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FBB-Maschke Interdisziplnärer Forschungsverbund Lärm und Gesundheit Stand der Lärmwirkungsforschung - nächtlicher Fluglärm PD Dr.-Ing. Christian Maschke

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FBB-Maschke Interdisziplnärer Forschungsverbund Lärm und Gesundheit

Stand der Lärmwirkungsforschung - nächtlicher Fluglärm

PD Dr.-Ing. Christian Maschke

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2FBB-Maschke IFV Lärm und Gesundheit

Vorbemerkung

Geräusche werden als Lärm bezeichnet, wenn sie z.B. belästigen, Tätigkeiten stören, zur Vermeidung von Handlungen beitragen oder die Gesundheit beeinträchtigen.

"Lärm ist unerwünschter Schall"

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3FBB-Maschke IFV Lärm und Gesundheit

Auditorisches System

1=Innenohr, 2=Hörkerne, 3=Oliven, 4=Vierhügelregion, 5=Kniekörper, 6=Hörrinde

Schlaf-WachRegulation

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4FBB-Maschke IFV Lärm und Gesundheit

?

Arbeitsgrundlage

Durch langanhaltende Lärmbelastungen können körperliche Reserven erschöpfen, die Regulationsfähigkeit der Organfunktionen wird gestört und damit in ihrer Effektivität bzw. Wirksamkeit eingeschränkt.

Das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung einer über Jahre einwirkenden Lärmbelästigung im Wohnumfeld kann nur in großen epidemiologischen Studien abgeschätzt werden.

(nach z.B. [McEwen 1998, Sapolsky 1997])

Wie kann (Flug)Lärm die Gesundheit beeinträchtigen ?

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Spandauer Gesundheits-Survey

Unter der Bezeichnung "Spandauer Gesundheits-Survey" (SGS) begann 1982 eine Untersuchungsreihe, die vom Robert Koch-Institut in enger Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Berlin-Spandau durchgeführt wurde.

Der Gesundheitszustand der teilnehmenden Probanden wurde periodisch im zeitlichen Abstand von zwei Jahren ärztlich überprüft.

Ermittelt wurde die Schallbelastung durch Straßenverkehr über die Datenbank der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, getrennt für den Tag und für die Nacht.

Ausgewertet wurde die Häufigkeit ärztlicher Behandlungen in Abhängigkeit von der Schallbelastung vor den Wohnungsfenstern bzw. von lärmbedingten Störungen in der Wohnung.

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Spandauer Gesundheits-Survey (SGS) 1718 Probanden (9. Surveydurchgang)

90,0

85,0

80,0

75,0

70,0

65,0

60,0

55,0

50,0

45,0

40,0

35,0

30,0

25,0

20,0

15,0

Alter in Jahren

Häuf

igke

it

500

400

300

200

100

0

Std.abw. = 11,40

Mittel = 59,6

N = 1718,00

Geschlecht

FrauenMänner

Proz

ent

60

50

40

30

20

10

0

59

41

Altersklassen Geschlecht

Männer Frauen 20 40 60 80 Jahre

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Spandauer Gesundheits-Survey Wohndauer

Einzug in die Wohnung

1998

1992

1986

1980

1974

1968

1962

1956

1950

1940

1932

1915

Ku

mu

lative

Pro

ze

nt

120

100

80

60

40

20

0

Einzugsjahr in die derzeitige Wohnung

85% der Teilnehmer lebten länger als 10 Jahre in ihrer Wohnung

50% lebten länger als 25 Jahre in ihrer Wohnung

Kum.[%]

10% lebten länger als 40 Jahre in ihrer Wohnung

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Schallpegel am Tage (Gesamtstichprobe)

Dauerschallpegel und Hypertonie*Straßenverkehr am Tag

1 1.511.121.2911.601.26 1.190

1

2

3

4

unter 55dB(A); N

=72

55-60dB(A); N=973

60-65dB(A); N=186

über 65dB(A); N

=120

unter 55dB(A); N

=72

55-60dB(A); N=973

60-65dB(A); N=186

über 65dB(A); N

=120

* ärztlich dianostiziert

Od

ds

Ra

tio (

95

% C

I)Periodenprävalenz Lebenszeitprävalenz

N=16 N= 241 N=40 N=33 N=21 N= 320 N=51 N=42

trend p=0,383 trend p=0,612

Erkrankungsrisiken für Erwachsene in Abhängigkeit vom Dauerschallpegel vor dem Wohnzimmer-fenster (N=17018). Adjustiert für “Alter", “Geschlecht ", “Alkoholkonsum", "Tabakkonsum" "Bewegung im Beruf", "sportliche Aktivität", "Body Mass Index", "sozio-ökonomischer Index", "Partnerverlust in der Ehe", "Hörfähigkeit", "Lärmempfindlichkeit“ und "Jahreszeit der Untersuchung"

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Schallpegel in der Nacht (Gesamtstichprobe)

Erkrankungsrisiken für Erwachsene in Abhängigkeit vom Dauerschallpegel vor dem Schlaf-zimmerfenster (N=17018). Adjustiert für “Alter", “Geschlecht ", “Alkoholkonsum", "Tabakkonsum" "Bewegung im Beruf", "sportliche Aktivität", "Body Mass Index", "sozio-ökonomischer Index", "Partnerverlust in der Ehe", "Hörfähigkeit", "Lärmempfindlichkeit“ und "Jahreszeit der Untersuchung"

