filmab! 2007 #1

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begleitzeitschrift zum filmkunstfest MV ausgabe 1 2. mai 2007 Interview mit Katharina Tahlbach und Axel Prahl Über die Reize von Donald Duck und generelle Probleme mit Enten

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Ausgabe 1 - 2. Mai 2007 Das unabhängige Magazin zum 17. filmkunstfest Schwerin. Herausgegeben vom Jugendmedienverband MV.

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begleitzeitschrift zum filmkunstfest MV

ausgabe 12. mai 2007

Interview mit Katharina Tahlbach

und Axel PrahlÜber die Reize von Donald Duck

und generelle Probleme mitEnten

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editorial impressum Seite 2

LeitungIna Diedrich [id], Anne-Christin Mook [acm]

KontaktKlöresgang 419055 SchwerinTel: (01 78) 615 74 71E-Mail: [[email protected]]Homepage: [ http://filmab.jmmv.de ]

V.I.S.D.P.Anne-Christin Mook

RedaktionFelicia Schneiderhan [fa],Johannes Haefke [joh], Marco Herzog [mah], Juliane Linke [jul], Carolin Weidner [caw], Anne-Christin Kozian [ack],Falko Richter [fr]

BildredaktionFalko Richter [fr]

LayoutCaroline Arndt [ca], Katharina Bluhm [kb]

Titelbildkaren by grafikjungs.de

Belichtung und Druckc/w Obotritendruck, Münzstr. 319055 Schwerin

Auflage350Ausgabe01/2007

impressum

Die filmab! ist eine unabhängige Begleitzeitschrift desJugendmedienverbandes MV e.V. zum filmkunstfestMecklenburg-Vorpommern.

Die Meinung der Autoren muss nicht mit der Meinung derRedaktion übereinstimmen. Wir danken der Friedrich-Ebert-Stiftung, DJV-MV, Terra Nord, Falkos Eltern,Carlines Mama, Falkos Mitbewohnern, Johann Hüttner,Detlev Lüth, Marko Zeglin, Marieke Sobiech, Moe, KarenObenauf, Herrn Piper, den Falken, Landesjugendring MV,Hospiz-Verein Schwerin, Obotritendruck

Der Schock kam am Mittwoch,25. April, drei Tage bevor unsere

Redakteure in Schwerin anreisensollten. „Habe gerade mit demHausmeister telefoniert. Wir habeneinen Rohrbruch in unsererWohnung und können sie nichtbeziehen", hieß es in der Mail.Wumm, das saß, ein unangenehmesGefühl in der Magengegend. ZweiLayouter, zwei männliche Mädchen-für-Alles, zwei Chefredakteurinnenund sieben Schreiberlinge ohneObdach - was machen wir nun?Die Antwort kam kurze Zeit später,denn eine Ersatz-Wohnung warbereits gefunden. Und so hat nichtnur das 17. filmkunstfest, sondernauch die mittlerweile 14. filmab!einige Neuheiten zu bieten. Sei es

nun eine Einbau-Küche, die dieAnnehmlichkeiten eines Ofens statt

wasser-rohr-bruch

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inhalt Seite 3

editorial/ impressum 02inhalt 03programm 16

filmSF Yella 04KF L.H.O. 06SF Du bist nicht allein 07Interview mit Katharina Thalbach und Axel Prahl 08SF Neandertal 10SF Preußisch Gangstar 12KF Wie ich ein freier

Reisebegleiter wurde 13Paradise Now 14

kunstVideoinstallation 15

festVeranstalterwechsel 05Eröffnungsveranstaltung 11

inhalteiner Camping-Herdplatte beinhaltetoder die Verdopplung der Bäder,deren Anzahl nun auf ganze zweigestiegen ist. Ganz besonders her-vorzuheben sei an dieser Stelle

allerdings das revolutionäreQuerformat, das eine lange

Redaktionsdiskussion vor sich hatte,bis es seinen Siegeszug antreten konn-te.Doch wie die Misere mit dem fehlendenLogo und dem Schwan, der seineKoffer gepackt hat, stehen auch wirvor einigen Problemen. SämtlicheVersuche, Internet zu bekommen,schlugen fehl.

In diesem Sinne: Auf ein Neues!

