Jahren gab es kaum Verbindungen zwischen dem Staat und der Erwachse-nenbildung. Das war ähnlich wie in Österreich. In Finnland erklärt sich dieses nunmehr histo-risch Phänomen daraus, dass es eine Erwachsenenbildung schon lange vor der staatlichen Un-abhängigkeit gab, die daher gegenüber dem Staat entsprechend selbstbewusst auftrat und auf Eigenständigkeit bedacht war. Finanziell gefördert wurde die freie Erwachsenenbildung in Finnland allerdings schon sehr früh durch den Staat. Bereits 1925 wurde, anders als in Öster-reich, ein Gesetz zur staatlichen Förderung von Volksbildungszentren und Volkshochschulen verabschiedet. Erst mit einem 1966 verabschiedeten Gesetz wurde die berufliche Erwachsen-nenbildung stärker zentralistisch gesteuert. Das Regierungsprogramm von 1970 wies auf die Notwendigkeit hin, intensiv in die allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung zu inves-tieren. Das Verhältnis des Staates zur Erwachsenenbildung begann sich zu ändern und der Erwachsenenbildung wurde eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der gesellschaftlichen Probleme zugesprochen.

Seit 1970 wird allmählich in der Erwachsenenbildung die berufliche Bildung mehr betont, obwohl bis in die achtziger Jahre in der Erwachsenenbildung die freie, nicht auf berufliche Aus- und Weiterbildung konzentrierte Bildungstätigkeit im Vordergrund stand. Seit den neunziger Jahren steht mehr die berufliche Bildung im Vordergrund, obwohl auch die allge-meine Erwachsenenbildung weiterhin eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Ausbildung sozialer Fähigkeiten der Bürger/innen und die Gestaltung der Freizeit spielt. Das steigende Angebot an Erwachsenenbildung insgesamt wurde durch gesellschaftliche Veränderungen beeinflusst. Dabei handelte es sich vor allem um die wachsenden Qualifizierungsanforderun-gen in der Arbeitswelt, Veränderungen in der ökonomischen Struktur des Landes sowie durch Binnenwanderungen von ländlichen in urbane Regionen verstärkte Urbanisierungsprozesse. Erwachsenenbildung ist verwendet worden, um die beruflichen Anstellungschancen zu ver-bessern.

Gesetzliche Grundlagen

In Finnland entscheidet das Parlament (Eduskunta) über die allgemeinen Prinzipien der Bil-dungspolitik und die entsprechende Gesetzgebung. (Vgl. Heinonen, 2007, S. 27-32)

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In den meisten Fällen schlägt – ähnlich wie in Österreich – die Regierung neue Gesetze oder Gesetzesänderungen vor. In Fragen der Aus- und Weiterbildung werden diese zumeist durch das Bildungsministerium oder das Arbeitsministerium inhaltlich vorbereitet.

Erwachsenenbildung liegt großteils im Verantwortungsbereich des Bildungsministeriums, das als oberste Bildungsbehörde die Aufsicht über das gesamte Bildungssystem hat. Hier gibt es –anders als in Österreich – eine Abteilung für allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung. Diese Abteilung arbeitet mit den Hauptkooperationspartnern die Implementierung der Politik im Rahmen der verfügbaren Ressourcen aus.

In Finnland gibt es einen Nationalen Rat für Bildung (National Board of Education), der dem Bildungsministerium untersteht. Seine Aufgaben umfassen

• die Verantwortung für die Entwicklung der Bildung innerhalb seines Verwaltungsbereichs und die Erstellung landesweiter Kerncurricula,

• die Förderung der Wirtschaftlichkeit im Bildungsbereich und dessen Entwicklung, • die Kontrolle der Bildungsorganisationen und deren Evaluation,• die Erledigung spezifischer Aufgaben und Informationsdienste.

Das Bildungsministerium wird unterstützt durch den Erwachsenenbildungsrat (Adult Edu-cation Council), zu dem es in Österreich kein Pendant gibt. Er wird von der Regierung für einen Zeitraum von drei Jahren berufen und übt eine beratende Funktion aus. Seine primären Aufgaben sind:

• den Behörden und Gremien Vorschläge zur weiteren Entwicklung der Erwachsenenbil-dung vorzulegen;

• nationale und internationale Entwicklungen in der Erwachsenenbildung zu verfolgen und • die Forschung im Bereich der Erwachsenenbildung zu beobachten und weitere vom Bil-

dungsministerium zugewiesene Aufgaben zu erledigen.

Trotz der Hauptverantwortung des Bildungsministeriums fallen Teile der beruflichen, vor allem der arbeitsmarktorientierten Erwachsenenbildung, in die Zuständigkeit des Arbeitsmi-nisteriums.

Anhand von Kennzahlen und Schätzungen zur Arbeitsmarktsituation erstellt das Ministerium allgemeine Leitlinien zur Planung von Angeboten der arbeitsmarktorientierten Erwachsenen-bildung und legt der Regierung einen Vorschlag zur regionalen Verteilung der Mittel vor.

Ähnlich wie in Österreich könnte in Finnland jeder Erwachsene Erwachsenenbildung auf jeg-liche Art zu allen denkbaren Themen anbieten. Um jedoch offiziell als Bildungsanbieter aner-kannt zu werden, sind bestimmte gesetzliche Vorschriften zu beachten, die je nach Bildungs-sektor variieren. Die Anerkennung als Bildungsanbieter ist Voraussetzung für die Förderung mit staatlichen Mitteln und um eine Prüfungsbefugnis zu erhalten. „Erwachsenenbildung kann zum Beispiel von örtlichen Behörden, Gemeindeverbänden, gemeinnützigen Vereinen, Stiftun-gen oder staatlichen Einrichtungen angeboten werden. Der Bildungsträger muss lediglich nachweisen, dass er über die erforderlichen professionellen und finanziellen Ressourcen ver-fügt und dass für seine Bildungsangebote eine Nachfrage besteht. Die für Bildungsangebote vorgesehene staatliche Anteilsfinanzierung steht dem Bildungsträger bzw. der –einrichtung zu. Die Finanzierung hängt von der Teilnehmerzahl sowie anderer, den Tätigkeitsumfang beschreibender Leistungen ab und erfolgt auf der Grundlage der jährlich im Voraus festge-legten kalkulatorischen Kosten. Bildungsanbieter müssen einem nationalen Rahmenplan für

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Erwachsenenbildung folgen. Dieser Lehrplan wird zu einem Drittel vom Zentralamt für Un-terrichtswesen festgelegt und durch andere staatliche Vorschriften ergänzt. Letztere können zum Beispiel Vorgaben für individuelle Weiterbildungspläne, die Auswahl der Lehrenden o-der auch die Qualifizierung von Lehrkräften etc. betreffen.“ (Heinonen, 2007, S. 29)

In Österreich gibt es weniger direkt weiterbildungsrelevante Gesetze als in Finnland. Ihre Verabschiedung liegt überdies zum Teil länger zurück als die einschlägigen Gesetzesmaterien in Finnland. Gesetzliche Grundlagen für die allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung in Finnland sind sowohl Vorschriften, die für das gesamte Bildungssystem gelten als auch solche, die spezielle, nur für die Erwachsenenbildung geltende Bestimmungen enthalten.

In Finnland gibt es an direkten Gesetzesmaterien für die Erwachsenenbildung unter ande-rem:

• Aus 1988 das Vocational Adult Education Act and Decree, das bereits novelliert wur-de.

• Aus 1998 das Liberal Adult Education Act and Decree, das am ehesten mit dem „Er-wachsenenbildungsförderungsgesetz 1973“ in Österreich vergleichbar ist. Es regelt das Recht von Organisationen, allgemeinbildende Einrichtungen zu schaffen und gibt dem Staat die rechtlichen Grundlagen, diese Einrichtungen zu unterstützen und zu för-dern. Das Gesetz beschreibt die Ziele der liberalen Erwachsenenbildung als auf das le-benslange Lernen ausgerichtet und nennt die Persönlichkeitsentwicklung und die Verwirklichung von Demokratie und Gleichheit als eine Perspektive von Bildungstä-tigkeit.

• Zwei weitere Gesetze aus dem Jahr 1998 regeln die berufliche Bildung.• Aus 1997 das University Act and Decree, das den offenen Hochschulunterricht und

universitäre Abteilungen für Weiterbildung regelt.• Aus 1995 und 2003 das Polytechnics Act and Decree, das Erwachsenenbildung als ei-

ne Aufgabe der Polytechnischen Einrichtungen verankert.• Aus 1990 das Erwachsenen-Beschäftigungs-Trainings Gesetz und Dekret.• Aus 1984 und 2000 das Dekret über den Beirat für Erwachsenenbildung.

Die Gesetzeslage im Bereich der beruflichen und allgemeinen Erwachsenenbildung wurde in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gravierend verändert. Die bis dahin geltenden Rechtsvor-schriften waren sehr strikt und normativ. Sie wurden im Wesentlichen durch Rahmenricht-linien ersetzt.

Eine auszugsweise Übersicht über die Inhalte von für die Erwachsenenbildung relevanten Gesetzesmaterien zeigt erhebliche Unterschiede zu Österreich.

• Das Gesetz zur beruflichen Erwachsenenbildung regelt die berufliche Erwachsenenbil-dung, die auf berufsqualifizierenden Fachkompetenzen basiert und zu weiterführenden und speziellen beruflichen Abschlüssen führt. Es enthält überdies Bestimmungen zur Or-ganisation und Verfahren kompetenzbasierter Qualifikationsprüfungen, insbesondere Ausführungen zur Gestaltung der vorbereitenden Kurse unter Berücksichtigung der indi-viduellen Bildungsbiografie. (Hier geht es auch um die Anerkennung informell erworbe-ner Kompetenzen. Darüber hinaus regelt das Gesetz Abschlüsse und Zertifikate in der be-ruflichen Erwachsenenbildung. (Mit kompetenzbasierten Qualifikationen ist in Finnland ein Qualifikationssystem gemeint, das sich speziell an Erwachsene richtet. Die Qualifika-tionen können anerkannt werden unabhängig vom Weg, wie das Wissen und die Kompe-tenzen erworben wurden. Die Teilnehmenden können zuvor an Vorbeitungskursen teil-nehmen oder aber die Qualifikationsprüfung auf Grundlage von in anderen Bereichen

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(zum Beispiel im Berufsleben) erworbenen Kenntnissen absolvieren. Weiterbildende und spezialberufliche Qualifikationen werden alle als kompetenzbasierte Qualifikationsprü-fungen abgelegt. Im Rahmen der beruflichen Erstausbildung sind kompetenzbasierte Qualifikationsprüfungen selten, aber ebenfalls möglich. (Vgl. Heinonen, 2007, S. 68)

• Das Grundbildungsgesetz regelt alle Formen der Grundbildung, unabhängig von den Bil-dungseinrichtungen und –trägern. Für Erwachsene kann die Grundbildung auch als Fern-unterricht oder auf Grundlage eines spezifischen Lehrplanes erfolgen.

