filmab! 2007 #2

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ausgabe 2 3. mai 2007 Schwarze Schafe Der Film mit Tom Schilling und Robert Stadlober begleitzeitschrift zum filmkunstfest MV

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Ausgabe 2 3. mai 2007 Das unabhängige Magazin zum 17. filmkunstfest Schwerin. Herausgegeben vom Jugendmedienverband MV.

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ausgabe 23. mai 2007

Schwarze SchafeDer Film mit

Tom Schilling undRobert Stadlober

begleitzeitschriftzum filmkunstfest MV

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editorial impressum Seite 2

LeitungIna Diedrich [id], Anne-Christin Mook [acm]

KontaktKlöresgang 419055 SchwerinTel: (01 78) 615 74 71E-Mail: [[email protected]]Homepage: [ http://filmab.jmmv.de ]

V.i.S.d.P.Anne-Christin Mook

BildredaktionFalko Richter [fr]

LayoutCaroline Arndt [ca], Katharina Bluhm [kb]

Titelbildkaren by grafikjungs.de

RedaktionFelicia Schneiderhan [fa],Johannes Haefke [joh], Marco Herzog [mah], Juliane Linke [jul], Carolin Weidner [caw], Anne-Christin Kozian [ack],Falko Richter [fr], Frank French [ff],Johann Hüttner [hot]

Belichtung und Druckc/w Obotritendruck, Münzstr. 319055 Schwerin

Auflage450Ausgabe02/2007

impressum

Die filmab! ist eine unabhängige Begleitzeitschrift desJugendmedienverbandes MV e.V. zum filmkunstfestMecklenburg-Vorpommern.

Die Meinung der Autoren muss nicht mit der Meinung derRedaktion übereinstimmen. Wir danken der Friedrich-Ebert-Stiftung, DJV-MV, Falkos Eltern, Carlines Mama,Falkos Mitbewohnern, Detlev Lüth, Marko Zeglin, MariekeSobiech, Karen Obenauf, Herrn Piper, den Falken,Landesjugendring MV, Hospiz-Verein Schwerin, MoeObotritendruck.

Da ist der Wurm drin…

Wie heißt es doch so schön: Ein Unglückkommt selten allein. Und manchmal ist jaauch sprichwörtlich der Wurm drin.Ungeachtet der Tatsache, dass wir trotzUmzug im Einkaufszentrum Wurm verweilen- heute ging es wirklich drunter und drüber.So verzweifelt suchten wir die Umgebungweiterhin nach unserem heiß geliebtenInternet ab, dass wir sogar schon unschuldiggurrende Tauben der heimlichen UMTS-Nutzung hinter unserem Rücken bezichtig-ten. Ob das an der strahlenden Sonne lag,sei mal dahingestellt…Ähnlich verrückt ging es dann auch weiter.Die Sonnenstich-Gefährdung hielt auch inder Wohnung an: Eine CD hatte sich einfachhinterrücks vor uns versteckt. Irgendwo aufden fünf Metern von der Küche zumFilmzimmer hatte sie sich einfach davongemacht. Die ganze Redaktion begab sich

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inhalt Seite 3

editorial/ impressum 02inhalt 03programm 16

filmKF Hagen PM 04SF Vineta 05LR Volksfeind 06DF Too much Future 07KF Die Chronomanen 08SF Schwarze Schafe 09KF Der Junge in der

Waschmaschine 10SF Jagdhunde 11KF Security 12SF Fallen 13

kunstArte-Foyer Paul Klee - Die Stille des Engels 14International Photo-graphy Arward 15

inhaltauf die Suche - jedoch ohne signifikantenErfolg. Bewegter Film im wahrsten Sinnedes Wortes. Über eventuellenAufklärungserfolg dieses rätselhaftenEreignisses werden wir selbstverständlichberichten. Erwähnt sei an dieser Stelle, dassdie benannte CD bereits vor ihrem endgülti-gen Verschwinden schon ein Meister desVersteckens war und erst nach einer ausge-dehnten Suchaktion aufgespürt werdenkonnte.

Fast könnte man glauben, statt fleißig Artikelzu schreiben, würden wir uns alsAmateurdetektive betätigen. Nun ja,bestimmte Situationen erfordern bestimmteMaßnahmen. Aber genug der schlauenSprüche, jetzt ist es definitiv an der Zeit fürfilmab!

