FESTIVAL SALĀM SYRIA · KInAn AzMEh KLARInETTE & KoMPoSITIon haben – als Vorschau auf das...

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FESTIVAL SYRIA SALĀM 16. – 18. MäRZ 2017 ELBPHILHARMONIE

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FESTIVAL

SYRIASALĀM

16. – 18. MäRz 2017ELbphILhARMonIE

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»Salām!« ist die Begrüßungsformel in der arabi-schen Sprache – und gleichzeitig das arabische Wort für Frieden. Das Festival »Salām Syria« soll nicht nur den Wunsch nach Frieden in diesem vom Krieg so geschundenen Land artikulieren, sondern auch ein herzliches Willkommen aussprechen, eine Einladung zum gegenseitigen Kennenlernen.

Bis zum Ausbruch des Krieges 2011 war Syrien eine faszinierende Musiklandschaft, ein Schmelz-tiegel arabischer, kurdischer, armenischer, assy-rischer und frühchristlicher Kultur. In Damaskus, das 2008 »Kulturhauptstadt der arabischen Welt« war, gab es ein umfangreiches kulturelles Ange-bot. Das Festival »Salām Syria« lässt diese Welt nun in Hamburg wiederauferstehen – in einem friedlichen Miteinander von syrischen und Ham-burger Musikern. Salām Syria!

WILLKoMMEn

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Do, 16. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

hAMbURG TRIFFT SYRIEnNDR BigbandSyrian Big BandWolf Kerschek Leitung

Do, 16. März 2017 | 22 Uhr | Elbphilharmonie Kleiner Saal

hoME WIThInKinan Azmeh KlarinetteKevork Mourad live-painting, electronics

Fr, 17. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

SYRIEn TRIFFT hAMbURGMitglieder des Syrian Expat Philharmonic OrchestraHamburger MusikerProjektchor Salām SyriaDirigent Michael Boder

Sa, 18. März 2017 | 18 Uhr | Elbphilharmonie Kleiner Saal

KLASSIK DER WELTThE VoICE oF AnCIEnT SYRIAIbrahim Keivo GesangMoslem Rahal neyFeras Charestan KanunFiras Hassan Darbuka, Riqq

Sa, 18. März 2017 | 19:30 Uhr | Elbphilharmonie Kaistudio 1

KREATIV CAMpAbschlussperformance des einwöchigen Mitmach-Projekts

Sa, 18. März 2017 | 21 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

SYRIEn UnD DIE WELTHEWARKinan Azmeh KlarinetteDima Orsho Gesang

GäSTEJivan Gasparyan DudukMichel Godard Tuba, SerpentJasser Haj Yousseff Viola d’amore, Violine

Sa, 18. März 2017 | 23 Uhr | Elbphilharmonie Foyer Kleiner Saal

pARTYmit DJ Ipek und syrischen Gastmusikern

FESTIVALPRoGRAMM

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Solhi al-Wadi

Hannibal Saad

Die oper und das »Higher Institute« in Damaskus

DIE MUSIK SYRIEnSWie es klingt, wenn sich Orient und Okzident begegnen

Die traditionelle syrische Musik ist maßgeblich eine traditionelle arabische Musik. Das heutige Syrien entstand – wie die meisten östlichen Mittelmeerstaaten – nach dem Untergang des osma-nischen Reiches im Ersten Weltkrieg zunächst als Mandatszone unter französischer Verwaltung und nach dem Zweiten Welt-krieg als unabhängiger Staat. Die Grenzen wurden dabei am Reißbrett gezogen. Kulturell aber blieb die Levante – Syrien, Jordanien, Libanon und Israel/Palästina – eine Einheit. Bis heute wird das Gebiet auf Arabisch »Bilad Asch-Scham« genannt, was in Syrien gleichzeitig die Stadt Damaskus meint.

Die traditionelle arabische Musik, die hier gespielt wird, basiert wie auch die persische, die türkische oder die Musik Zentralasiens auf tonalen Modi, die Maqam genannt werden und sich durch Tonleitern mit bestimmten, charakteristischen Intervallfolgen auszeichnen. Am ehesten vergleichbar sind sie mit dem, was wir im Westen Kirchentonarten nennen; nur sind sie sehr viel komplexer. Vom Strand des Mittelmeers bis nach nordwestchina bilden diese Modi die Grundlage der traditio-nellen Musik.

Die syrische Musik umfasst aber noch mehr als arabische Musik. Im nordosten des Landes, nahe dem Dreiländereck Syrien-Türkei-Irak liegt die Region Mesopotamien, im arabische Al Dschasira genannt. Diese Region ist seit Jahrtausenden ein ethnischer Schmelztiegel gewesen. Assyrische, frühchristliche, armenische und kurdische Kultur haben diesen Raum geprägt, die Kultur der Beduinen und die religiösen Lieder der Jesiden. All diese Kulturen prägen die Musik Syriens.

Ende des 20. Jahrhunderts kamen dann noch ganz andere Kulturen hinzu: alle denkbaren Formen der Popmusik und auch der Jazz, den maßgeblich Hannibal Saad ins Land brachte. Saad hatte zuvor in den USA gelebt und kehrte in seine Heimat mit der fixen Idee zurück, ein Jazzfestival und eine Bigband zu grün-den. Anfangs stieß er damit vor ort auf wenig Gegenliebe, aber tatsächlich realisierte er beides äußerst erfolgreich. Es entstan-den die Syrian Bigband und das Festival »Jazz lives in Syria«, das Tausende Zuschauer anlockte.

Auch die klassische westliche Musik spielte im 20. Jahrhundert eine zuneh-mend größere Rolle im syrischen Kulturleben. Hier ist Solhi al-Wadi eine her-ausragende Figur, der Komponist, der in Bagdad geboren wurde, aber die meiste Zeit seines Lebens in Syrien verbracht hat. Bis heute gibt es das Solhi-al-Wadi-Musikinstitut, eine Jugendmusikschule, und fast alle syrischen Musiker bezeich-nen ihn als wichtige Inspiration und Impulsgeber. Er ist in diesem Programm mit einer Komposition wie auch mit einem ihm zugedachten Werk gewürdigt.

Eine zentrale Rolle in der klassischen Musik spielt das »Higher Institute«, die Musikhochschule in Damaskus. Politisch gab es immer eine nähe zu Russland, und so ist es nicht verwunderlich, dass die russische Schule an diesem Institut durch viele Lehrer vertreten ist. »nje plocha« (»nicht schlecht«) war auch für den Klarinettisten, Komponisten und Festival-Protagonisten Kinan Azmeh ein wichtiger Satz in seiner musikalischen Ausbildung. Einige junge Komponisten sind aus Syrien in die Welt gezogen; hervorzuheben ist hier sicherlich Zaid Jabri, der bei Penderecki studierte und heute in der neue-Musik-Szene einen festen Platz innehat.

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US-Einreisestopp betrifft auch MusikerManchmal wirkt Weltpolitik un- mittelbarer, als man denkt. Ende Januar verkündete der neue US-Präsident Donald Trump einen Einreisestopp für Menschen aus sieben muslimischen Ländern, darunter auch Syrien. Als Resul- tat mussten mehrere syrische Musiker, die fest in den USA leben, ihre Teilnahme am Festival Salām Syria absagen – sie fürchten, bei der Rückreise nicht mehr ins Land gelassen zu werden. Die Gerichts-urteile, die seitdem ergangen sind, haben die Lage kaum beruhigt – niemand weiß, wie sich die Dinge entwickeln. Kinan Azmeh, der über eine Greencard verfügt, ist trotz- dem ins Flugzeug nach Hamburg gestiegen.

ob im Jazz oder in der komponierten Musik: Im Zusammenspiel von Musikern aus dem westlichen und dem östlichen Kulturkreis steht immer die Frage im Raum, wie die beiden Tonsysteme, also Maqam und das diatonisch-chromatische Musiksystem, zueinander finden. Es hat etliche Versuche gegeben, die Modi des Maqam mit unserem Dur/Moll-System der zwölf Halbtöne zusammenzubringen. Am einfachsten haben es die Interpreten der Alten Musik, weil sie sowieso nicht »wohltemperiert« spielen, sondern ein quasi mittelalterliches Stimmsystem nut-zen. Auch die Jazzer, weil sie es gewohnt sind, musikalisch spontan zu reagieren, und weil Experimentierfreude zu ihrer Grundausrüstung zählt.

Wichtig ist in jedem Fall die Grundhaltung, die Feinheiten der beiden Tonspra-chen nicht auf den kleinsten gemeinsamen nenner bringen zu wollen, sie nicht bloß miteinander zu mixen und in einer Wolke von Crossover oder Fusion ver-dampfen zu lassen. Es geht vielmehr um einen musikalischen Dialog, in dem sich die Reichtümer der verschiedenen Kulturen entfalten, einander beflügeln und im besten Falle etwas neues, nie Dagewesenes hervorbringen. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur musikalischen Avantgarde und gleichzeitig eine Metapher für eine fruchtbare und friedvolle gesellschaftliche Perspektive. In diesem Bewusstsein ist das gemeinsame Programm der Syrian und der nDR Bigband entstanden

und auch das orchesterkonzert mit Musikern aus Syrien und Hamburg – zwei Abende, an denen Hamburger Spitzenmusiker syrische Kollegen willkommen heißen. Den dritten Abend im Großen Saal der Elbphilharmonie gestaltet das grandiose Trio Hewar. Hewar bedeutet auf arabisch »Dialog«, und den führen die syrischen Musiker mit Weltklassemusikern aus aller Welt, etwa mit der armenischen Musiklegende Jivan Gasparyan oder mit dem grandiosen französischen Tubisten Michel Godard.

niemand ist so prädestiniert zur Galionsfigur des Festivals Salām Syria wie der Klarinettist Kinan Azmeh. Azmeh hat am Higher Institute in Damaskus und an der legendären Juilliard School in new York studiert. Über viele Jahre hat er abwech-selnd in beiden Städten gelebt. Zurzeit ist seine zweite Heimat new York der sicherere ort, allerdings wurde auch dieser von politischen Realitäten plötzlich eingeholt (siehe Spalte rechts). Kinan Azmeh ist in der klassischen Musik ebenso zuhause wie im Jazz und in der Musik, die wir gerne »world music« nennen – ein Begriff, der heute weniger Sinn macht denn je. Es gibt nur eine Welt, und alle Musik ist Weltmusik. Ihre grenzüberschrei-tende, völkerverbindende, von unterschiedlichen Sprachen und politischen Ambitionen unberührte Qualität ist so wichtig wie nie; sie ermöglicht einen wunderbaren, wortlosen, intensiven Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Gleichzeitig bietet sie jenen Syrern, die vor den Schrecken des Krieges fliehen mussten, eine klingende Heimat. Ein doppelter Anlass also, in den Ruf einzustimmen: Salām Syria!