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Ein Auto fährt eine Brücke über einenFluss entlang, „Ich liebe dich Yella“sind die letzten Worte vom Fahrersitz.Ben reißt das Lenkrad nach links, dasFahrzeug durchbricht das Geländerund stürzt samt Insassen in die Tiefe.Wenige Minuten später findet sichYella (Nina Hoss) am Ufer wieder, völ-lig erschöpft und bereit, vor dem Ex-Freund zu flüchten, in der Hoffnungauf ein neues Leben, ohne nervendesAnhängsel. Doch leider schlägt dieszunächst einmal fehl, denn der neueBoss wird von dem Besitz seinerFirma enthoben. Nun steht sie da,ohne Geld und Aussicht auf denerhofften Neuanfang. Doch manchmalpassieren interessante Zufälle. Einneugieriger Blick und alles wirdanders.Die Hauptakteure in diesem Film sindnicht so normal wie es zunächst denAnschein hat, aber gerade das machteinen gewissen Reiz aus: zu sehenwie sich die Charaktere entwickelnund wie sie wirklich sind. Die ver-meintlich heilen Fassaden bröckeln im

Laufe des Films mehr und mehr unddas wahre, psychisch gestörte Ichkommt zum Vorschein. Traumartige Visionen und spannendeZeitsprünge verfolgen Yella den gan-zen Film über, eine Folge des Unfalls?Es ist nicht das erste Mal, dassChristian Petzold solche Elemente ineinem seiner Filme einbaut, wie er esbeispielsweise bei „Gespenster“(2005) schon tat. Dem Zuschauer wirdvon Christian Petzolds mittlerweilesechstem Film eine Geschichte zwi-schen Wahrheit und Traum, Liebe undWut, Leben und Tod gezeigt, die sichzu einem mehr als nur interessantenEnde zuspitzt.Und was hat es mit dem Krähenge-schrei und der Mondscheinsonate aufsich? Finden Sie es heraus! Auf jedenFall ist dieser Film es wert, wenn nichtsogar ein Muss, zweimal angeschautzu werden. [mah]

film SF Yella Seite 4

Zwischen Traum

und Wahrheit

Die Orange ist die Verbindung zwischen Altem

und Neuem.

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filmkunstfest veranstalterwechsel Seite 5

Zum bereits 17. Mal lebt Schwerin in derersten Maiwoche auf; Regisseure,Schauspieler und Musiker geben sich dieEhre. Doch dieses Jahr verkünden dieBanner einen neuen Namen: Das „filmkunst-fest Mecklenburg-Vorpommern“ hat seineTore geöffnet.Für den Besucher in Schwerin wird sich nichtviel ändern, sowohl der Kurzfilm- als auchder Spielfilmwettbewerb, die Länderreihe unddie Werkstatt der Künste bleiben uns erhal-ten. Die klassischen Programmpunkte derletzen Jahre finden also auch dieses Jahrstatt und man hat sogar einen Tag längerZeit, das vielseitige Programm auszukosten.Warum also der neue Name und wo ist derSchwan geblieben?Als neuer Betreiber des Schweriner

Filmfestivals wurde im April 2006 derFilmboard e.V. gegründet, welcher auch dieSchulkinowochen in unserem Land veran-staltet. Mit diesem Betreiberwechsel ist dasalte Logo und damit der Schwan auf derStrecke geblieben. Um nächstes Jahr wie-der ein wenig Kreativität in die Plakate ein-fließen zu lassen, wurde ein Wettbewerbausgerufen, unter dessen Einsendungenman bis einschließlich Freitag im Capitol einneues Logo wählen kann.Doch nun zu der eigentlichen Neuerung:Neben der Verlängerung des Festivals istdas Konzept von filmkunstfest on Tour hin-zugekommen. Im Laufe des Jahres sollenausgewählte, prämierte Filme der letztenJahre zusammen mit Lesungen undKonzerten durch das Land reisen. AlsVorbild dienen die erfolgreichen FestspieleMV. „Wir wollen das filmkunstfest ins Landtragen“, so Hasso Hartmann, künstlerischerLeiter des filmkunstfests. Termine für diesesJahr stehen aber noch nicht fest.Hinter den Kulissen ist also noch viel zutun. Wir lassen uns überraschen, was dieerste Tour bringt und freuen uns auf interes-sante Filme hier in Schwerin. [fr]

Ein Logovorschlag ausder Redaktion:Wenn nicht Schwan,dann eben Ente.