Viel Spaß beim Lesen wünscht im Namender RedaktionAnne-Christin Mook

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film KF Hagen PM Seite 4

Ein dunkles Zimmer,Halogenlampen flackern undverursachen beim Zuschauerschon fast epilep-tische Anfälle. Kälteund eine morbideAtmosphäre machen sich breit.Plötzlich eine Bewegung. Hagen ist erwacht. Fragendsieht er sich in dem düsterenRaum um, in dem er liegt. DieFrage „Wo bin ich?“ steht ihmauf die Stirn geschrieben. Als erauf den anderen Tischen abge-deckte Leichen entdeckt, wirdihm klar, wo er sich befindet.Nun fällt es Hagen, demberühmten Architekten, wieSchuppen von den Augen.Gestern gestorben. Davonzeugt auch der Zettel an sei-nem Handgelenk. Er ist tot! Doch wohin jetzt? Was machtman als Toter auf Erden? NachHause gehen und nachsehen,wie es den Geliebten geht.Zuhause angekommen erzähltder Sohn seiner Freundin, wie

Tot erwachtsehr er seinen Vater gehasst hat und dass er ihn aucheigenhändig umgebracht hätte. Und zu allem Überflussmuss er sich das Erbe mit seiner Stiefmutter teilen. Die hatsich allerdings auch schnell mit Hagens Tod abgefundenund sich schon einen neuen, jüngeren und attraktiverenLiebhaber gesucht, mit dem sie das Erbe verbraten kann.Hagen ist enttäuscht und wütend. Geschickt greift er alslebender Toter in das Leben seiner Hinterbliebenen ein.Mike Viebrock schuf mit der Verfilmung der Kurzgeschichte„Die Auferstehung"“ von E. W. Heine, den fabelhaftenKurzfilm „Hagen PM“. Der Film enthält sowohl schaurigeElemente als auch schwarzen Humor und thematisiert dieGerechtigkeit zwischen dem Diesseits und dem Jenseits.Die abwechslungsreiche Kameraführung wechselt zwischenschnellen, hektischenAufnahmen und ruhigen,langsamen Einstellungen.Auch ein Aha-Effektbleibt am Ende desKurzfilms nicht aus undregt zum Nachdenkenan. [joh]

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film SF Vineta Seite 5

Haben Sie sich nicht auch schon einmal gefragt, was wäre,wenn alles um Sie herum nur eine unwirkliche Illusion wäre?Eine Scheinwirklichkeit, die Ihnen unverschämte Echtheitsuggeriert? Genau hier setzt der Film „Vineta“ an. Ein schau-erliches Spiel zwischen empfundener Realität, Schauspiel undVerdrängungskunst, inszeniert mit viel optischem und akusti-schem Feingefühl, das den Zuschauer auf psychologischerEbene kaltblütig erfasst. Ein viel beschäftigter und preisgekrönter Architekt hetzt voneinem Auftrag zum nächsten. Dadurch vernachlässigt erseine Tochter und führt gleich zu Anfang in den Vater-Tochter-Konflikt ein, der der Geschichte einen überraschendenRahmen verleiht.Doch vor allem die Persönlichkeit des Protagonisten banntden Zuschauer. Wild und chaotisch verschachtelte Kamera-perspektiven, kurze Einblendungen und Sekundenbilder zei-gen den Künstler in Aktion. Unkontrolliertes Gekritzel undzwanghafte Inspiration sind in exponentieller Zeitraffungumgesetzt und zeigen ein Genie an der Grenze zumWahnsinn. Der Künstler steigert sich in seiner wildenSchaffensphase, ohne Kontrolle in absoluter Ekstase zu

