Fit Zen Reiter

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Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät III Institut für Asien- und Afrikawissenschaften Seminar für Sudanarchäologie und Ägyptologie Statue und Kult Eine Studie der funerären Praxis an nichtköniglichen Grabanlagen der Residenz im Alten Reich Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor philosphiae (dr. phil.) Philosophische Fakultät III der Humboldt–Universität zu Berlin Martin Fitzenreiter Prof. Dr. Hartmut Häußermann Gutachter: 1. Prof. Dr. Erika Endesfelder 2. Prof. Dr. Walter-Friedrich Reineke eingereicht: 19.01.1999 Datum der Promotion: 19.11.1999

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egyptology

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  • Humboldt-Universitt zu BerlinPhilosophische Fakultt III

    Institut fr Asien- und AfrikawissenschaftenSeminar fr Sudanarchologie und gyptologie

    Statue und KultEine Studie der funerren Praxis annichtkniglichen Grabanlagen der

    Residenz im Alten Reich

    Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor philosphiae (dr. phil.)

    Philosophische Fakultt III der HumboldtUniversitt zu Berlin

    Martin Fitzenreiter

    Prof. Dr. Hartmut Huermann

    Gutachter: 1. Prof. Dr. Erika Endesfelder

    2. Prof. Dr. Walter-Friedrich Reineke

    eingereicht: 19.01.1999

    Datum der Promotion: 19.11.1999

  • 2

  • 3Zusammenfassung

    Im Zentrum der Arbeit steht die nichtknigliche (private) Grabstatue des gyptischenAlten Reiches (3. bis 6. Dynastie). Das schliet die Beschftigung mit der baulichenStruktur und den funktionalen Komponenten von Grabanlagen ein. Auerdem werdenBelege des Flachbildes und inschriftliches Material zur Klrung bestimmter Sachverhalteherangezogen.

    Ziel der Arbeit ist es, anhand der Grabstatue die Funktion eines kulturellen Objektes in dergesellschaftlichen Praxis zu untersuchen, wobei der rumliche Rahmen auf die Residenzund der zeitliche Rahmen auf das Alte Reich beschrnkt ist. Anhand der Grabstatue kannnachvollzogen werden, wie ein kulturelles Objekt auf der Basis habitueller Konzepte undHandlungsmuster im Rahmen der funerren Praxis von einer spezifischen sozialen Gruppe(Residenzbewohnerschaft) in einer spezifischen historischen Situation (Etablierung einesMachtzentrums in einem frhen Staatswesen) aktiviert und entwickelt wird. Durch dieEinbeziehung weiterer Quellengruppen lt sich so das Bild der funerren Praxis einerbestimmten Epoche entwerfen.

    Die Arbeit setzt sich aus fnf aufeinander aufbauenden Teilen zusammen. Dieentsprechenden Belege sind in Tabellen zusammengestellt, auf die jeweils verwiesen wird.

    Teil I setzt die Grundlagen der Arbeit. Die beiden wesentlichen Statuentypen die Sitzfigurund die Standfigur werden vorgestellt. Durch die anschlieende Diskussion vonAufstellungsort und kultischer Funktion wird die Bedeutung des Objektes Statue imfunerren Kult beleuchtet. Davon ausgehend knnen erste Schlsse zur sozialenImplikation der funerren Praxis gezogen werden. Es wird gezeigt, da die Statuen mitbestimmten Informationen indiziert sind (stehend = Bewegungsfhigkeit; sitzend =Existenz im Grab; ausgestreckte Hand = Fhigkeit zum Opferempfang), die im Rahmen derKultpraxis aktiviert werden. Durch die gezielte Entwicklung bestimmter Indizes knnenindividuelle soziale Positionen beschrieben und in die kulturelle Kommunikation eingefhrtwerden (Namens- und Titelbeischrift, naturalistische Gestaltung).

    Dem in Teil I. fr die Belege der 1. bis 3. Dynastie vorgegebenen Prinzip wird in denfolgenden Teilen gefolgt, wobei aufgrund des umfangreichen Belegmaterials eine Trennungder Schwerpunkte (Statuentyp, Kontext der Grabanlage, Funktion im Kult) vorgenommenwird.

    Teil II behandelt die einzelnen Statuentypen, die seit der Mitte der 4. Dynastie dem Korpusder Grabstatuen hinzugefgt werden. Schwerpunkt der Betrachtung ist hier die individuelleAktivierung der in den Statuen vorhandenen kommunikativen Potenzen (Indizes). Es wirdgezeigt, da die Entwicklung von neuen Statuentypen (Schreiberfigur, Standfigur mitVorbauschurz, Gruppenfigur, Dienerfigur) mit der Etablierung neuartiger sozialer Positionenan der Residenz verbunden werden kann. Daneben fhrt die Entwicklung spezifischerHandlungsvorgnge und Konzepte der funerren Praxis zur Etablierung von Sonderformen(Ersatzkopf, Bste, Nacktfigur, Pseudo-Gruppe).

    Teil III untersucht den archologischen Kontext der Statuenbelege. Dabei werden dieQuellen verschiedener sozialer Gruppierungen der Residenz (Elite vs. dependents) getrenntuntersucht, um Gemeinsamkeiten und Differenzen der funerren Praxis innerhalb derResidenz herauszuarbeiten. Wie auch fr die in Teil I behandelte Epoche lt sich einezeitliche Entwicklung und Vernderung der funerren Praxis erkennen. Abschlieendwerden Belege fr Felsstatuen und verwandte Objekte betrachtet, fr die in besonderer

  • 4Weise gilt, da Statuentyp und Aufstellungsort eine Einheit bilden.

    Im Zentrum dieses Abschnittes steht die Aktivierung des Mediums Statue im Rahmenkollektiver Kulthandlungen. In diesem Zusammenhang werden auch die verschiedenenKultbezge einer funerren Anlage untersucht, die sich im archologischen Befund ablesenlassen.

    In Teil IV werden Belege der Flachbild- und Textdekoration von funerren Anlagen in dieBetrachtung einbezogen. Im Mittelpunkt stehen solche Flachbilddarstellungen, in denen dieVerwendung von Statuen thematisiert wird. Anhand von Texten und Darstellungen vonKulthandlungen werden auerdem Rekonstruktionen des Opferrituals, des Festrituals unddes Bestattungsrituals vorgeschlagen. So wird die funerre Praxis als ein Komplex realvollzogener Handlungen beschrieben und der Rahmen der Aktivierung ihrer individuellenund kollektiven Aspekte genauer untersucht.

    In diesem Zusammenhang wird auch auf die Bedeutung verwiesen, die dieKonzeptualisierung (sprachlich / schriftliche Formulierung und Ausdeutung) vonPhnomenen fr die Entwicklung der funerren Praxis besitzt. Anhand der Belege sichentwickelnder Konventionen der Darstellung und Formulierung von praktischen Handlungenin Bild und Text (hier als Phnomen der Verschriftlichung bezeichnet) wird gezeigt, dadie funerre Praxis ein dynamischer, stndiger Vernderung unterworfener Proze ist. DieVernderung betrifft sowohl den Bereich der Handlungen also die vollzogenenZeremonien als auch den Bereich der verwendeten Objekte (Statue, Grabanlage, Leiche)und die Konzeptualisierung des Prozesses in einer funerren Religion.

    In Teil V werden die wesentlichen Ergebnisse zusammengefat. Dabei wird auf dieinnerkulturelle Konzeptualisierung des Objektes Grabstatue eingegangen. Weiterhinwerden die Kriterien zusammengestellt, die eine Periodisierung der Entwicklung derfunerren Praxis an der Residenz zulassen. Abschlieend wird auf die Bedeutungeingegangen, die die funerre Praxis in der gesellschaftlichen Praxis im pharaonischengypten im 3. Jt. v.u.Z. insgesamt besa.

    Schlagworte

    gyptologie, Archologie, Kunst, funerre Religion

  • 5Abstract

    The focus of the study is the non-royal (private) tomb statue of the egyptian OldKingdom (3 rd to 6th dynasties). Observations on the actual position of statues within thetomb are included, followed by a discussion of architectural and functional components ofa residential funerary complex. Further a certain number of two-dimensionalrepresentations and inscriptions are consulted for the discussion of special topics.

    The aim of the study is to investigate the function of a cultural object within the frame ofsocial practice. By using the tomb statue as an example and by restricting the topicspatially to the residence and temporally to the Old Kingdom, it is possible to detect how- on the basis of habitual concepts and patterns of action - a cultural object has beendeveloped and activated by a specific social group (inhabitants of the residence) in theframe of funerary practice in a specific historical situation (consolidation of the centre ofan early state). Using a wider score of sources it is thus possible to sketch the reality offunerary practice of a specific period.

    This study is divided into five parts. The sources referred to in the different chapters aregathered in sets of tables.

    Part I sets the main principles of the study. The two most important statue types thesitting and the striding figure are introduced. The following discussion of its place in thefunerary complex and its function shows the importance of the object statue within thefunerary cult. Preliminary observations on social implications of funerary practice areformulated. It is shown that statues are marked by some indexical information (striding =possibility of movement; sitting = existence in the tomb; raised hand = possibility ofreceiving offerings) which will be activated in the course of funerary practice. Bydeveloping certain of these indices it became possible to describe individual positions andto introduce them into the cultural communication (inscription of name and titles,naturalistic elements of representation).

    The principles used in part I for the sources from dyn. 1 to 3 will also be observed in thefollowing parts, dividing due to the amount of material the investigation into a number ofsubtopics (statue types, context of the funerary complex, function in the cult).

    In part II statue types added to the corpus of tomb statues during dyn. 4 are investigated.Focal point is the individual activation of the communicative potencies inherent in thestatues (indices). It is shown that the development of new statue types (scribe, stridingfigure with protruding kilt, group figure, servant figure) can be correlated to theestablishment of new social positions at the residence. Additionally the development ofspecific patterns of behaviour and of concepts of funerary practice leads to the creationof peculiar types of statues (reserve head, bust, naked figure, pseudo group).

    Part III deals with the archaeological context of statues. In order to investigatecommunities and differences within the funerary practice of the residence, sources ofdifferent social groups (elite vs. dependants) are treated separately. As in the period dealtwith in part I, it is possible to observe the development and the transformation of thefunerary practice in time. Additionally with rock-cut statues and related objects, a groupof sources is investigated linking in a specific manner statue type and its position in thefunerary complex. Main topic of this part is the activation of the medium statue in thecourse of collective cult action. In this context the different references of religious action

  • 6in a funerary complex observable in the archaeological record are described.

    Part IV adds the evidence of inscriptions and two-dimensional depictions. The main focusis on two-dimensional representations showing the employment of statues. Using textualand pictorial evidence, reconstructions of the offering ritual, the festival ritual and theburial ritual are proposed. Funerary practice is described as a complex of actual behaviour.The circumstances of the activation of its individual and collective potencies are detected.The importance of the process of conceptualisation (oral / written formulation andexplanation) of phenomenons for the development of funerary practice is stressed. Usingsources showing the formation of patterns of representation of practical actions in pictureand text (called scriptualization) it is shown that funerary practice is a dynamic,constantly changing process. Those changes refer not only to the realm of actions i.e.the actual ceremonies but also to the objects used (statue, funerary monument,deceased body) and to the conceptualisation of the whole process in a funerary religion.

    Part V summarises the main conclusions. Additionally it deals with the emicconceptualisation of the object tomb statue. Further a number of criteria allowing aperiodization of funerary practice at the residence are listed. Finally the overall importanceof funerary practice within the frame of social practice in pharaonic Egypt during the 3rd

    millennium B.C.E. is highlighted.

    Keywords

    egyptology, archaeology, art, funerary religion

  • 7Vorwort

    Die vorliegende Arbeit stellt die fr die Publikation im Internet berarbeitete Fassung meiner

    Dissertation dar. Das Thema wurde 1995 bis 1998 erarbeitet und im Januar 1999 zur

    Begutachtung eingereicht, Datum der mndlichen Prfung war der 19.11.1999. In der vorliegenden

    Fassung wurde die wesentliche bis Ende 2000 erschienene Literatur noch bercksichtigt.

    Allen, die mir bei der Arbeit an der Dissertation geholfen haben, ist nicht nur fr den fachlichen Rat

    zu danken, sondern ebensosehr fr ihre Geduld. An erster Stelle ist meine Doktormutter Prof. Dr.

