Fledermauskundliche Potenzialanalyse und ...

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Dipl.-Biol. Karsten Lutz, Bebelallee 55d, 22297 Hamburg, Tel.: 040/540 76 11 Dipl . -Biol . Karsten Lutz Bestandserfassungen, Recherchen und Gutachten Biodiversity & Wildlife Consulting Bebelallee 55 d D - 22297 Hamburg Tel.: 040 / 540 76 11 ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■ Fax: 01805 060 339 99306 / [email protected] 12. November 2007 Fledermauskundliche Potenzialanalyse und artenschutzrechtliche Betrachtung für das Projekt B-Plan Lokstedt-54 Gutachten im Auftrag der Wulff Hanseatische Bauträger GmbH

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Dipl.-Biol. Karsten Lutz, Bebelallee 55d, 22297 Hamburg, Tel.: 040/540 76 11

D i p l . - B i o l . K a r s t e n L u t z

Bestandserfassungen, Recherchen und Gutachten Biodiversity & Wildlife Consulting

Bebelallee 55 d D - 22297 Hamburg

Tel.: 040 / 540 76 11 ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■ Fax: 01805 060 339 99306 / [email protected]

12. November 2007

Fledermauskundliche Potenzialanalyse

und artenschutzrechtliche Betrachtung

für das Projekt B-Plan Lokstedt-54

Gutachten im Auftrag der Wulff Hanseatische Bauträger GmbH

Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung................................................................................................................... 3

2 Potenzialanalyse zum Fledermausvorkommen.......................................................... 3

2.1 Methode .................................................................................................................... 3

2.2 Ergebnisse ................................................................................................................. 5

3 Potenziell vorhandene Brutvögel............................................................................. 11

4 Beschreibung des Vorhabens................................................................................... 12

4.1 Technische Beschreibung........................................................................................ 12

4.2 Wirkungen auf Fledermäuse und Vögel.................................................................. 12

5 Artenschutzrechtliche Betrachtung.......................................................................... 16

5.1 Identifikation der betroffenen und zu betrachtenden Arten .................................... 16

5.2 Eintreten der Verbote nach § 42 BNatSchG ........................................................... 18

5.3 Befreiungsvoraussetzungen nach § 62 BNatschG................................................... 20

6 Zusammenfassung ................................................................................................... 21

7 Literatur ................................................................................................................... 23

8 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ..................................................................... 26

9 Anhang..................................................................................................................... 27

9.1 Prüfschema Artenschutz.......................................................................................... 27

Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54 Kap. 1 Einleitung

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1 Einleitung

Im Rahmen des Bebauungsplans „Lokstedt 54“ soll in einem Bereich zwischen Emil-

Andresen-Straße, Lohkoppelweg und Lohbekstieg auf dem Gelände eines ehemaligen Pfle-

geheims Wohnbebauung errichtet werden. Für dieses Gebiet in Hamburg-Lokstedt wurde

eine avifaunistische Potenzialanalyse von MITSCHKE (2007) angefertigt. Für Fledermäuse

wird hier eine Potenzialabschätzung gegeben.

Auf der Grundlage der Potenzialabschätzungen ist eine artenschutzrechtliche Betrachtung

des geplanten Vorhabens der Errichtung von Wohnflächen durchzuführen.

2 Potenzialanalyse zum Fledermausvorkommen

2.1 Methode

Als Arbeitsgrundlage lag eine Erfassung des Baumbestandes (TIEDEMANN 2007) und eine

Potenzialanalyse der Vogelwelt (MITSCHKE 2007) vor. Es wurde am 11. November 2007

eine Ortsbegehung durchgeführt.

Abbildung 1: Lageplan des Untersuchungsgebietes (Grenzen: rote Linien)

Die Gesamtfläche des Untersuchungsgebietes beträgt ca. 2,9 ha.

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Die Potenzialanalyse betrachtet zunächst die faunistisch bedeutsamen Geländeeinheiten,

die sich im Gelände erkennen lassen: Gebäude, offene Flächen sowie Gehölze und danach

den Gesamtkomplex gesondert.

Es wird das Status-quo – Potenzial abgeschätzt. Das heißt, es wird abgeschätzt, was unter

den derzeitigen Bedingungen vorkommen könnte. Es wird nicht das Potenzial betrachtet,

welches in dem Gebiet nach Durchführung von Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen er-

reichbar wäre.

Die Auswahl der potenziellen Arten erfolgt einerseits nach ihren Lebensraumansprüchen

(ob die Habitate geeignet erscheinen) und andererseits nach ihrer allgemeinen Verbreitung

im Raum West-Hamburg. Anhaltspunkte dazu liefert das Artenhilfsprogramm der Säuge-

tiere in Hamburg (DEMBINSKI et al. 2002).

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2.2 Ergebnisse

Zunächst wird überprüft, welche Arten im Raume Hamburg-Lokstedt überhaupt vorkom-

men können. Danach werden die potenziellen Vorkommen in den einzelnen Geländeein-

heiten dargestellt. Am Ende folgt eine Darstellung des Gesamtkomplexes.

2.2.1 Potenziell aufgrund ihrer Verbreitung vorkommende Arten

Eine Übersicht über die Verbreitung der Fledermäuse in Hamburg geben DEMBINSKI et al.

(2002). Im Untersuchungsgebiet besteht das Potenzial für alle Fledermausarten der Kultur-

landschaft (Gartenstadt) ohne besondere Strukturen wie größeren Gewässern, Wäldern oder

Mooren. Danach können folgende Arten im Raum Hamburg-Lokstedt auftreten (Tabelle

1):

Tabelle 1: Aufgrund ihrer allgemeinen Verbreitung potenziell vorkommende Fleder-

mausarten

Art Kommentar

Teichfledermaus Myotis dasycneme

An größere Gewässer gebunden; bisher keine Wochenstuben oder Winterquartiere in Hamburg.

Im Untersuchungsgebiet nicht zu erwarten

Wasserfledermaus Myotis daubentoni

An Gewässer gebunden, Quartiere in Gewässer-nähe.

Im Untersuchungsgebiet nicht zu erwarten

Großer Abendsegler Nyctalus noctula

Waldart, Quartiere nur in größeren Bäumen oder in Gebäuden.

Breitflügelfledermaus Eptesicus serotinus

Typische Fledermaus der Siedlungen. Quartiere in Gebäuden.

Zwergfledermaus Pipistrellus pipistrellus / P. pygmaeus

Verbreitete Siedlungsfledermaus. Quartiere in Gebäuden oder Bäumen

Rauhhautfledermaus Pipistrellus nathusii

Waldfledermaus. Untersuchungsgebiet würde Ausnahmelebensraum bedeuten (BOYE & MEY-

ER-CORDS 2004), daher nicht im Untersuchungs-gebiet zu erwarten.

Braunes Langohr Plecotus auritus

Waldfledermaus, die allerdings auch in Parks und Gärten vorkommt.

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2.2.2 Teilhabitate

2.2.2.1 Gebäude

Im Plangebiet befindet sich ein Gebäudekomplex. Alle Gebäude sind vergleichsweise mo-

dern und trotz der Nutzungsaufgabe relativ gut unterhalten. Die Gebäude sind vergleichs-

weise modern (ca. 60/70iger Jahre) und bieten nur wenige Nischen. Die Dächer sind als

Flachdächer ohne großen Dachstuhl errichtet. Die Innenräume sind noch in gutem Zustand,

sauber, trocken und aufgeräumt. Der Putz ist nahezu intakt. Die Innenräume bieten kaum

Nischen.