einem hoffnungslosen Exzentriker. Schließlich muss sich die-ses Individuum mit einer sechsköpfigen Crew realitätsfernerIdealisten auseinandersetzen. Deren Ansichten entpuppensich jedoch nach und nach als krankhaft, wenn demProtagonisten klar wird, dass es sich bei dem architektoni-schen Besiedelungsprojekt um einen Mikrokosmos des totali-tären Überwachungsstaates handelt. Die klaustrophobischeSchlinge dieser Situation packt den Zuschauer, zieht sichimmer mehr zusammen und gipfelt im Tod einesGruppenmitglieds. Nun fängt die ohnehin schon suspekteFassade zu bröckeln an und der psychische und physischeAbbau des Protagonisten erreicht ein lebensbedrohlichesStadium. Dieser Film ist mit großem emotionalen Feingefühlerzählt. Allerdings lässt die Qualität der Requisiten etwas zuwünschen übrig. Doch durch raffinierte Farbeffekte undKameraeinsatz provoziert dieser Film persönlicheAssoziationen und findet nachhaltigen psychologischenZugang beim Zuschauer. Dadurch hinterlässt er einen über-wältigend bedrückenden Gesamteindruck, der erst einmalverdaut werden muss. Gänsehautgefühl. [fa / mah]

Grenzgänger

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film Länderreihe Volksfeind Seite 6

Er deckt Skandale auf, denn das ist seinJob. Tomas Stockmann will die Norwegerwachrütteln und aufklären. Er fürchtet sichnicht vor rabiaten Methoden, fährt bei-spielsweise mit einem schwer krankenDiabetes-Patienten in die Chefetage einesLebensmittelkonzerns.Nach vielen Jahren des Kritisierens will eres besser machen als die anderen undkehrt in sein Heimatdorf zurück, wo er inden Mineralwasserbetrieb seines Bruders

Allein gegen die Diktatur der Mehrheit

einsteigt. Kurze Zeitspäter meldet das Labor,

dass hohe Pestizid-Rückstände imWasser gefunden wurden. Tomas will die

Dorfbewohner warnen, sein Bruder Peter fürch-tet jedoch um die Umsätze und will die öffentliche

Meinung für sich gewinnen; und Tomas' Frau will weder Streitnoch die Presse in ihrem Haus.

Wie lange hält Tomas an seinen Prinzipien fest? Er muss schnell erkennen,dass er den Kampf nicht allein führen kann. Er riskiert, dass die Familie an sei-ner Haltung zerbricht.Es kommt zu einem Schlagabtausch mit seinem Bruder vor den Augen derDorfgemeinschaft. Aber anstatt die Bewohner vor dem verseuchtem Wasser zuwarnen, redet Tomas leidenschaftlich über den geistigen Morast des Dorfes -über die Verlogenheit seiner Mitmenschen. Die Dorfbewohner sind empört,Tomas isoliert sich selbst und verfehlt sein Ziel. „Volksfeind“ wurde anlässlich des Ibsen-Jahres 2006 von Erik Skjolbaerggedreht und basiert auf dem gleichnamigen Drama des norwegischenDramatikers. Henrik Ibsen kämpfte in seinen Dramen gegen die bürgerlicheMoral an, die den eigenen Wohlstand über das Wohlergehen der anderen stellt.Der Film reduziert Demokratie auf eine bloße Diktatur der Mehrheit. DennRecht hat, wer die Mehrheit auf seine Seite bringt. Nur ist das Dorf damit auf der sicheren Seite? [ff]

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RO

film DF Too much Future - Ostpunk! Seite 7

„Hyäne komm raus!“ brüllen sie und wohnen „dort, wodie Schizophrenie regiert.“ Zwischen Aggression unddem Wunsch nach Frieden, zwischen Gewalt und derSehnsucht nach Freiheit versuchen Jugendliche der80er und 90er Jahre ihre Identität zu finden. CarstenFiebeler führt uns mit seiner Dokumentation „Toomuch Future“ mehr oder weniger behutsam in diebunte Welt des Punks ein. Fünf erwachseneMenschen berichten unabhängig voneinander vonihren Erlebnissen aus ihrer wilden, vom Punkgeprägten Jugend. Sie erzählen uns von ohrenbe-täubenden Konzerten, von als minderwertig betrach-teten Wochenendpunks und von Omas, die ratlos vordem Plattenregal stehen, auf der Suche nach einerPunk-LP für den Enkel. Vor dem Zuschauer tut sicheine Welt auf, die von Individualismus, Konfrontationund politischer Unzufriedenheit geprägt ist. Punk alsSinnbild für Kleinkrieg im Frieden. Immer mit dem Ziel

einer besseren Welt vor Augenunter dem drohenden Schatten der DDR und der Stasi.Denn Punk ist nicht nur eine Subkultur, die sich durch auf-fällige Klamotten und extravagante Frisuren definiert, Punkist Provokation und Kritik am System. Dieser Film versteht es nahezu perfekt, den Zuschauer in