    Erika Endesfelder zu nennen, die mit Nachsicht die Etappen der Arbeit an der Dissertation verfolgt

    hat und stets zur Weiterarbeit ermunterte. Nicht weniger wichtig war die ebenso nachsichtige

    Frderung durch die "Konsul Karl und Dr. Gabriele Sandmann-Stiftung" / Berlin, die mir ber drei

    Jahre eine Dissertationsstipendium und damit eine berlebenschanche gewhrte. Wertvolle

    Anregungen erhielt ich wie immer von PD Dr. Stephan Seidlmayer. Dr. des. Nicole Alexanian hat

    mich nicht nur mit wichtigen Informationen ber die Mastabaanlagen des Alten Reiches und die

    neuesten Arbeiten in Dahschur versorgt, sondern durch steten Informationsaustausch bei der

    Arbeit ermutigt. Claudia Nser M.A. war immer bereit, auch die wildesten Theorien mit mir zu

    diskutieren. Dr. des. Christian E. Loeben und alle anderen Mitarbeiter und Studenten am Institut fr

    Sudanarchologie und gyptologie der Humboldt-Universitt haben auf Belege hingewiesen,

    Fragen beantwortet, Kritik geuert. Die regelmigen Diskussionen im Absolventencolloquium

    am Seminar und die Diskussionen bei den "Neuen Forschungen" haben vieles zur Arbeit

    beigetragen, ebenso die Teilnahme an zwei Symposia in Leiden und Berlin, fr deren Organisation

    ich Prof. Dr. Harco Willems und PD Dr. Stephan Seidlmayer danken mchte. Dank gilt dem

    Zweitgutachter der Arbeit Prof. Dr. Walter Friedrich Reineke ebenso, wie den Mitgliedern der

    Prfungskommission Prof. Dr. Karl-Heinz Priese, Dr. Petra Andrassy und cand. g. Jana

    Helmboldt.

    Aber nicht nur gyptologen haben Wichtiges beigesteuert: Ein besonderer Dank gilt Prof. Dr.

    Heinrich Balz, der mir die Bedeutung rituellen Handelns berhaupt erst deutlich machte, und

    Tsong-Sheng Tsan, der mir half, die eigene Welt von auen zu sehen.

    Mein Dank gilt ebenso denen, die bei der Vorbereitung der Arbeit zur Publikation halfen: Steffen

    Kirchner M. A., Dipl. arch. Olaf Kriseleit und Dr. Sebastian Klotz.

    Und eine mute immer fr alles da sein und dann auch noch die Arbeit korrigieren: Vielen Dank an

    Dr. Angelika Lohwasser.

    Berlin, Februar 2001

  • 8

  • 9Inhaltsverzeichnis

    1 EINLEITUNG 19

    1.1 Themenstellung 19

    1.2 Chronologischer und lokaler Rahmen 22

    1.3 Begriffsbestimmung und Methode 24

    TEIL I - GRABSTATUEN IM FRHEN ALTEN REICH

    2 SKULPTUREN DER FRHDYNASTISCHEN PERIODE (PERIODE I) 33

    3 GRABSTATUEN DER 2./3. DYNASTIE (PERIODE II) 35

    3.1 Auftreten und Formen (Tab. 2) 35

    3.2 Interpretation der Sitz- und Standfigur 37

    3.3 Die Funktion von Rundbildern im funerren Kult der Periode II 41

    3.4 Grabstatuen der 2./3. Dynastie (Periode II ) - Zusammenfassung 45

    4 GRABSTATUEN DER FRHEN UND HOHEN 4. DYNASTIE (PERIODE III)46

    4.1 Frhe Periode III 46

    4.2 Mittlere und spte Periode III in Dahschur und Giza 50

    4.3 Grabstatuen der Periode III in Saqqara 56

    4.4 Grabstatuen der frhen und hohen 4. Dynastie (Periode III) - Zusammenfassung58

    5 DIE ENTWICKLUNG DER KULTANLAGEN IN PERIODE II UND III 60

    5.1 Entwicklung der Grabanlage in Periode II 60

    5.2 Entwicklung der Grabanlage in Periode III 67

    5.3 Die Vernderungen der Kultstellen in Periode III 69

    5.4 Die Entwicklung der Kultanlagen in Periode II und III - Zusammenfassung 75

  • 10

    TEIL III - STATUENTYPEN DES HOHEN UND SPTEN ALTEN REICHES

    6 "ERSATZKPFE" UND BSTEN 79

    6.1 "Ersatzkpfe" 79

    6.2 Bsten 86

    6.3 "Ersatzkpfe" und Bsten - Zusammenfassung 89

    7 SCHREIBERFIGUREN 90

    7.1 Auftreten und Formen 90

    7.2 Die Darstellung hockender Personen in der ersten Hlfte der vierten Dynastie92

    7.3 Schreiberfiguren, die nicht den Grabherrn darstellen 97

    7.4 Die "klassische" Schreiberfigur als Grabstatue 100

    7.5 Schreiberfiguren - Zusammenfassung 107

    8 MNNLICHE STANDFIGUREN MIT "VORBAUSCHURZ" 110

    8.1 Auftreten und Formen 110

    8.2 Standfiguren mit Vorbauschurz aus der hohen und spten 4. Dynastie 112

    8.3 Die Formalisierung der Standfigur mit Vorbauschurz I: Schreinfiguren 119

    8.4 Die Formalisierung der Standfigur mit Vorbauschurz II: Serdabstatuen 122

    8.5 Serdabensemble in Saqqara in Periode IV bis VI 125

    8.6 Sonderflle 126

    8.7 Standfigur mit Vorbauschurz - Zusammenfassung 128

    9 GRUPPENFIGUREN 130

    9.1 Auftreten und Typen 130

    9.2 Gruppenfiguren in der 4. Dynastie 137

    9.3 Gruppenfiguren aus in situ Serdabensembles in Giza 147

    9.4 Die Gruppenfigur in Statuenensembles in Giza und Saqqara 150

    9.5 Sonderflle und Sonderensembles 157

  • 11

    9.6 Exkurs: Statuenstiftung, reliefierte Sitzflchen und die Funktion der Nebenfigur162

    9.7 Gruppenfiguren - Zusammenfassung 165

    10 PSEUDO-GRUPPEN 170

    10.1 Auftreten und Formen 170

    10.2 Interpretation 174

    10.3 Pseudo-Gruppen - Zusammenfassung 182

    11 STATUEN, DIE DEN INHABER UNBEKLEIDET ABBILDEN 183

    11.1 Auftreten und Formen 183

    11.2 Interpretation 186

    11.3 Nacktfigur - Zusammenfassung 192

    12 DIENERFIGUREN 194

    12.1 Auftreten und Formen 194

    12.2 Dienerfiguren der Gruppe A 199

    12.3 Gruppe B - der bergang zur materiellen Ausstattung der Periode V 217

    12.4 Dienerfiguren - Zusammenfassung 221

    TEIL III - STATUEN IM ARCHOLOGISCHEN KONTEXT

    13 AUFSTELLUNGSORT UND BESTAND VON AUSGEWHLTEN

    STATUENENSEMBLES DER PERIODEN IV UND V 226

    13.1 Statuen in Groanlagen in Giza, Abusir und Saqqara (Tab. 12) 226

    13.2 Statuen in Kleinanlagen der spten 4. Dynastie und der 5. Dynastie im Bereich Giza NWund Giza SO (Berufsfriedhfe) (Tab. 13) 239

    13.3 Zusammenfassung 248

    14 EXKURS: SONDERFLLE VON "DOPPELTEN" SERDABEN AUS

    PERIODE IV.A UND DIE NRDLICHE SCHEINTRKULTSTELLE 250

  • 12

    14.1 Einleitung - Scheintr und Serdab 250

    14.2 Die Entwicklung der nrdlichen Kultstelle an nichtkniglichen funerren Anlagen im AR254

    14.3 Nordkultstelle und Familienkultstelle 261

    14.4 Zusammenfassung - Scheintr-Kultstellen und Statuenaufstellung 269

    15 WEITERE STATUENENSEMBLES AUS DEN RESIDENZFRIEDHFEN270

    15.1 Statuen aus dem Oberbau von kleinen und mittelgroen Anlagen der 5. und 6. Dynastie inGiza (Tab. 14) 271

    15.2 Statuenfunde aus Oberflchenserdaben in Saqqara, Abu Rawash und Abusir (Periode IV)(Tab. 15) 283

    16 PERIODE V: SCHACHT- UND SARGKAMMERENSEMBLES IN

    SAQQARA, GIZA UND SAQQARA SD 295

    16.1 Saqqara 295

    16.2 Giza 297

    16.3 Statuennutzung in Anlagen des Pepi II.-Friedhofes in Saqqara Sd 299

    16.4 Zusammenfassung 302

    17 STATUENENSEMBLES DER PERIODEN IV UND V -

    ZUSAMMENFASSUNG 304

    17.1 Aufstellungsort 304

    17.2 Aufstellungsart 305

    17.3 Ensembles 307

    17.4 Grabbau und soziale Position 308

    18 FELSSTATUEN UND SCHREINFIGUREN 310

    18.1 Einleitung 311

    18.2 Felsstatuen 311

    18.3 Schreinfiguren und weitere Statuen im "ueren" Kultbereich 324

    18.4 Formales: Ambivalenzen und Vervielfltigung 337

  • 13

    18.5 Zusammenfassung - 344

    TEIL IV - DIE FLACHBILDDEKORATION ALS QUELLE FR FUNERREN

    KULT UND DIE STATUENVERWENDUNG IM FUNERREN KULT

    19 FLACHBILDDEKORATION FUNERRER ANLAGEN DER RESIDENZ IM

    ALTEN REICH 348

    19.1 Das Flachbild als kulturelles Medium 348

    19.2 Abri der Entwicklung der Flachbilddekoration funerrer Anlagen der Residenz im AR352

    19.3 Flachbild und Statue - Werkstattszenen 355

    20 OPFERRITUAL UND FESTRITUAL 360

    20.1 Das Opferritual 360

    20.2 Feste und Festritual 367

    20.3 Die Flachbilddekoration im "stlichen" Kapellenbereich 376

    21 DAS BESTATTUNGSRITUAL AN DER STATUE UND DER LEICHE 388

    21.1 Einleitung 388

    21.2 Die Darstellung im Grab des dbH.n (Periode IV.a) 389

    21.3 Prozessionen der Statue (Periode IV.b) 392

    21.4 Die "Saisfahrt" der Periode IV.c 395

    21.5 Der Leichenzug in der 6. Dynastie (Periode V.a ) 398

    21.6 Synthese und Deutung 400

    21.7 Bestattungsritual und Festritual 411

    22 TEXTDEKORATION 414

    22.1 Einleitung 414

    22.2 Die Opferformel 415

  • 14

    22.3 Andere Textdekorationen 440

    23 ZUSAMMENFASSUNG VON TEIL IV 444

    23.1 Flachbild und Schrift als kulturelle Medien Das Phnomen der Verschriftlichung444

    23.2 Die Beschreibung von Kult durch Flachbild und Schrift 446

    23.3 Flachbild und Statue 449

    TEIL V - SCHLU

    24 DIE FUNKTION VON STATUEN IM FUNERREN KULT AN

    NICHTKNIGLICHEN GRABANLAGEN DER RESIDENZ IM ALTEN REICH 453

    24.1 Ursprung der Grabstatue 453

    24.2 Statuentypen und ihr Kontext 457

    24.3 Konzeptualisierung der Grabstatue im AR 466

    25 PERIODISIERUNG FUNERRER PRAXIS DER RESIDENZ IM ALTEN

    REICH 472

    25.1 Einleitung 473

    25.2 Periode I 475

    25.3 Periode II 476

    25.4 Periode III 478

    25.5 Periode IV 482

    25.6 Periode V 487

    25.7 Zusammenfassung: Die Tendenz funerrer Praxis der Residenz im AR 489

    26 FUNERRE PRAXIS UND SOZIALE PRAXIS 492

    26.1 Einleitung 492

    26.2 Funerre Praxis als Soziale Praxis 493

    26.3 Aspekte der Aktivierung funerrer Praxis in der Residenz im AR 499

  • 15

    Hinweise zum Aufbau und zur Benutzung

    Aufbau der Arbeit

    Gliederung

    Die Arbeit gliedert sich in fnf Teile.

    In Teil I werden die Statuenfunde und ihr Kontext aus der Zeit der 1. bis hohen 4. Dynastie

    zusammengefat und besprochen. In Kapitel 4 wird die Einordnung der Statuen in den kulturellen

    Kontext des frhen AR vorgenommen.

    In Teil II werden solche Statuentypen im Einzelnen untersucht, die im Zuge der Etablierung der

    Residenz als ein kulturelles Phnomen in der 4. bis 6. Dynastie neu entstanden sind.

    In Teil III werden wird der archologische Kontext der Statuen von der spten 4. bis in die 6.

    Dynastie besprochen.

    In Teil IV wird die Dekoration der Kapellen mit Flachbildern und Texten in die Betrachtung der

    funerren Praxis einbezogen.

    Im zusammenfassenden Teil V wird ein berblick ber die Ergebnisse der Arbeit gegeben sowie

    Schlsse ber die Bedeutung von Statuen im funerren Kult und die Bedeutung der funerren

    Praxis in der Residenz im AR gezogen.