MICHAEL DREYER

Michael Dreyer zeichnet als Kurator für das Programm des Festivals Salām Syria verantwortlich. Geboren 1970 in Göttingen, studierte er Konzertgitarre und gründete 2005 das Morgenland Festival osnabrück. Das Festival präsentiert die Musikkultur Westasiens von traditioneller Musik bis Avantgarde, Jazz und Rock und hat weltweite Resonanz erfahren, nicht zuletzt durch Kooperationen mit den opernhäusern in Damaskus, Kairo, Izmir und Berlin und Gastspiele in Iran, Syrien, Jordanien und der Türkei. Dreyer brachte 2013 das erste westliche Sinfonieorchester seit 1979 in den Iran, um dort Bachs Johannes-Passion aufzuführen. Gemeinsam mit dem argentinischen Gitarristen Hugo Gaido gründete er das Label Dreyer Gaido Musikproduktionen.

Kinan Azmeh

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KInAn AzMEh KLARInETTE & KoMPoSITIonhaben – als Vorschau auf das Festival Salām Syria, bei dem er als Residenzkünstler jeden Tag auf der Bühne steht. Außerdem hat er kürzlich eine Suite für orchester und einen improvisieren-den Solisten abgeschlossen; sie erklingt an diesem Freitag. Ein Liederzyklus ist entstanden auf Texte von syrischen Freunden, die eines verbindet: Sie leben im Exil. Wie er.

Azmeh ist zum Exilanten geworden, als er schon lange in new York lebte. Er hat an der dortigen Julliard School studiert; sein Lehrer war Charles neidich, der zu den wichtigsten Kla-rinettisten der Klassikszene zählt. Denn Azmeh ist zuallererst ein klassischer Musiker, der in Damaskus mit klassischer Musik aufgewachsen ist. »Die arabische Musik habe ich erst in new York für mich entdeckt, so ab dem Jahr 2000«, sagt er. Wobei das eine kleine Untertreibung ist. natürlich hat ihn die Musik sei-ner Heimat umgeben, haben ihn die Klänge von Damaskus und Syrien geprägt. Stimmen, Geräusche, Klänge eines Gemüse- und obstmarktes hinter seinem Elternhaus sind zum Beispiel in seine Komposition November 22nd eingeflossen. Wedding ist eine musikästhetische Auseinandersetzung mit Hochzeiten, wie sie in Syrien gefeiert werden: auf dem Marktplatz, mit den Ins-trumenten, die die Gäste mitbringen, mit den Tänzen, die dort getanzt werden. Das Trio Hewar, das Azmeh 2003 gemeinsam mit der Sängerin Dima orsho und dem oud-Spieler Issam Rafea gründete, war eine Konsequenz dieser Wiederentdeckung seiner musikalischen Heimat.

Heute bewegt sich Kinan durch ein breites Spektrum musi-kalischer Genres. neben dem Trio Hewar spielt die Morgenland All Star Band eine wichtige Rolle; ebenfalls zentral für ihn ist Yo-Yo Mas Silk Road Ensemble. In new York spielt Kinan Azmeh mit seiner CityBand eine Musik, die dort mit dem Begriff »Syrian Jazz« belegt worden ist. Er selbst beschreibt es lieber so: »Eine Kombination aus der Freiheit der Improvisation mit dem Groove des Jazz und der Sensibilität der klassischen Musik.« Denn Azmeh ist immer auch klassischer Klarinettist geblieben: Bei seinem Debüt in der Elbphilharmonie hat er zusammen mit Yo-Yo Ma und dem palästinensischen Pianisten Saleem Ashkar das Klarinettentrio von Johannes Brahms gespielt, ein paar Tage später war er bei einem Konzert in Beirut der Solist in Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert.

Will der syrische Klarinettist Kinan Azmeh seine Eltern besuchen, fährt er schon lange nicht mehr nach Hause, sondern nach Beirut. Bis vor ein paar Jahren hat er in Syrien noch Konzerte gegeben, doch mittlerweile ist das Land endgültig zu gefährlich geworden. Seit vier Jahren war er nicht mehr dort. Schmerzt ihn das? Sehr. Es hat ihn regelrecht blockiert. Doch seit einiger Zeit sitzt er wieder in seiner Wohnung in new York und komponiert. Zuletzt hat er The Fence, The Rooftop And The Distant Sea geschrieben, ein Werk für den Cellisten Yo-Yo Ma und sich selbst, das die beiden im Januar hier in der Elbphilharmonie uraufgeführt

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sammlung, beim Eröffnungskonzert des opernhauses in Damaskus und natür-lich in der Elbphilharmonie. Er hat als Solist mit Weltklasse-orchestern gespielt. Und nebenbei hat er auch noch die Zeit gefunden, an der City University of new York zu promovieren. Kürzlich hat ihn Daniel Barenboim für mehrere Konzerte in den neuen Pierre-Boulez-Saal in der Barenboim-Said-Akademie eingeladen. Dort spielt er u.a. mit dem legendären Jazz-Gitarristen John McLaughlin und mit Jörg Widmann, wie Azmeh selbst Klarinettist und Komponist in Personalunion. Kinan Azmeh hat stilistische Vielfalt zum Prinzip erhoben.

Bei aller Freude über das Erreichte spielt seine verlorene Heimat eine wich-tige Rolle in seinem Schaffen, formuliert er in seiner Musik auch eine Antwort auf das, was derzeit in Syrien geschieht. Er organisiert und spielt auf der ganzen Welt Benefiz-Konzerte für Flüchtlinge, und er reist mit ein paar Dutzend schlichter Blockflöten im Koffer nach Jordanien, um in Flüchtlingslagern Kinder in Work-shops aufzumuntern und für die Menschen dort zu spielen. Er weiß dabei um die Grenzen seines Tuns: »Ich habe dieses Stück Holz mit seinen Silberklappen, und damit kann ich niemanden satt machen und keine Gewehrkugel aufhalten. Aber ich kann mit meiner Musik Menschen zum nachdenken bewegen und sie für einen Moment glücklich machen.« RALF DöRInG

Doch die Improvisation war immer ein wichtiger Teil seines musikalischen Schaffens. Das Schlüsselerlebnis hatte Kinan Azmeh 1992 auf einem Kammer-musikkurs in new Hampshire; er war damals 16 Jahre alt. »Ein Hornist fragte mich, ob ich mit ihm ein kleines Konzert in der öffentlichen Bibliothek geben würde. Ich fragte, was wir spielen würden und er sagte: ›Irgendetwas. Du spielst einen Ton, ich spiele einen Ton.‹ Das war das erste Mal, dass ich improvisierte Musik gespielt habe.« Eine neue musikalische Welt tat sich auf.

Wenn er heute mit seiner Klarinette einen Raum erkundet, ist das ein berüh-rendes Erlebnis musikalischer Kontemplation. Denn seine Ideen verwirklicht er mit einem lyrischen Ton, dem man die klassische Basis anhört: Wie aus dem nichts entstehen Klänge und schweben in filigraner Schönheit im Raum. Doch er kann auch einer Band Paroli bieten. So spielt er mit der nDR Bigband, oder er lässt sich mit seinem Trio Hewar auf die Renaissance-Musik der Capella de la Torre ein – ein weiterer Beleg für seine stilistische Bandbreite.

neben dieser überwältigenden Musikalität ist Kinan Azmeh ein charmanter Gesprächspartner und aufmerksamer Beobachter der Welt, in der wir leben. Dass sich diese Welt – gerade für einen Syrer – derzeit oft von ihrer hässlichsten Seite zeigt, raubt ihm mitunter die Kraft. So hat es ihn sehr bedrückt, als er wäh-rend eines Gastspiels im Sommer 2013 im kurdischen Erbil von einem Giftgas-Einsatz im syrischen Bürgerkrieg erfuhr. In solchen Momenten verliert er den optimismus, der sonst von ihm ausgeht und auf seine Umgebung ausstrahlt. »Ich wusste damals nicht, wie ich abends im Konzert spielen soll«, erinnert er sich. Doch letztlich hat genau das ihm geholfen, Zorn und Traurigkeit zu verarbeiten: seine Klarinette, seine Musik – und die Möglichkeit, sich über die Improvisation auszudrücken.

Sein höchster Wert neben der musikalischen Qualität ist dabei seine Glaub-würdigkeit: Er spielt klassische Musik mit dem gleichen Ernst wie Jazz oder die Musik seiner Heimat. ohnehin vermeidet er, zwischen westlich und östlich, zwischen orient und okzident zu unterscheiden. Und er versucht die Grenze zwischen Improvisation und Komposition aufzuheben, wie in der erwähnten Suite for Orchestra and Improvising Soloist, die er am Freitag mit dem Syrian Expat Philharmonic orchestra spielt. Darin versucht Azmeh die Überzeugung zu verwirklichen, dass die beste komponierte Musik diejenige ist, die klingt, als entstünde sie spontan, während umgekehrt die beste Improvisation diejenige ist, die strukturiert und komponiert klingt.

Mit diesen Eigenschaften ist Kinan Azmeh in großen Konzerthäusern der Welt aufgetreten, in der Royal Albert Hall in London, der Carnegie Hall new York, der Bastille-oper in Paris, im Teatro Colón in Buenos Aires, vor der Un-Vollver-

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DIMA oRSho GESAnG

Die zweite prägende Figur des Festivals Salām Syria ist die Sän-gerin Dima orsho. Sie wurde 1975 in Damaskus geboren, stu-dierte dort Gesang und Klarinette und schloss als erste syrische Sängerin ihr Studium mit einem Master of Music am Boston Conservatory ab. Auftritte als Solistin führten sie in den nahen osten, nach Europa und in die USA. Mit dem Syrian national Symphony orchestra trat sie 2004 bei der Eröffnung des opern-hauses Damaskus auf.