• Das Gesetz zur freien Erwachsenenbildung regelt die nicht abschlussorientierte Bildung, die von Einrichtungen der freien Erwachsenenbildung angeboten wird. Ganz anders als das „EB-Förderungsgesetz“ aus dem Jahr 1973 in Österreich, werden alle Arten von Bil-dungseinrichtungen, die Angebote der freien Erwachsenenbildung machen, im Gesetz ge-nannt und mit ihren Hauptaufgaben festgelegt. Darüber hinaus enthält das Gesetz Vor-schriften zur Verwaltung dieser Einrichtungen und Bestimmungen zur Finanzierung in Form staatlicher Förderung.

• Das Gesetz zu öffentlichen Dienstleistungen für Arbeitskräfte erstreckt sich auf alle Akti-vitäten der aktiven Arbeitsmarktpolitik einschließlich der Weiterbildung und Qualifizie-rung von Erwerbspersonen.

• Das Gesetz zu allgemeinen Sprachprüfungen regelt die Verwaltung und Zuständigkeit der Organisation von Sprachprüfungen.

• Das Gesetz zur finanziellen Unterstützung von Studierenden bestimmt die Bedingungen für den Erhalt finanzieller Unterstützung für das Studium. Alle Finnen, die nach der all-gemeinen Schulpflicht eine Aus- und Weiterbildung in Vollzeit beginnen, können diese finanzielle Unterstützung beanspruchen.

• Das Gesetz zur Finanzierung von Bildung und Kultur stellt das wichtigste Finanzierungs-gesetz im Bereich der Bildung dar. Es regelt die staatliche Förderung und die Zuständig-keit der Finanzierung für den grundlegenden Unterricht, den allgemeinbildenden Sekun-darbereich, den beruflichen Sekundarbereich, die berufliche Ausbildung Erwachsener im Sekundarbereich und die Fachhochschulbildung.

• Die Verordnung über die Bildungsevaluierung bezieht sich auf den gesamten Bildungsbe-reich außerhalb des Hochschulsektors. Sie legt Evaluierungsziele sowie die Koordinie-rung der Evaluierungsverfahren fest. Zuständig ist der Evaluierungsrat für Bildung.

Aufgrund der beiden oben angeführten Beiräte und der vielfältigen legistischen Grundlagen ist staatliche Weiterbildungspolitik in Finnland weit mehr ausgebaut und viel effektiver als in Österreich. In Finnland gründet sich Weiterbildungspolitik auch auf wesentlich bessere statistische Grundlagen als in Österreich, wie dies finnische Bildungsexperten, die beide Län-der kennen, immer wieder betonen.

Struktur der Erwachsenenbildung in Finnland

Die finnische Erwachsenenbildung „genießt einen ziemlich unabhängigen Status“, und das trotz der entwickelten staatlichen Weiterbildungspolitik. Die finnische Erwachsenenbildung

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ist gekennzeichnet durch eine breite Palette an Möglichkeiten und die Differenzierung in un-terschiedliche Institutionen, Inhalte und Lehrmethoden. In dieser allgemeinen Formulierung unterscheidet sich die finnische Erwachsenenbildung nicht von jener in den meisten europäi-schen Ländern.

Seit den siebziger Jahren – so betont es die 1996 vom „Bildungsrat“ veröffentlichte Broschüre „Adult Education and Training in Finland“ – wurde Erwachsenenbildung ein wichtiger Teil der nationalen Bildungspolitik und Bildungsplanung. In den letzten Jahren erlangte die beruf-liche Bildung in der Entwicklung der Erwachsenenbildung eine prioritäre Stellung, nachdem sie bereits seit 1970 an Stellenwert gewonnen hatte.

Strukturell bewegt sich die finnische Erwachsenenbildung zwischen Freizeit und Arbeitsle-ben und hat dementsprechend zwei – bereits erwähnte – Richtungen ausgebildet: die berufli-che Weiterbildung und die allgemeine (liberale oder freie) Erwachsenenbildung, die in sich wiederum differenziert sind:

1) Allgemeinbildung im Sinn von Grundbildung 2) Berufliche Grundbildung3) Berufliche Fort- und Weiterbildung und4) allgemeine (liberale oder freie) Weiterbildung.

Erwachsenen stehen in Finnland dieselben Möglichkeiten der beruflichen, allgemeinen und höheren Bildung auf Hochschulniveau offen, wie sie für junge Menschen vorgesehen sind.

In den verschiedenen Einrichtungen der freien Bildungsarbeit (Volkshochschulen, Studien-zirkel) können Erwachsene ihre Allgemeinbildung verbessern und sich Kenntnisse und Fer-tigkeiten aneignen, die sie als Staatsbürger/innen benötigen.

Berufliche Bildung

Die berufliche Erwachsenenbildung kann grob in vier Bereiche gegliedert werden:

1. die selbst gewählte Ausbildung = freiwillige berufliche Erwachsenenbildung;2. die arbeitsmarktpolitische Ausbildung = beschäftigungspolitische Ausbildungsmaßnah-

men;3. die Personalschulung = berufsbegleitende Ausbildung;4. die Ausbildung auf Lehrvertragsbasis = vergleichbar mit „Lehrlingsausbildung“.

In österreichischer Terminologie geht es hier um die individuelle berufliche Qualifizierung, die AMS-Schulungen, die innerbetriebliche Weiterbildung und um Lehrabschlüsse.

ad 1) Bei der freiwilligen beruflichen Ausbildung geht es darum, den Bürger/innen die Möglich-keit zu geben, sich unabhängig von ihrem Arbeitgeber beruflich weiterzubilden. Sie wird vorwiegend von Einrichtungen der Weiterbildung geleistet und vom Staat, den Kommunen, den Trägern der Einrichtungen und – zu einem kleinen Teil – den Aus- und Weiterzubilden-den finanziert. Sie ist vor allem für Personen gedacht, die älter als 25 Jahre sind. Die Teil-nehmer/innen können staatliche Beihilfen beziehen.

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ad 2) Die arbeitsmarktpolitisch motivierte Ausbildung ist kurzfristig auf Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften am Arbeitsmarkt hin konzipiert. Sie wird in der Hauptsache vom Ar-beitsministerium und den Arbeitsämtern finanziert. Für die arbeitsmarktpolitische Ausbildung bewirbt man sich über die Arbeitsämter. Sie ist für Personen ab zwanzig Jahren gedacht. Die primäre Zielgruppe sind Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Erwerbstätige. Eine Reform im Herbst1997 eröffnete Langzeitarbeitslosen, die vor ihrer Arbeitslosigkeit lang ge-nug erwerbstätig waren, einen Anspruch auf die Arbeitslosenunterstützung, der auch während der Ausbildung besteht.

ad 3) Für die berufsbegleitende Ausbildung, die innerbetriebliche Weiterbildung, kommt in der Regel der Arbeitgeber bei Lohnfortzahlung auf. Über die Art und die Dauer der Schulung entscheidet der Arbeitgeber. Sie ist kurzfristig angelegt. Gemessen an den Teilnahmezahlen ist sie die am weitesten verbreitete Form der Erwachsenenbildung.

ad 4) Die Ausbildung auf Lehrvertragsbasis ist im Zwischenbereich von selbst gewählter Ausbil-dung und innerbetrieblicher Weiterbildung angesiedelt, die sowohl Grund- als auch Fortbil-dung umfasst. Hier handelt es sich vor allem um praktischen Unterricht, der vom Arbeitsplatz eingerichtet wird. Einrichtungen der Weiterbildung erteilen den zu der Ausbildung gehören-den theoretischen Unterricht in separaten Kursen. Es ist eine Form der dualen Ausbildung.Der Staat finanziert den theoretischen Unterricht und zahlt den Arbeitgebern eine Vergütung für die durch den praktischen Unterricht entstehenden Kosten. Vor der Aufnahme der Ausbil-dung ist zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmer/innen ein Lehrvertrag abzu-schließen, der zugleich einen Arbeitsvertrag darstellt.

Neue Unterrichtsformen

In jüngster Zeit sind in Finnland besonders der Fernunterricht und flexible Unterrichtsformen sowie der Einsatz von technischen Lehr- und Lernmitteln und verschiedenen Arbeitsmethoden forciert worden, die erwachsene Studierende unterstützen. Mit anderen Worten geht es dabei vor allem um die Forcierung selbst gesteuerter Lernformen. Bei der Wahl der Lehrmetho-den werden die Lebenssituation der Lernenden und ihre Fähigkeit, sich selbständig Wissen anzueignen, berücksichtigt. Vorbildung und Arbeitserfahrungen werden angerechnet und be-rücksichtigt. Der Unterricht in der Erwachsenenbildung ist intensiver als bei Jugendlichen. Der Anteil des Selbststudiums zu Hause oder am Arbeitsplatz ist größer.

Bei den Unterrichtsformen gibt es – im Vergleich zu Österreich – finnische Besonderheiten. Für jede/n Auszubildende/n wird ein persönliches Studienprogramm zusammengestellt, wobei die Vorbildung und die Arbeitserfahrungen Berücksichtigung finden. Im Unterricht erfolgt eine Konzentration auf die hinsichtlich des fachlichen Könnens zentralen Inhalte. Der Unter-richt ist intensiver als bei Jugendlichen und dauert bei ganztägigem Studium je nach Vorbil-dung und Arbeitserfahrungen ein bis vier Jahre – das heißt im Durchschnitt ein Jahr weniger als bei Jugendlichen. Der Unterricht kann auch als Abendstudium erfolgen. Es gibt auch die Möglichkeit, Prüfungen als Privatschüler abzulegen, in dem Arbeitsproben abgegeben und an den Lehranstalten Prüfungen abgelegt werden.

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Weitere Gliederung von Berufsbildung

Nach einer anderen Gliederung (vgl. Heinonen, 2007, S. 45 f.) werden in der beruflichen Bil-dung im Sekundarbereich II drei verschiedene Qualifikationsebenen unterschieden:

• die berufliche Erstausbildung,• die Berufsbildung, die zu weiterführenden beruflichen Qualifikationen führt und• die Bildung, die zu spezialisierten beruflichen Qualifikationen führt.

In der beruflichen Erstausbildung werden grundlegende Kenntnisse für die Arbeit in Hand-werksberufen und für die Ausübung unabhängiger und selbstständiger Berufe vermittelt. Wei-terführende berufliche Qualifikationen sind fachspezifische Kenntnisse und Personen mit speziellen Abschlüssen haben die Befähigung erworben, sehr anspruchsvolle Fachaufgaben durchzuführen. Berufliche Erstausbildungen können sowohl auf der Basis eines Curriculums (vor allem für Jugendliche) als auch auf der Basis kompetenzbasierte Qualifikationen (vor allem von Erwachsenen) absolviert werden. Im Gegensatz zur beruflichen Erstausbildung erfolgen alle weiterführenden und speziellen beruflichen Qualifikationen als kompetenzba-sierte Abschlüsse. Alle drei Qualifikationsebenen können auch als Ausbildung auf Lehrver-tragsbasis absolviert werden.

