Extra Volksstimme Nr. 89 Dienstag, 13. August 2013 … · Stadiondach be˚ nden. Die Führung...

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6 | Extra Volksstimme Nr. 89 | Dienstag, 13. August 2013 Dort, wo schon Messi und Ronaldo sassen Basel | «Volksstimme-Augenschein» (VI*): Die verborgenen Ecken und Winkel des St.-Jakob-Parks Imposant steht er in der Brüglinger Ebene zwischen Muttenz und Basel: der St.-Jakob-Park. Bestens bekannt und trotzdem mit Räumen, die nicht jeder zu sehen bekommt. Für die Teilnehmer des «Volksstimme- Augenscheins» machten die Betreiber eine Ausnahme. Fabio Halbeisen Mit 10 000 Franken müsse man als Firma pro Sitz im Jahr rechnen. Bei 16 Sitzen eine hübsche Summe. Da- für habe man den besten Service und die besten Plätze im ganzen Stadion. Keine Stadionwurst mit Bier, sondern ein à-la-carte-Menü mit Champagner. Die Rede ist von den VIP-Logen im St.-Jakob-Park zu Basel, die norma- lerweise nur den sich einmietenden Firmen und ihren Kunden offen ste- hen. Nicht so aber am vergangenen Freitag, als sich rund 45 Leser der «Volksstimme» im Rahmen des dies- jährigen «Augenscheins» aufmachten, den St.-Jakob-Park zu entdecken. Und sie erhielten während der Führung durch Franz Baur, Sportre- porter von Radio SRF, etliche weitere Einblicke in Ecken und Winkel, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Unter anderem eben in die VIP-Logen, die sich hoch oben direkt unter dem Stadiondach befinden. Die Führung begann jedoch weiter unten – im Media Center neben dem Eingang im Sektor A. Dort also, wo vor und nach den Spielen Medienkonferenzen und Interviews über die Bühne gehen. «Der Medienraum wird entspre- chend oft gebraucht», erklärte Baur. So habe knapp zwei Stunden vor der «Augenschein»-Führung eine Medi- enkonferenz mit Marco Streller und Murat Yakin stattgefunden, an der es hauptsächlich um das Spiel vom Sonntag gegen den FC Zürich ging. Bau trotz Nein an der Urne Vorher warf Franz Baur jedoch einen Blick zurück und erklärte den An- wesenden, wie es überhaupt zum Stadionbau des modernen «Joggeli» kam. Die Geschichte reicht bis ins Jahr 1937 zurück, als die Arbeiten am damaligen Stadion begannen. Als die Fifa 1948 die Weltmeisterschaft von 1954 in die Schweiz vergab, kam erneut Bewegung in die Sache. Basel galt damals noch als zweitgrösste Stadt des Landes – hatte aber ein zu kleines Stadion. Gegen einen Kredit- entscheid für einen Neubau wurde prompt das Referendum ergriffen und im November 1952 der Stadion- bau an der Urne knapp abgelehnt. Gebaut wurde das Stadion trotzdem, denn eine Gruppe Privater gründete die «Genossenschaft Fussballstadion St. Jakob» und baute das Stadion auf privater Basis. So wurde Basel doch noch Austragungsort der WM. Mitte der 90er-Jahre wurde schliesslich entschieden, ein komplett neues Sta- dion zu bauen, welches 2001 eröffnet und für die Europameisterschaft 2008 ausgebaut wurde (siehe Kasten). So viel zur Geschichte, welche die einen oder anderen «Augenschein»- Teilnehmer wohl teilweise noch selbst miterlebt haben. Nach dem Blick zurück gewährte Franz Baur einen solchen in den Bauch des ak- tuellen Stadions. Durch den Eingang für die Mannschaftsbusse ging es in die Katakomben des «Joggeli» – an einen Ort, an dem schon Mannschaf- ten wie Manchester United, Bayern München oder Juventus Turin zu Gast waren. Baur führte die Teilneh- mer in die Garderobe der Gastmann- schaft, setzte sie wie eine solche auf die Bänke und sprach zu ihnen wie ein Trainer vor dem Spiel. Tatsäch- lich kam ein wenig das Gefühl auf, der Schiedsrichter würde in wenigen Augenblicken an die Türe klopfen und das Team bitten, sich für das Ein- laufen aufzustellen. Vor allem auch im Wissen, dass man auf jenen Plät- zen sass, auf denen schon Spieler wie Wayne Rooney, Frank Ribery oder Andrea Pirlo sassen. Penibler Zeitplan der Uefa Allesamt nahmen sie im Rahmen eines Länderspiels oder einer Partie in der Champions League in der Garderobe Platz. «Solche Spiele sind von der Uefa bis ins kleinste Detail geplant», erklärte Baur. «Es gibt sogar einen Zeitplan bis und mit Anpfiff.» Vor einem Spiel in der euro- päischen Königsklasse – die Spiele beginnen jeweils um 20:45 Uhr – sieht der Fussballverband beispiels- weise vor, dass die Mannschaften um 20.40 Uhr einlaufen, dass sie sich um 20.42:40 für die «shake hands» und um 20.43:20 für die Teamfotos auf- stellen. «Der Wiederanpfiff nach der Halbzeitpause ist sogar nach dem Fernsehen gerichtet», erklärte Baur. So genau nahm es der Sportre- porter indes nicht, als er die Gruppe aus der Garderobe und vor die Senf- tube – den Eingang ins weite Rund des Stadions – bat. Erneut stellte er sie wie eine Mannschaft vor dem Spiel auf und liess sie schliesslich ins «Joggeli» einlaufen. Was für ein Ge- fühl – Gänsehaut, obwohl das Stadion leer und die Senftube nicht ausge- fahren war. Man stelle sich nur vor, man laufe vor über 30 000 begeister- ten Zuschauern ein. *Bisher erschienen: «Am Fusse des Salzmassivs» (9 . Juli), «Wo Wasserhahnen und Pumpen zur Welt kommen» (12. Juli), «Im ‹Pentagon› des Baselbiets» (16. Juli), «Mehr als ein Loch im Berg» (19. Juli). Weitere Bilder unter www.volksstimme.ch/galerie Treppen rauf und runter für die «Augenschein»-Teilnehmer. Stadionführer Franz Baur zeigt den Zeitplan der Uefa. Edel: Blick von der VIP-Loge auf den Rasen. Platz nehmen, wo sonst die Stars sitzen: die Spielerbank des FC Basel. Bilder Julia von Siebenthal Das weite Rund des Stadions: für einmal menschenleer. St.-Jakob-Park fh. Der St.-Jakob-Park, im Volksmund «Joggeli» genannt, ist das grösste Fuss- ballstadion der Schweiz. Das Stadion verfügt über eine Kapazität für 38 512 Zuschauer. Es wurde im Jahr 2001 er- öffnet und hat seither stetig an Popu- larität gewonnen. Für die Europameis- terschaft 2008 in Österreich und der Schweiz wurde es ausgebaut, die Tribüne am Bahndamm von zwei auf drei Etagen aufgestockt. Die dritte Etage, der Sektor G, ist mit dem Stadion von Valencia die steilste in Europa. Der St.-Jakob- Park war der Hauptaustragungsort der EM, in ihm wurden das Eröffnungs- und zwei weitere Gruppenspiele, zwei Viertelfinals und ein Halbfinal aus- getragen. Neben dem eigentlichen Fussballstadion verfügt der St.-Jakob- Park über ein Einkaufscenter, eine Se- niorenresidenz und ein vereinseigenes Museum.