Beim Festival Salām Syria ist sie vielfältig aktiv: Als Solistin mit der Syrian und nDR Bigband sowie mit dem Syrian Expat orchestra, außerdem als fester Bestandteil des Trios Hewar im Zusammenspiel mit Kinan Azmeh und Issam Rafea, mit denen sie übrigens bereits drei CDs veröffentlicht hat. Schon im Vorfeld hat sie in Workshops ihr musikalisches Wissen an die Mitglie-der des Projektchors Salām Syria weitergegeben. Auch beim Kreativ-Camp, das parallel zum Festival läuft und bei dem die Teilnehmer unterschiedliche Wege des künstlerische Ausdrucks erkunden, ist sie eingebunden.

Unabhängig davon wirkt Dima orsho als Sängerin und Kom-ponistin bei der Leish Troup for Movement Theatre und ist als Komponistin für Fernseh-, Kino- und Theaterproduktionen aktiv. Als Gast des Silk Road Ensembles erhielt sie für die Produktion Sing Me Home 2017 den Grammy in der Kategorie World Music. Sie lebt und arbeitet in Chicago.

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Donnerstag, 16. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

HAMBURG TRIFFT SYRIEn

nDR bIGbAnDSoLISTEn DER SYRIAn bIGbAnDDIMA oRSho GESAnG IbRAhIM KEIVo GESAnG ALI ASAAD GESAnG KInAn AzMEh KLARInETTE MoSLEM RAhAL nEY nIzAR RohAnA oUD FERAS ChARESTAn KAnUn nEzAR oMRAn TRoMPETE oDEIR AL-MAGUT PoSAUnE FIRAS hASSAn PERKUSSIon

LEITUnG & ARRAnGEMEnTS WoLF KERSChEK

SYRIAn SUITEAllala (Arabisch, traditionell) Trip to Gouta (Dima orsho) Hidwa (Text: traditionell / Musik: Dima orsho)Kavoke (Kurdisch, traditionell)Sabiha (aus der Region Mardin)Asiye (Armenisch, traditionell)Sherine (Ibrahim Keivo / Gani Mirzo)Al Ein Moulayetein (Arabisch, traditionell)

Das Konzert wird von nDR Kultur mitgeschnitten und zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt.

HewarLetters to a Homeland

Kinan Azmeh: clarinetDima Orsho: voiceIssam Rafea: oud

Gäste: Jivan Gasparyan, Rony Barrak u.a.

„Eine Liebeserklärung an die verwundete Heimat“titel, thesen, temperamente / ARD

SHERINEIbrahim Keivo & NDR Bigband 

featuring Kinan Azmeh, Moslem Rahal,

Rony BarrakArranged and conducted by

Wolf Kerschek

„Er ließ uns spüren, warum jeder einzelne von unsmit dem Musikmachen angefangen und schließlichdas gesamte Leben dieser Sache gewidmet hat.“

Wolf Kerschek

SHOUROUK NDR Bigband &

Osnabrücker Symphonieorchester

Musik vonDaniel Schnyder & Nader Mashayekhi Ltg: Wolf Kerschek & Hermann Bäumer

featuring Kinan Azmeh, Frederik Köster u.a.

„Ein kleines Wunder“ - Elske Brault / NDR

Dreyer Gaido Musikproduktionen

www.dreyer-gaido.de

Im Vertrieb von:

Projekt10:Layout 1 24.02.2017 13:09 Seite 1

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TrompeteThorsten Benkenstein Ingolf Burkhardt nic Boysen Stephan Meinberg

SaxofonFiete Felsch (Alt) Peter Bolte (Alt) Adrian Hanack (Tenor) Frank Delle (Tenor ) Edgar Herzog (Bariton)

PosauneDan Gottshall Klaus Heidenreich Stefan Lottermann

Bassposaune/TubaIngo Lahme

BassIngmar Heller

PianoVladyslav Sendecki

SchlagzeugBodek Janke

PercussionMarcio Doctor

DIE nDR bIGbAnD

Wer zu einem Konzert der nDR Bigband kommt, der erlebt musikalische Energie, große Spielfreude und solistische Glanz-leistungen. Die nDR Bigband lebt von starken Persönlichkei-ten. Jeder Musiker hat seinen individuellen Stil und eine eigene musikalische Sprache. Aber in einem sind sie sich einig: Was zählt, sind der Sound, der Groove, die Melodie – die Musik eben. Für die brennt die Band mit Haut und Haar, und das ist zu spü-ren, wann immer sie auf der Bühne steht. Die nDR Bigband pflegt das Erbe aus einem Jahrhundert Jazz-Geschichte, nimmt zeitgenössische Entwicklungen auf und setzt eigene Impulse. Dafür sucht sie den Austausch mit anderen Kunstformen, zum Beispiel aus den Bereichen Tanz, Theater und Film. Es gibt kaum eine Stilrichtung, kaum eine Crossover-Schnittstelle, die die Band nicht bereits ausprobiert und sich zu eigen gemacht hat – von den immer wieder speziell für die nDR Bigband kom-ponierten Programmen ganz abgesehen. Regelmäßig arbeitet die Band mit internationalen Gästen und bringt auch Weltstars in alle Ecken norddeutschlands.

Insgesamt 1.200 Konzerte, zahlreiche Einladungen zu Festi-vals ins In- und Ausland, drei Echo-Jazz-Auszeichnungen und über 60 Tonträger-Veröffentlichungen sprechen für sich. Bei rund 25 Programmen mit mehr als 60 Konzerten jährlich ist jeder Musiker gefordert, sich in kurzer Zeit wieder mit frischen ohren auf neue Herausforderungen einzustellen. Als öffentlich-rechtliches Ensemble versteht sich die nDR Bigband als Kul-turträger. Die breite Aufstellung der Band, die exzellente musi-kalische Qualität und die tiefe Verankerung auch im regionalen Musikleben sind nicht nur in norddeutschland einzigartig.

D0, 16.3. | nDR & SYRIAn BIGBAnD

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Die Syrian Bigband startete 2004 in Damaskus. Von Beginn an schuf sie ihr eige-nes Repertoire und arbeitete mit Solisten aus der traditionellen syrischen und arabischen Musik zusammen. Der Gründer der Bigband, Hannibal Saad, hatte einige Jahre in den USA gelebt und war nach Damaskus zurückgekehrt mit der wilden Entschlossenheit, eine Bigband und ein Jazzfestival zu gründen. Die Reak-tionen vor ort lagen irgendwo zwischen Unverständnis und leichtem Belächeln. Umso erstaunlicher, dass dieser Mann ein Festival auf die Beine stellte, das sowohl in Aleppo als auch in Damaskus stattfand, einige der großen namen des internationalen Jazz präsentierte (darunter den Saxofonisten Christoph Lauer der nDR Bigband) und mehrere Tausend Menschen in die Konzerte lockte.

Hannibal Saad lud viele der Musiker ein, Workshops für »seine« Syrian Big-band zu geben und so entstand innerhalb relativ kurzer Zeit ein eigenständiges Ensemble, das mit der europäisch-amerikanischen Bigband-Literatur vertraut war, aber durch die Zusammenarbeit mit lokalen Solisten aus der traditionellen Musik und das Einbeziehen des orientalischen Instrumentariums wie ney, oud oder Kanun, zu einem ganz eigenen Klang fand. Syrische und amerikanische

Komponisten schrieben für das Ensemble, bis es 2011 durch den Krieg ein jähes Ende fand.

Erste Kontakte zur nDR Bigband entstanden 2009 im Rahmen des Morgenland Festival osnabrück. Seitdem ist der Kontakt nie abgerissen. Eine Schlüsselfigur ist der Hamburger Komponist und Arrangeur Wolf Kerschek. Konfrontiert mit der Schwierigkeit, das orientalische Vokabular (Maqam), welches durch Vierteltöne gekennzeichnet ist, mit dem westlichen diatonischen Tonmaterial zusammen-zubringen, hat er einen Weg gefunden, in dem beide Seiten ihre Qualitäten auf höchstem niveau zeigen können und doch zueinander finden. Es geht hier nicht darum, den kleinsten gemeinsamen nenner zu finden, sondern darum, eine eigene, neue Sprache zu kreieren.

So begegnen sich auf der Bühne weniger zwei Bigbands, wie wir sie kennen, als vielmehr eine westliche Bigband und ein Solistenensemble, das zum erwei-terten Kreis der Syrian Bigband gezählt werden kann. Mit Ali Asaad und odeir Al Magut ist auch die jüngste Generation an herausragend talentierten syrischen Musikern präsent.

SYRIAn bIGbAnD

D0, 16.3. | nDR & SYRIAn BIGBAnD

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Eigens für den heutigen Abend hat Wolf Kerschek eine Suite aus syrischen Stücken kreiert. Sie beginnt mit Allale, einem traditionellen arabischen Lied, das wahrscheinlich bis in die Zeit der Phönizier zurückreicht und in Syrien und den nachbarländern sehr populär ist.

Es folgt eine neue Komposition von Dima orsho, Trip to Gouta. Bei diesem »Trip« handelt es sich um einen Schulausflug nach Gouta, einer oase am Rande von Damaskus. In der Schulzeit von Dima orsho war dies ein beliebtes Ausflugs-ziel für Schülergruppen, und das Stück beschreibt die ausgelassene Stimmung der Schüler auf der Busfahrt dorthin. So beginnt auch Kerscheks Arrangement mit einem »happy collective«. Doch so heiter die Stimmung zu Beginn des Stückes ist, so sehr ist es geprägt von der Sehnsucht nach heilen Plätzen der Kindheit; Plätze wie Gouta, die in den vergangenen fünf Jahren dem Krieg zum opfer gefallen sind. Von Dima orsho stammt auch das folgende Stück, Hidwa, ein traditionelles Schlaflied, für das sie eine neue Musik komponiert hat – heute zu hören im Arran-gement von Wolf Kerschek. Der Text lautet: »Ihr Menschen geht schlafen; Gott aber schläft nie. Die dunkelsten Zeiten werden vorüber gehen. Ihr schlaft, aber ich kann nicht schlafen. Wie kann ich Dich, mein Herz, nur beruhigen? ohne die Liebsten kannst Du nicht leben.«

Syrien – speziell der nordosten, die Region, die wir Mesopotamien nennen und die in der arabischen Sprache Al Dschasira (»Die Insel«) genannt wird – ist ein kultureller Schmelztiegel. Kurdische, armenische, assyrische Musik, die Musik der Beduinen und die Lieder der Jesiden prägen die Region. Kavoke ist ein traditionelles kurdisches Stück. Sabiha kommt aus der Region Mardin, die in der heutigen Türkei liegt, aber arabisch geprägt ist. Gesungen wird es, wie Asiye, von dem einzigartigen armenisch-syrischen Sänger Ibrahim Keivo. Keivos Großvater war dem Genozid 1915 entflohen und hatte, wie viele Armenier, in Syrien Zuflucht gefunden, Er wuchs, wie später auch sein Enkel Ibrahim, in einem kleinen jesidischen Dorf auf. Ibrahim Keivo sammelt die Lieder dieser Region seit Jahrzehnten und erhält sie mit seiner grandiosen Musikalität am Leben, fernab jeder Form des Musealen. Asiye ist ein traditionelles armenisches Lied. Es folgt Sherine, das Keivo zusammen mit seinem Musikerkollegen und Freund Gani Mirzo geschrieben hat – zugedacht einer Frau, in die die beiden Musiker in jungen Jahren verliebt waren.