Frequenz

An der selbst gewählten beruflichen Grundbildung im Rahmen von Weiterbildungseinrich-tungen nehmen rund 0,8 Prozent der Erwerbstätigen teil, an Grundbildungsmaßnahmen im Rahmen eines Lehrvertrages rund 0,1 Prozent und an arbeitsmarktpolitischen Ausbildungs-maßnahmen etwa 1.6 Prozent der Bevölkerung.

Universitäts- und Hochschulstudium im Rahmen von Erwachse-nenbildung

Seit den neunziger Jahren hat Finnland ein zweigliedriges Hochschulsystem mit Fachhoch-schulen, an denen es seit 2002 möglich ist, postgraduale Studiengänge zu absolvieren und Universitäten.

Es gibt 20 beziehungsweise 21 wissenschaftlichen Universitäten und Hochschulen. Zehn sind multidisziplinäre Universitäten, drei Handelshochschulen, drei technische Hochschulen und vier Kunsthochschulen Darüber hinaus gibt es eine dem Verteidigungsministerium unterstellte Hochschule für Landesverteidigung. An den Universitäten und Hochschulen ist rund ein Viertel der Studierenden über 25 Jahre alt. Für sie gibt es zunehmend flexible Unterrichts-angebote. Das hauptsächliche für Erwachsene bestimmte Studiensystem ist jedoch der so ge-nannte offene Hochschulunterricht.

Im offenen Hochschulunterricht können Erwachsene unabhängig von ihrer Vorbildung an einem Unterricht teilnehmen und akademische Lernmodule abschließen. Dieser Unterricht entspricht dem Grundunterricht der Hochschulen. Die abgelegten Studienleistungen entspre-

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chen jedenfalls den in einem normalen Grundstudium abzulegenden Leistungen und können als Teil eines Hochschulexamens oder Ausbildungsprogramms anerkannt werden.

Jede Universität hat in Finnland ein „Open University Department“ (offener Hoch-schulunterricht) und ein davon getrenntes Department für Weiterbildung (Continuing Education).

Obwohl es in Finnland keine Open University wie in England gibt, bieten die Universitäten Studienmöglichkeiten in Zusammenarbeit mit Erwachsenenbildungseinrichtungen – vor allem Heimvolkshochschulen – in dezentralisierter Form an. Methoden der Open University werden an der Universität des Dritten Lebensalters für Senior/innen angewendet.

Frequenz

Derzeit nehmen rund 80.000 Personen am offenen Hochschulunterricht teil, während an den Hochschulen gut 100.000 Personen ein Grundexamen absolvierten, so dass man von einem sehr hohen Anteil sprechen kann. An der universitären Weiterbildung nehmen gleichfalls rund 80.000 Personen teil.

Freie Erwachsenenbildung

Die so genannte freie oder liberale Erwachsenenbildung umfasst institutionell einerseits die historisch gewachsenen Bildungseinrichtungen, andererseits freie Unterrichtsformen. Ein ge-meinsames Merkmal ist, dass Ziele und Inhalte nicht von außen oder von oben bestimmt wer-den, sondern von den Institutionen selbst beschlossen werden, die oft in Form von Verbänden, Vereinen, Stiftungen oder GmbHs organisiert sind. Freie Bildungsarbeit unterstützt die viel-fältige Persönlichkeitsentfaltung der Individuen und die Fähigkeit, mit dem Prinzip des le-benslangen Lernens in Gemeinschaften tätig zu sein.

Freie Erwachsenenbildung, deren wesentlichstes Merkmal die freiwillige Teilnahme ist, findet oft auf kommunaler Ebene in Zentren für Erwachsenenbildung statt. Diese Zentren könnten durch die Gemeindereform beeinträchtigt werden.

In der „Freien Bildung“, an deren Maßnahmen sich jährlich rund 25 Prozent der Bevölkerung beteiligen, stehen zwei Bereiche im Mittelpunkt:

• die vorwiegend allgemeinbildende Richtung,• die interessenbezogene Bildung.

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Allgemeinbildung

Durch allgemeinbildendes Lernen können Erwachsene ihre Kenntnisse und Fertigkeiten, die sie in ihrem Leben benötigen, erweitern. Zentrale Themenbereiche sind die Muttersprache, Fremdsprachen, Datenverarbeitung, Fertigkeiten im Umgang mit anderen Menschen (soziale Kompetenzen) sowie ästhetische und ethische Selbstentfaltung.

Interessenbezogene Bildung

In diesem Bereich der Bildungstätigkeit wird Erwachsenen die Möglichkeit geboten, ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in bestimmten Spezialgebieten zu vertiefen. Wichtige Themenbe-reiche sind hier verschiedene handwerkliche Fertigkeiten, Künste und Ausdrucksfähigkeit sowie Sport und Bewegung.

Zu den Aufgaben der freien Bildungsarbeit gehört auch – und in dieser spezifischen Form ist das in Österreich nicht gegeben – die gesellschaftliche Erwachsenenbildung. Hier gilt es, Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern, die es Menschen ermöglichen, in Organisationen und verschiedenen gesellschaftlichen Vertrauensaufgaben (in österreichischer Terminologie Ehrenamt) tätig zu sein. Zentrales Anliegen dabei ist die Erlernung demokratischen Handelns, zum Beispiel die Fähigkeit, seine Meinungen zu begründen und an Debatten teilzunehmen. Wir haben es hier mit Formen und Inhalten einer breit angelegten politischen Bildung zu tun, die, wenn schon verglichen wird, am ehesten der Gemeinwesenarbeit in Österreich ähnlich ist.

Institutionell bilden Volkshochschulen – solche vom zentraleuropäischen Typ wie auch Heimvolkshochschulen – Erwachsenenbildungszentren, Studienzentren, Sommeruniversitäten und Sporterziehungsinstitutionen den Sektor der freien Erwachsenenbildung. Ihnen liegt ein bestimmtes Prinzip zugrunde: „den Informations- und Bildungsbedürfnissen der erwachsenen Bevölkerung in einer bestimmten Region zu entsprechen“. (Heinonen, S. 48)

Spezielle Aufgaben der Erwachsenbildung

Die finnische Erwachsenenbildung nimmt sich auch „spezieller Aufgaben“ an, die in Öster-reich entweder im üblichen Arbeits- und Bildungsprogramm der Erwachsenenbildung integ-riert sind oder gar nicht beziehungsweise kaum wahrgenommen werden. Als „spezielle Auf-gaben“ der Erwachsenenbildung werden für Finnland angeführt:

• verschiedene Bildungsprogramme für Ausländer/innen (deren Anteil in Finnland weit geringer als in Österreich ist und bei rund zwei Prozent liegt),

• fremdsprachlicher Unterricht, der in Österreich zu einem der wesentlichsten Bereiche der Erwachsenenbildung, insbesondere der Volkshochschulen zählt (in Finnland ist der Fremdsprachenunterricht weit weniger entwickelt als in Österreich und die angebotene Sprachenpalette ist viel schmäler),

• die Ausbildung der Lehrenden für die Erwachsenenbildung, die in Österreich in das Ar-beitsprogramm der Erwachsenenbildungseinrichtungen integriert sind und zentral auch vom Bundesinstitut für Erwachsenenbildung St. Wolfgang in Strobl wahrgenommen wird,

• Forschungsaufgaben, die in Österreich von der Erwachsenenbildung nur in bescheidenem Ausmaß geleistet wird.

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Bildungsprogramme für Ausländer/innen

Für in Finnland ansässige Ausländer/innen gibt es Bildungsprogramme, die rund ein Jahr dau-ern und die inhaltlich umfassen: Sprachenunterricht, gesellschaftliches und kulturelles Wissen sowie eine „spezielle Anleitung“. Es gibt auch nachholende Bildungsprogramme für Auslän-der/innen, die Sprachen, Mathematik und Realienfächer umfassen.Im so genannten erweiterten Elementarunterricht wird Ausländer/innen Lesen und Schreiben beigebracht. Auch die Erlernung von elementaren Kenntnissen der finnischen Sprache wird mit dem Unterricht verbunden. Obwohl der Anteil an Ausländer/innen in Finnland im Ver-gleich zu Österreich gering ist, werden Probleme bei der Integration gerade auch von Bil-dungsverantwortlichen eingeräumt.

Fremdsprachlicher Unterricht

Der Anteil des fremdsprachlichen Unterrichts in der beruflichen Ausbildung ist im Wachsen begriffen. Die häufigste Fremdsprache ist Englisch. Die breite Sprachenpalette, etwa im An-gebot der Volkshochschulen in Österreich, die in Wien rund sechzig verschiedene Sprachen anbieten, ist in Finnland nicht gegeben.

An einer Lehranstalt kann die finnische gymnasiale Oberstufe und die Reifeprüfung im Rah-men der Erwachsenenbildung in englischer Sprache abgelegt werden.

Lehrer/innenaus- und -weiterbildung für die Erwachsenenbildung

Bei den Inhalten der Lehrer/innenausbildung werden die Anforderungen, die der Unterricht für Jugendliche beziehungsweise für Erwachsene stellt, berücksichtigt. Eine besondere päda-gogische Schulung speziell für Lehrende der Erwachsenenbildung gibt es nicht, aber während der Lehrer/innenausbildung können sich Studierende auf Erwachsenenbildung spezialisieren.

Die Weiterbildungszentren der Universitäten erteilen Unterricht für Personen, die als Lehrer für Einwanderer/innen arbeiten oder arbeiten wollen. Außerdem wird Grundbildung für Leh-rer/innen erteilt, die Finnisch als Zweitsprache unterrichten.

An den Lehranstalten, die Lehrer/innenausbildung wird auch pädagogische Weiterbildung für Lehrer/innen erteilt.

Forschung zur Erwachsenenbildung

In der finnischen Erwachsenenbildungsforschung spielt neben Theoriebildung und der Analy-se von Phänomenen jene Forschung eine Rolle, die der Effektivität der Bildungstätigkeit dient. Vorrangige Themen sind:

- die kontinuierliche Ausbildung- Teilnahmeforschung- didaktische Prinzipien der beruflichen Weiterbildung- die Effektivität der Ausbildung.

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Forschungsarbeiten leisten sozialwissenschaftliche Institute und Gesellschaften, Bildungsfor-schungsinstitute und die „Academy of Finland“, ebenso „Finland Statistics“. Die Weiterbil-dungsforschung ist in Finnland wesentlich stärker ausgebaut als in Österreich. Das gilt insbe-sondere für die Empirie der Weiterbildung.