    Belege

    Whrend sich der Textteil auf die Diskussion von Einzelbelegen beschrnkt, ist in den jeweiligen

    Belegtabellen ein grerer Korpus von Objekten zusammengefat. Dabei war es jedoch nicht das

    Ziel, einen Korpus aller Statuenfunde aus der Zeit des AR zu erstellen, was durch die fortwhrende

    Publikation neuer Grabungen sowieso illusorisch ist. Prinzipiell ging es nur darum, eine

    reprsentative Auswahl von

    a) Objekten aus hinreichend dokumentierten Fundzusammenhngen, und

    b) gegebenenfalls weitere Belege des diskutierten Statuentyps zusammenzufassen.

    Soweit vorhanden, wurde auf bereits von anderen Autoren zusammengestellte Beleglisten

    zurckgegriffen1. Die Reprsentativitt des so erfaten Ausschnittes entspricht dem

    1 Beleglisten fr frhformale nichtknigliche Statuen: Eaton-Krauss 1998; fr Ersatzkpfe: Tefnin 1991; frSchreiberfiguren: Scott 1989; fr Pseudo-Gruppen: Eaton-Krauss 1995; fr Dienerfiguren: Breasted 1948; frFlachbilddarstellungen von Statuen Eaton-Krauss 1984; fr Flachbilddarstellungen des BestattungsritualsBolshakov 1991 und siehe die Verweise in den jeweiligen Kapiteln.

  • 16

    Forschungsstand und der verfgbaren Literatur, kann aber durch neuere Grabungen besonders

    in den "weien Flecken" der Residenznekropolen jederzeit erschttert werden.

    Die Belege sind jeweils entsprechend der diskutierten Kriterien zusammengestellt, so da ein und

    dasselbe Objekt in mehreren Belegtabellen vertreten sein kann. Das fhrt zwar zu einer

    berschneidung von Belegnummern, doch sind so die jeweiligen Tabellen unabhngig

    voneinander verwendbar. Die Belegprsentation ist bewut kurz gefat und setzt sich aus einer

    Kurzbeschreibung, Angaben zum Fundort, Standort- und Publikationsverweisen und einer

    Kommentarspalte zusammen (siehe Beschreibung unten). Eine kritische Belegdiskussion ist nicht

    das eigentliche Ziel der Arbeit, ebensowenig die Interpretation der Einzelbelege. Entsprechend

    werden derartige Diskussionen nur in Einzelfllen vorgenommen.

    Abbildungen

    Aufgrund der immer noch nicht ausreichend geklrten Urheberrechtslage im Internet und dem

    hohen Rechenaufwand bei der Bilddarstellung wurde auf Abbildungen mit Ausnahme von zwei

    Skizzen - verzichtet. Der Benutzer ist daher gezwungen, die angegebenen Literatur zu Rate zu

    ziehen. Hat man die einschlgigen Werke Borchardt (1911) (Catalogue Gnral), Vandier (1958)

    (Manuel III) und den Katalog New York (1999) zur Hand, sind alle wesentlichen Belege leicht in

    Abbildungen zu finden. Abbildungen der wesentlichen Statuentypen finden sich im Internet in

    Fitzenreiter (2000) publiziert. In Zukunft wenn die meiste Literatur bzw. Museumsbestnde im

    Internet zur Verfgung stehen wird das Fehlen der Abbildungen ohnehin kein Problem mehr

    darstellen und die Reproduktion bereits publizierter Abbildungen obsolet sein.

    Hinweise zur Benutzung

    Lektre

    Die Arbeit wurde als ein durchgehend zu lesendes Werk mit aufeinander aufbauenden Abschnitten

    konzipiert. Prinzipiell empfielt es sich also, von vorn nach hinten zu lesen. Um dem Leser die

    Benutzung zu erleichtern, wurden regelmig lngere Zusammenfassungen in den Text eingefgt.

    Die Lektre dieser Zusammenfassungen ermglicht es, einen schnellen berblick ber den

    diskutierten Stoff zu gewinnen. Das ausfhrlich gehaltene Inhaltsverzeichnis (Lesezeichen) der

    PDF-Version ermglicht es, schnell innerhalb des Textes zu navigieren. Belege und Verweise

    wurden durch Verknpfungen verbunden. Auf einen Index wurde verzichtet, da mittels Suchbefehl

    nach bestimmten Begriffen gesucht werden kann.

    Feststehende Begriffe und Abkrzungen

  • Im Text wird weitgehend auf Abkrzungen verzichtet und mit einer Reihe von feststehenden

    Begriffen gearbeitet (zu den Abkrzungen siehe Verzeichnis). Unter Grabherr/herrin wird die

    Person verstanden, die eine funerre Anlage errichten lie und als der hauptschliche Empfnger

    von Kult auftritt. Daneben knnen aber weitere Personen in der Anlage bestattet sein und zur

    Gruppe der Kultempfnger gehren.

    Bei der Beschreibung von funerren Anlagen wird der Raum mit der Hauptkultstelle in Form einer

    Scheintr als Scheintrraum bezeichnet. Eine genauere Spezifizierung des jeweiligen Raumtyps

    wird durch ein in Klammern gesetztes Krzel gegeben. Dabei bedeutet (siehe Abb. 1+ 2):

    a) NS - die grte Tiefe des Raumes liegt in der Nord-Sd-Ausdehnung;

    b) OW - die grte Tiefe des Raumes liegt in der Ost-West-Ausdehnung;

    c) L - der Raum hat einen (meist nach Norden) versetzten Eingang, so da sich eine "L"-frmige Wegfhrung ergibt;

    d) T - der Raum besteht aus der Kombination eines Raumteiles in Ost-West-Ausdehnungund eines Raumteiles in Nord-Sd-Ausdehnung, wodurch ein "T"-frmiger Grundrientsteht, wobei auch die umgekehrte "T"-Form mglich ist;

    e) die Raumcharakteristik kann durch (:1) oder (:2) ergnzt sein, was sich auf die Anzahlder Scheintren bezieht, wobei (:1s) angibt, da sich eine Scheintr nach Sdenversetzt an der Westwand befindet.

    Abkrzungen im Text:

    AR = Altes Reich

    T = Titel

    N = Name

    GH = Grabherr

    TNGH = Titel und Name des Grabherrn

    Schreibung altgyptischer Texte

    Altgyptische Bezeichnungen, Textpassagen und Eigennamen werden mit Ausnahme der Namen

    von Pharaonen in Umschrift widergegeben. Bei den Pharaonennamen werden gebruchliche

    deutsche Schreibungen verwendet. Die Umschrift der Hieroglyphen bedient sich einer

    vereinfachten Codierung mit Gro- und Kleinbuchstaben anstelle von Sonderzeichen, die auf

    einem Computer einfach zu realisieren ist2. Bei der Schreibung des Altgyptischen wird auf die

    Rekonstruktion von Vokalen verzichtet und weitgehend nur das vorliegende Schriftbild

    wiedergegeben; auch bei Titeln wird eine Kurzschreibung bevorzugt (z.B. mr anstelle von jmj-rA).

    Da der Schwerpunkt dieser Arbeit nicht auf der Bearbeitung der Schriftquellen liegt, wird eine

    philologische Diskussion nicht vorgenommen und bei bersetzungen in der Regel auf vorliegende

    2 Es werden folgende Umschriften fr Sonderzeichen verwendet: A fr (A), a fr (a), X fr (X), x fr (x), H fr(H), S fr (S), T fr (T), D fr (D). Die brigen kleinen Buchstaben entsprechen den Zeichen der gelufigenUmschrift.

  • 18

    bersetzungen zurckgegriffen.

    Benutzung der Belegtabellen

    Auf die Belege wird im Text durch eine in Klammern gesetzte Zahlenfolge verwiesen. Die

    Zahlenfolge des Belegverweises verweist an erster Stelle auf die Belegtabelle, an zweiter Stelle

    auf den Beleg in der Tabelle und gegebenenfalls an dritter Stelle auf eine Unternummer im Beleg.

    Der Verweis (14.1.2:) verweist also auf Tabelle 14, Beleg Nr.1, Unterobjekt 2:.

    Die Tabellen sind in Band II zusammengefat und fortlaufend numeriert. Tabellen 2 und 3, sowie

    12 bis 16 geben die Zusammenstellung der wichtigsten Statuenfunde in den Residenznekropolen

    im AR. Tabelle 17 listet die Befunde von Felsstatuen und einigen Sondertypen unabhngig von

    den im selben Zusammenhang gefundenen Einzelstatuen auf. Die Belege der Tabellen 2 und 3

    werden vor allem in Teil I der Arbeit diskutiert. Die Belege der Tabellen 12 bis 16 sowie der Tabelle

    17 stellen die Grundlage der Diskussion in Teil III dar. Die Einzelobjekte sind in diesen

    Ensembletabellen jeweils zu Belegkonvoluten mit gemeinsamen Fundzusammenhang

    zusammengefat.

    In den Tabellen 4 bis 11 sind die Einzelbelege bestimmter Statuentypen aus den genannten

    Ensembletabellen zusammengestellt und um weitere Belege mit unklarem Fundzusammenhang

    ergnzt worden. Dabei sind also berschneidungen der Belegnummern die Regel, auf die in der

    Kommentarspalte verwiesen wird. Die sich so ergebende mehrfache Verschlsselung ein und

    desselben Beleges wurde im Interesse der leichten Benutzbarkeit jeder einzelnen Belegtabelle in

    Kauf genommen. Die Belege der Statuentypen stellen die Grundlage der Diskussion in Teil II dar.

    Tabelle 18 stellt Belege von Flachbilddarstellungen des Bestattungsrituals zusammen, die in

    Kapitel 21 diskutiert werden. Der Aufbau dieser Tabelle orientiert sich an dem der Tabellen mit

    Statuenbelegen. Tabelle 1 gibt eine chronologische bersicht der Dynastien und Pharaonen im

    besprochenen Zeitraum, der eine ungefhre Zuordnung der Perioden funerrer Praxis

    gegenbergestellt ist.

  • 19

    1 Einleitung

    1.1 Themenstellung

    1. Ziel der Arbeit ist es, eine Ausdrucksform der funerren Kultur - die nichtknigliche Grabstatue -

    in der Residenz im AR unter drei Gesichtspunkten zu untersuchen:

    a) dem Gesichtspunkt der Grabstatue als eigenstndiges kulturelles Zeugnis,

    b) dem Gesichtspunkt der Funktion der Grabstatue im funerren Kult, und

    c) dem Gesichtspunkt der Funktion des funerren Kultes - im weiteren Sinne: der funerrenPraxis - in der Residenz im AR, wobei letzterer Aspekt nur gestreift wird.

    2. Da gerade die Grabstatuen in den Mittelpunkt einer Studie der funerren Praxis gerckt sind,

    ist eher einem Zufall, als einer besonderen inneren Logik geschuldet. Ursprnglich war

    vorgesehen, mglichst alle kulturellen Medien zu bearbeiten, die im Bereich funerrer Anlagen des

    AR auftreten. Da aber bereits der Umfang einer Bearbeitung des Korpus der Grabstatuen

    unerwartet anschwoll, habe ich mich entschlossen, nur diesen Bereich der archologischen

    Zeugnisse in einigermaen ausfhrlicher Form zu behandeln.

    Alle anderen Objektkategorien sind nicht in wnschenswerter Vollstndigkeit aufgenommen,

    sondern werden nur stichprobenartig bei der Bearbeitung des jeweiligen Themas herangezogen.

    Darunter fallen so wesentliche Installationen wie die Scheintren, die Dekoration der funerren

    Anlage durch Flachbilder und Texte und den Grabbau als architektonischen Komplex aus Grablege

    und Kultstelle berhaupt.

    3. Die so auf den ersten Blick uerst lckenhafte Materialbasis kann aus einigen Grnden

    dennoch als brauchbar fr eine Studie der kulturellen Ausdrucksformen und ihrer Funktion in der

    funerren Praxis an nichtkniglichen Grabanlagen der Residenz angesehen werden. Das ergibt

    sich zum einen daraus, da Statuen in den jeweiligen Kapiteln immer auch unter dem Aspekt ihres

    archologischen Kontextes betrachtet werden, wodurch eine gewisse Menge von Befunden

    weiterer kultureller Ausdrucksformen in die Untersuchung einbezogen wird. Zum anderen hat die

    Konzentration auf die Belege mit Statuen den Nebeneffekt, da der Belegkorpus dadurch

    eingeschrnkt wird. Die Menge an funerren Anlagen der Residenzfriedhfe des AR ist derartig

    gro, da man zugunsten der berschaubarkeit gezwungen ist, die Beschftigung rumlich,

    zeitlich oder thematisch zu begrenzen. Statuenfunde mit gesichertem Kontext sind insgesamt

    gesehen nicht sehr hufig, aber gleichmig verteilt. So wird durch die Beschrnkung der

    Betrachtung auf jene Anlagen, deren archologischem Kontext Statuen zugeschrieben werden

    knnen, eine Belegauswahl getroffen, die relativ frei von subjektiven Faktoren des Bearbeiters ist.