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dieses mitreißende Körpergefühl eintauchen zu lassen. DieBefragten erzählen mit viel emotionaler Wärme von

wahrer Eitelkeit für ihren ehemaligen Kleidungsstil undüberzeugter Heiligsprechung sündhaft teurerSpringerstiefel. Der sehr originelle und interessante

Kameraschnitt ist mit exklusiven Geschmacksproben ausder Punkmusikszene gekonnt verfeinert und macht dasNachfühlen komplett. Am Ende wartet der Film mit einerÜberraschung auf, die jedem Zuschauer ein Lächeln aufdie Lippen zaubern dürfte: Die bislang einzeln konservier-ten Erzählstränge entpuppen sich als untrennbar miteinan-der verwoben. Eine wunderschöne Abschlussszene, abersehen Sie selbst! [fa]

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der Offizielle im Rollstuhl sitzt. Dieses dumme Missgeschickzieht die streng geplante Organisation ins Lächerliche. Was istdas bitteschön für eine Planung? Von Präzision keine Spur.Doch Zufälle beherrschen das Leben und so kommt es bereitszu Beginn zu einem Missgeschick mit ungeahntenKonsequenzen.Da Nieten meistens dazu veranlagt sind, Dinge schief gehenzu lassen, die eigentlich idiotensicher gestaltet wurden - undhier gleich zwei Nieten an der albernen Mission beteiligt sind -muss einfach alles anders laufen als geplant.In diesem Falle lässt die Praktikanten-Niete eine schlechtgenietete Niete in einen Raketenlüftungsschacht fallen. Glückfür den einen und niederschmetternd für den anderen. Die Rakete, in der sich die Niete befindet, soll ein überdimen-sionales Display ins All schießen, mit dessen Hilfe die Weltzeitsynchronisiert wird und von wo aus die Zeit, fast allgegenwär-tig, auf die Erde herab leuchtet.Es gäbe keine Verspätungen mehr, die auf falsch gestellteUhren zurückzuführen wären, und alles und jeder wäre pünkt-lich, so wie es die Schweizer gern haben. Aber wo bleibt dennda die Spannung im Leben? Doch wen interessiert es schon,was eine Gruppe fanatischer Schweizer Wissenschaftler will?Bei all ihrer "Gründlichkeit" vergaßen sie jedoch, dass man dieriesige Uhr im All nur von einer Seite der Erdkugel aus sehenkann. Na ja, jeder macht mal Fehler. Auch die Schweizer.[mah]

film KF Die Chronomanen Seite 8

Wer hat's

Eine Schweizer Firma hat es sich vor einigenJahrzehnten zur Aufgabe gemacht, die Welt aufeine einheitliche Zeit zu synchronisieren. Denn

wenn es eins gibt, was Schweizer nichtmögen, dann ist es Unpünktlichkeit.

So wird es zumindest im Kurzfilm„Die Chronomanen“ von KarimPatwa stereotypisiert.

Dieses Vorhaben steht nun kurz vorder Vollendung. Nur ein paar zeitrau-

bende Tests, die eigentlich schon längsthätten abgeschlossen sein sollen, und einelangweilige Eröffnungsrede stehen der Weltsyn-chronisation noch im Wege. Beim Kauf desRednerpultes wurde jedoch nicht bedacht, dass

Die Schweizer!

erfu

nden?

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Seite 9film SF Schwarze Schafe

Berlin, Pflaster des Grotes-ken, Hauptstadt der Kurio-sitäten. Berlin, eine Stadt inder Einer verrückter zu seinscheint als der Andere:Ein Handmodel, das einneues Leben beginnenmöchte und sein altes mit-samt der „Rolex-Werbe-Kampangen-Hand“ zurück-lassen will. Drei jungeTürken auf der Suche nach„Pussys“ und dem erstenFick. Ein Satanist, der nochbei Mami und Papi wohntund dessen wendbares T-Shirt auf der einen Seite dieteuflischen Zahlen 666 undauf der anderen die KellyFamily zeigt. Sein Freund,der ihn zu einem Ritual miteinem vorerst unbekanntenOpfer überredet, das beideauf Schlag mächtiger undreicher machen soll. EinMann in weißem Gewand,der mit Fistelstimme daranerinnert: „Umarmt unsere