Alles neuund dochwie immer

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film KF L.H.O. Seite 6

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Millionen von Verschwörungstheorien ranken sich

um den Tod JFKs am 22.11.1963.

Ein Kopfschuss, eine schreiende Jackie - und John F. Kennedy, Paradesymbol des

neuen modernen Amerikas, findet den tragischen Tod inmitten einer Masse euphorie-

sierter Chicagoer. Millionen von Verschwörungstheorien und mindestens 345 623 davon

fokussieren den vermeintlichen Todesschützen Lee Harvey Oswald. Ein Attentat,

Anschlag eines psychopathischen Mörders, so die offizielle Erklärung.

Oder war doch alles ganz anders? Was hat ein wackliges Bücherregal mit verstaubter

US-amerikanischer Fachliteratur und noch dazu lockere Schrauben mit dem Tod einer Legende zu tun? Drei

aufklärende Minuten bringen Licht in das Dunkel und nehmen Brigaden von Spekulanten sämtlichen Wind aus

den Segeln. Allein bleibt der Zuschauer mit einem schiefen Elvisgrinsen auf den Lippen, hin- und hergerissen

zwischen Unglaube und Amüsiertheit. Drei Minuten banale Zufälle über Sandwiches, ein zusammengepferch-

tes Archiv und einen der größten SuperGAUs jüngster amerikani-

scher Geschichte.

Zum Schießen… [caw]

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film SF Du bist nicht allein Seite 7

Frau Moll (Katharina Thalbach) findet Arbeit- eine Perspektive, die schon lange zuvor indie Sphären des Unerreichbaren entrückt zusein schien. Damit und mit dem Einzug derschönen, temperamentvollen RussinJewgenia (Katerina Medvedeva) in dieNachbarwohnung der Familie Moll, nimmtdie Geschichte ihren Anfang. Es beginnt dieWandlung vierer Menschen, die inmittenvon Plattenbautristesse und bitteremArbeitslosenalltag die Chance auf eineVeränderung, auf einen Weg aus derPerspektivlosigkeit wittern.Da ist Herr Moll (Axel Prahl), der sich blind-links und unbeholfen indie Verliebtheit zur neuenNachbarin stürzt. Da istaber auch Frau Moll, diesich nicht eingestehenwill, wie ihr Mann sichimmer weiter von ihr ent-fernt. Und da sind nochSylvia Wellinek (KarolineEichhorn), die sich mit derSynchronisation vonzuerst Zeichentrickfilmenund später Sexclips überWasser hält, und ihr

Exmann, Kurt Wellinek (Herbert Knaup), ein ehemaliger Physikprofessor, dersich in einem Moment größter Auswegslosigkeit von einem früheren Studentenin der grotesken Verkleidung eines übergroßen Handys an sein früheres Lebenerinnert fühlt. Und schließlich ist da noch der Gummibaum, „dit tollste wat etjibt“.„Du bist nicht allein“ von Bernd Böhlich ist ein wunderbar komischer Film überMenschen, die sich trotz aller widrigen Umstände ein großes Herz bewahrthaben; über Menschen, die den Versuch, ein würdiges Leben zu führen auch in

Zeiten massiver Arbeitslosigkeitnoch nicht aufgegeben haben.Seine Unmittelbarkeit geht vorallem von dem hervorragendenEnsemblespiel aus. Sehr gelassenund voller Ruhe dokumentiert dieKamera den Aufbruchprozess. Am Ende begegnen wir zwar nochimmer nicht den „großenGewinnern“, aber es hat sich dieHoffnung eingeschlichen. Schonzugefallen gewähnte Türen wer-den erneut aufgestoßen und neue,unbekannte geöffnet. [jul]

„Dit is'n Jummibaum“

Die Hauptdarsteller und der Regisseur bei der Pressekon-ferenz am 1. Mai 2007 im Schleswig-Holstein-Haus.

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film Interview Seite 8

Regisseur Bernd Böhlich hat betont, dassausschließlich Sie beide für die Hauptrollenin Frage kämen. Hat das einen besondershohen Erwartungsdruck auf Sie gelegt?Prahl: Nee, eher hat man sich ermutigt gefühlt…Thalbach: …und adoptiert. Er wollte uns ja,dann muss er mit dem leben, was er bekommt.Bargen Ihre Rollen auch unerwarteteHerausforderungen?

