Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

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Gefördert und unterstützt durch das Beschäftigungspakt für Ältere im Eine Studie im Rahmen des Beschäftigungspaktes „50 plus - Erfahrung zählt!“ im Landkreis Göttingen Holger Balderhaar | Julia Busche | Marcus Lemke | Rüdiger Reyhn Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft Regionalökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere Menschen

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Gefördert und unterstützt durch dasBeschäftigungspakt für Ältere im

Eine Studie im Rahmen des Beschäftigungspaktes „50plus - Erfahrung zählt!“ im Landkreis Göttingen

Holger Balderhaar | Julia Busche | Marcus Lemke | Rüdiger Reyhn

Potenzialanalyse SeniorenwirtschaftRegionalökonomische Impulse für Stadt und

Landkreis Göttingen durch ältere Menschen

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Herausgeber

Regionalverband Südniedersachsen e.V.Barfüßerstraße 1, 37073 Göttingeninfo@regionalverband.de0551-5472810www.regionalverband.dein Kooperation mit dem

Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh)

Im auftrag von

www.50plus-goettingen.de

Göttingen, September 2006

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Holger BalderhaarKilian BizerJulia BuscheGerd CassingWolf-Ekkehard HesseKarsten HiegeUllrich KornhardtMarcus LemkeSteffen ReißigRüdiger Reyhn

Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

Regionalökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere Menschen

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InhaltsverzeIchnIs

1 Zusammenfassung 7

2 Einführung und Aufgabenstellung 11

Vorbemerkungen 11

Das Modellprojekt “50plus – Erfahrung zählt!“ 15

Methodisches Vorgehen 16

3 Demographischer Wandel 18

Analyse und Prognose 18

Situation auf dem Arbeitsmarkt 22

Anpassungsleistungen der Kommunen 23

4 SeniorInnen in der Gesellschaft 26

Altersbilder und Altersbegriffe 26

Armut im Alter 32

Seniorenarbeit 34

Interessenvertretung in den Parteien 39

Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) 41

Überregionale Beispiele 42

5 Initiativen für SeniorInnen 45

Altenbericht und Stellungnahme zum Altenbericht 46

Landesinitiative Seniorenwirtschaft in NRW 47

Landesinitiative Seniorenwirtschaft Niedersachsen 48

Förderung des Ehrenamtes in Niedersachsen 50

Exkurs: Mehrgenerationenhäuser 52

6 Seniorenwirtschaft 54

Begriffsbestimmung 54

Kaufkraft von Senioren 55

Senioren-marketing 58

Einfach für alle: Universal Design 67

Exkurs: Seniorenwirtschaft in Japan 68

Exkurs: Demographischer Wandel in China 69

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7 Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft 71

Wohnen 71

Situation im Landkreis Göttingen (ifh) 107

Handel 125

Gesundheitswirtschaft, ambulante Pflege und Sport 141

Finanzdienstleistungen 163

Neue Medien und Telekommunikation 166

Tourismus 173

Mobilität im Alltag 179

Seniorenbildung 182

8 Perspektiven der Seniorenwirtschaft 184

9 Qualifizierung und Beratung 186

Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt 186

Existenzgründungsberatung 190

10 Handlungsempfehlungen 192

Kommunen als Impulsgeber 192

Handwerk und Wohnen 196

Handel 199

Ambulante Pflege 202

Tourismus und Mobilität 203

Neue Medien und Telekommunikation 205

Finanzdienst-leistungen 205

Die nächsten Schritte 206

Literatur 208

Internetlinks 214

Abbildungsverzeichnis 219

ANHANG

Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen im Landkreis Göttingen 221

Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen in der Stadt Göttingen 224

Adressen der Alten- und Pflegeeinrichtungen in der Stadt Göttingen 226

Adressen der Alten- und Pflegeheime im Bereich des Landkreises Göttingen 227

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Zwei sarkastische Definitionsversuche

A) Gerontologie ist eine zunehmend erfolgreich benützte Strategie jüngerer Menschen, schon in jungen Jahren an der demographischen Alterung zu verdienen. Die Geron-tologInnen sind deshalb existentiell daran interessiert, dass niemand vorzeitig wegstirbt und den Alten die Probleme nicht ausgehen.

B) Gerontologie ist eine kluge Strategie von Berufsfachleuten, sich durch die Beschäftigung mit hochbetagten Menschen auch noch mit 50 jung zu fühlen, was Personen, die sich mit Jugendfragen befassen, eindeutig schwieriger fällt.

François Höpflinger�

1 François Höpflinger ist Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich. Er beschäftigt sich vor allem mit Fragen zur Bevölkerungssoziologie.

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1 zusammenfassung

Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen für ältere KundInnen sind geeignet, Perspektiven für die wirtschaftliche Ent-wicklung der Stadt und des Landkreises Göttingen und darüber hinaus für die gesamte Region Südniedersachsen zu eröffnen. Seniorinnen und Senioren verfügen über eine hohe Kaufkraft. Der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung ist in den vergangenen Jahren gestiegen – er wird auch weiter an Bedeutung gewinnen.�

Überlappt wird diese Entwicklung jedoch durch regionale Struktur- und Wachstumsprobleme, die sich unter anderem in deutlich geringeren Durchschnittseinkommen gegenüber prosperierenden Regionen Nord-west-Niedersachsens, z. B. dem Landkreis Leer, manifestieren.

Die Wirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen wird sich der neuen Möglichkeiten, die sich aus dem demographischen Wandel ergeben, zunehmend bewusst. Bei der Entwicklung von Produkten und Dienstlei-stungen berücksichtigen viele Unternehmen die erhöhte Bedeutung der SeniorInnen auf den regionalen und überregionalen Märkten.

Trotz vielfältiger punktueller Bemühungen in Stadt und Landkreis Göttingen mangelt es jedoch in vielen Gestaltungsfeldern der Seniorenwirtschaft noch immer an ausreichender Anpassungsflexibilität der Anbieter. Das gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Viele Facetten des demographischen Wandels werden in der aktuellen Geschäftspraxis und der strategischen Unternehmensausrichtung nur unzureichend berücksich-tigt. Um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Standort sichern und entwickeln zu können, ist es deshalb erforderlich, den Gruppen der Älteren als Leistungserbringer und Leistungsbezieher eine noch höhere Aufmerksamkeit zu schenken, als dies bislang erfolgt ist.

Die in der vorliegenden Potenzialanalyse aufgezeigten Handlungsansät-ze sollten deshalb konkretisiert und auf eine Umsetzung weiter geprüft werden. Ein in Nordrhein-Westfalen entwickeltes Ignoranz-Szenario zeigt die Konsequenzen für den Fall auf, dass die erforderlichen Anpassungs-leistungen nicht erbracht werden.�

In Gestaltungsfeldern wie der ambulanten Pflege und dem seniorenge-rechten Wohnen bestehen – das zeigt die vorliegende Studie – unmittelbar neue Beschäftigungspotenziale. Beim Vorliegen persönlicher und fach-licher Eignung können in Sektoren wie diesen auch ältere Erwerbslose auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden – wenn auch möglicherweise nur im Rahmen prekärer Arbeitsverhältnisse. In den meisten anderen Gestaltungsfeldern dürften die Wirkungen aber eher mittelbar sein.

2 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen – Basisdaten zu älteren Beschäftigten und Erwerbslosen“ (Regionalverband Südniedersachsen e.V.)3 Circel, Michael; Hilbert, Josef; Schalk, Christa (2004): “Produkte und Dienstleistungen für mehr Le-bensqualität im Alter“, Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, S. 103

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Die wichtigsten Perspektiven der Seniorenwirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen liegen also primär in der Wirtschafts- und Strukturpolitik und weniger in der Beschäftigungspolitik. Damit stützt die vorliegende Studie eine wesentliche These, die bei der Bildung des Beschäftigungspaktes für Ältere im Landkreis Göttingen im Juli 2005 formuliert wurde.

Nicht bestätigt werden kann jedoch, dass sich durch eine Nutzung der Möglichkeiten der Seniorenwirtschaft älteren Erwerbslosen in größerem Umfang neue Beschäftigungsfelder eröffnen. Das gilt insbesondere angesichts der in der Regionalanalyse nachgewiesenen Bedeutung der Langzeitarbeitslosigkeit älterer Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen. Zu einer ähnlichen Bewertung kam Mitte September 2006 auch der Präsi-dent des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun. Er erklärte, die Initiative des Bundes werde kaum dazu beitragen, dass nennenswert viele ältere Erwerbslose in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Brauns Einschätzung: Die Qualifizierung von Arbeitslosen wird nach wie vor vernachlässigt.

Trotz positiver Grundstimmung bei Wirtschaft und Verbrauchern im Spätsommer 2006 fehlt es den Betrieben an Anreizen, ältere Arbeitslose einzustellen. Ob die neuen beschäftigungspolitischen Ansätze der Landes- und der Bundesregierung die Perspektiven für Ältere verbessern, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Beim Abbau von Personal trennen sich viele Unternehmen nach wie vor eher von Älteren – die Volkswagen AG beispielsweise beim geplanten Personalabbau an mehreren Standorten in Niedersachsen und Nordhessen, ebenso gilt dies bei dem Einzelfall des Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, der im Juli 2006 mit sechzig Jahren in den Ruhestand ging, obwohl er gern weitergearbeitet hätte.

Der Sachverständigenkommission für den fünften Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik ist zuzustimmen, wenn sie feststellt, dass alle Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer letztlich nur greifen werden, wenn die Wirtschaft kräftig wächst und eine steigende Arbeitskräftenachfrage die Betriebe motiviert, auch Ältere einzustellen.

Die vorliegende Studie will zum Abbau von Vorurteilen hinsichtlich der Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit von Älteren beitragen. Sie nimmt dabei unmittelbar Bezug auf das letzte der drei vordringlichen Aktionsfelder der Bundesregierung.� Nachdrücklich plä-dieren die Autoren dafür, die Seniorenwirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen unter dem Blickwinkel ihrer Lupenfunktion zu betrachten. Was für ältere Menschen gut und richtig ist, nützt in aller Regel auch Jüngeren. Umgekehrt gilt das nicht.

Angesichts der Heterogenität der 50plus-Generationen wird darauf ver-zichtet, altersspezifische Angebotssegmentierungen vorzunehmen. So wird weder geraten, dem Beispiel Großräschens zu folgen und ein Seni-orenkaufhaus zu installieren, noch wird der Erarbeitung eines regionalen Qualitätssiegels „seniorengerecht“ das Wort geredet.

4 Bundesministerium für Familie, Senioren, Familie und Jugend (2005): „Potenziale des Alters in Wirt-schaft und Gesellschaft. – Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen“, Berlin.

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Die Handlungsempfehlungen dienen vielmehr dazu, den Standort Land-kreis Göttingen generationengerechter und damit zukunftsfähiger zu machen. Deshalb können sie auch als Elemente regionaler Bevölkerungs-politik angesehen werden: Wenn sich Wirtschaft und Gesellschaft stärker generationen- und damit altengerecht orientieren, tragen sie dazu bei, Abwanderungen zu verhindern und Anreize für Zuwanderung zu schaffen. Generationengerechtigkeit in Sektoren wie Handel, Handwerk und Touris-mus wird damit zu einem Merkmal der Standortqualität.

Bevölkerungspolitik umfasst in diesem Sinne nicht nur überregionale Arbeitsplatzwanderungen, sondern auch Alten- und Ausbildungswande-rungen. Eine der Handlungsempfehlungen besteht darin, die Elterngene-ration von Berufstätigen zu einem Umzug in den Landkreis Göttingen zu motivieren, u. a. mit dem Argument, nahe bei den Enkelkindern sein und sie betreuen zu können. Möglicherweise kann Älteren damit sogar ein Anreiz gegeben werden, auch die dritte Lebensphase in Deutschland zu verleben und auf einen Umzug ins Ausland zu verzichten.

Wenn es gelingt, die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Göttingen positiver zu gestalten, wird dies auch nicht ohne Folgen für die Beschäfti-gung Älterer bleiben. Anders formuliert: Das oben genannte Wirtschafts-wachstum innerhalb des Landkreises Göttingen kann nur erreicht werden, wenn Stadt- und Landkreis ihre Bevölkerungsentwicklung mindestens stabilisieren.

Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen beispielsweise zur Bildung von seniorenorientierten Anbieter-Gemeinschaften im Handwerk wirkt beschäftigungsstabilisierend. Im Idealfall gelingt es, Aufträge aus anderen Regionen zu akquirieren. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen auch im Tourismus durch eine stärkere Generationenorientierung der Angebote.

Die ambulanten Pflegedienste im Landkreis rechnen selbst mit tief greifenden Strukturveränderungen im Zuge der erwarteten Veränderung der Pflegeversicherung. Viele Studien gehen davon aus, dass in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Arbeitsplätze durch das Altern der Gesellschaft entstanden sind. Sie für den Landkreis Göttingen zu quantifizieren war im Rahmen der vorliegenden Studie weder gefordert noch möglich. Deshalb lassen sich auch keine seriösen Aussagen darüber machen, welche Beschäftigungswirkungen ohnehin durch die Alterung im Landkreis Göttingen entstehen, und erst recht lässt sich nicht abschätzen, welche Folgerungen die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen nach sich ziehen würden.

In der Gastronomie, bei leichten Pflegetätigkeiten, in der Arbeitnehmerü-berlassung und in Dorfläden können also neue Arbeitsplätze entstehen. Der Teilnahmebeitrag des Landkreises Göttingen am Ideenwettbewerb des Bundes ging davon aus, dass zusätzliche Angebote für SeniorInnen auch von SeniorInnen erbracht werden können. Dieser Grundannahme kann nur bedingt zugestimmt werden. Zwar bestätigt der Einzelhandel, dass Auswahl und Einsatz von Personal kundenorientiert erfolgen müssen. Auch seniorengerechte Angebote im Bereich der Finanzdienstleistungen können von älteren Beratern seriös dargestellt werden. Insgesamt aber

Zusammenfassung

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bedingen seniorenorientierte Angebote nicht unmittelbar eine Beschäf-tigung von Personen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Bei Pflegedienstleistungen, die eine hohe körperliche Fitness voraussetzen, ist zweifelhaft, ob Ältere diesen Anforderungen entsprechen. Auch bei der Gründung von Existenzen haben Ältere immer noch mehr Probleme zu überwinden als Jüngere – insbesondere gilt das bei der Finanzierung.

Dass die Bedürfnisse Älterer gute Wachstums- und Beschäftigungsper-spektiven für solche Betriebe und Branchen eröffnen, die Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter (Seniorenwirtschaft) liefern, zeigt sich bundesweit in der Vielzahl von Projekten der letzten Jahre. Vielfach kommen Impulse aus den Unternehmen selbst, häufig jedoch gehen sie auf kommunale Initiativen zurück.

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2 eInführungund

aufgabenstellung

Der Titel der vorliegenden Untersuchung “Potenzialanalyse: Regional-ökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere Menschen“ im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“ mar-kiert einen hohen Anspruch. Er leitet sich ab aus dem Ideenwettbewerb “Regionale Beschäftigungspakte für Ältere“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) aus dem Juni 2005.� Nach dieser These führt die steigende Nachfrage Älterer nach seniorengerechten Produkten und Dienstleistungen auch zu Beschäftigungseffekten von Erwerbsfähigen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Mit dem zunehmenden Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung im Landkreis Göttingen und den Beschäftigungsproblemen Älterer verbindet die Studie damit zwei zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, vor denen der Landkreis und darüber hinaus die gesamte Region Göttingen in Zusammenhang mit dem demographischen Wandel stehen.

Die Autoren gehen davon aus, dass es sich hier um einen Prozess han-delt, der weit über die neue EU-Förderperiode 2007–2013 hinausreicht. Der Prozess ist nicht im Detail vorhersehbar und erst recht nicht planbar. Viele Entwicklungslinien vollziehen sich auf den Märkten mit der ihnen eigenen Entwicklungsdynamik und -logik. Um die bestehenden Beschäf-tigungspotenziale ausschöpfen zu können, gilt es, die gesellschaftlichen Teilsysteme in ihrer Wirkungsweise zu erkennen. Insofern kann die Studie zwar wesentliche Gestaltungsfelder untersuchen, nicht aber den Anspruch erheben, alle relevanten Aspekte der Seniorenwirtschaft zu analysieren. Gerade die Erhöhung der Erwerbsquote der mehr als 55 Jahre Alten bietet noch viele Ansatzpunkte. Modellrechnungen zeigen, dass es 21,4 Milli-arden Euro oder ein Prozent Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt bringt, wenn man ein Viertel der heute nicht erwerbstätigen über 55-Jährigen in Beschäftigung bringt.� Dazu reiche es sogar, wenn diese MitarbeiterInnen nur 50 Prozent der durchschnittlichen Produktivität erreichten.

Bei der Bearbeitung ging es darum, den nur auf dem ersten Blick ein-deutigen Begriff der Seniorenwirtschaft zielgerichtet zu definieren und die Handlungsansätze zu ordnen. Bei der Recherche zeigte sich, dass so gut wie alle Gesprächs- und Interviewpartner im Untersuchungsraum ein hohes Maß an Interesse und Neugier am Thema Seniorenwirtschaft zeigten. Die meisten von ihnen bestätigten, dass es auf diesem Feld er-heblichen Handlungsbedarf und damit große Entwicklungschancen gibt. Die wenigsten von ihnen haben sich nach eigenen Aussagen bislang systematisch mit der Fragestellung befasst. So gehörte die Bitte um In-formation über die Ergebnisse der Studie zu den Standardbemerkungen bei Abschluss der ExpertInnen-Gespräche.

5 http://www.50plus-goettingen.de6 Ursula Staudinger, Professorin an der International University in Bremen, FAZ 19. September 2006, S. 19

vorbemerkungen

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Bei der Diskussion um generationengerechtes Wirtschaften hat Deutsch-land im internationalen Vergleich einen erheblichen Nachholbedarf. Insbesondere Japan ist uns voraus. Innerhalb Deutschlands wird Nordr-hein-Westfalen eine Vorreiterrolle attestiert – zumindest was den Stand der wissenschaftlichen Arbeit angeht. Deshalb widmet die vorliegende Studie diesen Ansätzen eigene Kapitel.

Die Niedersächsische Landesregierung startete Anfang Mai 2006 – von der Öffentlichkeit und auch den Verantwortlichen in den Kommunen im Landkreis Göttingen weitgehend unbeachtet – die „Landesinitiative für generationengerechte Produkte und Dienstleistungen“. Mit dem Nieder-sächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit verabredete der Regionalverband Südniedersachsen eine enge Koopera-tion, die sich – wie im Folgenden dargestellt – in einem ersten Schritt in der gemeinsamen Ausrichtung von Veranstaltungen manifestiert.

Die Vorlage der Potenzialanalyse markiert den Auftakt zu einem öffent-lichen Diskurs, der die bisherige Diskussion über die Auswirkungen des demographischen Wandels in der Region fortführt und um neue Aspekte ergänzt. Mit dem Auftraggeber abgestimmt wurde der Vorschlag, nach Vorlage der Studie Ende 2006/Anfang 2007 jeweils mit Partnern vertie-fende Veranstaltungen zu verschiedenen Schwerpunkten zu geben. Dies geschieht zum einen in der Absicht, für Praktiker besonders wichtige Einzelaspekte näher zu beleuchten, andererseits wird damit der Prozess-charakter der Aufgabenstellung unterstrichen.

Die Initiative „50plus – Erfahrung zählt!“ sieht sich darüber hinaus als wesentlicher Bestandteil der europäischen Beschäftigungsstrategie, der „Lissabon-Strategie“. Sie umfasst sämtliche Maßnahmen zur wirtschaft-lichen, sozialen und ökologischen Erneuerung der EU. Im März 2000 hatte der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon diese auf zehn Jahre angelegte Strategie angenommen, mit deren Hilfe sich die EU bis 2010 zur weltweit dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion entwickeln soll. Im Sinne dieser Strategie treibt eine starke Wirtschaft die Schaffung von Arbeitsplätzen voran und fördert soziale und ökologische Maßnahmen, welche wiederum eine nachhaltige Entwicklung und sozialen Zusammenhalt gewährleisten.

Die vorliegende Studie stellt kein Konzept zur Umsetzung der Senioren-wirtschaft im Landkreis Göttingen dar. Sie untersucht vielmehr Auswir-kungen des demographischen Wandels auf den Landkreis Göttingen, analysiert den Bedarf von SeniorInnen auf Teilmärkten und leitet daraus Empfehlungen für Einzelmaßnahmen ab. Wie im Folgenden dargestellt wird, kommt den Kommunen dabei eine wichtige Funktion als Impuls-geber zu.

Unter Seniorenwirtschaft werden nach dem Teilnahmebeitrag des Land-kreises Göttingen am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit aus dem Juli 2005 die Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen für ältere Kundinnen und Kunden

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verstanden.� Danach ist die Seniorenwirtschaft geeignet, neue Perspek-tiven für die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises Göttingen zu eröffnen.

Untersuchungsgebiet ist der Landkreis Göttingen mit der Stadt Göttingen als Oberzentrum und den Mittelzentren Duderstadt und Hann. Münden. Berücksichtigt wurden die bestehenden Verflechtungen des Landkreises Göttingen innerhalb Südniedersachsens. Für eine sachgerechte Analyse und Einschätzung der Region Göttingen wurden Vergleichsanalysen und -daten des Bundes, der Länder, Regionen und Gemeinden sowie der EU he-rangezogen. Dazu gehören die Ergebnisse der Regionalanalyse im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“, also Arbeitsmarkt-, Branchen-, Konjunktur- und Strukturdaten. Durch Vergleiche mit dem Bundes- und Landesdurchschnitt sowie der Entwicklung in vergleichbaren Regionen wird der Entwicklungsprozess im Untersuchungsraum analysiert.

Angesichts der finanziellen Restriktionen, unter denen Bund, Länder und Kommunen leiden, können neue Beschäftigungsmöglichkeiten für über 50-jährige Menschen im öffentlichen Sektor – wenn überhaupt – nur in äußerst geringem Umfang entstehen. Der Fokus der Untersuchungen lag deshalb im Sektor der privaten Anbieter.

Da nach dem o. g. Teilnahmebeitrag das Aufzeigen von Entwicklungsmög-lichkeiten auf Anbieterseite zu den wichtigsten Aufgaben gehört, zählen die Leistungsanbieter in der Seniorenwirtschaft zu den wesentlichen Ziel-gruppen. In der Untersuchung wurde viel Wert auf die unterschiedlichen Aspekte des Seniorenmarketings gelegt. Diese Erkenntnisse können sich Investoren und Anbieter generationengerechter Produkte und Dienstlei-stungen nutzbar machen.

Erklärtes Ziel ist es, dass private Anbieter, zu denen auch Einrichtungen der Weiterbildung zählen, diese Hinweise zur Grundlage eigener Initia-tiven (wie Businessplänen) machen und ihr Portfolio modifizieren. Ein Automatismus, demzufolge diese neuen Angebote auch neue Beschäf-tigungsmöglichkeiten für Menschen ab 50 schaffen, existiert nicht. Die Ergebnisse bieten jedoch die Grundlage für seniorengerechtes Marketing und Produktgestaltung in bestehenden Unternehmen des Landkreises sowie bei Existenzgründern.

Die vorliegende Studie richtet sich außerdem an die kommunalpolitisch Verantwortlichen in Stadt und Landkreis Göttingen sowie den kreisange-hörigen Städten, Gemeinden und Samtgemeinden. Darüber hinaus wer-den Hinweise gegeben für die Positionierung des Landkreises Göttingen sowie der anderen Partner im Regionalverband Südniedersachsen im Rahmen der Ende Mai 2006 in Wolfsburg gestarteten „Landesinitiative Seniorenwirtschaft“. Zu den Zielgruppen zählen also auch Landes- und Bundespolitik.

7 Die in diesem Zusammenhang erforderliche Diskussion über Altersbilder und Altersbegriffe erfolgt im Kapitel „Altersbilder und Altersbegriffe“.

Einführung und Aufgabenstellung

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Die aus dem o. g. Teilnahmebeitrag im Sommer 2005 abgeleitete The-menstellung der Studie ist breit angelegt. Sie umfasst viele Bereiche wirtschaftlicher und sozialer Tätigkeiten im Landkreis Göttingen. Bei den Analysen hat sich gezeigt, dass diese Aufgabe äußerst umfassend ist. Die Autoren haben sich deshalb auf elf Gestaltungsfelder konzentriert und dafür konkrete Ansatzpunkte für Anpassungsmaßnahmen analysiert. Zu den Voraussetzungen für die Umsetzung zählen jedoch in den meisten Fällen weitergehende Marktanalysen und Machbarkeitsstudien.�

Nur einen kurzen Überblick geben die Autoren über die unterschiedlichen Facetten der für die Seniorenwirtschaft so wichtigen Gesundheitswirt-schaft. Da sich hier am ehesten Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere abzeichnen, konzentrieren sie sich auf die ambulante Pflege, deren Be-deutung in den nächsten Jahren zunehmen dürfte.

Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere unter dem Aspekt des demo-graphischen Wandels und ihre Bedeutung als Konsumenten und Produ-zenten werden ausführlich dargestellt. Dabei besitzt die Frage nach den Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung in Stadt und Landkreis Göttingen durch die Entwicklung und den Absatz spezieller Produkte und Dienstleistungen für Ältere einen hohen Stellenwert. Untersucht werden Erkenntnisse über erfolgreiche Konzepte der Senioren. Dabei wurde anhand mehrerer Handlungsvorschläge überprüft, ob und inwieweit sich diese Konzepte im Landkreis Göttingen umsetzen lassen, ob Anpassungs-bedarf besteht und wie die Umsetzung erfolgen kann.

An der Bearbeitung der Potenzialanalyse waren zahlreiche Institutionen beteiligt. Zu danken ist insbesondere dem Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen, dem Volkswirtschaft-lichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (das für die Bearbeitung von Kapitel „Handwerk im demographischen Wandel“ verantwortlich zeichnet), dem Institut für Sozialpädagogik und Soziologie der Lebensalter der Universität Kassel, der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen, Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen, der AOK-Geschäftsstelle Göttingen, der Wolfsburg AG und dem Senioren-büro der Stadt Braunschweig. Intensiv war auch die Kooperation mit den anderen Akteuren des Projektes „50plus – Erfahrung zählt!“, insbesondere mit der Stadt Göttingen und dem Landkreis Göttingen.

Von besonderer Bedeutung bei Vorbereitung und Durchführung der Se-nioren-Workshops war die Unterstützung des Kolping-Familienferienzen-trums Duderstadt, des Ortsvereins Hann. Münden des Kreisverbandes Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), des Kreisverbandes Göttingen der Senioren-Union, der Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks Göttingen, der Freien Altenarbeit Göttingen sowie der Seniorenbeiräte der Stadt Göttingen und der Samtgemeinde Dransfeld sowie des Landesse-niorenrates Niedersachsen.

8 Beispielsweise hängt die Umsetzbarkeit des Vorschlags “Seniorenkaufhaus“ von zahlreichen Faktoren (und insbesondere von den handelnden Personen) ab, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht analysiert werden konnten.

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Zu danken ist zudem der Wirtschaftsförderung Region Göttingen (WRG) GmbH, dem Stadtmarketing Duderstadt, der Wirtschaftsförderung und Erschließungsgesellschaft Hann. Münden, Göttingen Tourismus e.V., der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung der Stadt Göttingen (GWG GmbH), dem Center-Management des Kauf Parks Göttin-gen, der Heimat GmbH (Hann. Münden), der Larsen-Frels Gewerbe- und Industrie-Immobilien GmbH und dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigen-tümerverein Duderstadt e.V.

Großer Dank gilt auch den zahlreichen Gesprächspartnern, die hier nicht namentlich genannt sind, für ihre wertvollen Hinweise und Vorschläge.

Der Landkreis Göttingen hat sich im Juli 2005 unter dem Motto “50plus – Erfahrung zählt!“ am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beteiligt. Das Projekt wurde Anfang September 2005 als eines von insgesamt 62 regionalen Modellvorhaben im Rahmen des Programms “Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen“ ausgewählt.

Die vorliegende Potenzialanalyse ist Bestandteil von vier wissenschaft-lichen Untersuchungen, die der Regionalverband Südniedersachsen e. V. in Kooperation mit dem Verein für prospektive Entwicklungen (ZOOM e. V.) sowie weiteren Partnern als Grundlage der geplanten Umsetzungs-maßnahmen erstellt hat. In einer “Betriebsstudie” wird die Situation älterer Beschäftigter in den Unternehmen der Region und deren alters-bezogene Personalpolitik analysiert. Während die Regionalanalyse die Beschäftigungssituation Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen darstellt, identifiziert die Potenzialanalyse Defizite im bisherigen Angebot an Pro-dukten und Dienstleistungen mit Älteren als Zielgruppe. Sie versucht da-mit, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen ab 50plus aufzuzeigen.

Das moDellprojekt “50plus – erfaHrung zäHlt!“

Abbildung 1: Verbindungen der drei

Studien untereinander

(Geumann/Regionalverband Südnie-

dersachsen)

Einführung und Aufgabenstellung

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In einer vierten Studie zu Best-Practice-Ansätzen in anderen europäischen Ländern werden die entwickelten erfolgreichen Ansätze einer regionalisier-ten Beschäftigungsförderung für ältere Menschen zusammengetragen, um diese für die Region nutzbar zu machen. In allen Untersuchungen wer-den die Kategorien Alter, Geschlecht und Migration/Herkunft analysiert.

Die Potenzialanalyse knüpft direkt an vorliegende Untersuchungen zur demographischen Entwicklung sowie zur Wirtschafts- und Arbeitsmark-tentwicklung des Landkreises Göttingen an. Diese wurden in jüngerer Vergangenheit mehrfach untersucht – so durch das Institut für Regionalfor-schung (IfR) an der Universität Göttingen, das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung (NIW) und den Regionalverband Südniedersachsen e. V. NIW und IfR haben im Auftrag des Regionalverbands im Juni 2000 auf der Grundlage einer Stärken-Schwächen-Analyse ein regionales Entwick-lungskonzept (REK) für die Arbeitsmarktregion Göttingen/Northeim vorge-legt. Darüber hinaus hat das IfR im Rahmen der Studie „Südniedersachsen – Kompetenzregion oder Problemregion“ wichtige Erkenntnisse über die Situation im Landkreis Göttingen geliefert (2003).

Als Bestandteile des Modellvorhabens der Raumordnung (MoRo) „Infra-struktur und demographischer Wandel“ hat der Regionalverband in den Jahren 2004 bis 2006 Beiträge zur demographischen Entwicklung der Region geleistet. Im Auftrag des Landkreises Göttingen hat der Regional-verband am 17. Juni 2005 eine Arbeitstagung zum Thema „Der demogra-phische Wandel – Herausforderung im Landkreis Göttingen“ ausgerichtet. Im Rahmen der Workshops wurde insbesondere die Notwendigkeit der Qualifizierung von Erwerbsfähigen (lebenslanges Lernen) deutlich.

Zur Bearbeitung der o. g. Aufgabenstellung liegen für den Landkreis Göttingen nur wenige empirische Daten vor. Es war deshalb erforderlich, Zahlen von der Bundes- und Landesebene auf Stadt und Landkreis zu projizieren und dabei eigene Berechnungen anzustellen. Im Wesentlichen wurde die Potenzialanalyse im Jahr 2006 auf der Basis unterschiedlicher methodischer Ansätze erarbeitet.

Jeweils sechs- bis achtstündige Umfragen wurden im Fachmarkt-zentrum Grone (30. Mai), in den Innenstädten Göttingen (13. Juni), Duderstadt (27. Juni) und Hann. Münden (22. Juni), im Einkaufszen-trum Ebergötzen (2. Juni). Zu den Ergebnissen zählen 250 ausgefüllte Fragebögen zu den Themen Wohnen im Alter, Einkaufen, Nutzung neuer Medien.

Gespräche mit den Bürgermeisterinnen der Flecken Bovenden und Adelebsen und den Bürgermeistern der kreisangehörigen Gemeinden bzw. deren Beauftragten.

Gespräche mit der Stadtverwaltung Göttingen und Kreisverwaltung Göttingen.

metHoDIscHes vorgeHen

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Die narrativen Gesprächsrunden mit zwei bis 22 Teilnehmern, die sich im Vorfeld bereits kannten, wurden extern moderiert. Sie wurden mit den jeweiligen Mitveranstaltern vorbereitet und begannen mit Kurz-statements von zwei Personen. Die Ergebnisse aus den Gesprächsrun-den stellen Beurteilungen aus der Perspektive der Betroffenen dar und ergänzen die empirischen und theoretischen Ausführungen. Die Zitate werfen unterschiedliche und assoziative Schlaglichter auf einzelne Themenkomplexe der Seniorenwirtschaft und sind nicht repräsentativ. Möglicherweise unterschätzen einige der GesprächsteilnehmerInnen den Erkenntnisstand der Verantwortlichen in den Unternehmen. Be-kannt ist, dass auch viele Personal- und Unternehmensberater die Situation anders einschätzen als die zitierten SeniorInnen aus dem Landkreis Göttingen. Den Wert der Gesprächsrunden bringt folgendes Zitat auf den Punkt: „Ich freue mich, dass endlich einmal jemand uns ältere Leute fragt.“�

Sieben von WIDserve (Gleichen) moderierte, jeweils rund dreistündige narrative Gesprächsrunden mit Seniorinnen und Senioren (22. Mai in Göttingen: Freie Altenarbeit, Alten-WG am Goldgraben; 1. Juni und 30. August in Rosdorf: Kreisverband Göttingen der Senioren-Union; 21. Juni in Hann. Münden: Ortsverein Hann. Münden des Kreisverbandes Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), 30. Juni: Stadt Dransfeld, Se-niorenbeirat der Samtgemeinde Dransfeld; 18. Juli: in Hann. Münden: Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks Göttingen; 28. Juli in Duderstadt: Familienferienzentrum am Pferdeberg),

Situationsanalyse durch einen Seniorenscout in den Innenstädten von Göttingen und Duderstadt

schriftliche Befragung von Vermietern in Duderstadt

schriftliche Befragung aller Pflegedienste in Stadt und Landkreis Göt-tingen

Akteurinterviews zu spezifischen Gestaltungsfeldern der Senioren-wirtschaft

Literaturrecherche/Internetrecherche

Besuche von Fachkongressen in Bonn, Bremen, Hannover und Wolfs-burg durch die Autoren der Studie.

9 Zitat aus Seniorenrunde AWO Hann. Münden am 21. Mai 2006.

Einführung und Aufgabenstellung

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3 demographIscherWandel

Die Bedeutung der Seniorenwirtschaft für die Regionalentwicklung ergibt sich aus dem demographischen Wandel, der in Südniedersachsen bereits weit fortgeschritten ist und Anpassungsleistungen von Wirtschaft und Gesellschaft erfordert. Dass die Einschätzungen über die Auswirkungen des demographischen Wandels durchaus differieren, zeigte sich u. a. an einem Streitgespräch zwischen Herwig Birg und Albrecht Müller.�0

Nach der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Lan­desamtes Niedersachsen wird die Einwohnerzahl im Landkreis Göttingen von heute gut ���.000 auf knapp ���.000 im Jahr �0�0 zurückgehen. Das entspricht einem Minus von �,� Prozent.��

Damit einher geht eine deutliche Verschiebung im Altersaufbau. Grund hierfür sind hauptsächlich die niedrige Geburtenrate, die schon seit langem nicht mehr das für eine langfristige Bestandserhaltung notwendige Niveau erreicht, sowie eine kontinuierlich ansteigende Lebenserwartung.

Angesichts der engen Verflechtungen innerhalb der Region Göttingen und der Tatsache, dass der demographische Wandel in den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz besonders ausgeprägt ist, sind kurze Aus-führungen über die Gesamtregion erforderlich. Die Einwohnerzahl dieser aus den Landkreisen Göttingen, Northeim und Osterode a. H. bestehenden Region wird nach der Prognose des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik von 2004 bis 2020 um neun Prozent abnehmen. Dabei wird es zu erheblichen Verschiebungen der Bevölkerungsanteile zwischen den Teilräumen und zwischen den Altersgruppen kommen. Dies wirkt sich auf die Nachfrage nach Arbeitsplätzen, Wohnungen und Infrastruktur aus:

Der Anteil der Personen im Alter von 45 und mehr Jahren steigt von 44,4 Prozent auf 52,1 Prozent. Während bisher der größere Teil der Regions-bevölkerung unter 45 Jahre alt war, so wird im Jahre 2020 der größere Teil über 45 Jahre alt sein.

10 FAZ vom 28. August 2006, S. 32 u. 33. Bis zu seiner Emeritierung 2004 lehrte Birg, der als Demograph weltweit bekannt ist, an der Universität Bielefeld. Er erregte mit seiner These Aufsehen, Deutschland steuere auf einen jahrzehntelangen Niedergang zu. Albrecht Müller, Leiter der Planungsabteilung im Kanz-leramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt und Autor des Bestsellers „Die Reformlüge“ behauptet: Das Land kann die Herausforderung meistern. 11 Vgl. Abbildung 2

analyse unD prognose

Insgesamt am

Jahresende

davon im Alter von … bis … Jahren

0 - 14 15 - 29 30 - 49 50 - 64 65 und älter

�00� 264.285 14,2% 20,5% 31,6% 17,0% 16,7%

�0�0 260.478 12,8% 21,7% 29,3% 18,2% 18,1%

�0�0 252.668 12,4% 19,4% 26,4% 23,0% 18,8%

Abbildung 2: Bevölkerungsent-

wicklung im Landkreis Göttingen

(Quelle: NLS-Online,

Berechnungen ifh Göttingen)

Page 19: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

19

Der Anteil des Landkreises Göttingen an der Regionsbevölkerung steigt von 53,3 Prozent auf 56,0 Prozent. Damit findet eine weitere relative Kon-zentration der Einwohner im Untersuchungsraum statt.

Die Alterung setzt sich aus unterschiedlichen Trends in den einzelnen Altersgruppen zusammen:

Die Zahl der Kinder (0–14 Jahre) geht in der Region um nahezu ein Viertel zurück. Dabei unterscheidet sich die Stadt Göttingen mit leichten Zuwachserwartungen deutlich vom umgebenden ländlichen Raum mit Rückgängen bis zu einem Drittel.

Die Altersgruppe der Heranwachsenden (15–24 Jahre) nimmt in Stadt und Landkreis Göttingen um ca. 20 Prozent ab.

Die Zahl der jüngeren Erwerbstätigen (25–34 Jahre) wird in Stadt und Landkreis Göttingen noch etwas ansteigen, in den Landkreisen Nort-heim und Osterode jedoch stärker sinken.

Besonders gravierend wird sich die Altersgruppe der 35–44-Jährigen verkleinern um fast ein Viertel im Landkreis Göttingen (ohne Stadt), um gut ein Drittel in der Stadt Göttingen und sogar um nahezu die Hälfte in den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz.

Die Generation der 45–54-Jährigen geht in der Region um ca. sechs Prozent zurück, am stärksten in der Stadt Göttingen mit 15,5 Prozent. Im übrigen Landkreis Göttingen ist dagegen mit einem Zuwachs von 5,5 Prozent zu rechnen.

Im Mittel um ein Viertel anwachsen wird die Altersgruppe der älteren Erwerbsfähigen (55–64 Jahre). Der Zuwachs schwankt zwischen 5 Prozent im Landkreis Osterode und 38 Prozent in der Stadt Göttingen bzw. 34 Prozent im Landkreis Göttingen (ohne Stadt).

Abbildung 3: Verschiebung

der Altersanteile in der Region

Südniedersachsen

Demographischer Wandel

Page 20: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

20

Die Zahl der jüngeren Senioren (65–74 Jahre) nimmt in der Region leicht ab (3,8 Prozent). Hierbei stehen einem leichten Zuwachs in der Stadt Göttingen (3,7 Prozent) geringe Verluste von 1,7 Prozent im Landkreis Göttingen (ohne Stadt) und etwas stärkere Verluste in den anderen Landkreisen gegenüber.

Die Generation der Hochaltrigen (75 Jahre und älter) nimmt in der Region Göttingen um 14 Prozent zu – mit nur geringen Unterschieden in den einzelnen Kreisen.

Zu deutlichen Unterschieden wird es in der regionalen Verteilung der Alterskohorten kommen.�� Dies wird beim Vergleich der Landkreise nach ihren siedlungsstrukturellen Merkmalen deutlich. Der Landkreis Göttingen gilt aufgrund seiner höheren Einwohnerdichte als „verdichteter Kreis“, die Landkreise Northeim und Osterode am Harz als “ländliche Kreise“.�� Wäh-rend im “verdichteten“ Landkreis Göttingen im Jahre 2020 die Jüngeren (unter 45-Jährige) noch die Mehrzahl bilden (52,4 Prozent), wird in den „ländlichen“ Kreisen Northeim und Osterode a. H. diese Alterskohorte zur Minderheit (42,1 Prozent). Umgekehrt wird sich der Anteil der Älteren (über 45-Jährige) verhalten: im Landkreis Göttingen 2020 der kleinere, in den Nachbarkreisen der größere Teil. Trotz dieses Trends wird im Progno-sezeitraum der verdichtete Kreis in Zukunft den größeren Teil der Älteren (51,1 Prozent ) übernehmen. Das liegt an den Änderungsraten für die ältere Generation, die im Landkreis Göttingen mit 11,4 Prozent deutlich höher ausfällt als in den Landkreisen Northeim und Osterode (2,2 Prozent).

12 Vgl. Abbildung 513 Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2002): “Aktuelle Daten zur Entwicklung der Städte, Kreise und Gemeinden“

Abbildung 4: Bevölke-

rungsentwicklung in der

Region Göttingen 2004-

2020 (Prozent)

nach Alter und Kreisen

Page 21: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

21

Interessant ist auch eine Darstellung der Entwicklung der Zahl der Men-schen bis 50 Jahre und über 50 Jahre. Aus der folgenden Abbildung wird ersichtlich, dass die jüngeren Altersgruppen bis 50 Jahre bis zum Jahr 2020 im Landkreis Göttingen anteilsmäßig abnehmen, während die Altersgrup-pen ab 50 Jahre deutliche Zuwächse erfahren. Besonders auffällig ist der relativ starke Rückgang bei den 30- bis 49-Jährigen in diesem Zeitraum (von 31,6 Prozent auf 26,4 Prozent) und umgekehrt die starke Zunahme bei den 50- bis 64-Jährigen um 6 Prozentpunkte (von 17 Prozent auf 23 Prozent).

Die altersmäßige Zusammensetzung der Erwerbspersonen entwickelt sich noch ausgeprägter als die der Bevölkerung. Unter Berücksichti-gung der derzeitigen altersspezifischen Erwerbsquoten�� lässt sich eine Projektion des künftigen Altersaufbaus des Erwerbspersonenpotenzials ableiten (vgl. Abbildung 7). Legt man die Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren als beschäftigungsrelevant zugrunde, so zeigt sich, dass der demographische Wandel deutliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in der Region haben wird.

14 In der Projektion des Erwerbspersonenpotenzials sind gleichbleibende altersspezifische Erwerbs-quoten bis zum Jahr 2020 unterstellt.

Abbildung 6: Entwicklung des Alters-

aufbaus der Bevölkerung im Landkreis

Göttingen NLS-Online;

Berechnungen ifh Göttingen

Alterskohorten Verdichteter Kreis

(Landkreis Göttingen)

Ländliche Kreise

(Landkreis Northeim und

Landkreis Osterode am

Harz)

Region Göttingen

2004 2020 2004 2020 2004 2020Unter 45 Anzahl 156.383 132.445 119.326 83.779 275.709 216.224

Alters-Anteil 59,2 52,4 51,5 42,1 55,6 47,9

Reg.-Anteil 56,7 61,3 43,3 38,7 100,0 100,0

Veränd. -15,3 -29,8 -21,6

Über 45 Anzahl 107.902 120.223 112.500 115.018 220.402 235.241

Alters-Anteil 40,8 47,6 48,5 57,9 44,4 52,1

Reg.-Anteil 49,0 51,1 51,0 48,9 100,0 100,0

Veränd. 11,4 2,2 6,7

Zusammen Anzahl 264.285 252.668 231.826 198.797 496.111 451.465

Alters-Anteil 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

Reg.-Anteil 53,3 56,0 46,7 44,0 100,0 100,0

Veränd. -4,4 -14,2 -9,0

Abbildung 5: Entwicklung der

Alterskohorten nach Raum-

typen (Quelle: NLS-Online)

Demographischer Wandel

Page 22: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

22

Zum einen fällt der zahlenmäßige Rückgang bei den Erwerbspersonen bis 2020 mit 7,4 Prozent erheblich höher aus als der allgemeine Bevölke-rungsrückgang im Landkreis Göttingen. Damit stehen der Wirtschaft ins-gesamt weniger Arbeits- bzw. Nachwuchskräfte zur Verfügung, wodurch der Wettbewerb der Unternehmen um qualifizierte Facharbeitskräfte zunehmen wird. Dadurch wächst die Gefahr, dass es in Teilbereichen der Wirtschaft zu einem Fachkräftemangel und in der Folge zu Produktions-engpässen kommt.

Zum anderen ergeben sich bis 2020 Verschiebungen in der altersmäßigen Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotenzials im Landkreis Göt-tingen.�� Der Anteil der mittleren Altersgruppe bei den Erwerbspersonen sinkt von 53,6 Prozent auf 47,2 Prozent, während die älteren Erwerbsper-sonen ab 55 Jahre anteilsmäßig drastisch zulegen (von 10,2 Prozent auf 15 Prozent).

In der Fachdiskussion über die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Stadt und Landkreis Göttingen�� und in der Bundesrepublik Deutschland insge-samt ist eine deutliche Segmentierung zu beobachten. Das Projekt „50plus – Erfahrung zählt“ macht deutlich, dass neben Frauen, Ostdeutschen, Langzeitarbeitslosen und MigrantInnen auch die über 50-Jährigen eine Zielgruppe sind, deren Zugangsmöglichkeit auf den ersten Arbeitsmarkt durch staatliche Förderung unterstützt werden soll. Diese Förderpolitik wird von einigen Arbeitsmarktexperten kritisiert.�� Für immer kleinere Gruppen würden immer speziellere Instrumente definiert.

Kritiker argumentieren damit, dass durch den Abbau von Kündigungs-schutzes und Alterszuschlägen in Tarifverträgen eine nachhaltigere Wirkung entfaltet werden könnte. Durch die Einführung Intelligenterer Zeitkonten sowie altersgerechte Arbeitsplätze, Betriebsabläufe und Entloh-nungsbedingungen könnten auch die Tarifparteien für mehr Beschäftigung Älterer sorgen. Insgesamt müssten die Anreize abgebaut werden, Ältere aufs Abstellgleis zu schieben.

15 Vgl. Abbildung 716 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen“17 Fickinger, Nico: “Auf dem Abstellgleis“, FAZ vom 6. September 2006, S. 15

2004 2020Anzahl Anteil Anzahl Anteil Veränderung

A

lters

grup

pe

15 - 34 47070 36,1% 45589 37,8% 1,6%

35 - 54 69825 53,6% 56985 47,2% -6,4%

55 - 64 13345 10,2% 18083 15,0% 4,7%

gesamt 130240 100,0% 120657 100,0%

Abbildung 7: Prognose des

Erwerbspersonenpotenzials

im Landkreis Göttingen

Quelle: NLS; Berechnungen

Cassing

sItuatIon auf Dem arbeItsmarkt

Page 23: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

23

In den vergangenen Jahren ist bei den Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden eine Sensibilisierung für die Bedeutung des Themas demo-graphischer Wandel eingetreten. Das wurde u. a. deutlich während eines Bürgermeistertreffens des Städte- und Gemeindebundes im Landkreis Göttingen Ende Juni 2006 in Duderstadt.�� Die Diskussionen bezogen sich auch auf die Beteiligung des Regionalverbandes am Modellvorhaben der Raumordnung (MoRo) „Infrastruktur und demographischer Wandel“.��

Bei Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 im Rahmen von “50plus – Erfahrung zählt!“ bezeichneten zehn der elf kreisangehörigen Gemein-den den demographischen Wandel als wichtiges Thema. So verwies der Flecken Bovenden darauf, dass bereits Anfang der 90er-Jahre Arbeits-kreise zu den Bereichen Kultur und Freizeit von Senioren und Wohnen im Alter eingerichtet worden seien. Aus den damaligen Diskussionen entstand die Wohnanlage Korbhof, in der Betreutes Wohnen durch die AWO angeboten wird. Außerdem ist dort eine generationenübergreifen-de Begegnungsstätte angesiedelt. Die Bürgermeisterin führt den hohen Anteil an Senioren in ihrer Gemeinde auch auf diese Aktivitäten zurück. Durch die Nähe zu Göttingen und die Attraktivität der Wohngebiete ist es Bovenden in den vergangenen Jahren gelungen, aus anderen Regionen Senioren anzuwerben, die in der Nähe ihrer Kinder und Großkinder woh-nen wollen. Der Flecken Bovenden verfolgt bei der Siedlungsentwicklung eine Doppelstrategie. Neben die Sanierung vorhandenen Wohnraums unter Berücksichtigung von Senioren- und Behinderteninteressen tritt die Ausweisung neuen Baulandes für jüngere Familien. Beispielsweise im Neubaugebiet Am Junkernberg soll auch das Mehr-Generationen-Wohnen ermöglicht werden. Inzwischen ist auch eine hochwertige Pflegeeinrich-tung mit 78 Betten entstanden. Von der Volksheimstätte werden weitere 48 Wohnungen “Am Teiche“ vermietet.

Die Stadt Duderstadt verfolgt ein Konzept der Anpassung an den demo-graphischen Wandel z. B. dadurch, dass sie das Bauen in den Ortsker-nen propagiert. Das gilt auch für die Ortsteile an der Peripherie. In den vergangenen Jahren wurden bereits zwei Kindergärten im Rahmen von Zusammenlegungen geschlossen.

In Hann. Münden wurden Betreuungseinrichtungen erweitert. Von einem Gesamtkonzept zur Anpassung an den demographischen Wandel spricht die Verwaltungsleitung allerdings ebenso wenig wie die Samtgemeinde Dransfeld. In Dransfeld ist eine Fülle von Initiativen tätig, so z. B. das Internetcafé im Jugendheim. Dort findet seit 1993 jährlich in der Stadt-

18 Dieses Thema wurde erstmals ausdrücklich während eines Workshops am 24. Oktober 2003 in Stadtoldendorf von den Hauptverwaltungsbeamten und weiteren Fachleuten aus den Verwaltungen erörtert. Die Veranstaltung im Landkreis Holzminden war ausgerichtet worden vom Niedersächsischen Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) sowie dem Regionalverband Südniedersachsen. Moderiert und vorbereitet wurde sie vom Institut für Entwicklungs-planung und Strukturforschung GmbH (ies) an der Universität Hannover. 19 In Kooperation mit verschiedenen Partnern hat der Regionalverband im Anschluss an diese Veranstaltung das Thema weiterbearbeitet, so etwa im Rahmen der Modellprojekte in Gleichen, Hardegsen, Holzminden und Bad Sachsa/Walkenried. Eine im Rahmen des MoRo konzipierte Wanderausstellung wurde im Jahre 2006 u. a. im Kreishaus Göttingen sowie in den Rathäusern in Adelebsen und in Ebergötzen gezeigt. Aktiv beteiligt hat sich der Regionalverband Südniedersachsen auch an der Konzipierung der Bündnisse für Familie innerhalb des Landkreises Göttingen.

anpassungsleI-stungen Der kommunen

Demographischer Wandel

Page 24: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

24

halle ein Seniorennachmittag statt, der von bis zu 400 Seniorinnen und Senioren besucht wird. Kleinere Veranstaltungen dieser Art gibt es z. B. auch in Niemetal.

Der Flecken Adelebsen hat erkannt, dass er zu den ersten Gemeinden im Landkreis gehört, in denen schon jetzt ein deutlicher Bevölkerungs-rückgang erfolgt. Die Bürgermeisterin setzt auf die Anwerbung jüngerer Familien und verweist auf die Bedeutung der im Juli 2005 erfolgten Ausstellung „Demographischer Wandel“ des Regionalverbandes. Sie sei maßgeblich gewesen bei der Gründung des Adelebser Bündnisses für Familie. Ausgehend vom Bündnis für Familie und in Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung und dem Diakonischen Pflegedienst wurde im Frühjahr 2006 ein Antrag auf ein Mehrgenerationenhaus beim Land gestellt. Seit Anfang 2006 finden regelmäßige Eltern-Kind- und Vater-Kind-Treffen statt, zu denen auch Bewohnerinnen des betreuten Wohnens des Alma-Luisen-Stifts eingeladen werden. Darüber hinaus gibt es Projekte der Begegnung zwischen der Albert-Schweitzer-Schule und den Kinder-gärten des Ortes.

Die Gemeinde Gleichen setzt nach einem Ratsbeschluss und der Vorberei-tung im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordnung des Regionalver-bandes ein auf mehrere Jahre angelegtes Anpassungskonzept zum Betrieb der Kindergärten um. Vergleichbare Maßnahmen sollen in den nächsten Jahren auch für die Grundschulen erfolgen. Ein aus Lehrern, Politikern und Fachleuten gebildeter Arbeitskreis soll Kriterien für die vermutlich erforder-liche Schließung von zwei Grundschulen im Gemeindegebiet erarbeiten. Dabei soll auch der Aspekt der Vermarktung bzw. Umnutzung bisheriger Grundschulgebäude berücksichtigt werden. Zu den konkreten Ergebnissen des Mitte 2005 gegründeten Bündnisses für Familie zählt die Einrichtung eines Linientaxis, dessen Betrieb u. a. mit Arztpraxen abgestimmt wurde. Außerdem erfolgte eine altersübergreifende Kinderbetreuung. In Gleichen hat sich ein Seniorentanz etabliert, der vom DRK organisiert wird.

Auch die Gemeinde Friedland sieht sich vor gravierenden Veränderungen in der Grundschulstruktur und will das Angebot von Ganztagsschulen prü-fen. Bei den politisch Verantwortlichen hat das Thema demographischer Wandel nach Einschätzung des Bürgermeisters eine hohe Bedeutung erlangt, allerdings meint er, dass es noch nicht Thema von „Geburtstags-runden“ sei. Die Gemeinde organisiert regelmäßig Erzählcafés, die von der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde moderiert werden und zu denen jeweils 20 bis 50 Personen kommen. Mit Gemeindeunterstützung finden z. B. über den Kulturring Chorabende statt. Ausgerichtet wurden zudem Veranstaltungen zu den Themen „Erben und Vererben“, Demenz und Patientenverfügungen. In Gieboldehausen unterstützt die Samtge-meindeverwaltung einen Mittagstisch, der sich zweimal im Monat speziell an Senioren richtet.

Page 25: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

25

Eher zurückhaltend äußert sich auch der Bürgermeister der Gemeinde Rosdorf. Der demographische Wandel als wichtiges Thema sei von den Politikern erkannt worden, es sei allerdings bei vielen BürgerInnen noch nicht recht angekommen. Die Gründung des lokalen Bündnisses für Fa-milie wird in Rosdorf als Ansatz gesehen, BürgerInnen aktiv zum Thema demographischer Wandel einzubinden. Lediglich die Verwaltungsspitze der Samtgemeinde Gieboldehausen erklärt, der demographische Wandel sei für die Samtgemeinde noch kein spezifisches Thema, das gelte auch für den Rat.

Mehrere Gemeinden, so der Flecken Bovenden, die Samtgemeinde Drans-feld und Radolfshausen sowie die Gemeinde Rosdorf und Friedland haben beim Geografischen Institut der Universität Göttingen gemeindebezogene Bevölkerungsprognosen in Auftrag gegeben.

Demographischer Wandel

Page 26: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

26

4 senIorInnenInder

gesellschaft

Keine Seniorengeneration konnte im Leben so viel erleben wie die heutige. Viele alte Menschen sind aktiv und unternehmungslustig, sie gestalten ihr Leben ereignisreich. Wissenschaft, Medizin und Technik erlauben es, körperliche Fitness, Potenz, Wissen und Selbstbewusstsein bis weit ins hohe Alter zu erhalten. Die heutigen Senioren wollen möglichst lange ihre Gesundheit und Vitalität bewahren, ihre Selbstständigkeit erhalten, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, lust- und leistungsfähig bleiben, aktiv und passiv genießen, auch im Alter mit Zukunftsperspektiven leben und ihre mögliche Pflegebedürftigkeit unter humanen Bedingungen er-leben.

Ein Indiz für die immer jünger werdenden Senioren ist der Wandel in den Wertvorstellungen: Traditionelle Werte wie Sparsamkeit, Bescheidenheit und Genügsamkeit verlieren bei den „nachwachsenden“ Senioren an Be-deutung, und Werte wie Toleranz, Aufgeschlossenheit und Unabhängigkeit werden wichtiger. Viele Menschen, die aus dem Berufsleben ausscheiden, wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

Diese wachsenden Potenziale der Älteren können nach Einschätzung von Prof. Dr. Clemens Geißler von der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Forschung im Alter als Triebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung gesehen werden.� Dabei bezieht sich Geißler hauptsächlich auf die Gruppe der SeniorInnen in der nachberuflichen Phase. Die schlummernden Po-tenziale der Senioren dürften nicht unbeachtet bleiben. Vielmehr wohne dem demographischen Wandel eine Chance inne. Statt die älteren Men-schen als Objekte zu behandeln, müsse man sie als für die Gesellschaft verantwortlich handelnde Subjekte in den Blick rücken. Neben einem reichen Schatz an Erfahrungswissen verfüge die Gruppe der Senioren über ein hohes marktbezogenes Nachfragepotenzial. „Dem Wandel der Altersstruktur entsprechend nimmt die Bedeutung der Älteren als (regi-onale) Nachfragemacht zu.“� Die Nachfrage nach Gütern und insbeson-dere nach Dienstleistungen habe erhebliche positive Auslastungs- und Arbeitsmarkteffekte. „Regional- und Stadtmarketing, das diese Effekte nicht gebührend beachtet, ist in Gefahr, ähnliche Fehler zu machen wie die Werbewirtschaft, die, auf Jüngere fixiert (‘Jugendwahn’), vor den Älteren und dem Alter eher ‘Angst’ zu haben scheint.“�

Altern ist als ein kontinuierlicher Prozess in der Entwicklung des Menschen zu verstehen. Er findet in jeder Lebensphase statt: durch Veränderung der physiologisch-biologischen Gegebenheiten, der Werthaltungen und Einstellungen sich selbst und der Umwelt gegenüber sowie durch die äußerliche Stellung des Einzelnen in seinem Lebensraum. Die einzelnen Phasen dieser Entwicklung werden durch Faktoren wie durch gesundheit-liche Einbußen beeinflusst.

1 Geißler, Clemens (2003): “Für einen Perspektivenwechsel: Die Potenziale des Alters als Triebkräfte gesellschaftlicher Entwicklung“. In: Raumforschung und Raumordnung. Heft 5/2003, 61. Jahrgang, S. 395–403 2 Ebd., S. 3983 Ebd., S. 398

altersbIlDer unD altersbegrIffe

Page 27: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

27

Aufgrund der uneinheitlichen Entwicklung lassen sich nur schwer eindeu-tige Altersbegriffe bzw. Altersbilder formulieren. Bei der Beschreibung von Alterungsprozessen schwingt unbewusst oder bewusst eine normative Altersgrenze mit. Der individuelle Lebenslauf wird häufig in Lebensphasen unterteilt, die einen Höhepunkt und eine Abnahme oder einen Abbau be-inhalten. Die Bewertung dieser Vorgänge manifestiert sich in den Alters-begriffen und -bildern. Diese unterliegen einem deutlichen gesellschaft-lichen Wandel. Insbesondere in den letzten 30 Jahren haben sich tradierte Altersbilder und dadurch auch die Altersbegriffe stark verändert.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird als Senior bezeichnet, wer die “Altersgrenze“ erreicht und seine Berufstätigkeit beendet hat. Als das Deutsche Reich unter Bismarck am Ende des 19. Jahrhunderts die Alters-versorgung einrichtete, wurde die Altersgrenze auf 70 Jahre festgelegt.�

Das entsprechende Altersbild eines zufriedenstellenden Lebensabends bestand darin, von den Nachkommen versorgt und gepflegt zu werden, nicht mehr arbeiten zu müssen, passiv, als Zuschauer, in den Genuss von sozialen Aktivitäten zu gelangen.�

Dieses Altersbild hat sich heute radikal geändert. Während der Bearbei-tung der Studie traten in Hannover die Rolling Stones mit dem 63-jährigen Leadsänger Mick Jagger auf, am selben Tag war eine 53-jährige Ärztin aus Nikolausberg über 5000 Meter schnellste Frau beim Altstadtlauf in Göttingen. Mit sieben Weltmeister- und sechs Europameistertiteln scheut ein 63-jähriger Sportdozent der Universität Göttingen keine sportliche Konkurrenz von Studenten, die 40 Jahre jünger sind als er.

Für viele ältere Menschen ist der Seniorenbegriff also nicht mehr passend. Die Gesprächsrunden im Landkreis Göttingen bestätigten dies: Eine ca. 60 Jahre alte Frau erlebte es als stigmatisierend, als Seniorin bezeichnet zu werden. Sie würde gerne als Jungseniorin angesprochen werden. Hier müsse ein Umdenken stattfinden.� In einem anderen Gespräch wurde betont, dass das Wort “alt“ in unserer Gesellschaft immer noch negativ besetzt sei.� Der Begriff „junge Menschen“ sei gesetzlich definiert, nicht aber der Begriff „Senior“. „Es wird immer nur von Alten gesprochen oder von Grufties. Da kommt man gar nicht gegen an. Eigentlich müssten wir die Jüngeren öfter zur Rede stellen und etwas gegen die Diskriminierung tun. Der Jugendwahn ist doch eigentlich ungebrochen.“�

Aufgrund verschiedener Formen von Vorruhestandsregelungen, Frühver-rentung und Altersteilzeit beenden heute viele Menschen ihre Berufstä-tigkeit mit 55 oder 58 Jahren. Statistisch haben sie dann noch etwa ein Drittel ihres Lebens vor sich. Durch die Verlängerung des Ruhestandes,

4 Damals erreichten nur zwei Prozent der Bevölkerung dieses Lebensalter. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug 45 Jahre. Die Altersgrenze wurde erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg auf 65 Jahre reduziert.5 Ob dies von den Betroffenen auch so zufriedenstellend erlebt wurde (und wird), sei dahingestellt.6 Gesprächsrunde am 30. Juni 2006 mit dem Seniorenbeirat Dransfeld7 In Schweden gibt es speziell für den Bereich der Seniorenwirtschaft im direkten Vergleich zu deut-schen Verhältnissen einige Unterschiede. Als Erstes fällt auf, dass Ältere und Altern in der sehr egalitären schwedischen Gesellschaft weniger negativ belegt sind. Durch die “schwedische Reichsorganisation der Rentner“ (Pensionärernas Riksorganisation, PRO) verfügen die Senioren über eine starke Lobby und einen mit einer Gewerkschaft vergleichbaren Einfluss. 8 Gesprächsrunde am 1. Juni 2006 in Rosdorf

SeniorInnen in der Gesellschaft

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eine Erhöhung der durchschnittlichen Lebensdauer und die besseren Akti-vitätsressourcen hat sich aus einer ehemals passiv durchlebten “Restzeit“ eine eigenständige Lebensphase entwickelt.

Anfang September 2006 beschäftigte sich eine Tagung der Evangelischen Akademie Hofgeismar mit der „Kunst des Alterns“. Der Wiener Soziologe Professor Dr. Anton Amann forderte einen sachgemäßen Diskurs über das Altern. Die gegenwärtige Diskussion verlaufe „verquer“, so seine These. Auf der einen Seite werde das Alter hochgejubelt und behauptet, die Alten verfügten über große Kaufkraft und könnten neue Lebensstile verwirklichen, auf der anderen Seite würden die Alten als Bürde und Last bezeichnet, für die Gesellschaft, für den Staat und für sich selbst. Die Tagung selbst befasste sich intensiv mit der Frage, wie Ältere für ehren-amtliche Tätigkeit gewonnen werden können.

Die Studie von PriceWaterhouse Cooper (PWC)� differenziert diese These und weist darauf hin, dass in der bisherigen Unternehmenspraxis häufig Umsetzungsfehler bei der Ansprache Älterer auftreten, wie z. B. der „Seniorenteller-Effekt“ (Unterschätzung) oder der „Silver-Surfer-Effekt“ (Überschätzung der Zielgruppe).