    4. Dem kann natrlich entgegengehalten werden, da durch die Beschrnkung auf Anlagen mit

    Statuen nur das Segment an funerren Anlagen in den Belegen abgedeckt wird, das durch die

  • 20

    Nutzung von Statuen im funerren Kult geprgt ist. Alle Anlagen ohne Statuen fallen

    automatisch aus dem Feld der Betrachtungen heraus, und damit auch die eventuell besonderen

    funerren Praktiken in solchen Anlagen.

    Es sprechen jedoch einige Indizien dafr, da die Nutzung von Statuen ein typisches

    Charakteristikum der funerren Praxis der Residenz ist, das ab der spten 4. Dynastie prinzipiell

    bei allen Segmenten jener Bevlkerung vorausgesetzt werden kann, die zur besonderen sozialen

    Gruppe der Residenzbevlkerung zhlt. Dafr sprechen:

    a) auf der Seite des positiven Befundes die weite Verbreitung und soziale Streuung vonStatuenfunden. Statuen treten nicht nur in Elite-Anlagen auf, sondern auch in kleinerenund mittleren Anlagen. Es ist sogar festzustellen, da aufgrund der strkeren Beraubungvon Groanlagen mehr Statuen mit gesichertem Kontext aus eher kleinen Anlagenstammen3. Die verwendeten Typen, der Gesamtkorpus und die Qualitt der Statuenschwankt auerordentlich, aber grundstzlich knnen Statuen in jeder formalenGrabanlage der Residenz auftreten, wenn auch an verschiedenen Orten, inverschiedener Anzahl und Qualitt. Das impliziert nicht, das letztendlich jede Anlage mitStatuen ausgerstet war, es impliziert aber, da Statuen zum Bestand jeder Anlagegezhlt haben knnen. Das theoretisch obligate Vorhandensein in einer funerrenAnlage verbindet die Statue mit den Installationen Sargkammer und Scheintr undunterscheidet sie z.B. von der nur fakultativen Dekoration im Flachbild.

    b) auf der Seite des negativen Befundes das Vorhandensein von Serdaben oder hnlichenInstallationen der Statuenaufstellung auch in solchen Anlagen, in denen keine Statuengefunden wurden. Statuen als bewegliche Objekte sind offenbar besonders stark derVerschleppung und Zerstrung anheimgefallen. Dennoch verweisen die rumlichenInstallationen darauf, da Statuen in sehr viel grerem Mae wenigstens vorgesehenwaren, als der tatschliche Befund belegt4.

    5. Grundstzlich htte auch eine andere Objektgruppe, die hinreichend weit verbreitet ist, im

    Zentrum einer Untersuchung der funerren Praxis im AR stehen knnen. Es wurden jedoch

    mehrere Materialgruppen der funerren Kultur des AR in jngerer Zeit monographisch behandelt

    bzw. es sind entsprechende Monographien in Arbeit, so da eine neue Aufarbeitung des in diesen

    Arbeiten zusammengestellten Materials derzeit nicht notwendig ist. A. M. Donadoni Roveri hat die

    Srge des AR behandelt, eine Arbeit, die von G. Lapp fr das spte AR und die 1. ZZ bis zum MR

    fortgesetzt wurde. Die Scheintren des AR sind von S. Wiebach behandelt worden. Die Themen

    der Flachbilddekoration wurden von Y. Harpur zusammengestellt, mit Fragen der Stilistik und

    Datierung hat sich N. Cherpion beschftigt. Bereits G. Reisner hatte die Architektur der

    Grabanlagen ausfhrlich dokumentiert; eine neue Studie zur Architektur der Mastabagrber von N.

    Alexanian ist abgeschlossen. Praktisch alle Erscheinungsformen der funerren Kultur wurden

    bereits ausfhrlich von H. Junker und Selim Hassan in den Publikationen des Giza-Friedhofes

    besprochen. Bei der Behandlung der entsprechenden Objekte wird sich daher im folgenden auf

    3 Siehe dazu die Belegtabellen fr Statuenensembles mit gesichertem Fundort, besonders Tabelle 14.

    4 Der Befund mglicher Statuenpltze ohne Statuenfunde wurde jedoch nicht systematisch aufgenommen.Siehe die einschlgigen Publikationen, insbesondere die Giza-Bnde von Junker und Hassan, die fr fast jedeAnlage einen Serdab verzeichnen, der in den meisten Fllen leer war.

  • 21

    diese Untersuchungen und weitere Arbeiten zu den jeweils betreffenden Teilgebieten bezogen5.

    6. Auch die Statuen aus funerren Anlagen des AR sind mehrfach Gegenstand von

    Untersuchungen gewesen. Die letzte umfassende monographische Untersuchung von Anwar

    Shoukry6 liegt jedoch schon einige Zeit zurck, so da eine Neubearbeitung lohnend erscheint.

    Shoukry selbst konnte sich auf Vorarbeiten insbesondere von H. Junker und Selim Hassan sttzen,

    sowie auf das umfangreiche Material der Grabungen in Giza und Saqqara, das von A. Mariette und

    G. Maspero, L. Borchardt, G. Reisner und weiteren Archologen publiziert und kommentiert

    worden war7.

    7. Etwa zeitgleich der Entstehung der Arbeit von Shoukry schuf W. S. Smith das nach wie vor

    grundlegende Werk zur Kunst im AR, in der die Betrachtung des Rundbildes einen groen Raum

    einnimmt. Die Arbeit wurde aufgenommen und fortgesetzt von J. Vandier, der im dritten Band des

    Manuel eine umfassende Betrachtung auch der Plastik im AR vorlegte8.

    Unter den neueren Arbeiten zum Rundbild im AR sind vor allem die Untersuchungen von M. Eaton-

    Krauss hervorzuheben, die neben der grundstzlichen Behandlung der Flachbilddarstellungen von

    Statuen noch eine Reihe weiterer wichtiger Arbeiten zu den Statuen im AR vorgelegt hat9. D.

    Wildung hat im Rahmen der Beschftigung mit der gyptischen Kunst dem Rundbild besondere

    Aufmerksamkeit gewidmet, das vom Nestor der gyptologischen Kunstgeschichte, H. Schfer, im

    Vergleich zum Flachbild etwas vernachlssigt wurde10. Es sind besonders Wildungs

    Beobachtungen zur bedeutungstragenden Typisierung bestimmter Statuen, die der Beschftigung

    mit dem Thema neue Impulse verliehen haben11. Die von Wildung definierten Bedeutungen der

    stehenden / schreitenden, der sitzenden, der hockenden und der schreibenden Figur sind nicht

    ohne Widerspruch geblieben12, bilden aber m.E. die wesentliche Voraussetzung fr eine

    kontextuelle, funktionale Einordnung des Rundbildes in den praktischen Rahmen des Kultes13.

    Auf die groe Anzahl von Einzelstudien zu bestimmten Statuen, Statuentypen etc. wird an

    entsprechender Stelle verwiesen und soll hier nicht weiter eingegangen werden.

    5 Donadoni Roveri 1969; Lapp 1993; Wiebach 1981; Harpur 1987; Cherpion 1989; Reisner 1936; Reisner1942; Junker Giza I-XII; Hassan Giza I-IX

    6 Shoukry 1951

    7 Junker Giza I: 57-65; Junker Giza XII: 54-61 (erst nach Shoukry 1951 erschienen); Hassan Giza V: 45-52;Mariette / Maspero 1889; Borchardt 1911; Reisner 1936, 1942

    8 Smith 1946: 1-104; Vandier 1958: 1-143

    9 Eaton-Krauss 1984, 1995, 1997, 1998

    10 Schfer 1930: 299-327; Schfer 1936

    11 Wildung 1983, 1985, 1990

    12 Assmann 1983: 20; Schulz 1992: 713-715

    13 Siehe bereits Wood 1977: 65-68 zur Unterscheidung in einen passiven und einen aktiven Statuentyp; dazuauch Schulz 1992: 719.

  • 22

    8. Thema der Arbeit ist die Funktion und der "Sinn" bestimmter Statuen im funerren Kult. Es ist

    nicht angestrebt, eine umfassende Betrachtung des Rundbildes im AR vorzulegen, was schon

    durch den Ausschlu aller kniglichen Belege unmglich wre. Formale Fragen wie die Gestaltung

    der Statue und bestimmter Details, des Materials, der Technik der Herstellung, der Bemalung und

    selbst der Beschriftung werden nur dann in die Betrachtung einbezogen, wenn sie unter dem

    Gesichtspunkt der Funktion der Statue im Kult von Interesse sind. Diese Beschrnkung ist insofern

    sinnvoll, als die entsprechenden Themen von H. Schfer, W. S. Smith, A. Shoukry, J. Vandier, N.

    Cherpion und J. C. Harvey14 bereits ausfhrlich behandelt wurden und eine erneute Darlegung auf

    die Wiederholung der dort festgehaltenen Erkenntnisse zu den Werkverfahren und der formalen

    Entwicklung des Rundbildes im AR hinausgelaufen wre.

    Ebenso wird in der vorliegenden Arbeit nicht auf die Frage von individuellem oder

    berindividuellem Stil und Qualitt, also auf knstlerische Aspekte der Statuen, die Art der

    Umsetzung der Naturvorgabe im Rundbild und deren konzeptuelle Grundlagen eingegangen. Eine

    Auseinandersetzung mit diesem Komplex wrde eine vllig andere, kunstwissenschaftliche

    Herangehensweise und die Einbeziehung ganz anderer Quellengruppen verlangen. Auch hier sei

    auf vorliegenden Untersuchungen verwiesen15.

    1.2 Chronologischer und lokaler Rahmen

    1. Die Untersuchung ist rtlich und zeitlich auf die Residenz im AR beschrnkt. Whrend die

    zeitliche Beschrnkung auch in anderen Arbeiten zu diesem und verwandten Themen gebruchlich

    ist, wird von einer Beschrnkung der Materialbasis auf die memphitische Residenz meist

    abgesehen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, da im AR mit einer relativ einheitlichen

    kulturellen Entwicklung zumindest der Oberschicht im ganzen gyptischen Niltal ausgegangen

    werden kann. Da diese Annahme aber problematisch ist, belegen z.B. die Untersuchungen von B.

    Kemp zur Existenz von "zwei Kulturen" im gesamten Zeitraum des AR oder die Studie von St.

    Seidlmayer zur inneren Differenzierung der kulturellen Entwicklung im spten AR und der 1. ZZ16.

    Es ist daher ratsam, eine Studie der kulturellen Ausdrucksformen auch lokal zu beschrnken, ehe

    man dazu bergeht, die Verwendung bestimmter Ausdrucksformen an verschiedenen Pltzen zu

    vergleichen. Im brigen ist selbst der Befund der groen Residenzfriedhfe derart reich, da schon

    hier eine zeitliche, rtliche und soziale Differenzierung beim Gebrauch bestimmter kultureller

    14 Schfer 1930: 318-327; Smith 1946: 105-109; Shoukry 1951: 86-105; Vandier 1958: 3-13; Cherpion 1998;Harvey 1999

    15 Schfer 1930: 308-310; Junker Giza XII: 122-143; Scharff 1940; Vandier 1958: 116-143; Assmann 1983;Wildung 1983; Junge 1983; Assmann 1991: 138-168; Junge 1995; Schulz 1995; Stadelmann 1995;Russmann 1995.a, Ziegler 1999, Cherpion 1999

    16 Kemp 1989: 64-107; Seidmayer 1990: 431-441

  • 23

    Ausdrucksformen nachvollzogen werden kann.

    2. Der Ausschlu der kniglichen Denkmler aus dem Korpus der untersuchten Belege mag auf

    den ersten Blick einleuchtend sein, denn diese unterscheiden sich rein morphologisch betrchtlich

    von den nichtkniglichen Monumenten. Andererseits ist dieses Vorgehen nicht ohne weiteres

    plausibel, da die von den gyptern selbst vorgenommene starke Trennung von Kniglich und

    Nichtkniglich zwar auf einer interkulturellen Konzeptualisierung der besonderen Position des

    Pharao beruht, aber dennoch nicht das soziale Faktum vergessen lassen sollte, da der Pharao

    vor allem ein Exponent der politisch herrschenden Gruppe der Residenz ist. Es sind zwei Grnde,

    die eine Abkopplung der Untersuchung der funerren Monumente des Pharao von denen seiner

    Umgebung dennoch ratsam erscheinen lassen:

    a) die enge Verbindung von funerrem Kult und Gtterkult, die sich in kniglichenMonumenten aufgrund des institutionalisierten sakralen Charakters der Person desPharao ergibt; und

    b) die stark durch individuelle Faktoren geprgte Ausformung der kniglichen Monumente,die eine systematische Einordnung erschwert (z.B. dokumentiert in den hufigennderungen der Bauplne)17.