An den Außenwänden befinden sich keine auffälligen Nischen und keine Spuren von Vo-

gelnestern. Lediglich die Jalousienkästen an den nach Süden orientierten Fenstern könnten

Tagesverstecke für Fledermäuse bieten. Sie sind jedoch nicht tief und haben aufgrund ihres

Materials (glattes Metall) keine günstigen Eigenschaften. Solche Tagesverstecke geringer

Qualität sind im Allgemeinen weit verbreitet und kein Mangelfaktor für Fledermauspopu-

lationen. Die Jalousienkästen können keinesfalls als Wochenstuben- oder Überwinterungs-

quartier dienen.

Der Gebäudekomplex hat daher für Fledermäuse keine potenzielle Bedeutung.

2.2.2.2 Offene Flächen

Um den Gebäudekomplex herum befinden sich ehemals intensiv gepflegte Rasenflächen

oder vegetationslose Wegeflächen. Die Flächen werden nicht beweidet und z. Zt. (wenn

überhaupt noch), selten gemäht. Die Strukturvielfalt ist sehr gering.

Derartige Rasenflächen sind für Fledermäuse als Nahrungsquellen unergiebig und ohne

Bedeutung. Aufgrund der geringen Größe der Flächen ist die Bedeutung zusätzlich be-

schränkt.

Die versiegelten Wegeflächen haben für Fledermäuse keine Bedeutung.

2.2.2.3 Gehölze

Das Plangebiet ist von Gehölzstreifen umgeben. Einzelne Gehölze befinden sich auch in

den ehemaligen Rasenflächen.

Die Gehölze bestehen überwiegend aus Laubgehölzen. Die Artenmischung ist vielfältig

und besteht u. A. aus Kirschen, Eichen, Ahorn, Birken sowie Weiden, Kiefern und einzel-

nen anderen Baumarten.

Im Norden befindet sich ein kleiner Obstgarten, in dem zwar relativ kleine, aber dennoch

alte und strukturreiche Apfelbäume stehen.

Gehölze und deren Säume stellen für Fledermäuse stetige und ergiebige Nahrungsquellen

dar. Insofern sind die Gehölze für alle möglicherweise vorkommenden Fledermausarten

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von Bedeutung. Von besonderer Bedeutung wären alt- und totholzreiche Bestände, die zu-

sätzlich zu einer allgemeinen Bedeutung als Nahrungsraum noch Höhlen bieten können.

Diese Strukturen sind oftmals Engpässe für eine Fledermauspopulation und daher von be-

sonderer Bedeutung.

Der Baumbestand ist vergleichsweise jung und daher relativ nischenarm. Höhlen oder an-

dere Nischen (z.B. durch größere Astausbrüche) sind selten. Die Obstbäume des kleinen

Obstgartens im Norden des Plangebietes sind zwar strukturreicher, jedoch so klein, dass

hier keine Fledermausquartierhöhlen vorhanden sein können. Einzelne Bäume, die das Po-

tenzial für eine Höhle, die auch als Quartier geeignet ist, haben, sind in Abbildung 2 darge-

stellt.

Es handelt sich dabei um einen Ahorn und zwei alte Kirschbäume. Alle Höhlen sind auf-

grund der geringen Stammdurchmesser der Bäume klein.

Der Gehölzbestand hat insgesamt mittlere Bedeutung für Fledermäuse.

2.2.2.4 Gesamtkomplex

Fledermäuse benötigen einen Lebensraumkomplex, in dem einerseits Höhlen als Nist- und

Ruheplätze (je nach Art unterschiedlich) vorhanden sind und andererseits genug Nahrungs-

gebiete (ebenfalls je nach Art unterschiedlich) im weiteren Umkreis (mehrere Kilometer)

zur Verfügung stehen. Das Untersuchungsgebiet bildet einen Gesamtkomplex aus ehemali-

gen Rasenflächen, Gehölzen und Gebäuden. Von mittlerer Qualität sind die Gehölze, die

offenen Flächen sind nur von geringer Bedeutung für Fledermäuse. Der Gebäudekomplex

ist modern, trotz Nutzungsaufgabe immer noch weitgehend intakt und daher nischenarm

und ohne Bedeutung für Fledermäuse.

Das Artenspektrum beschränkt sich damit auf diejenigen Arten, die in der Gartenstadt vor-

kommen können. Spezialisierte Arten, die besondere Ansprüche an den Lebensraum stellen

(z.B. Wälder, größere Gewässer), sind nicht zu erwarten (2.2.1). Da aber alle Fledermaus-

arten streng geschützt sind, ist mit dem Vorkommen streng geschützter Arten zu rechnen.

Tabelle 2: Möglicherweise im Untersuchungsgebiet vorkommende Fledermausarten

RL D = Rote Liste der Säugetiere Deutschlands (BOYE et al. 1998) RL HH = Rote Liste der Säugetiere Hamburgs (DEMBINSKI et al. 2002) 1 = vom Aussterben bedroht; 2 = stark gefährdet; 3 = gefährdet; V = Vorwarnliste; D = Daten defizitär; - = nicht auf der Roten Liste geführt

Art RL-D RL-HH

Breitflügelfledermaus, Eptesicus serotinus (nur Jagdgebiet) V 3

Großer Abendsegler, Nyctalus noctula (nur Jagdgebiet) 3 2

Zwergfledermaus / Mückenfledermaus,

Pipistrellus pipistrellus / P. pygmaeus

D 3

Braunes Langohr Plecotus auritus 3 2

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Alle potenziell vorkommenden Fledermausarten sind im Anhang IV (streng zu schützende

Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse) der FFH-Richtlinie aufgeführt

und damit auch nach § 10 BNatSchG streng geschützt.

2.2.2.4.1 Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus)

Die Breiflügelfledermaus hat ihre Jagdhabitate meist im Offenland. Sie bestehen oft aus

baumbestandenen Weiden, Gärten, Parks, Hecken und Waldrändern (SCHMIDT 2000, SI-

MON et al. 2003). ROSENAU & BOYE (2004) erwähnen auch Sportplätze als Jagdgebiet.

Auch jagen sie im Siedlungsbereich oft um Straßenlaternen (BAAGOE 2001, SIMON et al.

2003). Ihre Nahrung besteht größtenteils aus großen Schmetterlingen und Käfern sowie

Zweiflüglern (CATTO et al. 1994, 1996).

Die Breitflügelfledermaus ist typischerweise Gebäude bewohnend. Sie nutzt Spalten an

und in Gebäuden für ihre Wochenstuben z.B. versteckte und unzugängliche Mauerspalten,

Holzverkleidungen, Dachüberstände oder Zwischendächer (BAAGOE 2001, SIMON et al.

2003). Vorteilhaft sind strukturierte Quartiere, in denen die Tiere je nach Witterung ihren

Aufenthaltsort wechseln können, um das jeweils für sie günstigste Mikroklima zu nutzen

(KURTZE 1991, BAAGOE 2001). Wochenstuben wurden bisher nur in Gebäuden gefunden

(ROSENAU & BOYE 2004). Da die Gebäude des Untersuchungsgebietes durchweg als Fle-

dermausquartiere ungeeignet erscheinen, ist ein Quartiervorkommen unwahrscheinlich.