Nicht nur WissenschaftlerInnen bemühen sich um eine Beschreibung dieser neuen Lebensphase,�0 auch im Marketing wird in den letzten Jahren verstärkt diese neue Zielgruppe in den Blick genommen. Die neue Kon-sumentengruppe wird mit den unterschiedlichen Begriffen umschrieben: die „Jungen-Alten“, die „Jungsenioren“, „Best Age 50plus“, „Silvergene-ration“, „Silversurfer“, „Silver Consumer“, „Golden Oldies“, „Generation Gold“, „Best Ager“, „Master Consumer“, „Woopies“�� oder gar „Selpies“��

– um nur einige Beschreibungsversuche zu nennen. Die Vielfalt dieser phantasievollen Begriffsschöpfungen symbolisiert die Unsicherheit der Anbieter gegenüber den Nachfragergruppen.

Da es keine überzeugende Alternative gibt und der Seniorenbegriff durch-aus auch mit Respekt und Anerkennung geprägt ist, wird vorgeschlagen, diese Bezeichnung konsequent und selbstbewusst zu benutzen und auf verschämte Umschreibungen zu verzichten.

In der mehrere Jahrzehnte umfassenden Altersspanne des Seniorenlebens sind unterschiedliche Generationen mit unterschiedlichem zeitgeschicht-lichen Hintergrund, Sozialisationen, Konsum- und Technikerfahrungen vertreten. Dieser Trend der Differenzierung der Altersgruppe geht mit einer Differenzierung der Lebensstile einher: Die jetzigen Alten zeichnen sich durch unterschiedliche Lebensstile auch innerhalb der Generation aus, die sich zukünftig noch weiter ausdifferenzieren werden. Von der Gruppe der Senioren zu sprechen ist daher unangemessen, es ist eine sehr heterogen zusammengesetzte Gruppe, die sich mindestens so stark untergliedern lässt, wie es von der Jugendkultur her bekannt ist.

9 PWC-Studie: “Generation 55+, Chancen für Handel und Konsumgüterindustrie“, S. 1910 Die Gerontologie beschäftigt sich als Wissenschaft vom Altern u. a. mit dem Altersbegriff und der Definition von Altersstilen. Derzeit werden 150 bis 180 Altersstile identifiziert.11 Abkürzung für “well-off old people“, für gut situierte alte Menschen 12 Kurzform von “second life people“, für Menschen im zweiten Lebensalter

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29

Auftragsgemäß befasste sich die Studie mit den Altersgruppen der über 50-Jährigen. Diese Zielgruppendefinition impliziert eine Reihe von Frage-stellungen. Ob wirtschafts- oder beschäftigungspolitische Maßnahmen auf Zielgruppen ausgerichtet werden sollten, die nach dem Alter definiert werden, ist ebenso zweifelhaft wie die Frage, ob sich die Vermittelbarkeit eines 55-Jährigen gravierend von der einer 49-Jährigen unterscheidet und ob nicht vielmehr die Frage nach der Qualifikation bzw. der Dauer der Arbeitslosigkeit relevanter als das Geburtsdatum ist. Nicht das Alter ist also bestimmender Faktor für die Lebensperspektive, sondern Aspekte wie Integration, Mobilität, körperliche und geistige Fitness. Mithilfe einer Clusteranalyse des Frankfurter Marktforschungsinstituts T.E.A.M.�� wur-den auf Basis von 200 ausführlichen explorativen Interviews mit 50- bis 90-jährigen Verbrauchern sechs verschiedene Seniorentypen identifiziert, die sich in ihren Einstellungen und in ihrem Konsumverhalten voneinander unterscheiden.

Die anspruchsvollen Konsumfreudigen (Typ 1) kommen unter den Senioren mit am häufigsten vor: Sie haben Spaß am Aussuchen und Einkaufen und geben auch entsprechend Geld aus. Sie sind finanziell gut situiert und haben hohe Qualitätsansprüche.

Die wertkonservativen Genießer (Typ 2) sind traditionsverbundene Seni-oren, die nach einem langen Arbeitsleben endlich ihren Alltag genießen wollen. Beim Einkauf und Konsum legen sie auch Wert auf Qualität; sind aber grundsätzlich eher sparsam und der Ansicht, dass preiswerte Pro-dukte heute meist genau so gut sind wie teure.

Die ausgabebereiten Innovatoren (Typ 3) lieben die Abwechslung, sind Neuem gegenüber aufgeschlossen und probieren gern neue Produkte aus. Auch sie legen großen Wert auf Qualität; sie geben dafür lieber etwas mehr Geld aus.

13 Team für effiziente angewandte Marktpsychologie (2004): “Die unterschätzte Generation“. Frank-furt

Abbildung 8: Senio-

rentypen bei den über

50-Jährigen

SeniorInnen in der Gesellschaft

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30

Die sparsamen Zurückgezogenen (Typ 4) entsprechen am ehesten dem traditionellen Vorstellungsbild alternder Senioren, sind inzwischen aber die kleinste Personengruppe. Sie stehen Neuem eher ablehnend gegen-über, sind grundsätzlich sehr sparsam und kaufen generell preiswerte Produkte.

Die risikoscheuen Traditionalisten (Typ 5) sind die konservativsten unter den Senioren. Sie sind sehr sicherheitsbewusst, kaufen lieber altbewährte Produkte und sind dabei sehr markentreu.

Die erlebnishungrigen Aktiven (Typ 6) sind sehr unternehmungslustig, fühlen sich jung und fit und lieben die Abwechslung. Beim Einkauf sind sie aber sehr wählerisch und achten auf ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Diese Seniorentypen verdeutlichen, dass die Generation der heute über 50-Jährigen, also der zukünftigen Seniorengeneration, differenziert be-trachtet werden muss. Diese Erkenntnis, dass es sich hierbei um eine attraktive Zielgruppe handelt, setzt sich gerade unter Marketingfachleuten immer mehr durch. Die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bestimmt das Konsumverhalten. Besonders die Typen 1, 3 und 6 sind für das Senioren-marketing interessant. Sie machen zusammen 55 Prozent aus.

Diese Vielschichtigkeit in den verwandten Begriffen zeigt, dass sich ein durchgehender gesellschaftlicher Konsens nicht herstellen lässt. Erst recht finden sich alle der so gruppierten Personen nicht komplett in den Begriffen wieder. Wer Impulse für die Seniorenwirtschaft benennen will, kann aber auf eine Definition von Begriffen nicht verzichten. Die Autoren der Studie unterscheiden bei den über 50-Jährigen zwischen den Produ-zenten sowie den Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen. Zu der letztgenannten Kategorie gehören auch die über 50-Jährigen in ihren verschiedenen Funktionen innerhalb der Gesellschaft. Auf dem Arbeitsmarkt sind die über 50-Jährigen Zielgruppen mit besonderen altersspezifischen Risiken. Im Bereich des Konsums unterscheiden die Autoren folgende Zielgruppen:

Die “Jungsenioren“ (etwa 60–70 Jahre) sind körperlich und geistig aktiv. Das Teilnahmebedürfnis ist groß, wichtig sind für sie v. a. Freizeit- und Bil-dungsangebote, soziale Kontakte und bürgerschaftliches Engagement.

“Senioren“ (etwa 70–80 Jahre) können im Allgemeinen selbstständig ihren Lebensalltag bewältigen, jedoch aufgrund teilweise reduzierter körperlicher Leistungsfähigkeit weniger aktiv auftreten und sind u. U. mit längeren Krankheitsphasen konfrontiert. Die Pflegefallwahrscheinlichkeit liegt allerdings noch unter fünf Prozent.

In der Gruppe der “Hochbetagten“ (über 80 Jahre) sinkt die Beteiligung am gesellschaftlichem Leben, die Pflegefallwahrscheinlichkeit steigt leicht an. Gerade bei Älteren, deren Ehepartner gestorben sind, nimmt das Problem der Vereinsamung zu. In dieser Altersgruppe gewinnt die Pflegeeignung

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der Wohnung im Zusammenhang mit aufsuchender Betreuung an Bedeu-tung, ebenso die ambulante und die stationäre Pflege.�� Jedoch sind auch unter den Hochbetagten 80 Prozent nicht pflegebedürftig.

Inzwischen befassen sich auch Messeveranstalter gezielt mit den Bedürfnissen von SeniorInnen. So richten Euroforum The Conference Company und „seniorenmarkt.de“ am 15. und 16. November 2006 den „Zukunftsmarkt 70plus“ aus.�� Dargestellt werden gute Praxisbeispiele aus verschiedenen Branchen wie Finanzdienstleistungen, Handels- und Pro-duktkonzepte, Verpflegungs- und Managementkonzepte für SeniorInnen und Wohnformen.

Exkurs: Soziodemographische Einteilung der Zielgruppen

In der Literatur herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Zielgrup-pendefinition allein über das Alter nicht ausreicht und dass das biologische Alter des Menschen wenig über individuelle Präferenzen aussagt. In Ergänzung zu den angesprochenen Differenzierungsversuchen stellt das vom Heidelberger Sinus-Institut entwickelte Modell des Sinus-Milieus eine recht exakte Konsumprofilierung dar. Nach der Definition des Instituts fas-sen soziale Milieus Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln, die also so etwas wie subkulturelle Einheiten innerhalb der Gesellschaft bilden. Es erfolgt eine Einteilung nach Wer-teorientierungen und Lebenszielen, nach Einstellung zu Arbeit, Freizeit und Konsum, zu Familie und Partnerschaft, nach Zukunftsperspektiven, politischen Grundüberzeugungen und Lebensstilen. Die Abgrenzungen markieren keine scharfen Grenzen, vielmehr gibt es fließende Übergänge, Zwischenformen und Überschneidungen.

14 Steffens et al. (2004), S. 915 http://www.euroforum.de/p1100528

Abbildung 9: Idee der Seni-

orenwirtschaft (Geumann/

Regionalverband)

SeniorInnen in der Gesellschaft

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Die oben genannte Darstellung hat die Grey Global Group�� in einer wei-tergehenden Studie auf die über 50-Jährigen bezogen. Danach sind in der Sinus A23 Gruppe („Traditionsverwurzelte“) 87 Prozent über 50 Jahre alt. Bei den „Modern Performers“ sind dagegen nur knapp neun Prozent über 50 Jahre.

Diese differenzierte Darstellung wird im Folgenden nicht weiter genutzt. Bei der Analyse der möglichen Beschäftigungseffekte der Senioren-wirtschaft spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Sie wurde dennoch erwähnt, weil sie ein wichtiges Instrument im Marketing ist und bei der Entwicklung neuer Produkte und Entwicklungen relevant sein kann.

Obwohl es sich bei der derzeitigen Seniorengeneration um die reichste handeln dürfte, die es je gegeben hat, gibt es auch in Deutschland zahl-reiche Ältere, die als arm zu bezeichnen sind. Es besteht die Gefahr, dass deren Zahl künftig steigen wird und die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht. Wer sich mit Seniorenwirtschaft befasst, kann diesen Aspekt nicht ignorieren.

Nach einer Definition der Europäischen Union ist arm, wem weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens pro Monat zur Verfügung steht. In Deutschland liegt diese Grenze nach dem aktuellen Armutsbericht bei 938 Euro. Auch für den Begriff des Existenzminimums gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Berechnungen des Arbeitslosengeldes II orientieren sich an dem soziokulturellen Existenzminimum. Es liegt für Alleinstehende bei 7.356 Euro jährlich. Deutlich höher liegt mit knapp 1.000 Euro das pfändungsfreie Existenzminimum.

16 Michael, Grey (2003): Berechnung Grey Strategic Planning.

Abbildung 10: Sinus-Milieus

Quelle: Grey Global Group

armut Im alter

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Nach dem SGB XII haben Personen ab dem 65. Lebensjahr Anspruch auf Grundsicherung, wenn der Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestritten werden kann. Nicht alle Anspruchsberechtigten kennen diese Rechtslage. Andererseits gibt es viele, die ihre Rechte zwar kennen, sie aber nicht wahrnehmen, weil sie sich scheuen, der Allgemeinheit zur Last zu fallen.

Während bislang viele NeurentnerInnen und Pensionäre über eine durchgängige Erwerbsbiographie verfügen, haben viele der künftigen Renten- und Pensionsbezieher geringere Ansprüche z. B. gegenüber den Rentenkassen. Vielfach wird nicht mehr durchgängig gearbeitet, die Berufstätigkeit wird vielmehr in prekären Arbeitsverhältnissen ausgeübt. Dazu gehören Teilzeitarbeitsverhältnisse, Tätigkeiten auf Honorarbasis und (projektorientierte) befristete Tätigkeit. Altersarmut, insbesondere unter alleinstehenden Frauen, existiert nach wie vor, doch das Verarmungsrisi-ko hat sich bei älteren Menschen gegenüber den 60er- und 70er-Jahren stark verringert.

Ein weiterer Aspekt ist der Beschluss der Bundesregierung, schrittweise die Rente mit 67 einzuführen. Künftige wirtschaftliche Probleme älterer Personen dürften also multifaktoriell bedingt sein. Wer in der Erwerbs-biographie erhebliche Lücken aufweist, verfügt in der Regel auch über weniger sozialen Rückhalt. Personen, die durchgehend berufstätig sind oder aber freiwillig nicht arbeiten, leben in vielen Fällen gesundheitsbe-wusster und sind weniger anfällig für Drogenprobleme. In der soziolo-gischen Forschung werden auch Zusammenhänge zwischen einem hohen Bildungsgrad und der Fähigkeit zu perspektivischer Lebensplanung her-gestellt. Faktoren wie diese tragen dazu bei, das Armutsrisiko im Alter zu erhöhen. Sie erschweren zudem die Bemühungen auch von Kommunen, ältere Personen aus der Einsamkeit zu holen und in das gesellschaftliche Leben zu integrieren.��

Viele der heute angebotenen Produkte und Dienstleistungen für Senio-rInnen sind noch immer teuer und ähneln Luxusartikeln. Die Senioren-wirtschaft steht vor der Aufgabe, preiswerte und gleichwohl qualitativ hochwertige Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten.

Nach Einschätzung der Verantwortlichen der Stadt- und Gemeindever-waltungen im Landkreis Göttingen ist die Armut im Alter bislang noch kein zentrales Thema. Ökonomische Probleme Älterer sind danach zwar vorhanden, können aber noch nicht pauschal als Armut qualifiziert wer-den. Zudem sind die Probleme meist nicht offen erkennbar. Betroffene schildern die Probleme, wenn überhaupt, eher verschämt. Viele derjeni-gen, die jetzt im Rentenalter sind, haben Kriegs- und Nachkriegszeiten kennengelernt und sind es gewohnt, bescheiden und sparsam zu leben. Vielfach herrschen, gerade auf dem Land, intakte Familienverhältnisse mit gegenseitiger materieller Unterstützung vor. Bei der Erbringung von Dienstleistungen, z. B. im Handwerk, spielt die gegenseitige Unterstützung eine große Rolle.

17 Prof. Dr. Fred Karl, FB Sozialwesen der Universität Kassel, am 7. Juli 2006 in Kassel

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Nach Ansicht der Kommunen besteht aber die Gefahr, dass sich die wirt-schaftliche Situation Älterer in den nächsten Jahren verschlechtert. Die Ankündigung der Bundesregierung, dass in den nächsten Jahren deutliche Rentenanpassungen nicht zu erwarten sind, ist dabei nur ein Faktor. Eine zunehmende Bedeutung dürfte zudem die Tatsache erlangen, dass durch den Bevölkerungsrückgang gerade in der Fläche die Mieten und damit für Hauseigentümer die Einnahmemöglichkeiten sinken. Der demographische Wandel wird auch auf die Immobilienpreise durchschlagen und damit den Verkauf von Eigentum erschweren.

Weitere Aspekte sind das zunehmende Auseinanderfallen von Familien und die Singularisierung der Gesellschaft. Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland beobachtet, dass manche Ältere bei der Bewirtschaftung ihrer Häuser überfordert sind. In den Häusern dieser Gemeinde wie auch in an-deren Teilen des Kreisgebiets besteht bei vielen Immobilien in Privatbesitz erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Wenn mittelfristig die Einkommen Älterer zurückgehen, steigen tendenziell die Ausgaben der Sozialhilfeträger.

Deutlich wird also, dass die erwarteten Impulse, die die Seniorenwirt-schaft für die Regionalentwicklung auslöst, relativiert und in Anbetracht der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme vieler SeniorInnen bewertet werden müssen.

Seniorenarbeit wird in vielfältigen gesellschaftlichen Bereichen geleistet: von Wohlfahrtsverbänden oder Gewerkschaften bis hin zum Kleingarten-verein und Ehemaligentreffen von Unternehmen. Im Folgenden wird ein Überblick mit Schwerpunkt auf die kommunalen Aktivitäten gegeben.

Kreisangehörige Städte und Gemeinden

Im Rahmen von Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 gaben für die Seniorenarbeit sechs der elf kreisangehörigen Kommunen klare Zustän-digkeiten in Fachämtern bzw. Fachbereichen an. In Friedland und Gleichen liegt die Zuständigkeit bei der Gleichstellungsbeauftragten, in Adelebsen, Staufenberg und Rosdorf beim Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin. Mit Ausnahme der Stadt Hann. Münden halten alle Verwaltungsspitzen Seniorenfragen für ein Querschnittsthema.

Die spezifisch auf SeniorInnen zugeschnittenen Angebote der Stadt- und Gemeindeverwaltungen im Landkreis Göttingen – mit Ausnahme der Stadt Göttingen – orientieren sich eher am klassischen Altersbild. Wenngleich Veranstaltungen wie Kaffeenachmittage wichtige Foren der Begegnung und des Austauschs von SeniorInnen sind und für die Veranstalter häufig viel Aufwand und Mühe bedeuten, zeugen sie weder von besonderer Kreativität noch berücksichtigen sie, dass viele SeniorInnen über diese Veranstaltungen hinaus vielfältige Interessen haben, von denen zumindest einige auch von den Kommunen aufgegriffen werden könnten.

senIorenarbeIt

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Bereits im Oktober 1993 hat die Gemeinde Rosdorf damit begonnen, das Konzept des Erzählcafés als Zeitzeugenprojekt und Mehrgenerationendi-alog umzusetzen. Jeden letzten Freitag im Monat findet dort ein Mehrge-nerationendialog mit den vielfältigsten Themen statt. Das Erzählcafé hat auch das Rosdorfer Kochbuch herausgegeben und zeichnet verantwortlich für diverse andere Bildungsveranstaltungen. Das Erzählcafé ist Mitglied im lokalen Bündnis für Familie. Außerdem hat die Gemeinde Rosdorf ein Internetcafé eingerichtet, das auf die Interessen von SeniorInnen ausge-richtet ist. Jeder Ortsrat veranstaltet einmal jährlich eine Seniorenausfahrt und eine Seniorenweihnachtsfeier. Monatliche Kaffeenachmittage finden in fast allen Ortschaften statt. SeniorInnen treffen sich auf privater Basis sowie in Vereinen und Verbänden, in Kirchen und Gewerkschaften sowie in vielfältigen anderen Zusammenhängen wie etwa den Freiwilligen Feu-erwehren.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass es immer schwieriger wird, bestehende Angebote aufrechtzuerhalten. Es fehlt vielfach noch immer an der Bereit-schaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit. Viele ehrenamtlich tätige SeniorInnen werden in immer neue Arbeitszusammenhänge eingebunden und sind damit vielfach überfordert.

Spezielle, von den Kommunen unterstützte Netzwerke für SeniorInnen sind eher die Ausnahme. In Bovenden gehört dazu die erweiterte Nach-barschaftshilfe der AWO.

Ende September 2006 fand die „Seniorenmesse Bovenden“ statt – eine Premiere für den Flecken. Genutzt wurde die Veranstaltung von 30 Dienstleistern und Organisationen aus den Bereichen Reisen, Finanzen, Gesundheit, Vorsorge, Sport, Sicherheit, Betreuung, Versorgung, Be-ruf und Freizeit. Zielsetzung war es, über das traditionelle kommunale Angebot „gemeinsames Kaffeetrinken“ hinaus die unterschiedlichen Ansprüche und Bedürfnisse von SeniorInnen darzustellen. In der neuen Kommunalwahlperiode ab dem 1. November 2006 sollen die wichtigsten der im Bürgerhaus vermittelten Impulse aufgegriffen und die Arbeit des Seniorenbeirats erweitert werden. Bei den Referaten ging es z. B. um strukturelle Änderungen in der Altersvorsorge, gesunde Ernährung im Alter, Prävention und Rehabilitation am Wohnort, Erhaltung von Gesund-heit und Aktivität, Wohnformen im Alter und besondere medizinische Dienstleistungen für Diabetiker.

In Dransfeld wird die Initiative „Atempause“ unterstützt, in der Betreiber von Pflegediensten und Mitglieder des Seniorenbeirats sowie Einzelper-sonen mit dem Ziel kooperieren, niedrigschwellige Betreuungsangebote anzubieten. Konkrete Planungen: LaienhelferInnen besuchen SeniorInnen, gehen mit ihnen spazieren, lesen ihnen etwas vor, klönen mit ihnen, hören gemeinsam Musik oder singen und basteln. Eine Fördergruppe soll sich künftig zweimal im Monat treffen und SeniorInnen einladen, gemeinsam kreativ zu werden. Ein Kreis von Helfern soll in einem 40-stündigen Lehr-gang auf diese Arbeit vorbereitet werden. Die Initiative „Atempause“ ist eingebunden in das Projekt „Niedrigschwellige Betreuungsangebote“, wie es bereits von der Sozialstation Göttingen-Ost als Modellvorhaben von der Landesregierung zusammen mit den Pflegekassen gefördert wird.

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In Friedland wurde der Biete-Hole-Austausch eingerichtet. Angelegt wurde eine Kartei, in der Hilfsangebote wie etwa Einkaufshilfe und Gartenarbeit mit der entsprechenden Nachfrage zusammengeführt wird. In Radolfshau-sen wird derzeit versucht, die Initiativen in einzelnen Mitgliedsgemeinden zur Organisation von Reisen für SeniorInnen aufeinander abzustimmen. Als besonders wichtiges Netzwerk innerhalb des Landkreises gilt die Nachbarschaftshilfe Friedland-Rosdorf.

Adelebsen setzt z. B. im Rahmen des Bündnisses für Familie auf interge-nerative Zusammenarbeit. Begonnen wurden Initiativen wie Erzählcafé und regelmäßige Frühstückstreffen. Die Vorträge, zu denen eingeladen wird, sind meist generationenübergreifend ausgerichtet und behandeln vorwiegend medizinische Themen wie etwa die Gesundheitsprophylaxe. Von Oktober bis Dezember 2005 fand in Adelebsen einmal wöchentlich ein Kurs des Gleichstellungsbüros für Frauen mit einem kombinierten Bewegungs- und Ernährungsangebot sowie der Anleitung für Entspan-nungsübungen statt. Wiederholungen sind für Oktober 2006 geplant. Vorgesehen ist ein Kurs zum Thema Wechseljahre. In Zusammenarbeit mit den Landfrauen sollen spezielle Angebote für Seniorinnen wie Vorträge, Führungen, Lesungen, Musik und Ausflüge gestaltet werden. Aufgebaut werden Netzwerke zwischen dem Adelebser Bündnis für Familie und bestehenden Senioren- und Seniorinnengruppen. Zentrales Angebot der Stadt Hann. Münden ist die Seniorenbegegnungsstätte, die die Arbei-terwohlfahrt mit Unterstützung der Stadt am Tanzwerder betreibt. Die Samtgemeinde Radolfshausen vergibt – mit den Einwohnerzahlen als Schlüssel – Mittel an die Seniorenarbeit der Mitgliedsgemeinden.

Ergänzt werden die Angebote der Kommunen im Landkreis Göttingen durch die Arbeit von Seniorenbeiräten, -beauftragten und -obleuten. Sie erschöpft sich allerdings in den meisten Kommunen in der Vorbereitung von Weihnachts- und Adventsfeiern, Kaffeenachmittagen und Ausflügen. Beispielsweise in Gieboldehausen kümmern sich die Seniorenobleute der Mitgliedsgemeinden um Fachvorträge, z. B. zur Abfassung von Testamen-ten. Außerdem erfolgen Besichtigungen von Altenheimen.

Gesamteindruck: Die Organisation von Veranstaltungen bezieht sich meist auf Gemeinde- bzw. Ortsteilebene. In manchen Fällen ist es schwierig, für Veranstaltungen und gemeinsame Reisen ausreichend Teilnehmer zu fin-den. In der Gemeinde Rosdorf nehmen Mitglieder der Seniorenvertretung an allen Fachausschusssitzungen mit beratender Stimme teil. Informati-onsveranstaltungen zur Patientenverfügung wurden bereits vor längerer Zeit, einmal auch in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten, durchgeführt und stießen auf breite Resonanz.

Landkreis Göttingen

Mit Beschlussfassung vom 10. Mai 2006 hat der Kreistag die Kreisver-waltung aufgefordert, eine Publikation herauszugeben, die neben der allgemeinen Präsentation vorhandener Einrichtungen auch Ideen für bür-gerschaftliches Engagement und aktive Freizeitgestaltung beinhaltet. Nach einem Kreistagsbeschluss vom 19. Juli 2006 will der Landkreis Göttingen einen runden Tisch “Senioren“ einrichten.

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Nach Angaben der Kreisverwaltung ist der demographische Wandel für den Landkreis Göttingen ein wichtiges Thema. Zwar liegt bislang kein Gesamtkonzept vor, doch fördert der Landkreis im Rahmen konkreter Aufgabenstellungen die Anpassungsfähigkeit gesellschaftlicher Einrich-tungen. So werden zwei Honorarkräfte mit jeweils 500 Euro monatlich für die Gestaltung der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe Friedland-Rosdorf finanziert. Die offizielle Zuständigkeit für Seniorenfragen liegt im Sozial-amt, als Querschnittsthema der Kreisverwaltung nimmt das Sozialamt die Seniorenwirtschaft jedoch nicht wahr. Ein Seniorenbeirat wurde auf der Ebene des Landkreises wegen der erforderlichen Basisnähe der Städte und Gemeinden nicht eingerichtet.

Der derzeitige Altenhilfeplan des Landkreises Göttingen stammt aus dem Jahr 1984. Altenhilfe ist ein klassisches Aufgabenfeld der Landkreise und der kreisfreien Städte. Sie fasst gesetzliche Maßnahmen und Initiativen zur Förderung und Unterstützung alter Menschen zusammen. Das kann in In-stitutionen oder in offener Weise geschehen. Offen meint dabei nicht allein die räumliche Anlage, sondern den hohen Grad an Unverbindlichkeit für die Klientinnen und Klienten. So ist beispielsweise ein Altenheim “Einrichtung der Altenhilfe”, unabhängig davon, ob eine gemeinnützige Organisation die Alten- und Pflegeheime unterhält oder ein Gewerbebetrieb, beide sind “Träger der Altenhilfe”. Auch ambulante Dienste sind “Einrichtungen der Altenhilfe”. Sozialstationen sind Häuser, die betreuungsbedürftigen Menschen Alten- und Krankenpflege in der jeweils eigenen Wohnung gegen Entgelt zukommen lassen. Mitarbeit dort ist Teil der professionellen Pflege. Außerdem wird unter Altenhilfe auch eine Form der Sozialbetreu-ung verstanden, losgelöst von pflegerischen oder hauswirtschaftlichen Betreuungsformen, die z. B. von der Caritas und der Diakonie, also im Rahmen der Kirchengemeinden, angeboten werden.

Im Vorwort der erwähnten Ausgabe heißt es, es sei nicht darum gegangen, ein „hochwissenschaftliches, statistisches Werk“ oder ein „soziales Tele-fonbuch“ vorzulegen. Vielmehr wünschte man sich „einen transparenten Plan, mit dem gearbeitet werden könnte“ und der „sich als eine Hilfe für die Beteiligten erweisen“ würde.�� Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt, wie vielfältig das Thema SeniorInnen im Landkreis Göttingen be-arbeitet wurde: Die vielfältigen Angebote, Dienste und Einrichtungen wurden untersucht und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe “Altenhilfe-planung“ vorgelegt. Diese Arbeitsgruppe erarbeitete auf der Basis der Bestandsaufnahme Maßnahmen, die der Ausweitung, Verbesserung und bedürfnisorientierten Weiterentwicklung der Altenhilfe dienen sollten. In nahezu allen untersuchten Bereichen der Altenhilfe sind die angestrebten Veränderungen insbesondere qualitativer Art. Im Vorwort heißt es außer-dem: „Die projektorientierten Maßnahmen bedürfen fortlaufender Über-prüfung und Weiterentwicklung.“ Und: „Bei aller Lust zum Handeln, die – hoffentlich – aus dieser Planungsarbeit entsteht, sind alle aufgefordert, eigene Vorstellungen vom Altern zu überdenken und Selbstbestimmung, Partizipation und Ganzheitlichkeit des alten Menschen zur Grundlage und Richtschnur des Handelns zu machen.“

18 Vorwort aus der Altenhilfeplanung, August 1985

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Die Ende Mai 2006 gestartete Landesinitiative für generationengerechte Produkte und Dienstleistungen ist in der Kreisverwaltung zwar zur Kennt-nis genommen worden, eine ausführliche inhaltliche Befassung mit den Leitlinien des Landes ist bis Juli 2006 noch nicht erfolgt. Die meisten Senio-rInnen verfügen im Landkreis nach Einschätzung der Kreisverwaltung über gute Kenntnisse über die Verfügbarkeit von Pflegediensten. Weniger gut sind die Kenntnisse zu den unterschiedlichen Wohnformen. Offensichtlich sehen die Pflegedienste eine Information älterer Kreisbewohner zu diesem Thema nicht gerade als Schwerpunkt an. Mitarbeiter der Kreisverwaltung halten zuweilen Vorträge zu seniorenrelevanten Fragen – wie z. B. im März 2006 zur Frage der Pflegebedürftigkeit vor den Landfrauen in Northeim.

Stadt Göttingen

Der demographische Wandel hat spezifische Auswirkungen auf Göttingen als Universitätsstadt und Oberzentrum. Die Stadt, deren Verwaltung über eine eigene Seniorenberatungsstelle verfügt, geht von einer Stagnation der Bevölkerungszahl für die nächsten 15 Jahre aus. Bei der Einrichtung ihres Seniorenbeirates hat die Stadt Anfang der 90er-Jahre Neuland betreten und war auch für andere Gemeinden im Landkreis Göttingen wegweisend. Zwar werden die Seniorenbeiräte in der NGO nicht erwähnt, dennoch hat sich dieses Gremium in Göttingen nach Einschätzung der Stadt�� etabliert. Der Seniorenbeirat ist ehrenamtlich und unabhängig tätig. Er ist vertreten in Gremien wie Bauausschuss, Jugendhilfeausschuss, Sozialausschuss, Kulturausschuss und dem Unterausschuss Grone. In den Ausschüssen haben die SeniorenvertreterInnen Antragsrecht. Auch im Unterausschuss “die Soziale Stadt in Grone“ arbeiten SeniorenvertreterInnen.

Als zentrale Veranstaltung richtet die Stadt den “Tag der Göttinger Se-nioren“ aus. Die Veranstaltung hatte in den vergangenen Jahren (1996, 1999, 2001, 2004) drei Säulen:

Informationsstände verschiedener Göttinger Organisationen, Vereine, Verbände, insbesondere aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege. Zu den Themenbereichen der Veranstaltung gehörten unter anderem Beratung, Wohnen, Pflege, Freizeitgestaltung. Einem Unterhaltungsprogramm mit Café im Großen Saal folgte ein politisches Forum, moderiert vom Senio-renbeirat als politisches Vertretungsgremium der älteren Bevölkerung in Göttingen.

Im Juli 2006 legte die Stadt Göttingen die dritte aktualisierte Auflage des Seniorenwegweisers vor. Wichtigste Kapitel: Beratung und Information, Pflege und Entlastung, Wohnen und Freizeit. Die Stadt Göttingen stellt darüber hinaus kostenlose Broschüren zu Themen wie Vorsorgevollmacht, Betreuungsrecht, Patientenverfügung, Erben und Vererben, Pflegeversi-cherung, Pflege zu Hause und Sozialhilfe und Grundsicherung zur Verfü-gung. Darüber hinaus existieren u. a, ein Wegweiser “Jugend, Gesundheit und Soziales in Stadt und Landkreis Göttingen“ und eine Broschüre des Göttinger Tageblatts unter dem Titel „Leben im Alter in Göttingen und in Südniedersachsen“.

19 Gespräch mit der Sozialdezernentin Dr. Dagmar-Schlapeit-Beck am 23. Mai 2006

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Die Verwaltung moderiert eine Vielzahl von Netzwerken und begleitet sie. Eine wichtige Aufgabe sieht sie auch im Bereich Qualitätsentwicklung. Nach Schätzungen der Stadtverwaltung leben 55 Prozent der BürgerInnen allein. Viele davon sind nicht mehr berufstätig – nicht wenige leiden unter Vereinsamung. Das Interesse an Bürgerforen in Anlehnung an die Alten-begegnungsstätten werde in den letzten Jahren stärker. Um der Isolation der älteren Generation entgegenzuwirken, wurde im Stadtteil Grone mit Unterstützung des Landes ein Nachbarschaftszentrum/Mehrgenerationen-haus gebaut. Die Stadtverwaltung hat nach eigenen Angaben einen guten Überblick über die Angebote, die es für SeniorInnen im Stadtgebiet gibt. Außer einer Wohnberatungsstelle gibt es nach ihrer Darstellung kaum etwas, was die Stadt Göttingen nicht vorweisen kann.

Auch mit planerischen Mitteln will die Stadt auf die demographische Ent-wicklung frühzeitig reagieren. Geschaffen werden sollten Wohnangebote für ältere Menschen, die über die bisherigen Angebote hinausgehen. So wird das Baugebiet “Dawe“ in Grone als generationsübergreifendes Bau-gebiet (Familien und ältere Menschen) mit besonderen Angeboten im Ein-zelhausbereich und in der Gestaltung der öffentlichen Flächen entwickelt. Damit wird deutlich, dass SeniorInnen ein besonderes “Marktsegment“ für den Immobilienmarkt sind.

Der Bereich der Göttinger Innenstadt bzw. der City-nahe Bereich soll mit seiner Vielzahl und Vielschichtigkeit an Angeboten als bevorzugter Wohn-standort für ältere Menschen ausgebaut werden. Bei Stadtumbauprogram-men und bei der Sanierung von Wohngebäuden will die Stadtverwaltung auf die Interessen dieser Bevölkerungsgruppe besonders achten. Dazu gehören Vielfalt und Lebendigkeit, aber auch maßgeschneiderte Angebote (z. B. Mehrgenerationenhaus in Grone). Teilhabe- und Beteiligungsange-bote sollen deshalb gefördert werden.

Entwickelt werden sollen auch abgestimmte Kultur, Sport- und Freizeit-angebote mit entsprechender Erreichbarkeit durch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Ältere Menschen haben gesundheitliche Bedürfnisse, sowohl in der täglichen Verpflegung wie auch im medizi-nischen Bereich. Hierauf kann sich das Angebot der öffentlichen und pri-vaten Dienstleistung einrichten. Ziel ist die Sicherung der Nahversorgung im fußläufig erreichbaren Wohnumfeld. Im Rahmen der städtebaulichen Planung (z. B. städtebauliches Leitbild) und bei der Planung der Stadtinfra-struktur wird der Gender-Aspekt (hier definiert auf Seniorinnen) besonders berücksichtigt. Ziel ist die Gestaltung eines Wohn- und Lebensumfelds, das die Bedürfnisse älterer Menschen im Blick hat.

Die Parteien versuchen seit vielen Jahren, die staatliche und die kommu-nale Seniorenarbeit voranzubringen. Die großen Volksparteien und die FDP haben Arbeitsgemeinschaften gebildet, die die Interessen von SeniorInnen parteiintern und innerhalb der Gesellschaft vertreten.

Die Senioren-Union der CDU ist tätig im Rahmen des CDU-Kreisverbandes Göttingen. Sie will im Sinne der Ziele der CDU an der politischen Meinungs- und Willensbildung mitwirken. Zentrales Anliegen ist die Förderung des

Interessenver-tretung In Den parteIen

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Miteinanders der Generationen. Deshalb befasst sich die Senioren-Union der CDU mit Themen wie Nachbarschaftshilfe, Ausbau von Mehrgenera-tionenhäusern, Förderung von Seniorenwohnungen und Einrichtung von Seniorenvertretungen. Erkenntnis: Noch nie seien die Älteren so gesund, so gut ausgebildet und so kompetent gewesen. Deshalb sei es durchaus sinnvoll, dass ein geeigneter 70-Jähriger im Rahmen der Ganztagsbetreu-ung Kindern bei den Schularbeiten hilft.�0

Die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus ist tätig auf der Ebene des Unterbe-zirks Göttingen. Ihr gehören alle SPD-Mitglieder ab dem 60. Lebensjahr an – das sind ca. 250.000 bundesweit. Die AG SPD 60plus ist eigenständig. Sie hat einen eigenen organisatorischen Aufbau und sie fasst Beschlüsse. 60plus-Gliederungen gibt es auf allen Ebenen der SPD: im Ortsverein, im Unterbezirk bzw. Kreisverband, im Bezirk, auf Landesebene und schließlich auf Bundesebene. Die AG SPD 60plus hat das Antrags- und Rederecht für den Parteitag auf der jeweiligen Ebene.��

In Göttingen sind außerdem die GRAUEN als Interessenvertretung der über 60-Jährigen aktiv. Die Grauen treten dafür ein, dass die Interessen-vertretung für SeniorInnen auf deren Konsuminteressen und -bedürfnisse ausgedehnt werden. Das gelte auch gegenüber den Herstellern von Produkten und Dienstleistungen. Die Grauen verstehen sich als Generati-onenpartei. Ihr Motto ist „Jung und Alt gemeinsam“. Die Partei hat deutlich weniger Mitglieder als die Senioren-Union oder die Arbeitsgemeinschaft SPD 60plus. Stark vertreten sind Frauen über 60.

Seit dem 22. September 2001 verfügt auch die FDP über eine eigene Seniorenorganisation. Ziel der Arbeit des „Bundesverbands Liberale Se-nioren“ ist es, durch Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse in Politik und Gesellschaft die Interessen älterer Menschen wahrzunehmen, den gesellschaftlichen Stellenwert der älteren Generation hervorzuheben so-wie das Generationenverständnis zu fördern. Dies soll im Geiste liberaler europäischer Tradition durch die Zusammenarbeit sowie den Gedanken- und Erfahrungsaustausch mit anderen Seniorenvereinigungen erfolgen. Die Liberale Senioren, die in Göttingen über eine Vertretung verfügen, wollen dazu beitragen, dass Bürger für ehrenamtliche Tätigkeiten für die Beratung älterer Menschen gewonnen werden können. Außerdem fördern sie die Zusammenarbeit mit Jugendorganisationen zur Stärkung eines gegenseitigen Generationsverständnisses, die Planung und Durchführung von Veranstaltungen.

Der Senioren-Schutz-Bund SSB „Graue Panther e. V.“ wurde 1975 ge-gründet. Seit 1996 sind die Vereine in den Städten und Gemeinden selbstständig und arbeiten in Eigenverantwortung. Sie sind Mitglied im Bundesdachverband und ihre Mitglieder können die Angebote des Ge-nerationenverbundes Graue Panther nutzen (z. B. Fortbildungen). Auch in Göttingen bestand bis 1996 eine Gruppe engagierter SeniorInnen, die 2001 einen eigenständigen und förderungswürdigen Verein Senioren-Schutz-Bund Graue Panther Südniedersachsen (SSB) gegründet haben, die Anzahl der aktiven Mitglieder liegt bei 17. Der Verein soll dem Schutz alter

20 http://www.seniorenunion.cdu.de/21 http://www.ag60plus.de/servlet/PB/menu/1107821/index.html

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und behinderter Menschen dienen (ab 60 Lebensjahre) und bezweckt die Durchsetzung einer individuellen Lebensgestaltung in Selbstbestimmung – insbesondere auch beim Betreuungsrecht. Dieses Ziel bezieht sich auf alle älteren BürgerInnen einschließlich der Bewohner von Altenheimen und Alteneinrichtungen sowie auf Langzeitpatienten. Dazu gehört die Durchsetzung, Ausgestaltung und Absicherung einer neuen Alterswürde in Gesundheit und Lebensqualität nach den neuesten Erkenntnissen der Geriatrie und einer besonderen Altenpflege im Bund der Generationen – bis zum würdigen Sterben. Der Verein setzt sich u. a. für nachfolgende Ziele ein: Einrichtung von Beratungsstätten gegen Hilflosigkeit und Ver-zweiflung, Einsatz für selbstbestimmte, familienähnliche und wohnliche Strukturen in Alten- und Pflegeheimen sowie Psychiatrie, Auflösung men-schenunwürdiger Anstalten, Schutz vor Schufa-Willkür; Einrichtung und Führung von Begegnungsstätten Alt–Jung und Einsatz für neue Lebens- und Wohnformen (besonders im Generationenverbund).

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO e. V.) tritt als Interessenvertretung der älteren Generationen vor allem dafür ein, dass jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben im Alter möglich ist und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Alten Menschen soll ermöglicht werden, sich aktiv am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, und dies soll sich auch im öffentlichen Meinungsbild widerspiegeln. Unter dem Dach der BAGSO arbeiteten im Juli 2006 92 Verbände, Organisationen und Initiativen der freien Altenarbeit zusam-men. Über ihre Mitglieder vertritt die BAGSO nach eigenen Angaben mehr als zwölf Millionen ältere Menschen in Deutschland. Grundthese: Die vielschichtigen Interessen der älteren Generationen können von den einzelnen Mitgliedsorganisationen oft nur in spezifischen, sie betreffenden Teilgebieten aufgegriffen werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft ver-steht sich daher als Forum verschiedener Ansätze der Arbeit mit älteren Menschen. Sie macht die gemeinsamen Anliegen in der Öffentlichkeit bekannt und vertritt sie gegenüber den politisch Verantwortlichen, um so in der Altenarbeit und Altenpolitik auf allen Ebenen beratend und ver-bessernd zu wirken.

Im Abstand von jeweils drei Jahren richtet die BAGSO den Deutschen Seniorentag aus: Am 29. Mai 2006 fand der 8. Deutsche Seniorentag unter dem Motto „Alter als Chance“ in Bonn statt. Der Seniorentag 2003 stand in Hannover unter dem Motto „Senioren – Aktiv in Europa“. Bereits im 14. Jahrgang erscheinen vierteljährlich BAGSO-Nachrichten, eine Fachzeitschrift für Aktive in Seniorenarbeit und Seniorenpolitik. Jede Ausgabe behandelt ein aktuelles Leitthema wie etwa „Wohn(t)räume“, „Hören und Sehen“, „Lernen mal anders“ oder „Internet macht‘s möglich“. Darüber hinaus gibt die BAGSO Faltblätter, Informationsbroschüren und Publikationen heraus.

Die BAGSO hat Fachkommissionen und Arbeitsgruppen gegründet, die verbandsübergreifend zusammengesetzt sind, so dass jede Thematik von Vertreter/-innen aus den Organisationen behandelt wird, die in diesem Bereich ihren Arbeitsschwerpunkt haben. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden für Positionspapiere und Rundschreiben genutzt.

bunDesarbeItsge-meInscHaft Der senIorenorganIsa-tIonen (bagso)

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Die Fachkommission “Pflege“ war bei Einführung und Umsetzung der Pflegeversicherung beratend tätig. Sie hat das BAGSO-Positionspapier „Qualität der Pflege in stationären Einrichtungen“ entworfen und die Ini-tiative zur Entwicklung des BAGSO-Qualitätssiegels „Seniorengerechtes Leben und Wohnen“ ergriffen. Darüber hinaus hat sie Stellungnahmen zum Pflegekräftebedarf in der ambulanten und stationären Altenpflege, zur Einführung von Fallkostenpauschalen (DRGs), zur Zukunft der Pflege-versicherung und zum Vorschlag der Rürup-Kommission zur Reform der Pflegeversicherung erarbeitet. Fachgruppen sind zudem zu den Schwer-punkten Ehrenamt und Selbsthilfe tätig.

Das Leistungsportfolio der meisten Kommunen in Deutschland umfasst auch die Seniorenarbeit. Umfang und Ausrichtung der Dienstleistungen für und mit SeniorInnen sind aber unterschiedlich.

Besonders vielfältig ist die Seniorenarbeit in Braunschweig. Sie nimmt in Niedersachsen und darüber hinaus eine Vorreiterrolle ein. Ausdruck hierfür sind die Wiederaufnahme der Altenhilfeplanung im Jahr 2005, die Entwicklung eines Leitbildes “Braunschweig – lebenswert auch im Alter“ sowie die umfangreichen Informationen auf der städtischen Homepage.�� Außerdem haben die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Braunschweig die Möglichkeit, sich per E-Mail einen Newsletter “Seniorenbüro aktuell“ kostenfrei zuschicken zu lassen (im Einzelfall auch per Post).

An der Überarbeitung der Altenhilfeplanung in Braunschweig wird deutlich, dass sich an den klassischen Zielen der Altenarbeit nichts Wesentliches ändert, sondern die Aufgabenfelder wie z. B. im Bereich der sozialen und kulturellen Angebote für ältere Menschen ausgebaut werden. Diese Maßnahmen können dazu beitragen, dass sich in der Gesellschaft ein verändertes Bild vom Alter niederschlägt und über die klassische Senio-renarbeit auch Akteure aus der Wirtschaft eingebunden werden. Am 20. Dezember 2005 hat der Rat der Stadt Braunschweig ein Leitbild verabschie-det. Zu den Adressaten gehören neben der Gesellschaft im Ganzen und der Gesetzgeber die Träger von Angeboten und Dienstleistungen, örtliche Akteure wie Wohnungsbaugenossenschaften, die Stadt als Anbieter und als Verantwortliche für Infrastruktur, Koordination und Planung.��

Die Arbeit des Seniorenbüros hat sich in den letzten Jahren verändert. Bedingt durch Mittelkürzungen und Personaleinsparungen führt das Se-niorenbüro weniger die Veranstaltungen selber durch. Vielmehr sorgt es einerseits dafür, dass die bestehenden Projekte erhalten bleiben. Dazu gehört, dass ehrenamtlich tätige Menschen in ihrer Arbeit unterstützt werden, evtl. auftretende Kompetenzprobleme im jeweiligen Leitungsteam geklärt werden oder für engagierte Menschen Fortbildungen organisiert werden. Da es immer schwerer werde, die Menschen für ehrenamtliches Engagement zu motivieren, sei es wichtig, dass das Seniorenbüro eine begleitende Rolle in der Seniorenarbeit einnehme. Darüber hinaus hat es Initiativen und Ideen angeregt und ins Leben gerufen, so z. B. eine Fahrradlern-AG für ältere Mitbürger, die lange kein Fahrrad mehr gefahren

22 http://www.braunschweig.de/senioren23 http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/broschueren_14.html

ÜberregIonale beIspIele

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sind. In Zusammenarbeit mit der Polizei wurden Kurse und Stadtfahrten durchgeführt. Ein anderes Beispiel ist ein Seniorenkreis, der ehrenamtlich junge Existenzgründer berät und so die eigenen Erfahrungen weitergibt. Oftmals sei es schwierig und dauere Jahre, bis die Angebote etabliert seien. Das Seniorenbüro verfügt durch seine hauptamtlichen Mitarbeite-rInnen über den langen Atem, so dass aus Ideen auch langfristig laufende Projekte werden.

Das Veranstaltungsprogramm für Seniorenbildung wird von der Arbeits-gemeinschaft der Seniorenbildungsträger herausgegeben. Mitglieder sind verschiedene Wohlfahrtsverbände, Senioreninitiativen, Sportvereine, Mu-seen, Hochschulen und Institutionen der Erwachsenenbildung. Die Auflage liegt bei 6.000 Exemplaren. Durch das Veranstaltungsprogramm entsteht neben dem Seniorenwegweiser, der auch vom Seniorenbüro herausge-bracht wird und vor allem Beratungsangebote für Ältere Menschen bein-haltet, ein vielgestaltiges Bild an Aktivitäten für und von SeniorInnen.

Das Seniorenbüro der Stadt Braunschweig, in dem derzeit 14 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten, gibt in Zusammenarbeit mit der Arbeitsge-meinschaft der Senioren-Bildungsträger halbjährlich ein Veranstaltungs-programm „Seniorenbildung auf einen Blick“ heraus. Auch diese Auflage liegt bei 6.000 Exemplaren. In Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände veranstaltet das Seniorenbüro jährlich einen „Tag der Senioren“. Im Jahr 2006 fand die Veranstaltung am 21. Juli mit 54 Marktständen in der Innenstadt statt. Gezeigt werden soll, dass Se-niorInnen fest im gesellschaftlichen Leben eingebunden sind. Beteiligt waren 2006 die Verkehrswacht Braunschweig, Wohnungsgesellschaften, Wohnstifte und Altenheime, Seniorenorganisationen der Parteien und Reisebüros. Die Braunschweiger Zeitung veröffentlichte am 19. Juli 2006 eine Senioren-Kontaktbörse.��

Im Sommer 2005 hat die aus fünf Ortsteilen mit 11.000 Einwohnern bestehende Gemeinde Schauenburg (Kreis Kassel) den Fachbereich Sozialwesen der Universität Kassel mit der Bearbeitung der Studie „Älter werden in Schauenburg“ beauftragt. In Schauenburg ist jeder Fünfte älter als 50 Jahre, jeder Vierte ist älter als 60 Jahre. Zehn Prozent der Einwohner sind über 80 Jahre. Die Gemeinde lässt erforschen, wie sie den demographischen Wandel aktiv gestalten kann. Neu ist der Ansatz, bereits Menschen ab 40 Jahre in die Planungen mit einzubeziehen. Die Gemeindeverwaltung hat festgestellt, dass insbesondere die Bevölkerung in den früheren Neubaugebieten stark altert. Außerdem ist das beste-hende ÖPNV-Angebot in Gefahr. Der Fachbereich Sozialwesen hat im Spätsommer 460 Einwohner befragt und darüber hinaus Gesprächskreise in einigen Ortsteilen durchgeführt. Außer “vielen Fragezeichen“ ergaben die Interviews Visionen, die für die Wissenschaftler verblüffend waren: So bekundeten einige Einwohner Interesse an Alten-WGs – erstaunlicherweise gehören dazu auch alteingesessene Dorfbewohner. Aktuelle Zielsetzung ist, dass aus den Befragungen sowie aus den Gesprächskreisen konkrete Projekte entwickelt werden und die Moderation Schritt für Schritt an die Verantwortlichen der Gemeinden zurückgegeben wird.

24 Überschrift: „Marathon nicht mehr. Aber ist das ein Grund auf der Couch zu versauern? Sie sucht lockeren Herrn ab siebzig mit Humor.“

SeniorInnen in der Gesellschaft

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Der Regionalverbund K.E.R.N. e. V. vertritt die Städte Kiel, Eckernförde, Rendsburg, Neumünster sowie den Kreis Rendsburg-Eckernförde. Der Regionalverbund wurde – ebenso wie der Regionalverband Südniedersach-sen – Ende 2003 in einem bundesweiten Wettbewerb vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung als eine Modellregion zur Bewältigung des demographischen Wandels ausgewählt. Im Rahmen des bis Ende 2005 laufenden MoRo sollten Strategien und Projekte entwickelt werden, um die Region auf den bevorstehenden demographischen Wandel einzu-stellen und die Bedürfnisse einer zukünftig älteren Gesellschaft auch als wirtschaftliche Chance für die Region zu begreifen. Die Region will sich mit dem Leitbild „Lebensqualität ein Leben lang“ profilieren.

Dabei geht es um eine ausgewogene Entwicklung für alle Altersgruppen. Wirtschaft und Infrastruktur lassen sich aus Sicht des Regionalverbunds nur dann umbauen, wenn für jüngere Menschen Arbeitsplätze und das Lebensumfeld attraktiv sind. Um die Wachstumschancen des demogra-phischen Wandels zu nutzen, wurden gemeinsam mit Industrie, Handel, Handwerk, Dienstleistern und Kommunen Ideen entwickelt und Strate-gien erarbeitet. K.E.R.N. hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der Verbände und Unternehmen aus Wohnungswirtschaft, Tourismus, Gesundheitswirtschaft, Verkehrsbetriebe, Regionalplanung sowie die Volkshochschule des Kreises Plön vertreten sind.

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5 InItIatIvenfürsenIorInnen

Zitate wie die Folgenden aus den Gesprächsrunden werfen Schlaglichter auf die unterschiedlichen Themen, die SeniorInnen beschäftigen. Auf kom-munaler sowie auf Landes- und auf Bundesebene versuchen Regierungen und Parlamente, diese Themen für SeniorInnen aufzugreifen.

„Wer pensioniert wird, verkriecht sich zu Hause. Die Vereinsamung ist ein riesiges Problem. Es ist schwierig, mit anderen in Kontakt zu kommen. In bestehende Zirkel kommt man kaum rein.“ (Rosdorf)

„Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brauche aber unbedingt Gesellschaft. Sich um Gesellschaft zu kümmern ist aber mühsam.“ (Göttingen)

„In Mielenhausen haben wir 1975 unser Gemeinschaftshaus gekriegt. Wir haben damals vereinbart, dort nicht über Politik und Krankheiten zu reden. Es ist dann eine sehr schöne Gruppe zusammengewachsen, inzwischen sind aber viele von denen verstorben. Wir haben Alten-Nachmittage veranstaltet und es aber nicht geschafft, für die Gruppe Nachwuchs zu kriegen. Jetzt haben wir uns entschlossen, von Bür-gerbegegnung anstatt von Altennachmittagen zu sprechen.“ (Hann. Münden)

„Man sollte einen Austausch Jung und Alt organisieren. Einigen fehlt die Oma, die auf die Kinder aufpassen kann. Den Älteren fehlt die Hilfe beim Einkaufen oder bei Reparaturen in der Wohnung.“ (Göttingen)

„Ich wohne mit meinem Mann in einer Doppelhaushälfte, dennoch habe ich wenig Kontakt zu meinen Nachbarn. Im Winter sieht man sich manchmal wochenlang gar nicht.“ (Rosdorf)

„Ich brauche Gesellschaft. Die kriege ich aber nur mit viel Mühe. Häufig lade ich Leute ein, die laden mich aber nicht wieder ein.“ (Göttingen)

Anfang Juli 2006 haben z. B. neun Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD, FDP und den Grünen fraktionsübergreifend vorgeschlagen, die Generati-onengerechtigkeit als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Damit soll verhindert werden, dass politische Entscheidungen gefällt werden, die den jungen oder noch nicht geborenen Generationen Handlungsspielräu-me verbauen. Die Schuldenaufnahme der öffentlichen Hand soll damit begrenzt werden. Da Lasten und Probleme gerecht verteilt werden sollen, sollen sich Rentnerinnen und Rentner durch Nullrunden an der Lösung von Finanzproblemen beteiligen. Im Gegenzug sollen für die Jungen die Beiträge steigen und die private Vorsorge an Bedeutung gewinnen.

„Zukunftschancen durch Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebens-qualität im Alter“ – so lautet der Titel einer Projektinitiative, mit der das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Chancen und Potenziale des Alters betonen und zu einem modernen Altersbild bei-tragen will. Produkte, Güter und Dienstleistungen des täglichen Lebens sollen stärker auf die Bedürfnisse und Wünsche der älteren Menschen abgestimmt werden. Zugleich soll die Wirtschaft einen Schub erhalten,

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denn in der älteren Generation steckt – auch ökonomisch – enormes Potenzial. Rund 300 Milliarden Euro jährlich beträgt das Konsumbudget der Menschen über 60 Jahre.��

Um die politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten älterer Menschen zu beleuchten und zu fördern, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den 5. Altenbericht der Bundesregierung unter das Thema “Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft – Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen” ge-stellt.�� Die interdisziplinär zusammengesetzte Kommission unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Kruse hat den Altenbericht am 30. August 2005 der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übergeben. Schon während der Erarbeitungsphase haben die Sachverständigen den Dialog mit relevanten gesellschaftlichen Akteuren gesucht und an Veran-staltungen mit Seniorenorganisationen sowie mit Wirtschaft, Politik und Wissenschaft mitgewirkt. Es wurden gemeinsame Fachtagungen und Workshops zu zentralen Themen des Altenberichts durchgeführt; daneben gab es Konsultationen mit den Kirchen. Damit hat die Kommission bereits in der Erarbeitungsphase einen Beitrag zur Neubestimmung der Politik für ältere Menschen im gesellschaftlichen Diskurs geleistet.

Die Handlungsempfehlungen der Kommission befassen sich mit den Schwerpunktthemen Erwerbsarbeit, Bildung, Einkommenslage im Alter, Chancen der Seniorenwirtschaft, Familie und private Netzwerke, Engage-ment und Teilhabe älterer Menschen und ältere MigrantInnen. Diskutiert wurden Fragen wie diese:

Was kann getan werden, um das in unserer Gesellschaft zurzeit vor-herrschende, eher negativ akzentuierte Altersbild zu beeinflussen?

Welche Stärken habe ältere Menschen und wie sind diese Stärken für neue soziale Rollen in einer sich wandelnden Gesellschaft nutzbar zu machen?

Welche Rahmenbedingungen sind nötig, um die Bereitschaft zur Nut-zung der Potenziale des Alters zu fördern?

Was bedeutet die Alterung der Gesellschaft für Konsum, Produktion und Dienstleistungssektor?

Welche Bildungsangebote für SeniorInnen müssen bereitgestellt wer-den "Lebenslanges Lernen" zu unterstützen?

Wie gelingt eine bessere Integration älterer MigrantInnen?

25 Den Auftakt von insgesamt fünf Veranstaltungen zu dieser Thematik bildete am 8. Februar 2006 der Workshop „Wohnen und Seniorenwirtschaft“ im Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen. Am 19. Mai 2006 beschäftigte sich ein Workshop in Berlin mit dem Thema Handwerk. Es folgten im Juni 2006 „Wellness-Tourismus“ und im August 2006 „Finanzdienstleistungen“, bevor eine große Abschlusstagung im Herbst 2006 die Ergebnisse zusammenfassen und vorstellen wird. 26 http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Publikationen/Publikationen,did=78114.html

altenberIcHt unD stellungnaHme

zum altenberIcHt

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Das Bundeskabinett hat sich Anfang Juli 2006 auf eine Stellungnahme zu dem Bericht verständigt. Zentrale Aussage: Ältere Menschen sind ein Aktivposten in der Gesellschaft. Die Bundesregierung sieht sich bestätigt, den eingeleiteten Wechsel hin zu einem neuen Leitbild des Alters fortzuführen. „Das Bild des Alters hat sich in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend gewandelt“, erklärte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen, anlässlich des Kabinettsbeschlusses. „Viele ältere Menschen sind körperlich und geistig fit. Sie verfügen über Fachwissen und jahrzehntelange berufliche Erfahrung. Und sie haben dank ihres Alters auch mehr Lebenserfahrung als die Jüngeren. Das sind Ressourcen, auf die wir nicht länger verzichten dürfen“, so von der Leyen.

Die demographische Entwicklung in Deutschland bewirke, dass sich die Altersstruktur der Bevölkerung deutlich verändert. Sinkende Geburtenzif-fern und ein gleichzeitiges Älterwerden der Gesellschaft führten dazu, dass der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung weiter wachse. Diese Herausforderung werde derzeit vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert. Dabei sei der Wandel der Altersstruktur auch eine Chance für die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung, so die Ankündigung der Ministerin, werde ihre An-strengungen verstärken, die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer deutlich zu verbessern. Diese Bemühungen seien im Kontext mit dem Beschluss der Bundesregierung zu sehen, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen. An diesem Beschluss halte die Bundesregierung fest. Die Altenberichtskommission vertrete in dieser Frage keine einheitliche Position: Ein Teil der Mitglieder spricht sich dagegen aus, ein anderer unterstützt die Haltung der Bundesregierung.

„Wir werden verdeutlichen, dass Kompetenz, Kreativität und persönliche Weiterentwicklung nicht mit dem Eintritt in das höhere Lebensalter enden“, so von der Leyen. Diese Überzeugung zu vermitteln geht nicht ohne die aktive Beteiligung der älteren Menschen. Ihre Einbeziehung werde maß-geblich dazu beitragen, ein positives Leitbild des Alters in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rufen. Hier setze die Idee der Mehrgenerationenhäu-ser an. Sie seien eine Antwort darauf, die Potenziale des Alters zu nutzen, denn sie böten Älteren oder Menschen, deren Angehörige weit entfernt wohnen, Möglichkeiten, Netzwerke zur Alltagsbewältigung zu knüpfen und soziale Beziehungen aufzubauen.

Inzwischen haben sich mehrere Bundesländer, Kommunen und auch Indus-trie- und Handelskammern für den Auf- und Ausbau der Seniorenwirtschaft engagiert. Das Land Nordrhein-Westfalen unterhält beim Institut Arbeit und Technik in Gelsenkirchen eine eigene Geschäftsstelle Seniorenwirt-schaft. Die Landesregierung will Impulse geben zu einer Schließung der Lücken zwischen Angebot und Nachfrage. Das erfolgt in Bereichen wie Freizeitgestaltung, Wohnen, haushaltsnahe Dienstleistungen, Tourismus, neuen Medien, Telekommunikation, im Handel und bei den Finanzdienst-leistungen. Die Geschäftsstelle veranstaltete 2005 eine erste europäische Konferenz zur Seniorenwirtschaft.

lanDesInItIatIve senIorenwIrt-scHaft In nrw

Initiativen für SeniorInnen

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Der zuständige Landesminister Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen hat im November 2005 auf der Messe vitactiv in Essen den „Innovationspreis 2005 – Technik und Dienstleistungen für das Alter“ verliehen, mit dem Sonderpreis „Wohnen und personenbezogene Dienstleistungen“. Mit ihm wurde einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt, welche neuen Produkte und Dienstleistungen es für ältere Menschen gibt. Prämiert wurden z. B. neu gestaltete Leselupen, eine praktische Einkaufs- und Handtasche oder ein elektrisch oder mechanisch verstellbares Toilettensystem.

Die vitactiv ist der größte Markt für Engagement und Ehrenamt älterer Menschen in NRW. Seniortrainerinnen und Senior-Experten, Leih-Großel-tern, Aktive aus Sportvereinen und Kirchengemeinden, SeniorenOnline, Nachbarschaftshilfe, Senioren-Beiräte, Politikerinnen und Politiker, Zei-tungsmacher und Fotografinnen, Bastler und Tüftlerinnen, Schauspieler und Kindergarten-Vorleserinnen und Geschichtenerzähler, geben Einblicke in die Vielfalt des gesellschaftlichen Engagements Älterer.

Die Angebote sollten Lust auf Bewegung vermitteln. Die Aussteller stell-ten gesundheitsorientierte Informationen dar, also Tipps für wohnortnahe Bewegungsangebote und aktivierende Mit-Mach-Aktionen. Auf der vitactiv gab es Oasen mit Anregungen für Entspannung und Gesundheitsförderung im Alltag: Stressabbau durch Atemtraining zum Beispiel, rückenfreundliche Massage, die harmonisierende Klangliege, den naturnahen Bauerngarten, die praktischen Tipps und Produkte für bekömmliche Ernährung und er-holsamen Schlaf. Bei Gesundheits-Selbsthilfegruppen haben chronisch Erkrankte und ihre Angehörigen Verständnis gefunden, Rat und eine Kontaktadresse für zu Hause.

Die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Mechthild Ross-Luttmann, hat im Mai 2006 die Leitlinien der neuen Seniorenpolitik für Niedersachsen vorgestellt. Erreicht werden soll ein breiter Dialog über die Herausforderungen, vor allem aber auch über die Chancen der Gesellschaft des langen Lebens. Hintergrund ist der Wandel in der se-niorenpolitischen Diskussion: Das neue Bild vom Alter nimmt Abschied von einseitigen Sichtweisen wie “Altenlast”, “Rentenlast”, “Pflegelast”. Gebraucht wird nach Einschätzung des Landes ein Bild vom Alter, das die Vielfältigkeit dieser Generation umfasse und deutlich mache, dass die längere Lebenszeit zunächst einmal ein großartiger Gewinn ist – für jede und jeden Einzelnen ebenso wie für die Gesellschaft insgesamt.