Über die Reize von Donald Duck und generelle Probleme mit Enten

Auf dem diesjährigen filmkunst-fest feierte Bernd Böhlichs Film„Du bist nicht allein“ seineUraufführung. Wir sprachen mitden beiden HauptdarstellernKatharina Thalbach und AxelPrahl über den Film, schmerzhafteArschbomben und Federvieh.

sie gewagt haben. Es findet ein Aufbruch statt. Das ist durchaus posi-tiv. Dass der Film dann trotzdem auch eine gewisse Traurigkeit undjemanden zurücklässt, ist natürlich tragisch.Kann man von Ihren Filmfiguren auch etwas lernen?P: Von Herrn und Frau Moll lernen…P & T: …heißt siegen lernen!P: Ja, vielleicht: Es ist nie zu spät.T: Ich tue mich immer schwer mit dem "Was-lernen-wir-daraus". Ichfinde, wenn man das erklären kann, stimmt irgendetwas nicht. EinFilm ist ja auch eine Form der Poesie. Und Poesie kann man ja nichtimmer erklären. Wenn Kunst, ob das Kino, Theater oder Bilder sind,in irgendeiner Weise dazu beiträgt dieses Leben zu überleben ist dasgroßartig.Frau Thalbach, lassen sie sich bewusst nicht auf eine bestimmteRolle festlegen? T: Ich habe Freude daran, zu wechseln. Auch wenn das gerade inder Fernsehlandschaft schwierig ist. Ich spiele viel Theater und daachte ich schon darauf, dass ich ein möglichst großes Spektrumhabe. Ich hab es nun auch auf Männerrollen erweitert. Herr Prahl, Sie mimen immer wieder diesen bestimmten TypusMann, der leicht in die Schublade des Verlierertypen gesteckt zu

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Seite 9P: Also, für mich gab es durchaus eine unerwar-tete Herausforderung, nämlich den Sprung vom5-Meter-Turm, die Arschbombe… T: …wo ich leider nicht dabei war…P: Da hatte ich hinterher ein riesen Ödem amOberschenkel. Das Ding musste näm-lich 15 Mal gedreht werden. Ich muss-te da immer wieder hoch. Außerdemwar dieser 5-Meter-Turm ein 7-Meter-Turm, weil es gar keinen 5-Meter-Turm gab. Ja, das war toll…T: Also meine Herausforderung wardie Drehnacht mit der Ente. Ich hattenoch nie als Drehpartner eine Ente,mit der ich mich auch unterhalte unddann noch mit nacktem Hintern. Dasdrohte schief zu gehen, weil die Ente entwederzu sehr an mir interessiert war oder mich absolutignorierte.Wie war es für Sie in diesem Film eine Rollekomisch darzustellen, die für viele Menschenheute in Deutschland bittere Realität ist?P: Ich finde, dass man solche Problematikeneigentlich nur mit einer gewissen Portion Humordurchstehen kann. Humor ist für mich eine derlebenswichtigsten Sachen überhaupt.Würden Sie das Ende als Happy End bezeich-nen?P: Es geht um Personen, die sich in einembestimmten Alter die Frage stellen, was sie bis-her aus ihrem Leben gemacht haben und was

werden droht. Haben Sie nicht manchmal Angst darauf festge-legt zu werden? P: Die Charaktere unterscheiden sich schon inhaltlich und in derklassischen Tragödie ist eigentlich immer der Verlierer eine derHauptfiguren und insofern ist Donald Duck dann am reizvollsten.

T: Also ich wollte immer Dagobert sein oder diePanzerknackerbande.P: Gustav Gans dagegen möchte keiner sein,oder Daniel Düsentrieb - der ist doch auch völligStulle, oder?T: Aber sein Helferlein mochte ich immer. P: Ja, der mit der Glühbirne…Den hätte ich auchgerne gespielt.Haben Sie noch Projekte, die sie unbedingtrealisieren wollen?P: Ich würde wahnsinnig gerne mal einen

Märchenfilm drehen. Ich versuch schon jahrelang den Andy Dresendazu zu überreden, aber…T: Ich hab gerade Rumpelstilzchen gespielt. P: Ehrlich? Du wirst lachen: Am Theater, da war das mal angesetztund ich war auch besetzt für das Rumpelstilzchen. Ich hatte michschon so gefreut. Dann guck ich auf den Besetzungsplan und da hat-ten sie fürs Rumpelstilzchen einen Liliputaner eingekauft (lacht). Undich spielte dann den Diener des Königs. T: Nicht mal den Prinzen? P: Nee, Prinzen durfte ich nie geben. Ich war eher immer die kleinedicke Tanne zu Weihnachten.

