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54 BILANZ 04/2012 Unternehmen KMU Das Erfinder- Prinzip Der Name, Bernina 830, verströmt Schweizer Biederkeit, doch der weiss lackierte Apparat hat es in sich. Touch- screen, Computersimulator, ausgeklü- gelte Software und eine Nähnadel, die 20-mal pro Sekunde zusticht. Wer sich das Flaggschiff unter den Bernina-Näh- computern leistet, könnte sich auch einen Kleinwagen kaufen. Die Bernina 830 kostet 10 930 Franken – doch sie strotzt vor innovativer Technologie. Ihre Entwicklung dauerte fünf Jahre, brachte 15 Patente hervor und ver- schlang 50 Millionen Franken. Ob sich das je rechnet, ist offen. «Wir wollten mit diesem Modell un- sere Technologieführerschaft sichern», sagt Michael König, «die kurzfristige Rendite stand nicht im Vordergrund.» Für eine Firma wie Bernina, die rund 170 Millionen Franken Umsatz erwirtschaf- tet, müssen Investitionen dieser Grösse weit in die Zukunft reichen. Michael König ist Innovationsmana- ger, eine für Bernina zentrale Funktion: Nur Erfindergeist sichert das Überleben. Die Firma beschäftigt in Steckborn 270 Personen; sie ist der einzige Familienbe- trieb unter den Mitbewerbern und das letzte Unternehmen, das Haushaltsnäh- maschinen ausserhalb Asiens herstellt. «Wir sind ein Premium-Brand und müs- sen uns durch Vorsprung abheben.» Was für Bernina gilt, zählt auch für andere KMU im Land. Nur wer ständig vibriert, überlebt. Es sind fünf Prinzi- pien, die eine Firma innovativ halten. Prinzip 1: Ideen abholen, wo sie vorhan- den sind – auch bei den Kunden. Bernina macht es vor: Man setzt auf Kun- den, Partner und Mitarbeiter ausserhalb der Entwicklungsabteilung. Sie werden auf der Firmenwebsite nach Features gefragt, «die bei künftigen Bernina-Pro- dukten nicht fehlen dürfen». Aus einem so eingereichten Vorschlag ist die Inno- vation entstanden, für welche die Ma- schine Bernina 2009 den Swiss Techno- logy Award erhielt: eine Zusatzfunktion, dank der die Nähmaschine zum präzisen Schneidewerkzeug wird. Unter der Bezeichnung «Open Innova- tion» wird dieser Ansatz von Experten immer stärker propagiert. Begründung: Nur dank einer «Demokratisierung der Innovationsprozesse» sei es möglich, bei Neuentwicklungen das nötige Tempo vorzulegen und Innovationen dank aus- gewiesener Nachfrage auch rentabilisie- ren zu können – ein Ansatz, der stark von der Uni St. Gallen propagiert wird. Der Erfindergeist wird in der kleinen Schweiz gross geschrieben. Das 100-Mil- lionen-Innovationsprogramm, das der Bundesrat letzten Herbst als Gegenmass- nahme zum starken Franken beschloss, erwies sich als Renner. Die für den Ein- satz der Gelder verantwortliche Kommis- sion für Technologie und Innovation (KTI) wurde von Projektideen über- schwemmt und hätte ein Mehrfaches der bewilligten Mittel vergeben können. Um die Forschungsinitiative in Schwung zu bringen, versandte die Empa über 8000 Broschüren an potenzielle Partnerfir- men. «Wir waren nicht sicher, wie das Programm angenommen würde», erklärt Gabriele Dobenecker, Leiterin der Abtei- lung Marketing und Technologietransfer. «Die Resonanz war enorm.» Auch Johannes Suter ist von der Inno- vationsfähigkeit der hiesigen Klein- und Mittelfirmen überzeugt. «Ich habe keine Angst, dass die Schweiz ins Mittelmass absinkt», sagt der Chef der SVC AG für KMU Risikokapital. Die von der Credit Suisse mit dem Swiss Venture Club 2010 gegründete Gesellschaft will bis Ende 2013 rund 100 Millionen Franken in KMU investieren. Bis heute haben 25 junge Fir- men rund 40 Millionen erhalten. Für die verbleibende Investitionssumme sieht Suter keinen Mangel an Kandidaten. «Einen bedeutenden Teil der Anfragen erhalten wir von Firmen aus dem Umfeld von Hochschulen. Diese fokussieren stark auf Innovationen und bieten Produkte oder Dienstleistungen an, die über Allein- stellungsmerkmale verfügen und einen relevanten Kundennutzen generieren.» Ratings und Vergleichsstudien geben Suter recht. Im Global Competitiveness Index 2000/11 des World Economic Forum belegt die Schweiz in der Sparte Innovation den zweiten Rang hinter den USA. Im «Global Benchmark Report 2011» führt sie die Rangliste in der Kate- gorie Wissen und Kompetenz gar an und wird zum europäischen Innovations- meister gekürt. Grund: die starke Stel- lung im Forschungsbereich und die vie- Die Schweizer KMU leben von ihrer Kraft der Erneuerung. Fünf Prinzipien, die verhindern, dass der Innovationsgeist einschläft. KASPAR MEULI TEXT / MARC WETLI FOTOS