Das Land will deutlich machen, dass der demographische Wandel keine Katastrophe ist. Vielmehr sollen die darin liegenden Chancen erkannt und aufgegriffen werden. Zwar ist das Alter häufig mit Einschränkungen verbunden, doch war keine Altengeneration jemals zuvor so gesund und so gut ausgebildet wie die heutige. Keine Generation verfügte über ein so großes Spektrum an Kompetenzen und Interessen und war so gut fi-nanziell abgesichert. Und nicht zuletzt: Keine Altengeneration zuvor hatte eine positivere Einstellung zum eigenen Alter.

lanDesInItIatIve senIorenwIrtscHaft

nIeDersacHsen

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Handlungsbedarf besteht nach Einschätzung des Ministeriums im Hinblick auf besondere Zielgruppen wie ältere Menschen mit Behinderungen, ausländischer Herkunft und Hochbetagte. Auch in Zeiten knapper Kassen gelte es, Impulse für eine neue Seniorenpolitik zu setzen und den großen Erfahrungsschatz älterer Menschen besser für die gesamte Gesellschaft zu nutzen.

Am 24. Mai 2006 richtete das Ministerium eine Veranstaltung „Altern als Chance“ aus. Die Ankündigung ist offensichtlich nicht in allen Ge-meinden des Landkreises Göttingen angekommen. Lediglich Bovenden, Gieboldehausen, Friedland, Hann. Münden und Staufenberg haben von diesem Termin erfahren. Die dort vorgestellten „Leitlinien für eine moderne Seniorenpolitik in Niedersachsen“ wurden bis Juli 2006 in den Gemein-deverwaltungen und Gremien nicht nennenswert diskutiert. Lediglich die Gleichstellungsbeauftragte des Fleckens Adelebsen hat sich nach eigenen Aussagen mit den Leitlinien inhaltlich beschäftigt.

Die am 30. Mai 2006 in Wolfsburg gegründete „Landesinitiative für senio-rengerechte Produkte und Dienstleistungen“ zielt darauf ab, die Chancen der demographischen Entwicklung für die Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu untersuchen sowie die Realisierung der Umsatz- und Beschäfti-gungspotenziale zu fördern. Vermittelt werden soll ein differenziertes Bild des Alterns und Alters in der Gesellschaft. Die Initiative, für die zum 1. September 2006 bei der Wolfsburg AG eine mit Landesmitteln finanzierte Geschäftsstelle eingerichtet wurde, will dazu beitragen, dass Menschen über 50 mit ihren Erwartungen, Bedürfnissen und Wünschen ausreichend Beachtung finden. Berücksichtigt werden sollen die unterschiedlichen sozi-alen und regionalen Bedingungen und Bedürfnisse dieser Zielgruppen.

Verbessert werden sollen Kommunikation, Wissenstransfer und die Ver-netzung der Akteure untereinander. Die Landesinitiative will die Stärken, Angebote, Produkte und Initiativen unter Berücksichtigung des demogra-phischen Wandels identifizieren und daraus strategische Vorschläge ent-wickeln. Neue Themen sollen identifiziert, anwendungsorientierte Projekte mit verschiedenen Partnern entwickelt, organisiert und begleitet werden. Zunächst will die Initiative einen Dialog mit dem Innovationsnetzwerk Nie-dersachsen führen, um zum einen die für die Landesinitiative relevanten Innovationsprozesse in die Netzwerkknoten einfließen zu lassen und zum anderen Impulse für die Innovationsförderung zu geben.

Die Initiative beabsichtigt, Studien in Auftrag zu geben. Sie will Markta-nalysen durchführen, Trends identifizieren und Potenziale ausloten. Die Ergebnisse werden durch Newsletter, Tagungen und Seminare verbreitet. Geplant ist ein Workshop zu neuen Wohnformen, der am 29. November 2006 in Celle stattfinden soll. Mobilität für SeniorInnen ist das erste Thema, das Anfang 2007 in Wolfsburg behandelt werden soll.

Einen Schwerpunkt wird die Landesinitiative auf die Zukunftsbereiche mit hohem Beschäftigungspotenzial legen. Nach Angaben des Ministeriums�� besteht Interesse daran, die mit dem Regionalverband Südniedersachsen begonnene Kooperation zu vertiefen und zu verstetigen. Die Entwicklung

27 Gespräch am 5. Juli 2006 in Hannover

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neuer angepasster Freizeitangebote soll Niedersachsen als Region mit hoher Lebensqualität für ältere Menschen noch attraktiver machen. Die bisherigen Kompetenzen und Aktivitäten sollen besser vernetzt werden. Dabei können Dienstleistungen entwickelt werden, die für alle Regionen nutzbar sind. Die Landesinitiative setzt sich für ein zielgruppenorientiertes Marketing ein. Sie strebt Zielvereinbarungen z. B. mit Sparkassen und Kooperationen mit Verantwortlichen aus den Bereichen Tourismus und Gesundheitswirtschaft an. Die nationale und internationale Positionie-rung und Profilierung Niedersachsens zum Thema generationengerechte Produkte soll unterstützt werden. Der Beitritt des Landes Niedersachsen in das Netzwerk europäischer Seniorenwirtschaft SEN@ER soll hierzu Möglichkeiten bieten. In Gang gesetzt werden soll ein sich selbst verstär-kender nachhaltiger Prozess.

Die Landesinitiative soll als kooperatives Netzwerk in Form eines runden Tisches sowie als Koordinierungskreis der strategischen Ausrichtung mit einer kleinen operativen Geschäftsstelle arbeiten. Teilnehmer sind Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Politik, SeniorInnen und Interessenverbänden. Zu einzelnen Gestaltungsfeldern können sich eigenständige Netzwerkknoten bilden, die projektbezogen und branchen-übergreifend arbeiten. Die Organisation und Arbeit der Knoten werden vorhandene Ressourcen und Kompetenzen nutzen.

Die Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen e. V. (Hannover) bearbeitet die vom Land geförderten Projekte “Niedersächsische Landes-agentur Generationendialog“ und „Informationsbüro für niedrigschwellige Betreuungsangebote“. Darüber hinaus koordiniert die Landesvereinigung den landesweiten Arbeitskreis „Alter(n) und Gesundheit“, der viermal im Jahr in Hannover tagt. Die Förderlandschaft im Seniorenbereich bezeich-net die Landesvereinigung als „leider sehr unübersichtlich“, es fehle eine Bündelung bestehender Programme. Eine Bestandsaufnahme wäre aus Sicht der Landesvereinigung spannend, aber auch zeitaufwendig.

Das ehrenamtliche Engagement in Vereinen, Verbänden und sozialen Netz-werken hat in Deutschland lange Tradition und große Bedeutung.�� Insge-samt engagieren sich mehr als zwei Drittel der Bundesbürger regelmäßig ehrenamtlich. In Deutschland gab es 2005 rund 594.000 Vereine. Jedes Jahr werden 15.000 Vereine neu eingetragen. Pro 100.000 Einwohner gab es 1960 160 Vereine, heute sind es bereits 725. In der Stadt Göttingen sind rund 1.000 Vereine registriert, im übrigen Landkreis weitere 700.

Das Statistische Bundesamt hat in einer Zeitverwendungserhebung für 2001 ein Jahresvolumen von insgesamt 96 Mrd. Stunden unbezahlter Arbeit (Haus- und Gartenarbeit, handwerkliche Tätigkeiten, Einkaufen, Haushaltsplanung, Pflege und Betreuung, Ehrenamt/Hilfen) ermittelt. Von

28 Ehrenamt bezeichnet ein (öffentliches) unbezahltes Amt wie ein traditionelles Ehrenamt (wie ein Schöffe). In anderen Sprachen fehlt der Begriff mit gleicher Bedeutung. Ehrenamtliches Handeln meint ein freiwilliges, deshalb auch Freiwilligenarbeit oder bürgerschaftliches Engagement oder zivilgesell-schaftliches Engagement. Im englischen Sprachraum heißt es durchgehend Volunteering, was den freiwilligen Charakter betont.

förDerung Des eHrenamtes In nIeDersacHsen

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diesem unbezahlten Arbeitsvolumen erbringen Menschen im Alter über 65 Jahre 24 Prozent. Erst ab einem Alter von ca. 75 Jahren ist ein deutliches Absinken des freiwilligen Engagements erkennbar.

Als Aktivposten der Gesellschaft nutzen viele Ältere Menschen ihre Fähig-keiten und geben das, was sie in ihrem Lebensverlauf gewonnen haben, an die nachfolgenden Generationen weiter. SeniorInnen initiieren und beteiligen sich an Projekten im Gemeinwesen. Sie bringen sich mit ihrem Erfahrungswissen ein und verknüpfen so das Engagement für andere mit einem persönlichen Gewinn.

Die Freiwilligenakademie Niedersachsen (fan) organisiert das Qualifizie-rungsprogramm ELFEN im Auftrag der Landesregierung.�� Sie möchte erfahrene Menschen gewinnen, die Projekte fördern, Einzelpersonen, Initiativen und Vereine beraten, Kommunen in der Engagementförde-rung unterstützen sowie bei der Suche nach Finanzmitteln helfen. Durch Fortbildungskurse vorbereitet, sollen sie mit lokalen Anlaufstellen der Freiwilligenarbeit und Kommunen aktiv werden. Ziel der Qualifizierung ist es, die Teilnehmenden zu eigenständig arbeitenden Engagement-Lotsen weiterzubilden.�0 Als ein Beispiel können die Projekte Wunschgroßeltern-vermittlung in Braunschweig�� und Hardegsen�� gesehen werden. Hier werden mit dem Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf Wunschgroßeltern für Kinder, deren Eltern berufstätig sind, vermittelt. Ehrenamtliche Arbeit ist unverzichtbar und stellt den sozialen Kitt der Gesellschaft dar.

Angebote im Ehrenamt können auch als Indikatoren für Nachfragepoten-ziale Älterer gewertet werden. Für die Seniorenwirtschaft entscheidend ist die Frage, ob aus gut funktionierenden Angeboten im Ehrenamt auch tragende Geschäftsideen, z. B. für Existenzgründungen, werden können. Am Beispiel der so genannten Gesellschaftsdamen zeigt sich die Proble-matik besonders gut: Meist sind es SeniorInnen, die sich ehrenamtlich als GesprächspartnerInnen für ältere Menschen zur Verfügung stellen, um die Einsamkeit älterer Menschen zu mildern. Im Jahr 2004 machte sich eine Göttingerin selbstständig und begann als Gesellschaftsdame zu arbeiten. Nach ihren Erfahrungen gibt es für diese Dienstleistung durchaus eine Nachfrage. Es gebe vereinsamte Damen, die nicht nur über ausrei-chend finanzielle Ressourcen verfügen, sondern auch bereit seien, diese Dienstleistung zu entlohnen. Nach Aussage der Wolfsburg AG gibt es für die Etablierung von Gesellschaftsdamen bundesweit eine Reihe von Initiativen. Mehrfach wurde der Versuch unternommen, die Arbeit zu pro-fessionalisieren, meist mit wenig Erfolg.�� Sobald die Betreuungsleistung aber in Rechnung gestellt werde, sinke die Nachfrage.

29 Freiwilligenakademie Niedersachsen, Trygve Heinrichson, Projektleiter, c/o Freiwilligenzentrum Hannover, Im üstra ServiceCenter City, Karmarschstr. 30–32, 30159 Hannover, Tel. 0511 300344-6, [email protected], http://www.freiwilligenakademie.de30 http://www.freiwilligenakademie.de/ELFEN-Curriculum_kurz_Mai.pdf, 31. August 200631 http://www.muetterzentrum-braunschweig.de/register_frame.html32 Cassing, Gerhard (2005): “Generationen-Netzwerk Südniedersachsen. Modellplanung zur generati-onsübergreifenden Infrastrukturentwicklung“, S. 120 33 Selbst ein Betrag von zehn Euro pro Betreuungsstunde zuzüglich fünf Euro Anfahrtskosten führte häufig dazu, dass die Nachfrage einbrach. Nach Beobachtung der Wolfsburg AG waren es häufig die Älteren selbst, die nicht bereit waren, diese Dienstleistung zu honorieren. Noch häufiger aber waren es Angehörige, die diesen professionalisierten Ansatz im Keim erstickten.

Initiativen für SeniorInnen

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Dieses Beispiel zeigt, dass es zwischen ehrenamtlicher und bezahlter Arbeit ein Spannungsverhältnis gibt. Potenziell besteht immer die Gefahr, dass ehrenamtliche Arbeit bezahlte Arbeit verdrängt. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil ehrenamtliche Arbeit häufig kompetent und professio-nell geleistet wird. Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive können sich allerdings beide Sektoren gut ergänzen, um die Anpassungsfähigkeit an den demographischen Wandel zu verbessern.

In der Regel wird ehrenamtliche Arbeit nur von denjenigen geleistet, die über ein Einkommen verfügen – aus Vermögen oder aus der Berufstätigkeit des Ehepartners. Wer keine bezahlte Arbeit findet, ist in der Regel nicht bereit, ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Ehrenamtliche Arbeit ist somit beschäftigungspolitisch weitgehend neutral.

Wenn aber durch die ehrenamtliche Arbeit die Anpassungsfähigkeit des Standortes verbessert und er somit gestärkt wird, kann ehrenamtliche Arbeit einen Beitrag zur Sicherung der Bevölkerungszahlen und somit ein Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Mittelbar kann sie damit auch zur Beschäftigungssicherung bzw. zum Beschäftigungsausbau beitragen.

„Dialog kann nicht gelingen, wenn sich die Altersgruppe in verschie-denen Häusern treffen. Deswegen sollten wir mal intensiver über Mehr-Generationen-Häuser nachdenken.“ (Hann. Münden)

„Dass die Kontakte untereinander nicht immer so gut sind, wissen wir. Das soll u. a. durch Mehrgenerationenhäuser aufgebrochen werden.“ (Rosdorf)

„Ich habe früher im ASC für Senioren gearbeitet. Bei mir in der Gegend sterben die Männer alle weg. Ich lade oft Frauen zum Kaffeetrinken ein, die Leute wollen miteinander reden. Es müsste mehr Möglichkeiten zur persönlichen Begegnung geben.“ (Rosdorf)

„Das Treffen mit anderen ist wichtig, um das Alleinsein zu unterbre-chen. Frage mich, wie kann man das Alleinsein älterer Menschen unterbinden?” (Göttingen)

Die Landesregierung startete 2003 das Aktionsprogramm Mehrgeneratio-nenhäuser. Zielsetzung der Mehrgenerationenhäuser ist es, die Begegnung und Kommunikation der Generationen fördern. Diese Einrichtungen sind offene Tagestreffpunkte für Jung und Alt, in denen vielfältige Aktivitäten und Serviceangebote möglich sind. Es handelt sich dabei aber nicht um Wohnprojekte. Der Bund hat dieses Programm 2006 übernommen und bis 2010 sollen in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt Mehrgenera-tionenhäuser entstehen, die jährlich mit 40.000 Euro aus Bundesmitteln für

exkurs: meHrgeneratIonen-

Häuser

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einen Zeitraum von maximal fünf Jahren gefördert werden. Die Bundes-regierung will dadurch die Begegnung, Kommunikation und Zusammen-halt der Generationen untereinander mit Mehrgenerationenhäusern als Familien unterstützende Zentren fördern. Mehrgenerationenhäuser sollen bürgerschaftliches Engagement erschließen, Zusammenhalt erfahrbar machen und Alltagskompetenzen und Erziehungswissen weitergeben. Der wechselseitige Austausch von Wissen und Erfahrung soll u. a. junge Eltern in ihrer Erziehungskompetenz stärken und älteren Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern.��

34 Entwurf einer Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission für den 5. Altenbericht, S. 27

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6 senIorenWIrtschaft

Idee und Konzept einer eigenständigen “Seniorenwirtschaft“ sind in der Bundesrepublik noch jung. Zwar hat es bereits in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts erste zaghafte Versuche gegeben, den bereits damals so benannten “Seniorenmarkt“ systematisch in den Blick zu neh-men und auch wissenschaftlich zu erkunden. Die Bemühungen blieben jedoch zum einen wegen des zu geringen Interesses der Wirtschaft und zum anderen wegen fehlender ökonomischer Potenziale der Älteren zu dieser Zeit de facto erfolglos (Altenbericht, S. 234). Seit Beginn der 80er-Jahre lässt sich eine langsame Entdeckung des „Seniorenmarktes“ erken-nen, was sich u. a. am Beispiel der kommerziellen Werbung verdeutlichen lässt: Waren in den 70er- und frühen 80er-Jahren ältere Menschen vor allem Objekt der pharmazeutisch ausgerichteten Werbebotschaften, so hat sich seither das Bild zunehmend gewandelt. Heute findet man ältere Menschen als Werbeträger für zahlreiche Konsumgüter und Dienstlei-stungsangebote. Für die Seniorenwirtschaft in Stadt und Landkreis Göt-tingen werden hiermit folgende Oberziele definiert:

Verbesserung der gesellschaftlichen Anerkennung von SeniorInnen,

Erhalt der Selbstständigkeit bis ins hohe Alter,

Impulse für die Regionalentwicklung,

Beschäftigungsförderung für die Gruppe 50plus.

Mit Seniorenwirtschaft ist der Teil der Wirtschaft gemeint, der sich syste-matisch mit den Bedürfnissen und Konsumwünschen älterer Menschen beschäftigt und neue und/oder angepasste Produkte und Dienstleistungen anbietet. Hauptbranchen sind Bildung/Freizeit/Tourismus, Ernährungswirt-schaft, Wohnen/Dienstleistungswirtschaft, Transport, Handwerk sowie Medizin/Gesundheit/Pflege. Ebenso wie in anderen Regionen sind in Stadt und Landkreis Göttingen Idee und Konzept einer eigenständigen Senioren-wirtschaft noch relativ jung. Auf europäischer Ebene macht sich das SEN@ER – Seniorenwirtschaft Netzwerk Europäischer Regionen�� dafür stark, im demographischen Wandel eine wirtschaftliche Chance zu sehen.

Im Jahre 2003 betrugen die Ausgaben der Haushalte von Menschen über 60 Jahre 308 Milliarden Euro, das ist fast ein Drittel der Gesamtausgaben für den privaten Verbrauch in Höhe von 987 Milliarden Euro. Die Seni-orInnen haben also als Konsumentengruppe eine enorme Bedeutung. Obwohl sich die Marktforschung schon lange mit der demographischen Alterung befasst, gibt es nur wenige greifbare Praxiskonzepte. Das tra-ditionelle Seniorenbild wandelt sich zum aktiven und genussorientierten Senior, der über hohe Zeit- und Kaufkraftressourcen verfügt. Studien er-gaben, dass die älteren Konsumenten dabei vor allem auf intensive und privilegierte Kundenbeziehungen sowie auf Service und Qualität setzen. Gleichzeitig sind Senioren firmen- und markentreue Kunden. Befragungen renommierter Institute zeigen, dass Senioren vor allem Klarheit in der

35 Sprich: sien’äter

begrIffsbestImmung

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Kommunikation erwarten. Derzeit empfindet sich diese Zielgruppe als zu wenig “beworben“, da Werbemaßnahmen zu stark auf junge Zielgruppen fokussieren.��

Gerade für Ältere gibt es jedoch noch immer Hindernisse im Umgang mit Produkten. Hersteller sind sich oftmals der spezifischen Interessen und Anliegen der älteren Generation nicht ausreichend bewusst. Die Bemü-hungen der Wirtschaft, den wachsenden, in wenigen Jahrzehnten riesigen Markt zu bearbeiten, sind bislang bestenfalls in Ansätzen auszumachen. Wenn aber Industrie, Handel und Dienstleister nicht lernen, stärker auf die Wünsche und Bedürfnisse der älteren Menschen einzugehen, werden sie auf einem wichtigen Markt das Nachsehen haben.

Dabei geht es gar nicht mal nur um die ältere Generation. Auch Jüngere ärgern sich häufig über schwierig zu öffnende Verpackungen, schlecht lesbare Hinweise, unverständliche Bedienungsanleitungen. Unter dem Stichwort Seniorenwirtschaft eröffnen sich große Marktchancen, mit intel-ligenten Produkten und Dienstleistungen eine generationenübergreifende Kundschaft zu gewinnen.

Auch im aktuellen Altenbericht für die Bundesregierung wird die Senioren-wirtschaft als Impulsgeber für Wachstum und Beschäftigung verstanden. Untersuchungen, beispielsweise die Allensbacher Markt- und Werbeträ-ger-Analyse (AWA) des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) oder der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigen, dass es sich bei der älteren Generation ab 70 um eine interessante Zielgruppe handelt, die im Vergleich zu früheren Generationen ökonomisch interessanter, aktiver und meist länger gesund, aber auch sehr heterogen ist. Japan und auch die USA gelten als Länder, in denen die Einstellung der Wirtschaft auf die älter werdende Kundschaft mit am weitesten fortgeschritten ist. Ein funktionierender und ausreichender Seniorenmarkt ist eine Voraussetzung dafür, dass es zu einem „aktiven Altern“ im Sinne des Paradigmas der Weltgesundheitsorganisation von 2002 kommen kann.

Unter dem Begriff Seniorenwirtschaft werden also spezifische Handlungs-ansätze konkretisiert und in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Partnern so umgesetzt, dass das Angebot an altenorientierten und altenge-rechten Produkten und Dienstleistungen nachhaltig verbessert wird. Zen-trales Anliegen der Seniorenwirtschaft ist es, die Lebenssituation älterer BürgerInnen nachhaltig zu verbessern, den Stellenwert der SeniorInnen ab 70 Jahren als souveräne und qualitativ wie quantitativ bedeutsame ge-sellschaftliche Gruppe der Volkswirtschaft darzustellen und zu verbreiten sowie Unternehmen und andere Einrichtungen zu einer Ausweitung ihres Produkt- und Dienstleistungsangebotes für ältere Menschen anzuregen.

Im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“ macht die Regional-analyse detaillierte Aussagen zur Kaufkraft der BewohnerInnen von Stadt und Landkreis Göttingen. Sie differenziert dabei auch nach Altersstufen. Das Durchschnittseinkommen aller Steuerpflichtigen des Untersuchungs-raumes liegt im statistischen Mittel des Landes. Landesweit betrug das Bruttodurchschnittseinkommen der Steuerpflichtigen im Jahr 2001 knapp

36 DSSW-Studie, S. 4

kaufkraft von senIoren

Seniorenwirtschaft

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32.300 Euro im Jahr.�� Dabei reicht die Spanne der Durchschnittseinkom-men zwischen den einzelnen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten von rund 20.400 bis 62.500 Euro. Das Durchschnittseinkommen im Landkreis Göttingen lag zwischen 32.000 und 34.000 Euro. Es gibt Unterschiede zwi-schen den Kommunen. Göttingens direkte Nachbargemeinden Gleichen, Rosdorf und Dransfeld bewegen sich bis auf wenige Ausnahmen in der gleichen statistischen Einkommensstufe wie die Universitätsstadt. Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 36.000 bis 38.000 Euro liegt Bovenden innerhalb des Landkreises vorn. Die Stadt Göttingen wurde in die mittlere von neun Kategorien für Einkommen zwischen 32.000 und 34.000 Euro eingestuft. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die über 50-Jährigen jetzt auch zur Generation der Erben der Aufbaugeneration gehören. Nach Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel�� weist der Seniorenmarkt derzeit Ähnlichkeiten mit dem Markt in der Nachkriegszeit auf. Die Nachfrage sei vorhanden, aber die Produkte fehlten. Diese Bewertung erscheint viel zu weitgehend: In der Nachkriegszeit fehlte es an elementaren Gütern und Dienstleistungen. Dieser Nachholbedarf ist in der Seniorenwirtschaft derzeit bestenfalls in einigen Teilsegmenten erkennbar. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel ist deshalb nur insofern zuzustimmen, als der Markt für Senioren derzeit Chancen bietet, die auf anderen Teilmärkten zu den großen Ausnahmen gehören.Nach der Erhebung des Landesamtes für Statistik von 2001 wurden die höchsten Durchschnittseinkommen in Niedersachsen vor allem im Umland der Städte Hannover, Braunschweig und Wolfsburg sowie Hamburg oder Bremen festgestellt. In den Ballungszentren selbst waren die Einkommen pro Haushalt etwas niedriger. Die Statistiker führen diesen Effekt auf die Arbeitsmarktsituation zurück. Danach gibt es in Großstädten zwar mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze, aber viele Familien wohnen lieber im Umland. Im Landkreis Göttingen scheint dies nicht so deutlich ausgeprägt zu sein, die in etwa dem Landesdurchschnitt entspricht. Zur Einschätzung des Kaufkraftpotenzials können auch die Pro-Kopf-Einkommen heran-gezogen werden. Diese liegen im Landkreis Göttingen bei 10.875 Euro pro Jahr.�� Damit liegt es deutlich unter dem Durchschnitt des Landes Niedersachsen (12.697 Euro) und des Bundes (11.727 Euro). Wie sich die Kaufkraft anteilsmäßig innerhalb der Altersgruppe der über 50-Jährigen verteilt, zeigt folgendes Diagramm:

37 NLS 200138 “Seniorenmarketing 2006/2007”, Edition Horizont 2006, S. 1639 Daten NIW, Bezugsjahr 2005 (vgl. Regionalanalyse)

Abbildung 11: Einkommensver-

teilung der über 50-jährigen im

Landkreis Göttingen

Quelle: eigene Berechnung auf

Basis von Daten des NLS und

GEROSTAT

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Das Gesamteinkommen der Bewohnerinnen und Bewohner des Land-kreises einschließlich der Stadt Göttingen beläuft sich auf 4,46 Mrd. Euro – pro Person 17.000 Euro pro Jahr. Nach Berechnungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Nürnberg, beläuft sich der jährliche Einzelhan-delsumsatz im Landkreis Göttingen auf 1,47 Mrd. Euro. 23 Prozent aller Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises haben das 60. Lebensjahr überschritten. Sie verfügen über eine Einzelhandelsnachfrage von über 320 Mio. Euro. Allein die Rentenbezüge aller Rentnerinnen und Rentner in Stadt und Landkreis Göttingen belaufen sich auf 458 Mio. Euro jähr-lich. In diesem Betrag sind Einkommen aus Vermögen (Mieten, Zinsen, Dividenden) noch nicht einmal enthalten.

Die Ausgaben der Haushalte von Menschen im Alter von 60 Jahren und darüber machten im Jahr 2003 mit 308 Mrd. Euro fast ein Drittel der Ge-samtausgaben für den privaten Verbrauch in Deutschland aus. Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist die Konsumquote der Personen zwischen 65 und 75 Jahren mit 84 die höchste aller Altersgruppen. Die DIW-Forscher gehen davon aus, dass sich der Anteil von Haushalten der über 75-Jährigen bis zum Jahr 2050 verdop-peln wird. Die altersspezifischen Ausgaben werden nach Einschätzung des DIW künftig zunehmen. Dazu gehören Waren und Dienstleistungen für die Gesundheits-, Unterhaltungs- und Freizeitbranche. Auch Pharmaindustrie, Medizintechnik und die Ausstatter von Gesundheitsdiensten erwarten eine höhere Nachfrage. Ebenso steigen bei älteren Menschen in der Regel die Ausgaben für die Bereiche Energie und Wohnen.

Momentan richten sich viele Unternehmen darauf ein, sich im Produktbe-reich auf die Ansprüche von SeniorInnen einzustellen. Wesentlich lang-samer verläuft der Prozess bei den Dienstleistern. Ein Grund könnte darin liegen, dass die Generation der heutigen SeniorInnen selten dazu bereit ist, für zusätzliche altersspezifische Dienstleistungen wie die Gartenpflege zu bezahlen. Dies kann sich ändern, wenn die Generation der heutigen Doppelverdiener ins Rentenalter kommt.

Eine Vielzahl neuerer Studien weist darauf hin, dass mit der heutigen Seniorengeneration eine neue Verbraucherzielgruppe herangewachsen ist, die mit der bisherigen Kriegs- und Nachkriegsgeneration nur noch wenig gemeinsam hat. Die heutigen Senioren werden zwar von der Le-benserwartung her immer älter, von ihren Einstellungen her aber immer jünger. Ein erstes Indiz für die immer jünger werdenden Senioren ist der Wandel bei den Wertvorstellungen: Traditionelle Werte wie Sparsamkeit, Bescheidenheit und Genügsamkeit verlieren bei den „nachwachsenden“ Senioren zunehmend an Bedeutung, und moderne Werte wie Toleranz, Aufgeschlossenheit und Unabhängigkeit werden immer wichtiger.

Ein zweites Indiz für die immer jünger werdenden SeniorInnen sind deren Einstellungen zum Kauf und Konsum. Die Senioren von heute definieren sich weniger über das Lebensalter, sondern über ihre psychische Ver-fassung, über ihre Lebenseinstellung und ihr Konsumverhalten. Es gilt unterschiedliche Verbrauchergruppen bei den über 50-Jährigen zu diffe-renzieren, über die Marketingexperten Bescheid wissen müssen, wenn

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sie seniorengerechte Produkte anbieten und adäquat bewerben und damit das Marktpotenzial der heutigen Seniorengeneration erschließen wollen, oder wenn sie auch nur im Dialog mit der Zielgruppe bleiben wollen.

Die gesamte Generation über 50 wird in den kommenden Jahrzehnten zur wichtigsten Gruppe von Konsumenten in Deutschland. Das Zentrum der Gesellschaft wird bis dahin längst jenseits der 14- bis 49-Jährigen liegen, die von der Wirtschaft bisher besonders umworben worden sind. Durch die langjährige Konsumflaute und die öffentliche Diskussion ist den Unternehmen bewusst geworden, dass sie zunehmend vom Konsum-verhalten der Generation 50plus abhängig werden. Die über 50-Jährigen disponieren über mehr als die Hälfte der Kaufkraft und des Geldvermögens in Deutschland. Sie kaufen 45 Prozent aller Neuwagen, 50 Prozent aller Gesichtspflegemittel und buchen 35 Prozent aller Pauschalreisen.�0

„In der Werbung werden die Senioren manchmal wie Bekloppte dar-gestellt.“ (Rosdorf)

„In der Werbung wird doch gar nicht mehr deutsch gesprochen. Wir werden vom Denglisch überflutet. Das Wort von den No-Go-Areas ist doch schon wieder ein neuer Begriff, der über uns hereinbricht.“ (Rosdorf)

„Das Englische stört mich nicht. Und die Zeitung berichtet doch jetzt sehr viel über Senioren. Neulich wurde über einen Besuch von Seni-oren bei der Telekom berichtet zum Thema Handy-Nutzung, das war sehr gut.“ (Rosdorf)

„Den Aspekt der Sprache sollte man nicht dramatisieren, das ist doch eine Modeerscheinung, die auch wieder verschwinden wird. Schließlich haben die Deutschen mit der Anglisierung als Erste begonnen. Viele junge Menschen nutzen englische Begriffe, ohne sie zu verstehen. Das Wort Outdoor-Jacke kann doch kaum jemand übersetzen.“ (Rosdorf)

„Wir sind mit der deutschen Sprache groß geworden und sollen nun Denglisch lernen, das ist doch unmöglich.“ (Rosdorf)

„Cityshoppingboulevard ist auch so ein scheußliches Wort. Ich bin bis-lang noch nicht shoppen gegangen, ich habe immer noch eingekauft. Outdoor-Kleidung und Coffee-Shop, es gibt viele dieser fürchterlichen Worte.“ (Rosdorf)

Als zentrale Funktion der Betriebswirtschaftslehre bietet das Marketing Unternehmen und Organisationen einen systematischen Ansatz, um Ent-scheidungen markt- und kundenorientiert zu treffen. Alle Maßnahmen, die diesem Ziel untergeordnet sind, können je nach Ansatz auch auf indirekt marktrelevante Bereiche eines Unternehmens ausgeweitet werden. Mar-keting wird daher auch als Unternehmensprozess verstanden, bei dem

40 Frischer Wind. Die Macht der jung gebliebenen Alten; in: Wirtschaftswoche Nr. 28/2006, S. 51

senIoren- marketIng

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ein Unternehmen Absätze planmäßig vorbereitet, durchführt und sichert. Zum Marketing gehört auch, neue Märkte zu erschließen und vorhandene Märkte zu erweitern.

SeniorInnen werden häufig identifiziert mit dem Bild hilfsbedürftiger älterer Menschen, die sich mit vielen Handicaps auseinandersetzen müssen. Die Realität sieht ganz anders aus. Selbst bei den über 85-Jährigen bestreiten mehr als zwei Drittel ihren Alltag selbstständig, sind als Verbraucher aktiv und möchten wie Jüngere am Leben teilhaben. Andererseits wird das Image des “superaktiven“ genießenden Senioren transportiert, der in der Werbung durch Luftsprünge eines älteren Herrn symbolisiert wird. Ältere Menschen lehnen solche Werbebilder in der Regel ab.

Die Kaufkraft der Älteren hat es sich Schritt für Schritt zur Nummer eins entwickelt.�� Konsumfreude älterer Personen wird in der Literatur auch als „eine neue Lust in reifer Schale“ bezeichnet. Die Entdeckung der neuen Konsumentengruppen setzt jedoch eine differenzierte Auseinandersetzung mit ihrer Lebenswirklichkeit und ihren Wünschen voraus. Noch im Jahr 1992 stimmten nur 26 Prozent der 50- bis 75-Jährigen der Aussage zu: „Ich mache mir lieber ein schönes Leben, anstatt immer mehr zu sparen.“ Zehn Jahre später hatte sich dieser Anteil verdoppelt.�� Selbstbewusstsein ist dabei ein zentraler Wert. Viele Vertreter der Generation 50plus – der SeniorInnengeneration von morgen – glauben, dass sie es sich verdient haben, gut zu leben. Aus ihrer Lebenserfahrung heraus bewegen sie sich sicher und überlegt. Sie haben gelernt, mit Geld umzugehen. Sie wissen, wo man günstig einkauft, aber auch, wo die Selbstverwöhnung kostspieliger ist. Viele der Älteren haben gelernt, mit Werbesprüchen umzugehen. Sie wissen auch, wer es ist, der ihnen ihre Wünsche ver-meintlich von den Augen abliest. Doch es ist problematisch, Zielgruppen ausschließlich demographisch zu definieren. Vielmehr muss auch die Psychographie bemüht werden. In einer nahezu altersfreien Gesellschaft zählen insbesondere die Lebenseinstellung der Zielgruppen, ihr Lebensstil, ihre Gewohnheiten, ihre Vorlieben und ihre Vorurteile.�� Veigel spricht von einer Generation, die älter wird, ohne zu altern.�� Marketingfachleute un-terscheiden deshalb zwischen wirklichem, erscheinendem und gefühltem Alter (real age, look age und feel age).

Festzuhalten ist, dass der Markt für SeniorInnen derzeit Chancen bietet, die auf anderen Teilmärkten zu den großen Ausnahmen gehören. Wie unten im Einzelnen dargelegt wird, gibt es in einzelnen Marktsegmenten in Stadt und Landkreis Göttingen Angebotsdefizite. Folgender Aussage von Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel ist zuzustimmen: Die wachsende Zahl älterer Menschen ändert die Spielregeln auf vielen Märkten. Das gilt insbesondere für kundenbetriebene Märkte. Unternehmen, denen die Sen-sibilität für diese Änderungen fehlt, werden schwierige Zeiten erleben.

41 Ulrich Veigel (CEO Grey Worldwide GmbH) während des Fachkongresses “Zukunftsmarkt 60plus“ – Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am 29. Mai 2006 in Bonn 42 Bernd M. Michael (CEO der Grey Global Group Europe, Middeleast and Africa) auf derselben Ver-anstaltung 43 „Warum ignoriert das Marketing die reichste Generation aller Zeiten – die 50plus-Generation“, in: Jahrbuch „Seniorenmarketing 2006/2007“, Meyer-Hentschel, Meyer-Hentschel (Hrsg.)44 Ulrich Veigel (CEO Grey Worldwide GmbH) während des Fachkongresses “Zukunftsmarkt 60plus“ – Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am 29. Mai 2006 in Bonn

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Die Befriedigung dieser Konsumbedürfnisse ist unternehmerische Aufga-be und deutlich von der traditionellen Altenhilfe als öffentliche Aufgabe ab-zugrenzen. Die verstärkte Beachtung und Aktivierung der wirtschaftlichen Nachfrage- und Kaufkraftpotenziale kann auch als eine gesellschaftliche Aufgabe der Wirtschaft gesehen werden, für dessen Erfüllung der Staat oder die Kommune möglichst günstige Rahmenbedingungen schaffen kann. Die Kommunen können vor allem in Kooperation mit der Wirtschaft daran arbeiten, dass sich das Bild des Alter(n)s verändert und im Bereich der Produkte und Dienstleistungen keine Altersdiskriminierung vollzieht.

Der Begriff der “Seniorenwirtschaft“ setzt sich mit diesen wirtschaftlichen Gestaltungsherausforderungen und Wachstumsperspektiven einer al-ternden Gesellschaft auseinander. Im Gegensatz zu den Akteuren in der Altenhilfeplanung (Städte und Gemeinden, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Erwachsenenbildung, etc.) gibt es im Handlungsfeld der Seniorenwirt-schaft Akteure, die man bislang nicht mit dem Begriff der Senioren in Verbindung gebracht hat: Industrieunternehmen, Unternehmensverbände (z. B. Tourismus, Wohnungswirtschaft), Kammern oder auch Gewerk-schaften.

Produktpolitik/Konzeption

„Warum eigentlich seniorengerechte Produkte? Warum werden die Produkte nicht ganz normal und massenweise, also auch preiswert, im Supermarkt angeboten? Ich will den Dosenöffner nicht als Ergotherapie-Produkt im Orthopädie-Fachgeschäft kaufen!“ (Göttingen)

Aufgabe der vorliegenden Studie ist es nicht, die Seniorengerechtigkeit von Produkten zu analysieren. Sie will gleichwohl deutlich machen, dass sich viele Hersteller mit der Frage der Seniorengerechtigkeit beschäf-tigen; inzwischen ist eine große Vielfalt an Produkten auf dem Markt. Beispielsweise die Otto Bock Health Care als Weltmarktführer in der Orthopädietechnik, die Produkte gezielt für den Markt der SeniorInnen entwickelt, die unter Diabetes, Osteoporose sowie Gefäß- oder Atemwe-gserkrankungen leiden. Das Unternehmen entwickelt Medizintechnikpro-dukte, die zur Wundversorgung sowie zur Beatmungstherapie eingesetzt werden. Aber auch Mobilitätshilfen wie Elektromobile und Rollstühle und Pflegehilfsmittel im Heimbereich gehören in das Produktportfolio. Dass die SeniorInnen mit sinkenden Zuzahlungen der Krankenkassen rechnen müssen, ist zunächst ein Problem für die Patienten – es ist aber auch eine Herausforderung für die weitere Unternehmensentwicklung.

Doch die Defizite im Angebot sind unübersehbar. Viele Anbieter erkennen nicht, dass die mit steigendem Alter auftretenden Probleme mit den Au-gen und dem Gehör, verringerte Kraft, Beweglichkeit und Geschicklichkeit sich auch in anderen Bedürfnissen niederschlagen. Andererseits entsteht zuweilen der Eindruck, dass die meisten Produkte eher für behinderte Senioren entwickelt wurden.

So fordert das Institut für Arbeit und Technik, die Konsumartikelhersteller müssten sich stärker an den Wünschen Älterer orientieren. Mit maßge-schneiderten Angeboten könne die Kauflust älterer Menschen gesteigert

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werden. Ältere Kunden seien besonders kritisch und erwarteten gute Qualität. Als Konsumenten hätten sie langjährige Erfahrung: „Dieser Ziel-gruppe kann man nichts vormachen. Die Menschen sind gut informiert und wollen nicht als Dumme behandelt werden.“��

Nach neueren Marktforschungsstudien haben viele Unternehmen immer noch Schwierigkeiten, für die ältere Generation die richtige Produktstra-tegie zu finden. Vielfach wird das Flickwerk der Lösungen kritisiert. Manche Seniorenprodukte können als Beleidigung für die Intelligenz der Älteren aufgefasst werden – mehr noch: Sie kommen nicht selten mit “Krüppel-Design“ daher. Es fehlt bei der Entwicklung konkreter Produkte eben noch immer an Kreativität. Die Bedürfnisse der SeniorInnen werden nicht ausreichend untersucht. So liegt das Durchschnittsalter der Harley Davidson-Käufer bei 58 Jahren – und das meist georderte Extra ist die Sitzheizung.

Vor der Herausforderung, bessere Produkte für Alt und Jung zu konzipie-ren und sie gut zu vermarkten, stehen alle Branchen. Dabei profitieren einige Branchen und ihre Unternehmen besonders vom demographischen Wandel. Das gilt insbesondere für Hersteller von Produkten aus dem Gesundheitswesen sowie der Medizintechnik, wie die Elektrokonzerne Siemens und Philipps oder das große mittelständischen Unternehmen Otto Bock in Duderstadt. Auch die Pharma- und die Nahrungsmittelin-dustrie werden die Gewinner sein. Gute Marktchancen haben auch die Hersteller von so genannter weißer Ware wie Herde, Kühlschränke und Waschmaschinen.

Fertigkost ist für viele SeniorInnen attraktiv. Sie haben das höchste Risiko für Krankheiten und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Gesundheits-probleme hängen häufig direkt oder indirekt mit der Ernährung zusammen. Zu beobachten sind ein veränderter Nährstoffbedarf und veränderte Essge-wohnheiten. Durch gesenkten Energiebedarf bei gleichbleibendem Bedarf an Nährstoffen wie Vitaminen und Spurenelementen kommt es oft zur Mangelversorgung. Deshalb müssen seniorengerechte Portionen kleiner und kalorienärmer sein, aber mehr Nährstoffe aufweisen. Bei der Pro-duktpalette ist zu beachten, dass SeniorInnen aufgrund der biologischen Veränderungen mit zunehmendem Alter andere Bedürfnisse haben. Die Produkte sollten darauf abgestimmt sein und weniger Salz, Fett, Zucker etc. enthalten, ohne dabei an Qualität oder Geschmack zu verlieren.

Auch der eher für die jüngeren Zielgruppen produzierende Sportarti-kelhersteller Adidas wendet sich an SeniorInnen. Aber nicht mit einem Schuh für rheuma- oder anderweitig geplagte Füße: Adidas registrierte die Beliebtheit des als Gelenk schonend geltenden Walking unter Älteren und entwickelte schon für die Herbstkollektion 2003 den ersten speziellen Walking-Schuh.

Auch die Möbelhersteller nutzen die Chancen durch die wachsende Käuferschicht der Generation 50plus. Nach einer Untersuchung des Stati-stischen Bundesamtes geben die Senioren über 70 rund 40 Prozent ihres Einkommen für Wohnen aus, die jüngere Generation nur 30 Prozent. Von

45 Hanne Meyer-Hentschel, ebd.

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der Kauflust der älteren Generation profitieren die klassischen Möbelher-steller. Manche Designermarken ignorieren die spezifischen Bedürfnisse der Älteren und gehen keine Kompromisse ein. Die Billigmöbelbauer entsprechen oft nicht den Qualitätsanforderungen der Älteren.

Zu den seniorengerechten Produkten gehören außerdem Flachbildschirme sowie spezielle Flaschen- und Dosenöffner, Senioren-Portemonnaies, Greifarme, Knopf-Annähhilfen, Knopfschließer, Knietische, Rückenkratzer, Sicherheitslöffel, Rillenbecher, Anti-Rutsch-Tabletts, Senioren-Hausschuhe, Videolupen, TV-Vergrößerer, Lesestäbe, Vergrößerungsblätter, Fernseh-Spezialbrillen, sprechende Uhren, sprechende Reisewecker, Lastenroller, Gießarme für die Gartenpflege�� etc. Inzwischen gibt es bundesweit eine riesige Bandbreite seniorengerechter Produkte.

In der Unterhaltungselektronik sind die Ansätze, intelligent auf die Gene-ration 50plus zuzugehen, eher zaghaft. Computer- und Handyhersteller sehen durch jahrelange hohe Wachstumsraten keinen Anlass, ihre bishe-rige Unternehmensstrategie zu ändern und auch Produkte für bestimmte Zielgruppen, wie die Generation 50plus zu entwickeln. Da Handys und Computer zur Grundausstattung jedes Haushalts gehören, ändert sich die Produktstrategie der Unternehmen langsam. So hat der Computerherstel-ler Fujitsu Siemens im Mai 2006 den Simplico auf den Markt gebracht und ihn als revolutionär einfachen PC bezeichnet, den jeder versteht. Leichte Bedienbarkeit, gute Lesbarkeit und mit unterschiedlichen Farben gekenn-zeichnete Menüführung sollen dafür sorgen, dass die ältere Generation ihre Berührungsängste gegenüber der neuen Technik ablegen. Letztlich ist eine einfache Bedienung nicht nur für die Zielgruppe 50plus wichtig, sondern für jede Zielgruppe. Selbst in der Gruppe der über 60-Jährigen halten 61 Prozent Navigationsgeräte in Autos für sinnvoll. Nach Angaben von Georg Fuhrmann von der Abteilung Unternehmensentwicklung der Metro AG gab es Überraschungen bei der Nutzung von Self-Scanning-Kassen. Viele Ältere waren bereit, sich mit dieser neuen Technologie auseinander zu setzen.��

Der Mobilfunkbetreiber Vodafone und sein Kooperationspartner Vita-phone haben inzwischen das erste Handy auf den Markt gebracht, das sich auf die wesentlichen Funktionen beschränkt. Das Handy besitzt nur drei Tasten und eine Freisprecheinrichtung. Über die rote Notruftaste wird sofort zu dem rund um die Uhr besetzten Vitaphone-Service-Center verbunden, das im Notfall den Rettungsdienst benachrichtigt. Die gelb-en und grünen Tasten können mit den Handy- bzw. Telefonnummer der Familienangehörigen oder Nachbarn belegt werden. Bisher nutzen nur 5.000 Vodafone-Kunden diesen monatlich 12,45 Euro teuren Service. Fünf Euro erhält davon Vitaphone. In Japan sind die bunten, modernen Seniorenhandys bereits Renner.

Zu den interessanten Produkten gehören ein bequemer Duschklappsitz, der Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit, Behinderten oder älteren Menschen das Duschbad erleichtert, und ein verstellbarer Bade-

46 Broschüre „Sunnywalz – Das Leben genießen“, Versandhaus Walz GmbH, 88336 Bad Waldsee47 “Zukunftsmarkt 60plus – Konsum- und Verbraucherschutz in einer älter werdenden Gesellschaft“ am 29. Mai 2006 in Bonn

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wannensitz, der sich in jede handelsübliche Badewanne sicher einhängen lässt. Der Sitz benötigt keine festen Einbauten. Ähnlich hilfreich ist auch ein verstellbarer Toilettensitz.

Eine für Senioren und motorisch beeinträchtigte Menschen entwickelte ergonomische Sitzliege, die verschiedene Einstiegshöhen und eventuell klappbare Armlehnen aufweist, ist damit bequem und funktional. Ein geschlossener TV-Stereo-Kopfhörer mit integriertem Lautstärkeregler im Kabel, einfach an den Fernseher anschließbar, mit hoher Sprachverständ-lichkeit und guter Reproduktion des Fernsehtons bietet mehr Komfort beim Fernsehen. Das geschlossene Design sorgt für den Hörenden für eine Dämmung der Umgebungsgeräusche. Am Lautstärkeregler lassen sich rechter und linker Kanal getrennt auf das Hörvermögen einstellen.

Mobile Hörverstärker unterstützen das Gehör situationsgerecht. Ein leich-ter Kinnbügelhörer kann so was wie eine „Lesebrille“ für die Ohren sein: Immer dann zur Hand, wenn man ihn braucht, hört er auch das „Kleinge-druckte“. Zwei ohrnahe Mikrofone übertragen Stimmen und Geräusche in Stereoton und ermöglichen so räumliches Hören. Die Lautstärke der dynamischen Hörersysteme kann individuell und situationsgerecht ein-gestellt werden.

Ein Telefon mit Funk-Notrufsystem, zuschaltbarer optischer Signalgebung, gut greifbarem Hörer und einstellbarer Lautstärke für Hörer, Lautsprecher und Tonruf erleichtert ebenso das Telefonieren wie eine extra große Anzeige, die die Rufnummer des Anrufers verrät. Ein Mechanismus, der Türen automatisch verriegelt, wird inzwischen in viele Häuser eingebaut. Leuchtdioden zeigen den jeweiligen Betriebszustand an. Ergänzt werden diese technischen Einrichtungen durch eine Fernsteuerung für Beleuch-tung, die Jalousien und andere Haustechnik wie Licht oder Temperatur bedienen. Raumspartüren (z. B. eine Schiebetür) verzichten ganz oder teilweise auf den Drehbereich herkömmlicher Türen, so kann Raum besser genutzt werden. Ein Liftsystem hebt und senkt fast alle Sitzmöbel und Betten auf Rollstuhlhöhe, so kann man selbstständig ohne Kraftaufwand auf ein normales Sitzmöbel und von dort wieder zurück in den Rollstuhl gelangen.

Körpergerecht geformte Holzstiele ermöglichen Körperbehandlung an schwer erreichbaren Stellen. Der Anbieter eines Frühstücksbretts, das sicher und rutschfest auf der Tischplatte steht und verschiedene Utensilien in Löchern sicher unterbringt, wendet sich nicht nur an ältere Kundinnen und Kunden. Greifzangen und Haken zum Aufheben von Gegenständen können Hilfe bieten, Knöpfhilfen ermöglichen das Zuknöpfen von Klei-dungsstücken mit nur einer Hand. Eine ergonomische Schreibhilfe eignet sich für Menschen, die in Händen und Fingern bewegungseingeschränkt sind. Der Knauf ist drehbar und lässt sich leicht führen. Mit einem Stech-gießer lassen sich Saft- und Milchtüten einhändig öffnen und entleeren. Neuerdings sind auch Wecker auf dem Markt, die nicht klingeln, sondern vibrieren. So kann auch derjenige geweckt werden, der sein Hörgerät herausgenommen hat und dennoch pünktlich aufstehen will.

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Das Projekt “Sentha – Seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag“ wurde von einer interdisziplinären Forschergruppe ins Leben gerufen, um die Bedürfnisse Älterer an Produkte des häuslichen Alltags zu untersuchen. Es werden auch neue, seniorengerechte Produkte entwickelt (Institut für Produkt- und Prozessgestaltung der Universität der Künste Berlin – For-schergruppe sentha). Insbesondere Konzepte, die an der Verbesserung von Serviceleistungen ansetzen und z. B. dem Wunsch nach besserer Erreichbarkeit, klarer Orientierung, Kundenberatung, Ruhe an der Kasse und Einpackhilfen gerecht werden, können auch altersübergreifende Nutzenvorteile schaffen.

Kommunikationspolitik/Promotion

Viele Produkte – z. B. im Bereich der Unterhaltungselektronik, vom Computer bis zum Handy – verfügen zwar potenziell über einen hohen Mehrwert für Senioren, zielgruppenadäquate Produktinformation und Pro-duktgestaltung erfolgen jedoch nicht ausreichend. Wer seniorengerechte Produkte vermarkten will, muss sich mit der Frage beschäftigen, wie ältere Verbraucherinnen und Verbraucher angesprochen werden wollen. Die Produkte müssen den Bedürfnissen dieser Zielgruppen entsprechen, dürfen aber nicht seniorengerecht heißen. Insbesondere dürfen sich die KäuferInnen nicht stigmatisiert fühlen. Gerade die 50- bis 65-Jährigen se-hen sich selbst nicht als “Senioren”. Sie kaufen keine “Seniorenprodukte”, wollen keine Ghetto-Waren und keine Ghetto-Werbung, so die Erkenntnis des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Dies gilt vor allem mehr in Bereichen, in denen sich das Alter noch ignorieren lässt. Ein Produkt, das als Seniorenware angeboten wird, setzt sich am Markt nicht durch, wie ein Beispiel aus den USA zeigt. Der Autokonzern Mercedes hat dort die Modelle seiner neuen R-Klasse als Autos für die “Empty-Nesters“ angeboten, d. h. für ältere Menschen, deren Kinder flüg-ge geworden sind. Viele Autohändler beschwerten sich und verlangten, die Werbung einzustellen. Niemand kaufe ein Auto, mit dem er sich als Senior zu erkennen gibt.

Viele Produkte wären zwar für SeniorInnen nützlich, eine zielgruppena-däquate Produktinformation und Produktgestaltung erfolgt jedoch nicht ausreichend. Die Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik�� plädiert deshalb dafür, von benutzergerechten Produkten zu sprechen. Was für Senioren gut ist, nutzt in aller Regel auch jüngeren Konsumenten. Dies gilt aber nicht im Umkehrschluss. Produkte, die junge Leute bedienen können, wie z. B. Handys mit extrem kleinen Knöpfen, sind nicht unbedingt für Senioren geeignet. Die Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik bezeichnet deshalb – sprachlich etwas gewagt – Senioren als “Lupe aller Konsumenten“.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen beklagt, dass es eine mangelnde Transparenz über die Vielfalt dieser Produkte gibt.�� Außerdem haben viele Ältere Schwierigkeiten, diese Produkte

48 Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai 2006 in Bonn, Geschäftsführerin Martina Koepp49 Dr. Erika Neubauer Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai in Bonn

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auch zu beziehen. Befragungen haben ergeben, dass nur 28 Prozent der Unternehmen sich stärker auf die Zielgruppe Älterer einrichten.�0 Dies hängt mit dem sich nur zögerlich verändernden Altenbild zusammen. Der Geschäftsführer des Stadtmarketings Duderstadt bestätigt, dass sich viele Einzelhandelsbetriebe scheuen, in ihren Werbeaussagen Ältere direkt anzusprechen.�� Sie fürchten Imageverluste bei den Angehörigen anderer Altersgruppen. Von dieser These hält das Ministerium der Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW wenig.�� Es räumt aller-dings ein, dass in den Köpfen mancher Marktteilnehmer noch immer so etwas wie Jugendwahn besteht. Es dauere lange, bis sich daran etwas ändere. Werbung für Senioren sei heute nicht mehr stigmatisierend. Die Deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik beobachtet sogar, dass die Bereitschaft der Unternehmen, sich mit seniorengerechten Produkten auseinander zu setzen, deutlich gestiegen ist.

Trendsetter passen ihre Produkte den Bedürfnissen Älterer an. Und sie schaffen den Spagat, seniorenkompatible Produkte nicht als „alt“ zu ver-markten. Berühmt wurde das mutige Konzept für die Marke Nivea Vital. Ab 1995 brachte Hersteller Beiersdorf die Serie “Nivea Vital – Pflege für die reife Haut“ auf den Markt. Die Produkte gehören zu den ersten, die sich an Frauen über 50 Jahren richten. Da Haut sich mit den Jahren offen-sichtlich ändert, wird ein „reifes“ Produkt in diesem Segment als legitim wahrgenommen. Die Marke wurde jedoch beworben mit einer dem mo-dernen Lifestyle entsprechenden Kampagne (Agentur: TBWA), in deren Mittelpunkt eine sportlich-elegante Frau mit grauen Haaren und einem alterslosen Gesicht steht. Motto: „50 ist klasse.“ Heute ist die Tagescreme der Serie eine der drei meistverkauften in Deutschland.

Die Älteren sind immer häufiger in Werbekampagnen zu sehen, sei es in TV-Spots der Sparkasse, von Mercedes oder beim Bierbrauer Veltins. Werbeexperten rügen, dass alte Leute in der Werbung noch häufig als Klischees, z. B. als kauziger Alter, netter Opa oder Strandwanderer und nicht in ihrer Lebenswirklichkeit dargestellt werden. Es müsse umgedacht werden.

Einige Anbieter nutzen allerdings altersbedingte Verhaltensweisen und Informationsdefizite aus. Die Verbraucherberatung weist auf die Themen Haustürgeschäfte, Verkaufsfahrten mit den immer wieder angesprochenen Wärmedecken und Gewinnversprechen hin. Offensichtlich fühlen sich auch manche KundInnen von Kreditinstituten und Versicherungsgesell-schaften zuweilen zu einem überhasteten Vertragsabschluss gedrängt.��

Nach Angaben der Verbraucherzentralen gibt es nur in Ausnahmefällen spezifische Klagen aus Seniorensicht. Meist wird die Kritik generationen-übergreifend geäußert.

50 Dr. Beate Wieland, Ministerium der Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW, am 29. Mai in Bonn51 Gespräch mit Hubertus Werner am 12. Juni 2006 in Duderstadt52 Dr. Beate Wieland, am 29. Mai 2006 in Bonn53 narrative Gesprächsrunde am 28. Juli 2006 in Familienferienzentrum am Pferdeberg in Duderstadt

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Distributionspolitik

Während das traditionelle Seniorenmarketing unter dem Stichwort Mangel- oder Defizitmodell noch von einem generellen Nachlassen aller Fähigkeiten mit zunehmendem Alter ausging, berücksichtigt die Werbung heute, dass manche Potenziale älterer Menschen durchaus anwachsen. So verfügen Ältere beispielsweise häufiger über einen reichhaltigeren Wortschatz als Jüngere. Gerade aber die richtige Einschätzung der Besonderheiten älterer Kunden ist im Verkauf wichtig. Für den Vertrieb gilt die Maxime: Nicht über das Alter der Kunden reden, aber immer daran denken. So ist zu berücksichtigen, dass in der Regel im Alter die Sehfähigkeit abnimmt. Das gilt zum Beispiel für das räumliche Sehen und die damit verbunden Orientierungsprobleme in großen Räumen.

Es kann vorkommen, dass ältere Kunden Produkte nicht finden, obwohl sie schon des Öfteren in dem Laden eingekauft haben. Das führt zu Misserfolgserlebnissen, mit der Konsequenz, dass dieser Laden nicht mehr aufgesucht wird.

Im Marketing werden drei Gruppen unterteilt: die tatsächlichen, die ehe-maligen und die möglichen Kunden. Bei der ersten Gruppe geht es darum, die Kundenbedürfnisse zu erkennen und Sortiment- bzw. Serviceleistungen anzupassen und ggf. Mitarbeiter zu schulen. Dabei ist zu beachten, dass sich nur die wenigsten tatsächlichen Kunden äußern, wenn sie unzufrie-den sind. Jeder Beschwerde sollte deshalb nachgegangen werden. Dazu dient auch ein Beschwerdekasten. Es ist wichtig, die Zielgruppen mit ihren Bedürfnissen und Wünschen zu kennen. Ältere Verbraucher klagen häufig über die Öffnung von Verpackungen. Sie wechseln den Hersteller, wenn sie mit einer Verpackung unzufrieden waren. Häufig funktionieren Öffnungsmechanismen wie Aufreißfäden nicht. Das gilt nicht zuletzt für Wurst und Käse. Die Größe von Verpackungen ist ein häufig geäußertes Problem von Senioren. Sie haben häufig Probleme beim Entnehmen von Ware aus den Regalen. Auch beim Transport kommen sie mit großen Mengen und/oder sperrig verpackten Produkten schlecht zurecht. Seni-oren sind oft Singles und brauchen meistens nur eine kleine Portion einer Mahlzeit. Entweder gibt es diese nur in geringer Auswahl oder sie sind teurer als größere Packungen.

Die Kaufentscheidung der “reifen Generation” wird zukünftig oftmals über den Erfolg und den Fortbestand von Unternehmen entscheiden. Wer in Zukunft wachsen will, muss seine Produktentwicklung und sein Marketing verstärkt auf die “reifen” Kunden ausrichten – er muss also sein Unternehmen “demographiefest” machen. Aber nicht jedes Unternehmen kann auf diesem Markt ohne weiteres bestehen und das Potenzial einfach abschöpfen. Die “Generation 55plus” stellt höhere und differenziertere Anforderungen an Hersteller, Handel und Dienstleistungsunternehmen als die junge Kundschaft, die ihr Geld häufig weniger kritisch ausgibt. Hersteller und Handel benötigen also Strategien, mit denen sie auf dem “reifen Markt” der Zukunft erfolgreich auftreten können. Der demogra-phische Wandel ist für alle Geschäftsmodelle relevant, auch für die, die sich nur an junge Kunden wenden.

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Ältere Personen legen offenbar besonderen Wert auf gute persönliche Beratung. Das gilt im Einzelhandel direkt, aber auch bei der Informati-onseinholung in Verbraucherzentralen. Dr. Erika Neubauer von der Bun-desarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO, Bonn) regt deshalb Kooperationen zwischen Verbraucherzentralen und Seniorenver-bänden an. Herbert Lechner von der Gesellschaft für Konsumforschung AG in Nürnberg sieht enge Grenzen bei der Discounterisierung des Handels. Die Zuwächse bei den großen Discountern nehmen schon jetzt ab. Das hat auch etwas mit dem demographischen Wandel zu tun. Die Fixierung auf den Preis geht zurück, es geht immer mehr um den Mehrwert eines Produktes und die Beratungsdienstleistung.��

Universal Design hat den Anspruch, Funktion, Komfort und Ästhetik positiv miteinander zu vereinen, also einfach für Jung und Alt, für Behinderte und Nichtbehinderte ganz individuell nach ihrem jeweiligen Wissens- und Er-fahrungsstand problemlos genutzt werden zu können und gut auszusehen. Es soll gerade nicht der Eindruck entstehen, dass Produkte für eine ganz spezielle Zielgruppe und deren spezielle Bedürfnisse gestaltet wurden.

Wer auf seniorengerechte Produkte angewiesen ist, schätzt es besonders, wenn seine Gebrauchsgegenstände keinen “geriatrischen Touch“ haben, sondern “normal“ aussehen und niemandem auffallen. Technologien sol-len sich an die Bedürfnisse von Menschen anpassen, nicht umgekehrt. Die Fortschrittsformel kann nicht mehr lauten: schneller, kleiner, schöner, sondern: einfacher, größer, besser. Qualitätsverbesserungen kommen allen zugute, oft sind es Vereinfachungen, die nicht mit Zusatzkosten verbunden sind. Zielsetzung ist also, Komplexität moderner Produkte zu reduzieren, statt wie bislang nur das technisch Mögliche auch in ein Gerät aufzunehmen. Barrierefreiheit beginnt danach an der Schwelle zur Wohnung genauso wie an der zum Internet.��

Noch ist die Jugend eine stil- und marktbeherrschende Zielgruppe, obwohl die Alten über ein jährliches Einkommen verfügen, das in die Hunderte von Milliarden Euro geht. Universal Design bringt zwar Vorteile für alle, jedoch ignorieren die meisten Hersteller dieses Thema, als befürchte man, ein Negativ-Image aufzubauen. So bringt das Design-Magazin „form“ das Beispiel des “Senioren-Porsche“ Cayenne, in den auch Rheumapatienten bequem einsteigen können. Statt das als Verkaufsargument aufzugreifen, fürchtet der Sportwagenhersteller um sein jugendliches Image.

Die “jungen Alten“ von morgen werden ihren individuellen Lebensstil bei-behalten wollen. Das Alter wird das einzige gemeinsame Merkmal sein, dass sie untereinander verbinden wird, sie werden also keine eindeutige Zielgruppe bilden, die man klar umreißen und bedienen könnte. Wer Pro-dukte so gestaltet, dass sie für alle Altersgruppen funktionieren, erweitert seinen Kundenkreis. Das Leben geht weiter und mit ihm der Wunsch, sich selbstständig in der Umwelt bewegen zu können. Voraussichtlich ab

54 Bonn, 29. Mai 200655 Vgl. Pöppel, Ernst, in: form 206, Sonderheft: Universal Design, Juli/August 2006

http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf, S. 4ff.

eInfacH fÜr alle: unIversal DesIgn

Seniorenwirtschaft

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2035 werden die SeniorInnen die Mehrheit der Konsumenten stellen. Ihre Wünsche kommen allen zugute: einfache Dinge, die Intelligenz als Gestal-tungsleistung verstehen, nicht als aufgepfropfte technische Funktion.

Jung entwirft für Alt: Die meisten Gestalter könnten Enkel der angepeilten Generation Plus sein. Um Fehleinschätzungen auszuschalten und zugleich Stereotype zu erforschen, nutzte das Berliner Projekt sentha einen Senio-renbeirat, der Erfahrungen und Eindrücke aus der eigenen Lebenswelt in die Gestaltung und Bewertung von neuen Produkten einbrachte.��

BSH Bosch hat das Konzept „Design für alle“ eingeführt, also eine Produktgestaltung für junge Menschen und Senioren. Bisher hatte das Unternehmen keine Seniorenprodukte hergestellt, inzwischen ist eine Waschmaschine im Programm, die mit großem Display und Klarschrift statt Symbolen sowie je vier große Tasten rechts und links davon ausge-stattet, mit der die meisten Nutzer zurechtkommen.

Reine Seniorenmöbel sucht man beim Polstermöbelhersteller im west-fälischen Spenge vergebens. Das Unternehmen bietet den Älteren alten-gerechte und seniorengerechte Möbel an. Die Generation 50plus ist stolz auf ihr Alter, aber nicht bereit, Spezialmöbel für Betagte zu kaufen. Häufig sind Sitzhöhe, Tiefe der Sitzfläche oder die Armlehnen verstellbar. Zum Pro-gramm gehört auch ein Sessel mit motorisierter Neigevorrichtung, damit das Aufstehen leichter fällt. Das sind alles Funktionen, die auch die junge Generation schätzt. Für die Bequemlichkeit gibt es keine Altersgrenze.

