Expertenstandard „Entlassungsmanagement in der Pflege“...Warum Entlassungsmanagement:...
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Expertenstandard „Entlassungsmanagement in der Pflege“Fachtag Ambulantes Versorgungsmanagement nach Klinikentlassung | 07.11.2019 |Prof. Dr. Stefan Nöst
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) an der Hochschule Osnabrück
Was ist Entlassungsmanagement?
Entlassungsmanagement beschreibt generell den Vorgang der Überleitung von Patient*innen aus der stationären Versorgung in die ambulante Weiterversorgung.
• Entlassungsmanagement ist ein umfassender Prozess, der mehrere Handlungsschritte von der stationären Aufnahme des Patienten bis zu dessen Entlassung einschließt.
• Entlassungsmanagement fokussiert auf den Versorgungsbedarf beim Übergang vom Krankenhaus zu den nachsorgenden Leistungserbringern.
• Entlassungsmanagement dient der Unterstützung der Patient*innen beim Wechsel der Versorgungsumgebung.
Quelle: AQUA. Konzeptskizze)
Hinweis: national und international gibt es keine allgemeingültige Definition, obwohl sich in der Literatur Ausführungen finden, welche Aspekte für die Definition des Entlassungsmanagements wichtig sind
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Warum Entlassungsmanagement: Wiederaufnahmen
07.11.2019
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Anzahl der Wiederaufnahmen bis zu 30 Tage nach Entlassung – pro Tag (2011)
Insgesamt 14% (N=10.401.752) der Krankenhausfälle innerhalb von 30 Tagen(Quelle: AQUA-Institut. Konzeptskizze, Datengrundlage anonymisierte Routinedaten kooperierender Krankenkassen: )
Warum Entlassungsmanagement: Informationsdefizite
4Quelle: Noest et al. (2014) Involving patients in detecting quality gaps in a fragmented healthcare system: development of a questionnaire for Patients ExperiencesAcross Health Care Sectors (PEACS). Int J Qual Health Care 26(3): 240
32,4%
37,5%
23,1%
35,8%
20,7%
29,3%
25,9%
25,4%
24,7%
0% 25% 50% 75% 100%
Qualitätsziel Qualitätsdefizit
Schriftliche Medikamenteninformation
Weiterer Krankheitsverlauf
Klärung wichtiger Fragen
Folgende Behandlungsschritte
Eigener Beitrag zur Gesundung
Ansprechperson und Kontaktdaten
Warnsymptome
(Nicht-) Erlaubtes Verhalten
Erklärung Medikamentenwirkung
Entlassungsmanagement – kurzer historischer Abriss
• 2002 Expertenstandard DNQP (2002/2009)
• Versorgungsmanagement (§ 11 Abs. 4 SGB V) (2006)
• SVR: Case-Management und Schnittstellenproblematik (2007/2012)
• Einbeziehen der Pflegeberatung (§ 7a SGB XI)
• 2013 G-BA prioritäres Problemfeld
• GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG): (§39 Abs. 1 SGB V)
2012 Entlassungsmanagement als Teil der Krankenhausbehandlung
2015 Umfassende Reformierung des Entlassungsmanagements (z.B. Verordnungen; Rahmenvertrag beauftragt)
• 2017 Rahmenvertrag zur Konkretisierung der Anforderungen (z.B. Assessment und Entlassungsplanung)
• 2018 G-BA beauftragt IQTIQ mit datengestützem QS-Verfahren
• 2019 2. Aktualisierung des DNQP Expertenstandard „Entlassungsmanagement“
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Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege(DNQP)
Hintergrund des DNQP
• Initiative der WHO Europa zur Qualität in der Pflege
• 1992: Gründung von EuroQuan (Europäisches Netzwerk zu Qalitätsentwicklung
in der Pflege) durch das Oxford Institute of Nursing (RCN)
• 1992: Gründung des DNQP durch Doris Schiemann an der Hochschule
Osnabrück
• 1999: Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zur Entwicklung von
Leitlinien und Standards zu zehn prioritären Themenbereichen
• Finanzierung der Entwicklung von sieben Expertenstandards durch das
Bundesministerium für Gesundheit
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Was ist das DNQP?