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54 BILANZ 04/2012

Unternehmen KMU

Das Erfinder-Prinzip

Der Name, Bernina 830, verströmtSchweizer Biederkeit, doch der weisslackierte Apparat hat es in sich. Touch-screen, Computersimulator, ausgeklü-gelte Software und eine Nähnadel, die20-mal pro Sekunde zusticht. Wer sichdas Flaggschiff unter den Bernina-Näh-computern leistet, könnte sich aucheinen Kleinwagen kaufen. Die Bernina830 kostet 10 930 Franken – doch siestrotzt vor innovativer Technologie.Ihre Entwicklung dauerte fünf Jahre,brachte 15 Patente hervor und ver-schlang 50 Millionen Franken. Ob sichdas je rechnet, ist offen.

«Wir wollten mit diesem Modell un-sere Technologieführerschaft sichern»,sagt Michael König, «die kurzfristigeRendite stand nicht im Vordergrund.»Für eine Firma wie Bernina, die rund 170Millionen Franken Umsatz erwirtschaf-tet, müssen Investitionen dieser Grösseweit in die Zukunft reichen.

Michael König ist Innovationsmana-ger, eine für Bernina zentrale Funktion:Nur Erfindergeist sichert das Überleben.Die Firma beschäftigt in Steckborn 270Personen; sie ist der einzige Familienbe-trieb unter den Mitbewerbern und dasletzte Unternehmen, das Haushaltsnäh-maschinen ausserhalb Asiens herstellt.«Wir sind ein Premium-Brand und müs-sen uns durch Vorsprung abheben.»

Was für Bernina gilt, zählt auch fürandere KMU im Land. Nur wer ständigvibriert, überlebt. Es sind fünf Prinzi-pien, die eine Firma innovativ halten.

Prinzip 1: Ideen abholen, wo sie vorhan-den sind – auch bei den Kunden.Bernina macht es vor: Man setzt auf Kun-den, Partner und Mitarbeiter ausserhalbder Entwicklungsabteilung. Sie werdenauf der Firmenwebsite nach Featuresgefragt, «die bei künftigen Bernina-Pro-dukten nicht fehlen dürfen». Aus einemso eingereichten Vorschlag ist die Inno-vation entstanden, für welche die Ma-schine Bernina 2009 den Swiss Techno-logy Award erhielt: eine Zusatzfunktion,dank der die Nähmaschine zum präzisenSchneidewerkzeug wird.

Unter der Bezeichnung «Open Innova-tion» wird dieser Ansatz von Expertenimmer stärker propagiert. Begründung:Nur dank einer «Demokratisierung derInnovationsprozesse» sei es möglich, beiNeuentwicklungen das nötige Tempovorzulegen und Innovationen dank aus-gewiesener Nachfrage auch rentabilisie-ren zu können – ein Ansatz, der stark vonder Uni St. Gallen propagiert wird.