2.2.2.4.2 Großer Abendsegler (Nyctalus noctula)

Der Große Abendsegler hat seine Jagdhabitate über dem Kronendach von Wäldern, über

gemähten Wiesen, in Parks oder über Gewässern. Die Jagdgebiete können über 10 km vom

Quartier entfernt sein (KRONWITTER 1988, BOYE & DIETZ 2004), sind meist aber in einem

Umkreis von 6 km zu finden (SCHOBER et al. 1998). Sie jagen vor allem größere Insekten

wie Maikäfer, aber auch Nachtfalter, Eintags- und Köcherfliegen oder Zuckmücken (BECK

1995, GLOOR et al. 1995, BOYE & DIETZ 2004).

Die Art ist typisch Wald bewohnend, kommt aber auch im Siedlungsbereich vor. Häufig

bezieht der Große Abendsegler sowohl als Winter-, als auch als Sommerquartier alte

Spechthöhlen (KRONWITTER 1988). Vereinzelt werden auch Fledermauskästen oder Ge-

bäude als Wochenstuben aufgesucht (SCHOBER et al. 1998). Aufgrund seiner Größe (größte

einheimische Fledermausart) benötigt er relativ große Quartiere, die in der Regel auch in

großer Höhe im Baum liegen. Solche Quartiere sind in den Bäumen des Untersuchungsge-

bietes nicht möglich. Da die Gebäude des Untersuchungsgebietes durchweg als Fleder-

mausquartiere ungeeignet erscheinen, ist ein Quartiervorkommen unwahrscheinlich.

2.2.2.4.3 Zwergfledermaus / Mückenfledermaus (Pipistrellus pipistrellus / P. pygmaeus)

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass es sich bei der „Art“ Zwergfledermaus (Pipistrellus

pipistrellus) um zwei Arten handelt, die vor allem durch die Ruffrequenz unterschieden

werden können. Neben der „alten“ Art Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) wird

eine weitere Art Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) unterschieden. Die Mücken-

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fledermaus wurde vor ca. 10 Jahren von der Zwergfledermaus als eigene Art abgetrennt

(MEINIG & BOYE 2004b). Bis dahin erfolgte keinerlei Differenzierung der bekannten

„Zwergfledermaus“-Vorkommen. Die Einstufung „D“ = „Daten defizitär“ beruht auf der

Unkenntnis über die Verbreitung beider Arten. Die „alte Zwergfledermaus“ ist eine der

häufigsten Fledermausarten Deutschlands und wohl nicht gefährdet. Unklar ist, ob eine der

beiden Arten deutlich seltener und empfindlicher ist und daher gefährdet sein könnte.

Die Mückenfledermaus zeigt ein sehr ähnliches Verhaltensrepertoire wie die Zwergfleder-

maus. Im Allgemeinen wird vermutet, dass sie in Norddeutschland häufiger im Wald oder

in Parkanlagen mit alten Bäumen und Wasserflächen vorkommt (MEINIG & BOYE 2004b),

ihr Vorkommen hier also eher unwahrscheinlich ist. Wie die Zwergfledermaus jagt sie in

allen Vegetationsschichten in einer Höhe von 3 - 6 m. Die Zwerg- und die Mückenfleder-

maus benötigen für ihre Jagdhabitate Laub- und Laubmischwaldbestände sowie Gewässer

mit Fluginsekten. Da diese beiden Arten meist strukturgebunden jagen, sind Strukturen wie

Waldränder, Hecken, Knicks oder andere Grenzstrukturen im Jagdgebiet von Vorteil. Die

Jagdgebiete liegen meist in einem Radius von 2 km um das Quartier (EICHSTÄDT & BAR-

LOW 1995, SIMON et al. 2004). Vorwiegende Nahrung der Zwergfledermaus sind kleine

Insekten wie Mücken oder Kleinschmetterlinge (BARLOW 1997).

Quartiere befinden sich bevorzugt in Gebäuden, aber auch Baumhöhlen, Baumspalten und

Nistkästen werden von Einzeltieren und Wochenstuben als Quartier genutzt (MEINIG &

BOYE 2004a). Zwergfledermäuse können Tagesverstecke und kleine Wochenstuben in den

Höhlenbäumen haben.

Zwerg- und Mückenfledermäuse haben ihre Wochenstubenquartiere an der Außenseite von

Gebäuden hinter Verkleidungen, Verschalungen, Zwischendächern, Hohlblockmauern und

sonstigen kleinen Spalten (SIMON et al. 2003). Wegen ihrer geringen Größe können diese

Arten auch kleine Höhlen und Spalten in Bäumen nutzen. Solche Quartiere können in eini-

gen Einzelbäumen (Abbildung 2) vorhanden sein. Die Quartiere werden oft gewechselt, so

dass das Vorkommen dieser Art nicht auf einem einzelnen Quartier, sondern auf einem

Verbund mehrerer Quartiere beruht. Die Überwinterung erfolgt in geräumigen Höhlen und

anderen unterirdischen Gewölben. Winterquartiere sind somit im Untersuchungsgebiet

ausgeschlossen (MEINIG &BOYE 2004a).

2.2.2.4.4 Braunes Langohr (Plecotus auritus)

Das Braune Langohr ist eine verbreitete Art in waldreichen Regionen bis hin zu Park- und

Gartenlandschaften. Als Jagdgebiete werden Wälder bevorzugt, aber auch Parks und Gär-

ten werden zur Nahrungssuche genutzt (KIEFER & BOYE 2004). Sommerquartiere werden

bevorzugt in Baumhöhlen aufgesucht. Nach DEMBINSKI et al. (2002) gibt es neuere Nach-

weise nur noch aus den Randbereichen Hamburgs. Zu bedenken ist jedoch, dass diese Art

mit Ultraschall-Wandlern (Bat-Detektoren), wie sie meist zur Fledermauserfassung einge-

setzt werden, nur sehr schwer zu erfassen ist. Sie sammelt ihre Insektennahrung von Blät-

tern oder vom Boden und setzt daher ihr Ultraschall-Echolot (im Unterschied zu anderen

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Arten, die in den freien Luftraum rufen) nur auf sehr kurzen Distanzen ein. Die dargestellte

Verbreitung mag daher lückenhaft sein.

Abbildung 2: Potenzielle Quartierbäume (rote Rechtecke) für Zwergfledermäuse (Pi-

pistrellus sp.) und Braunes Langohr (Plecotus auritus). Angegeben ist die Baumart.

Luftbild aus Google-Earth (11.11.2007) überlagert mit Plan der vermessenen Bäume

(TIEDEMANN 2007).

2.2.2.4.5 Zusammenfassung Fledermäuse

Als Lebensräume des Untersuchungsgebietes haben nur die Gehölze und nicht die offenen

Flächen eine allgemeine Bedeutung als Nahrungsraum für Fledermäuse. Sie sind als poten-

zielle Jagdgebiete Habitatelemente und Strukturen der Landschaft, die für Fledermäuse

geeignet sind und ihr Vorkommen unterstützen, aber keine besondere Bedeutung als limi-

tierende Ressource („für die Tiere unersetzbar“ nach § 19 [3] BNatSchG) haben. Daraus

hervorzuheben sind die Einzelbäume mit dem Potenzial für Höhlen (Quartiere). Diese

Höhlen können aufgrund ihrer geringen Größe nur für Zwerg- bzw. Mückenfledermäuse

oder das Braune Langohr in Frage kommen. Mögliche Quartiere bestehen potenziell in drei

Bäumen. Die potenziellen Quartierstandorte werden in der Abbildung 2 dargestellt. Der

Gebäudekomplex ist kein potenzieller Fledermausquartierstandort.

Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54 Kap. 3 Potenziell vorhandene Brutvögel

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3 Potenziell vorhandene Brutvögel

Im Oktober 2007 wurde im Auftrag der NCC-Deutschland GmbH eine Potenzialanalyse

der Vogelwelt des Untersuchungsgebietes erstellt (MITSCHKE 2007b): „Aus den vorhande-

nen Bestandserfassungen und Gelegenheitsbeobachtungen im Bereich des Plangebietes und

der Berücksichtigung der vorhandenen Habitatstrukturen im Plangebiet ergibt sich eine

Abschätzung des hier zu erwartenden, wahrscheinlichen Artenspektrums (Tabelle 3). Die

Liste von 25 Arten wird dominiert von weit verbreiteten Vogelarten der Strauch- und

Baumschicht (Amsel, Zaunkönig, Grünfink, Ringeltaube, Zilpzalp, Buchfink, Hecken-

braunelle, Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke, Elster, Singdrossel, Rabenkrähe, Gimpel, Ei-

chelhäher, Schwanzmeise). Höhlenbrüter wie Kohl- und Blaumeise, Star, Gartenbaumläu-

fer und Buntspecht dürften im umfangreichen Baumbestand entlang der Flurstückgrenzen,

in den parkartigen Teilen der Grünflächen zwischen den Gebäudekomplexen und im Be-

reich des Obstgartens Nistmöglichkeiten finden. Auch mit einem Vorkommen des Kleibers

ist im Plangebiet zu rechnen, am wahrscheinlichsten entlang der Emil-Andresen-Straße mit

altem Eichenbestand. Für die Misteldrossel eignen sich die parkartigen Teile der Grünflä-

chen des Plangebietes als Lebensraum, weil hier sowohl Neststandorte in hohen Einzel-

bäumen als auch Nahrungshabitate auf den Rasenflächen existieren. Auch für den im

Stadtgebiet eher spärlich verbreiteten Kernbeißer (Bestand in ganz HH 470 Brutpaare) kä-

me das Plangebiet aufgrund seines abwechslungsreichen, lockeren Baumbestandes als Le-

bensraum infrage. Schließlich ist ein Vorkommen des Grauschnäppers nicht unwahrschein-

lich, dessen Lebensraumansprüche als Wartenjäger vor allem im Bereich der Obstbaumflä-

che und angrenzenden parkartigen Habitate erfüllt werden.“

Tabelle 3: Potenzielles Artenspektrum des B-Plangebietes Lokstedt 54 Rote Liste Status Hamburg nach MITSCHKE (2007a) V: Vorwarnliste, d.h. z. Zt. nicht gefährdet, jedoch bei anhaltender Lebensraumzerstörung Gefährdung zu befürchten. Keine nach Roter Liste Deutschlands (BAUER 2002) gefährdete Art vorhanden, keine streng geschützte Art vorhanden

Art RL-HH

Amsel

Blaumeise

Buchfink

Buntspecht

Eichelhäher

Elster

Gartenbaumläufer

Gimpel

Grauschnäpper V

Grünfink

Heckenbraunelle

Kernbeißer

Klappergrasmücke

Art RL-HH

Kleiber

Kohlmeise

Misteldrossel

Mönchsgrasmücke

Rabenkrähe

Ringeltaube

Rotkehlchen

Schwanzmeise

Singdrossel

Star

Zaunkönig

Zilpzalp

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Die Untersuchungen hinsichtlich des Fledermauspotenzials waren spezieller auf das Finden

von Höhlen ausgerichtet und fanden am 11. November bei fehlender Belaubung statt. Sie

erbrachten im Untersuchungsgebiet keine Höhle (Fortpflanzungsstätte) des Buntspechtes.

Damit sind auch keine Bruthöhlen des Stars oder Kleibers vorhanden.

Zu bedenken ist ferner, dass im Untersuchungsgebiet nicht 25 Vogelreviere gleichzeitig

vorhanden sein werden. Es besteht das Potenzial für die genannten 25 Arten, von denen

eine Auswahl tatsächlich vorhanden sein wird. Welche Arten das sind, kann nur eine Erfas-

sung des realen Bestandes ermitteln.

4 Beschreibung des Vorhabens

4.1 Technische Beschreibung

Mit dem Vorhaben werden im Plangebiet Wohnungen errichtet. Dazu wird nahezu das ge-

samte Gelände verändert, d.h. gerodet, planiert, aufgegraben und neu bebaut bzw. be-

pflanzt. Die bestehende Vegetation wird (im Sinne eines „worst-case – Szenarios“) voll-

ständig beseitigt.

Die Wirkungen des Baubetriebes werden im Rahmen des im Wohnungsbau üblichen lie-

gen. Spezielle Arbeiten, die besonderen Lärm oder Schadstoffemissionen verursachen, sind

nicht vorgesehen. Zum Brutvogelschutz wird der zu entnehmende Gehölzbestand gemäß

der allgemein gültigen Regelung des § 26 [1] Nr. 3c HHNatSchG in der Zeit nach dem 30.

September und vor dem 15. März beseitigt und die Bauarbeiten beginnen in diesem Zeit-

raum außerhalb der Brutzeit.

4.2 Wirkungen auf Fledermäuse und Vögel

4.2.1 Brutvögel

Durch den Verlust der Vegetation verlieren alle in Tabelle 3 aufgeführten potenziellen

Brutvogelarten zumindest Teile ihres potenziellen Lebensraumes.

Bei Arten mit relativ kleinen Revieren (kleiner als das Untersuchungsgebiet)1 kommt es

rechnerisch durch die Fläche des Gehölzverlustes zum Verlust eines ganzen Reviers. In der

Realität kann es sein, dass vorhandene Reviere nur angeschnitten werden, da aber poten-

ziell ein Revier genau den zu beseitigenden Baumbestand umfassen kann, muss vom Ver-

lust eines ganzen Reviers ausgegangen werden. Die Arten, auf die diese Situation zutreffen

kann, sind in Tabelle 4 genannt.

1 z.B. Amsel 0,1-0,4 ha, Rotkehlchen 0,2-1 ha, Zaunkönig 0,2 – 2 ha, Grünfink, ca. 1 ha, Blaumeise und Kohlmeise 0,1-1 ha

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Tabelle 4: Potenzielle Brutvogelarten mit Verlust eines vollständigen Brutreviers

durch das Vorhaben (keine streng geschützte Art)

Alle Brutvogelarten außer Elster, Rabenkrähe, Eichelhäher und Buntspecht. Keine Nahrungsgäste

Einige dieser Arten verlieren ein vollständi-

ges Revier. Die Anzahl der potenziellen

Brutreviere wird lokal um mindestens eines

weniger.

Die meisten Arten sind weit verbreitet und ungefährdet. Der Verlust einzelner Brutreviere

gefährdet nicht den Erhaltungszustand dieser Arten. Im Hinblick auf ihren Erhaltungszu-

stand empfindlicher ist dabei der Grauschnäpper, Muscicapa striata, der in der Vorwarnlis-

te Hamburgs verzeichnet ist.