Japans Senioren sind fit, schlank, aktiv und wohlhabend. Sie sind eine Macht im Land. Derzeit ist jeder fünfte der rund 127 Millionen Einwohner über 65 Jahre alt, mit steigender Tendenz. 2015 wird jeder Vierte, 2050 jeder Dritte Rentner sein. Japans Einwohner haben die weltweit höchste Lebenserwartung, und Japan führt wegen der geringen Geburtenrate beim weltweiten Trend der rapide alternden Gesellschaften. Anders als in Deutschland ist das Pensions- und Rentenalter mehr eine statistische Größe. Fast jeder Japaner arbeitet nach Ende seines ersten Berufslebens weiter. Er macht sich selbstständig oder übernimmt eine Stelle als Teilzeit-kraft, Putzhilfe oder Wachmann. Die wenigsten Japaner verlassen sich auf die strapazierten Rentenkassen. Die Privatvorsorge ist für sie seit vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit.

Die finanzielle Absicherung der japanischen Senioren ist insgesamt sehr gut. Sie sind eine sehr attraktive, wachsende und heftig umworbene Zielgruppe. Nach Schätzungen des japanischen Wirtschaftsministeriums hat allein der so genannte “Silbermarkt“ für Pflege-, Gesundheits- und Hilfsprodukte ein Volumen von 30 Mrd. Euro. Analysten erwarten davon einen kräftigen Wachstumsschub, da Japans Senioren mehr als die anderen Bevölkerungsgruppen ausgegeben und immer mehr zu einer wichtigen Konjunkturstütze werden. Vor allem die Reisebranche und die Vermögensverwalter schätzen die Pensionäre. Das Reisebüro Kintetsu

56 Herwig, Oliver: „Die jungen Alten“, form 206, Sonderheft: Universal Design, Juli/August 2006 http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf, S. 3–8

exkurs: senIorenwIrt-

scHaft In japan

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international bietet 200 Interessenclubs an, mit denen Gleichgesinnte Weltreisen unternehmen. Die Finanzinstitute schalten aufwendige Werbe-spots, die sich an diese Kunden richten, und bieten auf sie zugeschnittene Dienstleistungen.

Japanische Mobilfunkgesellschaften bieten Handys mit größeren Tasten an. Sie sind einfacher zu bedienen als die High-Tech-Turboversionen für die Jugend. Japans größter Sanitärhersteller entwickelt laufend neue Toiletten und Badezimmereinrichtungen für ältere Kunden, die im reinlichkeitsbe-dachten Japan auch von der jüngeren Generation sehr geschätzt werden. Ein Beispiel ist eine Toilette, die sich von allein öffnet und selbstständig reinigt. Sie kann auf Wunsch mit verschiedenen Stützfunktionen für pfle-gebedürftige Menschen geliefert werden. Die Kosmetikbranche geht sehr offensiv auf die Seniorengeneration zu. Marktführer Shiseido veranstaltet in Kaufhäusern und Pflegeheimen Seminare für “erfolgreiches Altern“ und investiert darüber hinaus auch in die Forschung für entsprechende Produkte. Ein Beispiel ist ein Pulver, das mithilfe nanotechnologischer Lichtspiegelungen Falten kaschiert.

Die japanischen Hersteller vermeiden es, beim Produktmarketing das Alter in den Vordergrund zu stellen. Die Pensionäre fühlen sich nicht alt und wollen auch entsprechend behandelt und angesprochen werden. Die Marketingabteilungen vieler Unternehmen haben sich deshalb auf das Konzept „Universal Design“ verständigt, dass die Nutzung quer durch alle Altersgruppen suggeriert. Das Nobelwarenhaus Matsuya auf der Tokioter Glitzermeile Ginza hat etwa 200 Universal Design-Produkte im Sortiment, die oft ganz unauffällig Altersprobleme kaschieren. Beispiele sind mo-dische Garderobe mit weiter geschnittenen Schultern oder größeren Knopflöchern, rutschfeste Badematten oder extra laute Wecker.

Noch sind nur sieben von 100 Chinesen älter als 65 Jahre. Weil die Gebur-tenzahlen infolge der Einkindpolitik der Regierung seit 1980 sinken und weil gleichzeitig die Lebenserwartung der Chinesen noch steigt, wird es jedoch bald mehr alte und weniger junge Chinesen geben. Schon in 20 Jahren wird sich der Anteil der Bürger über 65 Jahre in China verdoppelt, in 40 Jahren mehr als verdreifacht, vielleicht sogar vervierfacht haben.

Obwohl die Einkindpolitik vor allem auf dem Lande nicht ausnahmslos durchgehalten worden ist, wurde das Gleichgewicht zwischen den Ge-schlechtern nachhaltig gestört. Chinesische Familien wünschen sich vor allem Söhne, auch weil nur Söhne traditionell zum Unterhalt der Eltern verpflichtet sind. Wenn das erste Kind eine Tochter ist, dürfen die Eltern auf dem Land noch einmal versuchen, einen Sohn zu bekommen. Ultraschall-diagnostik und selektive Abtreibungen sorgen dafür, dass zweite oder gar dritte Geburten meist Söhne werden. Schon in 15 Jahren werden mehr als 30 Millionen junge Chinesen keine einheimische Frau finden können.

Viele junge Chinesen in den Städten sind Einzelkinder. Wenn sie heiraten, stellt sich die Frage, ob die junge Familie irgendwann einmal für vier alte Menschen sorgen kann und ob der Tradition entsprechend die junge Frau eher die Eltern ihres Mannes als ihre eigenen pflegen soll. Hinzu kommt, dass es für die Mehrheit der Chinesen, die immer noch auf dem Lande

exkurs: DemograpHIscHer wanDel In cHIna

Seniorenwirtschaft

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lebt, praktisch keine soziale Sicherheit jenseits der eigenen Familie und der Kinder gibt. Zudem geht der Verstädterungsprozess mit der Auflösung der erweiterten Familie und der Durchsetzung der Kernfamilie einher, was die Versorgung der Alten im Haushalt erschwert.

Die Abwanderung unterbeschäftigter Bauern in die Stadt sorgt weiterhin dafür, dass die Wirtschaft Arbeiter findet. Weil die Familien die Absi-cherung der Alten immer weniger leisten können, stellt sich die Frage nach der Belastbarkeit des chinesischen Staates. Noch betragen Chinas Staatsschulden rund ein Sechstel seines Bruttoinlandsprodukts. Aber die Übernahme „fauler“ Kredite der Staatsbanken an die Staatsbetriebe allein würde die Staatsschulden mehr als verdoppeln. Die Kapitaldeckung für mindestens einen Teil der künftigen Rentenansprüche der Städter, die Chinas Führung anstrebt, setzt die Weiterentwicklung der Kapitalmärkte und angemessene Kapitalerträge voraus. Während der Westen erst reich wurde und jetzt ergraut, wird China also grau sein, bevor es wirklich reich geworden sein kann.��

57 FAZ vom 11. September 2006, S. 12

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7 gestaltungsfelderder

senIorenWIrtschaft

Das Altern der Gesellschaft ist nicht nur mit Belastungen und Risiken verbunden, sondern es bietet auch Perspektiven für Wirtschaft und Beschäftigung. Der Begriff Seniorenwirtschaft greift diese Chancen auf und macht deutlich, dass alte Menschen nicht eher Last für das soziale System sind, sondern eine bisher vernachlässigte wirtschaftlich potente und politisch starke Gruppe, deren Gewicht in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird.

Die übergeordneten Ziele der Seniorenwirtschaft sind gesellschaftspoli-tischer Natur und zielen darauf ab, SeniorInnen mehr Möglichkeiten zur Teilhabe und zur Selbstverwirklichung zu eröffnen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Zum anderen sind sie ökonomisch orientiert und wollen zur Erschließung der Kundengruppe SeniorInnen beitragen und die Wirt-schaft dahin gehend sensibilisieren, angemessene Produkte und Dienst-leistungen für Ältere zu entwickeln und zu vermarkten.

Die bisherigen Erfahrungen vor allem in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass sich eine so verstandene (Sozial-)Politik für ältere Menschen durchaus mit dem marktwirtschaftlich orientierten Denken von Unternehmen in Einklang bringen lässt und dass es im Interesse des Gemeinwohls ist, diese unterschiedlichen Ziele zusammenzubringen.

Eine klar konzipierte seniorenorientierte Wirtschafts- und Beschäftigungs-förderung erfolgt weder bei der Stadt noch im Landkreis Göttingen. Sowohl die Verwaltungschefs der kreisangehörigen Kommunen als auch Gesell-schaften wie WRG, GWG und Wirtschaftsförderung- und Erschließungs-gesellschaft Hann. Münden bestätigen, dass ihre Arbeit nicht spezifisch seniorenorientiert ausgerichtet ist. Insbesondere bei WRG und GWG wird aber attestiert, dass die Senioren angesichts ihrer steigenden Bedeutung in der Gesellschaft erhöhter Aufmerksamkeit bedürfen. Dies gelte jedoch weniger für öffentliche Initiativen als für die strategische Ausrichtung privater Leistungsanbieter.

Als zentraler Wert unserer Gesellschaft ist Wohnen Ausdruck von Indivi-dualität, Selbstbestimmung, Repräsentation und Lebensqualität und ist damit ein wichtiger Faktor in der Seniorenwirtschaft. Ältere Menschen verbringen mit zunehmendem Alter einen immer größeren Teil ihrer Zeit zu Hause. Durch gesundheitliche Einschränkungen verringert sich der Ak-tionsradius, und die Bedeutung des Wohnumfeldes für die Lebensqualität steigt. Beziehungen und Kontaktmöglichkeiten bieten Unterstützung und gleichzeitig die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten aktiv ins Gemeinschafts-leben einzubringen. Besonders für allein lebende Menschen spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle. Abgesehen vom ideellen Wert der eigenen Wohnung tragen zusätzlich die oft niedrigen Mieten (aufgrund langjähriger Mietverhältnisse) dazu bei, dass die Bereitschaft, das vertraute Umfeld zu verlassen, gering ist. Doch dem Wunsch des Verbleibens in der hei-mischen Umgebung bei aufkommender Pflegebedürftigkeit sind in der Praxis oft Grenzen gesetzt. Diese bestehen einerseits in der Finanzierung

woHnen

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von Unterstützungsdienstleistungen, deren Qualität und Koordination, aber auch im zunehmenden Verlust familiärer Hilfepotenziale, z. B. durch die hohe Arbeitsmobilität der jüngeren Generationen.��

In den vergangenen Jahren wurden technologische Neuerungen entwi-ckelt, die das Leben in den eigenen vier Wänden unterstützen. Trotz der genannten Probleme verfügen ältere Menschen heute über eine Vielzahl von Möglichkeiten und Hilfen, ihr Leben in den eigenen vier Wänden selbst-bestimmt so lange wie möglich weiterzuführen. In den verschiedenen Wohnformen und Wohnbedürfnissen spiegeln sich die soziokulturellen Un-terschiede wider. Abhängig von Alter, Wohnort, Familienstand, Haushalts-größe, Vermögen, Bildungsstand und eventuellem Migrationshintergrund bestehen höchst unterschiedliche Voraussetzungen und Ansprüche bzw. Fähigkeiten, das Wohnen im Alter zu planen und gestalten. Angesichts fortschreitender gesellschaftlicher Ausdifferenzierung von Lebensstilen ist davon auszugehen, dass sich diese Unterschiede, vor allem unter den “jüngeren Älteren“, weiter ausprägen werden und dass mit höchst differenzierten Nachfragemustern zu rechnen ist.

Die Nachfrage nach altengerechten Wohnformen wird aufgrund der de-mographischen Veränderungen in den kommenden Jahren zunehmen. Für bestimmte Altersgruppen lassen sich generalisierende Annahmen bezüglich ihrer Wohnbedarfe treffen��:

Die Wohnbedürfnisse der “Jungsenioren“ (etwa 60–70 Jahre) sind durch Komfort- und Freizeitorientierung geprägt. Aufgrund der meist vorange-gangenen Konsolidierung der Wohnsituation ist die Mobilität in dieser Lebensphase relativ gering.�0

Im Alter der “Senioren“ (etwa 70–80 Jahre) entstehen die ersten Bedarfe für vorpflegerische Hilfeleistungen, die häufig noch Komfortcharakter haben, aber dazu beitragen, eine selbstständige Lebensführung aufrecht-zuerhalten. Nun werden dementsprechend Wohnraumanpassungsmaß-nahmen, Betreutes bzw. Service-Wohnen und Angebote der Altenhilfe interessant.

In der Gruppe der “Hochbetagten“ (über 80 Jahre) steigt die Pflegefallwahr-scheinlichkeit an. In dieser Altersgruppe gewinnt die Pflegeeignung der Wohnung im Zusammenhang mit aufsuchender Betreuung an Bedeutung (z. B. ausreichende Bewegungsflächen, Ausstattung des Badezimmers und Dienstleistungen wie hauswirtschaftliche Hilfen, Essen auf Rädern etc.), ebenso die ambulante und auch die stationäre Pflege.��

Im Gegensatz zu Begriffen wie seniorengerecht, altengerecht, behinder-tenfreundlich und barrierearm, die unterschiedlich ausgeprägte Formen der Gebäudeausstattung und Umfeldgestaltung im Hinblick auf die Bedürf-nisse Älterer und behinderter Menschen beschreiben, ist “Barrierefreiheit“ ein gesetzlich festgelegtes baulich-technisches Qualitätsmerkmal.

58 Steffens et al. 2004, S. 759 Eichener 200460 Vgl. auch LTS 2005: “Perspektiven der Wohnungsnachfrage. Wohnungsprognose 2010/2015“, Woh-nungsnachfragemuster nach Lebensphasen, S. 1561 Steffens et al. 2004, S. 9

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Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf Bundesebene

schreibt Barrierefreiheit für neu gebaute oder zu sanierende öffentliche Räume vor. Barrierefrei bedeutet, dass jeder Mensch alle Bereiche seines Lebensraums betreten, befahren und weitgehend ohne fremde Hilfe be-nutzen kann. “Barrierefrei” bezieht sich nicht nur auf das Wohnen Älterer, sondern im Sinne von “Universal Design“ auf alle: Alte, Junge, Kinder, Kran-ke und Behinderte.�� Die Niedersächsische Bauordnung schreibt seit 2003 vor, dass bei Neubauten mit mehr als vier Wohnungen, die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei sein müssen. In jeder achten Wohnung eines Gebäudes müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische zusätzlich rollstuhlgerecht sein, wenn dies nicht mit unverhältnismäßigem Mehraufwand verbunden ist.��

Die DIN 18 025 Teil 2 legt die Standards für behinderten- und pflegege-rechten Wohnraum fest. Sie enthält Vorgaben zu notwendigen Bewe-gungsflächen, zur Vermeidung von Stufen und Schwellen beim Zugang zur und innerhalb der Wohnung sowie notwendige Türbreiten und Höhen von Bedienungselementen. DIN 18 025 Teil 2 hat sich nach ihrer Einführung zum Standard für altersgerechtes Bauen entwickelt, dessen Einhaltung bei Neubauten Mehrkosten in einer Größenordnung von lediglich rund fünf Prozent erfordert.

Normgerecht “barrierefrei“ wird bisher in erster Linie im öffentlichen Raum, in Pflegeeinrichtungen sowie bei neuen Objekten gebaut. Barrierefreiheit in älteren Gebäuden umzusetzen ist baulich schwierig (vielfach fehlt Platz für einen Lift) und meist unwirtschaftlich.��

Der Begriff “seniorengerecht“, der streng genommen auch die Qualität des Wohnumfeldes umfasst, wird im Folgenden lediglich auf die tech-nisch-bauliche Eignung der Wohnung für das Leben im Alter bezogen. Es sind Fragen wie diese zu diskutieren: Welche Ansprüche bestehen an das Wohnen im Alter? Wie wohnen Menschen über 50 in Stadt und Landkreis Göttingen? Welche Angebote gibt es und wo liegen Versorgungsdefizite? Welche Strategien verfolgen Anbieter bezüglich der wachsenden Nach-fragergruppe der SeniorInnen?

Die Antworten auf diese Fragen lassen ein Bild entstehen, das Chancen oder Defizite im Bereich Wohnen im Untersuchungsraum aufzeigen. An-schließend werden aktuelle Trends benannt und Vorbilder aus anderen Regionen vorgestellt. Daraus werden Handlungsempfehlungen für Siche-rung und Schaffung von Beschäftigung durch die Seniorenwirtschaft im Bereich des Wohnens abgeleitet und bewertet. Die verschiedenen Wohn-angebote für ältere Menschen werden gesondert untersucht. Ausgehend von dem quantitativ umfangreichsten Bereich des traditionellen Wohnens im eigenen Zuhause, prüft die Studie das Angebot im Bereich des so genannten Betreuten oder Service-Wohnens, dem Wohnen in stationären Einrichtungen (Alten bzw. Pflegeheime) und untersucht einige der in den letzten Jahren entstandenen neuen Wohnformen, beispielsweise das selbst organisierte gemeinschaftliche Wohnen in Hausgemeinschaften.

62 KDA 200563 http://www.baurecht.de/landesbauordnung-niedersachsen.html64 Steffens 2005, S. 15

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Wohnen zu Hause

„Wir haben ein Haus im Grünen für uns alleine. Als unsere Kinder aus-gezogen sind, wollte meine Frau unbedingt, dass wir ins Erdgeschoss ziehen. Heute bin ich froh darüber, dass sich meine Frau durchgesetzt hat. Jetzt haben wir nur noch vor dem Haus Stufen.“ (Hann. Münden)

„In der Altstadt von Hann. Münden ist praktisch kein Haus seniorenge-recht. Fahrstühle kann man auf dem Hof nicht bauen – das wird nicht genehmigt. Innerhalb der Häuser geht das erst recht nicht. In Hann. Münden stehen schon 200 Häuser leer, die nicht vermietbar sind.“ (Hann. Münden)

„Viele Ältere würden gerne in der Innenstadt wohnen, aber nur, wenn es dort auch Fahrstühle gebe. Es wäre doch prima, wenn man die Woh-nebenen der Häuser miteinander verbinden würde und für mehrere Gebäude auf dem Hinterhof Fahrstühle installieren würde. Ich würde mich an der Vorbereitung gerne beteiligen und eine Bestandsaufnahme machen.“ (Duderstadt)

„Ich bin jetzt 80 und habe mich auf mein Alter eingestellt. Man muss akzeptieren, alt zu werden. Ich reise gerne, man muss aber auch eine altersgerechte Wohnung haben. Ich habe nur ein ganz großes Problem, das Schneeschippen im Winter, das schaffe ich einfach nicht.“ (Hann. Münden)

„Ich wohne im zweiten Stock. Das Treppensteigen macht mir nichts aus, ich habe neue Kniegelenke. Am Armband habe ich einen Sender, darüber bin ich mit dem ASB verbunden, der auch einen Schlüssel für meine Wohnung hat. Das kostet zwar 35 Euro im Monat, ist mir aber sehr wichtig. Bei Pflegestufe I übernimmt die Pflegekasse diese Kosten bei einem Eigenanteil von 8 Euro. Teilweise übernehmen das auch die Krankenkassen nach einer geriatrischen Diagnose, wenn z. B. Sturzgefahr besteht. Die Frage ist doch nur, wer informiert die Senioren darüber?“ (Hann. Münden)

„Ich bin schon in zwei Heimen angemeldet, aber will so lange wie möglich in meiner Wohnung bleiben. So lang man noch selbstständig wohnen kann, macht man das, bedeutet auch Freiheit und Individuali-tät!” (Göttingen)

„Ich wohne mit meiner Tochter und meiner Enkeltochter zusammen. Für meine Tochter erledige ich den ganzen Schriftverkehr. Neulich war ich eine Woche weg, als ich zurückkam, fand ich einen Zettel auf den Küchentisch. Dort hieß es, es wird Zeit, dass Du zurück bist, Du fehlst uns.“ (Hann. Münden)

„In meine Dusche komme ich nicht mehr rein, deshalb kommt immer eine junge Frau, die mich zweimal die Woche duscht. Ein Umbau der Dusche würde 2.000 Euro kosten. Die Baugenossenschaft hat mir gesagt, dass das meine Krankenkasse bezahlen müsste. Da ich aber noch nicht in der Pflegeversicherung bin, zahlt sie nicht.“ (Göttingen)

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Bei der Wertschätzung des Wohnens zu Hause wird oft übersehen, dass der eigene Wohnraum eine Reihe von Risiken aufweist. Dies können Trep-pen, Stufen, Stolperfallen an Teppichen und Barrieren sein. Besonders in Altbauten bergen schadhafte Installationen, geringe Bewegungsflächen, unfallträchtige Badezimmer mit fehlenden Haltegriffen oder Türschwellen erhebliche Einschränkungen und Verletzungsgefahren. Eine rechtzeitige Anpassung des Wohnraums an die veränderten Bedürfnisse des Alters kann so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Eigenständigkeit leisten und einer Pflegebedürftigkeit entgegenwirken.

Die altersgerechte Anpassung einer Wohnung – z. B. durch Installation von Haltegriffen und Geländern, den Einbau eines Aufzuges oder Trep-penlifters, die Beseitigung von Türschwellen oder die Installation einer bodengleichen Dusche – tragen dazu bei, körperliche Beeinträchtigungen zu kompensieren. Anpassungsmaßnahmen müssen individuell auf die spezifische Wohnsituation zugeschnitten sein und am besten so gestaltet werden, dass sie erweitert werden können. Deshalb sind qualifizierte Be-ratungsangebote wichtig. Bereits kleine Maßnahmen, wie das Umstellen der Möbel und die Entfernung von Stolperfallen, können risikomindernd sein und die Wohnqualität erhöhen. Darüber hinaus sind auch Hilfe- und Betreuungsmöglichkeiten (Familie, Hausnotrufsysteme, ambulante Dien-ste) bedeutsam, um auch bei entstehendem Pflegebedarf nicht umziehen zu müssen.65

Gesunde ältere Menschen, also solche, die keine Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, lassen sich statistisch praktisch nicht von anderen Altersgruppen unterscheiden. Um dennoch zu Aussagen über die Quantitäten des Wohnstatus älterer Menschen in den Kommunen des Untersuchungsraums zu kommen, wurden Daten des Niedersäch-sischen Landesamtes für Statistik (NLS) in Verbindung mit weiteren regionalstatistischen Studien ausgewertet. Sie geben Auskunft über die Altersstruktur in den Gemeinden und über den Bestand an Wohngebäuden und Wohneinheiten. Die Landestreuhandstelle berechnet die so genannte Eigenheimquote, die eine Annäherung an das Verhältnis der im Eigentum und zur Miete wohnenden Bevölkerung ermöglicht.

Es erscheint sinnvoll bezüglich des Wohnens im Alter zwischen Mietern und Bewohnern von Eigentum zu differenzieren, da sich trotz ähnlicher Probleme unterschiedliche Lösungen zur Steigerung der Lebensqualität zu Hause anbieten. Mieter sind auf den Wohnungsmarkt und dessen Angebot angewiesen und müssen evtl. den Wohnort wechseln, falls die derzeitige Wohnung ein Verbleiben im Alter nicht erlaubt. Eigentümer se-hen sich mit der Verantwortung konfrontiert, die Anpassung ihrer Wohnung an die Bedürfnisse des Alterns selbst zu organisieren, zu gestalten und zu finanzieren, sofern sie planen, ihren Lebensabend dort zu verbringen.

Zwar existiert auf Bundesebene eine ganze Reihe von Untersuchungen be-züglich der Wohnwünsche und Probleme älterer Menschen, auf regionaler Ebene sind derartige Informationen jedoch nur für Teilräume verfügbar.66 Um eine realitätsnahe Einschätzung der Situation in Stadt und Landkreis

65 Vgl. Bertelsmannstiftung et al. (Hrsg.) 2005, S. 1366 GEWOS 2005: “Göttingen 2020.- Wohnungsmarktanalyse und –prognose“

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Göttingen zu erhalten, führte der Regionalverband Südniedersachsen Bürgerbefragungen an verschiedenen Orten des Landkreises durch. Zwar kann die Befragung aufgrund der geringen Größe der Stichprobe nicht als repräsentativ gelten, dennoch liefert sie, durch andere Daten ergänzt, einen Querschnitt, um die in der Literatur beschriebenen Annahmen zu prüfen.

Im Anschluss wird das Angebot altengerechten Wohnraums und dessen Verfügbarkeit in Stadt und Landkreis Göttingen beschrieben. Dies bezieht sich vor allem auf Mietwohnungen. Regionalspezifisch wurden dazu An-gaben einiger größerer Anbieter der in Stadt und Landkreis ansässigen gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften ausgewertet. Die Ergebnisse einer Befragung der Mitglieder des Haus- und Grundeigentümervereines Duderstadt erlauben stichprobenartig (28 Fälle) Rückschlüsse auf die Situation kleinerer Anbieter. Die Hypothese unterstellt, dass diese Anbie-tergruppe über geringere Investitionskapazitäten bei gleichzeitig höheren Betriebskosten verfügt und nicht so stark auf die Nachfragerbedürfnisse eingeht wie Großunternehmen, die sich gezielter und professioneller am Markt positionieren.

Abgefragt wurde, was für den Einzelnen (sowohl als Nachfrager als auch Anbieter) unter seniorengerechtem Wohnen verstanden wird. Zusätzlich wurden Interviews mit Vertretern von Wohnungsunternehmen, Betreibern von Wohneinrichtungen, Beratungseinrichtungen, dem Mieterverein Göttingen, Vertretern von Kommunalverwaltungen, der Architektenkam-mer Niedersachsen und dem Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit durchgeführt. Makler- und Hausverwaltungsfirmen wurden telefonisch befragt. Ergänzend dazu gingen auch Ergebnisse von Studien der GEWOS zur Wohnungsmarktsituation und -Entwicklung Niedersachsen/Bremen und in Göttingen, Bovenden und Rosdorf in die Potenzialanalyse ein.

Der Untersuchung der Angebote in Stadt und Landkreis Göttingen liegt die Annahme zugrunde, dass zwischen den Städten Göttingen, Duderstadt und Hann. Münden und dem übrigen Teil des Landkreises teilweise große Unterschiede hinsichtlich Wohnungsangeboten und Gebäudebestand bestehen. Das gilt auch für Infrastruktur, Versorgung und Erreichbarkeit.

Wie in der Regionalanalyse des Regionalverbandes dargestellt, lebten am 31. Dezember 2005 im Untersuchungsraum 90.247 Menschen über 50 Jahre. Im Bezugsjahr 2004 gehörten 31.201 der Altersgruppe zwischen 50 und 60 an (11,8 Prozent der Gesamtbevölkerung), 28.477 Personen waren zwischen 60 und 70 (10,8 Prozent von Gesamt) und 30.599 Menschen älter als 70 Jahre alt (entspricht 11,6 Prozent).67 Die über 50-Jährigen machen damit einen Anteil von 34,3 Prozent der Gesamtbevölkerung in Stadt und Landkreis Göttingen aus.

Für das Jahr 2004 wurde einen Bestand von 53.968 Gebäuden mit ins-gesamt 121.162 Wohnungen im gesamten Landkreis ermittelt.68 Daraus ergibt sich die von der LTS (Landestreuhandstelle) berechnete Eigenheim-

67 NLS 2004, Bevölkerungsstand68 NLS 2004, Gebäude- und Wohnungsfortschreibung

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quote. Gebäude mit ein und zwei Wohnungen werden laut Mikrozensus 2004 zu über 90 Prozent von den Eigentümern selbst genutzt. Auf dieser Basis wurde die Eigenheimquote für die Gemeinden des Landkreises gebildet.69 Demzufolge liegt die durchschnittliche Eigenheimquote des gesamten Landkreises bei 46,7 Prozent (Daten von 2004), für den Durch-schnitt der ländlichen Gemeinden (ohne die Stadt Göttingen, Duderstadt und Hann. Münden) jedoch bei 79,3 Prozent. Die Stadt Göttingen weist eine Eigenheimquote von lediglich etwas über 27 Prozent auf. In Duderstadt liegt sie bei 80 Prozent und in Hann. Münden beträgt sie 51 Prozent.70 Es zeigt sich also, dass die Anteile regional stark variieren und die ländlichen Gemeinden des Landkreises weitaus höhere Eigenheimquoten als die städtischen Räume aufweisen.

An der Straßenbefragung im Sommer 2006 nahmen insgesamt 251 Menschen aus der Altersgruppe 50plus teil. Davon waren 97 Männer (38,6 Prozent) und 154 Frauen, 33,9 Prozent gehörten zur Gruppe der 50- bis 59-Jährigen, 41,4 Prozent waren zwischen 60 und 69 und 24,7 Prozent über 70. Befragte aus der Stadt Göttingen gaben zu 57 Prozent (78 Befragte) an, in einem eigenen Haus bzw. einer Eigentumswohnung zu leben, 44 Prozent wohnen zur Miete. In der Stadt Duderstadt (25 Be-fragte) leben 56 Prozent in Eigentum und 44 Prozent zur Miete, in Hann. Münden (37 Befragte) waren es 51 Prozent gegenüber 49 Prozent Mietern. Die 103 Befragten aus dem übrigen Kreisgebiet gaben an, zu 86 Prozent in eigenem Wohnraum zu leben, nur 14 Prozent wohnen zur Miete. Ins-gesamt leben 31,8 Prozent der Befragten zur Miete, 15 Prozent in einer Eigentumswohnung und 53 Prozent in eigenem Haus, es ergibt sich also ein Mieter-Eigentümerverhältnis von eins zu zwei. Damit bestätigt das Ergebnis der Befragung die o. g. Statistik. Der Anteil der Eigentümer ist in allen Altersgruppen ungefähr gleich.

69 LTS Wohnortblitzlicht 200470 Es ist anzunehmen, dass die Eigenheimquote bei über 50-Jährigen im Vergleich zum Durchschnitt der Gesamtbevölkerung um einige Prozentpunkte höher liegt.

Abbildung 12: Eigenheim-

quote (eigene Berechnung

mit Daten der LTS)

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Die meisten Befragten sind Eigentümer. Ihnen fällt die Verantwortung der Wohnungsgestaltung selbst zu. Somit sind sie, auch unter Aspekten der Beschäftigungsförderung, die Hauptzielgruppe für Handwerksdienstlei-stungen und wohnungsbezogene Produkte.

Ein Viertel der Befragungsteilnehmer lebt allein. 55 Prozent leben in Zwei-personenhaushalten und die restlichen 20 Prozent in Haushalten mit drei oder mehr Personen. Dies entspricht weitgehend den durchschnittlichen Haushaltsgrößen dieser Altersgruppe in Niedersachsen.�� Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Befragten gaben an, bereits in Rente zu sein, 6,3 Prozent beziehen eine Pension, 20 Prozent sind noch erwerbstätig und knapp 20 Prozent erwerbslos.

58 Prozent fühlen sich, unabhängig vom Bildungsstand, ausreichend über das “Wohnen im Alter“ informiert. Diese Aussage muss dahingehend rela-tiviert werden, dass nicht näher spezifiziert wurde, was unter ausreichend verstanden wird. Es zeigt sich jedoch, dass sich die Mehrheit bereits mit dem Thema auseinandergesetzt hat und weiß, dass das Wohnen im Alter mit speziellen Bedingungen und Anforderungen verbunden ist. Damit ist aber noch nicht sichergestellt, dass sich der Einzelne über seine Wohn-wünsche im Klaren ist und die bestehenden Möglichkeiten kennt. Hier kann Wohnberatung wichtige Leistungen erbringen.

In welchem Umfang Kriterien seniorengerechten Wohnens bekannt sind und wahrgenommen werden, zeigt sich an den Antworten auf die Frage „Was macht für Sie seniorengerechtes Wohnen aus?“. Hier wurden vor allem der Zugang zur Wohnung, die Ausstattung des Badezimmers und das Fehlen von Türschwellen genannt. Auch sah fast die Hälfte der Be-fragten die Breite der Innentüren als wichtiges Kriterium einer senioren-gerechten Wohnung an. Der Zuschnitt der Räume (34 Prozent), die Bera-tungsangebote (24 Prozent) und andere Kriterien (10 Prozent) spielen eine

71 NLS Mikrozensus 2004, S. 27

Abbildung 13:Wohnformen,

Ergebnisse der Bürger-

umfrage

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untergeordnete Rolle. Dies entspricht weitgehend der von Anbieterseite beschriebenen Auffassung von Seniorengerechtigkeit. Auch im Rahmen einer von der GEWOS durchgeführten Untersuchung zur Mieterzufrieden-heit im Auftrag der Volksheimstätte gehörte der Zugang zur Wohnung und die Ausstattung des Badezimmers zu den meistgeäußerten Wünschen bezogen auf eine altersgerechte Wohnung.

Interessant ist, dass Eigentumswohnungen hinsichtlich der Zugänglichkeit, Breite der Innentüren und Schwellenfreiheit sowie Bewegungsflächen innerhalb der Wohnung am ehesten den Kriterien des seniorengerechten Wohnens entsprechen. Auch nicht näher spezifizierte andere Kriterien sind hier am häufigsten vorhanden. Erhöhte Toilettensitze finden sich am häufigsten in Einfamilienhäusern, die Ausstattung mit bodengleichen Duschen vor allem in Mietwohnungen.

Abbildung 14: „Was macht für sie

seniorengerechtes Wohnen aus?“,

Ergebnisse der Bürgerumfrage

Abbildung 15: Eigenschaften

von Wohnungen, Ergebnisse

der Bürgerumfrage

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Durchschnittlich bewerten Eigentümer die Qualität ihrer Wohnung be-züglich des Alterns zu Hause deutlich höher als Mieter. Insgesamt finden knapp 28 Prozent ihre Wohnung absolut ausreichend geeignet, 40,6 Pro-zent eingeschränkt ausreichend; 25,8 Prozent meinen, ihre Wohnung sei nicht besonders gut geeignet und 5,7 Prozent geben an, ihre Wohnung sei absolut ungeeignet. Es zeigt sich, dass eine Nachfrage für Maßnahmen der Wohnungsanpassung im Privatsektor bei mehr als zwei Drittel der Befragten in unterschiedlichem Umfang besteht.

Im Mietsektor halten lediglich 18 Prozent ihre Wohnung für absolut aus-eichend geeignet, immerhin 46 Prozent der Befragten für nicht besonders gut oder absolut ungeeignet. Dies weist darauf hin, dass der Bedarf an seniorengerecht ausgestatteten Mietwohnungen, trotz in den letzten Jahren im Zuge von Sanierungen hinzugekommener Wohnungen und neu gebauter Anlagen, nicht ausreichend gedeckt ist. Hier besteht die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, mittels handwerklicher Dienstleistungen nachzurüsten oder neue Angebote zu schaffen.

Auf die Frage, ob geplant sei, dauerhaft in der eigenen Wohnung zu bleiben, ergaben sich nur geringe Unterschiede, auch innerhalb der verschiedenen Altersgruppen. Durchschnittlich geben 55 Prozent an, sie wollten zu Hause bleiben, 27 Prozent schränken diesen Wunsch mit “wenn möglich“ ein, aber immerhin 18 Prozent planen einen weiteren Umzug. Dabei ist die Bereitschaft bzw. Erwartung eines weiteren Umzugs bei den Jüngeren um einige Prozentpunkte höher (23 Prozent bei den bis 60-Jährigen, 17 Prozent der bis 70-Jährigen und noch 12 Prozent der über 70-Jährigen). Daran zeigt sich, dass eine überraschend hohe Mobilität im letzten Lebensabschnitt besteht und dementsprechend eine Nachfrage nach seniorengerechtem Wohnraum.

Unabhängig von Alter und Bildung hatte sich nur ein Viertel der Befra-gungsteilnehmer bereits konkret mit einem Umbau ihrer Wohnung ausein-andergesetzt. Auf die Frage, inwieweit sie bereit wären, einen finanziellen Beitrag zur Umgestaltung zu leisten (wobei der Umfang der Beteiligung nicht näher spezifiziert war), gaben immerhin 41 Prozent der Mieter, 61 Prozent der Eigentumswohnungsbesitzer und 79 Prozent der Hausbesitzer an, sich finanziell engagieren zu wollen.

Abbildung 16: Eignung

derzeitiger Wohnungen,

Ergebnisse der Bürger-

umfrage

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Um diese Nachfrage bzw. das dahinter stehende Kaufkraftpotenzial abzu-schätzen, sind ergänzende Daten über die jeweilige Einkommenssituation und den Umfang der erforderlichen Umbauten nötig. Dies konnte jedoch im Rahmen dieser Befragung nicht ermittelt werden. Soweit liefern die Antworten vor allem Hinweise darauf, dass das Bewusstsein einer Eigen-verantwortung für dieses Thema relativ ausgeprägt ist. Dementsprechend besteht großes Interesse an Handwerksdienstleistungen aus einer Hand, 70 Prozent der bis 50- bis 70-Jährigen und sogar 75 Prozent der über 70-Jährigen gaben an, dies bei Umgestaltungsmaßnahmen zu bevorzugen.

Gefragt, wie man im Falle eines Umzuges am liebsten wohnen würde, ergaben sich unerwartete Ergebnisse. Im Durchschnitt aller Antworten zeigte sich, dass der Wunsch, in einer Seniorenwohnanlage zu leben, an erster Stelle steht (21 Prozent). Danach kommt das Wohnen in einer seni-orengerechten Miet- oder Eigentumswohnung, das in allen Altersgruppen etwa gleich beliebt ist. Die Nachfrage nach seniorengerechten Mietwoh-nungen ist in Duderstadt und Hann. Münden am höchsten.

Mit durchschnittlich 17 Prozent besteht großes Interesse an selbst orga-nisierten Wohn- oder Hausgemeinschaften, am größten ist es unter den Jungsenioren und in der Stadt Göttingen. Dies kann als Hinweis auf die soziostrukturellen gesellschaftlichen Veränderungen (Stichwort Individu-alisierung) einerseits und die veränderten Einstellungen zum Alter ande-rerseits gedeutet werden. Der Anteil derer, die das Alter mit der Familie erleben möchten, ist mit zehn Prozent insgesamt gering. Im ländlichen Raum sind es immerhin 17 Prozent. Dort sind familiäre Strukturen, um eine Versorgung im Alter zu ermöglichen, noch stärker vorhanden als in den Städten.

Erwartungsgemäß ist das Pflegeheim als bevorzugter Alterswohnsitz am unpopulärsten und wird vor allem von älteren Senioren angestrebt. Die relativ geringe Präferenz des Mehrgenerationenwohnens, das vorwiegend von den Jungsenioren gewählt wurde, lässt sich mit dem bis dato geringen

Abbildung 17: Wohnformen-

präferenz bei Umzug,

Ergebnisse der Bürger-

umfrage

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Verbreitungs- und Bekanntheitsgrad erklären, auch wenn es in Stadt und Landkreis Göttingen bereits eine Reihe derartiger Angebote gibt und wei-tere geplant sind. Möglicherweise begründet sich das geringe Interesse daran mit dem Wunsch Älterer nach Ruhe sowie einer Umgebung, die speziell für sie gestaltet wurde.

Nach Beobachtungen von Maklern aus dem Landkreis Göttingen be-fassen sich viele Menschen bereits in der ersten Hälfte ihres sechsten Lebensjahrzehnts mit der Frage, wie sie im Alter wohnen wollen. Das Interesse an dieser Fragestellung hat demnach in den Jahren 2005 und 2006 deutlich zugenommen. Häufig wird ein Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand und der Langfristigkeit des Planungshorizonts beo-bachtet.�� Diese Korrelation bestätigte sich durch die Bürgerbefragung des Regionalverbandes allerdings nicht. Der Informationsstand zum Thema Wohnen im Alter war hier durch alle Bildungsgruppen auch bei den 50- bis 60-Jährigen etwa gleich verteilt. Viele dürften, einfach aus der Alltagspraxis mit älteren Angehörigen oder Bekannten heraus, bereits eine Vorstellung über ihre eigene Zukunft und die damit verbundenen Probleme des Alterns gewonnen haben.

Die Anpassung des Wohnraums an das Alter scheitert häufig am organi-satorischen Aufwand und der Finanzierung. Es wird oft übersehen, dass es eine Reihe von Fördermöglichkeiten gibt. Diese sind jedoch meist an eine bestehende, gesundheitliche oder finanzielle Bedürftigkeit gebun-den. Bei Erwerbsunfähigkeit, z. B. durch Arbeits- und Wegeunfälle oder Berufskrankheiten, werden u. U. Zuschüsse für Umbaumaßnahmen ge-zahlt, wenn sie die Rehabilitation unterstützen. Geregelt wird dies durch das Bundesversorgungsgesetz (BVG), das Opferentschädigungsgesetz (OEG) oder das Schwerbehindertengesetz (SchwbG). Wohnumfeldver-bessernde Maßnahmen für Pflegebedürftige – z. B. Türverbreiterungen, fest installierte Rampen und Lifte, die Einrichtung eines Bades und der Einbau oder Umbau von Mobiliar wie eine Küchenschrankabsenkvorrich-tung, das Ersetzen einer Badewanne durch eine Dusche – können durch die Pflegeversicherung bezahlt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird.

72 Gespräch mit Veronika Frels von Larsen-Frels Immobilien am 11. Mai 2006

Abbildung 18: „Welche der

folgenden Wohnformen würden

Sie im Falle eines Umzuges

bevorzugen?“ (Nach Alter)

Ergebnisse der Bürgerumfrage

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Bei einem Eigenanteil von zehn Prozent wird ein Zuschuss von höchstens 2.557 Euro pro Maßnahme gezahlt. Ändert sich die Pflegesituation, kann eine weitere Maßnahme in Anspruch genommen werden. Einkommensab-hängig werden Leistungen nach dem SGB XII, als Hilfe in besonderen Lebenslagen, für Menschen mit sehr geringem Einkommen und für pfle-gebedürftige Menschen erbracht, die nicht durch die Pflegeversicherung eingestuft sind.��

Wohnungsanpassungen, die das selbstständige Leben zu Hause ermögli-chen, werden von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich unterstützt. Die Landesregierung fördert den Wohnungsumbau für Schwerbehinderte mit zinslosen Darlehen.

Seit 1999 unterstützt das Land den Bau neuer Altenwohnungen in einer sozialen Staffelung für Haushalte mit geringen und mit mittleren Ein-kommen. Vorrangig gefördert werden Objekte des Betreuten Wohnens. Schwerpunkt der Förderung des Mietwohnungsbaus ist die Förderung von Modernisierungsmaßnahmen im Wohnungsbestand. Damit sollen neue Sozialbindungen für Wohnungssuchende mit niedrigen Einkommen begründet werden. Eine Neubauförderung bei Mietwohnungen erfolgt für Altenwohnungen und für Ersatzbauvorhaben in Sanierungs- und Unter-kunftsgebieten. Vorrang haben hierbei Maßnahmen, die die Sozialstruktur eines Wohngebietes verbessern. Im Übrigen werden zukunftsweisende Projekte im Wohnungsbau berücksichtigt. Dazu gehören Projekte mit bedarfsgerechten Mischungen von Sozialwohnungen und freifinan-ziertem Wohnungsbau sowie allgemeinen Mietwohnungen, Alten- und Behindertenwohnungen einschließlich der erforderlichen Betreuungsan-gebote. Auch generationenübergreifendes Wohnen sowie Vorhaben im Zusammenhang mit städtebaulichen Maßnahmen in städtebaulichen Sanierungsgebieten sind von besonderer Bedeutung.��

Das Mietrecht billigt Mietern die Möglichkeit der Wohnraumanpassung im Bedarfsfall zu. 2001 hat der Bundesgesetzgeber den Vermieter verpflichtet, baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen zuzustimmen, die für eine behindertengerechte Nutzung der Wohnung oder des Zugangs zu ihr erforderlich sind.�� Der Vermieter kann sich jedoch das Recht vorbe-halten, den Mieter zum Rückbau im Falle des Auszuges zu verpflichten. Die Umsetzung der Maßnahmen muss jedoch, soweit der Vermieter keine Veranlassung sieht, selbst aktiv zu werden, von den Mietern selbst getragen werden.

Im folgenden Abschnitt wird das Angebot an Mietwohnungen, die se-niorengerechte Eigenschaften aufweisen, untersucht. Dabei liegt ein Schwerpunkt bei den gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften, da diese einerseits ein großes Angebot bereitstellen (niedersachsenweit elf Prozent aller Mietwohnungen) und andererseits aufgrund ihrer Einbindung in ihren Verband gut über das Marktgeschehen, auch bezüglich des demogra-phischen Wandels, informiert sind.�� Es werden Tagungen zum Thema

73 Sozialnetz Hessen 2006 74 MSFFG Niedersachsen 200675 Mieterlexikon 2005, S. 34076 VDW Niedersachsen, 2006

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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“Wohnen im Alter“ veranstaltet und eigene Studien und Mieterevaluationen durchgeführt. Viele private Anbieter haben sich hingegen noch nicht auf die zukünftigen Nachfrageverschiebungen eingestellt.

Dass SeniorInnen eine wichtige Zielgruppe für Wohnungsunternehmen sind, zeigt eine Reihe von Studien, beispielsweise eine Untersuchung im Auftrag des VDW zu Niedersachsen und Bremen�� und „Göttingen 2020 – Wohnungsmarktanalyse und -prognose“. Der wirtschaftliche Erfolg der Wohnungsunternehmen hängt nicht zuletzt von ihrer Anpassungsfähigkeit an die sich verändernde Nachfrage ab. Angesichts des Bevölkerungsrück-gangs stehen außerhalb der Zentren schon jetzt viele Wohnungen leer. Statt eines relativ einheitlichen Angebots liegen die Wachstumsmöglich-keiten in den Teilmärkten spezialisierter Wohnformen. Auch besteht eine hohe Nachfrage nach preiswertem Wohnraum für Geringverdiener.

Die Frage, inwieweit ältere Bestände im Rahmen der anstehenden Er-neuerungszyklen geeignet sind, mit barrierefreiem Standard im Sinne der DIN 18025 Teil 2 nachgerüstet zu werden, stellt sich vor allem für die Wohnungsbestände der Nachkriegszeit. Eine große Anzahl von Siedlungen aus den 50er- und 60er-Jahren hat einen hohen Anteil an MieterInnen, die hier bereits seit über 40 Jahren wohnen. Sie kommen in ein Alter, in dem sie nicht mehr ohne Hilfe, Betreuungsangebote oder bauliche Verbesse-rungen in ihren Wohnungen bleiben können. Für die Wohnungen besteht Erneuerungs- und Investitionsbedarf. Umfang und erforderliche bauliche Eingriffsintensität zur Umrüstung hängen vom Gebäudetyp und der Bau-substanz ab. Für die unmittelbaren Nachkriegsbestände mit kleinteiligen Grundrissen und minimalem Ausstattungsstandard sind die Grenzen der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit häufig erreicht. Dies gilt auch für Bautypen, die z. B. über Hochparterrewohnungen verfügen oder die über Aufzüge auf halber Geschosshöhe erschlossen wurden. Abhängig von den baulichen Strukturtypen ist deshalb auch mit intensiven baulichen Eingriffen nicht immer Barrierefreiheit zu erreichen.��

Wenn Modernisierungen des Bestandes vorgenommen werden, versu-chen die befragten Wohnungsunternehmen, Kriterien des seniorenge-rechten Wohnens so weit als möglich umzusetzen. Explizit barrierefreie Wohnungen entstehen vor allem im Zuge von Neubauten; bei Moderni-sierungen werden vorrangig Umbauten der Badezimmer und Verbesse-rungen des Zugangs zur Wohnung umgesetzt. Wie von den Anbietern “Seniorengerechtigkeit“ definiert wird, zeigt die Abbildung 19. Meist wird die Umsetzung dieser Ansprüche bei Modernisierungen jedoch von der bautechnischen Machbarkeit beschränkt.

Als wichtigste Eigenschaften werden der Zugang zur Wohnung und die Ausstattung des Badezimmers betrachtet, da sich in diesen Bereichen die größten Erschwernisse und Unfallrisiken ergeben. Mehr als die Hälf-te der Befragten hielt das Fehlen von Türschwellen und die Breite der Innentüren für wichtige Merkmale einer seniorengerechten Wohnung. Beratungsangebote oder andere Kriterien sind für die Anbieter von ge-ringerer Bedeutung.

77 Wohnungsmarktprognosen der Landestreuhandstelle; VDW (2004): “Wohnungsmarktentwicklung in Niedersachsen und Bremen 2020“; GEWOS 200478 Vgl. Steffens et al. 2004, S. 39

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Zwischen fünf und zehn Prozent der Wohnungen der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen der Städte Göttingen und Hann. Münden sind seniorengerecht bzw. barrierefrei ausgestattet. Der Begriff “senioren-gerecht“ bezeichnet unterschiedliche Standards, je nach Baualter und Struktur der Gebäude.

Im Rahmen von Neubauprojekten der Städtischen Wohnungsbau Göt-tingen GmbH werden Erdgeschosswohnungen weitgehend barriere-frei gebaut (z. B. am Alfred-Delp-Weg auf den Terrassen in Göttingen). Insgesamt wird ein Wohnungs-Mix-Konzept verfolgt, das die soziale Durchmischung der Quartiere erhalten und das Entstehen von Ghettos bestimmter Bevölkerungsgruppen (z. B. auch alter Menschen) verhindern will. Wenn möglich, wird bei Sanierungen ein Fahrstuhl eingebaut; Türen werden verbreitert und Gegensprechanlagen eingebaut (z. B. am Tegeler Weg in Geismar). Die Städtische Wohnungsbau GmbH bietet älteren um-zugswilligen Mietern Hilfestellungen. Zum einen besteht die Möglichkeit eines Umzuges innerhalb des Bestandes, zum anderen die des Umbaus auf Nachfrage, z. B. beim Badezimmer, wobei Maßnahmen bis zu 14.000 Euro nicht zwangsläufig zu Mieterhöhungen führen. Die andere Variante ist ein Umzug in die Anlagen des Betreuten Wohnens (51 Wohnungen in der Reinhäuser Landstraße und 32 am Ingeborg-Nahnsen-Platz, wo eine Kooperation mit dem städtischen Altenzentrum ermöglicht wird).

Die Wohnungsgenossenschaft Göttingen e. G vermietet etwa 4.400 Wohnungen, vorwiegend im Stadtgebiet Göttingen. Die Wohnungen im Erdgeschoss werden im Zuge von Modernisierungen schrittweise zu Seniorenwohnungen umgerüstet. Eine Betreuung für ältere Menschen erfolgt über die Mieterberatung. Auch veranstaltet die Wohnungsgenos-senschaft Informationsveranstaltungen für Mitglieder, u. a. zum Thema Seniorenwohnen. Neubauten werden nach der Niedersächsischen Bauord-nung mit barrierefreien Wohnungen im Erdgeschoss und mit Fahrstühlen ausgestattet.

Abbildung 19: Kriterien senioren-

gerechten Wohnens, Ergebnisse

der Anbieterumfrage

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Mit einem Bestand von insgesamt ca. 2.500 Wohnungen in Bovenden, Rosdorf, Niedernjesa, der Südstadt und am Holtenser Berg betreibt die Volksheimstätte in Geismar am Tannenweg eine generationengemischte Wohnanlage mit ca. 250 Wohnungen, von denen etwa ein Achtel seni-orengerechte Kriterien erfüllt. Dies bezieht sich auf die Zugänge zu den Wohnungen, bodengleiche Duschen und Türverbreiterungen. Im Zuge von Sanierungen wird etwa die Hälfte der EG-Wohnungen nach und nach barrierefrei umgerüstet, wenn möglich werden Fahrstühle eingebaut und Türen verbreitert. Bausubstanz und Rentabilitätsabwägungen setzen hier jedoch Grenzen. Bei Problemen älterer Mieter wird mit den Betroffenen ein Betreuungskonzept erarbeitet; kostenlos werden Hilfestellungen, auch bezüglich von Wohnalternativen, vermittelt. Auf Mieterwunsch werden Anpassungen, beispielsweise Badezimmersanierungen durchgeführt, die je nach Umfang auf die Miete umgelegt werden.

Die für Ältere oft mühsame Hausreinigung hat die Volksheimstätte Göt-tingen einem Dienstleister übertragen. Das Konzept zur Verbesserung der Wohnbedingungen für ältere Menschen wird kontinuierlich weiterentwi-ckelt, so finden zweimal im Jahr Informationsveranstaltungen statt, darü-ber hinaus lädt die Mitgliederbetreuerin zu Nachmittagsveranstaltungen ein, bei denen bestimmte Themen diskutiert werden können.

Die Wohnungsbaugenossenschaft Eichsfeld mit 395 Wohnungen unterhält vorwiegend Altbauten in Duderstadt, Gieboldehausen und Lindau, bei denen die Möglichkeiten zum seniorengerechten Umbau substanzbedingt eingeschränkt sind. Derzeit gibt es keine konkret seniorengerechten An-gebote. Allerdings versucht die Gesellschaft, auf die Bedürfnisse älterer Mieter mit Umbaumaßnahmen zu reagieren. Derzeit ist die Errichtung von vier Stadtvillen im Zentrum Duderstadts mit barrierefreien Erdgeschoss-wohnungen geplant.

Auch der gemeinnützige Bauverein Hann. Münden bietet in seinen Wohnungen im Stadtgebiet Hann. Münden in geringem Umfang alten-gerechtes Wohnen (bezogen auf den Zugang, die Breite der Innentüren, Schwellenfreiheit und Ausstattung des Badezimmers) und barrierefreies Wohnen an. Darüber hinaus wird eine Anlage des Betreuten Wohnens in Kooperation mit der AWO betrieben.

Alle genannten Unternehmen beteiligen sich aktiv an Maßnahmen zur Wohnumfeld- und Quartiersgestaltung. Bei der Planung wird nach Bevöl-kerungsgruppen differenziert, vorwiegend nach alleinstehenden Personen und solchen mit Migrationshintergrund. Aufgrund geringer öffentlicher Förderung und allgemeiner Angebotsüberhänge wird derzeit von den Wohnungsgesellschaften wenig Neubau betrieben. Auf die Frage, mit welchen Mitteln das Angebot seniorengerechter Wohnungen gesteigert werden könnte, antworteten sowohl viele Wohnungsunternehmen als auch die „Klein-Vermieter“, dass zusätzliche öffentliche Förderungen und eine höhere Nachfrage nach altengerechten Wohnformen sowie eine finanzielle Eigenbeteiligung der Mieter dies bewirken könne.

Im Gegensatz zu den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen hat sich der Trend zur Schaffung zielgruppenspezifischer Angebote bei vielen pri-vaten Wohnungsunternehmen noch nicht durchgesetzt. Nur wenige der

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befragten Mitglieder des Haus und Grund-Ortsvereins Duderstadt (sie haben durchschnittlich zehn Wohnungen im Bestand) bieten seniorenge-rechten Wohnraum an. Neubau- und Modernisierungsaktivitäten werden in geringerem Umfang durchgeführt als bei großen Unternehmen. Höhere Betriebskosten und insgesamt geringere Investitionsvolumen bedingen eine langsamere Anpassung.

Dies zeigt sich auch bei der Analyse der Wohnungsanzeigen in Tageszei-tungen und auf Nachfrage bei Maklern und Verwaltungsfirmen. Explizit seniorengerechte Angebote sind selten und vor allem in den hochprei-sigen Segmenten und bei neu gebauten Eigentumswohnungen oder Eigenheimen zu finden. Hier verwirklichen einige Bauträger barrierefreie Gebäude mit modernster technischer Ausstattung. Viele Firmen wiesen darauf hin, Göttingen sei eine junge Stadt, seniorengerecht ausgestatteten Wohnungen seien nicht nachfragegerecht.

Mit ihrem im Entwurf 2006 diskutierten städtebaulichen Leitbild verfolgt die Stadt Göttingen das Ziel, die Attraktivität des Standortes für Senio-rInnen zu erhöhen.�� So ist in der Kernstadt die Stärkung seniorengerechter Wohnformen geplant. Quartiere aus den 50er- und 60er-Jahren mit über-alterter Bevölkerung sind für die Anpassung des Wohnungsbestandes vorgesehen (z. B. Klausberg, Geismar, Leineberg, Grone und Südstadt). Im Rahmen des Quartiersmanagements sollen integrationsfördernde, heterogene Bevölkerungsstrukturen unterstützt werden. Die Wohnungs-bauförderung, die sich derzeit auf sozial Schwache konzentriert, soll auch auf barrierefreien Wohnraum für SeniorInnen ausgeweitet werden. Dies betrifft das gesamte Spektrum der Daseinsvorsorge, also auch Wohn-möglichkeiten für ältere Menschen, die über die bisher vorherrschenden Angebote hinausgehen.

Das Baugebiet “Dawe“ in Grone wird als generationsübergreifendes Bau-gebiet (Familien und ältere Menschen) mit gezielten Angeboten im Einzel-hausbereich und in der Gestaltung der öffentlichen Flächen entwickelt. Bei Stadtumbauprogrammen und bei der Sanierung von Wohngebäuden wird unter dem Motto “Vielfalt und Lebendigkeit, aber auch maßgeschneiderte Angebote“ mit dem Ziel, Teilhabe und Partizipationsangebote zu fördern, auf die Gruppe der Älteren eingegangen. Die Stadt Göttingen konstatiert Defizite vor allem bei den preiswerteren Angeboten. In manchen Senio-renwohnanlagen gibt es zwar relativ günstige Wohnungen mit qualitativ guter Ausstattung, es bestehen jedoch oft jahrelange Wartezeiten. Dies wird auch von Trägern privater Seniorenwohnanlagen wie in Groß Schneen und Duderstadt bestätigt.

In unterschiedlichem Umfang haben sich die Gemeinden des Landkreises auf die zu erwartenden Veränderungen eingestellt. So wurde vielfach mit der Ausweisung von Senioren- oder Mehrgenerationenwohnanlagen in den Bebauungsplänen reagiert. Auf diese Weise entstand z. B. die Seniorenwohnanlage am Korbhofe in Bovenden mit Unterstützung der Gemeinde, für das Baugebiet am Junkernberg ist die Umsetzung eines

79 Städtebauliches Leitbild der Stadt Göttingen bis 2020, S. 6–8

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Mehrgenerationenprojektes geplant, am Kattenbühl in Hann. Münden plant ein irischer Investor eine auf 20.000 Quadratmeter angelegte Wohnanlage mit Seniorenwohnungen.

Angesichts des demographischen Wandels und den starken Verände-rungen auf dem Wohnungsmarkt sowie einer Vielzahl neuer Angebote kommt der Wohnberatung eine besondere Bedeutung zu. Ziel ist es, die Möglichkeiten von baulich-technischen Maßnahmen in bestehenden Wohnungen aufzuzeigen und konkrete Vorschläge für die praktische Durchführung zu machen.�0 Die zentrale Aufgabe der Wohnberatung be-schränkt sich aber nicht auf reine Beratungsleistung, sondern umfasst auch praktische Hilfe, Begleitung und organisatorische Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Anpassungsmaßnahmen. Falls sich eine Wohnsituation als ungeeignet erweist, werden Alternativen aufgezeigt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Wohnung im vierten Stock ohne Aufzug liegt oder keine Kontakte zum Umfeld bestehen. In solchen Fällen gilt es, die Entscheidung zu treffen, welches Wohnangebot den eigenen Wünschen am besten entspricht und verfügbar sowie bezahlbar ist.

Auch die Entwicklung altersgerechter Wohnangebote durch die Beratung von Wohnungsunternehmen zählt zu den Aufgaben der Wohnberatung.��

Wohnberatung richtet sich hauptsächlich an ältere und behinderte Men-schen. Ein großer Teil von ihnen lebt alleine und kann deshalb nicht auf Hilfeleistungen durch einen Partner zurückgreifen. Nach Erfahrungen aus NRW werden 85 Prozent der Anpassungen in Wohnungen für hilfs- und pflegebedürftige Menschen durchgeführt.�� Die Arbeitsgruppe Wohnen der Enquetekommission „Situation und Zukunft der Pflege in NRW“ zeigte, dass Anpassungsmaßnahmen erheblichen Einfluss auf den Pflegebedarf nehmen. Durch sie kann ein Pflegebedarf vermieden oder zumindest reduziert werden. Wenn das SGB XI auch keine direkte Beteiligung der Pflegekassen an der Wohnberatung vorsieht, bietet es doch die Möglich-keit zur Kostenbeteiligung an Wohnungsanpassungsmaßnahmen.��

Eine kommunale Wohnberatung bzw. Wohnungsanpassungsberatung existiert in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nicht. Die Stadt Göttingen unterhält eine Seniorenberatungsstelle, die vorwiegend im Be-reich der Informationsvermittlung tätig ist und die Hilfesuchenden darüber hinaus psycho-sozial begleitet. Eine vergleichbare Stelle existierte bis vor wenigen Jahren auch im Landkreis; sie wurde gestrichen. Die ebenfalls von der Stadt unterhaltene Behindertenberatungsstelle verfügt über größere Kompetenzen hinsichtlich der Wohnungsanpassungsberatung. Die MitarbeiterInnen sind auch als GutachterInnen für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum tätig. Sie können wichtige Erfahrungen für den Aus-bau einer kooperativen Wohnberatung in Stadt und Landkreis Göttingen beitragen.

Auch der Allgemeine Sozialdienst (ASD) von Stadt und Landkreis (Ge-sundheitsamt) führt – auch aufsuchende – Wohnungsberatungen durch. Zielgruppen sind vor allem Bedürftige im Sinne des SGB XI und Menschen

80 BMFSFJ 199881 BMG 200282 Braubach 2003, S. 2283 Vgl. Steffens et al. 2004, S. 72

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mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen, denen z. B. bei der Antrag-stellung für die Pflegeversicherung oder bei der Suche nach ambulanten Pflegediensten geholfen wird. Auch Wohnungsumgestaltungsberatung mit dem Ziel des Verbleibens im angestammten Umfeld und dessen Fi-nanzierung fällt in den Aufgabenbereich des ASD. Nach ASD-Angaben ist vor allem bei Klientel mit wenig Geld große Motivationsarbeit nötig, um sie von dem Nutzen der Anpassung bzw. Umsetzung von Maßnahmen zu überzeugen. Der Sozialdienst des Gesundheitsamtes ist mit sechs Stellen besetzt, jede/-r MitarbeiterIn ist für einen Stadtteil Göttingens und eine Gemeinde des Landkreises zuständig, darüber hinaus gibt es Nebenstel-len in Hann. Münden und Duderstadt. Es wird eine Lücke zwischen der Beratungsnotwendigkeit bei steigendem Bedarf gegenüber dem Rückbau der Beratungsangebote aufgrund leerer Kassen gesehen.

Die Krankenkassen bieten teilweise telefonische Beratungsdienste an. Im Rahmen der “Sturzprophylaxe“ führt die AOK als einzigem Kranken-versicherer auch Hausbesuche durch. Allerdings wird die Beratung von derselben Person durchgeführt, der auch die Bedürftigkeitskontrolle un-terliegt. Dass die Beratung an die Frage gekoppelt ist, ob ein Anspruch berechtigt ist, steigert jedoch die Hemmschwelle, die Leistung in Anspruch zu nehmen. Wohlfahrtsverbände und Nachbarschaftshilfen bieten in den Gemeinden ebenfalls in verschiedenem Umfang Hilfestellungen zur Ver-besserung der Wohnsituation an.

Handwerkliche Kooperationen unter dem Stichwort “Service aus einer Hand“ sind bezüglich der Wohnungsanpassung noch am Anfang. Der-zeit gilt die Tischlerfirma Seeland aus Gleichen als Vorreiter, auch einige Sanitätshäuser und Sanitärfirmen bieten bereits Service aus einer Hand an. Das Kapitel Handwerksdienstleistungen geht im Anschluss näher auf diesen Sektor ein.

Auch die Niedersächsische Architektenkammer bietet in Ko-Finanzierung mit dem Land kostenlose Beratungen hinsichtlich der baulichen Gestaltung altengerechten Wohnraums an. Der Mieterverein hat das Seniorenwoh-nen zwar nicht als separates Beratungssegment im Programm, überlegt jedoch, dies wegen hoher Nachfrage in den Service aufzunehmen. Eine private Gesundheitsberatung in Friedland�� bietet neben Ernährungs- und Bewegungsberatung auch Hilfestellungen zur Prävention von Verletzungen im heimischen Umfeld an. Die Sozialdienste der Krankenhäuser bieten Unterstützung für die Zeit nach einem stationären Aufenthalt an, u. a. auch zur Umgestaltung des Wohnumfeldes.