Der Erfindergeist wird in der kleinenSchweiz gross geschrieben. Das 100-Mil-lionen-Innovationsprogramm, das derBundesrat letzten Herbst als Gegenmass-nahme zum starken Franken beschloss,erwies sich als Renner. Die für den Ein-satz der Gelder verantwortliche Kommis-sion für Technologie und Innovation(KTI) wurde von Projektideen über-schwemmt und hätte ein Mehrfaches derbewilligten Mittel vergeben können. Umdie Forschungsinitiative in Schwung zubringen, versandte die Empa über 8000

Broschüren an potenzielle Partnerfir-men. «Wir waren nicht sicher, wie dasProgramm angenommen würde», erklärtGabriele Dobenecker, Leiterin der Abtei-lung Marketing und Technologietransfer.«Die Resonanz war enorm.»

Auch Johannes Suter ist von der Inno-vationsfähigkeit der hiesigen Klein- undMittelfirmen überzeugt. «Ich habe keineAngst, dass die Schweiz ins Mittelmassabsinkt», sagt der Chef der SVC AG fürKMU Risikokapital. Die von der CreditSuisse mit dem Swiss Venture Club 2010gegründete Gesellschaft will bis Ende2013 rund 100 Millionen Franken in KMUinvestieren. Bis heute haben 25 junge Fir-men rund 40 Millionen erhalten. Für dieverbleibende Investitionssumme siehtSuter keinen Mangel an Kandidaten.«Einen bedeutenden Teil der Anfragenerhalten wir von Firmen aus dem Umfeldvon Hochschulen. Diese fokussieren starkauf Innovationen und bieten Produkteoder Dienstleistungen an, die über Allein-stellungsmerkmale verfügen und einenrelevanten Kundennutzen generieren.»

Ratings und Vergleichsstudien gebenSuter recht. Im Global CompetitivenessIndex 2000/11 des World EconomicForum belegt die Schweiz in der SparteInnovation den zweiten Rang hinter denUSA. Im «Global Benchmark Report2011» führt sie die Rangliste in der Kate-gorie Wissen und Kompetenz gar an undwird zum europäischen Innovations-meister gekürt. Grund: die starke Stel-lung im Forschungsbereich und die vie-

Die Schweizer KMU leben von ihrer Kraftder Erneuerung. Fünf Prinzipien, die verhindern,dass der Innovationsgeist einschläft.KASPAR MEULI TEXT / MARC WETLI FOTOS

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len geschützten Patente. Kommt hinzu,dass sich die meisten Schweizer Firmendes hohen Stellenwerts von Innovationendurchaus bewusst sind. Gemäss einerStudie der CS von 2011 geben 94 Prozentder befragten KMU Innovation als «es-senziell für das Fortbestehen des Unter-nehmens» an.

Die 300 000 KMU, also Firmen mit we-niger als 250 Mitarbeitenden, sind die be-deutendsten Arbeitgeber des Landes. Siestellen fast zwei Drittel aller Arbeits-plätze in der Schweiz. Doch Innovations-motoren sind die wenigsten. Die KTIetwa geht davon aus, dass nur rund10 000 KMU für eine Forschungspartner-schaft in Frage kommen. Alle übrigenkönnen mit dem an ETH, Universitätenund Fachhochschulen erarbeiteten Wis-sen kaum etwas anfangen. Der Wissens-transfer zwischen Hochschulen undKMU hält sich also in Grenzen.

Marcel Aeschlimann mag deshalbnicht in die allgemeine Begeisterung ein-stimmen. Er ist Partner bei Creaholic,einer Bieler Firma, bei der 35 Spezialistenim Auftrag von Kunden an innovativenAntworten auf unterschiedlichste Frage-stellungen tüfteln. In den vergangenen25 Jahren hat Creaholic an über 650Projekten gearbeitet – von der Medizinal-technik bis zur Auto- und Verpackungs-industrie – und mehr als 150 Patentfami-lien generiert. Aeschlimanns Erkenntnis:«Firmen mit mehr als hundert Mitarbei-tenden haben Mühe, an der Spitze mitzu-halten. Je grösser sie werden, desto

Open Systems Die Firma vonMartin Bosshardt (oben) analysiertrund um die Uhr und weltweit Fehlerin IT-Sicherheitssystemen – zuweilenauch von Australien aus.