    3. Unter dem AR als einem chronologischen Rahmen wird gewhnlich die Regierungszeit der

    Pharaonen der 3. bis 8. Dynastie verstanden. In die vorliegende Untersuchung wird berblicksartig

    auch die die 1. und 2. Dynastie umfassende frhdynastische Periode einbezogen. Der

    Schwerpunkt der Untersuchung liegt in der Zeit der 3. bis 6. Dynastie, sozusagen der klassischen

    Periode des AR. Die Zeit nach Pepi II., fr die noch keine befriedigende Einordnung von

    Denkmlern vorliegt, wird nicht mehr behandelt. Da chronologische Fragen nicht im Zentrum der

    Untersuchung stehen, werden die jeweiligen kulturellen Zeugnisse den Dynastien bzw. Pharaonen

    nur allgemein zugeordnet. Die Datierung der Objekte beruht gewhnlich auf den traditionellen

    Angaben, wie sie in PM festgehalten sind. Bercksichtigt werden aber die wichtigen

    Umdatierungen, die in den letzten Jahren von N. Cherpion vorgenommen wurden18.

    4. Ein Schwerpunkt der Arbeit ist die Untersuchung der funerre Praxis, also eines Komplexes von

    Handlungen. Aus diesem Grund werden die einzelnen Objekte im folgenden nicht nur allgemein

    chronologisch fixiert, sondern vor allem in eine Periodisierung der Handlungen funerrer Praxis

    eingebunden. Es soll bereits an dieser Stelle darauf verwiesen werden, da die Periodisierung

    habituell blicher Handlungsablufe, in deren Rahmen die beschriebenen kulturellen Objekte

    erzeugt und genutzt werden, nicht mit der Datierung der entsprechenden Objekte zu verwechseln

    ist19. Eine Periode bestimmter Handlungen beschreibt einen lngeren Zeitraum und kann sich mit

    17 Erst im Verlauf der 5. Dynastie bildet sich ein gewisser Standard der Pyramidenanlage, siehe zu denkniglichen Anlagen: Stadelmann 1985 / 1991.

    18 Cherpion 1989: 83-138; dazu auch Seidlmayer 1997; Cherpion 1998

    19 Es stellt sich bei einer chronologischen Fixierung immer die Frage, ob der Zeitpunkt der Herstellung, derersten Benutzung oder der finalen Deponierung gemeint ist. Im hier interessierenden historischen Rahmensind die betreffenden Differenzen meist zu vernachlssigen, es zeigt sich aber auch beim Versuch einerchronologischen Fixierung von Objekten, da im Prinzip immer ein Aspekt der Handlung (= Herstellung oder

  • 24

    anderen Perioden von Handlungen berlappen. (Siehe Tabelle 1)

    5. Die Residenz im AR stellt ein komplexes kulturhistorisches und soziologisches Phnomen dar.

    Der Aufstieg der Festung und Siedlung Memphis ist auf das engste mit der Etablierung einer

    Institution politischer Machtausbung verbunden, die als das "Alte Reich" in der gyptologie

    behandelt wird. Nicht zuletzt dem Studium dieses auerordentlichen Phnomens soll die

    vorliegende Untersuchung dienen.

    Schon in der frhdynastischen Periode hat sich in Memphis ein administratives Zentrum befunden,

    das bei der Etablierung der politischen Macht einer Gesamtgypten beherrschenden Elitegruppe

    eine wichtige Rolle spielte. Ein nicht unbedeutender Teil dieser Elitegruppe hatte bereits in dieser

    Phase auch den Bestattungsplatz im Bereich der Siedlung Memphis. Seit der 2. Dynastie werden

    Bestattungen des Pharao hier blich, seit der 3. Dynastie die Regel. Darin spiegelt sich die

    herausragende Rolle dieser Lokalitt und wie sie schrittweise zum alleinigen Zentrum der Elite in

    der Phase der Formierung des frhen Staatswesens "Altes Reich" wird. Auch in den folgenden

    Perioden des "hohen" und "spten" AR behauptet Memphis seine Stellung als adminstratives

    Zentrum. Das Ende der politischen Institution "Altes Reich" ist fr die Siedlung Memphis zwar mit

    einem Verlust an Bedeutung verbunden, sie behlt ihre herausragende Rolle gegenber anderen

    gyptischen Siedlungspltzen aber bis in die griechisch-rmische Zeit20.

    6. Die Bestattungspltze in der Umgebung von Memphis sind bisher die einzige ergiebige

    Quellengruppe dieser Entwicklung im AR. Diese Friedhfe, die sich ber eine betrchtliche Distanz

    erstrecken und dabei auch im Bereich von Ansiedlungen liegen, die nicht mehr mit der Siedlung

    Memphis im engeren Sinne in Zusammenhang stehen, sollen hier als die Gruppe der

    Residenzfriedhfe im AR zusammengefat werden. Diese Friedhfe liegen, mit Ausnahme des

    Friedhofs der 1. und 2. Dynastie bei Helwan, alle auf dem Westufer des Nils. Sie erstrecken sich

    von Medum im Sden bis Abu Rawash im Norden. Die Zentren der Friedhfe sind jedoch die

    beiden schon in der 1. Dynastie belegten Bestattungspltze Saqqara und Giza, in und um die sich

    mehrere Unternekropolen gebildet haben. Sie liefern das Material, das der folgenden

    Untersuchung zugrundeliegt.

    1.3 Begriffsbestimmung und Methode

    1. Wie bereits festgehalten, steht die nichtknigliche Grabstatue im Zentrum der Untersuchung.

    Unter Statue wird ein rundplastisches Objekt aus Stein, Holz oder anderem Material verstanden,

    Nutzung) der Datierung zugrundeliegt und das letztendlich damit auch eine Periode der Handlungbeschrieben wird.

    20 Zivie, C. M.: s.v. "Memphis", L IV: 26-31; Giddy 1994, Malek 1997: 92-95, fig. 1

  • 25

    das im hier interessierenden Fall immer eine menschliche Gestalt abbildet. Wird die Statue auf

    einen bestimmten Statuentyp spezifiziert, so wird dieser als *-figur bezeichnet (Standfigur,

    Sitzfigur, Schreiber[figur], Dienerfigur etc.).

    2. Die Methodik der Untersuchung ist dadurch bestimmt, da die Statue nicht als ein isoliertes,

    selbstbewegtes Phnomen, sondern als das Produkt und das Objekt von Handlungen angesehen

    wird21. Die nichtknigliche Grabstatue wird daher unter drei Aspekten untersucht22:

    a) Zum einen sollen die auftretenden Statuentypen klassifiziert und der "Sinn" des jeweiligenStatuentyps im Rahmen der kulturellen Kommunikation der Gesellschaft untersuchtwerden. Diese Stufe untersucht die Statue als ein eigenstndiges Medium des kulturellenAusdrucks, als eine "kulturelle Vokabel", die fr den Rezipienten mit einem bestimmtenBedeutungsinhalt verbunden ist und so im Zuge der kulturellen Kommunikation auchverstanden wird. Der Proze der Reflexion eines Phnomens, seiner Definition als einenBedeutungsinhalt und dessen Darstellung in einer der kulturellen Kommunikationverwendbaren Form wird als Konzeptualisierung des Phnomens beszeichnet23. Dieentsprechenden Bedeutungsinhalte werden der Statue durch die typologische (Stand-,Sitz-, Schreiberfigur etc.) und die ikonographische (Kopfbedeckung, Handhaltung etc.)Gestaltung verliehen. Im folgenden wird diese Qualitt als ein Index bezeichnet, der demObjekt "Statue" jeweils zukommt24. Durch die entsprechende Indizierung bildet sich einStatuentyp und gegebenenfalls davon weitere Untertypen, die als "kulturelle Vokabeln"der Vermittlung bestimmter Sachverhalte in einem bestimmten Kontext dienen knnen.

    b) Als ein zweiter Aspekt wird der Kontext untersucht, in dem das mit bestimmten Indizesversehene Objekt "Statue" im funerren Bereich auftritt und genutzt wird. Das betrifft dieGruppierung von Statuen zueinander, ihre Position in einer funerren Anlage und ihreRelation zu weiteren bedeutungstragenden Objekten wie Kultstellen, Zugngen, ihrEinsatz im Rahmen dokumentierter oder rekonstruierter Kulthandlungen etc. Damit wirddie Funktion der Statue als ein Element der funerren Kultur und ihr Platz im funerrenKult der Residenz im AR bestimmt. Dabei wird der Begriff der Aktivierung vonsemantischen Potenzen des Objektes (also gewhnlich von ikonographischen Indizes)benutzt, wenn ein potentiell bedeutungstragendes Element der Statue auch tatschlichim entsprechenden Kontext eine Funktion besitzt25. Die Aktivierung eines Objektes undseiner Indizierung im Rahmen des Kultes hat oft den Charakter der symbolischenVerwirklichung, der Affirmation26.

    21 "Um dem Strukturrealismus zu entgehen, der die Systeme objektiver Relationen derart hypostasiert, da ersie in jenseits der Geschichte des Individuums oder der Geschichte der Gruppe angesiedelte prkonstruierteTotalitten verwandelt, gilt es und gengt es auch, vom opus operatum zum modus operandi, von derstatischen Regelmigkeit oder algebraischen Struktur zum Erzeugungsprinzip dieser observierten Ordnungberzugehen und die Theorie der Praxis, genauer gesagt, die Theorie des Erzeugungsmodus derPraxisformen zu entwerfen, die die Bedingung der Konstruktion einer experimentellen Wissenschaft von derDialektik zwischen Interioritt und Exterioritt, d.h. zwischen der Interiorisierung der Exterioritt und derExteriorisierung der Interioritt bildet." (Bourdieu 1979: 164)

    22 Siehe auch den hnlich gearteten systematischen Ansatz in Bolshakov 1997: 40-49.

    23 Zur Konzeptualisierung siehe auch Fitzenreiter 1998.b: 28.

    24 Unter "Indizierung" soll im folgenden verstanden werden, da ein kulturelles Element eine bestimmte, fralle Teilnehmer an der kulturellen Kommunikation verstndliche Information enthlt. Insbesondere wirkenbestimmte ikonographische Elemente der Gestaltung im Rund- und Flachbild als informationsgeladene"Indizes", aber auch architektonische Elemente (z.B. Nische mit der Bedeutung "Tr").

    25 Dazu, da potentielle Indizes nicht zwangslufig in jedem Zusammenhang aktiviert werden bzw. dieIndizierung eines Elementes wechselt oder der Interpretation unterworfen ist, siehe z.B. van Walsem 1998.

    26 Unter "Affirmation" soll eine Beschreibung verstanden werden, die im Sinne einer symbolischen Handlungeine Entitt so beschreibt, da der beschriebene Zustand als durch den Akt der Beschreibung verwirklichtangesehen wird. Die Affirmation ist stets als Handlung, Aktivierung zu verstehen, selbst dann, wenn dieAgenten davon ausgehen, da die Affirmation "selbstwirksam" ist. Ohne das "aktive Bewutsein" der

  • 26

    c) Als ein dritter Aspekt wird versucht, den Sinn der Aktivierung des Objektes "Statue" imfunerren Kult zu untersuchen. Auf dieser Stufe ist nicht mehr nur der innere Bezug derElemente der funerren Anlage zueinander und ihr Gebrauch im Kult entscheidend,sondern der "Sinn", den die kultischen Handlungen fr die sie durchfhrenden Personenhaben. Da die entsprechenden Handlungen gewhnlich auf nicht-dinglicher, imaginrerEbene stattfinden, werden sie auch als rituelle Handlungen bezeichnet. Die klassischeForm rituellen Handelns im funerren Bereich ist das Ritual, das der Realisierung einerbestimmten, tendenziell nicht-dinglichen Entitt dient und sich aus einer Reihe vonZeremonien zusammensetzt27.

    Rituelle Handlungen werden gewhnlich unter vernderten, nicht-normalen Bedingungen

    durchgefhrt, sie bedrfen einer besonderen Reinheit, einer besonderen Rumlichkeit, eines

    besonderen Gemtszustandes etc., um tatschlich wirksam zu sein. Zur Beschreibung dieses

    besonderen Zustandes, der bei rituellen Handlungen im funerren Bereich grundstzlich

    vorauszusetzen ist, wird der Begriff liminal verwendet28.

    Der Proze dieser Handlungen wird als Praxis bezeichnet, wobei unter Praxis ganz allgemein der

    Proze der Aneignung der Wirklichkeit durch die menschliche Gesellschaft verstanden wird29, hier

    konkret unter funerrer Praxis der Proze der Auseinandersetzung einer Gesellschaft mit dem

    Tod und den Toten.