Einrichtungen der Erwachsenenbildung

In Finnland gibt es rund 1.230 Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die als Lehranstalten bezeichnet werden. (Vgl. Country Note, 2001, S. 21) Eine Vergleichszahl für Österreich ist rund 1756. Ein Teil der 1.230 finnischen Einrichtungen ist ausschließlich für Erwachsenen-bildung zuständig, die übrigen bieten sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene Aus-bildung an. Eine andere Publikation (vgl. Heinonen, 2007, S. 33) nennt fast 900 Einrichtun-gen. (Vertreter/innen der finnischen Erwachsenenbildung, 2007 auf diese unterschiedlichen Zahlen angesprochen, gaben den Hinweis, es wird sich um unterschiedliche Definitionsgrund-lagen handeln, die zu diesen doch sehr voneinander abweichenden Zahlen geführt haben. Konkretes konnten sie aber nicht anführen.)

Wie in Österreich und in den meisten europäischen Ländern gibt es auch in Finnland ein mul-tiples Trägersystem. Die Bildungseinrichtungen werden getragen

- vom Staat,- den Kommunen,- privaten Trägern wie Vereinen, Stiftungen und Unternehmen, zumeist GmbHs.

Zwei Großgruppen von Bildungseinrichtungen

Grundsätzlich gibt es zwei große Gruppen von Bildungseinrichtungen, die sich nach ihren rechtlichen Grundlagen voneinander unterscheiden:

1) Lehranstalten mit gesetzlich geregelter Tätigkeit:

- Abendgymnasien- Berufliche Lehranstalten- Spezielle Einrichtungen für die berufliche Bildung- Berufliche Erwachsenenbildungszentren- Bildungseinrichtungen mit Fernunterricht- Heimvolkshochschulen- Sportinstitute- Volkshochschulen- Studienzentren- Weiterbildungszentren der Hochschulen- Pilot-Fachhochschulen- Sommeruniversitäten (neuerdings)

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2) Bildungseinrichtungen, die staatlich Unterstützung (Subventio-nen) erhalten, deren Tätigkeit aber nicht gesetzlich geregelt ist:

- Beratungseinrichtungen- Freie Bildungsvereine

Die Einrichtungen der finnischen Erwachsenenbildung im Überblick (Anzahl in Klammer, abweichende Zahlen, die Heinonen anführt, scheinen im Text auf.)

In Finnland wird Erwachsenenbildungseinrichtungen von staatlicher Seite – und das unter-scheidet das finnische vom österreichischen System – eine Lizenz erteilt, womit eine Ent-scheidung verbunden ist, ob die grundlegende pädagogische und kulturelle Nachfrage ausrei-chend ist und ob die Antragsteller über genügend berufliche und wirtschaftliche Ressourcen für die Aufrechterhaltung der Institution verfügen.

Die Lizenz gewährleistet umfassende Autonomie und Handlungsfreiheit. Zugleich ist die Institution für die Festlegung und Entwicklung ihrer Aufgaben selbst verantwortlich. Die Li-zenz garantiert das Recht auf staatliche Förderung.

1) Lehranstalten mit gesetzlich geregelter Tätigkeit

a) Abendgymnasien (54)

Von ihnen gibt es rund 54 in Finnland. Bei ihnen handelt es sich in der Regel um kommunale Bildungseinrichtungen für berufstätige Erwachsene, die die Gesamtschule und die gymnasiale Oberstufe sowie einzelne Unterrichtsfächer absolvieren. Der Unterricht findet hauptsächlich abends statt. (= Upper secondary schools for adults and adult study programms)

b) Berufliche Lehranstalten (rund 380)

Diese rund 380 Bildungseinrichtungen werden vom Staat getragen (34 Prozent), von Kom-munen (54 Prozent) oder Zweckverbänden (12 Prozent). (Diese prozentuelle Aufteilung be-stand Ende der neunziger Jahre.) Sie leisten den Großteil der beruflichen Grundbildung, bie-ten aber auch Fortbildung und kurzzeitige Weiterbildung an. (Bei Heinonen findet sich dieZahl 290.) Die beruflichen Lehranstalten bieten Berufsbildung sowohl für Erwachsene als auch für Ju-gendliche. (= Vocational institutions)

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Berufliche Erwachsenenbildungszentren (45) und spezialisierte landesweite Einrichtungen (8)

Diese 45 „Beruflichen Erwachsenenbildungszentren“ (Heinonen nennt 46) werden vor allem von den Kommunen getragen. Sie leisten vor allem arbeitsmarktpolitische Erwachsenenbil-dung. Die beruflichen Erwachsenenbildungszentren bieten eine breite Skala an beruflicher Grundbildung sowie Fort- und Weiterbildung. Die Ausbildung findet überwiegend ganztägig statt. (= Vocational adult education centres)

d) Spezielle Einrichtungen der beruflichen Bildung (56)

Bei diesen 56 Instituten (nach Heinonen 54) handelt es sich vor allem um die Bildungsein-richtungen der Industrie und des Handels. Die meisten von ihnen haben sich darauf konzent-riert, Bildungsmaßnahmen entsprechend dem Bedarf des Unternehmens einzurichten, von dem sie getragen werden. Es geht vor allem um Fort- und Weiterbildung, in einigen Lehran-stalten wird auch berufliche Grundbildung vermittelt. (= Specialised vocational institutions)

e) Heimvolkshochschulen (91)

Die 91 Heimvolkshochschulen (bei Filzmoser 2008, sind es 92) sind überwiegend private Einrichtungen, die als Internate organisiert sind – oder in einer anderen Begrifflichkeit – resi-denzielle Bildung bieten. Einige von ihnen organisieren auch Fernunterricht. Eine 92. Heim-volkshochschule befindet sich auf den Aland-Inseln.

Nach jüngsten Informationen kann bei den Heimvolkshochschulen davon ausgegangen wer-den, dass 84 von Stiftungen und Vereinen, aber auch kirchlichen Einrichtungen, 6 von Kom-munen und 1 von einer Region (Aland) getragen werden.

Dementsprechend ist der ideologische Hintergrund der Heimvolkshochschulen (man könnte auch von weltanschaulicher Ausrichtung sprechen) sehr unterschiedlich. Es gibt:

• Heimvolkshochschulen im Sinne Grundtvigs – rund 34 mit rückläufiger Tendenz • christliche Heimvolkshochschulen (lutheranische und katholische) – rund 43• Heimvolkshochschulen politischer Parteien – rund 11• gewerkschaftliche Heimvolkshochschulen und Heimvolkshochschulen von NGOs – die

restlichen

Einige Heimvolkshochschulen bieten Gesamtschul- und Gymnasialoberstufenunterricht an, wofür es einjährige (neun Monate) Studienprogramme gibt, und an anderen wird berufliche Grundbildung erteilt, die vor allem zu Berufen in den Bereichen Kultur, Sozialwesen und Freizeit hinführt. Außerdem bieten viele Heimvolkshochschulen seit längerer Zeit berufliche Fort- und Weiterbildung an. Quantitativ überwiegen im Angebot der Heimvolkshochschulen aber allgemeinbildende Fächer. Heimvolkshochschulen können aber auch den offenen Hoch-schulunterricht einrichten und dabei mit Universitäten kooperieren. Wochenendseminare und einwöchige Seminare, also kurz dauernd angelegte Bildungsformen, werden immer häufiger.

Eine Besonderheit der finnischen Heimvolkshochschulbewegung ist – vor allem im Vergleich mit Österreich – der hohe Anteil der Heimvolkshochschulen der schwedischen Minderheit. Es

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wird von 16 bis 17 Heimvolkshochschulen der Minderheit gesprochen, die einen Bevölke-rungsanteil von 6 Prozent hat. Eine Heimvolkshochschule ist vor allem für die samische Min-derheit offen. (= Folk high schools, folkhögskola)

I. Exkurs: Heimvolkshochschulen

Die Heimvolkshochschulen stehen der gesamten Bevölkerung ab 16 Jahren offen. Nach oben gibt es keine Altersgrenze. Die Altersstruktur schwankt je nach Heimvolkshochschule. Es gibt Heimvolkshochschulen, in denen alle Teilnehmer/innen unter 21 Jahre sind, in anderen sind alle Lernenden über 24 Jahre alt. Jährlich besuchen rund 8.000 Personen die Grundlernphasen der Heimvolkshochschulen, die zumeist ein Jahr dauern. Es gibt jedoch auch Lehrgänge mit einer Dauer bis zu dreieinhalb Jahren. An Kurzlehrgängen nehmen rund 80.000 Personen teil. Rund drei Viertel der Grund-lernphasenteilnehmer/innen sind Frauen.

Staatliche Förderung

Die Heimvolkshochschulen bekommen für ihre Bildungstätigkeit gesetzlich geregelte För-dermittel, die auf der Grundlage geleisteter Teilnehmerwochen berechnet werden. Die Heim-volkshochschulen können auch im Rahmen der im Staatshaushalt dafür vorgesehenen Mittel Bauförderung und Zinsbeihilfen erhalten. Dies ist in der österreichischen Erwachsenenbil-dungs-Förderung überhaupt nicht vorgesehen. (Zum Beispiel werden Volkshochschulbauten und deren Renovierung in Wien oder jüngst in Linz durch die Stadt beziehungsweise das Land finanziert.) Die jährliche staatliche Unterstützung deckt etwa 45 Prozent der Gesamt-kosten der Heimvolkshochschulen. Die Teilnehmer/innen, die die Grundlernphase besuchen, können auch staatliche Förderung beantragen. Die Mittel dafür wurden jedoch zuletzt gekürzt.

Heimvolkshochschulverband

Der Verband Finnischer Heimvolkshochschulen wurde 1905 gegründet. Er fungiert als Dachverband aller Heimvolkshochschulen. Alle Heimvolkshochschulen sind institutionelle Mitglieder, dazu kommt, dass rund 70 Prozent des Personals als Personenmitglieder zum Verband gehören – das ist ein bedeutender Unterschied zur Struktur der Erwachsenenbil-dungsverbände in Österreich, die keine Einzelmitglieder kennen.

Zentrale Aufgaben des Finnischen Heimvolkshochschulverbandes sind:

- Bildungspolitische Aktivitäten- interne Information- Öffentlichkeitsarbeit- Herausgabe der Zeitschrift Heimvolkshochschule- Entwicklungsarbeit- Mitarbeiter/innenschulung- internationale Kontakte.

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Nordischer Rat der Heimvolkshochschulen

In Nordeuropa besteht ein Nordischer Rat der Heimvolkshochschulen, der auf eine lange Tradition zurückblickt. An der regelmäßigen Arbeit des „Rates“ sind Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden beteiligt. Assoziierte Mitglieder sind die Aland-Inseln, Faröer, Grönland und Island. Der „Rat“ hält jährlich einige Veranstaltungen ab und organisiert Semi-nare.

In den rund 23 Millionen Einwohner/innen zählenden nordischen Ländern gibt es rund 400 Heimvolkshochschulen. In Österreich gibt es – je nach Zählung leicht unterschiedlich – rund 30 Bildungshäuser, bei einem guten Drittel der Einwohner/innen der nordischen Länder.

Überdies gibt es die Nordische Volksakademie (NFA) als unabhängige nordeuropäische Institution, die hauptsächlich durch den Nordischen Ministerrat finanziert wird. Die „Akade-mie“ hat ihren Sitz im schwedischen Göteborg. Ihr Zweck liegt in der Entwicklung der Er-wachsenenbildung in den nordeuropäischen Ländern. Umgesetzt wird dieses Ziel durch Kon-ferenzen, Kurse und Seminare sowie Kontakte und Netzwerke.