Der Grauschnäpper ist mit einem Bestand von 1450 Brutpaaren in Hamburg (MITSCHKE &

BAUMUNG 2001) noch nicht gefährdet. Allerdings besteht ein langfristig abnehmender

Trend, der zur Aufnahme in die Vorwarnliste führt (MITSCHKE 2007). Der Verlust eines

potenziellen Reviers wird nicht zu einem ungünstigen Erhaltungszustand2 und damit Ge-

fährdung der Art in Hamburg führen. Das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art wird

sich nicht verkleinern und es bleibt ein genügend großer Lebensraum für diese Art in Ham-

burg vorhanden, um langfristig ein Überleben der Population zu sichern. Die Art bleibt

somit in Hamburg ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie ange-

hört.

Tabelle 5: Potenzielle Brut- und Gastvogelarten mit Verlust eines Teiles ihres Le-

bensraumes, der kleiner als ein Brutrevier ist, durch das Vorhaben

Rabenkrähe

Elster Eichelhäher

Buntspecht

Die Fitness der Population wird durch verminder-tes Brutplatz und/oder Nahrungsangebot theore-tisch vermindert.

Die vier Brutvogelarten Elster, Eichelhäher, Rabenkrähe und Buntspecht haben Reviere,

die größer als das Untersuchungsgebiet sind. Der Flächenverlust durch das Vorhaben be-

trifft daher nur einen Teil ihres Reviers. Sie können wahrscheinlich bzgl. Nistplatz oder

Nahrungsgebiet ausweichen. Im Luftbild der Abbildung 3 ist zu erkennen, dass die Gehöl-

ze des Untersuchungsgebietes nur einen kleinen Teil des Gehölzbestandes der Gartenstadt-

zone in Hamburg-Lokstedt ausmachen. Trotzdem verringert sich die potenzielle Fitness der

Population theoretisch graduell. Großräumig muss sich dadurch theoretisch bei Verwirkli-

chung weiterer Vorhaben mit ähnlicher Wirkung die Siedlungsdichte dieser Arten vermin-

dern. Da die Arten jedoch in Hamburg ungefährdet sind, wird die lokale Population auch

bei Verwirklichung des hier zu betrachtenden Vorhabens in einem günstigen Erhaltungszu-

stand bleiben.

2 Der günstige Erhaltungszustand einer Art ist in der FFH-Richtlinie, Art. 1 (i) definiert. Diese Definition kann auch für die Vogelschutzrichtlinie sinnvoll angewendet werden.

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Auch hier zeigt das Luftbild der Abbildung 3, dass sich der große Teil der geeigneten Le-

bensräume in der Umgebung befinden. Ihr Erhaltungszustand wird sich wahrscheinlich

nicht verschlechtern.

Abbildung 3: Lage des Untersuchungsgebietes (rot umrandet) im Zusammenhang der

Gartenstadtzone Hamburg-Lokstedt (Luftbild aus Google-Earth 11.11.2007)

4.2.2 Fledermäuse

Fledermäuse können die Gehölze des Untersuchungsgebietes als Nahrungsgebiet nutzen.

Der Verlust des Gehölzbestandes führt zu einer graduellen Verminderung der „Nahrungs-

produktion“ für diese Arten. Hier gilt, wie im Falle der Vögel mit größerem Nahrungsre-

vier, dass die Gehölze des Plangebietes nur ein geringer Teil des Gesamtgehölzbestandes

der Gartenstadtzone Lokstedts sind (Abbildung 3).

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Potenzielle Quartiere bestehen für Zwergfledermäuse potenziell in einigen Bäumen, die

trotz ihres relativ geringen Alters schon Höhlen aufweisen (Abbildung 2). Die potenziellen

Quartierbäume gehen im „worst-case – Szenario“ verloren. Damit ist eine Beeinträchtigung

der potenziellen Zwergfledermaus- und Braunes Langohrvorkommen möglich. Allerdings

bestehen im Stadtteil Lokstedt mit seinem großen Baumbestand in den Gärten der Garten-

stadtzone wahrscheinlich gute Ausweichmöglichkeiten, zumal die Zwergfledermäuse oh-

nehin im Siedlungsbereich Quartiere in Gebäuden ebenfalls nutzen (sogar bevorzugen,

MEINIG & BOYE 2004a). Für das Braune Langohr, das Wälder bevorzugt, sind die im Luft-

bild (Abbildung 3) erkennbaren dichteren Baumbestände nördlich und nordöstlich des Un-

tersuchungsgebietes wahrscheinlich die besser geeigneteren Lebensräume.

4.2.3 Beeinträchtigung der Biotope streng geschützter Arten (§ 19, Abs. 3

BNatSchG).

Nach § 10 BNatSchG streng geschützte Arten sind nach § 19 (3) BNatSchG bei Eingriffs-

planungen besonders zu beachten. Zu überprüfen ist, ob für diese Arten unersetzbare (d.h.

für das aktuelle Vorkommen unverzichtbare) Biotope zerstört werden. Solche Strukturen

können Quartiere oder herausragende Nahrungsräume sein. Potenziell vorkommende

streng geschützte Arten im Untersuchungsgebiet sind die Arten des Anhangs IV der FFH-

Richtlinie, nämlich Fledermäuse (Kap. 4.2.2). Streng geschützte Vogelarten kommen nach

MITSCHKE (2007b) nicht vor und sind somit nicht betroffen.

Bei den Zwergfledermäusen und Braunen Langohren ist der Verlust von Quartieren nicht

ausgeschlossen, jedoch sind die Quartiere wahrscheinlich für die Tiere ersetzbar, denn es

ist zu erwarten, dass in der Gartenstadtzone Lokstedts ein großes Potenzial an vergleichba-

ren Quartieren besteht. Durch die Bereitstellung von Ersatzquartieren können sichere Aus-

weichmöglichkeiten geschaffen werden (siehe auch CEF-Maßnahmen, Kap. 5.2) und damit

der Verlust von unersetzbaren Biotopen mit Sicherheit verneint werden.

Die Bestimmungen des § 19 (3) werden somit nicht verletzt.

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5 Artenschutzrechtliche Betrachtung

In Schleswig-Holstein ist die Beachtung des Artenschutzrechtes bei der Planfeststellung in

einem Vermerk des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr (aktuelle Fassung 20.02.2007)

geregelt. Das Vorgehen wird anschaulich in einem Prüfschema dargestellt, das im Anhang

(9.1, S. 27) abgebildet ist. Da die Vorgehensweise sachgerecht ist und auch Anleitungen in

anderen Bundesländern entspricht (z.B. NRW: KIEL 2005, LANDESBETRIEB STRAßENBAU

2006, LANA 2006), wird ihr auch in diesem Fall gefolgt.

Demnach ist zuerst zu klären, ob die Verbote des § 42 BNatSchG eintreten. Sollte das der

Fall sein, ist eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erforderlich. Im Rahmen der Befreiung

ist zu prüfen, ob die Verbote der FFH- bzw. Vogelschutzrichtlinie eintreten, die weitere

europarechtliche Befreiungsvoraussetzungen erfordern würden. Am Ende ist zu überprü-

fen, ob die Befreiungsvoraussetzungen nach § 62 und den europäischen Richtlinien erfüllt

sind.