    Kulturelle Merkmale, die auf einander vergleichbare funerre Praktiken schlieen lassen, werden

    Selbstwirksamkeit unter den Teilnehmern der Kommunikation ist die Qualitt der "selbstwirksamenAffirmation" hinfllig (z.B. bei unsichtbar aufgestellten Objekten, die nur solange "funktionieren", solange sichdie Agenten ihrer Existenz bewut sind). Der Gegensatz zur affirmativen Beschreibung wrde eine rein"deskriptive" Beschreibung sein, die sich auf die detaillierte Benennung aller Elemente einer Entittbeschrnkt, der Benennung aber keine Qualitt als verwirklichende Handlung zuerkennt. DeskriptiveBeschreibungen treten im funerren Bereich des AR praktisch nicht auf, da jede Art von Beschriftung,Dekoration, rundbildlicher Darstellung, rumlicher Inszinierung etc. den Charakter einer funerren Installationhat, die der Verwirklichung der dort vorgenommenen rituellen Handlungen dient - diese also "affirmiert".Deskriptiv hingegen ist z.B. die hier vorgenommene Beschreibung von Statuen und deren Funktion. Dabeiwerden dieselben Elemente benannt, der Kontext und das Ziel der Beschreibung - Affirmation versusDeskription, Kult versus Dokumentation - sind aber grundverschieden.

    27 Z.B. ist die vordringliche Aufgabe des Bestattungsrituals, den Verstorbenen in die Entitt "dauerhafter Toter/ Ahn" zu berfhren, was die dingliche Handlung der Leichenbehandlung aber einschliet; die Aufgabe desOpferrituals die Belebung und Speisung und damit die Erhaltung des nicht dinglich anwesenden Toten usw.Siehe dazu: Fitzenreiter (im Druck).

    28 Liminale Situationen oder Zustnde markieren den Moment einer "Grenzberschreitung" im Rahmenritueller Handlungen. Im Zuge eines rite de passage wird eine liminale Phase durchlaufen, die zwischen demvorherigen und dem nachfolgenden Zustand steht und die sich vom normalen dieser beiden Zustnde abhebt.Im Rahmen von Kulthandlungen werden liminale Situationen erzeugt, in denen Einzelne oder Kollektive inKontakt mit nicht-natrlichen, sakralen Erscheinungen treten knnen. Liminale Zustnde knnen kurzzeitigerzeugt werden, z.B. durch das Betreten eines als sakral definierten Raumes, durch Geruch (Rucherung),Licht und Dunkel, Musik, durch gemeinsame Benutzung (Kommunion) von Speisen, Getrnke, durchbesondere Kleidung, durch Extase etc., aber auch langandauernd oder gar institutionalisiert sein, z.B. beiSchamanen oder sakralen Knigen (Turner 1989: 94-127). Die konkrete Empfindung der liminalen Situationdurch einzelne oder alle Teilnehmer eines Rituals ist auf atypische Reizung ("tuning") des Nervensystemszurckzufhren, wodurch wiederum atypische Formen der Informationsumsetzung eintreten (d'Aquili, E. et al.1979: 117-151, 159, 178).

    29 Die Kategorie der "Praxis" wurde von Marx in der ersten Feuerbachthese in der Auseinandersetzung mitidealistischen Anstzen der Interpretation der Bewegung menschlicher Gesellschaft als eine Bewegung derIdeen geprgt (MEW 3: 5, 533); unter sozialphilosophischen Gesichtspunkt wurde die Kategorie der "Praxis"von Bourdieu 1979: 139-202 u. passim ausgearbeitet.

  • 27

    zu Perioden zusammengefat. Dabei bezieht sich der Begriff "Periode" grundstzlich auf die

    Ebene der Handlung, deren Produkt die jeweiligen kulturellen Manifestationen sind, und nicht auf

    die kulturellen Objekte selbst30.

    3. Im Rahmen der Arbeit werden diese drei Aspekte nicht in strenger Abfolge untersucht, sondern

    gewhnlich in einer gewissen Verbindung31. Da kulturelle Phnomene grundstzlich als Produkte

    gesellschaftlicher Praxis anzusehen sind und selbst wieder nicht voneinander isoliert betrachtet

    werden knnen, ist eine mechanische Trennung der Aspekte weder sinnvoll noch

    vielversprechend. Es geht vielmehr darum, die gegenseitige Beeinflussung und die daraus

    resultierende Dynamik der Prozesse zu verfolgen, um ein Bild von der Bedeutung bestimmter

    kultureller Objekte in einer und fr eine Gesellschaft zu erhalten. Innerhalb der jeweiligen

    Abschnitte wird aber versucht, die Abfolge a) Statuentyp als "kulturelle Vokabel"; b) Kontext des

    Statuentyp in der funerren Anlage und c) Funktion des Statuentyps im Proze funerrer Praxis

    einzuhalten.

    Exkurs: Die Residenzfriedhfe des Alten Reiches Abriss derBelegungsgeschichte

    1. Die Friedhfe der Residenz sind in zwei Gruppen zu unterteilen. Die erste Gruppe umfat

    Friedhfe, die in enger Beziehung mit bestimmten kniglichen funerren Anlagen errichtet wurden.

    In der 4. Dynastie schliet diese Planung sogar die Anlage ganzer Grberfelder fr nichtknigliche

    Personen im Rahmen des kniglichen Bauprogrammes mit ein. In der 5. und 6. Dynastie ist die

    enge Verzahnung der Bauaktivitt nicht mehr in diesem Mae gegeben, der Charakter des

    Pyramidenfriedhofes als eines privilegierten Bestattungsplatz bleibt aber erhalten. Diese

    Pyramidenfriedhfe sind dadurch gekennzeichnet, da die hier bestattetten Personen in enger

    Beziehung zu Institutionen stehen, die um den Pharao etabliert sind32. Dabei knnen diese

    Institutionen

    1. solche sein, die um den lebenden Pharao etabliert wurden, aber auch solche, die

    2. um den toten Pharao und den Kult an seiner Grabanlage etabliert blieben.

    30 Als ein Beispiel: Die Dienerfiguren treten als ein typisches Element der Periode IV funerrer Praxis derResidenz auf; d.h. die "kulturelle Vokabel" Dienerfigur wird im Rahmen von rituellen Handlungen inGrabanlagen geschaffen und aktiviert, die zu einer Gruppe von Handlungen gehrt, die die Periode IVfunerrer Praxis an der Residenz konstituieren. Eine "Periodisierung" der Objektgattung Dienerfigur selbst isthingegen die unten vorgenommene Einteilung in Gruppe A und Gruppe B.

    31 Der methodische Ansatz ist offensichtlich den drei oben genannten Zielen der Arbeit verwand, aber nichtdamit identisch: die Methodik beschreibt eine Vorgehensweise, whrend die Ziele der Arbeit mit dem Blick aufpositiv zu formulierende Ergebnisse gestellt sind. Whrend die Methodik in sich eine Einheit darstellt, sind dieZiele in einzelne und aufeinander aufbauende Ergebnisse zu fassen.

    32 Roth 1988, 1993

  • 28

    Die Pyramidenfriedhfe nach a) sind gewhnlich die Elitefriedhfe der jeweiligen Periode, so die

    Friedhfe des Snofru in Medum und Dahschur Mitte, der Friedhof auf dem Giza-Plateau, in Abu

    Rawash, im Central Field in der spten 4. Dynastie und schlielich die Friedhfe um die jeweilige

    Pyramide des Djedkare, Unas, Teti, Pepi I., Merenre und Pepi II. Nur in der hohen 5. Dynastie, der

    Zeit der Abusir-Knige, ist ein vergleichbares Muster bisher nicht festzustellen. Derartige Friedhfe

    zeichnen sich durch eine gewisse kulturelle Innovativitt aus und korrespondieren dabei mit der

    individuellen Ausprgung jeder kniglichen Anlage.

    Bei Weiterexistenz der Kultanlagen der Pyramide nach b) werden die nun meist zur Gruppe der

    dependent specialists33 zu zhlenden Angstellten der Institution ebenfalls im Bereich des

    Pyramidenfriedhofes bestattet, so besonders in Giza und auf verschiedenen Pyramidenfriedhfen

    im spten AR (Unas, Teti). Diese Anlagen repetieren die kulturellen Traditionen der jeweiligen

    Periode.

    2. Die zweite Gruppe der Friedhfe sind die eigentlichen Lokalfriedhfe, in denen Angehrige der

    Residenzbewohnerschaft ohne eine direkten Bezug zu kniglichen Anlagen bestattet werden. Der

    Friedhof, der dieses Kriterium in erster Linie erfllt, ist der alte Lokalfriedhof von Memphis auf dem

    Wstenplateau von Saqqara. Hier werden Bestattungen der Elite seit der Begrndung der

    Ortschaft vorgenommen und die Belegung wird mehr oder weniger bruchlos das gesamte AR und

    darber hinaus in der 1. ZZ und den folgenden Perioden fortgesetzt. Dabei sind sptestens seit der

    Rckverlegung der kniglichen Bestattungen in diesen Bereich in der 5. Dynastie aber auch immer

    Bezge zu kniglichen Anlagen vorhanden.

    Weniger klar ist die Entwicklung in Giza. Die Begrndung der Nekropole hngt mit der Etablierung

    der kniglichen funerren Anlagen der 4. Dynastie in diesem Bereich zusammen. Es gab allerdings

    bereits einen lokalen Elitefriedhof auf dem Sdfeld. Die um die Anlagen des Cheops, Chefren,

    Mykerinos und deren Familienmitglieder massierten funerren Institutionen bewirkten offenbar, da

    auch in der 5. und 6. Dynastie ein nicht unbetrchtliches Segment der Residenzbevlkerung in

    diesem Bereich ansssig blieb bzw. hier bestattet wurde. Damit entwickelte sich die Nekropole von

    Giza zu einem zweiten groen und lange belegten Residenzfriedhof. Es entwickeln sich hier

    gewisse eigene Traditionen gegenber den auf dem Friedhof von Saqqara blichen, was sich u.a.

    in einigen Differenzen der kulturellen Ausdrucksformen niederschlgt. Im Gegensatz zu Saqqara

    wurde die Belegung des Giza-Friedhofes am Ende des AR weitgehend eingestellt34.

    3. Kaum eine der hier interessierenden funerren Anlagen kann einem der beiden Typen in "reiner"

    Form zugeschrieben werden. Es ist vielmehr die spannungsreiche Kombination von

    Pyramidenfriedhfen, die theoretisch ausschlielich mit Personen belegt sind, die Institutionen um

    33 Trigger 1993: 55-61

    34 Seidlmayer 1990: 386

  • 29

    den Pharao bilden, und dem Lokalfriedhof, der der Bestattungsplatz einer sozialen Entitt mit

    der Basis "Siedlung" ist, die den besonderen Charakter der Residenz im AR bestimmt. Diese

    Residenz ist natrlich eine Ansiedlung von Menschen wie jede andere Ortschaft auch; ihr

    besonderer kultureller Charakter wird aber durch Institutionen geprgt, die berregionale

    Bedeutung besitzen.

    4. Die Belegungsgeschichte dieses riesigen Areals ist naturgem uerst komplex und soll hier

    nur in groben Umrissen unter Angabe der wesentlichen Literatur nachvollzogen werden.

    Zu den in der 1. Dynastie im ganzen gyptischen Reichsgebiet verteilt belegten Elitefriedhfen

    gehren bereits das sdliche Plateau von Giza35 und die Bestattungspltze von Saqqara Nord.

    Saqqara Nord zeichnet sich bereits in der 1. und dann verstrkt in der 2. Dynastie durch die

    ungewhnlich dichte Belegung mit Eliteanlagen aus36. Etwas nrdlich vom Elitefriedhof befindet

    sich ein frhdynastisches Grberfeld, das offenbar den Lokalfriedhof einer sozial weniger

    hochstehenden Bevlkerung darstellt37. Der ebenfalls von einer Elitegruppe belegte Friedhof von

    Helwan auf dem gegenberliegenden Ostufer unterstreicht die Bedeutung, die die memphitische

    Region bereits in dieser Periode hat38. Die Lokalfriedhfe in Saqqara und Giza sind jeweils auf

    reprsentativen Pltzen (Plateaus) in unmittelbarer Nhe zum Fruchtland angelegt.

    5. In der 2. Dynastie werden die ersten kniglichen Anlagen in Saqqara, weit entfernt vom

    Elitefriedhof an der Plateaukante, in der Wste errichtet39. Vorbild dieser Position ist wohl die der

    knigliche Nekropole von Abydos. In dieser Region hat es bereits in der 1. Dynastie einen formal

    gegliederten Bestattungsplatz gegeben, der von W. Kaiser mit einer kniglichen Kultanlage des

    Den in Verbindung gebracht wird40.