II. Exkurs: Arbeiterakademie (Työväen Akatemia)

Die Heimvolkshochschule „Arbeiterakademie“ in Kauniainen, 16 Kilometer von Helsinki entfernt, steht den Gewerkschaften nahe und wurde 1924 gegründet. An ihr studieren jährlich rund 2.00 Personen in Lehrgängen. Ihre altersmäßige Zusammensetzung reicht von jungen Leuten, die gerade ihre Grundschulbildung absolviert haben, bis zu Pensionist/innen.

Die „Arbeiterakademie“ hat bei der Ausbildung von mehreren tausend Vertreter/innen der Stadtverwaltung und der Handelsunion mitgewirkt. Über sechzig frühere Student/innen der „Arbeiterakademie“ waren oder sind Mitglieder des Finnischen Parlaments. Die „Schule“ ist privat, wird aber staatlich gefördert (siehe oben).

Die Dauer der längerfristigen Studien variiert von einem bis zu dreieinhalb Jahre. Die meisten der sozialen und humanistischen Fächer werden auf universitärem Niveau gelehrt.

Die „Arbeiterakademie“ organisiert überdies kurze Seminare über Wirtschaftsfragen, interna-tionale Themen und insbesondere Intensiv-Sprachkurse.

Eine andere Aufgabe der „Arbeiterakademie“ besteht darin, ihren „Studierenden“ solches Wissen und solche Fertigkeiten zu vermitteln, mit denen sie Aufgaben in Vereinen und Ver-bänden – auch solchen mit internationalen Aktivitäten – bewältigen können. Sie vermittelt auch Grundlagen für die internationale Arbeit beispielsweise in Entwicklungsländern. (Auf diesem Gebiet gibt es kein Pendant in der österreichischen Erwachsenenbildung.) An der „Arbeiterakademie“ sind zehn hauptberuflich tätige Lehrer/innen und mehr als 160 Gastdo-zenten tätig.

Das Sprachkursangebot wurde in der „Arbeiterakademie“ seit den achtziger Jahren am stärks-ten ausgeweitet. Die „Arbeiterakademie“ beteiligt sich überdies an europäischen Projekten, auch solchen mit österreichischen Partnern.

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Finanzierung

Die finnischen Heimvolkshochschulen erhalten eine gesetzlich vorgeschriebene staatliche Unterstützung, die in direkter Beziehung zur Zahl der Studierenden ermittelt wird. Diese staatliche Unterstützung deckt knapp die Hälfte aller Betriebskosten, den Rest muss die „Arbeiterakademie“ – wie die andere Heimvolkshochschulen – über Studien- und Kursgebüh-ren und durch Vermietung von Räumen erwirtschaften.

Besonderheiten der Arbeiterakademie

a) Humanistische Fachhochschule (HUMAK)

1998 wurde als Kooperationsprojekt von zehn über das Land verteilten und in ihrer Struktur, ihren Inhalten und Zielen sehr unterschiedlichen Heimvolkshochschulen, die „Humanistische Fachhochschule“ ins Leben gerufen. Sie hat 800 vom Staat finanzierte Studienplätze. Konzi-piert ist sie als Institut für höhere berufliche Bildung in der Aus- und Fortbildung von Mitar-beiter/innen in der Verwaltung, im Freizeit- und Erholungsbereich sowie in Kultur- und Bür-gerinitiativen.

Spezifikum der Humanistischen Fachhochschule ist, dass Lehrende und Lernende zwischen den Studienorten wandern. Ein Teil des Studiums wird mittels e-Learning absolviert.

Die Humanistische Fachhochschule dauert dreieinhalb Jahre und bietet ein staatlich anerkann-tes Studium. Als berufliche Einrichtung im Kulturbereich hat sie in Europa kaum ein Pendant.Die Einrichtung ist ein Kooperationsprojekt (auf Dauer) mit mehreren Universitäten und Fachhochschulen.

b) Offene Universitätsstudien in der Erwachsenenbildung

Ausgangsüberlegungen für dieses Projekt war die Absicht, etwas gegen die hohe Jugendar-beitslosigkeit und den Numerus Clausus an Universitäten zu tun und den steigenden Qualifi-kationsanforderungen in der Arbeitswelt zu entsprechen. Mit dem Projekt sollen sehr unter-schiedliche Zielgruppen erreicht werden. Der Unterricht ist für alle offen, unabhängig von der Grundausbildung.

Generell ist zu den offenen Universitätsstudien festzustellen, dass es bei ihnen zu einer inte-grativen Kooperation von Universitäten und Erwachsenenbildungseinrichtungen wie Volks-hochschulen, Heimvolkshochschulen, Sommeruniversitäten und beruflichen Erwachsenenbil-dungszentren kommt. Die Erwachsenenbildung bietet den Unterricht an und geprüft wird nach den Kriterien der Universitäten.

Die Studierenden der „Arbeiterakademie“ haben die Möglichkeit, in zehn verschiedenen Fä-chern auf dem Niveau des ersten Universitätsjahres der Universitäten Helsinki und Turku zustudieren. Die Fächer sind: Politikwissenschaft, Soziologie, Kunst, Pädagogik, Kulturge-schichte, Psychologie, Kommunikation sowie Kurse in Englisch, Deutsch und Schwedisch auf universitärem Niveau.

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c) Weitere Studiengänge der „Arbeiterakademie“ (Vgl. Filzmoser 2008)

„Humanistik“

Der humanistische Studiengang konzentriert sich auf eine liberale Ausbildung. Er betont die Entwicklung einer europäischen Denkweise aus dem Blickwinkel von Literatur, Geschichte und Philosophie. Die Studierenden dieser Studienrichtung können ihren eigenen Studienplan aufstellen, haben also hohe Mitwirkungsrechte. Das Ziel dieses Studienganges ist die Ent-wicklung wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens.Der Humanistische Lehrgang umfasst 72 ECTS.

Internationaler Studiengang

Der Grundgedanke dieses einjährigen Studienganges liegt in der international ausgerichteten Arbeit gesellschaftlicher Organisationen. Die Studierenden sollen sich Wissen und Fertigkei-ten aneignen, damit sie in international tätigen Verbänden und Vereinen arbeiten können. Ü-berdies sollen sie eine Grundlage für die Arbeit in Entwicklungsländern vermittelt bekom-men. Fächer sind internationale Politik internationale Wirtschaft, internationales Recht, Ge-schichte und Soziologie.Das Programm umfasst 72 ECTS.

Sprach- und Kulturstudien

Die Studierenden dieser Richtung befassen sich mit zwei bis drei europäischen Sprachen und dem entsprechenden historisch-kulturellen Hintergrund. Dieses Studium dauert vier bis acht Monate. Es umfasst 34 bis 68 ECTS.

Psychologie und Bildung

Der Studiengang bereitet die Studierenden auf ein Universitätsstudium oder ein vergleichba-res Studium vor. Es gibt ein Kern-Studium sowie ein Ergänzungs-Studium. Als „Kern“ bietet das Programm zwei offene universitäre Kurse an. Das Programm schließt ein zweiwöchiges Praktikum ein und unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden.Der Lehrgang umfasst 72 ECTS.

Gesellschaftswissenschaften

Der Lehrgang bereitet auf das Studium an Universitäten und Fachhochschulen vor. Studieren-de stellen ihren eigenen individuellen Studienplan zusammen und wählen zwischen verschie-denen Wissenschaften.Der Lehrgang umfasst 72 ECTS.

Gesellschaftlich bedingte Veränderungen in der „Arbeiterakademie“

In der „Arbeiterakademie“ schlagen sich nach neuen Analysen die Veränderungen der letzten vier Jahrzehnte in der finnischen Gesellschaft deutlich im Profil der Einrichtung nieder. (Vgl. Kinnunen, 2006)

Die gesellschaftliche Entwicklung in Finnland verläuft von einer traditionellen Klassenge-sellschaft noch in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts über den Aufbau eines

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Wohlfahrtsstaates zu einer zunehmend neoliberal geprägten Gesellschaft mit betonten Markt-elementen. In den sechziger Jahren war die Gesellschaft industriell und agrarisch geprägt, gegenwärtig ist sie durch Elektronik, neue Technologien und die zunehmende Integration in den globalen Markt gekennzeichnet.

Die „Arbeiterakademie“ war von ihren Teilnehmer/innen her dominiert von Männer, Ange-hörigen der unteren und mittleren Bildungsschichten und den im Arbeitsleben stehenden. Im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen hat sich diese Teilnahmestruktur deutlich verän-dert. Gegenwärtig dominieren Frauen (mehr als 80 Prozent aller Teilnehmer/innen), Angehö-rige der oberen Bildungsschicht und Personen mit geringer Arbeitserfahrung. Die Vorberei-tung auf ein Universitätsstudium tritt im Aufgabenspektrum der „Arbeiterakademie“ in den Vordergrund.

Inhaltlich wirkt sich die gesellschaftliche Entwicklung stark auf das „Studium“ an der „Ar-beiterakademie“ aus. Gesellschaftsbezogene Inhalte treten in der Tendenz zurück. Die Ein-richtung muss sich mit ihrer „Bildungsidee“ an aktuelle Trends anpassen. Die Veränderungen vollziehen sich zunehmend schnell. Die Gefahr eines Traditionsbruches nimmt zu. Die Kon-kurrenz um die Gewinnung von Studierenden (= Kunden) nimmt zu. Der „instrumentelle Pragmatismus“ löst ideologiebezogene Wertvorstellungen ab. Die individuellen Ziele der Studierenden stehen mehr und mehr im Vordergrund. Unerlässlich ist die Eingliederung der „Arbeiterakademie“ in Netzwerke, auch internationale.

III. Exkurs: Heimvolkshochschule Lahti

Diese 1893 gegründete Heimvolkshochschule befindet sich im Zentrum der berühmten nor-dischen Sportstadt, die rund 100.000 Einwohner zählt. Sie bietet das übliche Programm einer Heimvolkshochschule, hat aber auch ein Grundstudienprogramm, das 34 Arbeitswochen um-fasst. Die Unterrichtsprogramme in den Fachzweigen können mit einem Examen abgeschlos-sen werden, müssen es aber nicht. Es ist auch möglich, nur einzelne Kurse zu besuchen. Die Studien können auch an einer Universität fortgesetzt werden.(Modulares System und enge Verzahnung mit Universitäten)

Schüler/innen mit Grund- oder Hauptschulabschluss können folgende Zweige (Fachrichtun-gen) studieren:

• Kultur• Kommunikation (u. a. Zeitungs- und Radioarbeit, Sprecherziehung)• Soziologie und Sozialpolitik• Pädagogik• Sozial- und Pflegeberufe• Kunst (bildende Kunst und Kinokultur)• Theater• Hauptschulabschluss

Im Rahmen der Studienrichtung „Kultur“ gibt es als Besonderheit ein „Eurokultur“ genann-tes Programm, das obligatorisch 810 Stunden umfasst, und das neben Sprachen auch den sozio-kulturellen und historischen Hintergrund von Europa umfasst.