Al Ein Moulayetein ist irakisches Lied, aber auch in Syrien sehr populär. Denn die politischen Grenzen in dieser Region sind Anfang des 20. Jahrhunderts gezo-gen worden und nach wie vor artifiziell. Kulturell bestehen sie bis heute oft nicht. Kerscheks Arrangement basiert auf der Version von Kinan Azmeh, dem Artist in Residence des Festivals Salām Syria. MICHAEL DREYER

WoLF KERSChEKLEITUnG & ARRAnGEMEnTS

Wolf Kerschek begreift sich im weitesten Sinne als Weltmusiker, der sich intensiv mit der Musik verschiedener Kulturen und Gesellschaften beschäftigt und diese Erfahrungen in seine Kompositionen einfließen lässt. So hat er sich zu einem Komponisten mit einer eigenen Tonsprache entwickelt, die in verschiedenen, sehr unterschiedlichen Traditionen verwurzelt ist.

Wolf Kerschek studierte an der Musikhochschule Hamburg und als Stipen-diat des DAAD am Bostoner Berklee College. Zudem unternahm er musikali-sche Studienreisen nach Brasilien, Indonesien und Afrika. Seither gastierte er als Vibraphon-Spieler, Komponist, Arrangeur und Dirigent bei allen deutschen Rundfunk-Bigbands, schrieb Auftragskompositionen, arrangierte und dirigierte orchesterproduktionen und Filmmusiken. Er tourte in den USA, Russland und Europa und hat über 100 CDs eingespielt.

Als einer der gefragtesten deutschen Arrangeure schrieb er u.a. für Tomasz Stánko, Roger Cicero, Annett Louisan, Helene Fischer, Rammstein, Yvonne Cat-terfeld, Barbara Schöneberger, Till Brönner, nils Landgren, Joja Wendt, Martin Grubinger und das Filmorchester Babelsberg. Zudem schrieb er die orchester-arrangements für die »FIFA-Hymne«, die bei jedem Einmarsch der Spieler ins Stadion gespielt wird, und komponierte 2016 den offiziellen ARD-olympiasong. Wolf Kerschek ist der Leiter des Jazz-Studiengangs und Professor für Jazzkom-position, Ensembleleitung und Filmmusik an der Musikhochschule Hamburg.

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Donnerstag, 16. März 2017 | 22 Uhr | Elbphilharmonie Kleiner Saal

HoME WITHIn

KInAn AzMEh KLARInETTE

KEVoRK MoURAD LIVE-PAInTInG

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hoME WIThIn

Die 60-minütige audiovisuelle Produktion Home within ist das jüngste gemein-same Projekt des syrisch-armenischen Künstlers Kevork Mourad und des syrischen Komponisten und Klarinettisten Kinan Azmeh, der prägenden Figur des Festivals Salām Syria. In diesem Werk bilden Kunst und Musik zwei eigen-ständige, aber in direkter Wechselwirkung stehende Gegenpole und erschaffen eine impressionistische Reflexion der syrischen Revolution und ihrer Folgen. Die Künstler folgen dabei keiner vorgegebenen Handlung, sondern dokumentieren bestimmte Momente in der jüngeren Geschichte Syriens und tauchen in deren emotionale Tiefe ein.

Die Basis für dieses Projekt ist das aus einem einzigen Klangbild bestehende Werk A sad morning, every morning, das im Frühjahr 2012 veröffentlicht wurde. Home within war bereits in nordamerika und Europa auf Tournee, um auf die Lage der syrischen Flüchtlinge aufmerksam zu machen und Spenden für Hilfs-organisationen zu sammeln.

KEVoRK MoURAD LIVE-PAInTInG, ELECTRonICS

Kevork Mourad (im Bild rechts neben Kinan Azmeh, dessen Biografie vorne im Heft zu lesen ist) wurde 1970 in Syrien geboren. Er studierte an der Kunsthoch-schule von Jerewan in Armenien und lebt und arbeitet derzeit in new York. Seine Werke werden im Gyumri Museum in Armenien, in der Armenian Library, dem Museum of America in Watertown (Massachusetts) und im 70. Stock des Bourj Khalifa in Dubai ausgestellt. Zudem waren Arbeiten von ihm in Galerien in Los Angeles, new York, Dubai und Damaskus zu sehen; sein digitales Werk The Map of Future Movements war Teil einer Wanderausstellung mit Stationen in Jerusa-lem und Ramallah und wurde 2010 bei der Liverpool Biennale gezeigt.

Seine Technik der spontanen Malerei setzte er bereits in vielen Projekten mit Musikern von Weltrang ein, unter ihnen Kinan Azmeh, Yo-Yo Ma und das Silk Road Ensemble. Er wirkte am Metropolitan Museum of Art Brooklyn, an der Rhode Island School of Design, an der Harvard University sowie bei Festivals in Mexico City, Jerewan, Montreal, Japan und Chicago.

Im Rahmen des Silk Road Projects unterrichtete er Schüler an öffentlichen Schulen in allen fünf Bezirken new Yorks. 2010 und 2011 produzierte er gemein-sam mit der Schauspielerin und Sängerin Anaïs Tekerian die (multimedialen) Theaterstücke Tangled Yarn und Waterlogged, die beim new Yorker Fringe Festival ihre Premiere feierten und auch in San Francisco gespielt wurden.

Do, 16.3. | HoME WITHIn

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Freitag, 17. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

SYRIEn TRIFFT HAMBURG

MITGLIEDER DES SYRIAn ExpAT phILhARMonIC oRChESTRAMUSIKER DER hoChSChULE FüR MUSIK UnD ThEATER hAMbURGpRojEKTChoR SALĀM SYRIACHoREInSTUDIERUnG jöRG MALLASSISTEnZ RAMI oLSEn

KInAn AzMEh KLARInETTEDIMA oRSho GESAnGKAI WESSEL ALTUSFIRAS hASSAn DARBUKA, RIQQ

jEhAD jAzbEh VIoLInE (ZAID JABRI)ThAER EID VIoLA (ZAID JABRI)AThIL hAMDAn VIoLonCELLo (ZAID JABRI)

LEITUnG MIChAEL boDERLEITUnG (DREI ARABISCHE LIEDER) jöRG MALL

Kareem Roustom (*1971)Dabke

Solhi al-Wadi (1934–2007)Love Poem

Drei arabische Lieder für Chor und KammerorchesterBearbeitung: Essam Rafea / Chorarrangement: Rami OlsenFog Elna KhelYa Mahla Il FushaAl Eyn

Pause

Zaid Jabri (*1975)In memoriam Solhi al-Wadifür Klarinette, Streicher und Tonband

Dima Orsho (*1975)Those Forgotten on the Banks of the Euphrates

Kinan Azmeh (*1976)Suite for Orchestra and improvising soloistnovember 22ndLove on 139th street in DWedding

Der Projektchor Salām Syria ist eine Koproduktion von Elbphilharmonie Hamburg und Morgenland Festival osnabrück.

Das Konzert wird mitgeschnitten und in voller Länge übertragen - So, 19. März ab 20 Uhr auf Deutschlandradio Kultur sowie - So, 21. Mai ab 22 Uhr auf nDR Kultur.

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EnDLICh WIEDER MUSIK MAChEnDas Syrian Expat Philharmonic Orchestra

Besonders exotisch sieht das Syrian Expat Philharmonic orchestra nicht aus. Wie bei jedem anderen klassischen orchester sitzen Geigen, Bratschen, Celli im Halbrund, dahinter stehen die Kontrabässe, in einer weiteren Ebene haben die Holzbläser Platz genommen. Doch das Syrian Expat Philharmonic orchestra, kurz »SEPo«, ist schon ein besonderer Fall in der deutschen orchesterland-schaft. Die Musikerinnen und Musiker stammen nämlich alle aus Syrien; die meisten von ihnen sind vor dem Krieg geflüchtet.

Auch den Kontrabassisten Raed Jazbeh hatten Krieg und Terror vertrieben. In Bremen fand er eine neue Heimat und entwickelte schnell den Ehrgeiz, aus syri-schen Exilmusikern ein orchester zu formen. Also begann er zu suchen, unter anderem via Facebook. Erstaunlich schnell fand sich eine kleine Gruppe: Syrische Musiker aus ganz Deutschland und aus allen möglichen Ecken Europas hoben das SEPo in Bremen aus der Taufe – trotz immenser Kosten für Reisen, noten, Saalmieten, Honorare etc. Finanzielle Unterstützung gab es so gut wie keine; trotzdem konnte im September 2015 das erste Konzert in Bremen stattfinden.

Als Klangkörper aus Exilmusikern steht das SEPo in bester deutscher orchestertradition. So gründeten sich die Bamberger Symphoniker aus Musi-kern, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Zug der Flüchtlingsbewegungen aus dem osten nach Deutschland gekommen waren. Ein Jahrzehnt später formierten sich ungarische Musiker zur Philharmonia Hungarica – die Musiker waren aus ihrer Heimat geflohen, nachdem sowjetische Truppen 1956 den Volksaufstand in Ungarn niedergeschlagen hatten. Beide orchester schrieben bundesrepubli-kanische Musikgeschichte.