Diese Vorgehensweise erfüllt auch die Vorgaben der in Kürze geltenden BNatSchG - Ge-

setzesänderung, die am 24.10.2007 vom Bundestag beschlossen wurde und nach ihrer Ver-

öffentlichung in Kraft treten wird (voraussichtlich 1.12.2007 oder 1.1.2008). Durch die

neue Gesetzeslage ergibt sich keine andere Vorgehensweise oder Bewertung.

5.1 Identifikation der betroffenen und zu betrachtenden Arten

Bei der Identifikation der vorkommenden und zu betrachtenden betroffenen Arten wird

unterschieden, ob sie nach europäischem (FFH-RL, VSchRL) oder nur deutschem Recht

geschützt sind. Die lediglich nach nationalem Recht besonders und streng geschützten Ar-

ten werden unter Heranziehen der Privilegierung von nach § 19 zugelassenen Eingriffen im

§ 43 Abs. 4 BNatSchG (alte Fassung) von der artenschutzrechtlichen Prüfung ausgenom-

men. Die Ausnahmen von den Verboten des § 42 für genehmigte Eingriffsvorhaben nach §

43 (4) BNatSchG gelten jedoch nicht für Arten, die aufgrund der FFH- oder Vogelschutz-

richtlinie besonders zu schützen sind (u. A. alle Fledermäuse und Vögel). Im neuen Bun-

desnaturschutzgesetz-Entwurf wird diese Regelung sinngemäß in § 42 (5), Satz 6, über-

nommen3.

3„Sind andere [als Anh. IV oder europ. Vogelarten, Anm.] besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Hand-lungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens ein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermark-

tungsverbote nicht vor.“ Begründung: Sind andere als in Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführte Arten oder europäische Vogelarten betroffen, liegt nach Satz 6 ein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsver-bote nur vor, wenn die betreffende Handlung zur Durchführung des Eingriffs oder Vorhabens nicht geboten ist. Diese Regelung greift die Vorschrift des § 43 Abs. 4 (alte Fassung) und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung auf. Mit der vorgesehenen Regelung soll klargestellt werden, dass die Privilegierung von Eingrif-fen in Natur und Landschaft sowie Vorhaben im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 bei nach nationalem Recht geschütz-ten Arten auch künftig dort ihre Grenze findet, wo Beeinträchtigungen z. B. im Rahmen von Baggerarbeiten ohne weiteres vermieden werden können, ohne die Durchführung des Eingriffs oder Vorhabens als solche zu behindern.

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In der Praxis betrifft das im hier vorliegenden Fall Arten des Anhangs IV der FFH-

Richtlinie (Fledermäuse) und alle Vogelarten. Das Vorkommen der europäischen Vogelar-

ten und der streng geschützten Arten wird hier durch Potenzialanalysen ermittelt (Kap. 2

und 3).

Aus diesen Artengruppen können im Untersuchungsgebiet potenziell folgende Arten auf-

treten:

• Europäische Vogelarten (25 Arten)

• Fledermäuse (4 Arten)

Damit sind in der artenschutzrechtlichen Betrachtung die europäischen Vogelarten zu be-

trachten und als Arten des Anhangs IV Fledermäuse, die im Untersuchungsbereich Nist-,

Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten (Fortpflanzungs- und Ruhestätten nach neuem BNat-

SchG) haben können.

5.1.1 Zu berücksichtigende Lebensstätten von europäischen Vogelarten

Nach § 42 BNatSchG ist es verboten, europäischen Vogelarten nachzustellen, sie zu fan-

gen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen, Nist-, Brut-, Wohn- oder Zu-

fluchtstätten der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Der Tatbestand

des Tötens, Verletzens oder der Entnahme von Individuen wird durch die Wahl des Ro-

dungszeitpunktes im Winterhalbjahr vermieden. Es verbleibt die Frage nach der Beschädi-

gung von Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstätten bzw. Fortpflanzungs- und Ruhestätten

nach neuer Formulierung des BNatSchG.

Niststätten (bzw. Fortpflanzungstätten) sind die Nester der Vögel incl. eventueller dauer-

hafter Bauten, z.B. Spechthöhlen. Für Brutvögel, die sich jedes Jahr einen neuen Nistplatz

suchen, ist zwar das Nest nach dem Ausfliegen der letzten Jungvögel funktionslos gewor-

den, doch ist in diesen Fällen das gesamte Brutrevier als relevante Lebensstätte heranzu-

ziehen: Trotz eventueller Inanspruchnahme eines Brutplatzes kann von der Erhaltung der

Brutplatzfunktion im Brutrevier ausgegangen werden, wenn sich innerhalb des Reviers

weitere vergleichbare Brutmöglichkeiten finden, an denen die Brutvögel ihr neues Nest

bauen können. In diesem Fall wird keine Befreiung notwendig. In diesem Fall ist die Ge-

samtheit der geeigneten Strukturen des Brutreviers, in dem ein Brutpaar regelmäßig seinen

Brutplatz sucht, als relevante Lebensstätte (Wohnstätte) anzusehen. Soweit diese Struktu-

ren ihre Funktionen für das Brutgeschäft trotz einer teilweisen Inanspruchnahme weiter

erfüllen, liegt keine befreiungsrelevante Beschädigung vor. Vogelwohnstätten sind also

dann betroffen, wenn ein ganzes Brutrevier, indem sich regelmäßig genutzte Brutplätze

befinden, vollständig beseitigt wird. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Fläche des besei-

tigten Gehölzes ungefähr der Größe eines Vogelreviers entspricht4.

4 z.B. Amsel 0,1-0,4 ha, Rotkehlchen 0,2-1 ha, Zaunkönig 0,2 – 2 ha, Grünfink, ca. 1 ha, Blaumeise und Kohlmeise 0,1-1 ha

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Zu betrachten ist also, ob Brutreviere von europäischen Vogelarten komplett beseitigt wer-

den. Diese Frage wird in Kap. 4.2.1, Tabelle 4 beantwortet: Es werden komplette Brutre-

viere beseitigt.

5.1.2 Zu berücksichtigende Lebensstätten von Fledermäusen

Viele Fledermausarten (z.B. Zwergfledermaus) nutzen Spalten und Höhlungen in Bäumen

als Tagesversteck. Sie sind jedoch sehr flexibel und wechseln häufig ihre Jagdgebiete und

Tagesverstecke. Insofern ist ihre „Zufluchtstätte“ die Summe aller Bäume in ihrem Lebens-

raum. Die Rodung einzelner Stämme (außerhalb des Zeitraumes, in dem die Tagesverste-

cke besetzt sein können, da ansonsten der Verbotstatbestand des Tötens eintreten könnte5)

schränkt somit die Funktion der Stätte dann nicht ein, wenn nachweislich Ausweichquartie-

re in hinreichender Anzahl im gleichen Raum zur Verfügung stehen. Problematischer sind

Wochenstuben und Winterquartiere, an die viele Fledermäuse in der Regel höhere Ansprü-

che hinsichtlich der Struktureigenschaften und Habitatqualität stellen. Aus diesem Grunde

sind die gleichen Arten hinsichtlich ihrer Wochenstuben und Winterquartiere i.d.R. deut-

lich weniger flexibel, so dass sich bei Verlust einer Wochenstube als zentrale Lebensstätte

bei der Fortpflanzung und Aufzucht die Notwendigkeit zur Befreiung ergibt. Gleiches gilt

für die Winterquartiere, an die besondere Ansprüche gestellt werden und die ebenfalls eine

zentrale Lebensstätte für die Fledermäuse sind.