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f) Sportinstitute (11)

Bei ihnen handelt es sich um von Vereinen, Stiftungen und anderen Körperschaften getragene Bildungseinrichtungen. Sie bieten für Jugendliche wie für Erwachsene Ausbildungen an. Au-ßerdem fungieren sie als Trainingszentren für aktive Sportler. Neben der beruflichen Grund-bildung im Sportfach veranstalten die Sportinstitute auch lang- und kurzzeitige berufliche Fort- und Weiterbildung an. In Österreich werden vergleichbare Einrichtungen nicht zur Er-wachsenenbildung gezählt. (Heinonen führt 14 an.)

g) Volkshochschulen (274)

Die 274 Volkshochschulen (nach Heinonen 254) vom zentraleuropäischen Typs werden mehrheitlich von den Kommunen getragen. Ihr Bildungsangebot besteht überwiegend aus allgemeinbildendem Unterricht, aber sie erteilen auch berufliche Grund- und Weiterbildung in unterschiedlichen Formen: Kursen, Unterricht der Gesamtschule und der gymnasialen Ober-stufe sowie offenen Hochschulunterricht. Im Vergleich zu Finnland gibt es in Österreich 272 Volkshochschulen, allerdings sehr unterschiedlicher Größe und daher auch mit einem sehr unterschiedlichen Programmangebot.

Der Unterricht in Volkshochschulen findet üblicherweise außerhalb der Arbeitszeit an Aben-den statt. Auch Intensivkurse an Wochenenden oder an mehreren Werktagsabenden hinterein-ander werden veranstaltet. Es gibt auch Kurse in Kunstfächern sowie praktische Kunstpflege. Viele Volkshochschulen stehen in enger Verbindung zu den Gewerkschaften. (= Adult education centres and worker’s institutions)

h) Studienzentren (11)

Die elf Studienzentren, Heinonen führt die gleiche Zahl an, werden von gesellschaftlichen Organisationen („Bürgerorganisationen) getragen: Gewerkschaften, politischen Parteien, Ge-nossenschaften und beratenden Einrichtungen sowie von christlichen Vereinigungen.

Die zentrale Bildungsform sind die Studienzirkel, die am Arbeitsplatz, in Wohngebieten oder innerhalb von Vereinen organisiert werden. Hier handelt es sich um eine der zentralen Bil-dungsformen der Erwachsenenbildung Schwedens, die in mehreren nordeuropäischen Län-dern Verbreitung gefunden hat und auch in Slowenien, nicht aber in Österreich praktiziert wird.

Inhaltlich ist das Programm, auf das sich die Studienzirkel erstrecken, sehr breit gefächert. Mit Hilfe der Studienzentren und ihrer regionalen Organisationen werden Kurse, Seminare und Vorlesungen für Vertrauensleute gesellschaftlicher Einrichtungen, Erste-Hilfe-Kurse, Schulung für freiwillige Helfer „im Dienst an den Nächsten“ sowie sonstige soziale und inte-ressenbezogene Erwachsenenbildung erteilt.

Die Studienzentren bieten jedoch bereits seit geraumer Zeit auch berufliche Fort- und Weiter-bildung an. (= Study centres)

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i) Weiterbildungszentren der Hochschulen (20/1)

An allen wissenschaftlichen Universitäten und Hochschulen sind Weiterbildungszentren tätig, die für die Einrichtung der beruflichen Weiterbildung auf wissenschaftlicher Basis und des offenen Hochschulunterrichts zuständig sind. Außerdem beziehen die Arbeitsämter von den Weiterbildungszentren der Hochschulen arbeitsmarktpolitische Erwachsenenbildung.

Mehrere Weiterbildungszentren verfügen über regionale Zweigstellen, die hauptsächlich regi-onale Bildungsmaßnahmen durchführen.

Die an den Hochschulen organisierten Weiterbildungsmaßnahmen sind in erster Linie für die Absolvent/innen eines akademischen Examens gedacht, aber sie stehen auch anderen speziell ausgebildeten Fachleuten offen. Die Bildungsmaßnahmen sind zeitlich meist von kurzer Dau-er, aber der Anteil der Langzeit-Ausbildungen, die zu einer beruflichen Spezialisierung und einem Ausbau der Kompetenz führen, ist im Wachsen begriffen.

In Finnland gibt es keine spezifische Open University, sondern eben entsprechende Einrich-tungen der Universitäten und Hochschulen.

j) (Pilot-)Fachhochschulen (30)

Hier handelt es sich um Versuchsschulen, die von Lehranstalten des Fachschulniveaus und der höheren beruflichen Bildung geschaffen worden sind. Ihre Aufgabe besteht im Fachhoch-schulunterricht. (= Polytechnics)

k) Sommeruniversitäten (20)

Sie gehören, ungeachtet ihres Namens, nicht zum Bereich der Hochschulen, sondern bilden eine eigene Organisation bzw. Institution. Sie werden üblicherweise von privaten, regionalen Organisationen getragen. Der Unterricht findet, wie es im Namen der Institution zum Aus-druck kommt, vorwiegend in den Sommermonaten statt – aber nicht nur, sondern auch das ganze Jahr über. Diese ganzjährigen Sommeruniversitäten, Heinonen führt 21 an, stellen eine finnische Besonderheit dar. Nach einer 2005 erschienenen Publikation zählen die Sommer-universitäten neuerdings zu den Einrichtungen mit einer gesetzlich geregelten Tätigkeit. (Vgl. Olovzon u.a., 2005, S. 24)

Die Sommeruniversitäten erteilen offenen Hochschulunterricht und berufliche Weiterbildung, sie veranstalten Sprachkurse sowie verschiedene allgemeinbildende Schulungs- und Kultur-veranstaltungen. Einige Sommeruniversitäten bieten auch „Universitäten des dritten Alters“ an, die keine Abschlüsse vergeben. Die „Universitäten des dritten (Lebens)alters“ sind beson-dere Einrichtungen der „Altenbildung“, vielfach auf akademischen Niveau und in vielen eu-ropäischen Ländern seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts tätig. (In Österreich gibt es diese Einrichtung nicht, sehr wohl aber eher unverbindliche „Seniorenakademien“, die in der Regel nicht auf akademischem Niveau Programme, vielfach nur Vorträge, anbieten.) Die 20 finnischen Sommeruniversitäten sind an rund 50 Orten tätig. (= Summer Universities)

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2) Bildungseinrichtungen mit staatlicher Unterstützung, deren Tätigkeit aber nicht gesetzlich geregelt ist

Beratende Einrichtungen (60)

Bei ihnen handelt es sich um von unabhängigen Bürgervereinen gegründete Organisationen. Sie führen Erwachsenenbildung durch, erteilen aber in der Hauptsache persönliche und für Unternehmen bestimmte Beratungstätigkeit auf verschiedenen Gebieten. Es gibt beratende Einrichtungen in der Land- und Forstwirtschaft, im Handwerk und Kunstgewerbe sowie in der Haus- und Anstaltswirtschaft.

3) Bildungsvereine ohne staatliche Unterstützung

Für den weitaus größten Teil der finnischen Erwachsenenbildung wird öffentliche Unterstüt-zung geleistet, so dass es nur einige wenige im Landesmaßstab bedeutende Bildungseinrich-tungen gibt, die keine staatliche Unterstützung erhalten und deren Tätigkeit staatlich nicht geregelt wird. Ihre Aktivität richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, die für die Ver-einstätigkeit gelten.

Die Finnische Erwachsenenbildungsgesellschaft (FAEA)

In Finnland haben – wie in den meisten europäischen Ländern – zahlreiche dezentral organi-sierte und strukturierte Erwachsenenbildungs-Institutionen Dachverbände. Ähnlich wie die KEBÖ in Österreich gibt es auch in Finnland einen Dachverband von Dachverbänden, die Finnische Erwachsenenbildungs-Gesellschaft (FAEA) (Finnish Adult Education Associati-on).

Die FAEA wurde 1969 als Dachorganisation für die liberale Erwachsenenbildung gegrün-det. Ihre Mitglieder sind unter anderen der Volkshochschulverband, der Verband der Finni-schen Heimvolkshochschulen, eine schwedisch-sprachige Organisation sowie 11 Organisatio-nen, die auf dem Gebiet der liberalen Erwachsenenbildung mit Studienzirkeln arbeiten.

Zu den Verbänden und verbandsähnlichen Einrichtungen zählt unter anderem (vgl. Filzmoser 2008):

• Die Ländliche Erwachsenenbildungsorganisation – MSL. Sie wurde Mitte der fünfziger Jahre von der Zentrumspartei gegründet, dient mit ihren Einrichtungen der Fortbildung der ländlichen Bevölkerung und ist nicht mehr parteipolitisch zuzuordnen. Ein Arbeits-schwerpunkt ist die Betreuung von Selbsthilfegruppen.

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Veränderungen in der Teilnahmestruktur der finnischen Erwachsenenbildung

Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde auch die finnische Erwachsenenbil-dung vom „Mega-Trend Bildung“ erfasst. Allein in den Jahren von 1972 bis 1990 hat sich die Zahl der Teilnehmer/innen in der Erwachsenenbildung mehr als verdoppelt.

Im Jahr 1972 nahmen über 700.000 Personen (= 20 Prozent) an Maßnahmen der Erwachse-nenbildung teil, 1980 waren es eine Million (= 26 Prozent) und 1990 1,6 Millionen Personen, das heißt 44 Prozent der Bevölkerung im Alter von 18 bis 83 Jahren. Seither gibt es einen weiteren Anstieg. 1995 hat rund die Hälfte der Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren in verschiedener Form an Erwachsenenbildung teilgenommen. Gegenwärtig wird von einer Teilnahmequote von 57 Prozent gesprochen, wobei die Weiterbildungsteilnahme in Finnland bei Frauen höher ist als bei Männern.

Heinonen führt eine Studie aus dem Jahr 2000 an, der zufolge rund 1,75 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren Angebote der finnischen Erwachsenenbildung wahrnehmen. Dies entspricht 54 Prozent der Bevölkerung in dieser Altersklasse. (Vgl. Heinonen, 2007, S. 50)

Mehr als drei Millionen Personen – das sind 85 Prozent der erwachsenen Bevölkerung – ha-ben bereits in irgendeiner Phase ihres Lebens an Maßnahmen der institutionalisierten Erwach-senenbildung teilgenommen.

Regional hat sich das Bildungsangebot stark erweitert. Besonders die das Land abdeckenden Organisationen der freien Bildungsarbeit garantieren allen Erwachsenen vielseitige Bil-dungsmöglichkeiten. Relativ gesehen ist die Beteiligung an der allgemeinbildenden Erwach-senenbildung auf dem Lande sogar stärker als in den Städten. Die berufliche Erwachsenenbil-dung ist dagegen weitgehend auf die größeren Städte konzentriert.