Das SEPo steht nun am Anfang einer Karriere, und die beginnt vielverspre-chend: Auf das Debüt in Bremen folgten Konzerte in Schweden und im Konzert-haus Berlin, gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern auf dem Kulturforum Berlin und nun mit dem Projektchor Salām Syria in der Elbphilharmonie. Am 21. März gastiert das orchester zudem beim Klara Festival in Brüssel. Die bei-den letztgenannten Konzerte finden in Kooperation mit dem Abu Dhabi Festival statt – ein Zeichen, dass der orchestergründer und -leiter Raed Jazbeh und Geschäftsführer Falko Hönisch auf gutem Weg sind, das orchester in der inter-nationalen Musik- und Festivallandschaft zu etablieren. Dabei gilt es allerdings einige organisatorische Widerstände zu überwinden: »Wir haben kein eigenes Büro und keine zentrale Anlaufstelle«, sagt Hönisch. »Gleichzeitig fallen sehr hohe Reisekosten an, da die üblicherweise 50 bis 75 Musikerinnen und Musiker aus ganz Europa zusammenkommen.«

Doch die Musiker sind umso glücklicher, ihrem Beruf wieder nachgehen zu können und gleichzeitig einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung zu leisten. »Ich verstehe das SEPo als musikalischen Botschafter der Kultur des syrischen Volks«, sagt Raed Jazbeh. »Außerdem möchte ich einen Gegenpol zu den immer gleich schlimmen Bildern von Krieg und Zerstörung in den Medien schaffen.« Deshalb spielt das orchester zwar auch Repertoire westlicher Kom-ponisten. Den größeren Teil der Programme aber machen Werke von Kompo-nistinnen und Komponisten aus, die entweder aus Syrien stammen oder einen engen Bezug zu Syrien haben – so wie am heutigen Abend. RALF DöRInG

Das Syrian Expat Philharmonic orchestra wird für dieses Konzert von der Abu Dhabi Music and Arts Foundation unterstützt.

FR, 17.3. | SYRIAn ExPAT oRCHESTRA & CHoR

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hEIMAT In DER MUSIKDer Projektchor Salām Syria

Die Pläne waren groß, und die Ungewissheit war es auch, als die Elbphilharmonie im vergangenen September ein ganz besonderes Projekt ins Leben rief. noch waren es sechs Monate hin bis zum Festival »Salām Syria«. Wäre es da nicht schön, einen Chor mit jungen Erwachsenen aus Syrien und Deutschland zu grün-den? Und: Wäre das überhaupt so schnell möglich? Die Idee wurde mit Postkar-ten, Flyern und via Facebook in den Communities verbreitet und der Kick-off in der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude angekündigt. »Wir wussten überhaupt nicht, wer da kommen würde«, erzählt Ilka Berger, die das Projekt koordiniert. »Und plötzlich standen da 60 Teilnehmer, ebenso viele Syrer wie Deutsche.«

Eigens für dieses erste Treffen war die syrische Sopranistin Dima orsho nach Hamburg gekommen. Sie stimmte gleich einmal ein syrisches Volkslied an – und nur Sekunden später sang die eine Hälfte des neuen Chors leidenschaftlich mit. Für nidal osman, der vor sechs Jahren aus Damaskus nach Hamburg kam und hier als Informatiker arbeitet, war das ein sehr emotionaler Moment: »Als Dima anfing zu singen, bekam ich Gänsehaut. Viele hatten Tränen in den Augen. Spätestens da stand für mich fest: Hier mache ich definitiv mit.«

Seit oktober wurde nun wöchentlich geprobt. 60 begeisterte Sängerinnen und Sänger – die meisten unter 35, die älteste 66 – bereiteten sich gemeinsam auf ihr erstes großes Ziel vor: ihren heutigen Auftritt bei »Salām Syria«. Im Sommer wird der Chor auch in osnabrück ein Konzert geben, beim Kooperationspartner »Mor-genland Festival«. Auf dem Programm stehen alte und neue syrische Lieder, alles in arabischer Sprache, für die deutschen Chormitglieder in Lautschrift notiert. »Für die Syrer ist das natürlich ein Heimspiel«, sagt Ilka Berger und lacht.

In einem anderen Punkt aber sind die Deutschen voraus: Der mehrstimmige Chorgesang ist für die syrischen Teilnehmer eine neue Erfahrung, sie sind ein-stimmiges Singen gewohnt. »Die Unterteilung in Stimmgruppen fand ich anfangs komisch«, gesteht Hana Alkourbah, eine Literaturwissenschaftlerin aus Homs, die heute in Geesthacht lebt und den Weg nach Winterhude für die wöchentlichen Chorproben gerne auf sich nimmt. »Gott sei Dank kann ich hier Sopran singen, wie ich es gewohnt bin. Alle anderen Stimmen würden mir schwerfallen. « Auch nidal bestätigt, dass die Mehrstimmigkeit für seine Landsleute eine echte Her-ausforderung ist: »Bei uns kennen alle den Text und singen einfach drauflos. Hier müssen wir uns an die noten halten, und das klingt in unseren ohren manchmal schon komisch. Aber es geht eben nicht um die einzelne Stimme, sondern um alle zusammen. Mittlerweile klappt das ganz gut.«

Und ob es klappt. Jörg Mall, der Chorleiter, ist für die musikalische Arbeit zuständig, sein Assistent Rami olsen kümmert sich mithilfe der Muttersprachler um die Details der Aussprache. Bei den Proben ist die Atmosphäre konzentriert, aber locker. Drei syrische Freundinnen kichern und tuscheln leise. »Wenn ich hier singe, habe ich das Gefühl, ein Stück von ihrer Welt zu verstehen«, sagt Ursula Köhler. Die Deutsch- und Lateinlehrerin meint damit vor allem die Welt jener Familie aus Aleppo, die sie und ihr Mann im Herbst 2015 für sechs Wochen bei sich aufgenommen haben. Eine Hals-über-Kopf-Entscheidung sei das gewesen, gefasst nach einem Besuch in der Erstaufnahmestelle Schnackenburgallee: »Das Zelt war unbeheizt, die Kinder hatten Fieber, die Mutter hustete fürchterlich – das konnten wir nicht ertragen.« Seitdem sind die Köhlers eine große Patchwork-Familie. »Auf das Konzert in der Elbphilharmonie freue ich mich«, sagt Ursula. »Aber wirklich wichtig für mich sind die Proben. Sie haben mich ungemein berei-chert.«

Hana Alkourbah, die Sopranistin, stand während der Probe mit aufmerksamer Miene ganz vorn im Chor und hat den Tenören aufmunternd zugelächelt. Jetzt erzählt sie, wie sehr sie sich freut, hier in Deutschland ihre eigenen Lieder sin-gen zu können: »Wenn ich von meiner Heimat singe, ist es das Einzige, das mir niemand nehmen kann. Syrien, so wie ich es kenne, existiert nicht mehr. In der Musik aber besteht es weiter.« JASMIn SHAMSI

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DIE MUSIK

KAREEM RoUSToM (*1971) DAbKE

Tänzerisch beginnt das Konzert des Syrian Expat Philharmonic orchestra (SEPo). Dabke ist ursprünglich ein Volkstanz, der in vielen Ländern um das östliche Mittelmeer getanzt wird. Das bestimmende Instrument dabei ist die Trommel Darbuka, und der syrisch-stämmige Komponist Kareem Roustom überträgt dieses Moment mit prägenden, nach vorne treibenden Rhyth-men auf das Streichorchester. Eine Melodie für Solovioline in hoher Lage und Solocello windet sich über den repetitiven Rhythmen wie eine wehmütige Gesangseinlage, bestimmend bleibt aber immer der rasante Tanz. Ein Stück voller Energie und optimismus.

SoLhI AL-WADI (1934–2007)LoVE poEM

Es ist kein Zufall, dass der name Solhi al-Wadi zweimal im Kon-zert des SEPo erscheint – einmal als Komponist und einmal als Widmungsträger im Titel eines Werks. Denn ohne Übertrei-bung darf man al-Wadi den Begründer der klassischen Musik in Syrien nennen. In Bagdad geboren, kam er mit seinen Eltern als Kind nach Damaskus. Seine höhere Schulbildung erhielt er an einer britischen Schule in Alexandria in ägypten; am dorti-gen Konservatorium begann er auch Geige und Komposition zu studieren. nach seinem Musikstudium an der Royal Academy of Music in London kehrte al-Wadi nach Damaskus zurück und gründete das Arab Institute of Music, das 2004 nach ihm benannt wurde. nach langen und zähen Verhandlungen mit dem syrischen Kulturministerium erfüllte sich 1990 einer sei-ner kühnsten Träume: Die Hochschule für Musik und Theater in Damaskus nahm ihre Arbeit auf und bildet seitdem Musiker, Schauspieler und Tänzer aus.

Und noch einer von Solhi al-Wadis Träumen wurde wahr: 1991 gab das Syrian national Symphony orchestra sein erstes

Konzert, natürlich unter seiner Leitung. Vier Jahre später lei-tete er die erste opernaufführung in Syrien: Dido and Aeneas von Henry Purcell. Heute erklingt von ihm sein Love Poem für Streichorchester aus dem Jahr 1966.