Joulia Christoph Rusch (mittleresBild, links) und Reto Schmid mit ihrerCleantech-Dusche, die so viel Energiespart, wie acht Quadratmeter Solar-zellen produzieren können.

Scobalit Richard Steger (unten)baut mit glasfaserverstärktem Kunst-stoff extrem belastbare Bodenplatten,die als Unterlage für schweres Gerätim unwegsamen Gelände dienen.

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Unternehmen KMU

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schwerer tun sie sich mit Innovatio-nen.» Viele Unternehmen seien derartdamit beschäftigt, den Wachstums-prozess zu managen, dass sie völlig ver-gessen, dass sie ihren Erfolg Innovatio-nen verdankten. Aufgerüttelt würden sieerst, wenn die Margen nicht mehrstimmten. Und dann kann es bereits zuspät sein. Aeschlimann warnt: «Wenn ichsehe, was in China, Indien und an deramerikanischen Westküste los ist, habenunsere KMU keinen Grund, sich aufihren Lorbeeren auszuruhen.» Trägheit,mangelnder Weitblick – für KMU, dienicht achtsam bleiben, wird die Luftrasch dünn.

Und doch gibt es immer wieder High-lights. Zum Beispiel die Zürcher FirmaOpen Systems, ein auf IT-Sicherheit spe-zialisiertes Unternehmen, das für seineKunden, darunter Schweizer Grosskon-zerne oder das Internationale Komiteevom Roten Kreuz, weltweit tätig ist. DasGeschäftsmodell: komplexe, auf demMarkt erhältliche Technologie zusam-men mit einem umfassenden Service-paket anbieten. Den Innovationsansatzder Firma beschreibt CEO Martin Boss-hardt so: «Wir reduzieren die Komplexitätund industrialisieren die Ingenieur-dienstleistung.» Will heissen: Die Open-Ingenieure analysieren Fehlermeldungenbei den über 2000 Sicherheitssystemen,die sie rund um den Globus überwachen,und entwickeln Lösungen, die künftig beiidentischen Pannen automatisiert zumEinsatz kommen. Ziel ist die laufende Ef-fizienzsteigerung. Und daran, so MartinBosshardt, arbeite die ganze Belegschaft.

Für ihren Rund-um-die-Uhr-Serviceetwa kam Open Systems auf eine verblüf-fende Lösung. Weil bei den 70 Computer-spezialisten in Zürich die Nachtschich-ten unbeliebt waren, baute man einenAbleger in Sydney auf. Nun verbringenViererteams aus der Schweiz jeweils einpaar Monate in Australien.

Prinzip 2: Innovation geht alle an. Esbraucht eine Innovationskultur.Das gilt auch für die Winterthurer FirmaScobalit mit ihren zwölf Mitarbeitern. Siestellt seit Jahrzehnten Produkte aus glas-faserverstärktem Kunststoff her, vorallem lichtdurchlässige Bauelemente.Doch im Baugewerbe, dem Hauptmarkt,sah Patron Richard Steger nur be-schränktes Wachstumspotenzial. Sobeschlossen er und seine Leute, ein

Walter Steinlin

«KMU arbeitennicht isoliert»Walter Steinlin, Präsident der Kommission fürTechnologie und Innovation (KTI), über Forschungs-partnerschaften und die Wichtigkeit von Netzwerken.

BILANZ: Das Echo auf die Son-deraktion der KTI war so gross,dass Sie mehr als die Hälfte dereingereichten Fördergesuchenicht einmal beurteilen konnten.Hat Sie der Ansturm überrascht?Walter Steinlin: Wir wurden tat-sächlich überrannt; das Potenzialfür Forschungspartnerschaftenscheint markant höher zu sein, alswir gedacht hatten. Bei der Pla-nung der Massnahmen machtenwir uns noch Sorgen, ob wir die100 Millionen intelligent unter-bringen würden.