Das gesamte Interview, ungekürzt und in voller Pracht, gibt es auf [ http://www.filmab.jmmv.de ][jul / acm]

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film SF Neandertal Seite 10

Ein Hautmensch werden, den Genuss der strei-chelnden Hand eines Mädchens, den Schmerzeines gegen die Brust prallenden Fußballes, alldas will Guido spüren.Als letzte radikale Einschnitte nicht die erhoff-te Besserung verschaffen und das Leben als

Hautmensch in weite Ferne rückt, stößt Guido auf Rudi,Kumpel seines älteren Bruders, der ihn auf keinem gewöhn-

lichen Weg aus dem Irrgarten zu führenvermag. Denn Rudi kommt mit einergewaltigen Heckenschere und stutztGuidos dunkle, nüchterne und introver-tierte Welt zu einem farbenfrohen,berauschendem Fest voller Drogenund Skurrilitäten. Und da steht erplötzlich, der Pott voll Gold, dasLeben ohne Neurodermitis. Aber dort wartet auch dieErkenntnis, dass Krankheiten wieEgoismus, die die Menschen voninnen auffressen und sie dazu

führen lassen, sich gegenseitig kaputt undblutig zu kratzen, um einiges komplizierterzurechtzuschnibbeln sind,als mit einerHeckenschere. Kleine Farbdiamanten,wilde Kameraexperimente undAusflüchte in visuelle Traumweltenwechseln mit Guidos farbgefilterterRealität. Sie nehmen denZuschauer mit auf seine Suche,oder doch eher Reise? [caw]

Wie werde ich ein Hautmensch?

Wir begeben uns auf eine Reise, oder sollte ich bes-ser schreiben auf eine Suche? Guido sucht, Guidofindet und Guido ver-liert auch alles wie-der so plötzlich, wieder Zufall ihm dasvermeintliche Endeseines Wegesbeschert hat.Er rast durch einLabyrinth, gerät inSackgassen und hofftdoch auf den Pottvoll Gold am Endedes Regenbogens.Ziel dieser Reise ist aber kein simpler Tontopf mitMünzen. Guido will seinen ständigen Begleiter, dersich immer wieder geräuschvoll und farbecht in dieSzenen drängt und ein unangenehmes Kribbeln aufdem Körper des Betrachters hinterlässt, loswerden.Seine Haut, die eigentlich keine Haut, sondern einjuckendes, blutendes Korsett ist, welches ihn schonsein ganzes Leben einschnürt. Der Feind hört auf denNamen Neurodermitis und führt ein anstrengendesEigenleben.

Guido zeigt Rudi seine Krätzekunst.

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19.30 Uhr am 1.Mai: Feiertag der Nationund auch für uns ein Tag der Freude. ImSaal 1 des Capitols ist die Bühne in lila-rotes Licht getaucht und man hört dieLeute blubbern. Hasso Hartmann, künstlerischer Leiterdes filmkunstfests Mecklenburg-Vorpommern, tritt hinter das Rednerpultund reflektiert die Entwicklung des inzwi-schen 17-jährigen, pubertierenden undPickel tragenden Festivals, das dieSchwelle zur Vollmündigkeit erreicht hat.Bereits in der befruchteten Eizelle trugdas filmkunstfest die Gene vonKontinuität und Neuem in sich und griff inseiner Jugend immer wieder auf diesesErbgut zurück. Wichtig ist Hartmann beiseiner Rede aber vor allem der Verweisauf ein Zitat Tarkowskis, in dem derRegisseur Film nicht als Spiegel derRealität, sondern als Spiegel der Seele,in der sich die Wirklichkeit bricht,beschreibt. Mit einem Verweis auf daszum 5. Mal im Rahmen des Festivals