DREI ARAbISChE LIEDER FüR ChoR UnD KAMMER oRChESTERARRAnGEMEnT: ESSAM RAFEA UnD RAMI oLSEn

Mit diesen drei Liedern präsentiert sich der deutsch-syrische Projektchor Salām Syria. Zusammen mit dem SEPo interpre-tiert er drei traditionelle Lieder, die die gesamte arabischen Welt kennt und liebt. Fog Elna Khel kommt aus dem Irak, ebenso Al Eyn, das aber in der syrischen Wüstenregion Bādiyat Ash-Shām sehr populär geworden ist. Ya Mahla Al-Fusha schließlich ist aus ägypten in die syrische Küstenregion gelangt.

zAID jAbRI (*1975)In MEMoRIAM SoLhI AL-WADIFÜR KLARInETTE, STREICHER UnD TonBAnD

Der Klarinettist des heutigen Abends, Kinan Azmeh, hat In memoriam Solhi al-Wadi 2007 in Auftrag gegeben. Das etwa 15-minütige Werk übersetzt die Eckpunkte von Solhi al-Wadis Leben in Klang: seine Lebensdaten und die Geburts- bzw. Ster-beorte Bagdad und Damaskus. Jabri hat jeden Buchstaben und jede Ziffer in ein musikalisches Intervall oder einen bestimmten Ton übersetzt und zudem Klänge auf Tonband vorproduziert. Dabei prägt kompositorische Strenge und ökonomie das Werk: Einzelne Töne kommen nur sehr allmählich in einen musika-lischen Fluss; zusammen mit den Einspielungen vom Band entstehen kühle Klangflächen, die sich wiederum zu präzis aus-formulierten dialogischen Strukturen auflösen. Dabei durchzieht nachdenklichkeit dieses Werk – und die Trauer über den Verlust einer prägenden Gestalt für die syrische Musik. oder wie Jabri selbst es ausdrückt: »Wir möchten dieses Werk einem Mann widmen, der so viel zum kulturellen und musikalischen Leben in Syrien beigetragen hat.«

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DIMA oRSho (*1975)ThoSE FoRGoTTEn on ThE bAnKS oF ThE EUphRAT

Mit dieser Komposition erinnert Dima orsho an eine Region und eine Stadt, die in der öffentlichen Wahrnehmung viel zu kurz kommen: Deir Al Zour am Strom Euphrat. Die Geschichte dieser Stadt lässt sich bis in die Römerzeit zurückver-folgen und bildet, sagt orsho, »einen wichtigen Teil des kollektiven syrischen Bewusstseins«. In der Komposition schlägt sie eine Brücke von der westlichen zur arabischen Kultur. Einerseits rezitieren Kai Wessel und Dima orsho Texte von Bertolt Brecht auf Deutsch und Arabisch, andererseits basiert die Komposition auf einem Maqam, einem Modus, wie er im Irak und im nordosten Syriens vor-kommt. Gleichzeitig aber entwickelt das Stück seine hymnische Intensität über einem chromatisch absteigenden Lamento-Bass, wie ihn die Musik des Westens seit dem Barock kennt.

KInAn AzMEh (*1976)SUITE FoR IMpRoVISoR AnD oRChESTRA

Ursprünglich hat Kinan Azmeh die drei Stücke seiner Suite 139th Street, Novem-ber 22nd und Wedding für sein Trio Hewar geschrieben, also für Klarinette, oud und Stimme. Zugrunde liegt dabei Azmehs Überzeugung, dass die beste komponierte Musik diejenige ist, die klingt, als entstünde sie spontan, während umgekehrt die beste Improvisation diejenige ist, die strukturiert und komponiert klingt. Dabei setzen sich alle drei Stücke mit dem Begriff »Heimat« auseinander, jedes aus einer anderen Perspektive:

139th Street bezieht seine Inspiration aus Kinan Azmehs Alltag. Gemeint ist die 139. Straße in Harlem, wo er einige Jahre gelebt hat. Die kulturelle Vielfalt hat ihn zu diesem Stück inspiriert.

November 22nd schrieb Azmeh, als er das erste Mal zu einem Thanksgiving-Essen eingeladen war, jenem ureigenen amerikanischen Fest. »Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Amerika fühlte ich mich fern der Heimat wirklich zu Hause«, sagt Azmeh. »Ein eigenartiges Gefühl. Denn ein Teil von mir wollte es verdrängen – nach dem Motto: Verrate ich meine Heimat, wenn ich mich anderswo zu Hause fühle? Dann aber habe ich erkannt, wie gut es ist, sich an vielen orten zu Hause zu fühlen.« Etwas vermisste Kinan Azmeh trotzdem: die Klangkulisse des Gemüse- und obstmarktes hinter seinem Elternhaus in Damaskus. Sie spiegelt sich in einem stetigen Rhythmus, der dem Stück zugrunde liegt; ein Rhythmus des Lebens. Über diesem Fundament entfaltet sich der Solist in größter Freiheit und Beweglichkeit.

Wedding gründet ebenfalls auf Erinnerungen an die Heimat. Inspiriert ist es durch Hochzeitsfeiern, wie Azmeh sie in Syrien kennengelernt hat. Gleichzeitig deutet Azmeh das Stück metaphorisch »für alle Hochzeiten, die an einem öffent-lichen Platz gefeiert werden«. Bei einer syrischen Hochzeit bringen viele Gäste ihre Musikinstrumente mit – und ihre Musik. niemand kann vorhersagen, wie sich der Tag musikalisch entwickelt; »die Playlist entsteht durch die Menschen, die kommen«. Diese Stimmung zeichnet Wedding nach. Dabei hat das Stück für Azmeh in den letzten Jahren eine weitere Bedeutung hinzugewonnen: »Wenn ich das Stück spiele, ist es auch inspiriert durch all die Syrer, die es in den letz-ten fünf Jahren geschafft haben, sich zu verlieben, trotz der Gewehrkugeln und Bomben, trotz der Tragödie, die sich in Syrien abspielt. Denn sich zu verlieben ist eines der wenigen Grundrechte, die einem keine Macht wegnehmen kann.«

RALF DöRInG

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Violine IJehad Jazbeh+*Ghaleb Jazmati*Rami Faisal*Rahaf Abbas*Yara Abou Fakher*Algirdas Šochasolivia JablonskiDanae Papamatthäou-

MatschkePauline RenkStella Manno

Violine IIHivron Mirkhan+*Dania Alkabir Alhasani*Michella Kassis*Kais Shalghin*Eszter KruchioMarianne SohlerMaya LorenzenAslı Doğan

Mohammad AbouhorchKays Al GhonimAbdul Rahman AlhajjiYousef AlhamwiHana AlkourbahAlice AlmatniInsaf AlyousefDana AlyousefMinshed AlzolbaChristian AnderschZoha Assadi GoharDesiree AyasseLena BauerUlrike BeckertIlka BergerJakob BörnerAlena BruhinMatthias BüngerSabine BuschMohammad Dannoun

ViolaMazen Hussein+*Thaer Eid*Karam Al Zouhir*Lucas SchwengebecherFriedemann JörnsIda Luzie Philipp

VioloncelloBasilius Alawad+*nawwar Aidi*Michael HeupelJoke FlecijnAnn-Kathrin EisoldClovis Michon

KontrabassRaed Jazbeh*Cornelius DohnaGlenn Großmann

Sabrina Diekownatascha DiekowSonja EnglerKatrin GrabowskiJulia Günther-BorstelAmer HajmahmoudAhmad HanafyRuna HansenRadwan IbrahimMohammad JaghlitBeate JarkAnne JungRosa KaiserAbdulrahman KarknawiAbdulghani KarknawiVera KisseUrsula KöhlerMaximilian KrainzVivien KröllAnjuli Lippert

FlöteKaram Al Ashkar*Katharina Sames

KlarinetteBassel Shamoun*Friederike von

oppeln-Bronikowski

+ Konzertmeister/Stimmführer* Mitglied des SEPo

Juliana-Layla LopesSherin MaarufMaria C. MartinSahar MezherKenan MichelKian MondialVera nowikowHeva osmannidal osmanMartin RichterCarolin RoßbergGholam SakhaKati SchweenMichael Staakexenia StraubFrançoise ThierfelderTina VolgemannLaura Welle

RAMI oLSEn ASSISTEnZ CHoREInSTUDIERUnG

Rami olsen, geboren 1994 als Sohn eines irakischen Sängers, wurde der Zugang zur arabischen Musik und zum Gesang praktisch in die Wiege gelegt. Als Kind wirkte er bei den Hamburger Alsterspatzen mit; später erlernte er eine Vielzahl an Instrumenten, darunter Gitarre, Bass und Cello, und beschäftigte sich mit Musikproduktion. Mittlerweile studiert er Jazzgesang an der Musikhochschule Hamburg, betreibt das Plattenlabel organic Sound Productions und arbeitet an seinem Debüt-Album Phasenverschiebung, das dieses Jahr erscheint. Bei den Chorproben unterstützt er Jörg Mall und schreibt außerdem Arrangements.

SYRIAn ExpAT phILhARMonIC oRChESTRA UnD hAMbURGER MUSIKER

pRojEKTChoR SALĀM SYRIA

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ThAER EID VIoLA

Thaer Eid, geboren 1987 im syrischen Damas-kus, erhielt mit fünf Jahren seine erste musi-kalische Ausbildung an der Geige. Mit 13 wechselte er zur Bratsche. Von 2006 bis 2011 studierte er an der Hochschule für Musik in seiner Heimatstadt, von 2007 bis 2010 war er Mitglied und Stipendiat des West-Eastern Divan orchestra unter Daniel Barenboim. 2015 hat Eid sein Bachelorstudium an der Folkwang-Universität bei Émile Cantor und Vladimir Men-delssohn abgeschlossen. Seit 2015 studiert er an der Musikhochschule Hannover bei Volker Jacobsen, dem Gründungsbratschisten des Artemis Quartetts.

FIRAS hASSAn DARBUKA, RIQQ

Firas Hassan wurde 1979 in Wadi Al-oyoun in Syrien geboren. Mit 21 zog er in den Libanon und schrieb sich am Lebanese Conservatory ein. 2006 schloss er dort sein Studium ab und begann arabische Perkussion am Higher Ins-titute of Music in Damaskus zu unterrichten. 2012 erhielt er vom Berklee College of Music ein Stipendium für seinen Master-Studiengang in Contemporary Studio Performance in Valen-cia; dort ein weiteres Stipendium zur Entwick-lung einer Lehrmethode für arabische Perkus-sionsinstrumente.

Als Performer stand Firas Hassan bereits mit vielen Formationen verschiedener Stil-richtungen von klassischer westeuropäischer Musik über klassisch-arabische Musik bis zu Jazz, Fusion, Latin und Flamenco auf der Bühne. Zudem wirkte er bei zahlreichen Stu-dioaufnahmen mit.

jEhAD jAzbEh VIoLInE

Jehad Jazbeh wurde 1985 Aleppo geboren. Er spielt ebenso klassisch-westliche wie arabi-sche Musik. Zudem ist er als Komponist tätig. 2013 bis 2010 war er Mitglied des Syrian nati-onal orchestra und des nationalorchesters für Arabische Musik. Er ist mit einigen der nam-haftesten arabischen Musikern aufgetreten, etwa Fairouz, Ziad Al-Rahbani, Marcel Khalifa, Majida Al-Roumi und anderen. Er ist Grün-dungsmitglied des Damascus String Quintet, das sich zur Aufgabe gemacht hat, syrische Komponisten in Europa vorzustellen. Jehad Jazbeh ist Konzertmeister des Syrian Expat Philharmonic orchestra. Konzerte führten ihn unter anderem zum Roskilde Festival, Aarhus Jazz Festival, Holland Festival, Glastonbury Festival, Royal Festival, Morgenland Festival, Weimar Arts Festival und zum Istanbul Jazz Festival.