EineStadtvoller

Irrer„Die Natur ist immer da.“

Bäume!“. Zwei Phrasen und Floskeln labernde Schwule, die mit einem weiteren Vorzeigeschwu-len und einem Toilettenkorpus im Kofferraum eine Homegay-Theatervorstellung retten wollen.Zwei Münchener Schnösel, die den servierten Rotkäppchensekt pikiert betrachten. Ihre alteBerliner Bekannte und deren Freund, der nach der Wahnvorstellung, sie hätte abgetrieben, nurnoch tote Babys malt und eine unheimlich wichtige Nachricht zu überbringen hat...„Schwarze Schafe“ von Olivier Rihs ist genau wie sein Schauplatz Berlin: wunderbar frech undfurchtbar rotzig. Immer wenn man denkt, es könne nicht noch böser werden, streut der Regis-seur eine weitere Prise schwarzen Humor obenauf und jegliche „political correctness“ versinkttief im Schlamm der Spree. Der Episodenfilm, in dem sich deutsche Nachwuchsschauspielerwie Jule Böhwe, Robert Stadlober und Tom Schilling gegenseitig an die Wand spielen, ist fastkomplett in schwarz-weiß gedreht, seine Figuren dennoch grell und überzeichnet. „Schwarze Schafe“ - eine Laudatio auf unsere Hauptstadt und deren Bewohner; ein Film vollerTrash, Pop und Punk, abstrus und unverschämt, bizarr und verschroben, vor allem aber eins:sagenhaft komisch. [jul]

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film KF Der Junge in der Waschmaschine Seite 10

ImStrudel des

Wassers werdenWelten geboren. Jede

Umdrehung schafft Neues undder Blick verschwimmt immer mehr

in zahllosem Wirbeln und Drehen. DerSchleudergang wird Ausgangspunkt

einer märchenhaften wie fantasievollenReise voller Träumerei, Sehnsucht und Furcht.

Die Waschmaschine ist das letzte Refugium fürden jung erscheinenden, aber seltsam alterslos

wirkenden Hauptdarsteller des Kurzfilmes „DerJunge in der Waschmaschine“. Die Maschine istZufluchtsort vor quälender Stille und Wortlosigkeitin den großen, leeren Räumlich-keiten seinerFamilie; sie ist Rückzugsort vor Desinteresse undunerträglich stechenden, aber gleichermaßen

ausdruckslosen Blicken. Allein das Auge derWaschmaschine vermag die Bitte auf den

Gesichtszügen des Jungen zu lesen und zuerfüllen. In diesem bewegt er sich schwe-

relos durch die Weiten und Untiefendes Meeres, durchquert dunkle,

urzeitlich anmutendeSteingänge und sich von

Zauberhand öffnendeTüren. Die

Bewohnerdieser Welt sind dieselben wie dieseines stummen Zuhauses, dem zuentfliehen er versucht, doch zu-gleich sind sie es auch nicht. SeineMutter zwinkert ihm im Gewandeines Burgfräuleins aufmunternd zu,sein Vater schenkt ihm unter derMaske eines Pirots ein Lächeln.Wärme und Liebe haben Einzuggehalten in die zuvor verhärmtenund zerfressenen Gesichter derFamilie.Es ist eine schweigsame, geräusch-arme Erzählung die Tim Großkurthhier eindrucksvoll sowie beängsti-gend bebildert, eine Erzählung,über die Welt innerhalb derRotationen der Waschmaschinen-trommel. Es ist aber auch eineGeschichte über das Unvermögen mit-einander zu reden, über todesähnlicheStille, die sich schließlich in einemgrauenvollen Schrei entlädt. [jul]

My mind is in the washing machine!