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GeschäftsstelleWissenschaftliches TeamWissenschaftliche Leitung
Experten-AGs zur Entwicklung von Expertenstandards
DNQP-Lenkungsausschuss
Referenz-Institutionen für die nachhaltige Anwendung von
Expertenstandards
Partner-Institutionen zur modellhaften Implementierung
Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat (DPR)
Die Berufsgruppe der Pflegenden in Deutschland
Aufgabenschwerpunkte des DNQP
• Entwicklung, Konsentierung, Implementierung und Aktualisierung evidenzbasierter Expertenstandards
• Forschung zu Methoden und Instrumenten zur Qualitätsentwicklung und –messung
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Entwicklung von DNQP-Expertenstandards
Was ist ein Expertenstandard
Ein Expertenstandard
… ist ein professionell abgestimmtes Leistungsniveau, das dem Bedarf und den Bedürfnissen der damit angesprochenen Bevölkerung angepasst ist und Kriterien zur Erfolgskontrolle mit einschließt
… ermöglicht professionelles, berufliches Handeln
… zeigt den spezifischen Beitrag einer Berufsgruppe für die pflegerische und gesundheitliche Versorgung zu zentralen Qualitätsfragen auf
… ist Grundlage für eine kontinuierliche Verbesserung der Versorgungsqualität in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen (internes QM)
… ist ein evidenzbasiertes, monodisziplinäres Instrumente
… bezieht sich auf komplexe und interaktionsreiche Pflegehandlungen
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Expertenstandards von 1999-2019
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Expertenstandard Ent. 1. Akt. 2. Akt.Dekubitusprophylaxe 2000 2010 2017
Entlassungsmanagement 2003 2009 2019
Schmerzmanagement bei akuten Schmerzen 2004 2011 läuft
Sturzprophylaxe 2005 2012
Förderung der Harnkontinenz 2006 2014
Pflege von Menschen mit chronischen Wunden 2008 2015
Ernährungsmanagement 2009 2016
Schmerzmanagement bei chronischen Schmerzen 2014 läuft
Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz 2018
Erhaltung und Förderung der Mundgesundheit läuft
Erhaltung und Förderung der Mobilität (nach § 113a SGB XI) 2014 läuftExpertinnenstandard für Hebammen: Förderung der physiologischenGeburt 2014
Entwicklung, Einführung und Aktualisierung eines Expertenstandard
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.) (2019). Methodisches Vorgehen zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung von Expertenstandards in der Pflege und zur Entwicklung von Indikatoren zur Pflegequalität auf Basis von Expertenstandards. Version Juni 2019. (https://www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/Homepages/DNQP/Dateien/Weitere/DNQP-Methodenpapier2019.pdf)
Aufbau eines Expertenstandards
• Standardkriterien differenziert in Struktur-, Prozess- und Ergebniskriterien
• Orientierung am Pflegeprozess
Zielsetzung und Begründung
Strukturkriterien(Ressourcen)
Prozesskriterien (was getan werden muss)
Ergebniskriterien (was erreicht werden soll)
S1 Einschätzung/Assessment P1 E1
S2 Planung von Maßnahmen P2 E2
S3 Durchführung von Maßnahmen
P3 E3
S4 Anleitung/Information/Beratung
von Patienten/Bewohnern
P4 E4
S5 Evaluation P5 E5
Pflegeprozess
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Der aktualisierte DNQP-Expertenstandard
„Entlassungsmanagement in der Pflege“
Aktualisierung• DNQP startete Aktualisierung 2016 (Turnus 7 Jahre)
• Berufung der wissenschaftlichen Leitung: Prof. Bärbel Dangel, Akkon Hochschule Berlin
• Presseaufruf zur Bewerbung der Expertinnenarbeitsgruppe (34 Bewerbungen)
• Auswahl und Berufung der Arbeitsgruppe
• 13 Expertinnen (8 Pflegepraxis, 4 Pflegwissenschaft), ein Patientenvertreter, eine externe fachliche Beraterin des IQTIG
• Literaturstudie 2009 bis 2017 (Grundlage der Arbeit der Expertenarbeitsgruppe)
• Diskussion der Anpassungen des Expertenstandards und der Kommentierungen in 2 Sitzungen (Oktober 2017, März 2018)