KAI WESSEL ALTUS

Kai Wessel, geboren in Hamburg, studierte Musiktheorie und Gesang in Lübeck und His-torische Aufführungspraxis in Hilversum und bei René Jacobs in Basel. operngastspiele führten ihn nach Barcelona, Madrid, Stuttgart, München, Berlin, Dresden, Wien, Salzburg, Amsterdam und an das Theater Basel, dem er über 10 Jahre verbunden war. Er arbeitete mit Dirigenten wie nikolaus Harnoncourt, Jordi Savall, Ton Koopman oder Kent nagano. neben Hauptpartien des barocken Repertoires sang er auch in Uraufführungen von Klaus Huber, Isabel Mundry, Georg Friedrich Haas und Jörg Widmann; zudem schrieben etwa Matthias Pintscher und Mauricio Kagel Werke für seine Stimme. Über 90 CDs dokumentieren diesen künstlerischen Werdegang. Kai Wessel ist Professor für Gesang und Historische Auffüh-rungspraxis in Köln und Dozent für zeitgenös-sische Vokalliteratur in Bern.

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AThIL hAMDAn VIoLonCELLo

Athil Hamdan ist eine herausragende Figur im syrischen Musikleben. Er wurde 1970 in Damaskus geboren, begann seine musikali-sche Ausbildung im Alter von sieben Jahren am Solhi Al Wadi Music Institute in Damaskus und studierte später bei Pavel Kupin am Konser-vatorium odessa. Es folgte eine ausgedehnte internationale Konzerttätigkeit. Hamdan war Solo-Cellist im Syrischen nationalorchester und Cellist des Damaskus String Quartet. Er war in Damaskus stellvertretender Leiter des opernhauses und Direktor der Musikhoch-schule. Zahlreiche Werke syrischer Kompo-nisten wurden ihm gewidmet und sind von ihm uraufgeführt worden, insbesondere mehrere Werke von Zaid Jabri.

MIChAEL boDER LEITUnG

Michael Boder ist seit 2012 Chefdirigent und Künstlerischer Berater am Königlich Dänischen Theater. Zuvor wirkte er vier Jahre lang als Generalmusikdirektor am Gran Teatro del Liceu in Barcelona. nach seiner Ausbildung an der Musikhoch-schule Hamburg und in Florenz übernahm er noch nicht 30-jährig als Chefdiri-gent die musikalische Leitung der oper Basel. Bereits in dieser Zeit gastierte er in Hamburg, München, Berlin und an der Royal opera Covent Garden. Mittlerweile ist er regelmäßiger Gast an den Staatsopern in Berlin, Dresden, Hamburg und Wien; darüber hinaus dirigierte er unter anderem an der oper in Frankfurt, San Francisco, an der Bayerischen Staatsoper, der Deutschen oper Berlin, dem new national Theatre in Tokio und der oper Zürich. Eine Reihe von Uraufführungen belegen seinen großen Einsatz für die zeitgenössische Musik, unter anderem Cerhas Der Riese vom Steinfeld, Pendereckis Ubu Rex, Trojahns Was Ihr wollt, Aribert Reimanns Das Schloss und Medea sowie Henzes Phädra.

jöRG MALL CHoREInSTUDIERUnG

Jörg Mall studierte Schulmusik mit Hauptfach Gesang an der Hochschule für Musik und The-ater Hamburg sowie Deutsch und Erziehungs-wissenschaften an der Universität Hamburg. Außerdem absolvierte er den Aufbaustudien-gang Chorleitung am Musikseminar Hamburg. Wichtige Anregungen für seine eigene Tätigkeit erhielt er durch Dirigierkurse bei Wolfgang Schäfer sowie durch seine Mitgliedschaft beim Kammerchor Stuttgart unter Frieder Bernius (2008–2011) und beim Vokalensemble vokabile (2002–2015). Seit 2001 leitet er den Trinitatis-Chor, seit 2011 die Hamburger Singakademie. Im Herbst 2016 begann er die Arbeit mit dem Projektchor Salām Syria der Elbphilharmonie.

FR, 17.3. | SYRIAn ExPAT oRCHESTRA & CHoR

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Samstag, 18. März 2017 | 18 Uhr | Elbphilharmonie Kleiner Saal

17 Uhr | Einführung im Kleinen Saal mit Dr. Jan Reichow

KLASSIK DER WELT: THE VoICE oF AnCIEnT SYRIA

IbRAhIM KEIVo GESAnG

MoSLEM RAhAL nEY

FERAS ChARESTAn KAnUn

FIRAS hASSAn DARBUKA, RIQQ

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ThE VoICE oF AnCIEnT SYRIA

Ibrahim Keivo solo

Syrien – speziell der nordosten, die Region, die wir Mesopo-tamien nennen – ist ein kultureller Schmelztiegel. Kurdische, armenische, assyrische Musik, die Musik der Beduinen und die Lieder der Jesiden prägen die Region. Der syrisch-arme-nische Sänger und Multi-Instrumentalist Ibrahim Keivo ist der herausragende Interpret für die Liedkultur dieser Region. Vor 100 Jahren flüchtete seine Familie vor dem Völkermord an den Armeniern aus der Türkei nach Syrien. 2014 musste er selbst vor Bürgerkrieg und dem selbsternannten »Islamischen Staat« nach Deutschland fliehen. Aufgewachsen in einem Umfeld kul-tureller und religiöser Vielfalt, spricht Keivo sieben Sprachen; er singt auf Arabisch, Kurdisch, Aramäisch, Assyrisch und Armenisch. Seit Jahren sammelt er die Lieder seiner Heimat- region: Lieder über Liebe, Freude, Trauer, Ernte, Hochzeits- lieder, rituelle Lieder, Mythen und Klagelieder. 2010 arbeitete Keivo erstmals mit der nDR Bigband. Der Arrangeur Wolf Kerschek erinnert sich: »Ibrahim Keivo, was für ein Musiker! Gebannt hing ich an seinen Lippen und konnte mich seiner Magie nicht entziehen. Er ließ uns spüren, warum jeder einzelne von uns mit dem Musikmachen angefangen, dann viel Zeit und schließlich das gesamte Leben dieser Sache gewidmet hat.«

Arabische Klassik

Klassisch-arabische Musik, interpretiert von einem Trio beste-hend aus Spitzenmusikern, allesamt Absolventen bzw. Lehrende des Higher Institute of Music in Damaskus, erklingt in der zwei-ten Hälfte dieses Doppelkonzerts. Der international herausra-gende ney-Spieler Moslem Rahal (»Der beste ney-Spieler der Welt«, so Jordi Savall) präsentiert gemeinsam mit seinen Kol-legen Feras Charestan an der orientalischen Zither Kanun und Firas Hassan an den Perkussionsinstrumenten Riqq und Dar-buka traditionelle arabische Musik sowie eigene Kompositionen.

IbRAhIM KEIVo GESAnG

Ibrahim Keivos Geschichte beginnt mit der Vertreibung seiner armenischen Vorfahren beim Genozid 1915. Eine neue Heimat fanden sie in der Region Al Dschasira im nordosten Syriens, einem kulturellen Schmelztiegel zwischen Euphrat und Tigris, uns als das biblische Mesopotamien einigermaßen geläufig. Dort kam in einem jesidischen Dorf Ibrahim Keivo 1966 zur Welt. Seine Mutter lehrte ihn die alten armenischen Hymnen singen und sein Umfeld erschloss ihm einen reichen Schatz türkischer und kurdischer Musik. Außerdem übten alte Kulturen und Religionen ihren Einfluss auf Keivo aus, die in seiner Heimat lebendig geblieben waren: Die Kurden, die Assyrer mit der aramäischen Sprache des Ur-Christentums, die jesidische Religion.

Keivo studierte am Musikinstitut von Aleppo, sammelte die Musik seiner Region und schrieb sie auf – bis er selbst zum Flüchtling wurde und 2014 in Deutschland eine neue Heimat fand. Keivos Lieder erzählen von Liebe, Freude, Trauer, Ernte, es sind Hochzeitslieder, rituelle Lieder, Mythen, die er auf Arabisch, Kurdisch, Aramäisch, Assyrisch und Armenisch singt, und zu denen er sich selbst auf traditionellen Instrumenten wie Bouzouk, Saz, Baglama, oud und Kamanche begleitet. Diese Tradition verschmilzt Ibrahim Keivo überzeugend mit der Musik des Westens, zum Beispiel in Konzerten mit der nDR Bigband.

SA, 18.3. | THE VoICE oF AnCIEnT SYRIA

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FERAS ChARESTAn KAnUn

Feras Charestan wurde 1982 in Al-Hasakeh im nordwesten Syriens geboren. Er studierte Kanun und schloss 2006 sein Musikstudium am Higher Institute of Music in Damaskus ab. Bereits während seines Studiums begann er mit internationalen Künstlern und orchestern aufzutreten. 2007 begann er an dem von ihm besuchten Konservatorium als Kanunlehrer zu arbeiten. Darüber hinaus wirkte er bei vielen Studioaufnahmen in Syrien und dem Libanon mit (Fairuz, Marcel Khalifeh, Ziad Rahbany).

Feras Charestan tritt regelmäßig als Kanun-solist mit dem Qatar Philharmonic orchestra und dem Syrian national Symphony orchestra auf. Zudem wirkt er auch im Soriana-Projekt mit. Er lebt derzeit in Schweden und macht seinen Master in Folk-Musik am Royal College of Music in Stockholm.

FIRAS hASSAn DARBUKA, RIQQ

Firas Hassan wurde 1979 in Wadi Al-oyoun in Syrien geboren. Mit 21 zog er in den Libanon und schrieb sich am Lebanese Conservatory ein. 2006 schloss er dort sein Studium ab und begann arabische Perkussion am Higher Ins-titute of Music in Damaskus zu unterrichten. 2012 erhielt er vom Berklee College of Music ein Stipendium für seinen Master-Studiengang in Contemporary Studio Performance in Valen-cia; dort ein weiteres Stipendium zur Entwick-lung einer Lehrmethode für arabische Perkus-sionsinstrumente.

Als Performer stand Firas Hassan bereits mit vielen Formationen verschiedener Stil-richtungen von klassischer westeuropäischer Musik über klassische arabische Musik bis zu Jazz, Fusion, Latin und Flamenco auf der Bühne. Zudem wirkte er bei zahlreichen Stu-dioaufnahmen mit.