Angesichts der Vielzahl von Institutionen und unterschiedlicher Speziali-sierung der Beratungsangebote kann eine zentralisierte Beratungsinstanz dazu beitragen, Impulse für die Seniorenwirtschaft im Sektor Wohnen zu geben.

Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwaltungen gehen nicht davon aus, dass eine Wohnberatungsstelle in alleiniger Trägerschaft einer Kommune eingerichtet werden könnte. Wenn überhaupt lasse sich dieses Angebot interkommunal oder durch den Landkreis Göttingen schaffen.

84 Gespräch mit Diplom-Pflegewirtin Silvia Hermeier am 7. Juni 2006

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In der Samtgemeinde Dransfeld könne daran möglicherweise der Fach-bereich Bauen, Umwelt und Ordnung beteiligt werden. Die Stadt Duder-stadt vertritt die Auffassung, dass zur Lösung eines solchen Problems auch die Kreiswohnungsbaugesellschaft einen Beitrag leisten sollte. Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland beabsichtigt, den Gedanken einer Wohnungsberatung aufzugreifen und im Rahmen eines Erzählcafés zu thematisieren. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Gleichen hält die Idee grundsätzlich für gut und wird sie im Rahmen des Bündnisses für Familie in Altenclubs diskutieren. Auch die Stadt Hann. Münden hält die Idee für diskussionswürdig, geklärt werden müsse allerdings die Frage des Bedarfs.

Auch Wohnungstauschbörsen existieren auf gemeindlicher Ebene nicht. Die Idee wird u. a. in Adelebsen, Bovenden und Gieboldehausen für sinn-voll gehalten. Im Ansatz wurde in Staufenberg bereits versucht, eine solche Initiative zu starten. Es zeigte sich jedoch dort, dass die meisten älteren Personen in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung bleiben wollen – selbst wenn Haus oder Wohnung nach Auszug oder Tod von Familienangehörigen viel zu groß geworden sind. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Adelebsen kann sich vorstellen, ein solches Angebot interkommunal zu gestalten. In Gleichen heißt es, da keine altengerechten Wohnungen vorhanden seien, fehle für das Funktionieren einer Wohnungstauschbörse die Basis. In Ebergötzen wird darauf verwiesen, dass die personelle Ausstattung der Samtgemeinde Radolfshausen ein solches Angebot nicht zulasse.

Betreutes Wohnen

“Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brau-che aber unbedingt Gesellschaft. In meinem Haus wohnen viele junge Leute, die grüßen zwar, aber mehr auch nicht. Sich um Gesellschaft zu kümmern ist aber mühsam.” (Göttingen)

„Man muss den älteren Menschen eben helfen. Viele unterschreiben sehr schnell und lesen das Kleingedruckte nicht. Das gilt nicht nur für das Betreute Wohnen. Auch wer ins Altenheim kommt, braucht einen Kämpfer draußen, der sich für ihn einsetzt.“ (Hann. Münden)

„Es ist in der Tat problematisch, dass das Betreute Wohnen nicht definiert ist. Wer Verträge abschließt, sollte aufpassen und überprüfen, welche Servicedienstleistungen in den Kosten enthalten sind. Geprüft werden muss auch, was man wirklich braucht.“ (Hann. Münden)

„Ich halte nicht viel von Betreutem Wohnen. Nachts ist doch sowieso niemand da, und selbst tagsüber kommen die Betreuer nur eine Stunde.“ (Hann. Münden)

Für den Begriff „Betreutes Wohnen“ gibt es keine einheitliche Definition, der Begriff ist nicht geschützt. Allgemein ist damit gemeint, dass ältere Menschen weitgehend selbstständig in einer baulich altengerechten bzw. barrierefreien Wohnung leben und Grundleistungen sowie individuell abrufbarer Service- und Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. Be-treute Wohnungen sind Miet- oder Eigentumswohnungen, meist innerhalb

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einer Wohnanlage. Zum Miet- oder Kaufpreis kommt in der Regel eine Pauschale für die Grundleistungen wie Hausreinigung, Hausnotrufanlage und Beratung. Je nach Bedarf können die Bewohner beispielsweise Rei-nigungs-, Mahlzeiten- und Pflegedienste in Anspruch nehmen, die extra bezahlt werden müssen.

Diese in den 90er-Jahren entstandene und inzwischen weit verbreitete Wohnform wird auch als “Service-Wohnen“, „Begleitetes Wohnen“ oder “Unterstütztes Wohnen“ bezeichnet.�� Das Betreute Wohnen richtet sich vor allem an Menschen, die durch Nutzung der bereitgestellten Dienstlei-stungen die Lebensqualität im Alter erhöhen und gleichzeitig Einsamkeit oder sonstigen Erschwernissen vorbeugen wollen. Das durchschnittliche Einzugsalter liegt bei 78 Jahren. 80 Prozent aller bundesweit im Betreuten Wohnen lebenden Menschen sind Frauen.�� Die Einrichtungen des Be-treuten Wohnens bieten die Möglichkeit, weiterhin selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben, beugen aber gleichzeitig, besonders bei Alleinstehenden, einer drohenden Isolierung und Vereinsamung vor.

Die juristische Abgrenzung zwischen dem Betreuten bzw. Service-Wohnen zu einer Altenpflegeeinrichtung beschreibt das Mieterlexikon: „Bietet ein Vermieter lediglich einen allgemeinen Grundservice, einen Notruf und die Vermittlung weiterer Dienste an, und ist das Entgelt hiefür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung, so ist das Heimrecht nicht anwendbar. Die Bagatellgrenze wird überschritten, wenn der Grundservice mehr als 20 Prozent der Wohnkosten beträgt.“�� Voraussetzung ist, dass Miete und Grundservice in getrennten Verträgen geregelt sind. Wenn dies wie beispielsweise bei den Seniorenresidenzen aneinandergekoppelt ist, gilt das Heimrecht für den Betrieb der Anlage. Das Heimgesetz § 1 beschreibt den Anwendungsbereich: „Die Tatsache, dass ein Vermie-ter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden, begründet allein nicht die Anwendung dieses Gesetzes. Dies gilt auch dann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete untergeordneter Bedeutung ist. Dieses Gesetz ist anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen.“��

Weil sie für Komfort bei Erhalt der Selbstständigkeit stehen und eine ge-wisse Sicherheit bieten, erfreuen sich die unterschiedlichen Angebote Be-treuten Wohnens großer Beliebtheit. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der Bürgerumfrage, in der das Betreute Wohnen durchschnittlich am häu-figsten als bevorzugte Wohnform für das Alter genannt wurde. Ein Manko beim klassischen Betreuten Wohnen sind jedoch die relativ hohen Kosten, die vor allem durch den obligaten Grundservice anfallen, und die zwischen ca. 50 und 120 Euro monatlich zusätzlich zur Miete liegen. Teilweise wurde von den Trägern auf eine rückläufige Nachfrage hingewiesen, was mit der

85 Stiftung Warentest/Kuratorium Deutsche Altershilfe/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) 2006, S. 1986 KDA 200587 Mieterlexikon 2005, S. 19f.88 http://www.geroweb.de/altenheim/heimgesetz-1.html

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zunehmenden Versorgung durch ambulante Pflegedienste und die inzwi-schen flächendeckende Versorgung mit Hausnotrufsystemen begründet wurde. Da die bereitgestellten Grundleistungen inzwischen auch dezentral angeboten werden, scheint die Nachfragespitze für das „traditionelle“ Betreute Wohnen überschritten zu sein. Hausnotruf und Betreuung sind als Pull-Faktoren durch weiche Faktoren wie Freizeitangebote, Zentralität, infrastrukturelle Anbindung und Gemeinschaft abgelöst worden. Dem versuchen die Anbieter in unterschiedlichem Maße gerecht zu werden. Es entstehen vielfältige Angebote: Kultur und Wellness, Gemeinschaftsorte (z. B. Bibliothek), Sport- oder Informationsveranstaltungen, eine individuelle Mitgliederbetreuung und Kooperationen mit den Wohlfahrtsverbänden und ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfen, um das Dienstleistungs- und Seviceangebot auszubauen. Daher sind in jüngster Zeit vor allem Modelle mit einem geringen Grundservice und hoher Eigenverantwortung auch für Mieter mit geringem Vermögen auf dem Vormarsch.

Die Bestandsaufnahme im Rahmen dieser Studie erfolgte einerseits auf Basis des von der Seniorenberatungsstelle der Stadt Göttingen erstell-ten Verzeichnisses betreuter Wohnanlagen im Stadtgebiet Göttingens, andererseits auf einer telefonischen Befragung der Gemeinden über die vorhandenen Einrichtungen. In einem weiteren Schritt wurden die Einrich-tungen selbst telefonisch im Hinblick auf Größe, Belegung, Gebäudeaus-stattung, Serviceangebote und Nachfragetrends befragt. Die Ergebnisse der Bürgerumfrage ergänzen die Einschätzungen der Anbieter.

Aus Sicht der Kreisverwaltung muss im Zusammenhang mit dem Thema “Wohnen im Alter“ die Frage problematisiert werden, was das Betreute Wohnen von individuellen Wohnformen unterscheidet. SeniorInnen können sich an ein Notrufsystem anschließen, Essen auf Rädern und häusliche Pflege bestellen. In diesem Sinne wäre Betreutes Wohnen nichts anderes als eine Monopolisierung von Anbietern. Nach dem Heimgesetz dürfen die Nebenkosten einer Wohnung für den Service 30 Prozent der Mietkosten nicht überschreiten. Damit soll verhindert werden, dass am Heimgesetz vorbei Pflegeheime errichtet werden. Diese Bestimmung geht davon aus, dass in Pflegeheimen qualifiziertes Personal tätig ist, während bei solchen “grauen Angeboten“ diese Qualifizierung nicht sichergestellt ist. Häufig sind Anlagen für Betreutes Wohnen verkappte Pflegeheime. Quartierslö-sungen gibt es nach Einschätzung der Kreisverwaltung nicht.

In Stadt und Landkreis Göttingen existiert ein breites Spektrum verschie-dener Modelle des Betreuten bzw. Service-Wohnens in 22 Einrichtungen mit insgesamt etwa 1350 Wohnungen. Grundsätzlich sind die Gebäude so gestaltet, dass Unterstützung und Kommunikation gefördert werden, beispielsweise durch Gemeinschaftsräume für Begegnungsmöglichkeiten, attraktive Außenanlagen und Einkaufsmöglichkeiten. Das Angebot reicht von pflegenahen Häusern mit integrierten Pflegediensten und Therapie-angeboten hin zu Seniorenwohnanlagen, die lediglich einen minimalen Grundservice anbieten und in denen die Eigenpotenziale der Bewohner gefragt sind und Angebote und Aktivitäten selbst oder von externen Wohl-fahrtseinrichtungen oder wie Nachbarschaftshilfen organisiert werden. Einige dieser Modelle sollen hier exemplarisch vorgestellt werden. Das Angebot für die Bewohner variiert je nach Träger und Organisationsstruk-tur. Die Anlagen werden sowohl von Privatanbietern, z. B. Wohnungsge-

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sellschaften, Immobilieninvestoren, Betreibern von Pflegeeinrichtungen oder Wohlfahrtsverbänden, als auch durch die Kommunen wie Bovenden und Adelebsen geführt. In Stadt und Landkreis Göttingen bieten mehrere Alten- und Pflegeheime Betreutes Wohnen in räumlich angegliederten Altenwohnungen oder einer “Altenwohnanlage“ in unmittelbarer Nähe an. Eine Auflistung der im Landkreis vorhandenen Pflege- und Betreuungs-einrichtungen findet sich im Anhang.

Kennzeichnend für das Haus der Heimat in Hedemünden ist die räumliche Nähe von Betreutem Wohnen und Pflegeeinrichtung. Ein Wechsel von einem in den anderen Bereich ist möglich, ohne dass die SeniorInnen die vertraute Umgebung verlassen müssen. Im Betreuten Wohnen wird der Service für die Bewohner weitgehend vom Personal der Pflegeeinrichtung mit übernommen. Durch ein umfassendes Qualitätsmanagement, das v. a. die Mitsprache der BewohnerInnen und deren Bezugspersonen in den Vordergrund stellt, soll eine bedarfsgerechte und professionelle Betreuung sichergestellt werden. Grundlage ist die kontinuierliche Weiterbildung der MitarbeiterInnen. Alle Maßnahmen und Therapien werden entspre-chend den aktuellen Qualitätsstandards in der Pflege geplant, erbracht und dokumentiert. Der Pflegeprozess kann damit jederzeit kontinuierlich nachvollzogen werden.

Der Flecken Bovenden unterhält die Seniorenwohnanlage “Am Korbhofe“. Es handelt sich um fünf Häuser mit insgesamt 67 Eigentums- und Miet-wohnungen, die in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (Public-Private Partnership) entstanden sind. Der Flecken selbst besitzt zehn Wohnungen für Bewohner mit Wohnberechtigungsschein, die im geförderten Woh-nungsbau besonders für finanziell schlechter gestellte Menschen ent-standen sind. Angrenzend sind vier von der WRG verwaltete Wohnhäuser. Die Dienstleistungsangebote werden von der AWO erbracht und durch ehrenamtliches Engagement der ENB (Erweiterte Nachbarschaftshilfe) ergänzt. Dadurch sind die Kosten für den Grundservice relativ gering. Insgesamt rund einhundert ehrenamtlich Engagierte leisten Hilfe bei Ein-kauf, Behördengängen, Reparaturen und durch Gespräche, organisieren Veranstaltungen und Aktivitäten. Allerdings erfordert die Erhaltung dieser freiwilligen Unterstützungsstrukturen kontinuierliche Motivations- und Koordinationsarbeit der AWO und der Nachbarschaftshilfe. Es gibt ein Kontaktzentrum zum Kennenlernen und zur Rekrutierung der Helfer.

In Groß Schneen hat ein privater Investor eine Seniorenwohnanlage mit 24 Wohneinheiten im geförderten Wohnungsbau für Personen mit Woh-nungsberechtigungsschein errichtet. Das einzige Serviceangebot des Trägers ist ein Hausmeister als Ansprechpartner für die Mieter. Weitere Unterstützung wird ehrenamtlich von der Nachbarschaftsinitiative NENA organisiert.

Eine “Service-Wohnanlage“ der Wohnungsgenossenschaft e. G. in der Ewaldstraße in Göttingen bietet 50 altengerechte Wohnungen, die teil-weise auch rollstuhlgerecht sind. Dien Dienstleistungen des Vermieters beschränkt sich auf einen Hausmeisterservice, Gemeinschaftsräume und Gästewohnungen. Ein Büro der Nachbarschaftshilfe betreut die Bewohner, vermittelt Nachbarschaftsdienste und organisiert Kulturveranstaltungen. In der Danziger Straße in Göttingen wird derzeit eine neue Anlage gebaut, die

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Ende 2006/Anfang 2007 eröffnet werden soll. Alle 85 Wohnungen werden mit einem Hausnotrufsystem ausgestattet, des Weiteren sind Gemein-schaftsräume, eine Bibliothek, Besucherwohnungen und ein Konzept der Zusammenarbeit mit der Seniorenabteilung des ASC vorgesehen. In der Reinhäuser Landstraße betreibt die Städtische Wohnungsbau GmbH eine Service-Wohnanlage mit 51 Wohneinheiten, die altengerecht ausgestattet sind und über ein Notruftelefon verfügen, das die Bewohner im Bedarfsfall mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband verbindet. Diese Ausstattung ist geeignet, um ein Mindestmaß an Sicherheit und Gemeinschaft bei gleichzeitig möglichst geringen Wohnkosten anbieten zu können.

Der gemeinnützige Bauverein Hann. Münden unterhält eine betreute Wohnanlage (Seniorenwohnanlage am Kronenturm) mit integrierter Ta-gespflege und Servicestation der AWO.

In Gieboldehausen wird in der Anlage St. Laurentius in 15 Appartements Betreutes Wohnen mit einem umfangreichen Grundservice angeboten. Dies entspricht einer klassischen Form des Betreuten Wohnens.��

Um die Übersichtlichkeit der Angebote zu erhöhen und einheitlichere Standards zu schaffen, wurden seit 1997 in verschiedenen Bundesländern Qualitätssiegel für Betreutes Wohnen eingeführt. Seit 2002 wird im Auftrag der Bundesregierung eine DIN-Norm für Betreutes Wohnen erarbeitet, die voraussichtlich Ende 2006 veröffentlicht wird.

Es wurde eine als Zertifizierungsgrundlage geeignete DIN-Norm (Dienst-leistungs-Norm) mit Anforderungen, Hinweisen und Empfehlungen in Bezug auf die Wohnform Betreutes Wohnen erarbeitet. „Dienstleistungs-Norm“ bedeutet, dass nicht bauliche oder technische Anforderungen den Schwerpunkt bilden, sondern die unter den Begriff „Betreutes Wohnen“ zu fassenden komplexen Dienstleistungen. Die Norm behandelt die Aspekte Transparenz des Leistungsangebotes, zu erbringende Dienstleistungen (unterschieden nach Grundleistungen/allgemeine Betreuungsleistungen und Wahlleistungen/weitergehende Betreuungsleistungen), Wohnange-bot, Vertragsgestaltung sowie qualitätssichernde Maßnahmen.�0

Stationäres Wohnen im Alten- oder Pflegeheim und Tagespflege

„Wenn man als alter Mensch zum Pflegefall wird und ins Heim muss, reißen die Kontakte nach außen völlig ab. In den alten Kernen ist die Zusammengehörigkeit noch da, aber zu Neubürgern Kontakt zu finden ist ganz schwierig.“ (Hann. Münden)

„Bei den Altenheimen muss ganz viel geändert werden. Die Älteren müssen viel mehr Gelegenheiten bekommen, selbst etwas zu tun.“ (Duderstadt)

„In den Altenheimen leben heute doch viel mehr Demenzkranke als frü-her. Mit denen kann man doch nicht mehr viel anfangen.“ (Duderstadt)

89 Interview mit Betreiber Gerhard Blank am Freitag, 17. August 200690 http://www.nullbarriere.de/din77800_betreutes_wohnen.htm

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Wenn die ambulante Versorgung zu Hause oder das Leben in einer gemein-schaftlichen bzw. betreuten Wohnform aus gesundheitlichen und/oder sozialen Gründen nicht (mehr) möglich ist oder der Wunsch nach mehr Betreuung und Sicherheit überwiegt, besteht die Möglichkeit des Umzugs in eine stationäre Altenhilfeeinrichtung. Zu beachten sind konzeptionelle Unterschiede. Altenwohnheime bieten eine abgeschlossene Wohnung mit der Möglichkeit, einen eigenen Haushalt zu führen, aber im Bedarfsfall Verpflegung und Betreuung zu erhalten. Sie weisen Gemeinsamkeiten mit dem Betreuten Wohnen auf, fallen aber, wie alle Heimformen, unter das Heimgesetz (z. B. Seniorenresidenzen). Die Kontrolle über den Schutz der Rechte der BewohnerInnen obliegt Stadt und Landkreis Göttingen als Heimaufsichtsbehörden.

Altenheime sind für ältere Menschen gedacht, die keinen eigenen Haushalt mehr führen wollen oder können, aber nicht unbedingt pflegebedürftig bzw. bettlägerig sind. Haushaltsführung und Essensversorgung werden vom Heim übernommen. Auch die pflegerische Betreuung ist in der Regel gewährleistet (keine Intensivpflege). Diese Wohnform wurde in den ver-gangenen Jahren aus Kostengründen weitgehend vom Betreuten Wohnen abgelöst. Pflegeheime hingegen dienen der umfassenden Betreuung und Versorgung dauernd Pflegebedürftiger.

Die Tagespflege ist zwischen professioneller Pflege und der Betreuung durch Angehörige angesiedelt. Pflegebedürftige wohnen im Kreis ihrer Angehörigen und werden tagsüber in der Tagespflege versorgt. So wird ein Verbleiben zu Hause trotz Erwerbstätigkeit oder anderer Verpflich-tungen der Angehörigen ermöglicht. Ein ähnliches Konzept, welches auf die Entlastung pflegender Angehöriger abzielt, ist die Kurzzeitpflege, ein Heimaufenthalt von max. vier Wochen, wenn beispielsweise die Familie in Urlaub fährt oder die Pflegeperson erkrankt ist.

Sozialstruktureller Wandel und zunehmende Hochaltrigkeit haben zu einem starken Wachstum der Pflegebranche in den letzten Jahrzehnten geführt. Laut NLS verzeichnete die Branche von 1999 bis 2003 einen Beschäfti-gungszuwachs von 14,7 Prozent. 87 Prozent der Beschäftigten in diesem Bereich sind weiblich.�� Aufgrund der hohen psychischen und physischen Belastung ist die Fluktuation des Personals hoch.

Eine Modellrechnung des Kuratoriums deutscher Altershilfe (KDA) kommt zu dem Ergebnis, dass sich bei einer Fortschreibung bestehender Verhält-nisse und Strukturen vor dem Hintergrund der Alterung der Bevölkerung der Bedarf an Pflegeplätzen (bundesweit 600.000 im Jahr 2000) bis 2050 verdoppeln wird. Dieser Anstieg wird über die genannte Zeitspanne nicht kontinuierlich verlaufen; vielmehr ist ab dem Jahre 2030 mit einem stei-leren Anstieg des Pflegebedarfes zu rechnen. Bei Berücksichtigung des rückläufigen Potenzials helfender Angehöriger kämen – bei vorsichtiger Schätzung – mindestens 200.000 weitere Pflegeplätze hinzu. Es sei denn, im Rahmen der häuslichen Pflege, der Entwicklung von Wohnformen und der Anpassung des vorhandenen Wohnungsbestandes würden Maßnah-men ergriffen und alternative Angebote weiterentwickelt.��

91 NLS Pflegestatistik 200392 KDA 2005, S. 19

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Zwar kann einschränkend entgegnet werden, dass aufgrund medizinischer Fortschritte kein gleichbleibender Zusammenhang zwischen Lebensalter und Pflegebedürftigkeit im Zeitverlauf besteht, dennoch wird aufgrund der absoluten Zunahme hochaltriger Personen die Zahl der zukünftig zu versorgenden Pflegebedürftigen ansteigen.

Nicht zuletzt wegen mancher „schwarzer Schafe“ gibt es in der Öffent-lichkeit Diskussionen über die Qualität der Arbeit in Pflegeheimen. Der Niedersächsische Landespflegebericht 2005 indes kommt zu einem klaren Ergebnis. Er bestätigt den Heimen zu 90 Prozent eine gute Qualität.��

Die Lebensqualität der Bewohner kann zukünftig auch durch neue Formen der Sensortechnik, der Kommunikationsinfrastruktur und der baulichen Gestaltung verbessert werden. Hierzu soll die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiierte Baumodellreihe „Das intelligente Heim“ beitragen. Gefördert werden Projekte in den Bereichen „Pflegedokumentation und -planung“, „Technikunterstütztes normales Wohnen“, „Technologien für Demenzkranke“ und „Architektonische Ge-samtlösungen“ mit besonderem Innovationspotenzial. „Das intelligente Heim“ setzt die vor einigen Jahren durchgeführte Initiative des Ministe-riums „Kostensparendes Bauen qualitätsvoller Altenhilfeeinrichtungen“ fort, die bereits grundlegende Erkenntnisse zur ressourcenschonenden Gestaltung von Heimen zutage förderte.��

Der dem Heimgesetz unterliegende Bereich der stationären Altenpflege wurde für Stadt und Landkreis Göttingen in der Niedersächsischen Pfle-gestatistik dokumentiert, die allerdings nur alle zwei Jahre aus Umfragen unter den Heimbetreibern erhoben wird. Die Pflegestatistik von 2005 war im August 2006 noch nicht veröffentlicht, daher werden hier die Daten von 2003 verwandt. Verteilung und Belegung der stationären Wohnformen im Landkreis geht aus einer Aufstellung der Heimaufsichtsbehörde der Stadt und des Landkreises Göttingen hervor (siehe Anhang).

Im Jahr 2003 bewohnten in Stadt und Landkreis Göttingen 2.571 Men-schen ein Pflegeheim (entspricht 58 von Tausend Einwohnern über 65 Jahre). 4,2 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landkreises sind über 80 Jahre alt. Davon benötigen 23 Prozent ambulante oder pflegerische Betreuung, knapp 16 Prozent der über 80-Jährigen werden in stationären Einrichtungen versorgt, bei den über 90-Jährigen sind es 35 Prozent (Bezugsjahr 2004). Das durchschnittliche Eintrittsalter in eine stationäre Pflegeeinrichtung liegt bei 85 Jahren. Das Angebot an Alten- und Pflege-heimplätzen im Landkreis Göttingen umfasste im Frühjahr 2006 insgesamt 3.205 Plätze in 38 Einrichtungen.

Im Bereich des Landkreises – ohne Stadt Göttingen – besteht ein Angebot von 1.635 vollstationären Pflegeheimplätzen in 25 Einrichtungen, wobei die Platzanzahl von 22 Pflegeheimplätzen im Senioren- und Pflegeheim Hemeln bis zu 149 Pflegeheimplätzen im Senioren-Wohnpark Königshof reicht (Mai 2006). Insgesamt 529 Plätze und damit fast ein Drittel des gesamten vollstationären Platzangebotes des Landkreises findet sich im

93 Niedersächsischer Landespflegebericht 200594 BMFSJ 2005

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Bereich der Stadt Hann. Münden. Duderstadt verfügt mit 325 Plätzen über das zweitgrößte Angebot im Landkreis. Seit Einführung der zweiten Stufe der Pflegeversicherung zum 1. Juli 1996 hat sich die Anzahl an vollstatio-nären Plätzen im Landkreis Göttingen um rund 50 Prozent von 1.092 (1996) über 1.238 (2001) auf nunmehr 1.635 Plätze (2006) erhöht.

Allein in den letzten Jahren sind sechs neue Einrichtungen entstanden, so dass nunmehr bis auf die Gemeinde Gleichen in allen Kommunen des Landkreises Göttingen mindestens ein Alten- und Pflegeheim angesiedelt ist. Tätig sind das Herzogin-Elisabeth-Stift mit 80 Plätzen und der Seni-oren-Wohnpark Königshof in Hann. Münden mit 149 Plätzen, das Haus St. Martinus in Bilshausen mit 67 Plätzen, das Altenhilfezentrum Johannishof in Rosdorf mit 60 Plätzen, die Seniorenwohnanlage in Dransfeld mit 72 Plätzen und das Seniorenpflegezentrum Bovenden mit 79 Plätzen.

Im Landkreis Göttingen besteht keine Einrichtung, die ausschließlich Kurzzeitpflegemaßnahmen anbietet. Im Rahmen freier Kapazitäten führen allerdings alle 25 Alten- und Pflegeheimeinrichtungen neben der vollstati-onären Pflege auch Kurzzeitpflegemaßnahmen durch, so dass auch hier eine gute Versorgung gegeben ist.

Neben der vollstationären Dauerpflege und der Kurzzeitpflege besteht die Möglichkeit, Leistungen der Tagespflege in Anspruch zu nehmen. Dafür stehen im Landkreis insgesamt 47 Plätze in vier Einrichtungen zur Verfügung. Im Stadtgebiet gibt es derzeit nur eine Einrichtung, die zwölf Tagespflegeplätze anbietet. Konkret sind dies das Altenzentrum am Saat-hoffplatz, Göttingen, das Altenhilfezentrum Johannishof in Rosdorf, das Seniorenpflegezentrum Bovenden, die ASB-Tagespflege Bovenden sowie die AWO-Tagespflege Hann. Münden. Während das Altenhilfezentrum Johannishof in Rosdorf und das neu gebaute Seniorenpflegezentrum Bovenden ihre Tagespflegeeinrichtung direkt an den vollstationären Heim-betrieb angegliedert haben, bestehen die Einrichtungen der Tagespflege in Hann. Münden (AWO) und in Bovenden (ASB) eigenständig.

Um die Qualitätsstandards zu verbessern, wurden in der jüngsten Vergan-genheit in zahlreichen Einrichtungen umfangreiche Baumaßnahmen zur Erweiterung der Häuser und Modernisierungsarbeiten durchgeführt. Die Mehrzahl der Pflegebedürftigen kann nun in Einzelzimmern untergebracht werden, die vor allem in den neuen Häusern und in den erweiterten Be-reichen auch über eigene Badezimmer verfügen.

In der Stadt Göttingen gab es Mitte 2006 1.570 vollstationäre Pflegeplätze in 13 Einrichtungen, 65 neue Plätze werden im Laufe des Jahres 2006 in Weende fertiggestellt. Im Stadtgebiet liegt die Auslastung bei 83 Prozent, Mitte 2006 gab es ca. 270 freie Plätze.

Diese gute Versorgung von Stadt und Landkreis Göttingen mit vollsta-tionären Pflegeheimplätzen wird auch anhand der Platzzahl je 10.000 Einwohner deutlich. Hier liegt der Landkreis mit 112 Plätzen deutlich über dem Durchschnitt des Landes. Die mit den Pflegekassen abgeschlossenen Versorgungsverträge der Heime legen deren Belegungsquoten fest. Nach Aussage der städtischen Heimaufsicht melden die Einrichtungen jedoch durchschnittlich 25 Prozent weniger belegte Plätze als eigentlich verfügbar,

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da viele Doppelzimmer als Einzelzimmer belegt werden. Die Heimaufsicht der Stadt Göttingen sieht hier die Notwendigkeit der Anpassung an den tatsächlichen Bestand.

Planungen zum Bau weiterer Häuser sind derzeit nicht bekannt. Die mei-sten Pflegebedürftigen finden bei Bedarf wohnortnah einen geeigneten Pflegeheimplatz.

Seit Einführung der Pflegeversicherung 1994 hat sich die Zahl der Leistungsempfänger bundesweit vervierfacht. Gleichzeitig ist die Zahl der Einzahler zurückgegangen. In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue Bundes-regierung eine Reform der Pflegeversicherung vereinbart. Entscheidungen zu diesem brisanten Thema wurden bislang nicht getroffen.

Für Heime mit weniger als 50 Plätzen ist es bei Einhaltung der vielfältigen gesetzlichen Auflagen schwierig, rentabel zu wirtschaften. Zu erwarten ist, dass sich der Trend zu Diversifikation und Größe fortsetzen wird. Ehemals gemeinnützig geführte Einrichtungen werden möglicherweise wegen wegfallender öffentlicher Zuschüsse privatisiert, um ehemals tarifgebundene Arbeitsverträge an die neuen Bedingungen anpassen zu können. Die Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen wird von vielen Anbietern unterstützt, da diese aufgrund ihrer großen Lebenserfahrung stark zu einer hohen Betreuungsqualität beitragen. Durch die Mischung jüngerer und älterer Mitarbeiter ist möglich, ältere MitarbeiterInnen von körperlich intensiven Arbeiten zu entlasten.

Ein Betreiber verschiedener Pflegeeinrichtungen aus dem Landkreis Göttingen kritisiert, das Wegfallen der Pflegestufe eins und die Bemü-hung, Personen in Pflegestufe eins und zwei nicht mehr in stationären Einrichtungen zu versorgen, werde zu einer Verlagerung der Kosten auf die Sozialhilfeträger führen. Viele Menschen seien nicht in der Lage, die Pflegekosten allein zu tragen. Sein Vorschlag: Zur Stärkung der ambu-lanten Versorgung sollten die Sätze für die ambulante Pflege angehoben werden. Zu beachten sei, dass die Pflege zu Hause nicht immer den Bedürfnissen der Betroffenen entspreche. Für alleinstehende Menschen sei die Integration in einem stationären Bereich möglicherweise positiver zu bewerten als das Leben in den eigenen vier Wänden. Ab einem be-stimmten Pflegeaufwand könne die ambulante Versorgung teurer sein als der Aufenthalt in einem Heim.

Neue Wohnformen

„Ich bin 56, man will es ja nicht wahrhaben, aber man wird eben älter. In ein Altenheim wollen wir alle nicht. Wir planen mit mehreren gleich-altrigen deshalb eine Alten-WG. Küche und Garten wollen wir gemeinsam nutzen, aber auch Rückzugsmöglichkeiten haben. Ob wir unsere Vorstel-lungen verwirklichen können, weiß ich nicht.“ (Hann. Münden)

„Uns kriegt man nicht in die Altenheime. Wir wollen viel eher in offene Wohngruppen gehen. Die Beschäftigten in den Altenheimen sind ganz fleißig und kompetent. Aber wir wollen uns aktiv einbringen und nicht den ganzen Tag über bedienen lassen.“ (Duderstadt)

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Einhergehend mit den gesellschaftlichen Veränderungen haben sich zahlreiche neue Wohnformen entwickelt. Sie lassen sich nicht immer trennscharf definieren. Der Begriff Wohngemeinschaft wird im Allgemei-nen mit jungen Leuten assoziiert, die nicht allein leben und gleichzeitig die Wohnkosten verringern wollen. Diese Wohnform findet inzwischen verstärkt Anhänger unter älteren Menschen. Die dafür gefundenen Organi-sationsformen sind vielfältig; der Begriff gemeinschaftliches Wohnen fasst ein weites Spektrum individueller Modelle. Ihnen ist gemeinsam, dass es sich um von Privatpersonen oder Vereinen initiierte Projekte handelt, in denen das Miteinander und das Sorgen füreinander im Vordergrund stehen. In einer Wohngemeinschaft hat jeder Bewohner sein eigenes Zimmer; Bad, Küche und Gemeinschaftsräume werden geteilt. Diese Form der Alten-WG ist bislang vor allem im Rahmen betreuter Wohngruppen bereits pflegebedürftiger bzw. dementer Menschen anzutreffen. Verbrei-teter sind Hausgemeinschaften, in denen jeder Bewohner, ähnlich wie beim betreuten Wohnen, über eine abgeschlossene Wohnung verfügt und darüber hinaus Gemeinschaftsräume existieren. Das Ideal des gemein-schaftlichen Wohnens sind gegenseitige Anteilnahme und Unterstützung im Alltag und im Krankheitsfall – wenn nötig auch mit Unterstützung durch ambulante Pflegedienste.

Zu den zentralen Merkmalen des gemeinschaftlichen Wohnens zäh-len:��

Besondere Qualitäten des Zusammenlebens (gegenseitige Unterstüt-zung), Mischung der Bewohner (Unterschiede nach Alter, Herkunft, Einkommen)

Flexible Wohnraumgestaltung (Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Wohnbedürfnisse)

Angestrebte Integration in das umgebende Wohnquartier und Verwirk-lichung gemeinschaftsfördernder Baukonzepte

Mitwirkung der Bewohner bei der Projektentwicklung (Planung, Realisierung des Projektes, Gemeinschaftsleben, Selbstverwaltung, Mitspracherecht bei der Belegung)

Alternative Wohnformen für Ältere sind aufgrund ihrer Verschiedenheit und der bislang eher geringen Verbreitung nicht statistisch erfasst, es stehen lediglich Schätzungen des Forums für gemeinschaftliches Wohnen (FGW) zur Verfügung. Bisher existieren demnach bundesweit etwa 200–300 selbst organisierte Wohnprojekte.

Zu verzeichnen sind wachsendes Interesse sowie eine zunehmende Zahl von Veröffentlichungen zum gemeinschaftlichen Wohnen. Auch das Fern-sehen liefert mit Dokumentationssendungen aus Wohnprojekten immer wieder Informationen zum gemeinschaftlichen Wohnen. Im Februar 2005 wurde sogar eine Doku-Soap unter dem Titel „Silver-Girls – Die Alten-WG“

95 Kremer-Preiß, Stolarz 2003

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ausgestrahlt (ARTE). In der Mehrzahl der Veröffentlichung finden sich neben allgemeinen Angaben auch zahlreiche Beispiele von Projekten und Projektinitiativen.

Die Hauptinteressentengruppe für selbstorganisierte Wohnformen sind die 50- bis Ende 60-Jährigen. Allerdings ist der Weg von der Idee zur Umsetzung ein langer und beschwerlicher: Die erste Hürde stellt die Phase der Gruppenfindung dar, in der es darum geht, sich kennenzulernen und Vertrauen zu entwickeln. Auch muss entschieden werden, welche Organisationsform gewünscht ist, sei es selbst organisiert oder betreut, mit Anbindung an eine Einrichtung oder ohne. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich beim Finden einer geeigneten Immobilie. Fragen der Finan-zierung und der Eigentumsform stehen hier im Vordergrund. In dieser Phase ist die Zusammenarbeit mit externen Beratern und den Bauherren von großer Bedeutung.

Das selbst organisierte Wohnen in Gruppen ist derzeit ein eher städtisches Phänomen, da hier der Anteil Alleinstehender weitaus höher ist als auf dem Land. Die Ergebnisse der Bürgerumfrage des Regionalverbandes Südnie-dersachsen erbrachten jedoch überraschenderweise ein verhältnismäßig großes Interesse an neuen Wohnformen auch auf dem Land.

In dieser Befragung haben 35 Personen angegeben, sie präferierten eine selbstorganisierte Wohngemeinschaft. Davon stammten 16 aus der Stadt Göttingen, immerhin 14 aus dem ländlichen Raum des Landkreises, in Hann. Münden und Duderstadt wurde diese Antwort nur zwei- bzw. dreimal gegeben. Hinsichtlich der These, diese Wohnform würde v. a. von Alleinstehenden gewählt, zeigen die Ergebnisse, dass gegenüber 13 Alleinstehenden auch 15 in einem Zweipersonenhaushalt Lebende ger-ne in einem gemeinschaftlich organisierten Wohnprojekt leben würden. Auch die Annahme, dass diese Modelle insbesondere von Akademikern bevorzugt würden, bestätigt die Bürgerumfrage nicht. Es waren vor allem jüngere Befragte, die ihre Vorliebe dafür äußerten.

Seit über zehn Jahren findet das Projekt der Freien Altenarbeit in Göttingen große Beachtung. Die Alten-WG am Goldgraben in Göttingen besteht seit 1994. Damals überließ die Stadt eine Villa im Göttinger Ostviertel, ehemals ein Altersheim mit damals starkem Sanierungsbedarf, dem Verein „Freie Altenarbeit“ von der Stadt für 25 Jahre zur mietfreien Nutzung. Die Kosten für die Instandhaltung des Gebäudes trägt seitdem der Verein. Das Haus verfügt über elf Wohnungen zwischen 30 und 47 Quadratmetern, die als abgeschlossene Wohnungen mit Bad und Küchenzeile eingerichtet sind. Darüber hinaus gibt es Gemeinschaftsräume. Voraussetzung für das Funktionieren des Zusammenlebens ist die Auflage, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Diese Verpflichtung umfasst auch die Betreuung im Krankheitsfall.

Die Bewohnerinnen sind zwischen 65 und 93 Jahre alt. In wöchentlichen Sitzungen wird das Gemeinschaftsleben geplant und Konflikte bearbeitet. Die Arbeit des im Haus angesiedelten Vereins mit seinem Zeitzeugenpro-jekt bietet einen weiteren Bindungsfaktor. Der Verein fördert die Bildung von Gruppen, in denen ältere und jüngere Menschen ein gemeinsames Wohnen vorbereiten wollen.

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Bei Mehrgenerationenprojekten werden in einem Stadtviertel oder einer größeren Siedlung Versorgungsstrukturen geschaffen und Unterstützungs-leistungen angeboten, die es älteren Mitmenschen erlauben, auch mit Beeinträchtigungen weiterhin selbstständig in ihren eigenen Wohnungen zu leben, ohne Gefahr zu laufen, zu vereinsamen. Organisatoren und Träger von Gemeinschaftsaktivitäten und Hilfsangeboten können Wohnungs-baugesellschaften, Kommunen, soziale Einrichtungen und/oder Nach-barschaftsinitiativen sein.�� Wichtig ist, dass hiermit einer Isolation älterer Menschen vorgebeugt wird und der Zusammenhalt der Generationen und die Partizipation Älterer gestärkt werden soll. Der Grad der Eigenorgani-sation ist jedoch aufgrund der Maßstabsebene relativ gering.

Derartige Ansätze gibt es auch im Landkreis Göttingen, so die vor kurzem fertiggestellte generationengemischte Wohnanlage “Am Hamberg“ der Wohnungsgenossenschaft in Rosdorf mit 31 barrierefreien Wohnungen. In Geismar gibt es am Tannenweg eine generationengemischte Wohnanlage der Volksheimstätte mit ca. 250 Wohnungen. Dort wurde im Zuge von Sanierungsmaßnahmen ein Anteil der EG-Wohnungen seniorengerecht umgerüstet. Betreutes Wohnen wird wegen der hohen Kosten gezielt nicht angeboten. Im Baugebiet am Junkernberg in Bovenden ist ebenfalls eine Fläche für generationengemischtes Wohnen ausgeschrieben. Derzeit wird ein Bauträger gesucht, der ein solches Projekt in Kooperation mit den zukünftigen Bewohnern umsetzt. Das lokale Bündnis für Familie will den Planungsprozess begleiten. Ähnliche Ansätze gibt es in Friedland, Dransfeld und Adelebsen.

Trotz kooperationsbereiter Verwaltungen, Bau- und Wohnungsgesell-schaften bleibt im Kern das Problem “Wer so leben will, muss es selbst organisieren“ bestehen. Das Angebot an geeigneten Immobilien ist bislang allerdings gering.

Beispiele für das Wohnen im Alter

Im Folgenden sollen kurz einige neue Modelle des Wohnens im Alter sowohl aus Deutschland als auch aus einigen Nachbarländern vorgestellt werden, um Entwicklungsperspektiven für eine zukünftige Ausweitung altengerechter Wohnformen aufzuzeigen.

Eines der populärsten Beispiele für selbst organisiertes gemeinschaft-liches Wohnen ist die Hausgemeinschaft des ehemaligen Bremer Ober-bürgermeisters Henning Scherf. Bereits Mitte der 80er-Jahre hatte sich eine Gruppe von Freunden gefunden, die beschlossen, ihr Altwerden gemeinsam zu erleben. Nach intensiven Diskussionen über Vorstellungen und die gemeinsame Zielsetzung erwarben sie ein sanierungsbedürftiges Haus in der Bremer Innenstadt. Der Umbau zu mehreren Einzelwohnungen und den Gemeinschaftsräumen erfolgte im Hinblick auf das Altern der Bewohner, es wurde auch an einen Schacht für einen eventuell eines Tages benötigten Fahrstuhl gedacht. Die Aufteilung in Wohnungen er-laubt allen BewohnerInnen die gewohnte Privatsphäre, doch u. a. bei den regelmäßigen „Betonterminen“ findet man zusammen. Scherf bezeichnet

96 Stiftung Warentest/Kuratorium Deutsche Altershilfe/Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) 2006, S. 19

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das Leben dort als „intellektuelles Reizklima“, aber auch in Fällen, in denen Bewohner Unterstützung brauchten, hat sich die Gemeinschaft bereits häufig bewährt.��

In Großburgwedel leben seit Herbst 1998 zwei junge Familien und vier ältere Ehepaare beieinander. Die aus insgesamt 15 Personen bestehende Gruppe „Beieinander wohnen – Jung und Alt“, die aus privaten Kontakten entstand, lebt in sechs Häusern und einem Gemeinschaftshaus. Jeweils zwei zusammenhängende Häuser mit einem Gemeinschaftshaus bilden den Bereich für die älteren Menschen, und zwei davon abgetrennte zu-sammenhängende Häuser werden von den beiden Familien bewohnt. Die beiden jungen Parteien wollten für sich unter einem Dach bauen, u. a. auch, um den Eigenleistungsanteil unabhängiger realisieren zu können. Das Gebäude wurde auf einem 2.000 Quadratmeter großen Grundstück neu gebaut und in Eigentum erworben. Einige BewohnerInnen waren miteinander befreundet, und aus dem Bekanntenkreis kamen später weitere dazu. Gemeinsam war ihnen, dass sie mit ähnlich Gesinnten alt werden und sich kleine Dinge im Alltag abnehmen wollten. Auch junge Familien sollten dabei sein.

Nachdem die Gruppe ein Grundstück gefunden hatte, zog sie ein Architek-tenbüro hinzu. Für den Kauf des Grundstückes und um als Vertragspartner mit dem Architekturbüro Aufträge abwickeln zu können, schlossen sich die zukünftigen BewohnerInnen zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen. Nach Fertigstellung des gesamten Projektes wurde die GbR in eine Wohnungseigentümergemeinschaft umgewandelt. In Teilungsver-trägen sind die jeweiligen Bereiche anteilsmäßig beschrieben.

Der Prozess von der Entwicklung des Raumkonzeptes bis zur Fertigstel-lung dauerte drei Jahre. Sämtliche Häuser sind in sich abgeschlossene Wohnungen mit der Besonderheit, dass sich einige Häuser einen Hauswirt-schaftsraum teilen. Es gibt gemeinschaftliche Außenbereiche, aber auch private Terrassen vor den Häusern. Die Erdgeschosse sind schwellenlos und für die mögliche Nutzung von Rollstühlen geplant. Da es keine Keller gibt, werden Nebengebäude als Werkstatt und Abstellräume genutzt. Die Gesamtkosten betrugen ca. 1,2 Millionen Euro, knapp 1.800 Euro pro Quadratmeter einschließlich der Kosten für das Gemeinschaftshaus.

Aus einer Initiative der städtischen Wohnungsgesellschaft Bremerhaven mbH in Kooperation mit einer Gruppe Interessierter (die sich durch das Angebot der Wohnungsgesellschaft zusammenfanden) entstand ein Projekt, bei dem nachbarschaftliches Mehrgenerationenwohnen mit Quartiersentwicklung verbunden wurde. Die Sanierung eines Altbaus (Bj. 1903) mit 900 Quadratmetern Wohnfläche in der Goethestraße, einem Bremerhavener Brennpunktquartier, wurde von der Wohnungsgesellschaft (Eigentümer) und den zukünftigen Mietern gemeinsam geplant und mit deren finanzieller Eigenbeteiligung umgesetzt, wobei die Wohnungs-gesellschaft fehlendes Kapital mit zinslosen Darlehen vorschoss. Im Rahmen der Modernisierung wurden barrierefreie Zugänge hergestellt, ein Fahrstuhl und Balkone eingebaut, eine Zentralheizung installiert, die Außenanlagen umgestaltet, ein Gemeinschaftsraum eingerichtet und die

97 VDW-Tagung 2006 „Bremen – eine generationengerechte Adresse“

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Fassade erneuert. Die Wohnungen wurden nach den Vorstellungen der Mieter gestaltet. 2005 bezogen die Bewohner, sowohl ältere Menschen als auch junge Familien, das Haus. Die Beteiligung an der Modernisierung führt zu einer hohen Wohnzufriedenheit und positiver Entwicklung des nachbarschaftlichen Zusammenhalts.

Auf einem Bauernhof der besonderen Art bietet die Diakonische Altenhilfe Niederlausitz gGmbH Betreutes Wohnen mit ländlicher Orientierung für Menschen mit Demenz an. Es handelt sich um eine an der landwirtschaft-lich geprägten Lebenswelt orientierte betreute gerontopsychiatrische Wohngruppe.

Immer mehr ältere Menschen erkranken an Demenz. Allerdings fehlt es in ländlichen Gemeinden oft an geeigneten Wohn- und Betreuungsformen für die Betroffenen und die sie pflegenden Angehörigen. Briesen, ein Ort mit etwa 10.000 Einwohnern, liegt in der Niederlausitz, in der Nähe des Spreewaldes. Kern des Nutzungskonzeptes ist es, an Altersdemenz erkrankten Menschen in der ihnen vertrauten ländlichen Umgebung ein neues Zuhause zu geben. Dabei soll Alltagsgestaltung an die bisherigen vom bäuerlichen Leben geprägten Erfahrungen und Abläufe anknüpfen. Durch die Möglichkeit, gewohnte Tätigkeiten weiter ausüben zu können, sollen vorhandene Fähigkeiten erhalten und trainiert werden. Im Mittel-punkt steht dabei, dass die BewohnerInnen in Würde alt werden können und so weit wie möglich selbstständig ihren Alltag meistern. Das alltäg-liche Leben auf dem Bauernhof wird durch Haustiere, Gartenarbeit und gemeinschaftliche Aktivitäten geprägt. Das Projekt greift Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis – etwa des Kuratoriums Deutsche Alters-hilfe – auf, wonach die natürliche Lebensumgebung in vielseitiger Weise zur Zufriedenheit und Lebensqualität gerade älterer Menschen beitragen kann. Für die Betreuung stehen eine gerontopsychiatrische Fachkraft, eine Pflegehilfskraft sowie eine hauswirtschaftliche Hilfskraft zur Verfügung. Eine Sozialstation übernimmt die Hilfe und Anleitung bei der Körperpfle-ge. Für den laufenden Betrieb ist ehrenamtliche Unterstützung durch Angehörige und Menschen aus der Nachbarschaft unverzichtbar. Diese Hilfe trägt zudem dazu bei, die Integration in die Gemeinde zu fördern. Das Grundstück stellte die Evangelische Kirchengemeinde Briesen in Erbbaupacht zur Verfügung.��

Wohnungsanpassungsberatung

Eine kommunale Wohnungsberatung bzw. Wohnungsanpassungsberatung existiert in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden des Landkreises Göttingen nicht. Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwaltungen gehen auch nicht davon aus, dass ein solcher Service in alleiniger Träger-schaft einer Kommune eingerichtet werden könnte. Wenn überhaupt lasse sich dieses Angebot interkommunal oder durch den Landkreis Göttingen klären. In der Samtgemeinde Dransfeld könne daran möglicherweise der Fachbereich Bauen, Umwelt und Ordnung beteiligt werden. Die Stadt Du-derstadt vertritt die Auffassung, dass zur Lösung eines solchen Problems auch die Kreiswohnungsbaugesellschaft einen Beitrag leisten könnte.

98 Fachstelle Wohnberatung 2002

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland beabsichtigt, den Gedanken einer Wohnungsberatung aufzugreifen und im Rahmen eines Erzählcafés zu thematisieren. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Gleichen hält die Idee grundsätzlich für gut und beabsichtigt, sie im Rahmen des Bündnisses für Familie auch in Altenclubs zu diskutieren.

Auch die Stadt Hann. Münden hält die Idee für diskussionswürdig, geklärt werden müsse allerdings die Frage des Bedarfs. Auch Wohnungstausch-börsen existieren auf gemeindlicher Ebene nicht. Die Idee wird u. a. in Adelebsen, Bovenden und Gieboldehausen für sinnvoll gehalten.

Im Ansatz wurde in Staufenberg bereits versucht, eine solche Initiative zu starten. Es zeigte sich jedoch dort, dass die meisten älteren Personen in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung bleiben wollen – selbst wenn Haus oder Wohnung nach Auszug oder Tod von Familienangehörigen viel zu groß geworden sind. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Adelebsen kann sich vorstellen, ein solches Angebot interkommunal zu gestalten. In Gleichen heißt es, da keine altengerechten Wohnungen vorhanden seien, fehle für das Funktionieren einer Wohnungstauschbörse die Basis. In Ebergötzen wird darauf verwiesen, dass die personelle Ausstattung der Samtgemeinde Radolfshausen ein solches Angebot nicht zulasse.

Internationale Beispiele

NiederlandeDie Förderung der eigenständigen Lebensführung im Alter gehört in den Niederlanden seit Anfang der 70er-Jahre zu den sozialpolitischen Zielen.�� Es wird versucht, die Aufnahme von Personen in Alten- und Pflegeheime zu begrenzen. Man differenziert zwischen Haushaltshilfe und häuslicher Kran-kenpflege. Die Sozialversicherung übernimmt die Kosten für Haushalts-hilfe und häusliche Krankenpflege, die vorwiegend durch gemeinnützige Träger erbracht werden, zu ca. 85 Prozent. Der verbleibende Anteil muss selbst finanziert werden. Über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Unterbringung in vollstationären Einrichtungen entscheiden seit 1977 regionale Begutachtungsstellen. Ziel ist es, die Aufnahme in Alten- und Pflegeheime auf diejenigen Personen zu beschränken, die nicht mehr selbstständig wohnen können. Da die Bedeutung der stationären Einrich-tungen in den Niederlanden abnimmt, sind Alten- und Pflegeheime schon vor einiger Zeit dazu übergegangen, ihre Dienste auch älteren Menschen, die noch in der eigenen Wohnung leben, anzubieten (z. B. Tagespflege, Essen auf Rädern).

Neben den Alten- und Pflegeheimplätzen steht eine Vielzahl an selbststän-digen Wohnformen zur Auswahl, und zwar Wohnformen ohne und mit inte-griertem Dienstleistungsangebot. Wohnformen ohne integriertes Angebot sind vor allem Wohnungen aus dem regulären Wohnungsbestand. Heute werden den gesetzlichen Bauverordnungen entsprechen 50 Prozent der neu errichteten Wohnungen „anpassbar“ gebaut. Das bedeutet, dass bei der Planung die Anforderungen an körperbehindertengerechtes Wohnen bzw. eine relativ einfache Umwandlung berücksichtigt wird. Da der kom-

99 Die Beispiele sind Steffens et al. 2004 entnommen.

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plette Umbau bestehender Wohnungen aus Kostengründen aufwendig ist, wurde das Konzept „Opplussen“ bzw. „Aufplussens“ entwickelt, bei dem die Barrierefreie Umgestaltung durch staatliche Prämien gefördert wird. „Aufplussen“ stellt somit eine recht günstige Maßnahme zur Bereitstellung altersgerechten Wohnraums dar. Zu den Wohnformen mit integriertem Dienstleistungsangebot zählen die „An- und Inleunwoningen“ sowie die Wohn-Pflege-Komplexe und die Seniorenwohnheime. Während es sich bei den „Anleunwoningen“ um altengerechte Wohnungen handelt, die direkt neben Altenheimen gebaut sind, sind die „Inleunwoningen“ selbstständige Wohneinheiten innerhalb der Altenheime. Bei beiden Wohnformen kann der Wohnungsmieter bei Bedarf kostenpflichtige Pflege- und Dienst-leistungsangebote vom Personal des Altenheims in Anspruch nehmen (ähnlich dem Betreuten Wohnen). Auch für die Inanspruchnahme solcher Wohnungen ist eine Anerkennung der Notwendigkeit durch den medi-zinischen Dienst erforderlich. Ein vergleichbares Angebot bieten auch die Wohn-Pflege-Komplexe, welche die Altenheimplätze in Zukunft ganz ersetzen sollen. Es gibt ein von Seniorenverbänden vergebenes „Senio-renlabel“ als Gütezeichen für altersgerechtes Wohnen.

Dänemark Mit der Verabschiedung des „Gesetz betreffend Wohnungen für Alte und Personen mit Behinderung“ vollzog die dänische Regierung bereits 1987 ein Paradigmenwechsel weg vom klassischen Pflegeheim hin zur moder-nen Seniorenwohnung. Der Bau von Pflegeheimen wurde eingestellt. Die Wohnungen müssen von den Gemeinden bereitgestellt werden. Entspre-chend der Philosophie der Selbstbestimmung sollen Ältere genau die Hilfe bekommen, die sie benötigen – und zwar unabhängig davon, wo und wie sie wohnen. Zielsetzung ist die Bereitstellung eines breiten Angebotes an Dienstleistungen, wie Hilfe zur persönlichen Pflege, Zubereitung von Mahlzeiten, Wohnungsreinigung sowie Unterstützung beim Einkaufen und – soweit gewünscht – regelmäßige „Sicherheitsbesuche“. Generell haben Rehabilitationsmaßnahmen Vorrang gegenüber einer Einweisung in Tages- oder Pflegeheimen. Die ambulante Hilfe ist für die Menschen kostenlos, sie wird von den Gemeinden finanziert. Dies ist darin begründet, dass in Dänemark die Gemeinden als ausführende Organe für den Sozial- und Gesundheitsbereich verantwortlich sind und sie daher im Vergleich zu den deutschen Kommunen über eine wesentlich bessere finanzielle Ausstattung verfügen.

Neu errichtete Seniorenwohnungen müssen behindertengerecht gebaut und – entsprechend den gesetzlichen Vorgaben – über eigene Küche, Bad mit Toilette sowie ein Alarmsystem verfügen. Errichtet werden die Seniorenwohnungen von gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und den Gemeinden, denen per Gesetz eine Vielfalt von Refinanzierungs-möglichkeiten zur Verfügung steht. Privates Kapital kann mit einbezogen werden. Bei selbst genutztem Eigentum gewährt die Gemeinde – für den Fall, dass die seniorengerechten Baurichtlinien eingehalten werden – Zuschüsse und günstige Kredite. Eine Belegungsänderung bedarf der Zustimmung der Gemeinde. Eine Eigentumsübertragung ist nur unter strengen Auflagen möglich. Die Verwaltung der Seniorenwohnungen obliegt ebenfalls den Kommunen, die auch die Belegung übernehmen. Ausschlaggebend für die Belegung ist der durch den Visitationsausschuss festgestellte Grad der Hilfe- bzw. Pflegebedürftigkeit der Betroffenen. Eine

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Quote, welche die Anzahl der Seniorenwohnungen festlegt, existiert nicht. Vielmehr liegt es im Ermessen der jeweiligen Gemeindeverwaltung, die Zahl abhängig von der Bevölkerungszahl und -struktur festzulegen. Die Kontrolle darüber erfolgt von zwei Seiten: zum einen durch die gesetzlich vorgeschriebenen, kommunalen Seniorenbeiräte vor Ort, zum anderen durch das Sozialministerium, dem die Verwaltung jedes Jahr den Bestand an Seniorenwohnungen übermitteln muss und das dann gegebenenfalls regulierend eingreifen kann.

Großbritannien Im ambulanten Bereich existieren unterschiedliche Betreuungs- und Servicedienste für ältere Menschen, beispielsweise sog. Community Warden Services für die ambulante Betreuung in Bestandswohnungen, die Bewohner einmal pro Woche telefonisch kontaktieren und einmal pro Monat zu Hause besuchen, um die Lebensverhältnisse zu überprüfen. Die Dienste sind zuweilen kostenlos und erfordern lediglich eine telefonische Anmeldung. Intensivere Kurzzeitbetreuung in besonderen Lebenslagen – beispielsweise nach Entlassung aus einer Klinik oder bei Ausfall eines pflegenden Familienangehörigen – bietet der Mobile Warden Service an.

Supported Housing sind Wohnanlagen, die abgeschlossene, meist barrierefreie Wohnungen und in der Regel ein Notrufsystem sowie Tür-sprechanlagen anbieten. Bei praktisch allen Anlagen wird großer Wert darauf gelegt, dass quartiersbasierte Freizeit- und Betreuungsangebote erreichbar sind. Supported Housing wäre mit einer Minimalversion des Service-Wohnens vergleichbar. Sheltered Housing bietet abgeschlossene Wohnungen, die in der Regel barrierefrei sind. Hinzu kommen ein Not-rufservice sowie umfassende Gemeinschaftseinrichtungen und Betreu-ungsangebote. Die Mieten kommunaler Sheltered-Housing-Wohnanlagen liegen beispielsweise in London je nach Größe zwischen 400 und 600 € im Monat (inkl. Betreuung) und sind vergleichsweise preisgünstig. Beim Very Sheltered Housing handelt es sich um Sheltered Housing mit integrierter Pflegestation. Die Bewohner wohnen in abgeschlossenen Wohnungen der Anlagen, in denen ein Pflegeteam 24 Stunden am Tag anwesend ist. Die Pflege erfolgt in den Wohnungen. Residential Care/Care Homes ähneln dem deutschen Pflegeheim. Group Homes/Shared Accomodation wiederum sind Gruppenwohnprojekte, die sich insbesondere an Demenz-kranke wenden.

Die britische Regierung unterstützt die Selbstständigkeit fördernde Wohnformen und sieht insbesondere im Very Sheltered Housing eine Al-ternative zur stationären Pflege. Schlüsselfigur für die Betreuung sowohl in Bestandswohnungen wie in allen Formen altersgerechten Wohnens ist in England die Person des Wardens. Während hier Leistungskataloge dominieren, wird das britische Modell von der Verfügbarkeit einer solchen Ansprechperson geprägt, deren Leistungen flexibel auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestellt werden. Dies bietet den Vorteil, dass sich die Dienst-leistungen im Zuge der Alterung der Bewohnerschaft verändern können. Außerdem beinhaltet der Warden-Service eine aufsuchende Betreuung mit regelmäßiger Kontaktierung, die sowohl in betreuten Wohnanlagen als auch ambulant angeboten wird.

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Individuelle Einschätzungen

„Ich habe eine Eigentumswohnung und bin Verwalter für unser Haus. Neulich habe ich versucht, ein Angebot für das Streichen des Treppen-hauses zu kriegen. Die Betriebe, die ich angeschrieben habe, haben gar nicht reagiert. Man muss doch die Kundschaft pflegen.“ (Duderstadt)

„Ich bin sechzig Jahre und seit fünf Jahren Frührentner. Unser Haus liegt auf dem Berg. Es ist schwierig, zu Fuß dahin zu kommen. Ich glaube aber, dass wir unser Haus behindertengerecht umbauen können, wenn wir mal größere Gehprobleme kriegen.“ (Duderstadt)

„Mein Mann hat schon vor zwanzig Jahren behindertengerecht gebaut.“ (Hann. Münden)

„Ich habe gerade einer neuen Mieterin geraten, darauf zu bestehen, dass der Umbau erfolgen soll, bevor sie einzieht.“(Hann. Münden)

Situation im Landkreis Göttingen

Der demographische Wandel, insbesondere die tief greifenden Verände-rungen im Altersaufbau der Bevölkerung, hat erhebliche Auswirkungen auf das Handwerk. Diese betreffen zum einen die Handwerksbetriebe unmittelbar, zum anderen die Märkte des Handwerks.

Auf der betrieblichen Ebene rückt aufgrund der zu erwartenden verschärf-ten Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt um qualifizierte Arbeitskräfte immer stärker die Sicherung des Nachwuchs- und Fachkräftebedarfs in den Vordergrund. Daneben werden die Handwerksbetriebe in zunehmendem Maße mit alternden Belegschaften konfrontiert. Das erfordert eine alters-adäquate Arbeits- und Personalpolitik, wobei insbesondere die ständige Qualifizierung der älteren Mitarbeiter von großer Bedeutung sein wird.

Auf der anderen Seite eröffnen sich dem Handwerk mit zunehmender Alterung der Bevölkerung neue Marktfelder und damit gleichzeitig die Chance, mit einem innovativen, an den Bedürfnissen der Senioren ori-entierten Angebot neue Kunden zu gewinnen. Dabei steht vor allem der Bereich „Wohnen im Alter“ im Fokus. So macht der Wunsch vieler Menschen, solange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben, in vielen Fällen eine altersgerechte Wohnraumanpassung durch bauhand-werkliche Betriebe unumgänglich (Stichwort: altengerechtes und barrie-refreies Wohnen). Daraus resultiert vor allem für Bauhandwerksbetriebe eine Fülle von Aufgaben, sofern die Marktchancen von den Betrieben rechtzeitig erkannt und die neuen Märkte systematisch für das Handwerk erschlossen werden. Zudem wirkt sich positiv aus, dass ein Großteil der Senioren über eine überdurchschnittliche Kaufkraft verfügt und durchaus konsumfreudig ist.

Im Folgenden wird untersucht, welche Risiken und Chancen sich für das Handwerk im Landkreis Göttingen aus dem demographischen Wandel er-geben. Nach einer kurzen Darstellung, wie das Handwerk in der Region auf-gestellt ist, wird zunächst der Frage nachgegangen, wie die Altersstruktur

HanDwerk Im DemograpHIscHen wanDel (Volkswirtschaftliches In-stitut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen)

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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der im Handwerk Beschäftigten aussieht und welche personalpolitischen Konsequenzen aus der Alterung der Belegschaften in den Betrieben re-sultieren. Anschließend wird aufgezeigt, wo die Konsumschwerpunkte der Senioren liegen und wie das Leistungsangebot des Handwerks für diese Zielgruppe aussieht. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Marktfeld „Seniorengerechtes Wohnen“.

Strukturdaten des Handwerks Zum Wirtschaftsbereich Handwerk gehören derzeit 94 Berufe, die in den sog. Anlagen A und B zur Handwerksordnung im Einzelnen aufgelistet sind.100 Handwerksbetriebe müssen in die Handwerksrolle eingetragen werden, die von der jeweils zuständigen regionalen Handwerkskammer geführt wird. Die Zuständigkeit für den Landkreis Göttingen obliegt der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen.