Dauerschallpegel und Hypertonie* nächtlicher Straßenverkehr

1 1.791.7311.66 1.88

0

1

2

3

4

unter 50dB(A); N

=171

50-55dB(A); N=987

über 55dB(A); N

=175

unter 50dB(A); N

=171

50-55dB(A); N=987

über 55dB(A); N

=175

* ärztlich diagnostiziert

Od

ds

Ra

tio (

95

% C

I)Periodenprävalenz Lebenszeitprävalenz

N=30 N=252 N=48 N=40 N=334 N=60

trend p=0,026 trend p=0,027

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Schallpegel in der Nacht (geöffnetes Fenster)

Erkrankungsrisiken für Erwachsene in Abhängigkeit vom Dauerschallpegel vor dem gekippt geöffneten Schlafzimmerfenster (N = 267). Adjustiert für “Alter", “Geschlecht ", “Alkoholkonsum", "Tabakkonsum" "Bewegung im Beruf", "sportliche Aktivität", "Body Mass Index", "sozio-ökonomischer Index", "Partnerverlust in der Ehe", "Hörfähigkeit", "Lärmempfindlichkeit“ und "Jahreszeit der Untersuchung"

14,53 6,13

-1

1

3

5

7

9

unter 50dB(A); N=30 50-55dB(A); N=182 über 55dB(A); N=55

* diagnosed by physician

Od

ds

Ra

tio (

95

% C

I)Periodenprävalenz (geöffnete Fenster)

N=14 N=9

trend p=0,026

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Kritik am Spandauer Gesundheits-Survey

Der SGS ist eine Querschnittstudie und daher zum Nachweis eines kausalen Zusammenhangs nicht geeignet, da nicht belegt werden kann, dass die Lärmbelastung der Krankheit vorausgeht.

Die Erhebung der Verkehrsgeräuschbelastung war nicht zuverlässig (nicht angemessen).

Die untersuchten Personen sind nicht repräsentativ für die Deutsche Bevölkerung (Frankfurter Bevölkerung).

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Verbreitung der HypertonieDer SGS ist keine Zufallsstichprobe doch entspricht die Lebenszeit-prävalenz im SGS (25-69 Jahre) annähernd der Lebenszeitprävalenz in Deutschland.

Verbreitung der Hypertonie (Blutdruckwerte > 160/95 mmHg) 25-69 Jahre

30.4%

32.1%

25.0%

26.3%

33.0%

24.3%

33.0%

22.6%

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35%

MONICA-Studie

Deutschland (Ost)

Deutschland (West)

SpandauerGesundheits-

Survey

Relative Häufigkeit der Befragten

Männer Frauen

Die Ergebnisse sind durchaus auf die Bevölkerung übertragbar.

Die Gesundheit der Deutschen [RKI 1995]

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LERUM-Studie, Hypertonie-Risiko

Relatives Risiko für Hypertonie sowie die Einnahme von Hypertoniemedi-kamenten bei Männern mit einer Wohndauer von mindestens 10 Jahren. Bereinigt für "Alter", "Geschlecht", "Rauchen", "Body Mass Index“, “Familienstatus“, “Schulbildung“ und ”Lärm am Arbeitsplatz“ (nach [Öhrström et al. 2005])

MännerWohndauer > 10 Jahre (adjustiert)

1 5.302.701.60

14.001.10 1.700

1

2

3

4

5

6

* ärztliche Diagnose

Od

ds

Ra

tio (

95

% C

I)Hypertonie*

Einnahme von Hypertoniemedikamenten

LAeq,24h

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Zusammenfassung

Die epidemiologischen Studien belegen die gesundheitlichen Auswirkungen von erhöhtem nächtlichen Verkehrslärm in Wohngebieten.

Wird das Risiko der Bevölkerung (PAR) aus den Ergebnissen des SGS berechnet, so ist davon auszugehen, dass etwa 17% aller Hypertoniefälle vermieden werden können, wenn der nächtliche Dauerschallpegel 50 dB(A) nicht übersteigt.

Die untere Grenze der Schallpegelklasse 50-55 dB(A) außen markiert somit eine Schwelle, oberhalb derer ein lärmbedingt erhöhtes Erkrankungsrisko (Hypertonie) belegt ist.

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Schlussfolgerung

Verkehrslärm wird zu Recht als Umweltstressor bezeichnet.

Es ist aber nicht angebracht, Verkehrslärm nur als Stressor im engen physiologischen Sinne zu betrachten. Die lärmbedingte gesundheitliche Beeinträchtigung ist am Tage mit der Fähigkeit des Individuums verknüpft, die (Lärm-)Belastung zu bewältigen.

Bei einer Beurteilung von Umweltlärm in Wohngebieten hinsichtlich von Gesundheitsbeeinträchtigungen sind daher sowohl der gestörte Schlaf als auch eine unzureichende Bewältigung der Geräuschbelastung (z.B. Belästigung) zu berücksichtigen.