Führung in Zeiten von Corona - changement-magazin.de · Problemen und eine konsequente Abkehr von...

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Führung in Zeiten von Corona Eine solche Krise wie diese hat es zuvor nicht gegeben. Und trotzdem muss es weitergehen. Melanie Enderweit arbeitet im Bereich Strategic Development von Phoenix Contact. Empathie ist gefragt „In Krisenzeiten ist nur noch ein elitä- rer Bruchteil der Belegschaft aktiv daran beteiligt, das Unternehmen am Laufen zu halten. Alle anderen stehen häufig un- gebraucht, uninformiert, unsicher und manchmal auch unbezahlt daneben. Die emotionalen Folgen bei den Mitarbeitern werden meiner Meinung nach schwer- wiegend sein. Die negativen Folgen können durch gute Führung gemildert werden. Diese negativen Folgen können insbe- sondere durch gute Führung gemildert werden. Gute Führung heißt hier: zeitna- he, umfassende Kommunikation, die von Transparenz und Menschlichkeit geprägt ist; gelebte Vorbildfunktion; Besinnung auf die Grundwerte des Unternehmens; Mut sowie Kreativität bei der Lösung von Problemen und eine konsequente Abkehr von Macht- und Kompetenzgerangel. Es bedarf enormen Fingerspitzenge- fühls und Empathie, um dieser für viele Menschen hoch emotionalen Situation gerecht zu werden. So souverän eine Füh- rungskraft auch wirken möchte, sachliche Professionalität oder sogar ein autoritä- rer Führungsstil ist nicht der Modus, mit dem man einer Belegschaft begegnen soll- te, die Angst um ihre Jobs hat.“ Claudia Salowski ist systemische Organisationsberaterin, Trainerin und Coach sowie Inhaberin von beratungwirkt. In die Interaktion gehen „Es geht ums wirtschaftliche Überleben. Die Corona-Krise zeigt vielen gerade sehr deutlich, was Disruption bedeutet. Die Anpassung an neue Gegebenhei- ten und Erfordernisse ist gefragt, das Finden und Umsetzen neuer (digitaler) Wege, auf denen Produkte und Dienst- leistungen die Kunden und Kundinnen erreichen. Für Führungskräfte bedeutet das: Noch mehr als sonst die Überlebens- frage, die Existenzsicherung anschauen, durchdenken, durchsprechen und gestal- ten – und zwar gemeinsam mit Mitarbei- tenden, in Interaktion. Die Corona-Krise zeigt vielen gerade sehr deutlich, was Disruption bedeutet. Der Kernpunkt dabei: Die Erfahrung zeigt, dass es immer dann, wenn es schwierig wird, ein Unterschied ist, wenn unter Anwesenden in die Interaktion ge- gangen wird. In der Corona-Krise ist dies nicht oder nur sehr eingeschränkt, weil eben virtuell möglich. Umso wichtiger wird deshalb, den Fokus bewusst stärker auf die Frage zu legen, wie Interaktion gestaltet wird.“ Randolf Jessl ist Inhaber der Kommunikations- und Leadership-Beratung Auctority. Kante zeigen & vorangehen „Gute Führung setzt endlich wieder auf Sachautorität. Die hatten wir ja leider kleingeredet und aus dem Anforderungs- profil von Chefs gestrichen (anders als Google das tut). Doch Führungsautorität ohne Sachautorität kann weder Sicher- heit noch Orientierung noch Vertrauen geben. Gute Führung managt auch wie- der. Visionen, Charisma und Coaching sind nur die eine Seite der Medaille. Gute Führung managt auch wieder. Gute Führung zeigt Kante (Profil) und übernimmt persönlich Verantwortung. Da hatten wir doch viel an die Schwarm- intelligenz delegiert und in diffusen Gruppenprozessen ertränkt. Sie wagt, voranzugehen und andere mitzunehmen. Kurzum: Gute Führung in und nach der Krise bricht mit den Übertreibungen und Verirrungen der fetten Jahre. Dann wird alles gut.“ Was bedeutet die Corona-Pandemie für die Führung in Organisationen? Was können, was sollten Führungskräfte jetzt tun? Wir haben nach Meinungen gefragt. 6 changement! FOKUS: CORONA

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Page 1: Führung in Zeiten von Corona - changement-magazin.de · Problemen und eine konsequente Abkehr von Macht und Kompetenzgerangel. Es bedarf enormen Fingerspitzenge fühls und Empathie,

Führung in Zeiten von Corona Eine solche Krise wie diese hat es zuvor nicht gegeben. Und trotzdem muss es weitergehen.