Die Vielzahl der Berufe deutet darauf hin, dass es sich im Handwerk um einen vielseitigen Wirtschaftsbereich handelt, der zahlreiche un-terschiedliche Zweige und Branchen umfasst. So sind in nahezu allen Lebensbereichen Produkte und Dienstleistungen anzutreffen, die dem Handwerk zuzuordnen sind: Dazu gehören Brötchen aus der Bäckerei und das Fleisch aus der Metzgerei, die Gestaltung oder der Umbau der Wohnung, Reparatur- und Serviceleistungen am Auto oder der Gang in den Friseursalon. Dementsprechend gehören zum breiten Spektrum handwerklicher Leistungen sowohl die Herstellung eigener Erzeugnisse, die oftmals im eigenen Ladengeschäft vertrieben werden (z. B. Bäcker, Fleischer), als auch die Bereitstellung von sach- und/oder personenbezo-genen Dienstleistungen (z. B. Kfz-Techniker, Friseure) sowie der Handel mit fremd erzeugten Waren (z. B. Radio- und Fernsehtechniker, Uhrmacher).

Das Handwerk erfüllt wichtige volkswirtschaftliche Funktionen. Dazu gehört aufgrund der breiten regionalen Streuung der Handwerksbetriebe vor allem die Nahversorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienst-leistungen des täglichen Bedarfs bzw. Grundbedarfs. So wird z. B. im Handwerk – anders als etwa in der Industrie – ein Großteil der Umsätze unmittelbar mit privaten Endverbrauchern getätigt. Häufig stellen dabei Handwerksbetriebe Mittler zwischen industriellen Herstellern und den privaten Endverbrauchern dar, indem sie industriell gefertigte Produkte beim Kunden installieren bzw. montieren und dadurch die Produkte erst „konsumfähig“ machen.

Ferner kommt dem Handwerk eine große arbeitsmarktpolitische Bedeu-tung zu. Rund elf Prozent der Beschäftigten und damit etwa jeder Neunte arbeiten in einem Handwerksbetrieb. Rund 30 Prozent aller Ausbildungs-plätze in der Region entfallen auf das Handwerk. Damit bildet dieser Wirt-schaftsbereich weit über den eigenen Bedarf hinaus aus. Gleichzeitig trägt es dadurch zur Humankapitalbildung bei, da etwa jeder Zweite nach seiner Ausbildung im Handwerk in anderen Wirtschaftbereichen, vornehmlich in der Industrie, Arbeit findet.

100 Darüber hinaus werden in der Handwerksordnung weitere 59 „handwerksähnliche“ Berufe (Anlage B, Abschnitt 2) aufgeführt, die keine Vollhandwerke darstellen. Wenn im Folgenden vom Handwerk die Rede ist, ist immer das Vollhandwerk ohne das handwerksähnliche Gewerbe gemeint.

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Derzeit gibt es im Landkreis Göttingen insgesamt 2.054 Handwerksbe-triebe, davon entfallen 801 auf das Oberzentrum Göttingen. Daraus ergibt sich eine Betriebsdichte von knapp acht Handwerksbetrieben je eintau-send Einwohner für den gesamten Landkreis, wobei in der Stadt Göttin-gen selbst etwa sechseinhalb Betriebe auf 1.000 Einwohner kommen. Damit ist der Versorgungsgrad der Bevölkerung im Landkreis Göttingen mit handwerklichen Gütern und Dienstleistungen – gemessen an der Betriebsdichte – deutlich schlechter als im gesamten Handwerkskam-merbezirk Hildesheim-Südniedersachsen (9,2 Betriebe/1.000 Einwohner) oder im Durchschnitt des Landes Niedersachsen (9,7 Betriebe/1.000 Einwohner).

Aus der Abbildung 20 geht hervor, dass fast die Hälfte der Handwerksbe-triebe im Landkreis Göttingen auf das Bauhandwerk entfällt. Damit wird die überragende Stellung des Bauhandwerks innerhalb des Gesamthand-werks auch in der Region bestätigt. Das Bauhauptgewerbe stellt rund 13 Prozent der Betriebe. Dazu zählen z. B. Maurer und Betonbauer, Zimmerer und Dachdecker. Die meisten Bauhandwerksbetriebe gehören jedoch zum Ausbauhandwerk (35,2 Prozent). Hierzu zählen Maler und Lackierer, Installateure und Heizungsbauer, Tischler sowie Elektrotechniker. Im Hin-blick auf den demographischen Wandel kommt dem Bauhandwerk vor allem im Marktfeld „Seniorengerechtes Bauen und Wohnen“ eine große Bedeutung zu.

Ebenfalls relativ stark vertreten im Landkreis Göttingen sind neben dem Bauhandwerk auch jene Handwerkszweige, die personenbezogene Dienstleistungen erbringen. Mehr als jeder fünfte Handwerksbetrieb (22,2 Prozent) gehört zu dieser Gruppe. Diese Branche umfasst z. B. Friseure, Schuhmacher, Schneider und Textilreiniger. Auch für die Handwerke für per-sönliche Dienstleistungen gewinnen Senioren aufgrund ihrer spezifischen Bedarfsprofile als Kundengruppe zunehmend an Attraktivität. Aufgrund eines erhöhten Komfortanspruchs und zunehmender Bequemlichkeit dürften Ältere künftig verstärkt Serviceleistungen nachfragen, die sie nicht mehr selbst erbringen wollen oder können. Untersuchungen zeigen, dass Ältere für diese Art von Bequemlichkeit tendenziell eher bereit sind Geld auszugeben als Jüngere.

Im Kontext der gesellschaftlichen Alterung ist das Gesundheitshandwerk von Bedeutung. Insgesamt erbringen 113 Handwerksbetriebe im Landkreis Leistungen im Gesundheitsbereich. Dazu gehören Augenoptiker, Zahn-techniker, Hörgeräteakustiker, Orthopädieschuhmacher und Orthopädie-techniker. Bemerkenswert ist, dass mit einem Anteil von 5,5 Prozent an allen Handwerksbetrieben der Landkreis Göttingen erheblich besser mit handwerklichen Gesundheitsleistungen versorgt ist als im Durchschnitt des Handwerkskammerbezirkes Hildesheim-Südniedersachsen.101 Trotz allen medizinischen Fortschritts ist der Alterungsprozess auch mit geri-atrisch bedingten gesundheitlichen und körperlichen Einschränkungen verbunden. Von daher liegen die Berührungspunkte des Gesundheits-handwerks mit der Seniorenwirtschaft auf der Hand.

101 Im Handwerkskammerbezirk Hildesheim-Südniedersachsen beträgt die Betriebsdichte im Gesund-heitshandwerk durchschnittlich 3,6 Betriebe pro 1.000 Einwohner.

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Schließlich sei auf das Nahrungsmittelhandwerk hingewiesen, zu dem knapp sechs Prozent aller Handwerksbetriebe im Landkreis Göttingen gehören. Bäcker und Fleischer stellen durch ihr Angebot die Versorgung der Bevölkerung mit täglich frischen Brot- und Backwaren sowie Fleisch-produkten vor allem auch im ländlichen Raum sicher. Dabei profitiert das Nahrungsmittelhandwerk ganz generell vom wachsenden Gesundheits-bewusstsein der Bevölkerung, wobei jedoch mit zunehmendem Alter der Stellenwert einer gesunden Ernährung ansteigt.

Altersstruktur in ausgewählten HandwerksbranchenDas Arbeitskräfteangebot hängt entscheidend von der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ab, denn rein rechnerisch ergibt sich das Arbeitskräf-teangebot aus der mit der Bevölkerungszahl multiplizierten Erwerbsquote, d. h. dem Anteil der am Erwerbsleben teilnehmenden Bevölkerung.

Handwerksbranche Betriebe

anzahl betriebsdichte * anteilBauhauptgewerbe 261 1,0 12,7%

Ausbaugewerke 724 2,8 35,2%

Handwerke für den gewerblichen Bedarf 203 0,8 9,9%

Kraftfahrzeughandwerk 178 0,7 8,7%

Nahrungsmittelhandwerk 120 0,5 5,8%

Gesundheitshandwerk 113 0,4 5,5%

Handwerk für Persönliche Dienstleistungen 455 1,7 22,2%

Handwerksbetriebe insgesamt 2.054 7,8 100,0%

davon im stadtgebiet göttingen 801 6,6

* Betriebe pro 1.000 Einwohner ifh Göttingen

Abbildung 20: Handwerksbe-

triebe im Landkreis Göttingen

(Stand: April 2006)

Quelle: HwK Hildesheim-Südnie-

dersachsen; NLS-Online; eigene

Berechnungen ifh Göttingen

Abbildung 21: Handwerksbe-

triebe im Landkreis Göttingen

nach Branchen

(Stand: April 2006)

(Quelle ifh Göttingen)

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Durch eine Sonderauswertung der Versichertendaten der Innungskran-kenkasse Niedersachsen (IKK Niedersachsen) war es möglich, die Alters-struktur der Handwerksbeschäftigten im Landkreis Göttingen zu ermitteln. Der Abbildung 22 ist zu entnehmen, dass gegenwärtig gut vier Fünftel der Beschäftigten im Handwerk jünger als 50 Jahre sind und knapp ein Fünftel diese Altersgrenze bereits überschritten hat (vgl. auch Abbildung 24).

Mit knapp 55 Prozent gehören mehr als die Hälfte der Mitarbeiter im Handwerk der mittleren Altersgruppe der 31- bis 50-Jährigen an. Gut ein Viertel der Beschäftigten sind bis 30 Jahre alt. Bei den Mitarbeitern in den Handwerksbetrieben, die jenseits der 50 sind und somit zur Generation 50plus gehören, ist die Alterskohorte der 51- bis 55-Jährigen mit rund zehn Prozent am stärksten besetzt, 6,5 Prozent der Mitarbeiter sind zwischen 56 und 60 Jahre alt und nur 2,6 Prozent der Handwerksbeschäftigten sind 61 Jahre und älter.�0� Mit dieser Alterszusammensetzung der Beschäftigten entspricht das Handwerk in etwa der Altersstruktur des Erwerbspersonen-potenzials im Landkreis Göttingen.

Als Folge der oben beschriebenen Verschiebungen der Altersstruktur der Bevölkerung bzw. des Erwerbspersonenpotenzials wird sich auch die Altersstruktur der Mitarbeiter in den Handwerksbetrieben bis zum Jahr 2020 deutlich verändern: Verglichen mit der Situation heute ist zu erwarten, dass sich der Anteil der älteren Mitarbeiter (50+) in den Hand-werksbetrieben erheblich erhöhen wird. Das bedeutet, dass sich die Handwerksbetriebe mittelfristig auf im Durchschnitt wesentlich ältere Belegschaften einstellen müssen.

Eine Differenzierung nach Handwerksbranchen zeigt, dass sich die Al-tersstruktur in den einzelnen Handwerkszweigen teilweise deutlich von-einander unterscheidet (vgl. Abbildung 23). Den geringsten Anteil älterer Mitarbeiter (50+) weisen die Dachdecker und Tischler auf (jeweils unter zehn Prozent). Der Grund hierfür dürfte in der körperlichen Beanspruchung

102 Die Ergebnisse der Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten im Landkreis Göttingen auf Basis der IKK-Daten werden durch eine Sonderumfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) zur Personalpolitik im Handwerk im Frühjahr 2003 weitgehend bestätigt. Danach entfielen im Handwerkskammerbezirk Hildesheim-Südniedersachsen 24,8 Prozent der Handwerksbeschäftigten auf die Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen, 54,5 Prozent der Beschäftigten waren zwischen 31 und 50 Jahren alt und 20,6 Prozent waren älter als 51 Jahre.

Abbildung 22: Altersstruktur

der Handwerksbeschäftigten

im Landkreis Göttingen

(Anteile in Prozent)

(Quelle: ifh Göttingen)

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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liegen, der die Mitarbeiter in diesen beiden Gewerken ausgesetzt sind. Mit zunehmendem Alter zeigen sich viele Mitarbeiter den berufsbedingten Anforderungen nicht mehr gewachsen oder das Unfallrisiko wird zu groß. Entsprechend hoch ist der Anteil jüngerer Mitarbeiter, wobei insbesondere bei den Tischlern der überdurchschnittlich hohe Anteil von Beschäftigten bis 30 Jahre auffällt (37,8 Prozent). Daneben zeichnen sich auch die Fri-seure durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil jüngerer Mitarbeiter aus. Lediglich rund 12 Prozent der Beschäftigten in Friseurläden sind älter als 50 Jahre.

Demgegenüber lässt sich in etlichen Handwerkszweigen ein überdurch-schnittlich hoher Anteil älterer Mitarbeiter (50plus) feststellen. Dazu gehören bspw. Fliesenleger, Elektrotechniker sowie Installateure und Heizungsbauer (vgl. Abbildung 23). Bei diesen Handwerken erscheint angesichts der physischen Belastung der Mitarbeiter und des schnellen technischen Fortschritts bzw. Wandels der Berufsinhalte der betriebliche Anpassungsbedarf aufgrund der zu erwartenden Alterung der Belegschaft besonders vordringlich zu sein.

Handwerksbranchebeschäftigte1) im alter von bis jahren (anteile in %)

15 - 30 31 - 50 51 - 55 56 - 60 61 u. älter

Dachdecker 21,1 69 5,6 4,2 -

Installateur und Heizungsbauer 24,4 54,1 8,1 6,7 6,7

Maler und Lackierer 22,4 61,2 10,2 4,1 2

Tischler 37,8 53,3 4,4 4,4 -

Fliesenleger 14,5 58,2 18,2 5,5 3,6

Elektrotechniker 26,8 47 9,8 14 2,4

Metallbauer 25,6 59 5,1 2,6 7,7

Bäcker 14,9 64,2 10,4 9 1,5

Fleischer 23,3 52,1 19,2 4,1 1,4

Friseure 36,5 51,6 8,7 2,4 0,8

Handwerk gesamt 26,5 54,7 9,8 6,5 2,6

1) Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ifh Göttingen

Abbildung 23: Altersstruktur der

Handwerksbeschäftigten im

Landkreis Göttingen

(Stand: August 2006)

Betriebs-größenklasse

Handwerksbeschäftigte in den altersgruppen…(anteile in %)

15 - 30 jahre 31 - 50 jahre 50 jahre und älter

Index2) Index2)

Index2)

1 5 20 46,7 85 48,3 246

2-4 22 87 53,5 97 24,5 125

5-9 27,3 108 53,7 98 18,9 97

10-19 27,7 110 53,9 98 18,3 93

20 - 49 26,7 106 56,1 102 17,2 88

50 und mehr 23,1 91 56,4 102 20,5 105

Handwerk insges. 25,3 100 55,1 100 19,6 100

1) einschl. tätige Inhaber u. mithelfende Familienangehörige ifh Göttigen

2) Index: Gesamthandwerk = 100

Abbildung 24: Altersstruktur der

Handwerksbeschäftigten1) nach

Betriebsgrößenklassen Quelle:

Sonderumfrage ZDH Frühjahr

2003; eigene Berechnungen

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113

Neben der Branchendifferenzierung könnte auch interessant sein, ob Unterschiede in der Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten in den verschiedenen Betriebsgrößenklassen bestehen. Leider ist eine solche Differenzierung bei den IKK-Daten nicht möglich. Jedoch liefert die zuvor erwähnte Sonderumfrage des ZDH zur Personalpolitik im Handwerk dies-bezüglich einige aufschlussreiche Ergebnisse für das Bundesgebiet, die weitgehend auch für den Landkreis Göttingen zutreffen dürften. Danach lässt sich feststellen, dass die kleinen Handwerksbetriebe mit bis zu fünf Beschäftigten den mit Abstand höchsten Anteil von älteren Mitarbeitern (50+) und den geringsten Anteil an jüngeren Mitarbeitern (unter 30 Jahre) aufweisen (vgl. Abbildung 24). Grund hierfür ist zum einen, dass diese Betriebsgrößenklasse stark von den Ein-Mann-Betrieben (Inhaberbetriebe) und Kleinstbetrieben mit nur einem oder zwei Beschäftigten geprägt werden. Bei fast der Hälfte dieser Betriebe gehört der mitarbeitende In-haber zur Generation 50plus, was bei der Vielzahl der handwerklichen Ein-Mann-Betriebe bzw. Kleinstbetriebe entsprechend auf die Altersstruktur durchschlägt. Zum anderen haben vermutlich kleinere Betriebe weniger Möglichkeiten und Chancen, jüngere Nachwuchskräfte zu rekrutieren und langfristig an den Betrieb zu binden.

Demgegenüber liegt der Anteil älterer Beschäftigter (50+) bei den mittel-großen und größeren Handwerksbetrieben durchweg unter 20 Prozent, wobei der Anteil der über 50-jährigen Mitarbeiter mit zunehmender Größe des Betriebes sinkt. Lediglich bei den großen Handwerksbetrieben ab 50 Beschäftigten steigt der Anteil älterer Mitarbeiter wieder leicht über 20 Prozent an. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die Handwerks-betriebe mit mittlerer Größe (5–50 Beschäftigte) die günstigste Alters-zusammensetzung der Belegschaft aufweisen.

Anpassungsbedarf Zahlreiche Handwerksbetriebe haben bereits heute große Probleme, qua-lifiziertes Personal zu finden und zu halten: Viele junge Menschen gehen von vornherein nicht ins Handwerk, weil es für sie nicht attraktiv genug ist. Qualifizierte Fachkräfte wechseln häufig in andere Berufe, weil sie für sich keine Perspektiven sehen oder weil sie fürchten, auf Dauer die physi-schen und psychischen Belastungen nicht mehr zu verkraften.

Verschärft wird dies noch durch die demographische Entwicklung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung warnt vor einer Konfrontation von Betrieben mit dem Altern ganzer Bereiche oder Be-rufsgruppen.�0� Anpassungsnotwendigkeiten für die Handwerksbetriebe ergeben sich dabei weniger aus dem Rückgang als vielmehr aus der dauerhaften Verschiebung der daraus resultierenden Verringerung des Arbeitskräftepotenzials. Angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbs um qualifizierte Arbeitskräfte und der Alterung der Belegschaften wird es für die Handwerksbetriebe immer wichtiger, durch eine alternsgerechte Arbeits- und Personalpolitik qualifiziertes Personal zu finden und langfristig im Betrieb zu halten.

103 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2005.

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Aufgrund der Alterung der Belegschaft wird die größte Alterskohorte der 31- bis 50-Jährigen in den kommenden Jahren deutlich kleiner werden, während die Altersgruppe der über 50-Jährigen stetig ansteigen wird. Auch die Altersgruppe der jüngeren Mitarbeiter bis 30 Jahre wird sich wegen des Fehlens von jungen Nachwuchs- bzw. Fachkräften bis 2020 merklich verringern.�0�

Aufgrund gesundheitlicher Probleme und hoher körperlicher Belastungen verbleiben Beschäftigte im Handwerk selten bis zur Rente im Beruf. Die Altersstrukturdaten des Handwerks sind Beleg für diese Aussage. Wäh-rend der Anteil der Altersgruppe von 51 bis 55 Jahren noch bei rund zehn Prozent liegt, nimmt der Beschäftigtenanteil in der Altersstufe von 56 bis 60 Jahren auf 6,5 Prozent ab, und ab einem Alter von 61 Jahren liegt die Quote bei nur noch 2,6 Prozent.

Aufgrund betriebsgrößenbedingter Wettbewerbsnachteile hat das Handwerk erhebliche Probleme, qualifizierte Fachkräfte und geeignete Nachwuchskräfte zu rekrutieren und an den Betrieb zu binden. Das liegt einerseits an mangelnden Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten im Hand-werk, aber auch in der teilweise hohen körperlichen Beanspruchung. Zu den als alterskritisch einzustufenden Tätigkeiten gehören der Transport schwerer Materialien, Zwangshaltungen wie z. B. Arbeiten in ungünstigen Körperhaltungen (liegend, kniend, gebückt, hockend, Über-Kopf-Arbeiten), Tätigkeiten draußen bei schlechtem Wetter sowie Tätigkeiten unter Zeit-druck (z. B. saisonbedingt). Daher verwundert es nicht, dass Alterseffekte in den Daten der Innungskrankenkassen bei der Aufschlüsselung der Arbeitsunfähigkeitstage zu verzeichnen sind.�0�

Der Anteil älterer Beschäftigter in den Handwerksbetrieben wird also in den nächsten Jahren aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation zunehmen. Ursächlich hierfür sind die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung junger qualifizierter Nachwuchskräfte�0� und das demographisch bedingte Ansteigen des Durchschnittsalters der Belegschaft. Dadurch steigt der Druck auf die Betriebe, ältere Mitarbeiter länger als bisher zu beschäftigen. Um dem Rechnung zu tragen, müssen die Handwerksbetriebe verstärkt be-triebliche Strategien einer alternsgerechten Beschäftigung entwickeln.

Ein von Weber und Packebusch�0� entwickeltes integriertes Personal-managementkonzept bietet Lösungsansätze einer alternsgerechten Arbeits- und Personalpolitik, die an die betrieblichen Belange angepasst werden können. Die in der Abbildung 25 dargestellten Module geben einen Überblick, wo Anpassungsbedarf besteht.

104 Vgl. a. Weber u. Packebusch 2005.105 Ebd., S. 174106 Die Konkurrenz um qualifizierte Nachwuchskräfte wird sich in den nächsten Jahren allein schon wegen des demographisch bedingten Rückgangs der Schulabgängerzahlen erheblich verschärfen. 107 Vgl. ebd., S. 175ff.

Page 115: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

115

Im Modellprojekt über die Auswirkungen des demographischen Wan-dels im Sanitär-, Heizungs-, Klimahandwerk�0� kristallisierten sich Um-setzungsschwerpunkte und -bereiche heraus, die weitgehend auch auf andere Handwerksbranchen übertragbar sind. Es handelt sich dabei um Qualifizierung bzw. Weiterbildung der Mitarbeiter (z. B. Ermittlung des Qualifikationsbedarfs, Weiterbildungspläne für Mitarbeiter), Arbeits-/Be-triebsorganisation (z. B. alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung, Delega-tion, Altersteilzeit), Betriebsführung/Personalmanagement (z. B. stärkere Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse, betriebliche Aufstiegsmöglichkeiten) und Personalrekrutierung/Personalauswahl (z. B. Erstellen von Anforderungsprofilen, Angebot von Praktika).

Mit sinkender Leistungsfähigkeit von älteren Mitarbeitern in den Betrie-ben steigt also auch die Bedeutung von Strategien zur Erhaltung der Arbeitsproduktivität bzw. zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit an sich, um ältere Mitarbeiter länger als bisher zu beschäftigen. In den Bereichen Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung wird verstärkt Wert auf al-ternsgerechten Gesundheits- und Arbeitsschutz gelegt. So lassen sich z. B. durch Anforderungsprofile die verschiedenen Tätigkeitsbereiche im Betrieb nach dem Grad der körperlichen Anstrengung unterteilen, so dass die einzelnen Tätigkeiten den physischen Anforderungen gemäß altenge-recht in der Belegschaft aufgeteilt werden können. Hier besteht gerade im kleinbetrieblich strukturierten Handwerk vielfach noch ein erheblicher Anpassungsbedarf.

Von zentraler Bedeutung für eine demographiefeste Arbeits- und Per-sonalplanung ist eine permanente Weiterqualifizierung der älteren Mit-arbeiter. Das verstärkte Einbinden älterer, erfahrener Mitarbeiter in die Betriebsabläufe und das Aktivieren ihres Know-hows sind erste Schritte bei der Bewältigung des demographischen Wandels. Darüber hinaus besteht ein großer Bedarf an grundlegenden Bildungsangeboten, die die alternsspezifischen Bedürfnisse und Anforderungen aufzeigen. Dazu gehört die Vermittlung von Verständnis für die Probleme, welche sich aus den verschiedenen geriatrischen Einschränkungen und Krankheitsbildern

108 Vgl. Weber u. Packebusch 2005, S. 176f.

Abbildung 25: Modulares Ma-

nagementkonzept, ifh Göttingen

Quelle: nach Weber u.

Packebusch

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

Page 116: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

116

ergeben und auf die Lebensumstände älterer Menschen einwirken. Diese Einsichten gilt es nicht nur für eine Verbesserung der innerbetrieblichen Strukturen im Hinblick auf ältere Mitarbeiter zu nutzen, sondern auch für eine Anpassung an die speziellen Bedürfnisse des Seniorenmarktes hinsichtlich produktspezifischer sowie sozialer Qualitäten. Insbesondere den kleinen und auch mittleren Betrieben des Handwerks muss hier eine Hilfestellung gegeben werden, um deren größenbedingte Nachteile auszugleichen.

Das Erfahrungswissen von Älteren in den Betrieben sollte besser ausge-nutzt werden. Der Landesseniorenrat Niedersachsen schlägt deshalb vor, die bestehenden Patensysteme in den Betrieben stärker zu entwickeln.�0� Das gelte nicht nur für den kaufmännischen Bereich, sondern auch für die Werkbank. Ältere sollten länger in den Betrieben bleiben, um den jün-geren Kollegen ihre Kenntnisse zu vermitteln. Vorbild kann hier das Modell „Lernpartnerschaften“ der Satorius AG in Göttingen sein.��0

Ansatzpunkte für die Einbindung lokaler AkteureInsbesondere die kleinen und mittleren Handwerksunternehmen sind häu-fig überfordert, wenn sie sich neben der eigentlichen Leistungserbringung noch um andere, strategische Aspekte der Betriebsführung kümmern müssen. Daher kommt Akteuren im direkten Umfeld der Handwerksbe-triebe wie z. B. Kammern, Innungen und Verbänden eine wichtige Aufgabe zu, die Betriebe adäquat über die Auswirkungen des demographischen Wandels zu informieren und im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei den er-forderlichen Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen. Dazu gehören auch die Entwicklung bzw. das Angebot geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftigten.

Die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen bietet verschiedene Dienstleistungen wie z. B. Seminare an, um die Betriebe für das Thema “Seniorenwirtschaft” zu sensibilisieren und die Kompetenzentwicklung voranzutreiben. Zu diesem Zweck wurde ein Branchenführer erstellt, in den sich alle Handwerksbetriebe aus dem Kammerbezirk mit ihrem spe-zifischen Leistungsprofil im Bereich der Seniorenwirtschaft aufnehmen lassen können. Das Angebot eines solchen Leistungsverzeichnisses wurde übernommen von der Handwerkskammer Düsseldorf, die seit einigen Jahren mit dem dort etablierten und erfolgreichen Projekt „Wohnen im Alter (WiA)“ ein hervorragendes umfassendes Konzept entwickelt hat.

Doch bieten sich auch Möglichkeiten zur Einbindung einer Vielzahl anderer Anbieter außerhalb des Handwerks, die im Bedarfsfall den Handwerks-betrieben bei der Bewältigung der demographiebedingten Probleme und Aufgaben unterstützend zur Seite stehen können. Hilfestellungen für inte-ressierte Betriebe werden dabei von mehreren Einrichtungen im Landkreis Göttingen geleistet. Diese Anbieter gilt es miteinander zu verbinden und deren großes Angebot deutlich zu machen.

109 Gespräch mit dem Vorsitzenden Dr. Christoph Steinbach am 4. April 2006110 Hiege, Hesse 2006

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117

So ist beispielsweise eine Vielzahl von Teilprojekten in dem Projekt “Beschäftigungspakt für Ältere im Landkreis Göttingen” vereint. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über Akteure im Bereich der Seniorenwirtschaft. Diese stellen für interessierte Handwerksbetriebe erste Ansprechpartner dar.

Anbieter bereich/ ziele angebot zielgruppe

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Optimierung der Markterschließung „Barrierefreies Bauen - Wohnen im Alter“

Kompetenz-entwick-lung in der Senioren- wirtschaft

Problemverständnis

spezielle Aspekte des Marktes

Seminarreihe

Fernlehrgang

Kompetenzzentrum (in Planung)

Netzwerkbildung

Branchenführer

Handwerksbetriebe des Bau- und Ausbaugewerbes

sonstige Fachkräfte für barrierefreies Bauen

ältere und körperlich eingeschränkte Menschen

Wohneigentümer

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„Kompetenzen Älterer erkennen, nutzen und fördern“

Verbesserung der Beschäftigungs- chancen Älterer

Informations-, Integrations- und Präventionsaktivi-täten

Entwicklung/ Umsetzung von Weiterbildungs- und Beratungskonzepten

Kompetenzzentren (Göttingen, Hann. Münden, Duderstadt) als Knotenpunkte für Information, Beratung und Qualifizierung

regionale Netzwerke

überregionaler Erfahrungsaustausch

regionale Workshops

wissenschaftliche Analysen und Handlungsempfeh-lungen

regionale Unternehmen

ältere Arbeitnehmer der Region

Politik

andere Projektträger (Vorbildfunktion)

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IGS

) innovative Weiter-qualifizierung älterer Arbeitnehmer

Netzwerk Lernende Region (www.bildung21.de)

Weiterbildungs- datenbank

Bildungsplanung 50+

Konzeption & Aufbau einer Bildungs- beratungsstelle

ältere Beschäftigte

Betriebe im Landkreis Göttingen

andere Anbieter entsprechender Weiterbildungs– maßnahmen

Reg

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sen

e.V.

demographische Entwicklung

Seniorenwirtschaft

intergenerationelle Infrastruktur- entwicklung

Wissenstransfer best-practice

Regionalanalyse

Potenzialanalyse

Studie „Ältere im Betrieb“

Studie „Generationen-Netzwerk Südniedersachsen

Regionalpolitik

öffentliche Hand

Volk

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n Qualifizierung für von Erwerbslosig- keit bedrohte Beschäftigte

• Qualifizierungsmo-dule für Ältere in Betrieben (Kurzmodule)

•regionale Betriebe

ältere Beschäftigte

•Abbildung 26: Liste lokaler

Akteure im Bereich der

Seniorenwirtschaft

Quelle: ifh Göttingen

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

Page 118: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

118

Marktchancen des Handwerks Bei den SeniorInnen handelt es sich um eine Gruppe, die auch im Hand-werk in Zukunft verstärkt Bedeutung erlangen wird. Senioren bauen nicht unbedingt neu, werden aber ziemlich sicher einen Großteil an Zeit und frei verfügbarem Einkommen in Verschönerung und Erhalt ihres Lebensum-feldes stecken. Erhalten und Pflegen treten an die Stelle des Neubaus. Die Generation der Erben erhält von der Aufbaugeneration nicht nur deren Bankguthaben, sie werden sich auch um den Erhalt des „Tafelsilbers“ kümmern: historischen Baubestand, historische Fahrzeuge, alte Uhren, Möbel, Gemälde, Spielzeug, Bücher, Unterhaltungselektronik u. ä. Dafür wird Unterstützung durch Fachleute benötigt, die entsprechende Tätig-keiten und Techniken beherrschen.

Handwerksrelevante Konsumschwerpunkte Dem Handwerk eröffnen sich hier zahlreiche Möglichkeiten, seine Stärken auszuspielen. Es bietet die Kompetenz und ist aufgrund seiner Nähe zum Endverbraucher prädestiniert, durch kundenorientierten Service und kom-petente Beratung den Bedarf älterer Kunden zu befriedigen. Viele Senioren legen dabei Wert darauf, Leistungen aus einer Hand geboten zu bekom-men. Hier kann der Handwerker in Kooperation mit anderen Betrieben als direkter Ansprechpartner zu einer einfacheren Abwicklung und damit zur Zufriedenheit des Kunden beitragen. Dabei legen Senioren in der Regel Wert auf soziale Kompetenz, wobei an erster Stelle das Vertrauen in das Unternehmen wichtig ist. Gerade die kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks können hier die Chance nutzen, ihre Qualität und Integrität in marktfähige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen.

Aus dem Konsumverhalten der Senioren lässt sich eine Reihe von Kon-sumtrends identifizieren, die für das Handwerk von Bedeutung sind. Der wichtigste Konsumschwerpunkt für das Handwerk liegt in Verschöne-rungs- bzw. Verbesserungsmaßnahmen des Wohnumfeldes der Senioren. Hierzu gehört insbesondere die altersgerechte Anpassung von Wohnraum (z. B. barrierefreies Wohnen). Von dem mit dem Alter zunehmenden Sicher-heits- und Schutzbedürfnis sowie der wachsenden Beliebtheit “warmer” Materialien in den eigenen vier Wänden profitiert ebenfalls in erster Linie das Bauhandwerk und baunahe Zweige.

Ein anderer wichtiger Konsumschwerpunkt betrifft das Thema Gesundheit und Wellness aufgrund des mit dem Alter steigenden Gesundheitsbe-wusstseins. Dazu gehört sowohl die gesunde Ernährung als auch das zunehmende Bedürfnis, sich einen möglichst gesunden Wohnbereich zu schaffen. Hierzu können natürliche Baustoffe und schadstofffreie Materialien genau so gut beitragen wie etwa der Whirlpool im Bad oder die Sauna im Keller.

Leistungsangebot des Handwerks für Senioren Der Seniorenmarkt ist für die Handwerksbetriebe jedoch keineswegs ein Selbstläufer. Vielmehr muss dieser durch ein leistungs- und senio-rengerechtes Angebot in den einzelnen Marktfeldern erst systematisch erschlossen werden. Hierzu bedarf es vor allem einer zielgruppenadäqua-ten Ansprache und eines umfassenden Seniorenmarketings. Allerdings

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119

spricht aufgrund der wesenstypischen Merkmale des Handwerks und auf-grund des positiven Images, das das Handwerk gerade bei vielen älteren Menschen genießt, viel für eine starke Einbindung des Handwerks in den Seniorenmarkt. Somit erfüllt das Handwerk die besten Voraussetzungen, von den Konsumtrends der Generation 60plus zu profitieren und in hand-werksrelevante Nachfrage umzusetzen. Dafür ist jedoch unabdingbar, sich auf dem Seniorenmarkt durch ein adäquates und leistungsgerechtes Angebot zu positionieren.

Marktfeld seniorengerechtes WohnenDer Bereich des altengerechten Wohnens stellt in der Seniorenwirtschaft für das Handwerk das wichtigste Marktfeld dar, in dem es durch sein spezielles Leistungsangebot, seine fachliche Kompetenz und Kundennähe bestens geeignet ist, die individuellen Wünsche und Bedürfnisse dieser äußerst heterogenen Kundengruppe zu erfüllen. Dabei beschränkt sich die Nachfrage nicht nur auf den akuten Anpassungsbedarf von Senioren, der in typischen physischen Einschränkungen des fortschreitenden Alters, aber auch in Unfällen und Krankheiten begründet liegt. Auch Menschen innerhalb der Altersgruppe zwischen 50 und 65 Jahren, die noch nicht von altersbedingten gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sind, zeigen quasi vorsorglich zunehmend Interesse an Produkten und Dienstleistungen bzw. Konzeptlösungen im Bereich der seniorengerechten Wohnraumge-staltung. Dies betrifft gleichermaßen den Erhalt und die Verschönerung des Lebensumfeldes.

Oftmals ist die Wohnumgebung unzureichend auf Bedürfnisse und Notwendigkeiten ausgerichtet, die aus alters- oder krankheitsbedingten Handicaps resultieren. Kleinere, mitunter auch umfassendere Um- und Ausbauten werden nötig, die sich oft in abgestuften Konzepten an die ver-änderte Bedarfslage der Wohnungsnutzer anpassen lassen. Beim Eintreten erster körperlicher Einschränkungen genügen zumeist zunächst kleinere Hilfen wie Haltegriffe und die Einrichtung größerer Bewegungsflächen, die im einfachsten Fall bereits durch eine Veränderung der Möblierung geschaffen werden können. Im weiteren Nutzungsverlauf können jedoch weitergehende Anpassungen notwendig werden bis hin zur völligen Bar-

Abbildung 27: Handwerks-

Faktoren

Quelle: ifh

Individualisierung Das Wesen des Handwerks

Glaubwürdigkeit Direkter Kontakt ist die beste Basis des Vertrau-ens

Herkunft Handwerk ist greifbar, real und bietet Orientie-rung

Schnelligkeit Nähe zum Kunden = Nähe zum Trend

Humanwerte Ausbildung, Arbeitsplatzsicherheit, Regionalität

Nachhaltigkeit Erhalten statt wegwerfen bzw. neu bauen, ressour-censchonend

Positive Tradition Erhalt des kulturellen Erbes (faktisch und ideell)

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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rierefreiheit. Sinnvolle Anpassungskonzepte können zum Beispiel einem Baustufenschema folgen, das zur sukzessiven Anpassung einer Wohnung geeignet ist und eine kosteneffiziente Erweiterung erleichtert.

Eine Vielzahl handwerklicher Leistungen ist geeignet, die spezifischen Bedürfnisse Älterer zu befriedigen und zur selbstbestimmten Lebensfüh-rung beizutragen oder einfach das Wohlbefinden der Nutzer zu erhöhen. Mit dem Handwerkszentrum “WiA – Wohnen im Alter” der Handwerks-kammer Düsseldorf wurde im Rahmen eines Pilotprojektes im Frühjahr 2003 eine Einrichtung geschaffen, die bundesweit für Aufsehen gesorgt hat und vielfach nachgeahmt wird. Im Rahmen dieser Initiative werden umfangreiche Informationen sowohl für Senioren als auch für Handwerker angeboten.

Aus den Erfahrungen des Handwerkszentrums WiA können Schlüsse gezogen werden, die zur Erschließung des Seniorenmarktes durch das Handwerk und zur Lösung der Probleme älterer Menschen beitragen. So wurden im Rahmen dieses Projekts zahlreiche Informationsmaterialien für Handwerker entwickelt, Handwerkerverzeichnisse erstellt sowie Kun-deninformationen und spezielle Schulungsangebote geschaffen. Das Handwerkerverzeichnis bietet neben der Auflistung der Betriebe (im Sinne der Gelben Seiten) weiterführende Informationen über das Leistungspro-fil von Betrieben. Dadurch erhalten Interessenten einen Überblick über handwerkliche Kooperationsgemeinschaften sowie eine Aufschlüsselung von seniorengerechten Produkten und Dienstleistungen (u. a. auch ergän-zender Art wie z. B. Urlaubsarbeiten oder Bring- und Holdienste). Daneben wird eine Qualitätssicherung in Form von Zertifikaten und Referenzen gewährleistet. Das Handwerkszentrum WiA baut derzeit ein “KundenIn-formationsSystem” auf, das das Angebot des Handwerkerverzeichnisses ergänzen soll, indem es einzelne Maßnahmen der Wohnraumanpassung beschreibt und eine grafische Orientierungshilfe bietet.���

Im Rahmen einer WiA-Befragung im Jahr 2003 wurden die Leistungen von Handwerksunternehmen im Bereich des barrierefreien und seniorenge-rechten Bauens und Renovierens erfasst und geordnet. Insgesamt wurden so 305 abgrenzbare Produkte und Dienstleistungen identifiziert, die sich in zwölf Kategorien zusammenfassen lassen:��� Bad, Heizung/Klima/Lüf-tung, Küchen, Fenster und Türen, Möbel, Brandschutz-/Sicherheitstechnik, Kommunikationsanlagen, Elektrotechnik, Farbe und Raumausstattung, Bodengestaltung, Service, Senioren- und behindertengerechtes Bauen allgemein (Auffangkategorie für anderweitig nicht genannte Lösungen).

Beispiele solcher Produkte und Leistungen des Handwerks sind Türver-breiterungen, Rampenbau, schwellenlose Türen und Hauseingänge, Türen mit berührungslosen elektronischen Schließsystemen, höhenverstellbare Küchen, Paternosterschränke, höhenverstellbare Betten, Multifunktions-nachtschränke, elektrische Kleiderlifte, Raum sparende Schiebe- oder Falttüren, Sanitär-Installation für Behinderte, barrierefreie Duschen, Illu-sionsmalerei zur „offenen“ Gestaltung von Innenräumen, Farbgestaltung

111 Siehe hierzu http://www.wia-handwerk.de „KundenInfoSystem“. Im Moment ist dieses Informationssystem auf den Bereich Sanitär-Heizung-Klima (Heizung, Bad, Küche) beschränkt. (Zugriff: August 2006)112 Vgl. Becker (2005), S. 135ff.

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zur Orientierungsunterstützung bei Sehbehinderung, das Einrichten von TV- und Rundfunkgeräten, Kommunikationsanlagen sowie die Installation von Notrufanlagen.

Viele dieser industriell gefertigten Produkte lassen sich nur dadurch am Markt absetzen, weil sie vom Handwerker bedarfsgerecht beim Kunden eingesetzt oder mit anderen Produkten und Einzelelementen kombiniert werden. Oftmals sind dabei industrielle Produkte insbesondere im Bereich der Steuerungstechnik und Gebäudeautomation so weit entwickelt, dass ihr praktischer Wert von Wohnberatern angezweifelt wird, da diese eine Überforderung des Nutzers befürchten. Gerade hier greift die Fähigkeit des Handwerkers, individuell angemessene Lösungen vorzuschlagen. Die Stärke des Handwerks liegt in der individuellen Anpassung an die Kundenwünsche. „Universal Design“ – die gestalterisch-konzeptionelle Ausrichtung auf eine generationenübergreifend breite Zielgruppe – be-deutet hier, auf ein breites Spektrum von Standardlösungen zurückgreifen und diese zum Kundennutzen leicht und individuell angepasst kombinieren zu können.

Eine beispielhafte Handwerkskooperation im senioren- und behinderten-gerechten Bauen ist die Initiative BarriereFREI LEBEN, welche eine Viel-zahl an Mitgliedsbetrieben aus acht Bundesländern und sogar Österreich umspannt. Mit der Tischlerei Seeland aus Reinhausen in der Gemeinde Gleichen ist dabei auch ein Handwerksbetrieb aus dem Landkreis Göttin-gen vertreten. Diese Kooperation bietet eine qualifizierte Wohnberatung und Planung, den kompletten Ein- und Umbau sowie das Einrichten von senioren- und behindertengerechten Wohnräumen aus einer Hand an. Die Kooperation bietet an, sich anhand zweier Musterwohnungen in Lünen und Hannover einen Überblick über Möglichkeiten und Leistungen des Handwerks zu verschaffen.��� Darüber hinaus arbeiten die Mitglieder der Kooperation im Rahmen der Wohnberatungsstellen mit verschiedenen externen Akteuren wie z. B. kommunalen Ämtern, Einrichtungen und Diensten der freien Wohlfahrtspflege, Sozialstationen und Pflegediensten, Wohnungsunternehmen und Hauseigentümern, Ärzten, Therapeuten und Sanitätshäusern, Kirchengemeinden, Initiativen und Selbsthilfegruppen zusammen.

Marktfeld seniorengerechte DienstleistungenMit der steigenden Anzahl pflegebedürftiger Menschen wird es immer schwieriger, die Versorgung älterer Menschen in zentralen Einrichtungen zu finanzieren. Dezentral verfügbare haushaltsbezogene Dienstleistungen werden wichtiger. Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, sind von diversen Unterstützungs- und Versorgungsleistungen abhängig, die derzeit aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen heraus erbracht werden. Darüber hinaus bieten sich vielfältige Tätigkeitsfelder für Hand-werksbetriebe, die dem Bequemlichkeitsbedürfnis der Senioren Rechnung tragen.

113 Auch virtuelle Besichtigungen der Musterhäuser sind möglich unter http://www.barrierefreileben.de (Zugriff: August 2006).

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Die Kernbereiche des Seniorenmarktes umfassen dabei die Gebiete Wohnen, Sicherheit, Tourismus, Wellness, Freizeit, Ernährung und Sport. In diesen Bereichen lassen sich potenzielle Mitbewerber, aber auch poten-zielle Multiplikatoren sowie operative und strategische Kooperationspart-ner identifizieren.

Als mögliche Partner für Dienstleistungen kommen z. B. in Betracht: Kommunen, Pflegedienste, Wohnberatungseinrichtungen, Wohnungswirt-schaft, Krankenhäuser, Organisierte Nachbarschaftshilfe, Ehrenamtliche Freiwilligeninitiativen “Senioren helfen Senioren”. Dienstleistungen für SeniorInnen bieten sich zudem in folgenden Bereichen an:��� Beratung zu Wohnungsanpassung, Schlüsseldienst, Reinigungsdienst, mobile Service-kraft mit Pkw, Handwerksdienstleistungen zum Umzug, Reparaturdienste für braune und weiße Ware, Angebot von zusätzlichen Sicherheitspaketen (Sicherheitsschlösser, Glasbruchmelder, Bewegungsmelder, Rauchmelder, Hand-Notrufmelder, ergänzendes Spektrum von Sicherheitszubehör wie z. B. einbruchshemmende Balkonverglasung und Wohnungstür).

Das Handwerk kann sich mit haushaltsbezogenen Dienstleistungsstruk-turen weitere Märkte erschließen. Profitieren kann z. B. das Nahrungs-mittelhandwerk, das Gesundheitshandwerk, Friseure, Wäschereien und chemische Reinigungen. Aber auch die Bau- und Ausbaugewerke können durch eine stärkere Dienstleistungsorientierung eine Diversifizierung ihres Angebotsspektrums erreichen und zugleich neue und dauerhafte Kundenbeziehungen aufbauen.���

Einerseits können sich von Handwerkern erbrachte Dienstleistungen nahe am originären Tätigkeitsfeld orientieren und damit eher den Charakter von flankierenden Leistungen annehmen, so z. B. als Marketingmaßnahmen (Information, Beratung, Vorführung), die dem Kunden ggf. kostenfrei angeboten werden. Die genannte Kooperation „BarriereFREI LEBEN“ bietet einen Beratungsservice (auch mit ambulantem Pflegedienst) in der seniorengerechten Musterwohnung, wobei sogar ein Probewohnen auf Zeit möglich ist. Ein Autohaus in Mülheim/R. bietet z. B. einen für Senioren kostenlosen Abmeldeservice für den zuletzt genutzten Pkw. Dies wird vom Anbieter als eine Marketingmaßnahme im Sinne einer Mund-zu-Mund-Empfehlung verstanden, da Senioren in der Regel als künftige Kunden für den Kfz-Betrieb ausscheiden. Ein Friseurmeister aus Bottrop bietet einen Frisurenworkshop mit Tipps „Rund ums Haar“ an, beispielsweise mit Typberatungen und Vorführungen.���

Neue Märkte lassen sich erschließen, wenn Handwerker innovativ Bedar-fe erkennen und ggf. gemeinsam mit Kooperationspartnern Leistungen erbringen. So bietet z. B. der Malerbetrieb Stamm aus Leverkusen Maler-arbeiten mit „Seniorenservice“ an: die Wohnungsrenovierung als Urlaubs-service, bei dem sogar auf Wunsch Fotos vom Stand der Arbeiten an den Urlaubsort versendet werden. Nachdem zuvor auf Fotos festgehalten wurde, wo welcher Einrichtungsgegenstand platziert war, wird die Woh-

114 Vgl. GdW 2004.115 Als Beispiel kann hier der Service Organisation für Senioren (S.O.S.) in Braunschweig genannt werden. (http://www.service-org-senioren.de)116 Vgl. Becker 2005, S. 165ff.

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nung ausgeräumt. Nach der Sanierung findet der Kunde seine Wohnung komplett wieder eingeräumt vor – möglicherweise noch mit einem Strauß Blumen auf dem Wohnzimmertisch.

Detlef Wonnemann aus Ahlen übernimmt bei seinem Hausmeisterservice kleinere Reparaturen, Instandsetzungen und Renovierungen, für die „kein Handwerker mehr rauskommt“ und nutzt eine Marktnische. Ähnlich sind Angebote des Sanitär-Heizung-Klima-Handwerks einzustufen, kranken oder älteren Kunden, die auch während der Umbauarbeiten im Bad an ihre Wohnung gebunden sind, für diese Zeit mobile Sanitäranlagen auf-zustellen.

Der Bedarf nach haushaltsnahen Dienstleistungen eröffnet solchen Be-trieben Entwicklungschancen, die bereit sind, über ihre angestammten Kernbereiche hinaus tätig zu werden. Unter haushaltsnahen Dienstlei-stungen sind vor allem folgende Leistungen zu verstehen: Zubereitung von Mahlzeiten im Haushalt, Reinigung der Wohnung, Pflege und Versorgung alter oder pflegebedürftiger Personen, Schönheitsreparaturen, kleine Ausbesserungsarbeiten und Gartenpflege.

Die Bedürfnisse älterer Menschen dürften jedoch über die oben genann-ten Bereiche hinausgehen. Wichtig ist insbesondere der Wunsch nach Kommunikation. Modellprojekte im In- und Ausland belegen, dass ältere Menschen mit Erfolg an die Nutzung neuer Medien herangeführt werden können – sei es an die Nutzung von Computer und Internet oder an Tech-nologien, die über erweiterte Funktionen das Fernsehen als dialogfähiges Kommunikationsmedium verwenden.

Auch der Einsatz verschiedenartiger Notrufsysteme hat sich in Modell-projekten bewährt. Diese setzen eine Zusammenarbeit von technischen und sozialen Dienstleistern voraus. Die Vermarktungschancen für die zugehörige Technik sind immer an die Qualität der korrespondierenden Betreuungsleistungen gekoppelt.

Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Platzierung handwerklicher Dienst-leistungen in die bestehenden lokalen Dienstleistungsstrukturen ist also die genaue Kenntnis der seniorenmarktrelevanten Anbieter innerhalb und außerhalb des Handwerks vonnöten.

Die möglichen Schnittstellen zum Handwerk – auch außerhalb der Bau- und Ausbauhandwerke – sind dabei offenkundig. In welchem Umfang sich solche oder weitere Dienstleistungsideen am Markt etablieren können, dürfte in hohem Maße davon abhängen, ob es gelingt, kleinräumige Netzwerke zwischen Unternehmen, Kommunen und gemeinnützigen Einrichtungen zu schaffen.

Bei der Konzeption und Vermarktung seniorengerechter Dienstleistungen und Bauleistungen scheint es sinnvoll, sich nicht am Alter der Zielgruppe zu orientieren, sondern auf bestimmte, typisierbare Lebenssituationen abzustellen. Solche Lebenslagen sind z. B.: Auszug der Kinder aus dem gemeinsamen Haushalt, Unfall mit bleibenden körperlichen Beeinträch-tigungen, Trennung der Partner, Tod eines Lebenspartners, spezifische Krankheitsbilder (Demenzerkrankung, Schlaganfall), Pflegeübernahme

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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durch Angehörige. Verschiedene Unternehmenskooperationen arbeiten bereits nach diesem Ansatz. Inwieweit sich „passgenaue“ Angebote auf solche Lebenslagen standardisieren lassen, wird sich in der Praxis erweisen müssen.

Die besondere Qualität des Handwerks wird immer in der Individualisie-rung der erbrachten Leistungen bestehen. Die Fähigkeit zur Anpassung auf die ganz individuellen Bedürfnisse des Kunden ist dabei nicht nur im Sinne der Kundenzufriedenheit bedeutsam, sondern muss auch zentrales Alleinstellungsmerkmal jedes handwerklichen Anbieters bleiben. Umge-kehrt könnten aber standardisierte Konzepte die Leistungserbringung des Handwerkers und die Kooperation mit handwerksfremden Anbietern erleichtern.

Erschließung des Seniorenmarktes „Wir können unglaublich viel, aber wir wissen nicht, wie wir es loswer-den!“ beschrieb die Inhaberin eines Elektrobetriebes in einem Workshop des Handwerkszentrums „Wohnen im Alter“ ihr zentrales Anliegen. „Die über 50-Jährigen hören nicht schlecht, das Problem ist, dass die Unter-nehmen nicht die richtige Sprache sprechen!“ stellt Jean Marc Segati von der senior agency international (Paris) die Wahrnehmung der Verbraucher dagegen.��� Beide Zitate charakterisieren klar das Vermarktungsproblem der Handwerker.

Ältere Menschen sollten als Kundengruppe nicht über ihr Alter, sondern möglichst als „Komfort-Kunden“ angesprochen werden. Viele Publikationen definieren eine Zielgruppe 50plus, wobei die betrachtete Altersgrenze je nach Branche und Produkten häufig zwischen 45 und 55 Jahren variiert. Bezieht man Hochaltrige oberhalb des achtzigsten Lebensjahres mit ein, er-gibt sich eine Altersspanne von 30 Jahren. Schon allein die altersbedingte Inhomogenität der Zielgruppe steht einheitlichen Ansprachekonzepten entgegen. Die zukünftige Entwicklung sollte deshalb verstärkt darauf abstellen, typische Lebenssituationen zu erfassen und anzusprechen, wie sie bei Menschen oberhalb des 50. Lebensjahres angetroffen werden. Ereignisse und Lebensphasen wie zum Beispiel der Auszug der Kinder, die alters- oder krankheitsbedingte Einstellung eigener Erwerbstätigkeit oder typische geriatrische Krankheitsbilder (Bewegungseinschränkungen, Schlaganfall, Altersdemenz) sollten sich gezielt mit Angeboten unterlegen lassen, die aus dem Handwerk oder mit Handwerksbeteiligung formuliert werden. Nach den Erfahrungen des Handwerkszentrums WiA reduzieren viele Unternehmer die Diskussionen um ein Seniorenmarketing auf den Bereich der Werbung. Erforderlich wäre jedoch ein designorientierter Ansatz, der über die Identifizierung einzelner Zielgruppen zu zielgrup-penspezifischen Angebotsprofilen führt und damit auch die Kundenan-sprache erleichtert.

Diese Aspekte werden von der Unterscheidung nach kommerziellen Immobilienbesitzern und privaten Selbstnutzern überlagert. Zu unter-scheiden ist nach:

117 Vgl. Becker 2005, S. 139ff.

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privaten Eigentümern selbst genutzter Wohnimmobilien

Mietern

privaten Eigentümern vermieteter Wohnimmobilien (Streubesitz)

Wohnungswirtschaft (Genossenschaften und Kapitalgesellschaften)

Wohnungsbaugesellschaften

öffentlichen und privaten Trägern von Funktionsbauten

Hier ergibt sich die Notwendigkeit einer völlig unterschiedlichen Nut-zenargumentation. Entsprechend müssen verschiedenartige Zugänge zu den potenziellen Kundengruppen aufgebaut werden.

Während sich Aspekte der Werbung einfach in Unterstützungs- und Qualifizierungsangebote für Handwerker umsetzen lassen, sind Fort-schritte im Design von Produkten und Leistungen schwerer zu initiieren, da sie unmittelbar in die strategische Ausrichtung der Unternehmen eingreifen. Positive Erfahrungen bestehen hier mit Workshops, in denen die Betriebsinhaber miteinander arbeiten, um für sie geeignete Marktseg-mente zu identifizieren und gemeinsam passgenaue Angebote zu defi-nieren.

Unbeschadet konkreter Vermarktungsprobleme wird das Handwerk den Markt für seniorengerechte bzw. barrierefreie Bau- und Wohnraumanpas-sung nur dann nachhaltig erschließen können, wenn es ihm gelingt, seine Kompetenzen über die bestehenden Gewerkegrenzen hinweg möglichst geschlossen zu vermitteln. Dabei muss sich das Handwerk in der Wahr-nehmung der Verbraucher als leistungsfähiger und beratungskompetenter Anbieter profilieren. Einzelne Handwerksbetriebe können diesem übergrei-fenden Ansatz nur schwer gerecht werden. Abhilfe können horizontale oder vertikale Kooperationen innerhalb und außerhalb des Handwerks sowie flankierende Aktivitäten der Handwerksorganisation schaffen.

Wegen ihrer Quantität, ihrer Kaufkraft und ihres Konsumverhaltens ver-ändern die älteren Kundengruppen die (Konsum-)Gesellschaft derzeit nachhaltig. Der Niedersächsischen Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit ist deshalb zuzustimmen, wenn sie erklärt: „Viele Seni-oren sind äußerst aktiv und anspruchsvoll. Sie haben – noch – viel Geld, und sie werden immer mehr. Leider fehlen oft die richtigen Angebote für ältere Menschen.“��� Auch der Handel in Stadt und Landkreis Göttingen befindet sich in einer Umbruchphase. Von Ignoranz der Seniorenbedürf-nisse kann längst nicht mehr gesprochen werden. Auf der anderen Seite ist noch nicht erkennbar, dass sich schon alle Unternehmen konsequent auf die Bedürfnisse der immer größer werdenden Gruppe der Älteren eingestellt hätten. Insbesondere mangelt es nach wie vor an Transparenz bezüglich seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen und deren Verfügbarkeit.

118 Mechthild Ross-Luttmann am 31. Mai 2006 in Wolfsburg

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Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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126

Ältere Menschen sind anspruchsvoll und kritisch. Sie stellen meist höhere und häufig auch andere Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen als jüngere VerbraucherInnen. Das gilt insbesondere für die nutzerge-rechte Bedienbarkeit von Geräten und deren Mehrnutzen. Bei einem Handy genügt es jüngeren KonsumentInnen, dass das Gerät über eine Kamera verfügt, tauglich für den Bild- und SMS-Versand ist und einen Internetzugang bietet. Ältere Verbraucher empfinden diese Funktionen eher als nette Spielereien, die gerne mit dabei sein dürfen. Entscheidend ist für sie aber, dass sie die Tasten leicht bedienen und die Menüführung verstehen können. Obendrein sollte der Klingelton laut genug und ein Vibrationsalarm vorhanden sein.���

SeniorInnen legen offenbar besonderen Wert auf gute individuelle Bera-tung, die ihre persönlichen Bedürfnisse und ihre Lebenslage in den Mit-telpunkt stellt. Das gilt im Einzelhandel direkt, aber auch bei der Informa-tionseinholung in Verbraucherzentralen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO, Bonn) regt deshalb Kooperationen zwischen Verbraucherzentralen und Seniorenverbänden an. Die Gesell-schaft für Konsumforschung AG (GfK) in Nürnberg sieht enge Grenzen bei der Discounterisierung des Handels.��0 Die Zuwächse bei den großen Discountern nehmen schon jetzt ab. Diese Entwicklung sieht die GfK im engen Kontext mit dem demographischen Wandel und der steigenden Zahl älteren Kundinnen und Kunden. Danach geht die Fixierung auf den Preis zurück, in den Vordergrund treten der Mehrwert eines Produktes und die Beratungsdienstleistung.

Befragungen haben ergeben, dass nur 28 Prozent der Unternehmen sich stärker auf die Zielgruppe Älterer einrichten.��� Dies hängt mit dem sich nur zögerlich verändertem Altenbild zusammen. Hubertus Werner, Ge-schäftsführer des Stadtmarketings Duderstadt, bestätigt, dass sich viele Einzelhandelsbetriebe tatsächlich scheuen, in ihren Werbeaussagen Ältere direkt anzusprechen. Sie fürchten Imageverluste bei den Angehörigen anderer Altersgruppen. Von dieser These hält Dr. Beate Wieland��� wenig. Sie räumt allerdings ein, dass in den Köpfen mancher Marktteilnehmer noch immer so etwas wie Jugendwahn besteht. Es dauere lange, bis sich daran etwas ändert. Dass Werbung für Senioren heute noch stigmatisie-rend ist, kann sie sich nicht vorstellen. Wichtig ist, in der Werbung endlich authentische Models zu zeigen, mit denen sich ältere VerbraucherInnen identifizieren können. Bezeichnend ist, dass zu den ersten Erfolgen der Existenzgründungsinitiative der Wolfsburg AG die Gründung einer Agentur gehört, die geeignete Fotos Älterer sowie Senioren-Models vermittelt.

Die Kaufentscheidung der „reifen Generation“ wird zukünftig oftmals auf den Erfolg und den Fortbestand von Unternehmen Einfluss haben. Wer in Zukunft wachsen will, muss seine Produktentwicklung und sein Marketing verstärkt auf die reifen Kunden ausrichten – kurz gesagt: Er muss sein Unternehmen „demographiefest“ machen. Aber nicht jedes

119 Haimann, Richard (2005): “Alt! – Wie wichtigste Konsumentengruppe der Zukunft die Wirtschaft verändert“, Frankfurt.120 Seniorentag Nordrhein-Westfalen „Altern als Chance“ am 29. Mai 2006 in Bonn, Herbert Lechner121 Ebd. Dr. Beate Wieland, Ministerium der Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW122 Ebd.

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127

Unternehmen wird auf diesem Markt ohne weiteres bestehen und das Potenzial einfach abschöpfen können, denn die „Generation 55plus“ stellt höhere und differenziertere Anforderungen an Hersteller, Handel und Dienstleistungsunternehmen als die junge Kundschaft, die ihr Geld häufig weniger kritisch ausgibt.

Viele SeniorInnen legen auf den Realitätsbezug der Werbung großen Wert. Die Informationen sollen klar verpackt und einfach zu dekodieren sein. Humor und Witz kommt bei ihnen ebenso gut an wie bei den übrigen Marketingzielgruppen. Geht der Humor allerdings zu Lasten älterer Men-schen, scheiden sich die Geister und führen bei allen drei Konsumenten-gruppen zu Ablehnung. Viele Ältere präsentieren sich als selbstbewusste Persönlichkeiten, die souverän und mit einer gewissen Gelassenheit ihr Leben meistern. Sie wissen ihre erworbene Lebenserfahrung und Reife zu schätzen und sind sich dabei ihres eigenen Wertes bewusst, ohne auf eine kontinuierliche Bestätigung von außen angewiesen zu sein.���

Individuelle Einschätzungen

„Ich kaufe immer in einem Tante-Emma-Laden in der Ewaldstraße ein. Der Besitzer hat häufig gewechselt, aber ich bleibe dem Laden treu. Ich versuche, die Kleinen zu unterstützen.“ (Göttingen)

„Statt Schubladendenken geht es um ein Umdenken in vielen Be-reichen: Man muss die Produkte einfacher machen und vor allem sich auf die unterschiedlichen Senioren einstellen, es fehlen viele Sachen!“ (Göttingen)

„Ich bin 85, ob ich Seniorin bin, darüber habe ich mir noch keine Ge-danken gemacht. Ich bin dankbar, dass es mir noch so gut geht. Ich kaufe noch alleine ein – nach und nach, damit ich nicht so viel zu tragen habe.“ (Göttingen)

„Ich habe Probleme beim Fensterputzen, mit Mitte 70 kann man doch so etwas nicht mehr. Da brauche ich Hilfe, doch wo kriege ich die?“ (Hann. Münden)

„Bei vielen Waren ist Duderstadt einfach zu teuer. Da dürfen sich die Geschäftsleute nicht wundern, wenn wir woanders einkaufen. Ältere werden doch häufig als zu tüddelig angesehen. Mancher versucht, das auszunutzen, deshalb müssen wir besonders vorsichtig sein.“ (Duderstadt)

„Als Älterer muss man immer aufpassen, nicht übers Ohr gehauen zu werden.“ (Duderstadt)

„Ich bin irritiert, dass in den Geschäften ständig umstrukturiert wird. Ich will wissen, wo ich was finde.“ (Göttingen)

„Preiswerte Ware ist immer nur zum Bücken.“ (Rosdorf)

123 In: Meyer-Hentschel u. Meyer-Hentschel S. 105ff.

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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„Es wäre schön, wenn es auch bei Karstadt eine Ruheecke gäbe. Wir Alten wollen nicht immer nur stehen.“ (Rosdorf)

„Ich finde, wir sollten mal über die Probleme im Alltag reden. Als Äl-terer kriegt man viele Flaschen nicht auf. Vom Margarinebecher kann ich die Folie nicht abziehen und Fischdosen kriegt man sowieso nicht auf.“ (Duderstadt)

„Viele technische Geräte sind viel zu kompliziert. Ich kaufe nur noch Produkte, die höchstens zwei Schalter haben, das reicht mir.“ (Duderstadt)

„Bestimmte Dienstleister haben uns als Zielgruppe erkannt, aber vielfach werden wir unseriös angesprochen. Ich habe in letzter Zeit als Älterer Angebote gekriegt, z. B. zu Zeitungen und Versicherungen, die ich früher als Jüngerer nie gekriegt hätte.“ (Duderstadt)

„Senioren als Konsumenten sind erfahrener als jüngere Leute.“ (Rosdorf)

„Es gibt durchaus Handys, an die man ein Hörgerät anschließen kann. Und auch solche, die nicht so kompliziert sind, doch die werden ja kaum angeboten.“ (Rosdorf)

„Ich mache beim Einkauf eigentlich nur gute Erfahrungen.“ (Rosdorf)

„Viele Preisschilder sind immer so klein, beim Einkaufen braucht man schon eine Lupe.“ (Rosdorf)

„Wir Älteren, die keinen Führerschein haben, werden doch beim Einkauf ständig benachteiligt. Ohne Auto kann man nicht preiswert einkaufen.“ (Rosdorf)

„Das Einkaufen mache ich ganz alleine. Man muss aber darum bitten, wenn man etwas haben will, was oben im Regal liegt. Man muss Danke und Bitte sagen können, aber das muss auch gelernt sein. Als ich noch in meiner alten Wohnung wohnte, habe ich immer in der Johannisstraße eingekauft. Beim Türken kaufe ich gerne und bin da auch bekannt. Sonst gehe ich zu REWE und Karstadt. Ich lasse mich auch gerne von jungen Leuten beraten, viele von ihnen sind kompetent. Erstaunlich viele Junge sind höflich.“ (Göttingen)

„Hersteller benötigen Strategien, mit denen sie auf dem ‘reifen Markt’ erfolgreich auftreten können! Da will ich mithelfen!“ (Göttingen)

„In Dransfeld ist die Infrastruktur perfekt. Wenn mir irgendwas nicht passt, beschwere ich mich. Man muss sich aber beschweren, sonst wird nichts besser.“ (Rosdorf)

„Die kleine Schrift wird doch ganz bewusst zur Vertuschung eingesetzt. Auf Verpackungen müsste der Inhalt genau beschrieben werden. Ge-sunde Ernährung ist für ältere Leute wichtig.“ (Rosdorf)

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„Die Produkte müssen doch EU-weit verkauft werden. Da die Kennzeich-nungen in mehreren Sprachen erfolgen müssen, wird der Schriftgrad automatisch kleiner.“ (Rosdorf)

„Für Leute aus Groß-Schneen ist die Mobilität ganz wichtig. Mit zwei Ausnahmen gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten mehr. Auch Banken und die Post sind längst verschwunden. Immerhin haben wir ein Linientaxi, das ist aber nicht ausgelastet.“ (Rosdorf)

„Ich komme aus Berlin. Da dort keine Verwandten und Freunde mehr wohnen, bin ich vor drei Jahren nach Rosdorf in die Nähe meiner Kinder gezogen. Hier habe ich ganz neu angefangen, mir einen Bekanntenkreis aufzubauen. In unserer Nachbarschaft wohnen ganz viele junge Leute mit Kindern, aber einen Zusammenhalt wie in Berlin finde ich hier nicht. Die Kinder grüßen auch gar nicht mehr. Ich finde es gut, dass wir hier die Gelegenheit haben, über seniorengerechtes Einkaufen zu sprechen. Mit dem Einkauf bin ich hier eigentlich ganz zufrieden. Natürlich gibt es in Berlin viel mehr Einkaufsmöglichkeiten. Und die Preise sind in Rosdorf höher als in Berlin. Auch das System der öffentlichen Verkehrsmittel ist in Berlin natürlich ganz anders als hier. Gerade im Winter ist das lange Warten auf den Bus ganz schön unangenehm. Sehr gut gefällt mir aber, was hier für Freizeit und Gesundheit geboten wird. So ist das Spaßbad Eiswiese ganz in unserer Nähe. Ich bin interessiert, mit anderen älteren Menschen in Kontakt zu kommen.“ (Rosdorf)

„Ich habe eine Putzhilfe, die ist sehr angenehm. Die näht mir auch Knöpfe an, das kann ich nicht mehr alleine. Die hat auch alle Informationen, falls mal was passiert.“ (Göttingen)

„Als Rentner bin ich in einem erstrebenswerten Zustand. Ich verstehe nicht, dass hier nur Negatives zur Sprache kommt. Zu fragen ist jedoch, warum der Handel nicht mehr macht, um an das finanzielle Potenzial der alten Leute heranzukommen. Der Tourismus hat die Chancen, die Senioren bieten, längst erkannt.“ (Rosdorf)

Ergebnisse der Befragungen in Stadt und Landkreis

Wie unter „Methodisches Vorgehen“ erläutert, haben die Befragungen von PassantInnen an fünf verschiedenen Tagen an fünf Orten stattgefunden. Angesprochen wurden Personen, von denen die Interviewer subjektiv den Eindruck hatten, dass sie das 50. Lebensjahr überschritten hatten. Passanten, die diese Altersgrenze nicht überschritten hatten, nahmen nicht an der Befragung teil. Die Altersgruppen 50 bis 60 und 60 bis 70 wurden in die Befragung einbezogen, um eine Vergleichbarkeit zur Gruppe der über 70-Jährigen (Seniorenwirtschaft) zu ermöglichen.