Die Weiterbildungsbeteiligung in Finnland gehört zu den höchsten in Europa, wenn sie nicht überhaupt die höchste ist. (Aussagen dieser Art sind allerdings immer mit Vorsicht zu ver-wenden.)

Die öffentliche Verwaltung der finnischen Erwachsenen-bildung

Wie in vielen Ländern ist auch in Finnland die Erwachsenenbildung in ihrer Gesamtheit nur vor dem Hintergrund der öffentlichen Strukturen und dem Verwaltungsaufbau zu verstehen. In den neunziger Jahren wurde die öffentliche Verwaltung in Finnland stark reformiert. Die Normsteuerung wurde abgebaut, die Zahl der Beschlussfassungsstufen verringert und die Ent-scheidungsgewalt mehr den unteren Ebenen der staatlichen Struktur übertragen.

Diese grundlegende Veränderung im Staatsaufbau hatte Auswirkungen auf die Verwaltung des Bildungswesens und damit auch auf die Erwachsenenbildung des Landes. Schematisch ergibt sich für die finnische Gesetzgebung und Verwaltung folgendes Bild:

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_________Parlament _________ _________

Staatsrat_________

___________________Unterrichtsministerium___________________

__________________________Zentralamt für Unterrichtswesen__________________________

___________________ Provinzialverwaltungen ___________________

__________ Kommunen __________

Das Parlament (Eduskunta) beschließt die Gesetze und beschließt nach Maßgabe des staatli-chen Budgets die Zuschüsse, die für die Erwachsenenbildung verwendet werden können. Die allgemeinen Grundsätze der von der Gesellschaft regulierten Erwachsenenbildung sind in Gesetzen niedergeschrieben.

Der Staatsrat, das heißt die Regierung, erlässt die Gesetze präzisierenden Verordnungen und fasst die daraus resultierenden weiterreichenden Beschlüsse. Auch die Grundsätze der Ent-wicklung des Bildungswesens werden vom Staatsrat beschlossen.

Das Unterrichts- oder Bildungsministerium repräsentiert die oberste Leitung des Bil-dungswesens. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen u. a. die Ausarbeitung der Gesetze und der die Ausbildung betreffenden allgemeinen Beschlüsse sowie die strategische Leitung des Bildungssystems. Außerdem beschließt das Ministerium über das Volumen, die Struktur und die regionale Verteilung der Ausbildung. Dem Ministerium untersteht der „Nationale Rat für Bildung“ (National Board of Education), der sich aus Vertreter/innen verschiedener Interes-sensgruppen zusammensetzt. Dem „Rat“ kommt bei der Umsetzung der Bildungsgesetze eine Schlüsselrolle zu. (Vgl. oben.)

Es gibt auch einen Erwachsenenbildungsrat (Adult Education Council) als Beratungsorgan.In Österreich gibt es einen Beirat dieser Art nicht, nachdem einer in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre für einige Jahre eingerichtet wurde, aber ersatzlos ausgelaufen ist.

Das Zentralamt für Unterrichtswesen ist eine dem Unterrichtsministerium unterstellte Fachbehörde, deren Aufgabe es ist, die Entwicklung und Effektivität in der Ausbildung zu fördern und deren Organisation zu überwachen. Außerdem steht das „Zentralamt“, das nicht für den Hochschulunterricht zuständig ist, dem Unterrichtsministerium bei der Ausarbeitung von bildungspolitischen Beschlüsse zur Seite. Dem „Zentralamt“ kommt eine Schlüssel-stellung für die Politik zum „Lebenslangen Lernen“ in Finnland zu.

Die Provinzialverwaltungen sind die regionalen Verwaltungsbehörden des Staates. Ihre all-gemeine Aufgabe besteht in der Förderung der Entwicklung in der jeweiligen Provinz. Dazu

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gehört auch die Planung der Ausbildung. In der Erwachsenenbildung beschließen die Provin-zialverwaltungen vor allem, wie die für die berufliche Erwachsenenbildung gedachten Zu-schüsse verteilt werden.

Die einzige gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe der Kommunen in der Erwachsenenbildung ist es, die Berufsausbildung auf Lehrvertragsbasis einzurichten. Der größte Teil der Aktivitä-ten der Kommunen auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung resultiert aus deren eigenen Ini-tiativen und ist daher als fakultativ und als freiwillige Aufgabe anzusehen.

Die Kommunen tragen den größten Teil der Abendgymnasien, der Volkshochschulen, der beruflichen Erwachsenenbildungszentren und der sonstigen beruflichen Lehranstalten. Über-dies unterstützen die Kommunen in bemerkenswertem Ausmaß die Sommeruniversitäten. Nach offiziellen Angaben aus dem Ministerium lässt sich jedoch feststellen, dass „das Inte-resse an der Erwachsenenbildung jedoch von Kommune zu Kommune schwankt“.

Vertreter/innen von Arbeitsmarktorganisationen (vergleichbar mit dem AMS in Österreich) arbeiten in Arbeitsgruppen und Komitees des Bildungsministeriums im Hinblick auf alle Fra-gen der beruflichen Qualifizierung und der entsprechenden Weiterbildungseinrichtungen mit. Das Arbeitsministerium ist jedoch zuständig für die speziell auf den Arbeitsmarkt zugeschnit-tenen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen.

Insgesamt ist Erwachsenenbildungspolitik in Finnland auf staatlicher Ebene weit ausgeprägter und vor allem kohärenter als in Österreich, aber auch als in Deutschland, der Schweiz und Ungarn – um Beispiele zu nennen.

Regulierung der Erwachsenenbildung

Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die gesetzlich geregelt werden, haben einen bestimm-ten Prozess durchzumachen:

1) Gründungserlaubnis

Der Staatsrat oder das Unterrichtsministerium erteilen die Erlaubnis zur Gründung von Lehr-anstalten oder zur Aufnahme derselben in die staatliche Finanzierung. Die Erlaubnis wird nur gewährt, wenn ein Bedarf für die Lehranstalt besteht. (Siehe oben)

2) Tätigkeitsformen

Für jeden Typ von Lehranstalten sind die hauptsächlichen Tätigkeitsformen und die sonstige Tätigkeiten definiert worden, für deren Ausbildung sie befugt sind.

3) Inhalte der Ausbildung

Ist eine Einrichtung der Erwachsenenbildung dazu berechtigt, eine zu einem Examen hinfüh-rende Ausbildung einzurichten, so wird eine Behörde bestimmt, die genauere Weisungen über die Inhalte und allgemeinen Züge dieser Ausbildung erteilt.

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4) Verwaltung und Qualifikationsanforderungen

Die allgemeinen Züge der Verwaltung eines Lehranstalttyps sowie die Qualifikationsanforde-rungen für Leiter/innen einer Anstalt und die fest angestellten Lehrkräfte werden festgelegt.

5) Finanzierung

Für jeden gesetzlich geregelten Typ von Weiterbildungseinrichtungen sind die Anteile des Staates an der Finanzierung der verschiedenen Tätigkeitsformen bestimmt worden. Außerdem dürfen alle Lehranstalten Ausbildungsleistungen an Unternehmen und Privatpersonen verkau-fen, wodurch eine private Mitfanzierung gewährleistet wird.

Die gesetzlich vorgeschriebene staatliche Subvention kommt für den größten Teil an der staatlichen Finanzierung auf. Die Behörden bestimmen im Allgemeinen im Voraus den Höchstumfang, in dem eine Lehranstalt die zu staatlicher Subvention berechtigende Tätigkeit ausüben darf, sowie den Einheitspreis pro Studierenden oder Unterrichtsstunde.

Die Höhe der staatlichen Subventionen bestimmt sich also entweder direkt aufgrund der be-hördlichen Beschlüsse oder danach, wie viele Studierende an der Ausbildung teilnehmen.

Für die Kosten der Aktivitäten, die von der gesetzlich vorgeschriebenen staatlichen Subventi-on nicht gedeckt werden, kommen hauptsächlich die Kommunen und die Studierenden selbst auf.

Die Lehranstalten können überdies für ihre Bauprojekte in einer gesetzlich festgelegten Weise staatliche Zuschüsse erhalten.

Die staatlichen Behörden nehmen auch Leistungen der Erwachsenenbildung in Anspruch. Die Arbeitsämter beziehen arbeitsmarktpolitische Erwachsenenbildung von verschiedenen Lehr-anstalten. Die Provinzialverwaltungen beziehen einen Teil der selbst gewählten beruflichen Grund- und Fortbildung sowie die vom Staat finanzierte berufliche Weiterbildung.

Die gesetzlich geregelten Lehranstalten können auf einer Ermessensgrundlage vom Staat auch „Beihilfen“ für den Ankauf teurer Geräte und für Projekte der Entwicklung von Ausbil-dungsmaßnahmen erhalten.

Regulierung der sonstigen Organisationen der Erwachse-nenbildung

Der Staat bewilligt auf Ermessensbasis in gewissem Maße Subventionen an gemeinnützige Erwachsenenbildungsorganisationen, die keiner gesetzlichen Regelung unterliegen. In erster Linie gilt das für

• Bildungsvereine• Beratungseinrichtungen für hauswirtschaftliche, handwerkliche und kunsthandwerkliche

Aktivitäten

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Außerdem bezieht der Staat in einem gewissen Maße auch arbeitsmarktpolitische Erwachse-nenbildung von kommerziellen Bildungseinrichtungen.

Aufwendungen für Erwachsenenbildung

Die drei Hauptbereiche der finnischen Erwachsenenbildungs-Finanzierung betreffen drei Sek-toren (siehe oben):

• die selbstinitiierte Erwachsenenbildung,• die arbeitsmarktorientierte Erwachsenenbildung,• die betriebliche Aus- und Weiterbildung.

Staat und Gemeinden finanzieren vor allem die beiden ersten Bereiche, während der dritte Bereich in der Verantwortung der Privatwirtschaft liegt.