Melanie Enderweit arbeitet im Bereich Strategic Development von Phoenix Contact.

Empathie ist gefragt

„In Krisenzeiten ist nur noch ein elitä­rer Bruchteil der Belegschaft aktiv daran beteiligt, das Unternehmen am Laufen zu halten. Alle anderen stehen häufig un­gebraucht, uninformiert, unsicher und manchmal auch unbezahlt daneben. Die emotionalen Folgen bei den Mitarbeitern werden meiner Meinung nach schwer­wiegend sein.

„„ Die negativen Folgen können durch gute Führung

gemildert werden.

Diese negativen Folgen können insbe­sondere durch gute Führung gemildert werden. Gute Führung heißt hier: zeitna­he, umfassende Kommunikation, die von Transparenz und Menschlichkeit geprägt ist; gelebte Vorbildfunktion; Besinnung auf die Grundwerte des Unternehmens; Mut sowie Kreativität bei der Lösung von Problemen und eine konsequente Abkehr von Macht­ und Kompetenzgerangel.

Es bedarf enormen Fingerspitzenge­fühls und Empathie, um dieser für viele Menschen hoch emotionalen Situation gerecht zu werden. So souverän eine Füh­rungskraft auch wirken möchte, sachliche Professionalität oder sogar ein autoritä­rer Führungsstil ist nicht der Modus, mit dem man einer Belegschaft begegnen soll­te, die Angst um ihre Jobs hat.“

Claudia Salowskiist systemische Organisationsberaterin, Trainerin und Coach sowie Inhaberin von beratungwirkt.

In die Interaktion gehen

„Es geht ums wirtschaftliche Überleben. Die Corona­Krise zeigt vielen gerade sehr deutlich, was Disruption bedeutet. Die Anpassung an neue Gegebenhei­ten und Erfordernisse ist gefragt, das Finden und Umsetzen neuer (digitaler) Wege, auf denen Produkte und Dienst­leistungen die Kunden und Kundinnen erreichen. Für Führungskräfte bedeutet das: Noch mehr als sonst die Überlebens­frage, die Existenzsicherung anschauen, durchdenken, durchsprechen und gestal­ten – und zwar gemeinsam mit Mitarbei­tenden, in Interaktion.

„„ Die Corona-Krise zeigt vielen gerade sehr deutlich, was Disruption bedeutet.

Der Kernpunkt dabei: Die Erfahrung zeigt, dass es immer dann, wenn es schwierig wird, ein Unterschied ist, wenn unter Anwesenden in die Interaktion ge­gangen wird. In der Corona­Krise ist dies nicht oder nur sehr eingeschränkt, weil eben virtuell möglich. Umso wichtiger wird deshalb, den Fokus bewusst stärker auf die Frage zu legen, wie Interaktion gestaltet wird.“

Randolf Jessl ist Inhaber der Kommunikations- und Leadership- Beratung Auctority.

Kante zeigen & vorangehen

„Gute Führung setzt endlich wieder auf Sachautorität. Die hatten wir ja leider kleingeredet und aus dem Anforderungs­profil von Chefs gestrichen (anders als Google das tut). Doch Führungsautorität ohne Sachautorität kann weder Sicher­heit noch Orientierung noch Vertrauen geben. Gute Führung managt auch wie­der. Visionen, Charisma und Coaching sind nur die eine Seite der Medaille.

„„ Gute Führung managt auch wieder.

Gute Führung zeigt Kante (Profil) und übernimmt persönlich Verantwortung. Da hatten wir doch viel an die Schwarm­intelligenz delegiert und in diffusen Gruppenprozessen ertränkt. Sie wagt, voranzugehen und andere mitzunehmen. Kurzum: Gute Führung in und nach der Krise bricht mit den Übertreibungen und Verirrungen der fetten Jahre. Dann wird alles gut.“

Was bedeutet die Corona- Pandemie für die

Führung in Organisationen? Was können, was sollten Führungs kräfte jetzt tun?

Wir haben nach Meinungen gefragt.

6 changement!

FOKUS: CORONA

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Alexander Klugeist Geschäftsführer von kluge+konsorten.

Die Kunst, loszulassen

„Wenn es brennt, dann läuft bei der Feuer wehr alles generalstabsmäßig. Je­der Handgriff sitzt, jeder weiß, was zu tun ist, alles ist erprobt, geübt und wird nun exekutiert.