MoSLEM RAhAL nEY

Moslem Rahal wurde 1977 in Latakia, Syrien, geboren und entstammt einer Künstlerfamilie. Schon in der Kindheit entwickelte er eine Lei-denschaft für die Schlag- und die Streichinst-rumente, die seine Brüder spielten. Seine Ins-trumentenwahl fiel schließlich jedoch auf die Rohrflöte ney. Weil es schwierig war, eine qua-litativ hochwertige ney zu erwerben, begann er, sich im Alter von 14 Jahren mit dem Aufbau des Instruments zu beschäftigen und fand bald als Hersteller und Spieler Anerkennung.

2003 schloss Moslem Rahal sein Studium am Konservatorium in Damaskus ab, wo er anschließend unterrichtete und als Solist mit dem Syrian national Symphony orchestra konzertierte. Als international anerkannter Experte wurde er als Juror zu zahlreichen ney-Wettbewerben in Länder wie Algerien und Tunesien eingeladen. Zudem nahm er an For-schungsprojekten teil, die sich hauptsächlich mit der ney, der Musik des nahen ostens und den orientalischen Maqam-Skalen befassen.

SA, 18.3. | THE VoICE oF AnCIEnT SYRIA

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Samstag, 18. März 2017 | 21 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

SYRIEn UnD DIE WELT

hEWARKInAn AzMEh KLARInETTE

DIMA oRSho GESAnG

GäSTE:jIVAn GASpARYAn DUDUK

MIChEL GoDARD TUBA, SERPEnT

jASSER hAj YoUSSEFF VIoLA D’AMoRE, VIoLInE

Das Konzert wird mitgeschnitten und am Sonntag, 14. Mai 2017 ab 22 Uhr auf nDR Kultur übertragen.

Sa, 18. März 2017 | 23 Uhr | Elbphilharmonie Foyer Kleiner Saal

pARTYMIT Dj IpEKUnD SYRISChEn GASTMUSIKERn

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hEWAR

Im Jahr 2003 gründeten der Klarinettist Kinan Azmeh, die Sängerin Dima orsho und der oud-Spieler Issam Rafea das Trio Hewar (»Dialog«). Gemeinsam ver-suchen die Künstler, festgelegte Schranken zwischen musikalischen Stilen zu überwinden. Sie erreichen dies in einem lebendigen Austausch, bei dem auch politische und soziale Botschaften mitschwingen. Die abenteuerlustige Musik ist von der reichen arabischen Tradition inspiriert, jedoch keineswegs darauf beschränkt, sondern greift auch Einflüsse aus Jazz und Klassik auf. So führen die drei Musiker einen Dialog (oder besser Trialog), bei dem die Grenzen zwischen Improvisation und Komposition, zwischen Traditionellem und Zeitgenössischem verschwimmen. Das erste Konzert von Hewar fand im September 2003 in der historischen al-Zaytuna-Kirche in der Altstadt von Damaskus statt; seitdem unternahm das Ensemble Konzerttourneen in die USA, nach Europa, Japan und in den nahen osten. Es veröffentlichte bisher drei Alben: Hewar (2005), 9 Days of Solitude (2007) und Letters to a Homeland (2012).

Leider ist es Issam Rafea nicht möglich, beim heutigen Konzert mitzuwirken: Er kann seine Wahlheimat, die USA, wegen des aktuellen Einreiseverbots für Menschen aus überwiegend muslimischen Ländern nicht verlassen – aus Angst, nicht wieder hineingelassen zu werden. Es hat jedoch Tradition, dass die Musiker von Hewar Gast-Künstler mit auf die Bühne bringen. So sind Kinan Azmeh und Dima orsho am heutigen Abend nicht nur zu zweit zu erleben, sondern mit drei engen musikalischen Freunden.

SA, 18.3. | HEWAR & GäSTE

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MIChEL GoDARD TUBA, SERPEnT

Michel Godard, geboren 1960 in der nähe von Belfort (Frankreich), etablierte sich schon früh als ein außergewöhnlich vielseitiger Tubaspie-ler, der in Klassik und Jazz gleichermaßen zu Hause ist. Heute gilt er als einer der virtuo-sesten Tuba- und Serpentspieler des Jazz und anderer improvisierter Musik.

1979 begann er, auch den Vorläufer der Tuba, den Serpent, zu spielen – ein Instrument, das seinen lateinischen namen seiner schlan-genartigen Form wegen erhielt. Das hölzerne Mundstück des Serpent gibt dem Instrument die charakteristische Wärme und den intensi-ven Klang. Mit diesem Zweitinstrument ging Michel Godard noch einen weiteren Schritt hin zur Erweiterung der klanglichen und musika-lischen Ausdrucksmöglichkeiten in der Alten Musik ebenso wie im Jazz.

jASSER hAj YoUSSEF VIoLA D’AMoRE, VIoLInE

Der Violinist und Komponist Jasser Haj Yous-sef wurde in Monastir, Tunesien, geboren. Sein Vater unterrichtete ihn in arabischer Musik, gleichzeitig studierte er klassische Musik am Konservatorium in Monastir. Im jungen Alter von 16 Jahren hatte er bereits seine erste eigene Radioshow auf Radio Monastir. Seit 2003 lebt er in Paris.

Jasser Haj Youssef spielt Violine und die Viola d’amore, ein historisches Streichinst-rument, das vorwiegend in der Barockmusik zum Einsatz kommt und eng mit der Familie der Gamben verwandt ist.

Er trat bereits mit Künstlern aller Genres auf, angefangen von Barbara Hendricks über Youssou n’Dour oder Sister Marie Keyrouz bis hin zu Stars der opernwelt wie auch der schil-lernden operndiva Simone Kermes.

jIVAn GASpARYAn DUDUK

Jivan Gasparyan, geboren 1928, ist eine lebende Musiker-legende. Er wird auf der ganzen Welt verehrt und spielte meh-rere tausend Konzerte, unter anderem vor dem US-Präsidenten John F. Kennedy und der Queen (die eine seiner Aufnahmen zu ihren Lieblings-CDs zählt). Mit seinen Auftritten und Aufnah-men hat Jivan Gasparyan das armenische nationalinstrument, die Duduk – ein der oboe ähnliches Doppelrohrblatt-Instrument aus Aprikosenholz – weltweit bekannt gemacht. Er gastierte in allen Metropolen der Welt und wurde mit nationalen und inter-nationalen Auszeichnungen geehrt. Viele Musiker luden ihn zu gemeinsamen Aufnahmen ein, darunter Fatih Ali Khan, das Kro-nos Quartet, Brian May, Peter Gabriel, Branford Marsalis und unzählige andere.

SA, 18.3. | HEWAR & GäSTE

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Dj IpEK»When Ipek plays, people listen, they dance, they scream, they want more. Soon, all the dance floors of this world will be hers.« – Magazine Sylvia, Stockholm

Sie ist eine der angesagtesten DJs der Berliner Clubszene und wird als »Queen of Eklektik Berlinistan« oder als »Zeremonienmeisterin der transkulturellen Völkerverständigung« (taz) gefeiert: Die international renommierte, mehrfach ausgezeichnete, in Berlin und Istanbul sowie queer lebende DJ und Produzentin DJ Ipek. Spielerisch durchwandert sie unterschiedliche Genres, was ihrer Musik den Beinamen »eklektisch« einbrachte. Dieser vielseitigen Mischung verdankt Ipek auch die Ehrung des Berliner Stadtmagazins Zitty als eine »der wichtigs-ten kulturellen Persönlichkeiten der Hauptstadt«. Als gerngesehener Gast wird Ipek zu Feiern zum kurdischen neujahrsfest newroz eingeladen und hat bereits in vielen arabischsprachigen Ländern aufgelegt, etwa im Jemen, in kurdischen Gebieten im Irak, in ägypten, Tunesien und Marokko.

Für Salām Syria wird DJ Ipek ihre besondere Auswahl an traditioneller und moderner Musik aus Syrien spielen und mit Musikern des Festivals interagieren. So machen Dima orsho, Kinan Azmeh und weitere Musiker den Ausklang des Festivals zu einer großen Party – der ersten in der Elbphilharmonie!

SA, 18.3. | PARTY MIT DJ IPEK

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Wir danken unseren Partnern

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FörderstiFtungenStiftung ElbphilharmonieKlaus-Michael Kühne StiftungKörber-StiftungHans-otto und Engelke Schümann StiftungK. S. Fischer-StiftungHaspa Musik StiftungHubertus Wald StiftungErnst von Siemens MusikstiftungCyril & Jutta A. Palmer StiftungMara & Holger Cassens StiftungRudolf Augstein Stiftung

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sowie die Mitglieder desElbphilharmonie Circle

Die Aufzeichnung der Konzerte in Ton, Bild oder Film ist nicht gestattet.

IMpRESSUMHerausgeber: HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle BetriebsgesellschaftGeneralintendanz: Christoph Lieben-SeutterGeschäftsführung: Jack F. KurfessRedaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta, Fränz Kremer, Michael DreyerÜbersetzungen: transcultura sprachenserviceGestaltung und Satz: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyerDruck: Hartung Druck + Medien GmbH

Anzeigenvertretung: Antje Sievert, +49 (0)40 450 698 03, [email protected]

bILDnAChWEISHannibal Saad (Maryana Golovchenko); opernhaus und Higher Institut von Damaskus (Michael Dreyer); Kinan Azmeh (s/w: Liudmila Jeremies / Porträts: Angie Esperanza, Layale Chaker / Live: Andy Spyra; nDR Bigband (Sibylle Zettler); Syrian Bigband (Mais Shourbaji); Wolf Kerschek (Dagmar Bresel); »Home within« (beide The Festival of World Cultures, Gdańsk); Musiker des Syrian Expat Philharmonic orchestra (alle Rolf Schoellkopf); Projektchor Salām Syria (Jakob Börner); Kai Wessel (Michael Staab); Thaer Eid (Dominique Chabot); AthilHamdan (ola Kabalan); Michael Boder (Alexander Vasiljev); Ibrahim Keivo (Philippe Frese); Moslem Rahal (Andy Spyra); Feras Charestan (Ellen Schmauss); Jivan Gasparyan (Philippe Frese); Maurice Godard (Thomas Radlwimmer); Jasser Haj Youssef (PLC); DJ Ipek (Liudmila Jeremies)

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W W W. E L b p h I L h A R M o n I E . D E