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film SF Jagdhunde Seite 11

nicht die festgefahrenen familiären Verhältnisse, die starrund verfroren wie das Eis sind. Lars' Vater Hendrik hat sichauf eine Beziehung mit seiner labilen Schwägerin eingelas-sen, seine Mutter hingegen auf ein Abenteuer mit einemsehr viel jüngeren Dandy. Marie lebt mit ihrem Vater allein,da ihre Mutter im Allgäu Ski fährt -- seit 15 Jahren. Ihm fälltes schwer, zu akzeptieren, dass seine Tochter beginnt,eigene Wege zu gehen. Er hängt sehr an Marie und kannsich mit ihrer Beziehung zu Lars nicht abfinden. Es kommt

zu zahlreichen Konflikten undso scheint es verwunderlich,aber nicht unmöglich, dassWeihnachten alle beisammensind. Weihnachtliche Stimm-ung kommt trotzdem nichtauf, sie findet bei allemZynismus an diesem Abendkeinen Nährboden. Aberetwas anderes geschieht: EinEisblock schmilzt und mit ihmverschwinden die aufgestau-ten Probleme zwischen denPersonen.Der Film brilliert mit einerbesonderen Kameraführungund schönen Bildern. DieRegisseurin Ann-KristinReyles verzichtet weitgehendauf Geräusche und musikali-sche Unterlegung derSzenen. Auch die Dialogesind knapp gehalten, wasangesichts der prekären Lageangemessen ist, denn vieleProbleme werden nicht an-bzw. ausgesprochen. [ack]

Stille. Lediglich das vomSchnee gedämpfte Rauschendes Windes ist zu hören. ZweiHunde laufen über einen ver-schneiten Acker, der eineweiß, der andere schwarz.Lars -- schwarzer Dufflecoat,grüne Jeans, gelbblau ge-streifte Wollmütze -- folgt ihnenin einigen Metern Entfernung.Er lebt mit seinem Vater undden beiden Hunden auf einemGutshof in einem uckermärki-schen Provinznest. Als Larsüber Weihnachten seineMutter in Berlin besuchen will,verpasst er zwar den Zug,lernt aber die taubstummeMarie kennen. Er erfährt dieWelt der Stille, während Mariedurch Lars' Musik lernt, sichvom Bass tragen zu lassen.Und alles könnte sich sehrschön entwickeln, wären da

Wie man das Eis zum Schmelzen bringt

Marie und Lars bei ihren ersten Verständigungsversuchen.

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schen den Regalen undsteckt auffällig wahllos Artikel in ihreJacke. Becker schleicht sich an, beobachtet.Sie geht, er folgt ihr. Dann verschwindet sie, nur umdirekt vor ihm wieder aufzutauchen. Halbherzig redet siesich heraus, doch Becker winkt ab. Er fragt nach einemRendezvous.Und plötzlich sind die Rollen vertauscht: Sie zeigt ihrenAusweis. Der Kontrolleur wird kontrolliert. Seine Machtschwindet abrupt, er ist ertappt worden. Sie führt ihn nachhinten, die kahlen Gänge entlang. Sie sitzt auf seinem Stuhl,er ist der Täter. Das Restlicht zeigt noch, wie sie sich eineZigarette ansteckt, dann macht sie die Tür zu undDunkelheit tritt ein. [hot]

Wenn er aus seiner Höhle tritt,dann um zuzuschlagen. Er pirschtsich Regal um Regal vorwärts und beob-achtet die Kunden. Erwischt er jemanden auffrischer Tat, führt er ihn in die dunklen Gänge desSupermarkts. Die Regale und Neonröhren der hellenEinkaufshalle verschwinden, der Kaufhausdetektiv ist alleinmit seinem Opfer. Ist der Fall bearbeitet, steckt er sich eineZigarette an.In einem zwölfminütigen Alltagsausschnitt wird BeckersLeben komprimiert. Routine, Unzufriedenheit -- es steht inseinem Blick, seinen Zigaretten und den fettigen Haaren. Gleich zu Beginn spürt Becker eine Diebin auf, stellt sie,und bringt sie in seine Höhle. Dort gibt sie an, keinenPass zu besitzen und bittet ihn, sie nicht anzuzeigen. AusMitleid lässt er sie laufen, unter der Bedingung, dass sienie wiederkommt. Doch sie kommt wieder. Am nächsten Tag steht sie zwi-

film KF Security Seite 12

DieKehrseiteder Macht

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film SF Fallen Seite 13

Auf einer Beerdigung finden sich alle wiederzusammen. Menschen, die sich jahrelang nichtmehr sahen -- Verwandte, Freunde und Feinde –treffen sich, um einem Menschen die letzte Ehrezu erweisen.