Haben Sie tatsächlich Firmen zuForschungspartnerschaften ani-miert, die bis dahin nicht mitHochschulen zusammengearbei-tet haben?Offensichtlich ja. Wir kennen diegenauen Zahlen zwar noch nicht,aber in Gesprächen mit Unterneh-men und Forschungseinrichtun-gen habe ich eine Beobachtung ge-macht, die ich «Kollateralnutzen»nenne. Auch wenn ein Projektnicht bewilligt oder vielleichtnicht einmal geprüft wurde,waren die Partner zufrieden darü-ber, neue und vielversprechendeKontakte gemacht zu haben. Ichbekam oft zu hören: «Wir machennun auch ohne eure Unterstüt-zung etwas zusammen.» Dasheisst, es wurden auch ohne KTI-Gelder neue Zusammenarbeitenangebahnt.

War das Interesse der Firmen sogross, weil sie selbst praktischnichts an die Forschungsprojektebezahlen müssen?Nein, zu unserer Überraschungtragen die Firmen im Schnitt dieHälfte der Projektkosten, obwohlsie dies wegen der vorübergehendgelockerten Bestimmungen garnicht müssten. Eigentlich liegt esauf der Hand: Unternehmen,denen es ernst ist mit einerForschungspartnerschaft, müssensich engagieren. Das gibt uns einVertrauen, dass diese Projektezum Erfolg führen. Die Hochschu-len wiederum können im Rahmenvon Sondermassnahmen ihre vol-len Kosten verrechnen. Das machtdie Zusammenarbeit für sie sehrattraktiv, und entsprechend habensich die Forschungseinrichtungenum Partnerfirmen bemüht.

Was zeichnet innovationsfreudigeKMU aus?Alles steht und fällt mit der Fir-menleitung. Es braucht eine flexi-ble, innovative Person an derSpitze – meistens der Patron. DieProdukte dieser Firmen basierenauf wissenschaftlicher Erkenntnis.Wissen, das der Chef oder seineMitarbeiter aus dem Studium indie Firma gebracht haben. Es gibtim Geschäft dieser Unternehmenimmer eine Hightech-Kompo-nente. Weil Hightech-Produktemeistens Nischenprodukte sind,ist die Schweiz als Markt für sie zuklein. Sie müssen sich von Anfangan auf Exportmärkte ausrichten.Innovative KMU arbeiten nichtisoliert, sie sind vernetzt. Sie pfle-gen Kontakte – zu einem Cluster,einem Netzwerk für Wissens- undTechnologietransfer oder zueinem Industrieverband.

Walter Stein-lin, KTI-Präsident,Förderer voninnovativenFirmen.

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Nischenprodukt aus dem Scobalit-Sorti-ment weiterzuentwickeln: extrastarkeBodenbefestigungsplatten, die einst imAuftrag des Flughafens Zürich für Ret-tungseinsätze entwickelt wurden. Ste-gers Idee: Gewicht und Dimensionen derPlatten so zu reduzieren, dass sie sichüberall dorthin transportieren lassen, woschweres Gerät in unwegsamem Geländezum Einsatz kommt. Zum Beispiel beider Öl- und Gasförderung. Scobamat istkonkurrenzlos. «Die Platte ist gerade malvier Millimeter dick, es gibt nichts Ver-gleichbares auf dem Markt», freut sichSteger. Nun steht Scobalit vor dem Ab-schluss des ersten Grossauftrags. Kundeist ein kanadisches Ölunternehmen, demder tauende Permafrost auf seinen Bohr-feldern zu schaffen macht.

Prinzip 3: Innovation beschränkt sichnicht auf neue Produkte. Auch neue

Prozesse und Vertriebskanäle macheneine Firma fit für die Zukunft.An Cleverness mangelt es vielen Schwei-zer KMU nicht. Doch mit dem Geistes-blitz allein ist noch nichts erreicht – undnur wenig mehr mit einem Prototyp undeiner Handvoll Patenten. Innovationenbringen ein Unternehmen erst weiter,wenn sie in ein marktfähiges Produktumgemünzt werden. «Es braucht dieErkenntnis, dass man ohne Innovationdem Untergang geweiht ist», sagt RudolfHufenus. Der Physiker forscht an derEmpa im Bereich Hightech-Textilien undhat miterlebt, wie einst prosperierendeFirmen von der Bildfläche verschwan-den. Umgekehrt behaupten sich öffent-lich kaum bekannte KMU als Welt-marktleader. Sie bewegen sich, sobeobachtet Hufenus, meist in einerhoch spezialisierten Nische und be-schäftigen zum Teil nicht mehr als einDutzend Experten.