5.2 Eintreten der Verbote nach § 42 BNatSchG

Aufgrund der unterschiedlichen Rechtswirkungen bei der Berücksichtigung der europäi-

schen Artenschutzvorschriften der FFH-RL einerseits und der EG-VSchRL andererseits

muss zwischen Arten des Anhangs IV-FFH-RL und europäischen Vogelarten unterschie-

den werden.

Zu Tötungen und Störungen an den Nist-, Wohn- und Zufluchtstätten beider Artengruppen

kommt es nicht, da die Arbeiten zur Gehölzbeseitigung außerhalb der Aufzuchts- bzw.

Brutzeit stattfinden.

In den Gehölzen, die durch den Eingriff beseitigt werden, brüten potenziell einige europäi-

schen Vogelarten. Für diese Arten stellen die Gehölze und ggf. die angrenzenden Rasenflä-

chen eine Wohnstätte dar. Durch das Vorhaben werden Wohnstätten zerstört, denn es wird

von einigen Arten ein ganzes potenzielles Brutrevier zerstört (Kap. 4.2.1, Tabelle 4).

Es kommt also zum Eintreten des Verbotes nach § 42 BNatSchG. Damit wird zur Verwirk-

lichung des Vorhabens eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erforderlich.

5 entspricht ungefähr dem Zeitraum der Brutzeit für Vögel (15. März -30. September § 26 HHNatSchG).

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Da potenzielle Quartierbäume von Fledermäusen gefällt werden (Kap. 4.2.2), treten die

Verbotstatbestände auch in Bezug auf streng geschützte Arten des Anhangs IV auf. Da die

hier betroffenen Arten Zwergfledermaus und Braunes Langohr jedoch vermutlich in der

Gartenstadtzone Lokstedts ausweichen können, bleiben die Funktionen erhalten und nach §

42 (5) BNatSchG (neue Fassung) liegt ein Verstoß nicht vor, da die ökologische Funktion

der von dem Vorhaben betroffenen Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiter er-

füllt werden kann. Die Vermeidung des Verbotstatbestandes kann mit der Durchführung so

genannter CEF-Maßnahmen6 gesichert werden. Dafür müsste die Umgebung des Vorha-

bens mit Quartieren angereichert werden, so dass die potenzielle ökologische Funktion der

zu fällenden Bäume durch das künstliche Angebot übernommen wird. Zielführend wäre

eine Festsetzung, dass für die nicht zu erhaltenden potenziellen Quartierbäume möglichst

orts- und zeitnah je ein Ersatzquartier in Form von künstlichen Fledermauskästen zu schaf-

fen ist. Zum Zeitpunkt der Fällung der Bäume ist zu gewährleisten, dass der Baum nicht

von Fledermäusen bewohnt wird (Fällung in den Wintermonaten).

Im BNatSchG-Entwurf wird zukünftig in § 42 (5) festgelegt sein, dass ein „Verstoß gegen

das Verbot … nicht vorliegt, soweit die ökologische Funktion der vom Vorhaben betroffe-

nen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wer-

den kann….Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festge-

setzt werden.“ Das oben dargelegte Vorgehen mit Hilfe von CEF-Maßnahmen entspricht

dann diesem neuen Instrument der vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme.

5.2.1 Eintreten der Verbote nach Art. 12 FFH-RL

Potenzielle Fledermausquartiere werden zerstört. Damit wird der Tatbestand der Beschädi-

gung oder Vernichtung einer Brut-, Wohn- und Zufluchtstätte (nach BNatSchG) bzw.

Fortpflanzungs- und Ruhestätte (nach FFH-RL) für Arten des Anhangs IV potenziell er-

füllt. Dadurch ist der Verbotstatbestand des Art. 12 FFH-RL erfüllt.

Dieser Verbotstatbestand kann mit der Durchführung so genannter CEF-Maßnahmen ver-

mieden werden. Dafür müsste die Umgebung des Vorhabens mit Quartieren angereichert

werden, so dass die potenzielle ökologische Funktion der zu fällenden Bäume durch das

künstliche Angebot übernommen wird (siehe oben).

5.2.2 Eintreten der Verbote nach Art. 5 VSchRL

Zum Töten von Individuen oder der Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern

oder Störungen an den Nist-, Wohn- und Zufluchtstätten kommt es nicht, da die Arbeiten

zur Gehölzbeseitigung und der Beginn der Bauarbeiten außerhalb der Brutzeit stattfinden

(allgemein gültige Regelung § 26 [1] HHNatSchG).

6 Measures to ensure the continued ecological functioning = „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ in § 42 (5) BNatSchG-Entwurf vom April 2007.

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Das in Art. 5 VSchRL formulierte Verbot der Zerstörung und Beschädigung von Nestern

betrifft den wiederkehrend genutzten Nistplatz (z.B. traditionelle Horste). Wird ein Nest

einer Art, die ihre Nester grundsätzlich nur einmal nutzt, nach Abschluss der Brut und ggf.

Aufzuchtphase zerstört, so fällt dieses nicht unter den Verbotstatbestand des Art. 5 b, da

dieses verlassene Nest keine erkennbare Funktion für die Art mehr besitzt. Das gilt für alle

hier potenziell vorkommenden Arten. Auch der Buntspecht nistet meist in neu gebauten

Höhlen und verwendet alte Höhlen nur gelegentlich. Er ist keinesfalls darauf angewiesen,

alte Höhlen vorzufinden. Eine Spechthöhle wurde bei der Suche nach potenziellen Fleder-

mausquartieren nicht gefunden.

Durch die Wahl des Rodungszeitpunktes außerhalb der Brutzeit wird auch eine Störung der

europäischen Vogelarten vermieden.

Die Sicherung des Erhaltungszustandes der lokalen Vogelpopulationen bleibt gewährleis-

tet, da alle Arten ungefährdet sind. Der Verlust einzelner Brutstätten führt nicht zur Ge-

fährdung der lokalen Populationen dieser Arten. Die Verbote des Art. 5 der EG-

Vogelschutzrichtlinie werden also nicht verletzt.

5.3 Befreiungsvoraussetzungen nach § 62 BNatschG

Um völlige Rechtssicherheit zu erlangen, ist derzeit für jede Verletzung oder Tötung von

europäisch geschützten Arten bzw. Beschädigung oder Vernichtung von deren Nist-, Brut-,

Wohn- und Zufluchtsstätten eine artenschutzrechtliche Befreiung nach § 62 BNatSchG zu

erwirken. Zukünftig handelt es sich um eine Ausnahme nach § 43 (8) BNatschG, inhaltlich

gelten jedoch die gleichen Anforderungen.