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6 | Extra Volksstimme Nr. 89 | Dienstag, 13. August 2013

Dort, wo schon Messi und Ronaldo sassenBasel | «Volksstimme-Augenschein» (VI*): Die verborgenen Ecken und Winkel des St.-Jakob-Parks

Imposant steht er in der Brüglinger Ebene zwischen Muttenz und Basel: der St.-Jakob-Park. Bestens bekannt und trotzdem mit Räumen, die nicht jeder zu sehen bekommt. Für die Teilnehmer des «Volksstimme-Augenscheins» machten die Betreiber eine Ausnahme.

Fabio Halbeisen

Mit 10 000 Franken müsse man als Firma pro Sitz im Jahr rechnen. Bei 16 Sitzen eine hübsche Summe. Da-für habe man den besten Service und die besten Plätze im ganzen Stadion. Keine Stadionwurst mit Bier, sondern ein à-la-carte-Menü mit Champagner. Die Rede ist von den VIP-Logen im St.-Jakob-Park zu Basel, die norma-lerweise nur den sich einmietenden Firmen und ihren Kunden offen ste-hen. Nicht so aber am vergangenen Freitag, als sich rund 45 Leser der «Volksstimme» im Rahmen des dies-jährigen «Augenscheins» aufmachten, den St.-Jakob-Park zu entdecken.

Und sie erhielten während der Führung durch Franz Baur, Sportre-porter von Radio SRF, etliche weitere Einblicke in Ecken und Winkel, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Unter anderem eben in die VIP-Logen, die sich hoch oben direkt unter dem Stadiondach be� nden. Die Führung

begann jedoch weiter unten – im Media Center neben dem Eingang im Sektor A. Dort also, wo vor und nach den Spielen Medienkonferenzen und Interviews über die Bühne gehen. «Der Medienraum wird entspre-chend oft gebraucht», erklärte Baur. So habe knapp zwei Stunden vor der «Augenschein»-Führung eine Medi-enkonferenz mit Marco Streller und

Murat Yakin stattgefunden, an der es hauptsächlich um das Spiel vom Sonntag gegen den FC Zürich ging.