Auf dem Begräbnis ihres ehemaligenPhysiklehrers finden die fünf einst bestenFreundinnen Alex, Nina, Carmen, Brigitte undNicole, die sich seit über zehn Jahren nichtmehr gesehen haben, wieder zusammen. Diefünf Frauen und Daphne, Nicoles Tochter,beschließen nach der sarkastisch dargestelltenTrauerfeier noch ein wenig in Erinnerungen zuschwelgen. Sie besuchen ihre alte Schule. Dochder Umgang zwischen den Freundinnen ist recht

Zeiten ändern sich

kühl. Sie giften sich an und werfen sich zynische Bemerkungen an denKopf, streiten sich über Banalitäten. Alte Streitigkeiten, die nicht benanntwerden und sich während des ganzen Films nie entladen, auf die aberimmer wieder angespielt wird. Nicht nur Probleme der Vergangenheit, son-dern auch der Gegenwart strapazieren die fünf. Dies sind teilweise nurMissverständnisse und Kleinigkeiten. Aus bester Freundschaft wurde eineScheinfreundschaft. Nichts ist wie es mal war. Von der Freundschaft blei-ben nur Fotographien.„Fallen“ von der österreichischen Regisseurin Barbara Albert zeigt eineungewöhnliche Art des Klassentreffens, welches von Beerdigung, überHochzeit, bis hin zu Saufexessen in der Disco reicht und danach wieder imindividuellen Leben jeder endet.Ein ruhiger Film mit einer faden Story, der das besondere Ereignis fehlt.Stattdessen handelt es sich um eine Aneinanderreihung von banalenSzenen. Gelungen ist hingegen die Darstellung der emotionalenEntwicklung der Personen, die durch fotographische Sequenzen, unterlegtmit Chorgesang der fünf Frauen, unterstützt werden. [joh]

Page 14: filmab! 2007 #2

kunst Arte-Foyer Paul Klee - Die Stille des Engels Seite 14

Paul Klee -- Maler, Musiker, Literat -- schuf in sei-nem Leben mehr als 9000 wunderbare Werke.Der deutsch-französische Sender Arte setzt demKünstler mit der Dokumentation „Paul Klee - DieStille des Engels“ ein filmisches Denkmal. Darinwerden 150 Werke Klees unter verschiedenenÜberschriften gewürdigt. Der Film dokumentiert Klees Leben, das sich inseiner künstlerischen Entwicklung widerspiegelt.Er zeigt den Künstler in seinerVielfältigkeit als Gleichgewichtskünst-ler, Musiker, Architekten der Farbe,Träumer, Pointillisten, Theoretiker

und Spaziergänger.Die Dokumentation setzt bei sei-

nen Frühwerken um 1900 ein. Zu die-ser Zeit befand sich Klee noch auf künst-

lerischer Identitätssuche und orientiert sichu.a. an den Werken Kandinskys, bezeichnet sich

sogar als dessen Schüler und tritt der Künstlergrup-pe „Blauer Reiter“ bei. Von Individualität und Einfalls-

reichtum zeugen bereits die Marionetten, welche er fürseinen Sohn anfertigt. Er schafft 50 unterschiedlichste

Puppen, deren Charaktere eine „Parodie auf die Erwachse-nenwelt“ sind. Zum eigenständigen malerischen Werk führtihn jedoch erst eine Reise nach Tunis im Jahr 1914: „Die Far-be hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hatmich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen StundeSinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.“Danach erschafft der Expressionist die schillerndsten Werke;er kreiert bunte Aquarelle, die an Kinderzeichnungen erinnern,Kompositionen in denen Körper sich in einem „schwankendenGleichgewicht“ befinden und Farben zwischen Hellig-keit undFarbsättigung, Qualität und Quantität künstlerisch verwirklichtwerden. Er macht das Wachstum einer Pflanze zumGegenstand einer Bilderserie und schafft partiturgleiche, poly-phone Notenschriften, die er in abstrahierter Form verwirklicht.In seinem Gesamtwerk spiegeln sich Physik, Musik und diegöttliche Schöpfung wider, aber auch der National-sozialismusund seinen eigener Tod finden ihren Platz. [ack]

Wie

Paulchen

sein Leben malte

Durchs Auge Paul Klees geschaut.