Die Innovationsprofis der Bieler Ide-enschmiede Creaholic sind überzeugt,dass sie zu diesen glücklichen Gewin-nern gehören werden und dass ihreneuste Entwicklung, eine Cleantech-Dusche namens Joulia, gute Chancen imMarkt hat. Für gewöhnlich treibt Creaho-lic – gegründet von Elmar Mock, einemder Swatch-Erfinder – Innovationen imAuftrag von Kunden voran. Hin und wie-der jedoch sind die Entwickler vom Po-

tenzial eines Produkts so überzeugt, dasssie es selbst auf den Markt bringen unddazu ein Spin-off gründen. «Wir standenvor der Wahl, die Industrie währenddreier Jahre von dieser einmaligenChance zu überzeugen», sagt ChristophRusch, technischer Kopf der Joulia SA,«oder sie selbst zu packen.»

Rusch und seine Kollegen, Industrie-designer, Materialwissenschaftler, Ma-schinenbauer und Mikrotechniker,gingen von einer scharfsinnigen Beob-achtung aus: Während Dächer, Fassadenund Fenster von Häusern immer bessergedämmt werden, bleibt ein grosses Leckbestehen – der Duschablauf, durch denjeden Tag Dutzende von Litern warmesWasser abfliessen. Joulia zeigt, wie sichdieses energetische Loch stopfen lässt: miteiner Duschwanne mit Wärmeaustau-scher. «Auf einem Quadratmeter Dusch-fläche», so Christoph Rusch, «können wirso viel Energie einsparen, wie von acht

Quadratmetern Solarzellen produziertwird – zu einem Bruchteil der Kosten.»

Prinzip 4: Innovation mit Marketing.Den genialen Erfinder im Kellerlabor gibtes nicht mehr – oder er schafft es kaummehr, seinen Wurf erfolgreich auf denMarkt zu bringen. Wichtig ist vor allem,dass nicht nur Ingenieure und TechnikerInnovation betreiben. Ein Entwicklungs-projekt muss von Anfang an auch im Mar-keting und im Vertrieb verankert sein.Sonst, und das erlebt zum Beispiel dieEmpa in Forschungsprojekten immerwieder, stirbt eine vielversprechende Ent-wicklung den Prototypentod. Zum um-satzträchtigen Produkt schafft sie es nie.

Ein Standortvorteil für die SchweizerKMU ist – auch wenn das zunächst para-dox erscheinen mag – der kleine Heim-markt. Daraus erwächst der wohl wich-tigste Erfolgsfaktor für innovative KMU.

Prinzip 5: Wer den hohen Kosten unddem starken Franken trotzen will, mussseine Nische finden – und besetzt halten.In der Schweiz müssen auch kleinste Fir-men den Weltmarkt anpeilen. «Das führtzu einer ausgesprochenen Innovations-kultur», weiss Daniel Isler, CEO der pri-vaten Exportförderungsagentur Fargate.Und meint: «Es ist wie an der Tour deFrance. Wer als Leader nicht mehr in diePedale tritt, fällt sofort zurück.»

Wer wie der NähmaschinenherstellerBernina seine Kunden als Ressourcenutzt, erschliesst sich übrigens nicht nureinen riesigen Innovationspool, er lerntauch viel Neues über bestehende Pro-dukte. So wünschen sich Kundinnenimmer wieder zusätzliche Funktionen,von denen sich herausstellt, dass sie beiden Bernina-Modellen längst vorhandensind. Auch diese Erkenntnisse versuchtman in Steckborn zu nutzen – für attrak-tivere Bedienungsanleitungen.

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In der Schweizmüssen auchkleinste Firmenden Weltmarktanpeilen.

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