Bau trotz Nein an der UrneVorher warf Franz Baur jedoch einen Blick zurück und erklärte den An-wesenden, wie es überhaupt zum Stadionbau des modernen «Joggeli» kam. Die Geschichte reicht bis ins Jahr 1937 zurück, als die Arbeiten am damaligen Stadion begannen. Als die Fifa 1948 die Weltmeisterschaft von 1954 in die Schweiz vergab, kam erneut Bewegung in die Sache. Basel galt damals noch als zweitgrösste Stadt des Landes – hatte aber ein zu

kleines Stadion. Gegen einen Kredit-entscheid für einen Neubau wurde prompt das Referendum ergriffen und im November 1952 der Stadion-bau an der Urne knapp abgelehnt. Gebaut wurde das Stadion trotzdem, denn eine Gruppe Privater gründete die «Genossenschaft Fussballstadion St. Jakob» und baute das Stadion auf privater Basis. So wurde Basel doch noch Austragungsort der WM. Mitte der 90er-Jahre wurde schliesslich entschieden, ein komplett neues Sta-dion zu bauen, welches 2001 eröffnet und für die Europameisterschaft 2008 ausgebaut wurde (siehe Kasten).

So viel zur Geschichte, welche die einen oder anderen «Augenschein»-Teilnehmer wohl teilweise noch selbst miterlebt haben. Nach dem Blick zurück gewährte Franz Baur einen solchen in den Bauch des ak-tuellen Stadions. Durch den Eingang für die Mannschaftsbusse ging es in die Katakomben des «Joggeli» – an einen Ort, an dem schon Mannschaf-ten wie Manchester United, Bayern München oder Juventus Turin zu Gast waren. Baur führte die Teilneh-mer in die Garderobe der Gastmann-schaft, setzte sie wie eine solche auf die Bänke und sprach zu ihnen wie ein Trainer vor dem Spiel. Tatsäch-lich kam ein wenig das Gefühl auf, der Schiedsrichter würde in wenigen Augenblicken an die Türe klopfen

und das Team bitten, sich für das Ein-laufen aufzustellen. Vor allem auch im Wissen, dass man auf jenen Plät-zen sass, auf denen schon Spieler wie Wayne Rooney, Frank Ribery oder Andrea Pirlo sassen.

Penibler Zeitplan der UefaAllesamt nahmen sie im Rahmen eines Länderspiels oder einer Partie in der Champions League in der Garderobe Platz. «Solche Spiele sind von der Uefa bis ins kleinste Detail geplant», erklärte Baur. «Es gibt sogar einen Zeitplan bis und mit Anp� ff.» Vor einem Spiel in der euro-päischen Königsklasse – die Spiele beginnen jeweils um 20:45 Uhr – sieht der Fussballverband beispiels-weise vor, dass die Mannschaften um 20.40 Uhr einlaufen, dass sie sich um 20.42:40 für die «shake hands» und um 20.43:20 für die Teamfotos auf-stellen. «Der Wiederanp� ff nach der Halbzeitpause ist sogar nach dem Fernsehen gerichtet», erklärte Baur.

So genau nahm es der Sportre-porter indes nicht, als er die Gruppe aus der Garderobe und vor die Senf-tube – den Eingang ins weite Rund des Stadions – bat. Erneut stellte er sie wie eine Mannschaft vor dem Spiel auf und liess sie schliesslich ins «Joggeli» einlaufen. Was für ein Ge-fühl – Gänsehaut, obwohl das Stadion leer und die Senftube nicht ausge-

fahren war. Man stelle sich nur vor, man laufe vor über 30 000 begeister-ten Zuschauern ein.

* Bisher erschienen: «Am Fusse des Salzmassivs» (9 . Juli), «Wo Wasserhahnen und Pumpen zur Welt kommen» (12. Juli), «Im ‹Pentagon› des Baselbiets» (16. Juli), «Mehr als ein Loch im Berg» (19. Juli). Weitere Bilder unterwww.volksstimme.ch/galerie

Treppen rauf und runter für die «Augenschein»-Teilnehmer. Stadionführer Franz Baur zeigt den Zeitplan der Uefa.Edel: Blick von der VIP-Loge auf den Rasen.

Platz nehmen, wo sonst die Stars sitzen: die Spielerbank des FC Basel. Bilder Julia von Siebenthal Das weite Rund des Stadions: für einmal menschenleer.

St.-Jakob-Parkfh. Der St.-Jakob-Park, im Volksmund «Joggeli» genannt, ist das grösste Fuss-ballstadion der Schweiz. Das Stadion verfügt über eine Kapazität für 38 512 Zuschauer. Es wurde im Jahr 2001 er-öffnet und hat seither stetig an Popu-larität gewonnen. Für die Europameis-terschaft 2008 in Österreich und der Schweiz wurde es ausgebaut, die Tribüne am Bahndamm von zwei auf drei Etagen aufgestockt. Die dritte Etage, der Sektor G, ist mit dem Stadion von Valencia die steilste in Europa. Der St.-Jakob-Park war der Hauptaustragungsort der EM, in ihm wurden das Eröffnungs- und zwei weitere Gruppenspiele, zwei Viertelfi nals und ein Halbfi nal aus-getragen. Neben dem eigentlichen Fussballstadion verfügt der St.-Jakob-Park über ein Einkaufscenter, eine Se-niorenresidenz und ein vereinseigenes Museum.