    Mit der Errichtung der Anlage des Djoser in genau diesem Friedhofsbereich wird eine neue Etappe

    der Friedhofsgeschichte der memphitischen Region eingeleutet. Von nun an werden alle

    Pharaonen des AR in aufwendig konzipierten funerren Anlagen in der memphitischen Region

    bestattet. Bereits bei Djoser sind Grber vorhanden, die wohl fr weitere Angehrige der

    Knigsfamilie vorgesehen waren41. Aber erst mit dem bergang zur 4. Dynastie kommt es zur

    Bildung echter Pyramidenfriedhfe, die in der Anlage des Snofru in Medum bereits vorgeprgt

    35 PM III: 294f; Martin 1997

    36 PM III: 436-448; Tavares 1998: 1138f

    37 Bonnet 1928; Tavares 1998: 1138

    38 Vandier 1952: 674-681

    39 Zur Diskussion um angebliche knigliche Grabanlage der 1. Dynastie in Saqqara-Nord siehe Kemp 1966,1967 und im folgenden. Zu den kniglichen Galeriegrbern der 2. Dynastie: Stadelmann 1985 / 1991: 31-34,Abb. 9, 10; Tavares 1998: 1137, fig. 3.

    40 Macramallah 1940; Kaiser 1985

    41 Vandier 1952: 892-899

  • 30

    sind42 und auf dem Friedhof in Dahschur Mitte ihre klassische Ausprgung erhalten43.

    6. Die Nutzung des Lokalfriedhofes von Saqqara setzt sich auch in der 4. Dynastie fort, wobei die

    Flche in Richtung Westen und Sden ausgedehnt wird44. In Dahschur werden unabhngig von

    der kniglichen Anlage Grber an der Wstenkante errichtet45.

    7. Cheops verlegt die knigliche Anlage nach Giza. Unter seiner Regierung und den Nachfolgern

    Chefren und Mykerinos wird hier das wohl bedeutendste funerre Bauprogramm des

    pharaonischen gypten durchgefhrt, das neben den drei Pyramiden die Errichtung groer,

    geplanter Grberflder um die Cheopspyramide, im Central Field und den angrenzenden

    Felshngen umfat46.

    8. Nur eine relativ kurze Episode scheint die Errichtung der Pyramide des Djedefre in Abu Rawash,

    ebenfalls im Gebiet eines frhdynastischen Lokalfriedhofes, gewesen zu sein. Es befinden sich

    aber auch hier jngere Anlagen, die eine gewisse Kontinuitt der Belegung bis in die 5. Dynastie

    sichern47.

    9. Die bergangszeit von der 4. zur 5. Dynastie ist durch die Verlegung der kniglichen Anlagen

    des Schepseskaf nach Dahschur, des Userkaf nach Saqqara Ost und des Sahure nach Abusir

    gekennzeichnet. In Abusir etabliert sich schlielich der Knigsfriedhof der hohen 5. Dynastie48.

    Abgesehen von einer kleinen Gruppe von Grbern aus der bergangszeit von der 4. zur 5.

    Dynastie49 wird nach dem bisherigen Kenntnisstand im Gegensatz zu Dahschur und Giza hier

    keine groe Nekropole bei den Pyramiden errichtet, sondern selbst Elitepersnlichkeiten (z.B. Tjj)

    lassen sich im wenig entfernten Saqqara Nord bestattet. Auch der Friedhof von Abusir Sd, der

    von der 4. bis zur 6. Dynastie belegt ist, kann als Auslufer der Nekropole von Saqqara angesehen

    werden50.

    10. Die Nekropole von Saqqara scheint die gesamte Zeit ber kontinuierlich belegt worden zu sein

    und auch in Giza reit die Belegung nicht ab. Auch in Dahschur befinden sich Grber aus dem

    42 Petrie 1892: pl. I; Stadelmann 1980

    43 Stadelmann et al. 1993: 268-290; Stadelmann / Alexanian 1998: Abb. 2

    44 Die Belegungsgeschichte des Saqqara-Friedhofes ist weitaus weniger gut erforscht, als die von Giza; siehe:Smith in Reisner 1936: 390-411; Roth 1988; Tavares 1998.

    45 Stadelmann / Alexanian 1998: 299-306

    46 Reisner 1942: 66-84; Junker: Giza XII: 12-27; Helck 1956.b; Lehner 1985

    47 PM III: 4-8

    48 Stadelmann 1985 / 1991: 152-179

    49 PM III: 342-344; Borchardt 1907: 109-134

    50 Verner 1994.b; Tavares 1998: 1139

  • 31

    hohen AR51. In Saqqara ist zu beobachten, da im bergang zur 5. Dynastie das Gebiet stlich

    der Djoser-Anlage, in dem auch Userkaf seine Pyramide anlegen lies, in den Friedhof einbezogen

    wird52. Damit wird eine bis dato bestehende Trennung des Saqqara-Nekropole in einen

    nichtkniglichen Bereich im Norden und den kniglichen Bereich der 2. und 3. Dynastie im

    Sdwesten aufgehoben53. Auerdem kommt es analog zu einer Entwicklung in Giza schon in der

    spten 4. Dynastie zur Bildung von Berufsfriedhfen von dependent specialists der 5. Dynastie an

    der Peripherie dieses neuen Elite-Bereiches, sdlich im Bereich des spteren Unas-Aufweges und

    nrdlich im Bereich der spteren Pyramide des Teti54.

    11. Die Anlage der gewaltigen Mastaba des ptH-Spss in Abusir markiert den bergang zu einem

    neuen Typ von Pyramidenfriedhfen am Ende der 5. und in der 6. Dynastie, in denen die hchsten

    Wrdentrger ihre groen Mastabas wieder in unmittelbarer Umgebung der Pyramide des

    jeweiligen Knigs errichten. Dieses Prinzip ist bei den Anlagen des Unas, des Teti und Pepi II. gut

    belegt55, whrend die Angaben fr Djedkare, Pepi I. und Merenre noch sprlich sind56.

    12. Parallel werden die Friedhfe in Saqqara und Giza in der 6. Dynastie weiter genutzt. Es

    verstrkt sich die schon in der 5. Dynastie belegte Tendenz zur Errichtung von Komplexen groer

    Elitefamilien, die die Grab- und Kultstellen mehrere Familienmitglieder ber einige Generationen

    verbinden. Um diese Komplexe bilden sich weitere Ansammlungen von Klientelanlagen. Solche

    Komplexe sind in Giza bei der sSm-nfr IV.- und der snDm-jb-Familie sdlich und nrdlich der

    Cheops-Pyramide zu beobachten57. In Saqqara bildet sich ein bedeutender Komplex um die

    Anlage der ptH-Htp / Ax.t-Htp-Familie westlich vom Djoser-Bezirk58 und ein Friedhof an dessen

    Nordmauer59, auerdem im Bereich der Pyramiden des Unas und des Teti, hier die kA-gm.n-

    Mastaba und deren Klientelfriedhof umfassend60. Auch in Abusir befindet sich ein Friedhof mit

    Kleinanlagen vom Ende des AR61.

    13. Im bergang zur 1.ZZ bilden diese cluster den Ausgangspunkt der lokalen Friedhfe der im

    51 Stadelmann / Alexanian 1998: 314

    52 PM III: 575-586; 632-637

    53 Roth 1993: 48

    54 Unas-Aufweg: PM III: 637-645; Teti-Pyramide: PM III: 541-543

    55 Roth 1988: 208-213

    56 PM III: 671-674

    57 PM III: 223-228 (sSm-nfr); 85-92 (snDm-jb)

    58 PM III: 596-608; Roth 1988: 213f, die vorschlgt, in diesem Komplex eventuell den Pyramidenfriedhof dernicht bekannten Anlage des Menkauhor zu sehen.

    59 Baud 1997

    60 Unas-Pyramide: PM III: 614-632; Munro 1993: 1-8; Teti-Pyramide: PM III: 508-539

    61 Schfer 1908: 3-14

  • 32

    Gebiet von Memphis ansssigen Bevlkerung. Solche Friedhfe der 1. ZZ sind in Giza nicht

    mehr vorhanden, wohl aber im Bereich der Teti-Pyramide, des Unas-Aufweges, in Abusir und

    eventuell auch bei der Anlage des Snofru in Dahschur62.

    62 Daoud 1998

  • 33

    Teil I - Grabstatuen im frhen Alten Reich

    1. Im folgenden ersten Teil der Untersuchung werden Statuen behandelt, die im Zusammenhang

    mit funerren Monumenten aus der Zeit der 1. Dynastie bis in die hohe 4. Dynastie stehen. Die

    behandelte Zeitspanne ist die der Formierung der Residenz des AR als ein eigenstndiges und

    vom brigen Reichsgebiet unterscheidbares soziales und kulturelles Phnomen. Entsprechend der

    Schwerpunktsetzung der Untersuchung werden Quellen, die nicht aus dem Gebiet der Residenz

    stammen, nur in beschrnktem Mae herangezogen.

    2. Der in diesem Teil behandelte Zeitraum wird in drei Perioden funerrer Praxis unterteilt, wobei

    immer der memphitische Beleg bzw. die memphitische Variante entscheidend ist. Unter "Periode I"

    funerrer Praxis in Memphis wird ein imaginrer Ausgangspunkt verstanden, bei dem eine

    weitgehend homogene funerre Elitekultur der Reichseinigungszeit vorausgesetzt wird, die als

    Aspekt der Naqada III-Kultur anzusehen ist. Diese Periode bildet den Hintergrund bei der

    Betrachtung der folgenden Entwicklung, wird selbst aber nicht in den Mittelpunkt einer

    eigenstndigen Untersuchung gestellt.

    Periode II funerrer Praxis baut auf Traditionen der Periode I auf, in ihr beginnt sich aber immer

    mehr die memphitische Residenz und die deren Bevlkerung zuzuweisenden Friedhfe kulturell

    vom Rest des Landes abzuheben. Die in dieser Periode durchgesetzte Konzentration aller um den

    Pharao angesiedelten Institutionen im Gebiet von Memphis schlgt sich auch in Vernderungen in

    den Ausdrucksformen der funerren Kultur nieder. Diese Periode setzt schon in der 1. Dynastie ein

    und erreicht in der 3. Dynastie ihren Hhepunkt.

    Periode III funerrer Praxis schlielich ist ein ausgesprochenes Residenzphnomen. Sie prgt jene

    funerren Monumente, die unter Snofru, Cheops, Djedefre, Chefren und zum Teil noch Mykerinos

    errichtet wurden. Merkmal der zu den Ausdrucksformen dieser Periode zu zhlenden Monumente

    ist die Einbindung in zentral organisierte und um die jeweilige knigliche Anlage errichtete

    Grofriedhfe.

    2 Skulpturen der frhdynastischen Periode (Periode I)63

    (Tab. 2)

    1. Rundplastische Darstellungen von Menschen und Tieren sind in gypten seit der vor- und

    frhdynastischen Zeit belegt; als Fundorte sind sowohl Grber, als auch Tempelbereiche bekannt.

    63 Shoukry 1951: 1-17

  • 34

    Auf Friedhfen, als Teil der Grabausstattungen, wurden kleine Elfenbein- und Tonfiguren

    gefunden, die mehr oder weniger stilisiert Frauen und Mnner wiedergeben64. Bestand und

    Bedeutung dieser frhen Grabausrstungen sollen nicht Gegenstand der hier gefhrten Diskussion

    sein, es sei nur darauf verwiesen, da rundplastische Abbildungen von Menschen schon mit

    Beginn der geschichtlichen Zeit im funerren Kontext auftreten.

    2. Die ersten greren Komplexe rundplastischer Darstellungen von Menschen und Tieren der 0.

    und 1. Dynastie stammen aus den Tempeln von Hierakonpolis, Abydos und Koptos. Unter den dort

    gefundenen Objekten befinden sich Darstellungen stehender und schreitender Mnner und

    Frauen65, erst jngere Belege zeigen den Typ der Sitzfigur. Die frhesten bekannten Exemplare

    grerer Sitzfiguren sind zwei Statuen aus Kalkstein, die in Hierakonpolis gefunden wurden und

    etwa in die 1. Dynastie datieren66.

    3. In den Knigsgrbern der 1. Dynastie in Abydos wurden in den Grbern des Djer und des Den

    Fragmente von Holzfiguren gefunden67. Das Fragment einer Statue aus dem Grab des Den deutet

    auf eine etwa lebensgroe Statue. G. Dreyer rekonstruiert fr eine derartige Statue die Aufstellung

    in einem gesonderten zugnglichen Statuenraum, eventuell so, da sie einen Aus- oder Zugang im

    Sdwesten hatte68.

    4. Der erste Beleg fr die Aufstellung von Statuen im Bereich einer Grabanlage im memphitischen

    Raum stammt erst vom Ende der 1. Dynastie. In Raum 6 des nrdlich vom Mastabamassiv

    gelegenen Kultbereiches der Mastaba 3505 fanden sich die Basen mit Resten der Beine zweier ca.