stattfindende Volleyballturnier zeigtHartmann die positive Wirkung des film-kunstfests auf Seele, Geist und Körper –und vermittelt damit den Eindruck, wiralle unterzögen uns einer Kneippkur.Aber was dann folgt, sollte alles andereals erholsam sein... Das Elend beginnt mit der Rede desBildungsministers. Henry Tesch propa-giert das Filmland MV und vergisst imLaufe seiner ausführlichen Aufzählungenvon herausragenden Filmbeiträgen fastdas Ende seiner Rede. Nach verhältnis-mäßig kurzen Ausführungen des norwe-gischen Botschafters Tore Godal unddes Schweriner OberbürgermeistersClaussen tut sich vor uns der Abgrundauf: Die Laudatio von Dr. Nordmann,dem Intendanten der Festspiele MV.Über Caspar David Friedrich hin zumNahem Osten, auf Umwegen zurBacksteingotik erreichen wir nach einemmehr oder weniger langem Schlenkerwieder den ersehnten Hafen und damit

das eigentliche Thema: die Verleihungdes Medien-Ehrenpreises desOberbürgermeisters. Interessanterweisegeht dieser an Gerd Schneider, Direktorvom Landesfunkhaus des NDR, der –großes Huch – wiederum einer derSponsoren des filmkunstfests ist. Getreuseines Lebensmottos bekommt GerdSchneider („der Mann der 1000 Ideen imLand der 1000 Seen“) das aus„Begegnung – Berührung – Kuss“ beste-hende Komplettpaket überreicht.Versandkostenfrei, versteht sich.Die langen Intermezzi, verursacht durchdie „Stadtmusikanten“ der RostockerHochschule für Musik und Theater, nut-zen dann viele für den Gang zum Klo.Spätestens nach dem Abschlusslied„Everybody knows“ wissen alle – Alleshat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.[acm / ack]

Die Leiden des jungen filmkunstfests - Ein Drama in drei Akten -

Die erste Reihe lauscht und schaut.

Minister Tescham Rednerpult.

filmkunstfest eröffnungsveranstaltung Seite 11

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Weißt du, wie es ist,

wenn du einfach

nichts hast?

Nur an die Decke glotzt

und einfach nichts machst?

Ich hab kein' Respekt!

Glaub mir ich bin krank!

Spast, deine Augen sagen,

dass du Opfer vor mir Angst hast!

film Spielfilm Preußisch Gangstar Seite 12

Schnee fällt leise zu Boden, im kleinen Örtchen Buckow bekommendie Schüler ihre Zeugnisse und der Weihnachtsmann wird bald vor derTür stehen. Eine graue Idylle – scheinbar. Doch der Schein trügt. Wasman nicht auf den ersten Blick sieht, wenn es einen dorthin verschla-gen sollte, zeigt dieser gemeinschaftliche Debütfilm der RegisseureIrma-Kinga Stelmach und Bartosz Werner. Eine Subkultur, wie es sievielerorts gibt, aber den meisten bleibt der Einblick verwährt.

Schrei in die Stille

Der Zuschauer begleitet den Alltagvon drei jugendlichen Rappern;geprägt von Gewalt, Drogen,Lügen aber auch von Zärtlichkeitund der lebenswichtigen Musik.Dabei spielt die Kameraführungeine spezielle Rolle. Sie ist eine Artgeheime Beobachterin, bedachtdarauf, sich nicht allzu sehr denProtagonisten zu zeigen. Diesschafft eine sehr intensive undinteressante Blickweise auf dasGeschehen der jungen MCs.

Es werden Kontroversen aufgezeigt, die man so nicht vermuten würde. Einerseits die harte Schale, die im Kreise derGleichaltrigen die Coolness aufrecht erhält, andererseits der weiche Kern, der der Familie und der Freundin vorbehalten ist.Zunächst wird die graue Welt draußen präsentiert und später die schillernde bunte Welt in den Clubs, wo man "fette" Raps mitprovokativen Texten zu hören bekommt. Ein Leben ohne Perspektive treibt die jungen Menschen zu Gewalt und Drogen.Manche von ihnen haben schon einige Zeit hinter schwedischen Gardinen verbracht, doch das hält sie nicht von neuenStraftaten ab. Dieser Film zeigt auf, wo die Politik handeln muss, um jungen Menschen zu zeigen, dass es noch andereLebensinhalte gibt. Einige versuchen, sich mit der Musik eine Stimme zu verschaffen, doch ohne ein offenes Ohr kann auchder lauteste Schrei nicht gehört werden. [mah]

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film kf wie ich ein freier reisebegleiter wurde Seite 13