„„ Führungskräfte verwechseln die heutige Lage mit monokausalen

Krisensituationen.

Die Corona­Krise provoziert derzeit ge­nau diese Kommando­Strukturen. Nur dass niemand einen Plan hat. Nichts da­von konnte geübt werden. Warum sehen wir so viele Führungskräfte zurückfallen in alte Muster? Versuchen Entscheider, die Ängste der Mitarbeiterschaft zu ad­ressieren – oder geht es eher darum, die eigenen Ängste zu bekämpfen? Kann man mit mehr Kontrolle in dieser Situ­ation führen?

Führungskräfte verwechseln die heutige Lage mit monokausalen Krisen­situationen. In den ohnehin schon komplexen Zeiten, in denen Ursache­ Wirkungsbeziehungen unklar sind, Ant­worten durch Experimente gefunden werden müssen, Standardrezepte nicht mehr greifen, brauchen wir eines nicht: eine Heerschar straff geführter, aber nicht zu eigenständigem Handeln befä­higter Mitarbeiter. Was wir brauchen, ist mehr Vertrauen, mehr Transparenz, mehr Vorbild und eine hohe Kunst des Führens: Die Kunst, loszulassen.

Axel Kersten ist Organisationsberater, Executive Coach und Inhaber von Axel Kersten Consulting.

Gemeinsam daran wachsen

„Einfach das Krisen­Handwerkszeug rauszuholen wird nicht funktionieren, weil es eine Situation wie diese in der Vergangenheit noch nicht gegeben hat und auch nichts, was damit vergleichbar ist. Es gilt, authentisch zu bleiben, die Herausforderung für sich anzunehmen und gemeinsam mit dem Team daran zu wachsen.

„„ Zuhören, Zeit geben, den unterschiedlichen Persönlichkeiten und Bedürfnissen gerecht

werden.

Flugbegleiter sagen vor Abflug sinnge­mäß: Im Krisenfall bitte erst selbst die Maske aufsetzen, dann anderen helfen. Das gilt auch für die Corona­Krise. Ich muss als Führungskraft kein perfekter und einsamer Held sein, aber ich soll­te mit mir selbst beginnen. Wie geht es mir? Was gelingt schon? Wo tue ich mich schwer? Welche Elemente meines Füh­rungsstils helfen mir, welche sollte ich in diesen Zeiten anpassen?

Gegenüber dem Team ist dann eine hilfreiche Frage: Was braucht ihr von mir, wie kann ich euch unterstützen? Zu­hören, Zeit geben, den unterschiedlichen Persönlichkeiten und Bedürfnissen ge­recht werden. Konzeptempfehlungen zur Vertiefung sind dabei: Growth Mindset und Servant Leadership.“

Steffi Gröscho ist Geschäftsführerin von perlrot. collaboration and communication.

Neue Wege der Beteiligung

„Ich denke, man könnte all die gute Ener­gie von #WirVsVirus, dem Hackathon der Bundesregierung, auch in ein Unterneh­men bringen. Es muss kein Hackathon sein, aber die Idee dahinter. Wir könnten versuchen, neue Wege der Mitarbeiter­beteiligung im Krisen­Handling aus­zuprobieren. #WirVsVirus hat gezeigt, dass Menschen zu Krisenbewältigungen beitragen wollen, dass die Problemanaly­sen von diversen Personen – auch Fach­fremden – einen breiteren Blickwinkel ergeben, und dass mitunter Ängsten ent­gegenwirkt wird sowie in kürzester Zeit beachtliche Lösungen vorliegen.

„„Wir könnten versuchen, neue Wege der Mitarbeiterbe-teiligung im Krisen-Handling

auszuprobieren.

Was wäre, wenn Führungskräfte allen Mitarbeitenden die Gelegenheit ge­ben würden, an Fragen zu arbeiten wie zum Beispiel: Vor welchen Problemen stehen wir im Unternehmen derzeit? Welche könnten noch eintreten? Wel­che Challenges für unser Unternehmen können wir daraus formulieren? Wel­che Lösungsansätze finden wir? Welche Herausforderungen hat Corona bisher für uns gepusht und welche Übergangs­lösungen sollten wir nach dem Ende der Krise unbedingt beibehalten? Es funktio­niert. Auch im Homeoffice.“

704 MAI 2020

FOKUS: CORONA