An eine Befreiung sind (bei europäisch geschützten Arten des Anhangs IV FFH-RL) nach

Art. 16 FFH-Richtlinie (und zukünftig nach § 43 [8] BNatSchG) die folgenden Bedingun-

gen geknüpft:

Eine Befreiung von den Verboten des § 42 (1) BNatSchG ist nur möglich,

• sofern es keine anderweitig zufrieden stellende Lösung gibt (Alternativenprüfung)

und

• zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses die Befreiung erfor-

derlich machen und

• die Populationen der betroffenen Art(en) in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in

einem günstigen Erhaltungszustand verbleiben

Wichtige Voraussetzungen für die Befreiung nach § 62 BNatSchG (zukünftig Ausnahme

nach § 43 [8] BNatSchG) sind überwiegende Gründe des Gemeinwohls und die Alternativ-

losigkeit des Vorhabens. Diese Aspekte und insbesondere die juristische Frage der über-

wiegenden bzw. zwingenden Gründe des Gemeinwohles können nicht im Rahmen eines

biologischen Naturschutz-Fachgutachtens bewertet werden. Deshalb wird hier nur auf die

Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54 Kap. 6 Zusammenfassung

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biologisch-fachliche Frage des günstigen Erhaltungszustandes der Populationen eingegan-

gen.

Die potenziell vorkommenden und mit dem möglichen Verlust einer Wohnstätte betroffe-

nen Vogelarten (Tabelle 4) gehören sämtlich den weit verbreiteten, häufigen und ungefähr-

deten Arten an, auch wenn eine Art auf der Vorwarnliste verzeichnet ist (Grauschnäpper).

Sein Bestand geht zwar zurück, er erscheint aber noch nicht als gefährdet (MITSCHKE

2007a, BAUER et al. 2002).

Damit werden die biologisch-fachlichen Befreiungsvoraussetzungen bzw. Ausnahmevor-

aussetzungen hinsichtlich der Brutvögel erfüllt.

In Hinblick auf Fledermäuse könnten auch Arten der Roten Liste (Braunes Langohr,

Zwergfledermaus) mit Quartieren betroffen sein. Für solche Quartiere besteht aber in der

Umgebung (Gartenstadtbereich Lokstedt) ein größeres Potenzial als im Untersuchungsge-

biet selbst. Individuen der lokalen Population können daher ausweichen, so dass sich der

Erhaltungszustand der lokalen, vom Vorhaben betroffenen Populationen vermutlich nicht

negativ ändert. Dieser für die Vermeidung der Notwendigkeit einer Befreiung wichtige

Sachverhalt kann mit der Durchführung von Maßnahmen zur Anreicherung des Quartier-

angebotes (sog. CEF-Maßnahmen) unterstützt werden. Damit lägen dann zusätzlich die

biologisch-fachlichen Voraussetzungen für eine Befreiung vor.

Diese Voraussetzungen müssen auch erfüllt sein, wenn nach dem neuen BNatSchG § 43

(8) Nr. 5 eine Ausnahme zugelassen werden soll.

6 Zusammenfassung

Für das Wohnungsbau-Vorhaben „Lokstedt 54“ in Hamburg-Lokstedt wurden Potenzial-

analysen (FPA) für Fledermäuse und Vögel angefertigt. Für diese Arten, die nach den eu-

ropäischen Richtlinien (FFH-RL, Anh. IV und europ. Vogelarten) geschützt sind, wird eine

artenschutzrechtliche Betrachtung vorgenommen.

Von den im Untersuchungsgebiet potenziell vorkommenden Brutvogelarten (Tabelle 3)

können einige (Tabelle 4) vom Verlust eines ganzen Brutreviers und damit ihrer Wohnstät-

te im Sinne des § 42 BNatSchG durch das Vorhaben betroffen sein. Es kommt damit zum

Verlust mindestens eines kompletten Vogelreviers und damit einer Fortpflanzungs- und

Ruhestätte. Damit ergibt sich für die Verwirklichung des Vorhabens die Notwendigkeit

einer Befreiung (nach § 62 BNatSchG alte Fassung) bzw. Ausnahme (nach § 43 BNatSchG

zukünftige Fassung).

Nicht verletzt wird der Art. 5 der EG-Vogelschutzrichtlinie (der sich nur auf Nester be-

zieht) da die Baumaßnahmen außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeit stattfinden und die Zie-

le der Richtlinie nicht erheblich beeinträchtigt werden, weil nur ungefährdete Arten betrof-

fen sind.

Da die betroffenen Arten nicht gefährdet sind, liegen die biologisch-fachlichen Vorausset-

zungen für eine Befreiung von den Verboten des § 42 nach § 62 oder § 43 (8, Nr. 5) vor.

Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54 Kap. 6 Zusammenfassung

Dipl.-Biol. Karsten Lutz, Bebelallee 55d , 22297 Hamburg, Tel.: 040 / 540 76 11 22

Bei zwei potenziell vorhandenen Fledermausarten (Braunes Langohr, Zwergfledermaus)

(Tabelle 2) kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich einzelne Quartiere in Bäumen

befinden, deren Fällung im Rahmen des Vorhabens vorgesehen ist. Damit würden Zu-

fluchtstätten von Anhang IV – Arten zerstört werden. Die Fledermäuse können jedoch im

Gartenstadtbereich Lokstedts ausweichen, so dass der Verbotstatbestand nicht eintritt. Die

Vermeidung des Verbotstatbestands kann durch das Bereitstellen zusätzlicher Quartiere

(CEF-Maßnahmen, „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ gemäß neuen BNatSchG) gesi-

chert werden.

Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54 Kap. 7 Literatur

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7 Literatur

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Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54 Kap. 7 Literatur

Dipl.-Biol. Karsten Lutz, Bebelallee 55d , 22297 Hamburg, Tel.: 040 / 540 76 11 25

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Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54 Kap. 8 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Dipl.-Biol. Karsten Lutz, Bebelallee 55d , 22297 Hamburg, Tel.: 040 / 540 76 11 26

8 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Aufgrund ihrer allgemeinen Verbreitung potenziell vorkommende

Fledermausarten............................................................................................................. 5

Tabelle 2: Möglicherweise im Untersuchungsgebiet vorkommende Fledermausarten......... 7

Tabelle 3: Potenzielles Artenspektrum des B-Plangebietes Lokstedt 54 ............................ 11

Tabelle 4: Potenzielle Brutvogelarten mit Verlust eines vollständigen Brutreviers durch das

Vorhaben (keine streng geschützte Art) ...................................................................... 13

Tabelle 5: Potenzielle Brut- und Gastvogelarten mit Verlust eines Teiles ihres

Lebensraumes, der kleiner als ein Brutrevier ist, durch das Vorhaben ....................... 13

Abbildung 1: Lageplan des Untersuchungsgebietes (Grenzen: rote Linien) ......................... 3

Abbildung 2: Potenzielle Quartierbäume (rote Rechtecke) für Zwergfledermäuse

(Pipistrellus sp.) und Braunes Langohr (Plecotus auritus). Angegeben ist die Baumart.

Luftbild aus Google-Earth (11.11.2007) überlagert mit Plan der vermessenen Bäume

(TIEDEMANN 2007). ..................................................................................................... 10

Abbildung 3: Lage des Untersuchungsgebietes (rot umrandet) im Zusammenhang der

Gartenstadtzone Hamburg-Lokstedt (Luftbild aus Google-Earth 11.11.2007) ........... 14

Abbildung 4: Prüfschema nach Vermerk „Beachtung des Artenschutzrechtes bei der

Planfeststellung“ des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr (20.02.2007)............. 27

Dipl.-Biol. Karsten Lutz – Artenschutzbetrachtung Lokstedt-54 Kap. 9 Anhang

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9 Anhang

9.1 Prüfschema Artenschutz

Abbildung 4: Prüfschema nach Vermerk „Beachtung des Artenschutzrechtes bei der Plan-feststellung“ des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr (20.02.2007).