• Prüfung und Neuformulierung des Standards und der Kommentierungen in Unterarbeitsgruppen (im Anschluss an die Sitzungen)
• Einbeziehung der Fachöffentlichkeit: Konsultationsphase Ende 2018, 2 Monate
• Veröffentlichung Juni 2019
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Entlassungsmanagement im Expertenstandard
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P1a Kriteriengeleitete Einschätzung poststationärer Versorgungsbedarf; erste 24h, Risikoidentifikation)
P1b Differenzierte Einschätzung bei identifiziertem Risiko, Identifizierung des Versorgungsbedarfs („erhöht“ vs. „erwartbar“)
P2 Entlassungsplanung Individuell, im multiprofessionellen Team
P3a Information, Beratung und Schulung Kompetenz, Bewältigung der Anforderungen, Selbstmanagement
P4a/b Terminierung und Abstimmung Termin, Abstimmung intern und extern, Angebot der Pflegeübergabe
P5 Überprüfung der Entlassungsplanung regelmäßig, spätestens 24h vor Entlassung
P6 Follow-Up Kontaktaufnahme Patient*in, Angehörige oder Versorgungseinrichtung, 48-72h nach Entlassung
Wesentliche ÄnderungenTrotz kritischer Rückmeldungen aus der Praxis zu schwer umsetzbaren Kriterien wurde das Niveau nicht gesenkt (z.B. Absprachen mit nachsorgenden Einrichtungen, Evaluation und Follow-Up)• Auseinandersetzung mit §39 Abs 1a SGB V in der Präambel• Betonung einer erweiterten Zielsetzung in der Begründung, dass auch
„Übergänge in das und innerhalb des Krankenhauses besonderer Beachtung bedürfen“
• Verzicht auf die Begriffe „Instrument“ und „Assessment“ hinsichtlich der initialen und differenzierten Einschätzung
• Stärkere Betonung (1.) angemessener Rahmenbedingungen S3b und der (2.) Evaluation von Beratung und Schulung E3b
• „Pflegerische Übergabe“ als Standardkriterium P4b aufgenommen• Berücksichtigung der kriteriengeleiteten Einschätzung der
Entlassungsbereitschaft und -fähigkeit von Patient*innen (E5b) (Wandel Sicherstellung zur Unterstützung)
• Systematische Erhebung und Aufbereitung der Ergebnisse der Evaluation des Entlassungsmanagements (S6b, E6b) 19
„Readiness for Discharge-Scale“
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Dimension Inhaltliche Aspekte der FragenPersonenbezogene Aspekte seitensPatient*in
• Körperliche Bereitschaft/Fähigkeiten• Kraft/Energie• Aktueller Zustand am Erhebungstag
evaluieren
Wissen der Patientin • Wissen über Probleme, die zu achten sind• Wissen über Einschränkungen (was ist
erlaubt zu tun, was nicht)
Bewältigung • Umgang mit den Anforderungen des Lebens zuhause
• Fähigkeiten zur Selbstpflege (z.B. Waschen, Gehen, Toilettengänge)
Erwartete Unterstützung zuhause • Mögliche Unterstützung bei der Selbstpflege• Mögliche Unterstützung bei der
medizinischen Behandlung (z.B. Medikamente)
Quelle: Weiss, M. E. et al. (2014). Validation of patient and nurse short forms of the Readiness for Hospital Discharge Scale and their relationship to return to the hospital. Health Services Research, 49(1), 304-317.
Fazit
• Die Änderungen in der 2. aktualisierten Fassung des Expertenstandard sind moderat, verglichen mit der 1. aktualisierten Fassung
• Eine wesentlichste inhaltliche Veränderung ist die Aufnahme der (regelmäßigen) Evaluation der Entlassungsbereitschaft und -fähigkeit
• Trotz einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit den Problemen der sektorenübergreifenden Versorgung und dem Entlassungsmanagement und trotz den gesetzgeberischen Aktivitäten sowie dem Abschluss der Rahmenvereinbarung, bedarf es weiterhin der Weiterentwicklung des Entlassungsmanagements.
• Auseinandersetzung mit neuen Versorgungsmodellen unter Berücksichtigung von Advanced Care Nursing Konzepten und Case Management (z.B. community-based health care oder public health nursing) sind für eine zukünftige Primärversorgung zur Bedarfsdeckung zu empfehlen.
• Die Kommune ist dabei ein wichtiger institutioneller Akteur21