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kunst International Photography Arward Seite 15

Zur falschen Zeit am falschen OrtGeorge W. Bush: klein und bucklig, sein Gesicht halb ver-deckt von dem Rücken seiner Stenographin, seine Handkrampfhaft gekrallt in deren Oberarm; ihre Gesichtszüge dro-hen zu entgleisen, sind vor Erschrecken verzerrt. Auf einemanderen Foto: eine junge Frau, ihr Blick verträumt nach untengerichtet, ihr Gesicht spinnennetzartig von ihren Haarenbedeckt. Beide Fotos (Khue Bui „Bush & Stenographer“, JafinKampani „Entrapped?“) sind im Rahmen der Ausstellung des„Pilsner Urquell International Photography Awards“ in derWurmpassage zu sehen. Es sind 26 wundervolle Bilder. Siegehen nahe, manchmal belustigen sie, manchmal bestürzensie, doch immer berühren sie. Um so trauriger also, dass dieAtmosphäre des Ausstellungsraumes und die Präsentationder Objekte diesen in keiner Weise gerecht wird. Unerträglichlaut schallen aus der Wurmpassage schlechte Covermusikund Gesprächsfetzen herüber. Selbst beim Willen zur einge-henden Betrachtung kommt man nicht umhin, immer wiederabgelenkt zu werden und genervt den Blick vom Bild abzu-

wenden. Auch die Alternative, die Ausstellung am verhältnis-mäßig ruhigeren Nachmittag zu besuchen, entfällt, da dieseihre Pforten erst um nachtschlafende 22 Uhr öffnet.Unter den Fotos stehen Bildkommentare. Zuoberst der un-sagbar nichtssagende Satz: „best of shown images“, darunterName des Künstlers, Titel des Bildes und schließlich einkurze Anmerkung zum Foto inklusive Pilsner Urquell Logo.Die Entstehungsgeschichte eines Fotos zu dokumentieren istspannend, unter ein Kunstwerk sofort Deutungsschemen undInterpretationsansätze zu stellen, ist jedoch überflüssig undspannungslos. Das oben beschriebene Bild „Entrapped?“ bei-spielsweise ist kommentiert mit den Worten: „Verknotete,ungepflegte Haare -- eine Horrorvorstellung für jede Frau. […],Sunsilk 9 to 9 Spülung + Lotion’ löst das Problem - und ihreKnoten“…Dennoch: eine Ausstellung hochkarätiger Fotos, wenn auchgepresst in den falschen Raum, untergehend in unangemes-senem Rahmen. [jul]

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S p i e l f i l m w e t t b e w e r b

H o m m a g e H a n n e l o r e E l s n e r

L ä n d e r r e i h e N o r w e g e n

D o k f i l m - N e w s

A r t e - F o y e r

N D R - S p e c i a l

16.00 Uhr Yella von Christian Petzold17.00 Uhr Schwarze Schafe von Oliver Kolb18.30 Uhr Neandertal von Ingo Haeb und Jan-Christoph Glaser19.30 Uhr Vineta von Franziska Stünkel21.00 Uhr Preußisch Gangstar von Irma-Kinga Stelmach und Bartosz Werner22.00 Uhr Alle Alle von Pepe Planitzer

15.00 Uhr Buddy von Morten Tyldum16.30 Uhr Ein Volksfeind von Erik Skjoldbjærg20.30 Uhr Nachbarn von Pál Sletaune

17.30 Uhr Die Unberührbare von Oskar Roehler22.30 Uhr Du hast gesagt, dass du mich liebst. von Rudolf Thome

20.00 Uhr Spur der Hoffnung von Hannu Salonen

18.00 Uhr Too much Future - Ostpunk! von Carsten Fiebeler

15.00 Uhr Der gespiegelte Blick - Selbstporträt Frida Kahlo und Edvard Munch von M. Loosen

programm donnerstag, den 3. mai 2007

Capitol 5Capitol 4Capitol 5 Capitol 4Capitol 5Capitol 4

Capitol 2Capitol 3

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Capitol 3

Capitol 3

Staatliches Museum

F o k u s N a h o s t

22.15 Uhr Die syrische Braut von Eran Riklis Capitol 2