    2/3-lebensgroer Standfiguren aus Holz (2.1). Die auseinanderstehenden Fe machen deutlich,

    da es sich bei beiden Figuren um Mnner in schreitender Pose handelt. W. B. Emery identifizierte

    das Grab als die untergyptische Anlage des Pharao Qaa. Der Fund einer Stele und von

    beschrifteten Steingefen des mr-kA machen aber eine Zuweisung an diese nichtknigliche

    Person der spten 1. Dynastie wahrscheinlich69. Die beiden Statuen standen im Bereich einer

    ffentlichen Kultanlage, die nrdlich an die eigentliche Mastaba anschliet.

    4. Ebenfalls eine Herkunft aus dem memphitischen Raum wird fr die Berliner Sitzfigur aus

    Kalkstein angegeben, fr die eine Entstehung in der Zeit des berganges von der 1. zur 2.

    64 Smith 1946: 1f; Vandier 1952: 409-435

    65 Smith 1946: 6f, Vandier 1952: 962-983; Sourouzian 1998: 307-310

    66 Smith 1946: 8, pl. I.d, e

    67 Petrie 1901: 39, pl. XII.2, XL.92

    68 Dreyer 1990: 77f, Abb. 8

    69 Kemp 1967: 26-30; Wood 1977: 12f. Zu den angeblichen obergyptischen Grber der Knige der 1.Dynastie in Saqqara siehe Kemp 1967 und Kaiser in Kaiser / Dreyer 1982: 255-260, die beide die These vonEmery ablehnen. Demgegenber halten Lauer 1980 und Stadelmann 1985 / 1991: 10f an der Zuschreibungeiniger Grber in Saqqara Nord an Pharaonen fest.

  • 35

    Dynastie, oder auch von der 2. zur 3. Dynastie70 angenommen wird (2.7). Die Herkunft aus einer

    Grabanlage ist nicht gesichert, im Vergleich mit hnlichen Statuen aber nicht unwahrscheinlich. Die

    Figur stellt eine auf einem wrfelfrmigen Sitz mit bogenartigen Sttzen sitzende mnnliche Person

    dar, die in einen Mantel gehllt ist. Der linke Arm ist auf die Brust gelegt, die Hand zur Faust

    geballt. Der rechte Arm liegt ausgestreckt auf dem Oberschenkel. Der vordere Teil der Statue ist

    zerstrt, so da ber die Haltung der rechten Hand nichts ausgesagt werden kann.

    5. Wenn auch das Material der 0. bis 2. Dynastie zu sprlich ist, um Art und Funktion von Statuen

    im funerren Kult zu rekonstruieren, so lassen sich doch einige Beobachtungen festhalten, die hier

    als Merkmale fr den Ausgangspunkt der Periodisierung (Periode I) stehen sollen:

    1. Rundplastische Darstellungen von Menschen treten seit frhgeschichtlicher Zeit imfunerren Zusammenhang auf.

    2. Einen ersten Hhepunkt erlebt das rundplastische Schaffen im Umfeld der Tempel, hierwerden die Typen der Standfigur (mit geschlossenen Beinen und in schreitender Pose)und auch der Sitzfigur auf einem thronartigen Untersatz erstmals formal umgesetzt.

    3. In den Grabanlagen von Knigen und auch von nichtkniglichen Personen der 1.Dynastie gab es hlzerne Figuren. In S 3505 in Saqqara NO standen zweiwahrscheinlich identische Standfiguren nebeneinander in einem Kultbereich. GegenEnde dieser Periode ist erstmals eine Sitzfigur belegt, die mglicherweise aus einerfunerren Anlage stammt.

    Die Nutzung von Statuen im funerren Bereich ist also schon in der frhdynastischen Periode

    wenigstens in einigen Grbern gesichert. Die wesentlichen Statuentypen - Stand- und Sitzfigur -

    wurden ebenfalls in dieser Periode entwickelt, sind aber keine auf den funerren Bereich

    beschrnkte Darstellungsformen. Die Mehrfachverwendung von Statuen in einem einheitlichen

    funktionalen Zusammenhang ist im Grab S 3505 zum ersten Mal belegt.

    3 Grabstatuen der 2./3. Dynastie (Periode II)71

    3.1 Auftreten und Formen (Tab. 2)

    1. Etwa ab der Mitte der 3. Dynastie datierend sind Statuenfunde in grerer Anzahl bekannt, die

    mit groer Wahrscheinlichkeit Grabanlagen zugeschrieben werden knnen72. Allerdings ist nur fr

    die Statue des mTn (2.15) der genaue Aufstellungsort in einer Grabanlage durch die

    Fundumstnde gesichert. Sie wurde hinter der Nordwand des Scheintrraumes in einem

    abgeschlossenen Serdab gefunden, der durch einen Schlitz mit dem Scheintrraum verbunden

    70 Berlin 1967: Nr. 187; Smith 1946: 15, pl. 2.a

    71 Shoukry 1951: 18-26

    72 Zur Feindatierung und im einzelnen: Vandier 1952: 983-988; Stadelmann 1995: 156; Eaton-Krauss 1998;Sourouzian 1998.

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    war. Fr einige weitere Objekte ist zumindest die Auffindung im Bereich des Friedhofs von

    Saqqara Nord gesichert bzw. sehr wahrscheinlich.

    2. Die Fragmente der beiden schon erwhnten Standfiguren aus 3505 sind bisher die einzigen

    bekannten Holzstatuen der frhdynastischen Periode aus dem Bereich der Residenzfriedhfe. Alle

    anderen in der Tabelle aufgezhlten Statuen sind aus Stein gearbeitet; die Sitzfiguren bis auf die

    frhe Kalksteinstatue in Berlin (2.7) aus Hartgestein (Granit, Diorit), die Standfiguren aus bemaltem

    Kalkstein. Die Figuren sind berwiegend mit Namen und Titel der Statueninhaber beschriftet. Alle

    Sitzfiguren sind unterlebensgro. Die Standfiguren des spA und der nj-sj-wa (2.2) erreichen

    annhernd Lebensgre, die Fragmente der anderen Standfiguren deuten auf unterlebensgroe

    Statuen.

    3. Die Sitzfiguren folgen einem einheitlichen Typ: Sie stellen den Statueninhaber auf einem Stuhl

    mit Andeutung der Holzkonstruktion sitzend dar, nur bei mTn sind die Seiten des Sitzes mit

    Beschriftung versehen73. Die Statueninhaber sind bekleidet (Percke, Schurz oder Trgerkleid,

    verschiedene Ornate) und halten gelegentlich ein Amtszepter oder Wedel. Mehrere Figuren haben

    den linken Arm vor die Brust gelegt und strecken den rechten Arm auf dem Oberschenkel aus (2.9;

    2.11; 2.12; 2.13). Die Hand auf dem Oberschenkel ist bei diesen Statuen geffnet und liegt flach

    auf, die Handflche nach unten. Die auf die Brust oder vor den Bauch gelegte Hand ist bei

    Mnnern zur Faust geballt, bei Frauen geffnet. Dasselbe Bild zeigen die frhesten

    Reliefdarstellungen von Grabinhabern auf den Speisetischtafeln. Auch hier ist der rechte Arm zum

    Tisch ausgestreckt, der linke vor die Brust gelegt74. Der ausgestreckte Arm wird aus Rcksicht auf

    das Material im Rundbild als auf dem Oberschenkel liegend gebildet. Die Figur des mTn (2.15)

    zeigt dieselbe Armhaltung, aber umgekehrt75.

    Einige Sitzfiguren - die des bDj-ms und zwei des anx (I) - zeigen abweichende Arm- und

    Handhaltungen. Bei bDj-ms (2.10) liegt der Unterschied darin, da er ein Szepter in der auf die

    Brust gelegten Hand hlt; die rechte Hand streckt er wie die anderen Statuen aus. Das Personen in

    der Hand auf der Brust Gegenstnde - meist einen Wedel - halten, ist auch im Flachbild belegt.

    Wesentlicher sind die Unterschiede der Handhaltung bei den Statuen des anx (I). Die Statue in

    Leiden (2.8.2:) hat die rechte auf dem Oberschenkel liegende Hand zur Faust geballt, die linke liegt

    73 Es handelt sich um den bisher frhesten Beleg fr Beschriftung der Sitzseiten: Fischer 1977.a: 27.

    74 Beispiele bei Sourouzian 1998: fig. 17-20.

    75 Eventuell ist diese Anomalie durch die Lage des Serdab im Norden der Scheintr zu erklren. Hufigerbefindet sich der Statuenraum oder Serdab im Sden der Kultstelle, eine dort plazierte Sitzfigur entspricht,von Osten betrachtet, dem Reliefbild des am Opfertisch sitzenden Grabherrn, wenn sie den rechten Arm zumOpfertisch ausstreckt, den linken vor die Brust legt. Die umgekehrte Aufstellung der Statue des mTnveranlate mglicherweise die Umkehrung der Armhaltung, wie auch im Relief blich, wenn Personen vonrechts kommend abgebildet werden. Allerdings ist die Aufstellung der brigen Figuren in sdlichenStatuenkammern nicht gesichert und insofern die These nicht berprfbar. Siehe auch Shoukry 1951: 205.Ebenfall den rechten Arm vor der Brust, den linken ausgestreckt hlt die Serdabfigur des Djoser (Lange /Hirmer 1967/1985: Tf. 16, 17).

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    zur Faust geballt vor der Brust; die in Paris (2.8.1:) hat beide Hnde im Scho gefaltet. In beiden

    Fllen wird also keine geffnete Hand in Richtung eines imaginren Speisetisches ausgestreckt.

    4. Die Standfiguren zeigen den Mann in schreitender Pose, die Frauen mit geschlossenen Beinen.

    Die bisher einzigen Belege fr mnnlichen Standfiguren dieser Periode, die Statuen des spA,

    halten in den Hnden Amtstab und abA-Szepter, wobei der linke Arm vor den Bauch gelegt ist

    (2.2.1: + 2:). Die Frauenfiguren haben entweder den linken Arm vor den Bauch oder die Brust

    gelegt (2.2.3:; 2.3;) oder lassen beide Arme am Krper herabhngen (2.4); die Hnde sind immer

    geffnet. Beide Posen der Standfigur - die des Ausschreiten fr den Mann76, die des mit

    geschlossenen Beinen Stehens fr die Frau - sind ebenfalls die Haltungen, die die Flachbilder

    stehender Personen in der Scheintrdekoration der 3. Dynastie zeigen77.

    3.2 Interpretation der Sitz- und Standfigur

    1. Zwei Posen - die sitzende und die stehende - sind die grundstzlichen Darstellungsformen, in

    denen Grabinhaber im gesamten AR in ihren Grbern im Rund- wie auch im Flachbild abgebildet

    werden. Darstellungen im Flachbild sind eng mit der Schrift verbunden, sie sind "lesbar"78. Bild und

    Schrift beschreiben und - als spezifische Qualitt von Abbildern in einer liminalen Umgebung -

    affirmieren Eigenschaften und Qualitten, die Personen und Dingen zukommen. Die Interpretation

    der beiden Darstellungstypen geht daher vom Flachbild aus.

    2. Sitzfigur

    2.1. In funerren Anlagen tritt die sitzende Pose im Flachbild zuerst auf der Speisetischtafel auf.

    Dieses Bild besitzt Vorlufer in Siegeldarstellungen der FZ und wird als erste allgemein gltige

    Darstellungsform eines Toten in den memphitischen Residenzfriedhfen auf den Speisetischtafeln

    etwa in der 2. Dynastie formalisiert79. Das Bild ist als eine Affirmation lesbar, die die Existenz und

    Anwesenheit des Grabherrn in seinem Grab beschreibt: Der Tote befindet sich als physisch und

    namentlich beschriebene Entitt in einer ruhenden, weitgehend passiven Pose in seiner funerren

    Anlage80. Er besitzt dort einen besonderen, durch den Sitz als "gehoben" angedeuteten Status.

    76 Shoukry 1951: 132f. Dazu, da die Statue des spA tatschlich das Ausschreiten abbildet: Eaton-Krauss /Loeben 1997: 83-87.

    77 Schreitender Mann und stehende Frau: Scheintren des xa-bA.w-zkr und seiner Frau (Murray 1905: pl. I,II); auch der auf die Brust gelege Arm der Frau und das Halten von Amtsstben beim Mann stimmt berein.

    78 Fischer 1986

    79 Vandier 1952: 731-774, zur Datierung zuletzt Kahl 1997.

    80 Wood 1977: 65; Wildung 1983: 33

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    Auerdem steht vor ihm gewhnlich ein Speisetisch oder ein Opferaufbau. Indem er die rechte

    Hand zur Speise ausstreckt, ist seine Fhigkeit beschrieben, die Gaben zu erlangen und zu

    konsumieren.

    2.2. Die Speisetischtafel ist an einer Stelle des Grabbaus angebracht, die als Opferplatz zu

    interpretieren ist. In jngeren Dekorationsprogrammen ist das Bild um Darstellungen von Personen

    erweitert, die zu dem am Speisetisch sitzenden Toten hinzutreten und Opferhandlungen

    durchfhren (Speisetisch-Ikone, s.u. Kap. 20.1.2.). Er