Nach einer Aufstellung von Matti Ropponen (vgl. Ropponen, 2005)) werden für Erwachse-nenbildung in Finnland – ohne die Teilnehmer/innen-Beiträge – aufgewendet:

Tabelle 1: Finanzierung der finnischen Erwachsenenbildung

Finanzierungsquelle MittelVergleichszahlen für Öster-reich (Vgl. Der Standard vom 18./19. November 2006)

• vom Bildungsministerium• vom Arbeitsministerium• von Unternehmen

600 Mio. Euro200 Mio Euro650 Mio. Euro

170 Mio. Euro465 Mio. Euro891 Mio. Euro

Nach einer anderen Darstellung (vgl. Heinonen, 2007, S. 41-45) wurde die finnische Erwach-senenbildung in folgender Weise 2006 finanziert:

Finanzierungsquelle Mittel

• Mittel des Bildungsministeriums (primär für selbstinitiierte EB)• Arbeits(markt)verwaltung• Mittel aus der Sozial- und Gesundheitsverwaltung• Arbeitgeber• Aus- und Weiterbildung der öffentlich Bediensteten durch den Staat • Aus- und Weiterbildung der öffentlich Bediensteten durch Gemeinden

790 Mio. Euro215 Mio. Euro33 Mio. Euro

750 Mio. Euro80 Mio. Euro

125 Mio. Euro

„Ein nicht unwesentlicher Teil der Finanzierung erfolgt durch die Gemeinden. Sie sind ge-setzlich verpflichtet, den grundlegenden Unterricht, die allgemeinbildende Sekundarstufe II, die berufliche Erstausbildung und die Fachhochschulbildung mit zu finanzieren. Zusätzlich zu

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diesen nationalen öffentlichen Mitteln fließen Gelder des Europäischen Sozialfonds in die finnische Erwachsenenbildung.“ (Heinonen, 2007, S. 41)

In Österreich werden auch von den Ländern, den Kammern und anderen Ministerien Mittel für Erwachsenenbildung aufgebracht. Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Staat über das zuständige Ministerium für Erwachsenenbildung wesentlich mehr aufwendet als in Öster-reich, dass aber die ebenfalls über den Staat aufgewendeten Mittel für arbeitsmarktbezogene Ausbildungsmaßnahmen geringer sind als die Mittel, die in Österreich dem AMS für Weiter-bildung zur Verfügung stehen.

In Finnland ist die Basisbildung im Rahmen von Erwachsenenbildung weitgehend unentgelt-lich, für viele darüber hinaus gehende Programme in Fachhochschulen, Heimvolkshochschu-len, Studienzirkeln, Volkshochschulen, Sommeruniversitäten sind aber Teilnahmebeiträge zu bezahlen. Die Weiterbildung in Fachhochschulen und an Universitäten „kann sehr teuer sein“.

Entwicklungstendenzen der finnischen Erwachsenenbil-dung

Grundprinzip des finnischen Bildungssystems ist das Prinzip der kontinuierlichen Ausbil-dung. Vorrangige Ziele sind:

• die Anhebung des Bildungs- und Kompetenzniveaus,• die Reformierung der Ausbildungsinhalte,• die individuelle Unterrichtsgestaltung,• die Mehrung der Wahlfreiheit.

Bei der beruflichen Erwachsenenbildung wird das Prüfungssystem weiterentwickelt, wobei die Examen nicht davon abhängig gemacht werden, auf welche Weise der oder die zu Prüfen-de das Fachwissen erworben hat.

„Berufliche Qualifikationsprüfungen wurden speziell für die erwachsene Bevölkerung entwi-ckelt und umfassen drei verschiedene Stufen: berufsqualifizierende Erstabschlüsse, Berufsab-schlüsse und spezialberufliche Abschlüsse. Die berufsqualifizierenden Erstabschlüsse dienen zum Nachweis von im Beruf erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten, die Berufsabschlüs-se zum Nachweis fachspezifischer Qualifikationen und die spezialberuflichen Abschlüsse zum Nachweis der Befähigung, anspruchvollste Fachaufgaben durchzuführen.Die Qualifikationsprüfungen werden unabhängig von der Form der Wissensaneignung abge-legt. Die in der Ausbildung, im Erwerbsleben oder bei Hobbys erworbenen Kenntnisse kön-nen bei den, von Abschlüssen vorausgesetzten Qualifikationsprüfungen verwertet werden. Ein Großteil der Prüflinge nimmt an den Vorbereitungskursen der Qualifikationsprüfungen teil. Die praktischen Prüfungen werden von einem Prüfungsausschuss beaufsichtig, in dem Ar-beitgeber, Arbeitnehmer und Lehrer vertreten sind. Der als Qualifikationsprüfung absolvierte berufsqualifizierende Erstabschluss ist gleich wie der von Jugendlichen zu absolvierende be-rufsqualifizierende Erstabschluss der Sekundarstufe II.“ (Bildung und Wissenschaft in Finn-land, S. 37)

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Auch bei der Fremdsprachenschulung von Erwachsenen soll ein entsprechendes Prüfungssys-tem eingeführt werden, damit sich die Sprachkenntnisse der Erwachsenen im Zuge der Inter-nationalisierung verbessern.

Bei der Regulierung der selbst gewählten beruflichen Erwachsenenbildung ist ein Übergang zu verzeichnen von der Einsatz- zur Ergebnissteuerung. Die Normen, die die Inhalte des in den Bildungseinrichtungen zu erteilenden Unterrichts bestimmen, werden abgeschafft. An ihre Stelle treten Examensanforderungen, die sich nach dem jeweils angestrebten Fachkönnen bestimmen. Die Bildungseinrichtungen dürfen selbst bestimmen, welcher Unterricht von ih-nen zur Erreichung des Ziels erteilt wird.

Um die Teilnahme zu steigern, wird der „Mehrformen-Unterricht“ weiterentwickelt. Dies bedeutet, dass direkter Unterricht ebenso wie Fernunterricht sowie Formen des Selbststudi-ums, gestützt durch Anleitungen und Beratung, zu einer planmäßig aufgebauten Gesamtheit kombiniert werden. Beim Unterricht werden die modernen IK-Technologien genutzt. Die Akzeptanz und Verbindung aller Lernformen – des formalen, nicht-formalen, informellen Lernens – stellt einen zentralen Grundsatz der finnischen Weiterbildungs-Politik dar.

Wegen der wachsenden Zuwanderung ist die Ausbildung von sprachlichen und kulturellen Minoritäten zu entwickeln.

In Finnland ist seit rund zwei Jahrzehnten ein deutlicher Trend zur beruflichen Erwachse-nenbildung festzustellen. Trotzdem bleibt festzustellen, dass die nordeuropäischen Länder im Vergleich zu Zentraleuropa eine ausgebaute und traditionsreichere allgemeine Erwachsenen-bildung haben.

Von einer parlamentarischen Kommission zur Erwachsenenbildung wurden in den letzten Jahren vor allem zwei „Programmschienen“ in der Erwachsenenbildung besonders forciert.

a) Altenbildung

Die Regierung hat nach 2000 ein Programm initiiert, dessen Ziel darin besteht, die berufliche Qualifikation der Beschäftigten über 45 Jahre deutlich zu verbessern. Dies auch aus dem Grund, um einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entgegenzuwirken. (Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter liegt in Finnland bei 58 Jahren, der Pensionseintritt beginnt vielfach bereits mit 55 Jahren.)

b) Informations- und kommunikationstechnisch basiertes Lernen

Das Bildungsministerium verfolgt das Ziel, Finnland in absehbarer Zeit (ursprünglicher Plan bis 2004) zu einer besten Informations- und kommunikationstechnologisch basierten Gesell-schaften der Welt zu entwickeln.

In Finnland wird eine ein- bis zweiwöchige jährliche Weiterbildungs-Phase für alle ins Auge gefasst. Dazu soll auch die Bildungsberatung und das Ansprechen bildungsferner Schichten forciert werden. Wie in der Schule wird auch in der Erwachsenenbildung versucht, individuel-le Stütz- und Motivationsmaßnahmen zu forcieren.

Eine parlamentarische Kommission hat in Finnland Erwachsenenbildung zu einem der wich-tigsten Punkte der Regierungspolitik erklärt, wobei allerdings die berufliche Qualifizierung im

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Vordergrund steht. In Österreich, aber auch vielen anderen Ländern, gibt es bildungspolitisch nichts Vergleichbares.

In einer offiziösen Broschüre heißt es: „In den nächsten Jahren wird die freie Bildungsarbeit fördernde Bildung insbesondere auf informationstechnologische Studien für Bürger, Sprach-und Kulturbildung für Immigranten sowie eine aktive Bürgerschaft fördernde Studien ausge-richtet.“ (Bildung und Wissenschaft 2006, S. 38)

Mängel

Trotz der sehr ausgebauten Erwachsenenbildung, bestehen auch in Finnland Mängel, die offen zugegeben werden. Kritiker der finnischen Erwachsenbildung bemängeln vor allem zwei Punkte:

• die gesellschaftlich-politische Bildung ist deutlich rückläufig,• eine individuelle Ausbildungsförderung für den Besuch von Kursen, die kürzer als

acht Wochen sind, fehlt.

In der finnischen Bildungspolitik dominiert der Pragmatismus, der mit einer Entideologisie-rung der Bevölkerung einhergeht. Das schlägt sich auch auf die Erwachsenenbildung nieder. Demokratie und Bürgerengagement als Ziel von Erwachsenenbildungsmaßnahmen werden mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt.

Der Trend zur Deregulierung der Erwachsenenbildung wird deutlicher. Andererseits kommt es zu einer Förderung von Netzwerken durch die lokalen Verwaltungen, den Staat und die EU. Dies wird durch die neuen Technologien erleichtert, deren sich die Erwachsenenbildung in Finnland in hohem Maße bedient.

Faktoren, die Erwachsenenbildung in Finnland begünsti-gen

In der Country Note Finland der OECD werden Gründe aufgezählt, die zur spezifischen Ausprägung der finnischen Erwachsenenbildung geführt haben:

• das Klima – lange Winterabende begünstigen Lernen• Arbeitszeitvereinbarungen der Sozialpartner, die Lernbestrebungen begünstigen• die vorherrschende protestantische Ethik, die jedem Menschen nahe legt, seine Po-

tenziale zu realisieren• Unternehmen regen ihre Mitarbeiter/innen an, sich weiter zu qualifizieren (Proble-

me allerdings vor allem bei den Älteren)• es wird klar erkannt, dass der Arbeitsmarkt von Qualifikationssteigerungen stark

abhängt

Dazu kommen noch als weitere Gründe:

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1) Die hohe formale Ausbildung der finnischen Bevölkerung, insbesondere der Jüngeren. Formale Vorbildung wirkt sich am stärksten auf das Weiterbildungsverhalten aus.

2) In der homogenen finnischen Gesellschaft hat Lernen und Bildung insgesamt einen besonders hohen Stellenwert.

3) Ausgebaute individuelle Förderungsmaßnahmen der verschiedensten Art für erwach-sene Lernende.

4) Ein weit ausgeprägteres Leseverhalten der Bevölkerung als etwa in Österreich.

Die Finnen sehen Lernen traditionell als Mittel der Aufwärtsmobilität und der Verbesserung ihrer Verhältnisse an.

Bücher in der Finnischen Gesellschaft

Die Stellung des Buches als wesentliches Medium der Weiterbildung hat in Finnland einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland oder Österreich, wie dies aus wenigen Ver-gleichszahlen hervorgeht. (Vgl. Bibliotheksinitiative Österreich. Renner Institut. Wien 2006, S. 6)

Tabelle 2: Vergleichszahlen zu öffentlichen Bibliotheken:

Merkmal Finnland Deutschland Österreich

Medien-Ausleihen je Einwohner/in 20 7 2,2Bücherbestand pro Einwohner/in 7 1,5 1,2Bibliotheksbesuche je Einwohner/in 12 1 0,9

Stand März 2009