Nun ja, an diese und andereFormulierungen gleicher Art wird sich deraufmerksame Zuschauer wohl gewöhnenmüssen. Der etwas eigenwillige Film „Wieich ein freier Reisebegleiter wurde“ profitiertdavon allerdings gleichermaßen wie vonder außergewöhnlichen Handhabung derKamera, die kurzerhand ihre Authentizitätdank eines Brotkostüms verliert. Etwas irri-tiert? Ein gewünschter Nebeneffekt desRegisseurs, der mit seinem Film durch dieunkonventionelle Umsetzung dokumenta-risch ernsten Stoffes brilliert. So legt ereinen sozialpolitisch-kritischen Sprengsatzaus, den er durch ironische Selbstversuchezündet. Rücksichtslos stößt er den

Zuschauer mit der Nase voraus auf gesellschaftliche Missstände, die vorallem im Deutschland von heute von aktueller Brisanz sind. Zentralthema istdas Arbeiten am untersten Limit der Einkommensgrenze. Ort desGeschehens: Frankfurt Flughafen. Der Hauptdarsteller, der gleichzeitig alsErzähler fungiert, führt den Zuschauer direkt zum Wundherd der deutschenMisswirtschaft. Hier stellt er Menschen vor, die sich durch Flaschenpfand undGruppentickets der deutschen Bahn ihren täglichen Lebensunterhalt verdie-nen müssen. Die Unmittelbarkeit, mit der der Zuschauer diesePersönlichkeiten erlebt, macht die inhaltliche Faszination dieses Streifensaus. Gesellschaftlich pikierte Distanz wird hier durchbrochen und dasIndividuum hinter dem Typus des Sozialhilfeempfängers beleuchtet. Das ver-leiht dem Film eine sehr menschliche Note und fordert den Betrachter auf,sich mit diesen Menschen auf gleicher Augenhöhe auseinander zu setzen.Alles in allem ein sehenswerter Film, der vor allem durch seine Prägnanzbesticht. [fa]

„In diesem Anzug war ich die humanoide Verlängerung desAutomaten“, stellt der Haupt-darsteller dieses Kurzfilmszufrieden fest. Verwunderlich? Fast wie Monopoly

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film Paradise Now Seite 14

Said und Khaled wachsen imisraelisch besetzten Nablus(Palästina) auf. Die beiden sindgute Freunde, und beide sindsie wütend über die allgegen-wärtigen Missstände inPalästina. Frustration, Perspek-tivlosigkeit und Armut sind ihreständigen Begleiter. Sie gebenIsrael und dessen Besatzungs-politik die Schuld daran undstellen sich in den Dienst einerterroristischen Organisation. Nach einer Bombenexplosion in Nablus werden die beidenProtagonisten „auserwählt“ aus Rache ein Selbstmordan-schlag in Tel Aviv zu begehen. Zunächst ist Said verunsichertund Khaled derjenige, der keine Fragen stellt, den Auftrageinfach nur ausführen will. Nachdem jedoch das erste Attentatfehl schlägt, stehen sie abermals vor der Entscheidung sichfür oder gegen den gewalttätigen Widerstand zu entschlie-ßen. Suah, eine Freundin, versucht mit allen Mitteln, die bei-den vom friedlichen Widerstand zu überzeugen, erreichtdamit allerdings nur Khaled. Und so wendet sich die innereÜberzeugung der beiden. Während Khaleds Unentschlossen-heit durch das unmenschliche Vorgehen der

Terrororganisationwächst, ist Said festentschlossen denAnschlag durchzu-führen.Im Focus steht dasGefühlschaos Saidsund Khaleds. DerRegisseur HanyAbu-Assad verzichtetdabei aufHintergrundmusikund auffällige

Geräuschkulisse. Er unterstützt allein durch detaillierteAufnahmen der Gesichter auf eindrucksvolle Art die emotio-nale Verfassung der Attentäter.Das Polit-Drama berührt, ohne sentimental zu sein. ParadiseNow ist kein Film der Opfer, er dokumentiert den innerenKonflikt zweier Selbstmordattentäter und ihre Beweggründe.Der Film reduziert sie nicht auf gefühllose, monströs agieren-de Fanatiker, er zeigt sie als Menschen, die sich einerseitsgegenüber der terroristischen Organisation verpflichtet fühlenund andererseits mit ihrer inneren Zwiespältigkeit kämpfen.[ack]

„Es werden zwei Engel kommen, die euch abholen.“

...das verspricht man Selbstmordattentätern.

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kunst Videoinstallation Seite 15

Installation ála surprise

da es durch sein Nicht-betrachtet-werden dem Kunstliebhaber ernsthafteSchmerzen erspart. In neandertal-ähnlicher Rückenkrümmung muss der

kompromisslose Betrachter vor einer fingernagelgroßen Öffnung verhar-ren und größtmögliches Geschick aufbringen, um die dürftige

Filmsequenz optisch zu erfassen. Diese scheint nicht mit der proviso-rischen Öffnung überein zu stimmen und verlangt dem Betrachterakrobatische Schiel-Künste ab, die je nach Beschaffenheit desAugenmuskels früher oder später, höchstens aber nach zehn endlo-sen Sekunden, zu extremen Augenschmerzen, Augentrockenheitund unter Umständen sogar zu kurzzeitigem Orientierungsverlust

führen können. All dies würde der kompromisslose Betrachter für einemitreißende oder wenigstens ansprechende Vorstellung selbstver-ständlich in Kauf nehmen. Doch darauf wartet er vergeblich. Natürlich,Kunst ist subjektiv. Aber mal ehrlich, wer lässt sich unter denkbarschlechten physischen Komfortverhältnissen von einerVideoinstallation mitreißen, die durch blühende Langeweile besticht?Wir haben als Betrachter die einmalige Gelegenheit einer Frau dabeizuzusehen wie sie mit der Schnelligkeit einer Schildkröte eine kitschi-ge samtverpackte Treppe hinunter schreitet und dabei gelegentlich mitbedächtiger Langsamkeit ein Kleidungsstück überstülpt. Dabei zeigtsie die Grazie einer Elefantenkuh und den Elan eines Maulesels. Dienorwegische Künstlerin hat es sich nicht nehmen lassen, diese einzig-artige Mischung mit der Abwechslung und der Faszinationskraft einerEndlosschleife zu würzen. Der durchschnittliche Betrachter brauchtetwa 5 Sekunden, um all diese Eindrücke aufzunehmen und zu verar-beiten, dann meldet sich ohnehin entweder sein Auge oder seinRücken und zwingt ihn zum Rückzug. Enttäuscht wird er sich abwen-den und schadenfroh den Platz für den nächsten in der Warteschlangeräumen. [fa]

Auf der Suche nach AnneKatrine Dolvens vielgepriesenem Kunstwerkmuss ich dreiMuseumsherumsteherzu Rate ziehen, bis ichschließlich vor einerunscheinbaren Türestehe. Als Kunstwerkver-packung hätte sie nichtbesser gewählt werdenkönnen; am Ende derGalerie im StaatlichenMuseum, in eine Eckegepfercht, fast wandfar-ben: ein Kunstwerk, dasssich raffiniert vor demBetrachter tarnt. Das hates erstens auch nötigund erweist sich zwei-tens somit als ausge-sprochen altruistisch.Ersteres, da es in keins-ter Weise hält, was aus-gewiesene Kunstkennerversprachen; letzteres,

In Farbe ist es auchnicht besser ...

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S p i e l f i l m w e t t b e w e r b

H o m m a g e H a n n e l o r e E l s n e r

L ä n d e r r e i h e N o r w e g e n

D o k f i l m - N e w s

A r t e - F o y e r

N D R - S p e c i a l

17.00 Uhr Preußisch Gangstar von Irma-Kinga Stelmach und Bartosz Werner 18.30 Uhr Du bist nicht allein von Bernd Böhlich 19.30 Uhr Yella von Christian Petzold 22.00 Uhr Neandertal von Ingo Haeb und Jan-Christoph Glaser

21.00 Uhr Hamsun von Jan Troell 22.30 Uhr Der Himmel stürzt ein von Gunnar Vikene

15.00 Uhr Die endlose Nacht von Will Tremper 20.30 Uhr Aus dem Leben eines Taugenichts von Celino Bleiweiss

17.45 Uhr Wallenstein - Herzog von Mecklenburg & Fürst Pribislaw von Jörg Willbrand 20.00 Uhr Brennendes Herz von Manfred Stelzer

15.30 Uhr Schattenväter von Doris Metz 17.30 Uhr Der unbekannte Soldat von Michael Verhoeven

15.00 Uhr Paul-Klee - Die Stille des Engels von Michael Gaumnitz Staatliches Museum

programm mittwoch, den 2. mai 2007

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Capitol 2Capitol 1

Capitol 5Capitol 3

Capitol 3Capitol 3

Capitol 3Capitol 3