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Bei der Befragung von 243 PassantInnen zeigte sich, dass die Hypothese, Ältere ließen sich lieber von Gleichaltrigen bedienen, nicht haltbar ist. 85 Prozent der Befragten erklärten, sie hätten bezüglich des Alters derjenigen, die sie bedienen, keine Präferenzen. Allerdings wurde bei dieser Frage vor allem hinsichtlich der täglichen Versorgung geantwortet. Es ist zu vermu-ten, dass sich die Antworten relativieren, wenn es um beratungsintensive oder spezielle Einkäufe geht.

Abbildung 28: “Was

ist Ihnen beim Einkauf

wichtig?“

Abbildung 29: “Wo liegen

für Sie die

Hauptprobleme beim

Einkaufen?“

Abbildung 30: Hauptpro-

bleme des Einkaufens

nach Altersgruppen

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Es zeigt sich, dass die Erreichbarkeit der Einkaufsmöglichkeiten am pro-blematischsten gesehen wird, gefolgt vom Problem des Transports der Waren. Dies ist ein Hinweis auf eine Nachfrage nach Bringservices. Nähere Aufschlüsse geben die Antworten auf die folgende Frage, ob Bringservices in Anspruch genommen werden.

Die 100 Prozent auf der Ordinate entsprechen der Gesamtheit der Antwor-ten bezogen auf eine Lieferdienstleistung, die Werte innerhalb der Balken stehen für den Anteil der Antworten pro Altersgruppe. Dementsprechend nehmen 18 Prozent den rollenden Supermarkt in Anspruch, 10 Prozent die Lieferung warmer Speisen, immerhin 53 Prozent den Getränkelieferservice, 16 Prozent mobile Bäcker-, Molkerei- oder Metzgerläden, 29 Prozent den Tiefkühlservice und 17 Prozent den Lieferservice von Lebensmittelge-schäften.

Abbildung 31: “Nehmen

Sie Lieferdienste in

Anspruch?“

Abbildung 32: Informati-

onsstand bezüglich seni-

orengerechter Produkte

nach Alter

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Hieraus wird ersichtlich, dass die Existenz seniorengerechter Produkte erst wenig bekannt ist. Auch die Verfügbarkeit innerhalb des Landkreises ist nur einer Minderheit bekannt. Es zeigt sich, dass unabhängig vom Alter die Verfügbarkeit seniorengerechter Produkte in der Region nur einer Minderheit bekannt ist.

Auffällig ist, dass insbesondere die über 70-Jährigen in ihrer großen Mehr-heit kein Interesse an einem Seniorenkaufhaus haben. Allerdings ist zu beachten, dass eine Mehrheit der Befragten selbst einräumt, nur wenige Informationen über seniorengerechte Produkte zu besitzen. Es ist also denkbar, dass das Interesse an einem Seniorenkaufhaus zunimmt, wenn sich der Kenntnisstand über seniorengerechte Produkte verbessert.

Die Deliga Seniorenausstatter GmbH ist ein Handels- und Dienstlei-stungsunternehmen, das seit dem 1. März 2005 in Großräschen einen Seniorenfachmarkt betreibt. Daneben führt das Unternehmen einen Internetshop.��� Deliga betreibt einen Versandhandel und verkauft in den Pflegeheimen, Altenheimen und Senioreneinrichtungen. Zusätzlich be-liefern sie die Einrichtungen mit Geschenken. Das Produktsortiment um-fasst u. a. Diabetikerschuhe, Inkontinenz-Artikel, Antidekubitus-Produkte, Diabetiker-Produkte, Neurodermitis-Artikel, Pflegebekleidung: Pflegeove-ralls/Schlafoveralls, Pflegenachthemden, Senioren-PC, Seniorentelefon, Seniorenhandy, sowie Hilfsmittel für Senioren wie Rollatoren.

124 http://www.pflegeversand.de

Abbildung 33: Präferenz für

das Seniorenkaufhaus

Abbildung 34: Internet-

nutzung

Page 133: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

133

Erwartungsgemäß nimmt die Nutzung des Internets mit zunehmendem Alter ab. Auch ist ein Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und Internetnutzung ersichtlich.

Die Frage nach haushaltsnahen Dienstleistungen ergab drei Antworten, die sich auf Hilfe bei der Gartenarbeit und den Wunsch nach Beratung bezogen.

Abbildung 35: Internetnutzung

nach Bildungsabschluss

Abbildung 36: Wünsche nach

haushaltsbezogenen Dienstlei-

stungen

Abbildung 37: Inanspruch-

nahme haushaltsnaher

Dienstleistungen

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Überraschend ist, dass nach Angaben der Befragten die o. g. Hilfsdienst-leistungen tatsächlich nur in geringem Umfang in Anspruch genommen werden. 22,1 Prozent (n=253) erhalten Hilfe von Familie oder Bekannten, die Hilfe durch entweder ehrenamtliche bzw. professionelle Helfer wird nur in sehr geringem Umfang in Anspruch genommen (1,2 Prozent bzw. 3,2 Prozent).

68 Prozent der Befragten gaben an, eine Haushaltshilfe selbst (auch mithilfe Dritter) finanzieren zu wollen, 16,2 Prozent waren bereit, einen Beitrag zur Unterstützung bei Finanz- und Behördenangelegenheiten und Freizeitangeboten zu leisten, 25,7 Prozent würden sich an den Kosten für Transporte beteiligen und 13,4 Prozent wären bereit, Geld für Bildungsan-gebote auszugeben.

Einschätzung des Innenstadtmarktings und Center-Managements

Ein im Rahmen der narrativen Gesprächsrunden häufig angesprochenes Problem in Stadt und Landkreis Göttingen ist die Größe von Verpackungen. Senioren sind oft Singles und brauchen meistens nur eine kleine Portion. Entweder gibt es diese nur in geringer Auswahl oder sie sind teurer als größere Packungen. Fertigkost ist für viele Senioren attraktiv. SeniorInnen haben häufig auch Schwierigkeiten beim Entnehmen von Ware aus den Regalen. Zudem kommen sie beim Transport mit großen Mengen und/oder sperrig verpackten Produkten schlecht zurecht.

In Göttingen, Duderstadt und Hann. Münden befassen sich mehrere In-stitutionen mit verschiedenen Aspekten des Stadtmarketings. Bei vielen älteren Senioren bildet der Einkauf in der Innenstadt einen Fixpunkt im Tagesablauf und oft die einzige Verbindung zur Außenwelt. Da vor allem ältere Kunden oft nicht mehr mit dem Pkw fahren, steigen auch die An-sprüche an den innerstädtischen ÖPNV. Städtebauliche Anforderungen sind z. B. wenig Steigungen, breite Gehwege, rutschfeste Straßenbeläge, Beleuchtung, längere Grünphasen an Ampeln, Kommunikations- und Ruhepunkte und mehr Sitzmöglichkeiten. Eine Reurbanisierung, d. h. die Tendenz, Ältere zurück in die Stadt zu holen, kann auch als eine Chance für den Einzelhandel gesehen werden.

Eine gezielte Ansprache der SeniorInnen findet nach Einschätzung der Geschäftsführung von Pro City Göttingen nicht oder nicht ausreichend statt. Der Handel weiß um die Bedeutung der Kaufkraft von SeniorInnen, stellt sich aber nicht ausreichend darauf ein. Pro City sieht die Notwen-digkeit baulicher Investitionen in den Eingangsbereichen der Geschäfte, aber auch in der Warenpräsentation. Viele Einzelhandelsgeschäfte seien sich der Bedeutung der Seniorengerechtigkeit für den wirtschaftlichen Erfolg noch nicht hinlänglich bewusst.

Nach Einschätzung von Pro City lassen sich ältere Kunden gern von älteren VerkäuferInnen beraten. Sie gingen davon aus, dass Gleichaltrige ihre Be-dürfnisse besser einschätzen können und sich besser in ihre persönliche Situation hineinversetzen können. Deutlich werde dieser Zusammenhang beispielsweise bei der Beschäftigtenstruktur in Schmuckgeschäften, aber auch im Möbel- und Antiquitätenhandel. Auch Fachgeschäfte, die

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beispielsweise Oberbekleidung für Vollschlanke anbieten, arbeiteten nicht mit Mitarbeitern, die extrem schlank sind. Pro City ist aber der Auffassung, dass sich viele Personalverantwortliche beim Thema “ziel-gruppengerechtes Personal” eher vom Gefühl als von der klaren Analyse leiten lassen.

Bei der Gestaltung ihrer eigenen Angebote setzt Pro City selbst in vielen Ausprägungen bereits auf die Seniorengerechtigkeit. So wird z. B. bei Weinfesten darauf geachtet, dass es ausreichend Sitzmöglichkeiten gibt. Bei der Werbung wendet sich Pro City noch nicht explizit an Senioren.���

Das Center-Management des Kauf-Parks in Göttingen/Grone unternimmt regelmäßig Kundenbefragungen. Analysiert wird auch die Altersstruktur. Daraus ergibt sich, dass der demographische Wandel für das Management ein wichtiges Thema geworden ist. Werbemaßnahmen und Verkaufsför-derungsmaßnahmen werden auf die Zielgruppe der Älteren abgestellt. So richtet sich eine BINGO-Aktion speziell an ältere Kunden. Wenn das Center-Management des Kauf-Parks Befragungen auswertet, wird der „Feel-Age-Faktor“ bewusst berücksichtigt, d. h., es werden jeweils zehn Jahre von dem durch die Kunden angegebenen wirklichen Alter abgezo-gen, um zum „gefühlten Alter“ der Kundengruppen zu kommen. Dieses „relative“ Alter ist ausschlaggebend für die Gestaltung der jeweiligen Marketingaktionen.

Das Management informiert die Geschäfte über die Ergebnisse der Befragungen. Es zeigt sich, dass die Anzahl der Single-Haushalte in Göt-tingen weiter steigt. Für den Lebensmitteleinzelhandel bedeutet dies, mit kleineren Verpackungsgrößen zu arbeiten. Bei der Entwicklung der Mieterstruktur wird der demographische Wandel ebenfalls berücksichtigt. So wurden gezielt Optiker auf eine Ladenanmietung angesprochen. Vor sieben Jahren wurde der Versuch unternommen, einen Einpackservice zu etablieren. Dieser Versuch wurde aber eingestellt, nachdem deutlich wurde, dass nur wenige KundInnen diesen Dienst genutzt haben, sich die Waren einpacken und zum Auto bringen zu lassen. Deutlich erkennt das Center-Management, dass gerade ältere Kunden Wert auf gute Beratung legen. Der Facheinzelhandel sei deshalb besonders zukunftsträchtig. Deutlich sei auch, dass sich ältere Kundinnen und Kunden lieber von äl-teren Verkäufern und Verkäuferinnen beraten lassen. Viele Fachgeschäfte im Kaufpark achteten auf die Größe der Preisschilder. Der Kaufpark mit ebenerdigen Parkplätzen vor dem Gebäude ist nach der Bewertung des Center-Managements baulich barrierefrei.���

Im Stadtmarketing Duderstadt sind 90 Mitgliedsunternehmen organisiert – überwiegend aus dem Einzelhandel, einige aber auch aus dem Hand-werk. Wichtigste Aufgaben sind Imagewerbung und die Ausrichtung von Veranstaltungen. Das Stadtmarketing organisiert den Gartenmarkt, den historischen Markt, den Äpfel- und Birnenmarkt sowie den Weihnachts-markt. Die Maßnahmen werden durch den Geschäftsführer der Fa. Wip-permann geplant und durchgeführt. Nach seiner Beobachtung legen Ältere besonderen Wert auf eine kompetente Beratung. Ältere KundInnen lassen

125 Gespräch mit Geschäftsführer Christian Glantz am 31. März 2006 in Göttingen126 Gespräch mit Center-Manager Andreas Gruber am 1. Juni 2006 in Göttingen

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

Page 136: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

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sich nach seiner Beobachtung aber lieber von jüngeren VerkäuferInnen beraten als von Älteren. Eine Ausnahme gebe es z. B. bei Fachgeschäften wie dem Optiker. Deshalb sei es auch in Geschäften, die sich vorwiegend an die Zielgruppe der Älteren wenden, mindestens ungeschickt, nur mit älteren Verkäufern zu arbeiten. Viele Konsumenten wagten es nicht, ältere Verkäuferinnen zum wiederholten Male ins Lager zu schicken, um die geeignete Ware zu finden. Weil dies ihnen unangenehm sei, verließen sie lieber den Laden, ohne etwas gekauft zu haben. Bei manchen sehr alten Kunden müsse das Verkaufspersonal auch beim Umkleiden helfen. Auch dazu seien Jüngere besser geeignet als Ältere.

Probleme sieht das Stadtmarketing Duderstadt beim Bezug von geeig-neten Markenartikeln. Die Markenartikler hätten genaue Vorstellungen vom Umsatz pro Quadratmeter. Wenn der nicht erfüllt sei, verliere man die Exklusivität am Ort oder werde gar nicht mehr beliefert. Die Massen-produktion aus Fernost berücksichtige die deutschen Konfektionsgrößen nicht ausreichend. Der Handel in Duderstadt bemühe sich, auf die Bedürf-nisse der Zielgruppe Älterer einzugehen. Das zeige sich am stufenfreien Eingang zu vielen Geschäften, an ausreichend großen Umkleidekabinen und großen Schildern.

Nach Beobachtung des Stadtmarketings verfügen viele Ältere noch immer über ein gutes Einkommen. In vielen Fällen zeigen sie aber beim Einkauf eine besondere Sparsamkeit und feilschen vielfach auch um den Preis. Insgesamt seien die Älteren „jünger“ geworden, das aber berücksichtige der Handel in Duderstadt noch nicht ausreichend. Klar sei aber, dass der Umsatz nur gehalten und gesteigert werden könne, wenn der Handel noch mehr auf Ältere zugehe. Bei der Themenstellung für die Stadtfeste orien-tiere sich das Duderstädter Stadtmarketing an mittleren bis höhere Alters-gruppen. Man bemühe sich um die Bereitstellung von Sitzmöglichkeiten – dies passt aber häufig nicht in die Jahreszeit. Der Städtetourismus hat sich nach Darstellung des Stadtmarketings bereits auf die Zielgruppe der Älteren eingestellt, dieser Prozess müsse aber fortgesetzt werden.���

Hann. Münden hat eine hohe Bedeutung für ältere Menschen aus der Umgebung. Dass Hann. Münden für ältere Kreisbewohner als Wohnort interessant ist, liegt in erster Linie an den zahlreichen Altenheimen sowie an den Projekten zum Betreuten Wohnen. Außerdem besteht offenbar auch bei der Generation 50plus die Tendenz, seniorengerechte Apart-mentwohnungen für das Wohnen im Alter zu erwerben. In Hann. Münden lebt mit pensionierten Lehrern, Polizisten, Soldaten und Forstbeamten ein durchaus zahlungskräftiges Klientel.

In Hann. Münden läuft seit dem Jahreswechsel 2005/2006 ein Stadtmarke-tingprozess. Die Federführung hat ein Initiativkreis inne, in dem Werbege-meinschaft, Wirtschaftssenioren, Heimatpfleger, Stadtführergilde, Touristik Hann. Münden und die Politik vertreten sind. Beratend für den Initiativkreis ist die Verwaltungsleitung. Sprecher der in diesem Zusammenhang ein-gerichteten Lenkungsgruppe ist der stellvertretende Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungs- und Stadtmarketing GmbH (WWS). Im Kern geht es in dem Entwicklungsprozess darum, aus Betroffenen Beteiligte zu

127 Gespräch mit Geschäftsführer Hubertus Werner am 12. Juni 2006 in Duderstadt

Page 137: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

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machen. Verhindert werden soll, dass neue Ansprüche an die Öffentliche Hand gestellt werden. Im Fachkreis Bürger sollen Unterkreise gebildet werden. Es ist erwünscht, dass sich auch ältere Bürger engagieren.

Das Stadtmarketing der Stadt Hann. Münden hat sich mehrfach mit As-pekten der Seniorenwirtschaft befasst. Gezielte Angebote an Senioren werden dennoch bislang nicht geplant. Die Frage war zu einem früheren Zeitpunkt geprüft worden. Man fürchtete jedoch, dass sich der Handel monostrukturell ausrichtet und dass ein Verlust an Vielfalt entsteht. Das Stadtmarketing hält eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Senioren aber für sinnvoll.���

In dem Initiativkreis arbeiten auch Ältere mit, z. B. ein Senior, der im er-heblichen Maß über kaufmännisches Verständnis und über viel Wissen und Kontakte verfügt. Dessen Kompetenz wurde auch genutzt, als es um die Privatisierung des Bahnhofs ging. Das Stadtmarketing Hann. Münden legt großen Wert darauf, dass keine „Wünsch-Dir-was-Aktionen“ entste-hen. Durch den Bottom-up-Ansatz werden Bedürfnisse der BürgerInnen sichtbar gemacht – nicht jedoch die Interessen der Stadtverwaltung. Zielsetzung: Es soll gelingen, auch ältere Leute dazu zu bewegen, die Ideen auch umzusetzen. Vorschlag: Es sollte das Konzept eines „Genera-tionenladens“ entwickelt werden. Dort sollten seniorengerechte Produkte angeboten werden, wobei das Verkaufspersonal der Zielgruppe entspre-chen sollte. Die Initiatoren des „Generationenladens“ sollten zielgerichtet aus- bzw. weitergebildet werden und über die Gründungsphase hinaus fachlich begleitet werden. Handlungsbedarf wird auch beispielsweise bei Serviceleistungen in der Unterhaltungselektronik erkannt.

Eindrücke der Seniorenscouts

Auf Bundesebene förderten Tests, die u. a. die Unternehmensberatung feierabend.de vornimmt, zum Teil erstaunliche Missstände zutage. Die Unternehmensberatung hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main verfügt über 68 Regionalgruppen mit 91.266 Mitgliedern. Eine Regionalgruppe ist auch in Göttingen ansässig.��� Bei feierabend.de können sich die Mitglieder ehrenamtlich als Seniorenscout betätigen.

Zur Erfassung der Einkaufssituation älterer Menschen im Landkreis Göt-tingen erkundete im Rahmen der Potenzialanalyse eine Dame als “Senio-renscout“ die Innenstädte von Göttingen und Duderstadt.��0 Grundlage war ein vom Regionalverband Südniedersachsen entwickeltes Qualitätsraster, in dem Parkmöglichkeiten, Treppen, Orientierungsmöglichkeiten im Ge-schäft, Raumausstattung und Helligkeit, Laufwege, insbesondere Gänge, Produktauszeichnungen, Platzierung der Produkte, Packungsgrößen und dem Service-Personal genannt wurden.

128 Gespräch mit dem stellvertretenden Geschäftsführer Jörg Hartung am 8. Juni 2006 in Göttingen 129 http://www.feierabend.de130 Siehe auch Berichterstattungen über Swaantje Krasky „Als Kundschafterin auf Einkaufstour“ im Göttingen Tageblatt und in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) „Pfadfinderin in der Warenwelt“ am 19. September 2006

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

Page 138: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

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Manche insbesondere von Älteren genutzten Produkte lassen sich schlecht öffnen, dazu gehören unter anderem Plastikbecher für Kaffeesahne. An den Kassen herrscht zuweilen eine Hektik, die für Ältere mit besonderem Stress verbunden ist. Die meisten Beschäftigten bemühen sich allerdings, Älteren zu helfen. Dazu gehört auch das Angebot an den Kassen der Lebensmittelläden, den Rechnungsbetrag direkt aus dem Portemonnaie der Kunden zu nehmen. Viele Geschäfte haben mittlerweile auch einen kostenlosen Einpackservice eingerichtet. Sitzmöglichkeiten bestehen es in den Geschäften der Göttinger Innenstadt nur vereinzelt.

Dagegen bietet Duderstadt nach Beobachtungen der „Pfadfinderin durch die Warenwelt“ in den Geschäften vermehrt Sitzgelegenheiten für SeniorInnen an. In vielen Supermärkten ist es oft schwierig, die verkeil-ten Einkaufswagen aus den dafür vorgesehenen Boxen zu entnehmen. Zudem empfinden viele ältere Menschen Unsicherheit, wenn sie sich in der überfüllten Innenstadt bewegen. Probleme werden demnach insbe-sondere in den Bereichen gesehen: Verpackungsgrößen, Sitzgelegen-heiten, klemmende Einkaufswagen sowie Unsicherheit an Kassen und in Fußgängerzonen.

Für Göttingen gilt: Es gibt zwar Parkmöglichkeiten, jedoch nur relativ we-nige in unmittelbarer Nähe der Einzelhandelsgeschäfte. Demgegenüber ist die Anbindung an den ÖPNV gut. Die Orientierungsmöglichkeiten in-nerhalb der Geschäfte sind überwiegend gut. Kunden, die Fragen haben, werden meist rasch und höflich unterstützt. Überwiegend gut sind auch die Lichtverhältnisse, die Laufwege sind mit wenigen Ausnahmen frei.

Unterschiedlich wird die Produktauszeichnung bewertet. Kritikwürdig erscheint nach Beobachtungen des Seniorenscouts die Produktaus-zeichnung in Apotheken. In vielen Fällen wurde beobachtet, dass sich die Preisschilder an Regalen verschieben, es lässt sich also häufig nicht zuordnen, welcher Preis für welches Produkt gilt. Produkte, die auch von Senioren gekauft werden, liegen in den Regalen häufig ganz unten und ganz oben. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob über Einzelfälle hinaus hier Verbesserungen möglich sind. Manche größeren Einzelhandelsge-schäfte verfügen über zu wenige Kassen, sehr unübersichtlich ist häufig die Warenpräsentation in den Geschäften, die vorwiegend sehr preiswerte Waren verkaufen.

Gute Beispiele im Seniorenmarketing

Verschiedene Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels versuchen inzwischen gezielt, die Bedürfnisse ihrer älteren Kunden in der Ladenge-staltung zu berücksichtigen. Zum Gestaltungskonzept der Metro-Tochter-gesellschaft Real gehören beispielsweise:

verbesserte Orientierung durch breitere Gänge, Übersichtlichkeit und geändertes Produktplacement

Optimierung der Regalanordnung, indem Produkte, die vor allem von Senioren nachgefragt werden, in greifbarer Höhe platziert wurden.

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Edeka hat ein neues Service- und Ladenkonzept unter dem Titel „Super-markt der Generationen“ entwickelt. Analog zu Real gibt es im „Supermarkt der Generationen“ rutschfeste Böden, breite Gänge und blendfreies Licht; die seniorenrelevanten Sortimente sind in Augenhöhe platziert. Darüber hinaus sollen Senioren mit großen Preisschildern, an den Regalen befe-stigten Leselupen, Sitzecken für Ruhepausen und Kassenbildschirmen mit großer Anzeige angesprochen werden. Ein spezielles Dienstleistung-sangebot verbirgt sich hinter einem roten Serviceknopf: Wenn ein Kunde diesen Knopf drückt, erhält er sofort Hilfe und wird von entsprechend geschultem Service-Personal beraten. Ein erster Pilotmarkt wurde in Chemnitz eröffnet. Mittlerweile wurden schon zwei weitere “Supermärkte der Generationen“ in Deutschland eröffnet, aber noch befindet sich das Konzept in der Testphase. Pläne zu einer deutschlandweiten Umsetzung sind nicht bekannt.

Die Senio GmbH Heidelberg war Deutschlands erster Fachhandel für Seni-oren. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen seit 1993 von seinem Konzept für Fachgeschäfte, das ein Kooperations- oder Franchisesystem aufbaut, Marktführer. Seniorenfachgeschäfte bestehen z. B. in Mannheim, Berlin, Heidelberg, Frankfurt und Oldenburg. Senio propagiert ein Rund-umkonzept.��� Hier werden Produkte, Dienstleistungen (Betreuung, Pflege, Hilfe im Haushalt) und Informationen (zu seniorengerechtem Wohnen, Hilfsmitteln) angeboten und vermittelt. Auch die Geschäfte sind speziell auf die Bedürfnisse der älteren Kunden ausgerichtet und beispielsweise mit Sitzgelegenheiten ausgestattet

In Deutschland wurden seit 1992 mehr als 50 Fachgeschäfte für Senio-rInnen gegründet. Die Hälfte sind noch heute tätig – viele davon Senio-Fachgeschäfte mit mehr oder minder enger Bindung an Senio. Andere sind mit ihrer klaren Ausrichtung auf die Zielgruppen der SeniorInnen gescheitert. Darunter waren auch hoch engagierte Existenzgründer an guten Standorten, aber auch Selbstständige, die ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten überschätzt haben. Gründe für das Scheitern war die zu niedrige Qualifikations- und Standortanforderung an den Partner.

Aus dieser Erfahrung ist ein Anforderungsprofil an künftige Senio-Fran-chise-Partner entwickelt worden, das eine langfristig erfolgreiche Basis für eine Zusammenarbeit als eigenständiges Geschäft, Shop-in-Shop und Franchise light sichern soll. Dazu zählen Standortwahl, finanzielle Aus-stattung und die Fähigkeit des Partners, das Senio-Konzept selbstständig weiterzuentwickeln.

Nach der amtlichen Statistik Österreichs ist schon heute jeder dritte Bürger des Landes älter als 50, Tendenz steigend. Österreichs Handelskette Adeg buhlt mit speziellen Supermärkten konsequent um diese Zielgruppen. Manfred Schwall, Geschäftsführer der Wiener Werbeagentur Haslinger & Keck, hat sich vor zwei Jahren mit dem Konzept bei Adeg, einer Tochter der Edeka-Gruppe, vorgestellt. Zusammen mit dem Unternehmen befragte Schwalls Agentur 450 Adeg-Kunden jenseits der 50 in ganz Österreich nach Einkaufsgewohnheiten und Erwartungen an Lebensmittelläden. Die Ergebnisse sind seit 2005 im ersten 50plus Laden zu sehen – nach

131 http://www.senio.de/

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Aussagen des Unternehmens mit einer beeindruckenden Umsatzerhö-hung: Es gibt die Holzbank zum Rasten und breite Gänge. Da ist zum Beispiel der Spezialboden, mit dem Rutschpartien vor allem an nassen Tagen vermieden werden sollen. Am Eingang des Geschäfts ist das Licht gedämpft, damit sich die Augen schneller an das Neonlicht gewöhnen. Einige Einkaufswagen sind mit Bremsen ausgestattet. Wer sich eine Pause gönnen will, kann auf der Sitzfläche des Wagens Platz nehmen, die Räder blockieren dann sofort.

Einer der 50plus-Läden von Adeg ist in Bergheim im Salzburger Land, der andere im Zentrum Wiens. Kein Kunde soll in den Läden das Gefühl be-kommen, in einem Fachhandel für Senioren einzukaufen. Deshalb stehen hier Energie-Getränke und Alcopop-Mischgetränke griffbereit, und aus den Lautsprechern tönt leise ein Hit der britischen Popband Coldplay. Bei Adeg in Bergheim können sich Kunden direkt am Eingang den Blutdruck messen lassen. An den Ladenregalen baumeln an Ketten Lupen, durch die Etiketten und Preisschilder größer wirken. Und beim Obst und Gemüse steht eine Holzbank für müde Einkäufer. Die älteren Kunden sollen sich wohl fühlen. Für Rollstuhlfahrer steht ein spezieller Einkaufswagen bereit, der sich am Rollstuhl befestigen lässt. Die Produkte sind mit großen Preis-schildern ausgezeichnet, die Regale im Laden nach Mahlzeiten geordnet: Frühstück, Mittag- und Abendessen.

Arbeitsplätze für Ältere: Auch sie stehen für die Philosophie 50plus. „Sind Sie über 50, dann sind Sie für uns ideal“, warb Adeg in einer Stellenanzeige. „Wir glauben, dass ältere Mitarbeiter besser kommunizieren können, vor allem mit älteren Kunden.“ Mittlerweile arbeiten 14 ältere Frauen in dem Salzburger Supermarkt. Fast alle waren vorher arbeitslos, nicht zuletzt wegen ihres Alters.

Das Geschäft mit der älteren Generation lohnt sich, nicht nur in Österreich: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wird 2010 bereits jeder zweite Konsument in Deutschland über 50 sein.

Deliga ist ein kleines Warenhaus im brandenburgischen 11.000-Einwoh-ner-Städtchen Großräschen. Es gilt als Deutschlands erstes Seniorenkauf-haus. Dort sind die Gänge so breit, dass man auch mit einem Rollstuhl gut durchkommt. In den Umkleidekabinen können sich zwei Personen bewegen. Das Personal ist so aufmerksam, dass sich der Kunde nicht als Störenfried fühlt, wenn er Beratung braucht. Auf der gut 800 Qua-dratmeter großen Verkaufsfläche können alte Leute Hilfen erwerben, um die Einschränkungen des Seniorendaseins zu überwinden. So gibt es sprechende Wecker, Waagen und Thermometer, eine TV-Lupe, die über den Bildschirm gespannt das Fernsehbild auf das Doppelte vergrößert, Telefone mit riesigen Tasten, pflegeleichte, weit geschnittene Kleidung, Strumpfhosen mit breiterem Bund und kürzeren Beinen.

Diese guten Beispiele dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht nur in Stadt und Landkreis Göttingen Defizite gibt. Ein Großteil der auf die Zielgruppe ausgerichteten Produkte, Dienstleistungen und Kampagnen ist weiterhin auf dem längst überholten Klischee vom ge-

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brechlichen, ewig sparsamen Rentner ausgerichtet. Senioren-Marketing darf sich deshalb nicht auf eine größere Schrift auf den Preisschildern beschränken.

Qualifizierungsprogramme für den Einzelhandel

“ProSenior“ ist ein aus Bausteinen bestehendes Qualifizierungs- und Beratungsprogramm für Einzelhändler und Dienstleister, das am Beispiel von Buchhandlungen und Medical-Wellness-Hotels entwickelt wurde. Es soll die Unternehmer/-innen befähigen, ein für ältere Kunden attraktives Angebot bereitstellen und attraktiv präsentieren zu können. Die Gewin-nung dieser noch weiter wachsenden Käufergruppe trägt zur wirtschaft-lichen Stärkung des eigenen Betriebes bei und hilft damit, Arbeitsplätze zu sichern oder neue zu schaffen. Davon werden insbesondere Frauen profitieren, die einen Großteil der Eigentümerinnen und Mitarbeiterinnen in diesem Sektoren stellen. Das Programm besteht aus Pflicht- und fakul-tativen Modulen und verbindet theoretische Unterweisung mit praktischen Übungen (meist am Beispiel des eigenen Betriebes) und begleitender Beratung (individuelles und Gruppencoaching). Es zielt darauf ab, Verständ-nis für die Bedürfnisse und Erwartungen der Senioren unter den Kunden zu wecken, eine Vorstellung von den Möglichkeiten zu vermitteln, die die Erschließung dieser Käufergruppe bietet, das Potenzial des eigenen Unternehmens zu analysieren, neue Angebote und Leistungen für Seni-oren zu entwickeln und eine auf speziell deren Wünsche ausgerichtete Kommunikationspolitik betreiben zu können sowie durch ein effizientes Qualitätsmanagement den hohen Ansprüchen dieses Kundenkreises auf Dauer gerecht zu werden.

Dieses Qualifizierungs- und Beratungsprogramm wurde zwar am Beispiel spezieller Zweige des Einzelhandels und des Dienstleistungsbereichs er-arbeitet, ist jedoch auf alle Branchen übertragbar. Es ist so flexibel, dass genügend Raum bleibt, deren spezifische Belange zu berücksichtigen.

Auch wenn das Altern keineswegs mit gesundheitlichen Einschränkungen gleichgesetzt werden darf, so gibt es doch keinen Zweifel daran, dass in einer alternden Gesellschaft immer mehr Menschen auf gesundheitsbe-zogene Dienstleistungen und Produkte angewiesen sein werden.

Individuelle Einschätzungen

„Mir ist es egal, wie alt derjenige ist, der mich bedient. Für mich ist die Kompetenz ausschlaggebend, und die hängt nicht vom Alter ab. Die Grundversorgung in Duderstadt ist hervorragend. Aber zum Besuch meines Facharztes brauche ich das Auto. Ich frage mich schon, was ich mache, wenn ich nicht mehr Auto fahren kann.“ (Duderstadt)

gesunDHeItswIrt-scHaft, ambulante pflege unD sport

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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142

„Als älterer Mann bin ich ein bisschen eigen. Beim Friseur lasse ich mich nur von älteren Männern bedienen, junge Mädchen lasse ich an meinen Kopf nicht ran. Ich würde mich auch nie von einer Ärztin behandeln las-sen. Viele Ältere würden sich auch nie von ihren Kindern pflegen lassen, von Fremden lassen sie sich aber helfen.“ (Duderstadt)

„Ideal ist eine funktionierende Familie, die hat aber nicht jeder. Na klar: Ich nehme auch ehrenamtliche Hilfe in Anspruch.“ (Göttingen)

„Man ist so zufrieden, wenn man etwas selbst macht. Selbstständigkeit heißt doch, frei zu sein und das Beste aus seinem Leben zu machen.“ (Göttingen)

„Wir werden zu alt, Altern ist eine Last. Ich bin zwar noch rüstig, brau-che aber unbedingt Gesellschaft. In meinem Haus wohnen viele junge Leute, die grüßen zwar aber mehr auch nicht. Sich um Gesellschaft zu kümmern ist aber mühsam.“ (Göttingen)

„Das Treffen mit anderen ist wichtig, um das Alleinsein zu unterbrechen. Frage mich, wie kann man das Alleinsein älterer Menschen unterbin-den? Ich hatte einen Plan ‘Kette per Telefon’, aber viele scheuen sich, auf andere zuzugehen.“ (Göttingen)

Gesundheitswirtschaft

Die wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Potenziale des Wachstumsmarktes Gesundheitswirtschaft gründen im Wesentlichen auf drei Triebkräften: dem demographischen Wandel, dem medizinisch-technischen Fortschritt und einem steigendem Gesundheitsbewusstsein. Letzteres bedeutet, dass der soziale und kulturelle Wandel in großen Teilen der Bevölkerung zu einem steigenden Gesundheitsbewusstsein führt und auch zu einer wachsenden Bereitschaft, für Gesundheit und Wohlbefinden auch private Mittel auszugeben.

Die Gesundheitswirtschaft zählt auch unter beschäftigungspolitischen Aspekten zu den wichtigsten Wachstumsbranchen der letzten zwei Dekaden.��� Demographischer Wandel, technischer Fortschritt und die Innovationen sowie neue Ansätze für Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Lifestyle-, Alternativ- und ganzheitlichen Medizin lassen da-rauf schließen, dass dieser Trend auch in den nächsten Jahren anhalten wird.

Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung – vor allem hinsichtlich der kleiner werdenden Familien – ist davon auszugehen, dass mit dem demogra-phischen Wandel zukünftig ein Mehrbedarf an professionellen Hilfs- und Pflegeangeboten einhergehen wird. Im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit müssen neue Formen der Betreuung und Versorgung die familiäre Unter-stützung ergänzen oder auch ersetzen können. Dienstleistungsangebote sollten dabei das Spektrum von Beratungsangeboten bis hin zu flexiblen

132 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 247

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Hilfeformen abdecken, die von allen Beteiligten – sprich den älteren Men-schen, deren Familien und auch Professionellen – in Anspruch genommen werden können.

Die Gesundheitswirtschaft umfasst ein weites Feld an Aufgaben und Angeboten durch unterschiedliche Anbieter. Exemplarisch soll hier auf den Bereich der ambulanten Pflege eingegangen werden, da hier am ehesten Beschäftigungspotenzial für Menschen ab 50 Jahren besteht. Außerdem wird der Aspekt der Bedeutung des Freizeitsports näher be-leuchtet. Wellness und Tourismus werden in einem gesonderten Kapitel vertieft behandelt.

Das Cluster-Modell, welches vom Institut für Arbeit und Technik (IAT) ent-worfen wurde, unterscheidet drei Bereiche der Gesundheitswirtschaft:

Der Kernbereich der ambulanten und stationären Versorgung umfasst neben den Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrich-tungen, die ambulanten Arzt- und Zahnarztpraxen, die Praxen der nichtärztlichen medizinischen Berufe und Apotheken sowie die stati-onären, teilstationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen.

Die Vorleistungs- und Zulieferindustrien, in denen sich die Pharma-zeutische Industrie, Medizin- und Gerontotechnik sowie die Bio- und Gentechnologie (Health Care Industries), das Gesundheitshandwerk und der Groß- und Facheinzelhandel mit medizinischen und orthopä-dischen Produkten wiederfinden.

1.

2.

Stationäre

und ambulante Versorgung (Gesund-heitsversorgung +

Pflege)

Wohnen

Sport + Freizeit

Wellness

TourismusErnährung

Biotechno-logie

Handel mit Gesundh.- produkten

Pharmazeutische Industrie

Beratung

Gesundh.- handwerk

Medizin- und Gerontotechnik

Selbst- hilfe

Kur- und Bäderwesen

Apo- theken

Verwaltung

Abbildung 38: Cluster-Modell

Institut für Arbeit und Technik

Hilbert, Fretschner, Dülberg

2002: “Rahmenbedingungen

und Herausforderungen der

Gesundheitswirtschaft“.

Manuskript. Gelsenkirchen: Inst.

Arbeit und Technik (http://iat-

info.iatge.de/aktuell/veroeff/ds/

hilbert02b.pdf)

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Die Nachbarbranchen und Randbereiche des Gesundheitswesens, welche insbesondere durch die Verknüpfung gesundheitsbezogener Dienstleistungen mit den Angeboten aus den Bereichen Gesund-heitstourismus, Wellness, Sport- und Freizeitangeboten sowie Woh-nen und Ernährung große Potenziale für die Gesundheitswirtschaft beinhalten.

Dem Kernbereich der Gesundheitswirtschaft sind durch politische Re-gulierung und Finanzierung durch die Krankenkassen enge Grenzen hin-sichtlich Expansion und Preisgestaltung gesetzt. Bereits heute zahlen die gesetzlich Krankenversicherten ca. sieben Prozent ihrer Aufwendungen für Gesundheit aus eigener Tasche, bis 2015 wird ein deutlicher Anstieg dieser Eigenleistung prognostiziert.��� Damit einher geht auch ein Wandel der Ansprüche. Die Patienten werden sich weitere Kompetenzen zur Stei-gerung ihrer Lebensqualität aneignen und sich vom Hilfeempfänger zum Kunden entwickeln. Große wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten sind laut Altenbericht vor allem in den Rand- und Nachbarbranchen der Gesundheitswirtschaft zu sehen, also den Bereichen, die von den Kunden und Kundinnen privat finanziert werden. Fraglich ist, ob diese Prognose sich auch auf den Arbeitsmarkt in Stadt und Landkreis Göttingen nieder-schlägt.

Neben Hilfs- und Pflegeangeboten können vor allem durch technische Hilfsmittel die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Alter kompensiert oder zumindest gelindert werden. Südniedersachsen ist ein ausgezeich-neter Standort für Gesundheits-, Geronto- und Rehatechnikunternehmen. Hier ist mit einem weiteren Wachstum der Märkte zu rechnen. Sein Umfang wird jedoch nicht zuletzt davon abhängig sein, ob es auf dem Arbeitsmarkt dafür geeignete Fachkräfte gibt.

Damit die regionalen Einrichtungen und Unternehmen in der Gesundheits-wirtschaft an einem Wachstum der Märkte für Gesundheits-, Geronto- und Rehabilitationstechnik partizipieren können, kommt es vor allem auf die Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen an. Hierdurch kann die Gesundheitswirtschaft auf die veränderte Bedarfslage durch den demographischen Wandel reagieren und verstärkt privat finanzierte Nachfrage mobilisieren. Der 5. Altenbericht der Bundesregierung empfiehlt diesbezüglich, dass die bestehenden Angebote kritisch auf ihre Zukunftsfä-higkeit geprüft werden.��� Notwendig seien demnach Ergänzungen und Ver-änderungen sowie die Entwicklung von Kooperationen mit Unternehmen aus anderen Branchen (z. B. der Wohnungswirtschaft). Zentrales Ziel ist es, die Angebote für die Unterstützung im häuslichen Umfeld zu optimieren. Dazu sind die Akteure in den Bereichen Handwerk, Wohnungswirtschaft und ambulanter Pflege anzusprechen. Wichtig erscheint aber auch, dass die Teilbereiche miteinander vernetzt werden.���

Insgesamt produzierten die Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft im Land Niedersachsen im Jahr 2000 Leistungen und Güter im Wert von 24,8 Mrd. Euro, davon entfallen 21,0 Mrd. Euro auf den Bereich Gesundheits-

133 Altenbericht, S. 248134 Altenbericht, S. 249135 Denkbar ist, dass bei einem Pflegeforum zum Thema ambulante Pflege auch Experten aus den Bereichen der Wohnungswirtschaft oder dem Handwerk als Gäste und Zuhörer hinzugeladen werden.

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schutz und -versorgung, 3,3 Mrd. Euro auf die Gesundheitsindustrie und 0,5 Mrd. Euro auf die gesundheitsrelevante Freizeitwirtschaft. Mit 5,8 Mrd. Euro sind die Krankenhäuser die umsatzmäßig größten Leistungserbringer der Gesundheitswirtschaft im Land Niedersachsen.���

Nach Abzug der Vorleistungen von 10,7 Mrd. Euro erzielten die Ein-richtungen der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen im Jahr 2000 eine Bruttowertschöpfung von 14,1 Mrd. Euro. Dies bedeutet, dass die Wertschöpfungsquote des Gesundheitssektors anteilig am Bruttoinlands-produkt in Niedersachsen in dem genannten Jahr 7,9 Prozent betrug. Im Jahr 1996 lag die Wertschöpfungsquote in Niedersachsen bei 8,1 Prozent. Der leichte Rückgang ist sowohl eine Folge der Budgetierung der öffentlichen Leistungsbereiche als auch des stärkeren Wachstums der übrigen Wirtschaft.

Jeder neunte Erwerbstätige in Niedersachsen ist in der Gesundheitswirt-schaft beschäftigt. Im Jahr 2000 arbeiteten rund 385.000 Personen in der Gesundheitswirtschaft. Dies entspricht rund 286.000 Vollzeitbeschäftigten. Damit sind in Niedersachsen im Vergleich zum Bundesschnitt insgesamt, bezogen auf die Wohnbevölkerung, weniger Personen im Gesundheits-wesen beschäftigt. Je 1.000 Einwohner arbeiteten im Jahr 2000 48,6 Erwerbstätige in der niedersächsischen Gesundheitswirtschaft. Im Ver-gleich zum Bund (50,9) liegt dieser Quotient damit in Niedersachsen um 2,3 Prozent niedriger. In Stadt und Landkreis Göttingen arbeiten 13.120 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Gesundheitswesen. Das ist ein Anteil von 15,2 Prozent an der Gesamtzahl.

Senioren haben das höchste Risiko für Krankheiten und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Gesundheitsprobleme hängen häufig direkt oder indirekt mit der Ernährung zusammen. Zu beobachten sind ein veränderter Nährstoffbedarf und veränderte Essgewohnheiten. Durch gesenkten En-ergiebedarf bei gleichbleibendem Bedarf an Nährstoffen wie Vitaminen und Spurenelementen kommt es oft zur Mangelversorgung. Deshalb müssen seniorengerechte Portionen kleiner und kalorienärmer sein, aber mehr Nährstoffe aufweisen. Bei der Produktpalette ist zu beachten, dass Senioren aufgrund der biologischen und körperlichen Veränderungen mit zunehmendem Alter andere Bedürfnisse haben. Die Produkte sollten da-rauf abgestimmt sein und weniger Salz, Fett, Zucker etc. enthalten, ohne dabei an Qualität oder Geschmack zu verlieren. Produkte sollten dennoch nicht als seniorengerechnet bezeichnet werden. Das stellt die Einschrän-kungen der Nutzer in den Vordergrund. Aufschriften wie leichtes Öffnen und Verschließen betonen dagegen die Vorzüge des Produktes.

Der gesundheitsbezogene Freizeitsektor ist sowohl gesundheitspolitisch als auch ökonomisch zunehmend relevant aufgrund gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. Freizeitforscher begründen diese Entwicklung mit dem steigenden Leistungsdruck in der Gesellschaft und der Zu-nahme von Zivilisationskrankheiten, aber auch mit der zunehmenden Leistungseinschränkung der Krankenkassen, welche das Bewusstsein in

136 Beratungsgesellschaft für angewandte Systemforschung mbH (BASYS), Augsburg, Niedersächsi-schen Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Hannover, Untersuchung zu den Entwicklungspotenzialen der Gesundheitswirtschaft in Niedersachsen

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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der Bevölkerung stärkt, mehr für die eigene Gesundheit tun zu müssen. Dienstleistungen mit dem Attribut „Wellness“ erleben derzeit einen Boom. In Niedersachsen sind in diesem Bereich über 2.300 Unternehmen mit über 7.000 Beschäftigten tätig. Auch das Potenzial Niedersachsens im Kur- und Gesundheitstourismus ist bedeutend. Niedersachsens Tourismusregionen generieren rund zwölf Prozent der deutschen Urlaubsreisen und liegen nach Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein auf Platz 4 im Bundesländervergleich.

Ambulante Pflege

Von der Gemeindeschwester, die noch mit dem Fahrrad von Ort zu Ort fuhr, bis zu den ambulanten Pflegediensten heutiger Zeit hat sich Grund-legendes gewandelt. Während die Gemeindeschwester eine Idealistin sein musste, die häufig noch mit Naturalien bezahlt wurde, gibt es heute exakte Leistungskataloge, nach denen ambulante Pflege abgerechnet wird. Häusliche Pflegedienste können nur dann überleben, wenn jeder Mitarbeiter täglich ein hohes Pensum abrechenbarer Leistungen erbringt. Das heutige System fördert ein Denken in Euro und Minuten pro erbrachter Leistung. Um dieses erbringen zu können, ist der Zeitdruck sehr hoch; oft bleibt für spontane Hilfen keine Zeit.

Durch die Dienstleistungsfreiheit drängt eine zunehmende Zahl von am-bulanten Pflegediensten aus Osteuropa auf den hiesigen Arbeitsmarkt.��� Die Dienstleistungsfreiheit stellt eine Möglichkeit dar, ausländische Arbeitskräfte aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Bundesrepublik zu beschäftigen, allerdings ist sie innerhalb eng gefasster gesetzlicher Bestimmungen gültig: So ist beispielsweise das Anwerben und/oder Ein-stellen ausländischer Arbeitskräfte nicht erlaubt, auch nicht deren direkte Vermittlung oder Überlassung. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, über die ZAV legal BetreuerInnen selbst einzustellen, jedoch auch hier lediglich innerhalb klar definierter Grenzen, dafür ist eine Vermittlung hier kostenlos. Dieser Aspekt soll hier nicht vertiefend behandelt werden, darf aber bei der Frage nach Beschäftigungspotenzialen im Bereich der ambulanten Pflege nicht unerwähnt bleiben.

Die hiesigen Pflegedienstleister können auf diese verstärkte Konkurrenz z. B. mit verschiedenen Hilfs- und Bedarfsangeboten für Ältere und Pflegebedürftige reagieren sowie mit der Konzeption und Bereitstellung neuer Dienstleistungen. Dies sind wesentliche Elemente für eine bedarfs-gerechte und selbstbestimmte Versorgung und Pflege im Alter, vor allem aber sind sie ein Aspekt der Beschäftigungssicherung. Sie fördern nicht nur die Lebensqualität, Selbstständigkeit und persönliche Zufriedenheit der Betroffenen, sondern fördern auch einen ökonomisch sinnvollen Einsatz von Ressourcen. Sie tragen somit durch Optimierung der Versorgung zu mehr Wirtschaftlichkeit bei.

Nach dem im November 2005 veröffentlichten Niedersächsischen Pfle-gebericht gibt es im Bereich der Altenpflege keine oder nur minimale Arbeitslosigkeit. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) rechnet da-

137 Siehe z.B. http://www.seniocare24.de/index.html

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mit, dass aufgrund der Zunahme der Zahl der Hochaltrigen und trotz des Trends zu Alternativen zum Pflegeheim die Zahl der Pflegebedürftigen stark ansteigen wird. Im Bereich der Pflegeheime wird nach KDA-Einschätzung in den nächsten Jahrzehnten mit einem Fachkräftemangel gerechnet. Hinsichtlich der Beschäftigung bestehen in der stationären Pflege Pro-bleme durch eine hohe Arbeitskräftefluktuation. Die anstehende Reform der Pflegeversicherung werde vermutlich zu weitreichenden organisato-rischen Neustrukturierungen führen. Bereits jetzt besteht ein Trend zur Nutzung von Skalenerträgen durch die Zusammenlegung verschiedener Angebote, wie z. B. der Anschluss von ambulanten Pflegediensten, Essen auf Rädern usw.

Die Versuche kleinerer Betriebe durch Externalisierung hauswirtschaft-licher Leistungen sind in vielen Fällen gescheitert, da die Kosten höher als erwartet ausfielen. Durch die Rückführung derartiger Aufgaben und dem zu erwartenden Wachstum dieses Sektors mit fortschreitender Al-terung der Bevölkerung bestehen hier Beschäftigungspotenziale speziell für Gering-Qualifizierte.

Kennzeichnend für die aktuelle Diskussion um das Thema Pflege sind folgende Thesen:���

Wüssten mehr ältere Menschen, was ambulante Dienste leisten, könnte die Zahl der Heimaufenthalte um mindestens 65 Prozent ge-senkt werden.

Ambulante Dienste benötigen ein größeres politisches Standing, damit der Grundsatz der Pflegeversicherung „ambulant vor stationär“ mit Inhalten gefüllt wird.

Wenn nur fünf Prozent der älteren Menschen ab 70 Jahre pflegebe-dürftig werden: Warum schaffen es offensichtlich 95 Prozent der Gesellschaft nicht, das Altern als etwas Attraktives zu sehen?

Wenn sich aus den ambulanten Strukturen altersgerechte Wohnkon-zepte entwickeln sollen, muss Bürokratie abgebaut werden.

Menschen wollen auch im Alter in ihrem Zuhause bleiben: Wenn die Hilfesysteme zusammenarbeiten, ist dies mit wenigen Ausnahmen für alle Menschen möglich.

Die ambulanten Dienste müssen sich weiter vernetzen und auch über eine Bündelung von Dienstleistungen nachdenken.

Niederschwellige Angebote müssen zu erschwinglichen Preisen an-geboten werden, dabei muss der Schwarzarbeit zu Dumpingpreisen Einhalt geboten werden.

138 Vortrag von Beate Oberschür, Vorstandsmitglied des Netzwerks NADel e. V. auf der Tagung „Al-tersgerechte Wohnkonzepte“ vom 17. Mai 2006 in Minden http://www.minden-luebbecke.de/media/cu-stom/322_1502_1.PDF?La=1&object=med|322.1502.1

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Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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148

Angehörige müssen darin gestärkt werden, die Pflege zu Hause mit ambulanter Hilfe leisten zu können.

Für den Kunden muss eine größere Transparenz über den Markt von ambulanten Diensten geschaffen werden.

Das Dienstleistungsangebot muss nach den Bedürfnissen der Kunden ausgebaut werden.

Die ambulanten Pflegedienste können viel mehr, als man von ihnen weiß.

Ambulante Pflegedienste können sich gut in Wohn- und Familienkon-zepte einpassen und sind eine geradezu perfekte Kombination, wenn der Wunsch der Menschen, in ihrer eigenen Wohnung oder zumin-dest in gewohnter Umgebung versorgt zu werden, ernst genommen wird.

Situation im Landkreis GöttingenAnfang der 90er-Jahre wurden im Zusammenhang mit der Pflegeversi-cherung fünf Sozialstationen gegründet und das Stadtgebiet in Bezirke unterteilt. Seitdem nahm die Zahl der Pflegedienste stark zu, in Göttingen gibt es heute über 40 Pflegedienste. Die Stadt lenkt heute nicht mehr wie in früheren Jahren die Pflegedienste, vielmehr regelt sich der Markt selbst. Neue Anbieter hätten es auf dem heutigen Markt schwer, vielmehr gehe der Trend in Richtung Konzentration und Verdichtung der Anbieter. Viel Potenzial für Pflegedienste sieht die Stadtverwaltung im Bereich Wohnen im Quartier.

Die Kreisverwaltung Göttingen bewertet das Angebot der Pflegedienste als gut.��� In allen Orten sind mindestens zwei Anbieter tätig, in den meisten sogar deutlich mehr; weiße Flecken gibt es nicht. Die Kreisverwaltung sieht im Pflegebereich durchaus Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere. Dies gelte allerdings insbesondere für Beschäftigungen auf 400-Euro-Basis, dort gäbe es einen großen brachliegenden Markt. Auch die Gemeinden sehen keine Defizite im Angebot der Ambulanten Pflege. Einheitlicher Eindruck ist, dass der Markt als Lenkungsinstrument seine Aufgabe gut erfüllt.

Neue Konzepte ambulanter Pflegewohngruppen setzen auf dezentrale Versorgung in kleineren Wohngruppen. Derzeit gibt es nach Angaben der Fachstelle Wohnberatung in Hannover 23 ambulant betreute Wohngrup-pen in Niedersachsen, fünf weitere befinden sich in der Planungsphase. Ambulant betreute Wohngruppen, meist bestehend aus sechs bis zwölf Bewohnern, ermöglichen das weitgehend selbstbestimmte Leben im „normalen“ Wohnungsbestand auch bei schwerer Pflegebedürftigkeit als Alternative zum Pflegeheim. Die Zielgruppe sind Demenzkranke, körperlich bzw. psychisch beeinträchtigte Menschen oder solche, die nicht mehr allein zu Hause leben möchten. Sie bieten die Möglichkeit, weitgehend selbstständig einen eigenen Haushalt zu führen und bei Bedarf Unterstüt-zung zu erhalten. Aktivierung und gegenseitige Unterstützung stehen dabei

139 Gespräch mit dem Sozialdezernat am 17. Juli 2006

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im Vordergrund. Es kann Betreuung mit einem hohen Personalschlüssel gewährleistet werden und Angehörige bzw. ehrenamtliche Helfer können aktiv in den Alltag einbezogen werden, was zu einer hohen Zufriedenheit aller Beteiligten führt. Akteure der Organisation sind die Bewohner und deren Angehörige, Betreuer, Wohnungs- und Dienstleistungsanbieter und/oder Institutionen (Kommunen, Wohlfahrtsverbände etc.) und Vereine. Im Falle der Trennung von Vermieter und Dienstleistungsanbieter, dem Führen eines eigenen Haushalts und der freien Wahl des Pflegedienstes kommt das Heimgesetz nicht zur Anwendung. Dennoch besteht hinsichtlich der Einzelheiten großer Klärungsbedarf. Dies verdeutlicht eine Stellungsnahme des Bundesrates zum Heimgesetz.��0 „Die Nichtanwendung des Heim-gesetzes auf die sog. Wohngemeinschaft oder Wohngruppe setzt also voraus, dass die durch die Aufnahme in eine Wohnung gebildete natürliche Gemeinschaft eine selbstständige und unabhängige Gruppe ist, die in allen das Zusammenleben betreffenden Fragen eigenverantwortlich entscheidet und autonom über ihre Betreuung und die damit zusammenhängenden Fragen bestimmt. Eine Einflussmöglichkeit von außen stehenden Dritten, insbesondere von Vermietern, darf nicht bestehen.“���

In Stadt und Landkreis Göttingen existieren derzeit zwei ambulant betreute Wohngruppen, die sich in Dransfeld und der Stadt Göttingen befinden. Aktuell verwirklicht die Alzheimergesellschaft Göttingen die Einrichtung einer Demenzwohngruppe. Anfang September 2006 wurde der Vertrag für den Neubau einer 400 Quadratmeter großen Wohneinheit in der Göttinger Innenstadt abgeschlossen. Nach Fertigstellung des Baus stehen acht bzw. neun Wohnplätze für Demenzerkrankte zur Verfügung. Die Betreuung der Bewohner wird durch einen privaten ambulanten Pflegedienst über-nommen, zusätzlich ist zur Begleitung des Entwicklungsprozesses eine vorläufig auf ein Jahr befristete Koordinationsstelle eingeplant. Darüber hinaus werden monatliche verpflichtende Treffen mit den Angehörigen stattfinden, um gemeinsame Supervision zu betreiben und Konzeption und Abläufe weiterzuentwickeln. Die Einrichtung wird nicht dem Heimgesetz unterliegen, was sich positiv auf die Bau- und Unterhaltskosten sowie die Flexibilität der Beteiligten auswirkt. Dies hat jedoch den Nachteil, dass höhere Zuzahlungen als im Pflegeheim anfallen, da die Pflegesätze für ambulante Betreuung sehr viel geringer sind. Der Vorteil für die Bewohner liegt jedoch in der deutlich höheren Betreuungsdichte, die tagsüber bei mindestens zwei Pflegekräften liegt, nachts ist eine Betreuungsperson durchgängig anwesend. Zum Vergleich: Der Personalschlüssel in Pflege-heimen liegt tagsüber bei zwei zu zwanzig und nachts bei eins zu sechzig Personen.

Nach einem Antrag der CDU-Kreistagsfraktion vom April 2006 wird in den kommenden Monaten ein runder Tisch zum Thema „Wohnen im Alter – ambulant betreute Wohngruppen“ eingerichtet werden. Es geht darum, Träger ambulanter Dienste und Organisationen der Altenhilfe, Vertreter der Wohnungswirtschaft, Investoren und Initiatoren ambulant betreuter

140 Fachstelle Wohnberatung 2006141 Bundesdrucksache: 730/00; Stellungnahme der Bundesregierung zum Heimgesetz

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Wohngruppen an einen Tisch zu bringen, um zukunftsweisende Konzepte für Stadt und Landkreis weiterzuentwickeln. Auch der Regionalverband Südniedersachsen e.V. soll daran teilnehmen.���

Ergebnisse der Befragung ambulanter PflegediensteIm Juli 2006 hat der Regionalverband im Zuge dieser Studie eine Befra-gung der 36 ambulanten Pflegedienste in Stadt und Landkreis Göttingen vorgenommen. Ziel der Umfrage war eine Bestandsaufnahme zu den aktuellen Beschäftigtenzahlen, der (prognostizierten) Entwicklung der Beschäftigtenzahlen und des Leistungsspektrums. Von Interesse war vor allem die Frage, ob die ambulanten Pflegedienste Beschäftigungsmög-lichkeiten im Pflegebereich oder im erweiterten Dienstleistungsbereich für über 50-Jährige sehen.���

An der Befragung haben sich 17 von 35 angeschriebenen ambulanten Pflegediensten beteiligt. Acht davon sind privatwirtschaftlich organisiert, je einer ist kirchlich bzw. kommunal organisiert, drei gehören zu Wohl-fahrtsverbänden und vier arbeiten als Verein. Begründet wurden sie mit wenigen Ausnahmen Mitte der neunziger Jahre im Zuge der Gründung der Pflegeversicherung. Insgesamt sind 328 Beschäftigte in der ambu-lanten Pflege tätig, davon 291 direkt im Bereich der Pflegedienste. Der überwiegende Teil der Beschäftigten ist in Teilzeit tätig, nämlich 246. Davon sind 228 Frauen.

Insgesamt verlief die Beschäftigungsentwicklung in den vergangenen Jah-ren positiv. Während im Jahr 1998 noch 162 Beschäftigte tätig waren, sind es jetzt rund 290. Bei der Befragung gaben 13 ambulante Pflegedienste an, mit weiter steigenden Beschäftigungszahlen zu rechnen. Offen bleibt allerdings, ob diese im Bereich der Teilzeitbeschäftigten oder Vollzeitbe-schäftigten liegen.

Die weit überwiegende Anzahl der Pflegedienste geht auch davon aus, dass sich in diesem Bereich im Zuge der Erweiterung der Angebote neue Beschäftigungsverhältnisse für Ältere ergeben. Die ambulanten Pflege-dienste gaben folgende Entwicklungsperspektiven an: Essen auf Rädern, Ergotherapie, Haus- und Familienpflege, niederschwellige Betreuung (z. B. Spazierengehen), 24-Stunden-Pflege für Kinder, Urlaubsbegleitung, Hausnotruf, Laienhilfsdienste für Demenzkranke, Verhinderungspflege, Fahrdienst, Alzheimer-/Demenzkranken-Betreuung, pflegebegleitende Dienstleitungen, Alltagsbegleitung bei Demenzerkrankten, sozialmedi-zinische Nachsorge, betreutes Wohnen, Gartenarbeit, Fußpflege, Ge-sprächskreise, Unterhaltung und Tagespflege.

Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Aussagen, die durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung gemacht wurden. Hier wird mit einem Anstieg des Pflegebedarfs von mehr als 50 Prozent bis zum Jahr

142 Antrag der CDU-Kreistagsfraktion vom 26. April 2006, eingebracht von dem Abgeordneten Gerhard Winter143 Die kompletten Ergebnisse der Befragung können beim Regionalverband Südniedersachsen ein-gesehen werden.

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2020 gerechnet. Eine Schlüsselfrage ist hier – gerade im Zusammenhang mit der zunehmenden Altersdemenz – ein verändertes Zusammenspiel von ambulanten und stationären Angeboten.

Stationäre Pflege

In der Stadt Göttingen ist seit vielen Jahren die Arbeitsgemeinschaft “Qua-litätsentwicklung in stationären Einrichtungen in der Stadt Göttingen“ tätig. Ursprüngliches Ziel des von der Stadtverwaltung Göttingen moderierten und koordinierten Gremiums war es, ein Qualitätssiegel für stationäre Einrichtungen zu entwickeln. Aus verschiedenen Gründen wurde dieser Vorschlag von den Mitgliedern (Stadt, Heimaufsicht, Medizinischer Dienst der Krankenkassen, Seniorenbeirat, Vertreter der Altenpflegeschulen und verschiedene Experten) abgelehnt.

Die Arbeitsgemeinschaft beschäftigt sich stattdessen themen- und ergeb-nisorientiert. So wurde z. B. die Einrichtung eines Internetportals über freie Pflegeplätze beschlossen oder über Standards zu Fixierungsmaßnahmen diskutiert. Vertreter der Stadt Göttingen betonen, dass trotz knapper perso-neller Ausstattung im Rahmen des Möglichen im Bereich der Koordination schon viel geschafft wurde. Auch im Bereich der ambulanten Pflege finde ein Dialog statt, wenngleich es kein eigenes Gremium wie die Pflegekon-ferenz gibt. Stattdessen werde die ambulante Pflege punktuell in anderen Gremien mitbehandelt. Da viele Anbieter der ambulanten Pflege nicht nur in der Stadt Göttingen, sondern vor allem auch im Landkreis Göttingen tätig sind, sei die ambulante Pflege kein Thema, welches alleine von der Stadt Göttingen behandelt werden könne.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat am 5. Juli 2006 in den Rat der Stadt einen Antrag für ein Göttinger Zertifikat für Pflege- und Heim-qualität eingebracht. Darin wird gefordert, die Verwaltung zu beauftra-gen, dem städtischen Altenheim aufzuerlegen, Qualitätsstandards zu entwickeln, die als Grundlage eines Qualitätssiegels transparent machen, welche Ansprüche die Stadt Göttingen an die Pflege- und Heimqualität erhebt. Außerdem solle sie in Zusammenarbeit mit den zuständigen Aufsichtsbehörden bzw. dem Medizinischen Dienst und den Betroffenen (Einrichtungen, Heimräten, Seniorenbeirat, Gewerkschaften, DRK-Fach-hochschule) auf der Basis dieser Vorarbeiten eine Art „Göttinger Zertifikat für Pflege- und Heimqualität“ entwickeln. Soweit wie möglich soll – auch aus ökonomischen Gründen – auf bestehende Zertifizierungen wie z. B. die der Diakonie – Diakonie-Siegel – zurückgegriffen werden. Zur Träger-schaft dieses Siegels sollen Vorschläge erarbeitet werden. Die dann an der Zertifizierung teilnehmenden Göttinger Einrichtungen unterwerfen sich durch Selbstverpflichtung den transparent gemachten Qualitätskri-terien und akzeptieren nötigenfalls auch jährlich mehrmals unangemeldet evaluiert zu werden. Die Ergebnisse der Qualitätsermittlungen dürfen zu Werbezwecken genutzt werden.

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

Page 152: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

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Das Pflegenetz Göttingen ist eine Kooperation verschiedener im Gesund-heitsbereich tätiger Dienstleister. Gegründet wurde die Initiative nach einer mehrjährigen Planungs- und Informationsphase am 12. Juli 2006.��� Bislang wird das Pflegenetz von vier Akteuren getragen, dem Hainbergkranken-haus, dem ambulanten Pflegedienst Pro Sanitas, dem Sanitätshaus ORT und der Seniorenresidenz Pro Seniore am Posthof und Friedländerweg. Es gibt bereits elf Anfragen weiterer Anbieter, dem Pflegenetz beizutreten, vorrangig jedoch von Firmen aus dem Stadtgebiet Göttingen. Eine Erwei-terung auf das Gebiet des Landkreises wird als möglich angesehen, hängt jedoch von dem Interesse bzw. Engagement der dortigen Anbieter ab.

Die Leistungen umfassen die zeitnahe Vermittlung spezialisierter Pflegelei-stungen, wie z. B. einen Pflegedienst zu finden, der fähig ist, Menschen mit künstlicher Beatmung zu versorgen, direkte Anschlussversorgung nach Entlassung aus dem Krankenhaus u. ä. Vorrangig werden die Nachfragen innerhalb des Mitgliederpools vermittelt, falls dort keine der nachgefragten Angebote bestehen, wird eine Recherche eingeleitet – dies alles ohne Kosten für den Patienten.

Gleichzeitig ist das Pflegenetz ein Instrument der Qualitätskontrolle, indem die Vermittler sich bei den Nutzern der jeweiligen Leistungen nach der Qualität und Zufriedenheit mit dem Angebot vergewissern. Das Pflegenetz kann als Schritt hin zu mehr Markttransparenz auf dem sonst sehr unüber-sichtlichen Feld der Gesundheitswirtschaft gewertet werden. Das Prinzip ermöglicht eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. In der kurzen Zeit des Bestehens wurde bereits eine reihe von Fällen erfolgreich vermittelt und es besteht eine große Nachfrage.

Exkurs: SeniorInnen aus dem MigrantenkontextDie Generationen der ehemaligen Gastarbeiter, die in den 60er- und 70er-Jahren vorwiegend aus der Türkei, Griechenland und vom Balkan als Arbeitskräfte angeworben wurden, gehören mittlerweile auch zur Klientel der Altenhilfe. Die traditionelle Großfamilie, die in der ehemaligen Heimat selbstverständlich auch für die alternden und kranken Mitglieder da waren, funktioniert in Deutschland meist nicht mehr. Die Kinder gehen entweder zurück in das Ursprungsland oder leben in Kleinfamilienstrukturen, deren “Pflegekapazitäten“ begrenzt sind. Der 5. Altenbericht der Bundesregie-rung benennt die zunehmende Betroffenheit von Migrantinnen und Mi-granten durch Pflegebedürftigkeit deutlich. In Deutschland leben derzeit rund eine halbe Million Menschen nicht-deutscher Herkunft, die älter als 80 Jahre sind.145

Das Land Niedersachsen rechnet damit, dass die Zahl der pflegebedürf-tigen ausländischen Einwohner bis zum Jahr 2010 auf 12.500 ansteigen wird. Im Landkreis Göttingen einschließlich der Stadt lebten Ende De-zember 2005 8.801 männliche und 9.454 weibliche Ausländer. 1.450 ausländische Frauen und 1.300 Männer waren über 55, 1.950 Frauen und 1.700 Männer waren über 50 Jahre alt.

144 Tel. 0551/4979100 (24-h-Hotline)145 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 141

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Klassische deutsche Alten- und Pflegeheime tun sich mit der Betreuung ausländischer Senioren in der Regel schwer und werden den heterogenen Bedürfnissen der Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise selten gerecht. Es ist zu erwarten, dass insbesondere Frauen Probleme damit haben werden, im Alter von Fremden medizinisch betreut und gepflegt zu werden. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahre 2004 eine Kampagne von rund 200 deutschen, österreichischen und schweizerischen Orga-nisationen für eine „kultursensible Altenhilfe“ ins Leben gerufen, die zu Beginn des Jahres 2006 auslief. Unter dem Motto „aufeinander zugehen – voneinander lernen“ haben die Träger der Freien Wohlfahrtspflege und diverse Altenhilfeverbände einen Forderungs- bzw. Selbstverpflich-tungskatalog aufgestellt.146 Ziel ist der Abbau von Sprachbarrieren und Informationsdefiziten, aber auch die Koordination von Beratungs- und Vermittlungsaufgaben sowie die Qualifikation des Pflegepersonals für den Umgang mit Migranten. Seither hat sich einiges getan – vorzugsweise in den Großstädten, in denen die Mehrheit der älteren Migranten heimisch geworden ist. Die Evangelische Fachhochschule Hannover entwickelte entsprechende Ausbildungsmodule, die in fünf hessischen Altenpflege-schulen erprobt wurden und mittlerweile ihren Niederschlag in einem Fachhandbuch des Bundssozialministeriums gefunden haben.

In ihrem Leitbild zur Weiterentwicklung der Altenhilfe hat die Stadt Braun-schweig dem Thema MigrantInnen ein besonderes Kapitel gewidmet. Zu dem Thema wurde eine eigene Arbeitsgruppe gebildet. Die Stadt Braun-schweig will damit deutlich machen, dass sie die interkulturelle Öffnung von Diensten und Einrichtungen der Altenhilfe und die Entwicklung von interkulturellen Kompetenzen von Beschäftigten der Altenhilfe fördert. Neben der Bildung und Unterstützung von Netzwerken aus den Bereichen Migration und Altenhilfe will die Stadt durch Beratung, Bildung und Hilfe zur Selbsthilfe dazu beitragen, dass Barrieren zwischen älteren Migran-tinnen und Institutionen der Altenhilfe überwunden werden. Außerdem soll neben dem Angebot an bedarfsgerechten Wohnformen eine inter-kulturelle Öffnung von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen gefördert werden.

Auch in Stadt und Landkreis Göttingen betrachten immer mehr Migranten, die bei Ihrer Ankunft Arbeit oder Schutz suchten, Deutschland mittlerweile als ihre zweite Heimat und möchten auch im Alter hier bleiben. Lückenhafte Deutschkenntnisse, andere Ess- und Lebensgewohnheiten und fremde religiöse Bräuche stellen die Einrichtungen der Altenpflege vor neue He-rausforderungen. Ambulante Pflegedienste in Stadt und Landkreis haben bestätigt, dass in der Behandlungspflege migrantenspezifische Probleme auftreten. Neben der Scham sei auch der unterschiedliche Glauben ein Hindernis in der Kommunikation und im Umgang zwischen Pflegekräften und Klienten. Außerdem sei ein häufiges Problem, dass Klienten aus dem Migrationskontext sich nicht immer an verabredete Termine halten.

In einem Gespräch mit der Göttinger Migrantenberatungsstelle wurde deutlich, dass bei der Beurteilung der Pflege älterer MigrantInnen zwischen unterschiedlichen Herkunftsländern, Kulturen, Bildungs- und Familien-stand differenziert werden muss. Daraus erwachsen unterschiedliche

146 http://www.kultursensible-altenhilfe.net

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Bedürfnisse und Probleme. Die Sozialstruktur muslimischer Familien ist nach Einschätzung der Migrantenberatungsstelle noch tragfähig, Kinder nehmen ihre Verantwortung für die Versorgung alter Familienmitglieder ernst und sehen dies als nicht externalisierbare Pflicht. Dies ist bei Al-ten osteuropäischer Herkunft insofern anders, weil dort kleinfamiliäre Strukturen vorherrschen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass ähnliche Entwicklungen auch bei muslimischen Familien eintreten werden.

Bereits jetzt ist in vielen Altenpflegeeinrichtungen ein hoher Anteil des Pflegepersonals selbst osteuropäischer Herkunft. Dadurch wird vielfach eine kulturspezifische Betreuung für diese Gruppe möglich. Die kultur-spezifische Ausrichtung von Pflegeangeboten für Muslime in Stadt und Landkreis Göttingen scheitert bislang an der zu geringen Nachfrage und damit mangelnder Rentabilität. Spezifische Angebote sind vor allem in Großstädten mit hohem Ausländeranteil zu finden, etwa in München, Frankfurt und Berlin.

In Göttingen bietet das Institut für angewandte Kulturforschung e. V. Trai-nings zur kultursensiblen Altenpflege im ambulanten Dienst an, die auf den konkreten Bedarf zugeschnitten werden.147 Die Akademie des DRK e. V. Göttingen hat das Programm in sein Konzept “Kultursensible Pflege im ambulanten Dienst“ aufgenommen.148

Gute Beispiele

In Stadt- und Landkreis Göttingen gibt es in der Gesundheitswirtschaft eine Vielzahl guter Beispiele, die Ausdruck der Bemühungen von Anbie-tern von Produkten und Dienstleistungen sind, ihre Geschäftspolitik an den Bedürfnissen von SeniorInnen auszurichten. Das gilt für die Produk-tion im Bereich der Orthopädietechnik, das zeigt sich aber auch bei den vielfältigen Angeboten von Optikern, Hörgeräteakustikern, Drogerien und Sanitätshäusern.

Apotheken und SanitätshäuserApotheken und Sanitätshäuser scheinen gut auf die Zielgruppe der Se-nioren eingestellt zu sein. Es würde den Rahmen der Studie sprengen, diesbezüglich eine Bestandsaufnahme zu machen. Dennoch soll auf einzelne Aspekte eingegangen werden.

Eine Umfrage bei den der Apothekengruppe Linda angehörigen Apotheken Göttingens hat ergeben, dass alle Apotheken mindestens eine Beratungs-ecke haben, in der sensible Themen, wie etwa Inkontinenz, besprochen werden können. Die meisten Apotheken verfügen sogar über ein eigens dafür eingerichtetes Beratungszimmer. Oft liegen Produktmuster und Anschauungsmaterial bereit.

147 http://www.ifak-goettingen.de148 http://www.drk-akademie.drk.de

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Eine Apothekerin machte die Beobachtung, dass einige Senioren mitt-lerweile selbstsicherer und offener mit früheren Tabuthemen wie Alter-sinkontinenz umgehen, da diese mittlerweile schön öfter in den Medien thematisiert werden. Ein Apotheker bemerkte, dass Seniorinnen bei persönlichen Themen eher die Beratung von weiblichem Apothekenper-sonal nachfragen.

Es gibt im Landkreis Göttingen eine Reihe von Sanitätshäusern. Das Sortiment des von den Autoren besuchten Sanitätshauses umfasst eher typische Artikel wie Rollstühle, Angora-Unterwäsche und Verbandsma-terial. Universal Design spielt eher eine untergeordnete Rolle, obwohl neben Senioren durchaus auch jüngere Kunden das Geschäft aufsuchen wie z. B. Schwangere. Marketing wird z. B. über Ärzte, Hausbesuche sowie Alten- und Pflegeheime betrieben. Das Sanitätshaus wird über neue Produkte durch Außendienstmitarbeiter der Zulieferfirmen und über Messebesuche informiert.

Viele Menschen sind darauf angewiesen, dass die Krankenkassen die Leistungen bezahlen. Dass sich viele Senioren nicht richtig informiert fühlten, überrascht den Inhaber nicht. Die Beschäftigten im Sanitätshaus sind zum größten Teil älter als 50 Jahre. Höhere Glaubwürdigkeit, ausge-prägtes Einfühlungsvermögen und angemessener Umgangston gegen-über älteren KundInnen spreche für den Einsatz älterer Mitarbeiter. Bei Themen wie Diabetes und Inkontinenz lassen sich Männer meist lieber von Gleichaltrigen beraten

Gesundheitsberatung Friedland Die Gesundheitsberatung Hermeier in Friedland treibt Prävention in dem Bemühen, ältere Kunden (die meisten ab 70) vor Pflegebedürftigkeit und Krankheit zu schützen. Meist sind es ältere Menschen, die bereits ein gesundheitliches Handicap haben und die fürchten, wenn ein weiteres dazukommt, der Weg ins Pflegeheim unvermeidlich werde. Das Konzept der Diplom-Pflegewirtin Heike Hermeier hat drei Säulen: Ernährung, Be-wegung und Entspannung. Das Thema “Sturzprophylaxe“ bezeichnet sie als wichtig.149 Es müsse SeniorInnen bewusst gemacht werden, dass mit steigendem Alter die Sturzgefahr steige. Wichtig sei es zu identifizieren, wo im Haushalt Stolperfallen liegen.

Für die Präventionsberatung ist keine spezielle Zulassung erforderlich. Die Leistungen werden überwiegend privat finanziert, nur in wenigen Fällen übernehmen die Krankenkassen die anfallenden Kosten einer Präventi-onsberatung. Autogenes Training wird nach einer Sondervereinbarung mit den Krankenkassen (BKK und AOK) übernommen. Die Hermeier Gesundheitsberatung geht davon aus, dass sich an der überwiegend privaten Finanzierung kaum etwas ändern wird. Ein von der rot-grünen Bundesregierung diskutiertes Präventionsgesetz wurde inzwischen auf Eis gelegt.

149 Gespräch vom 7. Juni 2006

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An den Problemen bei der Finanzierung der Gesundheitsberatung zeigt sich, dass viele der SeniorInnen sich daran gewöhnen müssen, dass Gesundheitsdienstleistungen privat bezahlt werden müssen. Es ist auch langfristig nicht damit zu rechnen, dass das Vorlesen von Zeitungen oder die Tätigkeit von Gesellschaftsdamen über Beiträge oder Steuern finanziert werden können. Derzeit definieren sich die Angebote stark darüber, was von der Krankenkasse bezahlt wird und was nicht.

Nach Abschluss ihrer Altenpflegeausbildung absolvierte Heike Hermeier ein Fernstudium “Pflegewissenschaft“ und arbeitete danach in der ambu-lanten Pflege und im teilstationären Bereich. Seit dem 1. Januar 2005 hat sie sich als Gesundheitsberaterin selbstständig gemacht und ist parallel zu ihrer Arbeit als Präventionsberaterin auch als Dozentin für die VHS tätig.

Pflegekonferenz BraunschweigDas Seniorenbüro der Stadt organisiert die Pflegekonferenz in Braun-schweig. Beteiligt ist eine sehr große Anzahl von Institutionen.��0 Die Organisation der Pflegekonferenz ist im Gesundheits- und Sozialdezernat der Stadt Braunschweig konzentriert.��� Die Stadtverwaltung hält die Kon-ferenz für ein sinnvolles Instrument, das auf große Akzeptanz stoße. Es wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die selbstständig arbei-ten und konkrete Ergebnisse vorgelegt haben (z. B. Überleitungsbogen). Zwar wurden nach Darstellung des Seniorenbüros bestimmte Themen vorgegeben. Auf der Pflegekonferenz seien aber auch Fragen aufgetaucht, mit denen niemand vorher gerechnet habe, so seien die Einbindung des Ehrenamtes, neue Wohnformen oder eine Petition zur Entbürokratisierung erst im Verlauf der Konferenz zur Sprache gekommen.

Auch in Braunschweig ist die Konkurrenz unter den Anbietern groß. Kaum jemand lässt sich gerne in die Karten schauen. Dennoch ist die Pflegekonferenz eine gute Kommunikationsplattform. Vor allem entsteht Transparenz über die Schnittstellen der Zusammenarbeit. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in Braunschweig im Thema Migration; hier gibt es im Bereich ambulante Pflege zunehmend Probleme.

Impulse für die Diskussion der ambulanten Pflege verstärkte die Stadt Braunschweig in den letzten Jahren durch eine Wiederaufnahme der Altenhilfeplanung. Versucht wurde unter anderem, die im Memorandum zur Altenhilfe und Altenarbeit in Deutschland 1995 formulierte Forderung nach einer demokratischen Kultur des Helfens auszudifferenzieren. Um diese entstehen zu lassen, sei nicht nur ein moralischer Appell nötig, sondern möglichst gemeinsame Verständigung aller Beteiligten über die Fragen: Wo stehen wir heute? Wo wollen wir hin? Welches ist der richtige

150 Dazu gehören Leistungserbringer (freie Wohlfahrt, private Träger), stationäre/teilstationäre Träger, Lebenshilfe Braunschweig, Krankenhäuser, Kassenärztliche Vereinigung, Hospizarbeit Braunschweig, Selbsthilfegruppen (KIBIS), Angehörigengruppen (ambet e.V., Der Weg), Heimbeirat, Heimfürsprecher, Seniorenrat, Behindertenbeirat, Pflege- und Krankenkassen, örtlicher Sozialhilfeträger, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung, Wohlfahrtsverbände (AGW), AG Sozialstationen, Verbände der privaten ambulanten/stationären Träger, Altenpflegeschulen, Gesundheitsamt, ÖTV/DAG, Ausländerkoordinierungs-stelle, Gleichstellungsbeauftragte, Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Alzheimer Gesellschaft sowie die Heimaufsicht.151 Beteiligt sind Leiter des Fachbereichs Gesundheit und Soziales, Leiter der Abteilung Behindertenhilfe und Senioren, Leiterin des Seniorenbüros, Koordinator Altenhilfeplanung, Sprecher der Arbeitsgruppen sowie die Sozialplaner.

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Weg?��� Diese Fragen würden nicht “der Markt“, “die Wohlfahrtspflege“, “die Verwaltung“ oder “die Kostenträger“ jeweils für sich beantworten, sondern müssten in einer Phase der gemeinsamen Arbeit geklärt werden. In Arbeitsgruppen wurde ein Leitbild zur Weiterentwicklung der Altenhil-feplanung zu folgenden Themen bearbeitet: Offene Altenpflege, Präven-tion und Hilfen im Vorfeld der Pflegebedürftigkeit, Wohnen im Alter und altengerechte Stadtteile, Pflege in der Häuslichkeit und in Einrichtungen und die Situation älter werdender Migrantinnen und Migranten.

Sport und Fitness

Der Bereich Freizeitsport wies jahrzehntelang eine kontinuierliche Aufwärt-sentwicklung auf, die sich in steigenden Umsätzen und einer wachsenden volkswirtschaftlichen Bedeutung niederschlug. Neben dem kommerziellen Aspekt ist aber vor allem auch der gesundheitspolitische Aspekt (Präven-tionsfunktion) für die Volkswirtschaft zu beachten. Dies gilt gerade auch für Angebote im Bereich Seniorensport. Viele Senioren wollen mehr für ihren Körper tun und treiben regelmäßig Sport. Sportangebote für Senioren gibt es vor allem in Sportvereinen, jedoch stellen sich auch immer mehr Fitnessstudios auf diese Zielgruppe ein.

Individuelle Einschätzungen„Die Senioren, die Sport machen, haben einfach eine andere Vitalität. Das sieht man auch beim Einkaufen.“ (Dransfeld)

„Wenn man auch im Alter mehr macht, wird man weniger krank. Min-destens 50 Prozent aller Krankheiten sind doch psychosomatisch. Das Beste, was man machen kann, ist Sport. Bis vor wenigen Jahren habe ich auch noch Abfahrtsski gemacht. Aber in der Schule wird auch heute viel zu wenig Sportunterricht erteilt.“ (Göttingen)

„Man muss fit bleiben. Ich gehe jeden Morgen um 7.00 Uhr zum Schwimmen.“ (Hann. Münden)

„Ich gehe ins Fitnesscenter, vormittags sind da fast nur alte Leute.“ (Hann. Münden)

Bestandsaufnahme im Landkreis Göttingen Die Städte und Gemeinden im Landkreis Göttingen bewerten die Angebote für Sport und Freizeit für Senioren überwiegend als gut. Den Sportvereinen attestieren sie durchweg ein gutes Management und geeignetes Angebot, auch für Ältere. Der Gesundheitssport gewinnt nach ihrer Einschätzung an Bedeutung.

Alle Befragten verwiesen auf die vielschichtigen Freizeitangebote im land-schaftlich attraktiven Landkreis Göttingen. Einer der Schwerpunkte liegt bei den zahllosen Wandermöglichkeiten. Die Kommunen engagieren sich in vielfältiger Weise mit der Zielsetzung, die Angebote noch zu verbessern

152 Hartmut Dybowski, Referat 0500 Sozialplanung der Stadt Braunschweig

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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und damit den Standort Landkreis Göttingen weiter aufzuwerten. So hat sich neben dem Landkreis Göttingen auch die Samtgemeinde Dransfeld an der behinderten- und seniorengerechten Gestaltung des Eingangs zum Gaußturm beteiligt. Zudem wurde ein Fahrstuhl bis zur halben Höhe einge-baut. Die zahlreichen Wander- und Radwege des Samtgemeindegebietes in Dransfeld sprechen insbesondere auch Senioren an. Sie gehören auch zu den Zielgruppen der eingerichteten Themenpfade.

Nach Beobachtungen des Bürgermeisters der Gemeinde Friedland stellen sich auch die Sportvereine auf die veränderte Nachfrage ein. So wird z. B. mehr und mehr Rückenschulung und Walking angeboten. Die Freizeitan-gebote, nicht zuletzt durch die Heimatvereine auf den Dörfern, bewertet er als vielfältig. Probleme sieht er bei der Ausrichtung von Altennachmittagen: Dort ist die Beteiligung zurückgegangen. Die Gemeinde überlegt jetzt, ob die Angebote eher generationenübergreifend gestaltet werden können.

In der Gemeinde Rosdorf bieten die Sportvereine in fast jeder Ortschaft seniorengerechten Sport an, vom Sitztanzen bis Gymnastik für Frauen oder Männer 50plus. Diese Angebote werden recht gut angenommen.

Dass gerade in den Dörfern eher generationenübergreifende Angebote angenommen werden, beobachtet auch die Samtgemeinde Giebolde-hausen.

Die Gemeinde Gleichen führt derzeit intensive Gespräche mit den Sport-vereinen. Ziel ist es, durch Kooperationen zwischen den Vereinen in den verschiedenen Dörfern ein qualitativ hochwertiges Angebot aufrechtzu-erhalten. Schon jetzt hat der Bürgermeister die geburtenstarke Gruppe der derzeit 35- bis 40-Jährigen im Auge. Wenn sie ihre berufliche Tätigkeit beenden, sollen sie für ehrenamtliche Arbeit gewonnen werden. Sport und Freizeit sind nach Einschätzung des Bürgermeisters wichtig, um der Vereinsamung der Älteren entgegenzutreten. Dieses Problem tritt immer dann in besonderer Weise auf, wo die Mobilität der Älteren eingeschränkt ist.

Nach Einschätzung des Verwaltungsvorstands in Hann. Münden ist das Fehlen eines Hallenbades im Stadtgebiet gerade für Senioren ein echtes Problem. Von dieser Ausnahme abgesehen, gibt es in Hann. Münden aber ein attraktives Sport-, Freizeit- und Kulturangebot. Gerade Senioren haben vielfältige Möglichkeiten, mit dem Rad zu fahren, zu wandern und Wassersport zu treiben.

Auch die Gemeinden der Samtgemeinde Radolfshausen bieten nach Ein-schätzung des Bürgermeisters gute Freizeitmöglichkeiten für Senioren. So gibt es in jeder Gemeinde Seniorentanzgruppen. Auch in Rosdorf wird das Freizeitangebot für Senioren als gut eingestuft. Eine Besonderheit in Staufenberg sind die geführten Wanderungen im Naturpark. Die Gemeinde beteiligt sich am Projekt „Zertifizierter Rundwanderweg“ einschließlich eines Hol- und Bringservice.

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Sportvereine in Stadt und Landkreis GöttingenIm Rahmen der Potenzialanalyse “Seniorenwirtschaft“ sind die Autoren der Frage nachgegangen, ob in den Sportvereinen durch den demogra-phischen Wandel neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen können. Um diese Frage zu beantworten, musste zunächst geklärt werden, wie sich die Mitgliederzahlen und Altersstrukturen in den Sportvereinen im Landkreis Göttingen in den letzten Jahren entwickelt haben. Ausgehend von der These, dass es im Seniorensportbereich ein Beschäftigungs- und Wachstumspotenzial auch für Sportvereine gibt, musste außerdem untersucht werden, ob und wie die Sportvereine die Angebote gezielt für Ältere entwickeln.

Der Kreissportbund Göttingen umfasst 283 Sportvereine mit 63.000 Ver-einsmitgliedern, davon 43 Prozent weibliche Mitglieder. Statistisch sind 44 Prozent aller Einwohner des Landkreises Göttingen Mitglied eines Sportvereins. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es sich bei den Zahlen auch um Doppelmitgliedschaften handelt. 19.800 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sind Mitglieder in einem Sportverein. 9.800 Vereinsmitglieder haben das 60. Lebensjahr bereits überschritten.

Der Kreissportbund Göttingen wies in den letzten Jahren folgende Mit-gliederstruktur auf:���

Im größten Sportverein des Landkreises Göttingen, dem ASC Göttingen, sieht es wie folgt aus:���

Die Tendenz bzgl. der ausgewählten Altersgruppen 41–60 Jahre und über 60 Jahre ist sowohl auf Landkreis-Ebene als auch im größten Verein leicht steigend.

153 Zahlen des Kreissportbundes Göttingen (2006)154 Ebd.

ausgewählte altersgruppen 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

41–60 jahre 15982 16821 16926 16804 16724 16995 16847

> 60 jahre 6977 7980 8609 9075 9533 9534 9711

Gesamt 62179 64371 64285 65045 64799 63721 62918 Abbildung 39: Mitglieder-

struktur des Kreissport-

bundes Göttingen

ausgewählte altersgruppen 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

41–60 jahre 1231 1281 1224 1219 1203 1239 1262

> 60 jahre 1650 1737 1748 1759 1666 1672 1720

Gesamt 2881 3018 2972 2978 2869 2911 2982 Abbildung 40: Mitgliederstruktur

des ASC Göttingen

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Es gibt ca. 2.750 ehrenamtliche Vorstandsmitglieder, Abteilungsleiter oder Spartenleiter in den Sportvereinen. Tätig sind 620 Übungsleiter und Trainer mit Lizenzausbildung. Dazu kommen noch einmal ebenso viele Übungsleiter, Betreuer und Helfer ohne Lizenz.

Der Kreissportbund Göttingen gestaltet jährlich 25 bis 30 Lehrgangsange-bote zur Aus- und Fortbildung von 500 bis 600 Übungsleitern im Breiten-sport, Gesundheitssport, Kindersport und Seniorensport. Hinzu kommen Lehrgänge der Fachverbände. Jährlich werden bis zu 1.800 Sportabzeichen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen abgelegt.

Es kann prognostiziert werden, dass immer mehr Menschen ihr Leben lang Sport treiben. Während früher viele Sportler ihre Aktivitäten einstellten, wenn die Wettkampfsportphase endete, die Berufstätigkeit begann und/oder die Familie gegründet war, sind viele Menschen heute kontinuierlich bis ins hohe Seniorenalter sportlich aktiv.

Der Senioren- oder Gesundheitssport lässt sich nicht klar abgrenzen. Während im Leistungssport der Wettkampf im Vordergrund steht, tritt im Senioren- bzw. Gesundheitssport das Fithalten bzw. die Verlangsamung des körperlichen Verfalls in den Vordergrund. Außerdem spielt der soziale Aspekt der Geselligkeit gerade im Seniorensport eine große Rolle: ein Bedürfnis, das mehr von den Vereinen als von den Fitnesscentern erfüllt wird.

Für Senioren gibt es eine ganze Fülle von Angeboten. Als Beispiel sei hier der Montagstreff für Ältere am Kiessee genannt. Von Mai bis Oktober tref-fen sich regelmäßig kanubegeisterte SeniorInnen zum Paddeln. Außerdem organisiert z. B. der Stadtsportbund Göttingen Seniorenfreizeiten und -ak-tivitäten für Ältere ab 50. Weitere Beispiele aus dem Landkreis Göttingen zeigen, dass SeniorInnen noch bis ins hohe Alter etwas für ihren Körper tun und sich fit halten: Im Freibad am Brauweg zieht ein 72-jähriger Senior regelmäßig seine Bahnen: „Ich schwimme meine 1.000 Meter und danach fühle ich mich fit wie ein Turnschuh.“ Eine 71-jährige Seniorin schildert: „Ich brauche die sanfte Art, den Körper zu trainieren.“ Ihr umfangreiches Trainingsprogramm absolviert sie in drei Gymnastikgruppen des ASC Göttingen, seit 30 Jahren in einem Kegelclub und auch in der Schieß-sportgemeinschaft ihres ehemaligen Arbeitgebers. Die geistig-seelische Komponente ihrer Körperertüchtigung bildet seit 35 Jahren die Eurythmie, eine expressive Bühnentanzkunst. Während des Winterhalbjahres widmet sie sich darüber hinaus dem Qigong sowie dem Tai-Chi. Aus Erfahrung weiß die aktive Seniorin: „Wer seinen Körper ganzheitlich trainiert, dem hilft das in jeder Lebenssituation.“ Seit 30 Jahren trifft sich eine Gruppe von SeniorInnen zweimal wöchentlich auf dem Jahnplatz in Göttingen. Die Gruppe besteht aus fünf SeniorInnen. Im Anschluss an das Nordic Walking am Kiessee spielt die Gruppe noch Boule.

Seit 20 Jahren besteht die “Senioren-Gemeinschaft im ASC 1864“. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den sportlichen Geist insbesondere bei Se-niorInnen aktiv wachzuhalten und gleichermaßen mit ihren kulturellen und Freizeit-Angeboten Freude und Abwechslung für die älteren Mitglieder des Vereins zu fördern. Als eigener Fachbereich hat die Senioren-Gemeinschaft heute 917 Mitglieder. Der Rundbrief der Senioren-Gemeinschaft zeigt

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auf beeindruckende Weise die Vielfalt des Angebotes für SeniorInnen: Es werden neben einer Vielzahl von Gymnastikangeboten verschiedene Sportangebote speziell für SeniorInnen angeboten. Es gibt eine Reihe von (Halb-)Tagesfahrten, Vorträge und Feiern. Außerdem werden in zweiwö-chentlichem Abstand kleine Seniorenwanderungen (bis 8 km) angeboten. Im ASC-Clubhaus ist ein Seniorenbüro eingerichtet, welches zweimal in der Woche geöffnet ist.��� Im Pro-Aktiv Gesundheitszentrum im Altenzentrum wird einmal pro Woche eine Sprechstunde für Gesundheitssport (z. B. Herz, Krebs, Lunge, Osteoporose, Parkinson, Wirbelsäule usw.) angeboten.

Der Verein beschreibt die Motive der SeniorInnen so: „Am Anfang steht das Interesse und die Sympathie, mitzumachen. Man geht aufeinander zu, was am Anfang jeder Freundschaft steht. Durch die gemeinsamen Übungen und Erlebnisse werden Kontakte gestaltet und gepflegt. Man öffnet sich dem anderen, wodurch Nähe und Vertrauen entstehen. Für viele Senioren ist der Sport bedeutsam, um die eigene Leistungsfähig-keit besser einschätzen zu können. Gleichgewichtsübungen sind zudem wichtig, um die Sturzgefahr im Alltag zu mindern.“

Übungsleiter im Wettkampfsport entstammen oft genau diesen Sportarten und definieren sich über diesen Wettkampfgedanken. Der jedoch fehlt im Seniorensport. Den Vereinen fällt es deshalb nicht leicht, Übungsleiter für diese Bereiche zu gewinnen. Aus Sicht der Senioren sollten Übungs-leiter die körperlichen Einschränkungen des Alters gut nachvollziehen können.

Die Entwicklung in den Sportvereinen erfolgt häufig durch Initiative und Engagement einzelner Akteure und wird selten strategisch geplant: Neue Angebote entstehen, wenn z. B. Übungsleiter eigene Vorstellungen ver-wirklichen wollen und dabei auf positive Resonanz sowohl bei den Vorstän-den treffen als auch seitens der Sporttreibenden. Die zurückliegenden Ver-suche des Kreissportbundes Göttingen, gezielt und von außen Angebote in den Vereinen zu etablieren, sind nicht immer erfolgreich gewesen. Eine Vereinsumfrage 2003 im Kreissportbund hat ergeben, dass nur wenige Vereine neue Angebote im Seniorensport für notwendig halten.

Vermehrte Angebote für SeniorInnen werden sowohl durch die mangeln-de Flexibilität von Vereinsvorständen und durch das Fehlen ausreichend qualifizierter Übungsleiter begrenzt. Einschränkend kommt hinzu, dass viele Senioren gerne vormittags Sport treiben – zu Zeiten also, zu denen die Sporthallen durch Schulklassen belegt sind.

Auf neue Entwicklungen und Bedürfnisse im Sportbereich reagieren vor allem die größeren Sportvereine. Nordic Walking, Aqua Jogging oder Wandern sind dafür Beispiele. Durch neue Trends entsteht zwar Fortbil-dungsbedarf für Übungsleiter, allerdings keine neue Beschäftigung im Sinne einer Festanstellung.

155 Göttinger Senioren-Gemeinschaft für Sport und Freizeitgestaltung im ASC Göttingen 1846, Rund-brief „50plus und Senioren 2/2006“, Kontakt: Seniorenbüro im ASC-Clubhaus, Danziger Str. 21 37083 Göttingen, 0551/5174642

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Wenn auch in vielen Vereinen Angebote für SeniorInnen bestehen, werben die Mitglieder des Kreissportbundes Göttingen doch SeniorInnen nicht gezielt an. Noch immer genießt der Jugendsport Vorrang. Die Vereine wollen nicht in den Ruf kommen, reine Seniorenclubs zu sein. Bislang ist es nicht gelungen, Kooperationen mit Krankengymnasten zu entwickeln. Meist empfehlen Krankengymnasten ihren Patienten nicht explizit, sich Sportvereinen anzuschließen.

Die Zukunft der Sportvereine hängt nach Einschätzung des Stadtsport-bundes Göttingen vor allem von ihrer Flexibilität ab, auf neue Nachfrage-potenziale zu reagieren. Gerade die Großvereine wie der ASC Göttingen oder WASPO 08 reagierten rasch auf neue Trends. Fraglich bleibe, ob die betriebswirtschaftlich organisierten Fitnesscenter sich gezielter auf die wachsende Zielgruppe der Senioren einrichten und dadurch Beschäfti-gungspotenzial schaffen. Zwar gebe es in den Vereinen auch viele Ange-bote für Senioren, doch nach wie vor seien viele Übungsleiter ehrenamtlich aktiv. Seniorensport sei also alles andere als eine “Job-Maschine“.

Nach Einschätzung des Kreissportbundes Göttingen ist die Möglichkeit, vormittags Sport treiben zu können, ein wesentlicher Grund für den Erfolg vieler Fitnesscenter. Deren Angebote können Nutzer zeitlich sehr flexibel wahrnehmen, außerdem bevorzugen einige Menschen lieber individuell und ohne den Kontext eines Sportvereins Sport. Für Fitnesscenter spreche zudem der Aspekt des Prestiges, der mit dem Besuch dieser Einrichtungen verbunden sei.

Der Kreissportbund Göttingen sieht jedoch nicht zwangsläufig ein Kon-kurrenzverhältnis zwischen Fitnesscenter und Sportvereinen. Wer ins Fitnesscenter gehe, kündige nicht unbedingt die Mitgliedschaft in seinem Sportverein.

Fitness-StudiosIn den Fitness-Studios in Stadt und Landkreis Göttingen gehören aktiv trainierende Senioren bis zum Alter von achtzig Jahren und mehr zum normalen Bild. In der Betreuung wird individuell auf die Bedürfnisse von SeniorInnen eingegangen. Einige Fitnesscenter erwägen, Ermäßigungen für Senioren oder einen “Club 60plus“ einzuführen.

Nach Angaben von Kieser-Training in Göttingen liegt der Altersdurchschnitt 46 Jahren deutlich über dem anderer Fitnessstudios.156 60 Prozent der Kunden sind über 50 Jahre, 18 Prozent über 66. Zwar verfügt Kieser-Training über keine speziellen Angebote für SeniorInnen, doch zielt das Gesamtkonzept darauf ab, dass Leute zum Training kommen, die jenseits von 40 Jahren sind. Das Kieser-Konzept sieht sich als Ergänzung zu Sport-vereinen, da man sich auf das Krafttraining spezialisiert habe: „Ausdauer kann nicht ersetzt werden“.

Der Deutsche Sportstudioverband e. V. hat ein lizenziertes Fitness- und Wohlfühlprogramm mit dem Namen BEST AGE® 50plus entwickelt, das besonders auf die Bedürfnisse dieser Altersgruppen eingeht. Wich-

156 Gespräch mit Geschäftsführer Roman Idzik am 30. Juni 2006

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tigstes Kalkül: ein gesundheitsorientiertes Training für eine verbesserte Lebensqualität – auch im Alter. Mit der Lizenznahme verpflichten sich die Fitness-Studios, Qualitätsstandards zu garantieren, die besonders für Menschen über 50 Jahren wichtig sind. Hierzu zählen: eine kompetente Betreuung durch professionell ausgebildetes Fachpersonal, spezielle Trainingsangebote für die Gruppe 50plus und Trainingsmöglichkeiten in allen Studiobereichen (Cardio/Kraft/spezielle Kurse).

Die Angebote ermöglichen es somit auch Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden wie Diabetes, erhöhtem Cholesterin, Bluthochdruck, Über-gewicht oder Rückenbeschwerden, etwas für sich und ihren Körper zu tun – langfristig den Weg zurück in ein gesundes Leben. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass soziale Kontakte in den „Besten Jahren“ immer wichtiger werden, so argumentiert der DSSV, ermögliche ein durch BEST AGE® 50plus zertifiziertes Sportstudio zusätzlich Erfahrungs- und Interes-senaustausch, gegenseitige Motivation beim Training oder einfach nur ein geselliges Beisammensein im Gastrobereich. Nach dem 50. Lebensjahr reduziert sich der zu zahlende Mitgliedsbeitrag mit jedem weiteren Le-bens- und Mitgliedsjahr um einen Euro. Somit werden Gesundheit und Wohlfühlen auch finanziell attraktiv.

Der demografische Wandel wird auch Einfluss auf die Finanzdienstlei-stungen haben: Heutzutage besitzen die Menschen ab 50 schon etwa die Hälfte des Geldvermögens, und dieser Anteil wird bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich sogar auf zwei Drittel ansteigen.���

Individuelle Einschätzungen

„Ich fühle mich auch in finanziellen Dingen gut beraten. Wenn ich mehr Hilfe nötig hätte, wüsste ich, wo ich die kriegen kann. Nein, noch nie hat eine Versicherung es abgelehnt, mich aufzunehmen.“ (Göttingen)

„Häufig kriegen Senioren keine Kredite mehr. Selbst wenn man sein Geld in die Sanierung seines eigenen Hauses stecken will, sagt die Bank häufig Nein. Meist wird die Bonität gar nicht mehr überprüft – es geht nur nach dem Alter. Selbst einen PC können ältere Leute nicht auf Kredit kaufen. Und die Reisekrankenversicherung ist für ältere Leute völlig unerschwinglich.“ (Rosdorf)

„Meine 69-jährige Schwägerin wollte neulich bei einem Kreditinstitut einen Kredit über 7.000 Euro haben. Ihr wurde gesagt: Den kriegen sie nicht, sie sind schon zu alt. Sie ist dann nach Hause gegangen und hat erstmal eine Stunde lang geheult. Sie fühlte sich richtig diskriminiert.“ (Duderstadt)

„Manche Banken empfehlen 70-Jährigen noch, ihr Geld auf 15 Jahre anzulegen, das macht man doch nicht.“ (Duderstadt)

157 Prof. Dr. G. Naegele 2006: “Finanzdienstleistungen und Seniorenwirtschaft – Dokumentation“. http://www.ffg.uni-dortmund.de/Tagungsdokumentationen/fus.php (11. September 2006)

fInanzDIenst-leIstungen

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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„Die Banken und Sparkassen denken doch nur an sich. Die wissen ganz genau, wie viel Geld die Älteren auf den Girokonten haben. Billiger kommen sie doch gar nicht an das Geld ran.“ (Duderstadt)

„Es ist doch schön, wenn die Sparkasse Sportvereine oder Kulturein-richtungen unterstützt. Aber das ist doch letztlich unser Geld.“ (Duder-stadt)

„Bei uns war neulich ein Vertreter einer Bausparkasse, der hat uns richtig unter Druck gesetzt. Wir haben den Bausparvertrag unterschrieben, ihn aber am nächsten Morgen wieder storniert.“ (Duderstadt)

„Als ich vor ein paar Jahren für einen Autokauf einen Kredit über 5.000 Euro von der Bank haben wollte, wurde ich nach meinem Alter gefragt. Ich musste dann eine extra Versicherung abschließen.“ (Rosdorf)

Trends im Finanzsektor

Banken und Versicherungsunternehmen nähern sich mit zielgerichteten Angeboten den Kundengruppen der Senioren an. Grundsätzlich haben Finanzdienstleistungen für ältere Menschen die gleiche Funktion wie auch für andere Altersgruppen. Sie dienen dazu, das Einkommen für die Ausgaben verfügbar zu machen und dabei die Anlage- und Kreditbezie-hungen adäquat zu pflegen.

Da Finanzdienstleistungen ihre Strukturen und Wirkungen im Lebenszyklus der Menschen verändern und somit altersabhängig sind, gilt es, einige Besonderheiten zu beachten. So sinkt die Sparquote bei den 55- bis 74-Jährigen ab, steigt aber bei den 75- bis 85-Jährigen wieder an. Bezüglich ihrer Anlagestruktur greifen sie eher auf traditionelle Formen des Sparens zurück (Sparbuch, Sparkonto), wobei das Interesse an risikoreichen Anlage-formen mit zunehmendem Alter rückläufig ist. Dies zeigt sich auch an den Anlagemotiven der älteren Menschen: Während die Aspekte Sicherheit und schnelle Verfügbarkeit von den Senioren und Seniorinnen als zentrale Kriterien genannt werden, treten spekulative Motive in den Hintergrund.

Des Weiteren nimmt der Bedarf nach Informations- und Beratungsan-gebot zu. Hierzu ergab eine bundesweite Umfrage unter Senioren und Seniorinnen, dass gerade im Bankenbereich eine persönliche Betreuung gewünscht ist.��� Bankautomaten und Computerterminals stellen ältere Menschen oftmals vor Probleme, weil der Umgang als zu kompliziert empfunden wird. In diesem Bereich würden sich ältere Kunden und Kundinnen ein erhöhtes Beratungsangebot durch eine persönliche Be-zugsperson wünschen.

Auch im Bereich des Versicherungsbedarfs ergeben sich altersspezifische Veränderungen. Arbeitsbezogene Risiken entfallen weitestgehend, dafür entstehen im Alter neue Unfallrisiken oder das Risiko Pflegebedürftigkeit, die zunehmend in den Interessenvordergrund der älteren Menschen rü-cken. Außerdem wird auch die hohe Heterogenität der Altersgruppe Aus-

158 Vgl. 5. Altenbericht der Bundesregierung

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wirkungen auf die Angebote der Finanzbranche haben. Ein Teil der älteren Kunden wird immer höhere Ansprüche an Produkt und Beratung stellen und ein Anlagekonzept erwarten, das persönliche Anlageziele und Rendite- und Risikoprofile einbezieht, während andere sich auf möglichst einfache und nachvollziehbare Versicherungs- und Sparformen beschränken.

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Versicherungsprodukte entwickelt, die sich speziell an die Zielgruppe der Senioren wenden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) hat gegen verschiedene Produkte Bedenken. Der Ansatz sei richtig, die Aus-führung aber oft schlecht. So biete die BAGSO seit knapp vier Jahren die Zertifizierung von Seniorenpolicen an. Das Ergebnis ist wenig erfreulich: Der größte Teil der von der BAGSO in erster Linie hinsichtlich Innovation, Relevanz für Senioren und Transparenz der mitgelieferten Informationen überprüften Produkte falle durch.

Grundsätzlich rät daher die BAGSO, die Versicherungsfrage im Alter mit einem kritischen Blick zu betrachten. Das gelte für neu abzuschließende Versicherungen, das gelte aber auch für bereits vorhandene. Mitunter laufen sogar noch Berufsunfähigkeitsversicherungen. Und auch Rechts-schutz- und sogar Haftpflichtversicherungen gehören auf den Prüfstand. Rechtschutzpolicen, so ihre Erfahrung, enthalten oft Komponenten wie Arbeitsrecht oder Verkehrsrecht, die im Alter gar nicht mehr oder nicht mehr im gleichen Ausmaß relevant sind. Haftpflichtversicherungen sind oft vor Jahrzehnten für eine mehrköpfige Familie abgeschlossen worden, es gibt jedoch auch Haftpflichtversicherungen für Einzelpersonen. Noch sei es nicht immer ganz leicht, hier Produkte zu finden, die wirklich auf die Lebensbedürfnisse der Älteren zugeschnitten sind. Immer mehr Ver-sicherer bringen hier jedoch passende Policen auf den Markt.

Im Jahr 2005 haben allein die privaten Krankenversicherer 850.000 Zusatz-versicherungen im Pflegefall verkauft. Die Pflegeversicherung übernimmt die nachgewiesenen (Mehr-)Kosten, zahlt aber bei häuslicher Pflege nicht immer. Außerdem muss der Versicherte meist selbst aufkommen. Bei der stationären Pflege ist die DKV eine der wenigen Anbieter, die 100 Prozent des vereinbarten Tagegelds in allen drei Pflegestufen zahlen. Policen kosten je nach Einstiegsalter und Geschlecht ab 5 Euro im Monat. Bei einer Pflegetagegeldversicherung bekommt der Versicherte ein vorher vereinbartes Tagegeld ausgezahlt, ganz gleich, ob er im Heim oder zu Hause gepflegt wird.

Zu den Aufgaben im Rahmen dieser Studie gehörte es nicht, die Produkte von hiesigen Versicherungsgesellschaften sowie Banken und Sparkassen, die sich an die Zielgruppe der Älteren richten, zu untersuchen. Die narra-tiven Gesprächsrunden ergaben, dass SeniorInnen in ihrer Wahrnehmung keine hohe Priorität bei den Anbietern von Finanzdienstleistungen genie-ßen. Mehr noch: Nach Aussagen von Befragten haben Ältere Probleme, von Banken und Sparkassen im Landkreis Göttingen und in der Stadt Göttingen Kredite zu erhalten. Das gilt insbesondere für Konsumentenkre-

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dite. Die Diskussion um die Finanzierung von Maßnahmen zur Sanierung von Kanälen in Göttingen zeigte sogar, dass auch die Finanzierung von Investitionsmaßnahmen privater Hausbesitzer schwierig ist.

Die Sparkasse Hann. Münden bestätigte auf Anfrage, dass Älteren nur ungern Kredit gewährt wird. Zwar werde jeder Einzelfall auch unter dem Aspekt der Bonität sorgfältig geprüft, doch zunächst sei es ein Handicap, wenn potenzielle Kunden das siebzigste Lebensjahr überschritten haben. Zu beachten ist dabei, dass Banken und Sparkassen selbst bewertet (Ra-ting) werden und ihrerseits nach den Vorgaben von “Basel II“ KundInnen nach ihrer Bonität einstufen. Die Kreditinstitute unterliegen den Bestim-mungen der Bundesgesetze und der Bundesaufsichtsämter.

Die Heterogenität der Altersgruppe der SeniorInnen spiegelt sich auch in den speziellen Wünschen, Bedürfnissen und Barrieren bzgl. der Finanz-dienstleistungen wider. Dadurch ergibt sich ein vermehrter Beratungs- und Betreuungsbedarf mit erhöhten Anforderungen an das Personal.

Wirtschaftliche Impulse zur Förderung von Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität im Alter werden insbesondere von den neuen Informa-tions- und Kommunikationstechnologien erwartet. Die Technologien bieten eine Fülle von Möglichkeiten, vorhandene Angebote z. B. bei Handel und Handwerk neu zu organisieren und neue Angebote zu entwickeln. Dazu gehören auch Angebote im Bereich Mobiltelefonie.

Individuelle Einschätzungen

„Das ganze Thema Medien ist ein sträflich vernachlässigter Bereich, was wir brauchen, sind einfache und brauchbare Geräte, auch für Senioren!“ (Göttingen)

„Ich bin beim Thema Internetbanking skeptisch, genauso wie gegenüber Geldautomaten. Ich frage mich, ob nicht Banken Internetkurse organi-sieren können.“ (Dransfeld)

„Ich war zwanzig Jahre lang EDV-Beauftragter eines Krankenhauses. Die KVHS bietet EDV-Schnupperkurse für Senioren an, doch die Resonanz ist unterschiedlich. Man muss die Älteren sensibel an die EDV heran-führen. Wenn ich es recht überlege, könnte ich dabei helfen.“ (Hann. Münden)

„Ich habe beruflich viele Jahre mit Computern gearbeitet, ich weiß, was die können. Deshalb scheue ich mich auch, Einkäufe im Internet zu tätigen. Ich kaufe lieber im Handel in Duderstadt und nicht so ano-nym. Wenn die Läden in der Innenstadt sterben, sind wir selbst schuld.“ (Duderstadt)

„Mein Enkel hat seine neue Stelle über das Internet gekriegt, das war eine tolle Erfahrung für uns.“ (Duderstadt)

neue meDIen unD telekommunI-

katIon

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„Ich habe einen alten PC und verschicke E-Mails, ich finde das sehr interessant. Das Internet nutze ich aber nie zum Einkauf oder Online-Banking. Ich will ja schließlich Leute treffen, was soll ich da mit dem Internet.“ (Göttingen)

Bestandsaufnahme

Neben der Volkshochschule Göttingen und der Kreisvolkshochschule des Landkreise Göttingen, die spezielle Internetkurse für Senioren anbieten, wurde im Mai 2005 in Göttingen ein Unternehmen gegründet, das Senio-rInnen im Umgang mit dem Computer oder in der Nutzung des Internets schult. Das besondere an dem Angebot des Allgemeinen Beratungsser-vices (ABS) ist, dass die SeniorInnen bei sich zu Hause fortgebildet werden. Gerade der Unterricht in den eigenen vier Wänden ist nach Einschätzung des ABS von großer Bedeutung für die SeniorInnen. Viele SeniorInnen hätten in Gruppenschulungssituationen Angst und trauten sich nicht, Fehler zuzugeben. Dagegen beinhalte das Konzept des ABS Flexibilität in der Zeiteinteilung der Unterrichtseinheiten.

Die Dransfelder Internetgruppe “Die Jungsenioren“ zeigt seit fünf Jahren erfolgreich, dass Internet und SeniorInnen gut zueinander passen. Die Kur-se haben erste Berührungsängste abbauen können, doch vertraut war der Computer noch lange nicht. An das Internet mit all seinen Möglichkeiten war auch nach dem zweiten Kurs nicht zu denken. Allein zu Hause vor dem eigenen Computer: Wie sollte man da Probleme, die beim Gebrauch auftraten, lösen? Wie sich zurechtfinden?

„Ein Internetcafé für Senioren, das wäre doch sinnvoll“, mit dieser Idee im Seniorenbeirat begann alles, erinnert sich Edeltraut Freiboth. Sie und ihr Mann Hermann nahmen sich der Idee an, „und dann lief eigentlich alles von selbst.“ Rochus Winkler, zuständig für das Jugendzentrum in Drans-feld, bot die Computerarbeitsplätze im Jugendzentrum zur Mitnutzung an. Ein echter Glücksfall, wie sich im Laufe der Zeit zeigen sollte: Während die Jugendlichen sich in den unteren Räumen trafen, wurde oben am Computer geübt und gearbeitet. Wann immer Probleme auftraten, halfen Jugendliche und gaben so die Möglichkeit, sich mit dem neuen Medium vertraut zu machen.

Edeltraut Freiboth berichtet über Dario, einer der Jugendlichen: „Er war extrem hilfsbereit, wir hatten sogar seine Handynummer und konnten ihn jederzeit um Hilfe bitten, ihn fragen, wenn wir mit einem Problem nicht zurechtkamen.“ Dario hat inzwischen Dransfeld verlassen, das Modell existiert nach wie vor. Diese Art des Lernens, so ist man sich bei den Jung-senioren einig, macht Spaß, hält geistig fit und verringert eine mögliche Kluft zwischen Alt und Jung. Als weitere Besonderheit empfinden einige Gruppenmitglieder die Tatsache, dass die Jugendlichen ausnahmslos ausländischer Herkunft sind.

Für den harten Kern der Dransfelder Internetgruppe ist das Internet heute längst kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Internetbanking, Reisebu-chungen, Einkauf oder Informationsrecherche – das Internet ist für die Jungsenioren ein alltägliches Medium geworden. Mittlerweile stehen

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sie neuen Mitgliedern selbst beratend zur Seite. Sie helfen, wenn etwas unklar ist und motivieren auch, wenn es mal nicht schnell genug geht: „Ihr habt alle Zeit der Welt, wer sich das klar macht, lernt mühelos, mit dem Computer umzugehen und sich im Internet zurechtzufinden!“ Nur noch in besonders kniffeligen Fragen müssen sie die Jugendlichen um Rat und Hilfe bitten.

Die Internetgruppe nennt sich ganz bewusst „Die Jungsenioren“, um deutlich zu machen, dass sie auch 50- und 60-Jährige ansprechen.���

Senioren erlernen in Göttingen den Umgang mit dem Internet im „Treff-punkt Doppelklick“. Fünf ehrenamtliche Mitarbeiter stehen dafür jeden Montag zwischen 10 und 12 Uhr im ersten Geschoss der Göttinger Stadtbibliothek zur Verfügung.

Internetnutzung

Die Nutzung des Internets ist in Städten höher als auf dem Land. Das zumindest hat der (N)Onliner Atlas 2006 der Initiative D21 und TNS Infra-test ergeben.��0 Nach empirischen Studien stehen ältere Menschen der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien durchaus offen gegenüber.��� Mittlerweile ist davon auszugehen, dass jede vierte Person zwischen 50 und 79 Jahre zumindest gelegentlich online ist. Etwa 15 Prozent der momentanen Nichtnutzer und Nichtnutzerinnen bekunden generelles Interesse an der Nutzung des Mediums Internet, umgerechnet sind das fast drei Mio. Menschen.���

Eine Studie der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung e.V. (AGOV) legte im Februar 2006 einen Sonderbericht “Silver Surfer“ vor. Als “Silver Sur-fer“ werden dabei diejenigen Personen bezeichnet, die in den letzten drei Monaten das Internet genutzt haben und die gleichzeitig über 50 Jahre alt sind – also die SeniorInnen von morgen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass im Internet schon lange nicht mehr nur junge Menschen anzutreffen sind, sondern das Online-Medium auch bei den Menschen über 50 Jahre zunehmend beliebter geworden ist, kommt die Sonderstudie zu der Erkenntnis, dass die Silver Surfer ein hohes Potenzial gerade für die werbetreibende Wirtschaft habe.���

Die neue Technik wird gezielt genutzt zur Informationsbeschaffung, für Kontaktpflege und nicht zuletzt für E-Mails an die Kinder oder Enkel. Bevorzugte Angebotsseiten, die von älteren Menschen besucht werden, sind die Bereiche Nachrichten, Wohnen, Reise (inkl. Buchung) und der Themenkomplex Gesundheit/Wohlbefinden/Wellness. Das Internet kann auch für SeniorInnen ein zentrales Medium sein, das Eigenständigkeit ermöglicht; es wird neben dem Telefon immer wichtiger zur Pflege der sozialen Kontakte und zur Vermeidung von Einsamkeit.

159 Kontakt: Edeltraut und Hermann Freiboth, Tel. 05502/1237160 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. August 2006, S. 17161 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 245162 5. Altenbericht der Bundesregierung, S. 246163 http://www.agof.de/index.395.html

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Barrierefreies InternetSeit Juli 2006 gilt in Deutschland die Verordnung zur Schaffung barriere-freier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz. Behörden der Bundesverwaltung müssen beim Einrichten neuer We-bauftritte oder deren Überarbeitung Vorkehrungen treffen, damit auch Behinderte das Informationsangebot nutzen können. Ein Webauftritt ist dann barrierefrei, wenn er von jedem Nutzer in der für ihn üblichen Wei-se, also zum Beispiel auch mit Hilfsmitteln, gelesen und benutzt werden kann. Barrierefreiheit geht weit über die reine Zugänglichkeit hinaus, sie umfasst auch die Gebrauchstauglichkeit.

Die Barrierefreiheit soll auch SeniorInnen den Internetzugang erleichtern. Bislang verfügt keine Gemeinde im Landkreis Göttingen über eine solche Internetgestaltung. Die meisten Verantwortlichen der Kommunalverwal-tungen erfuhren von diesem Konzept durch die Befragung im Rahmen des Projektes „50plus – Erfahrung zählt!“. Das lokale Bündnis für Familie in Rosdorf erstellt zurzeit einen barrierefreien Internetauftritt unter http://www.lebendigesrosdorf.de. Vergleichbare Planungen gibt es nicht nur in der Stadt Göttingen, sondern auch in den Samtgemeinden Radolfshausen und in Dransfeld.

Die Gebrauchstauglichkeit beschreibt, wie Informationen gelesen werden können. Das bedeutet, dass der Benutzer die Information wahrnehmen und den Webauftritt bedienen können muss. So lassen sich blinde Menschen z. B. Texte elektronisch vorlesen oder in Brailleschrift übersetzen. Wenn dann Bilder ohne alternative Beschreibung vorliegen, kommen diese durch die Fülle von Informationen nicht hindurch. Schon durch Farbenblindheit kann das Lesen durch unglücklich gewählte Farbkontraste fast unmöglich werden. Ebenfalls schwierig bis unmöglich kann die Navigation auf Web-sites sein, wenn der Benutzer keine Maus benutzen kann oder will.

Das World Wide Web Consortium (W3C) ist die höchste Instanz für Ent-wicklungen im Web. Als Teil ihrer Bemühungen, Zugänglichkeit im WWW zu fördern, hat das Konsortium bestimmte Regeln aufgestellt. Anhand von neun Punkten werden die wichtigsten Aspekte der Barrierefreiheit in der Informationstechnik deutlich gemacht:

Da sich Grafiken und Bilder nur visuell wahrnehmen lassen, sind al-ternative Texte bzw. Sprachausgabe für Menschen mit Sehproblemen unverzichtbar.

Dem Informationsanbieter ist in der Regel nicht bekannt, mit welchen Bildschirmfarben und -auflösungen der Nutzer arbeitet. Eine Entschei-dung über die Darstellung der Inhalte soll dem Nutzer überlassen werden, um eine größtmögliche Zugänglichkeit zu gewährleisten.

Das Verständnis der Funktion und Navigation ist Voraussetzung für die Nutzung eines Informationsangebots. Objektinformationen oder eingesetzte Begriffe für Navigationselemente (im Web: Links) sollen selbsterklärend sein.

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Die Orientierung innerhalb eines Informationsangebots wird durch Titel und Bezeichnungen unterstützt. Jeder Inhalt und jedes Fenster soll geeignete Orientierungshilfen aufweisen.

Nicht jeder verwendet eine Maus zur Bedienung des Computers. Die Informationstechnik muss geräteunabhängig realisiert werden, also auch zum Beispiel mit der Tastatur bedienbar sein.

Manche Ausgabemedien bereiten Inhalte linearisiert auf. Standarde-lemente (im Web: Strukturelemente) helfen bei der Navigation, weil Computerhilfsmittel diese erkennen, zusammenfassen und bedienbar machen.

Multimedia kann aus vielen Gründen eine Barriere bedeuten. Deshalb sollten die Möglichkeiten der Untertitelung und Audiodeskription ge-nutzt werden, oder – falls die multimediale Anwendung selbst nicht zugänglich gestaltet werden kann – Textzusammenfassungen bereit-gestellt werden.

Da jedes Informationsangebot anders ist, unterscheiden sich auch Funktionen und Bedienung. Eine zugängliche Dokumentation und ausreichende Hilfe sollte zur Beschreibung der Nutzung bereitgestellt werden.���

Internetportale für SeniorenDas im Sommer 1998 gestartete Internetportal http://www.feierabend.de ist das führende Seniorenportal im deutschsprachigen Internet. Fei-erabend.de vermittelt Alten- und Kinderbetreuung, betreutes Wohnen, Wohngemeinschaften etc. Davon profitieren nicht nur die Mitglieder in der Region, sondern alle Nutzer des Portals für Senioren. Der Service von Feierabend ist kostenlos und wird durch Werbeeinnahmen finanziert. Für Unternehmen bietet sie eine attraktive Werbeplattform.���

DerZweiteFruehling.de ist eine Initiative, die in Kooperation im Sommer 2006 unter anderem mit der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) und dem Harz-Kurier gestartet wurde und die sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen über 40 bei der Suche nach einem Partner bzw. einer Partnerin zu unterstützen.���

Gute Beispiele Unter dem Titel “Online-Jahr 50plus – Internet verbindet” startet die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) und das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit mit Inter-netkursen, Wettbewerben und einem Informationsportal für Ältere am 8. Deutschen Seniorentag eine Initiative zur Steigerung der Medienkompe-tenz und Internetbeteiligung der Generation 50plus.���

164 http://www.barrierefreies-webdesign.de/barrierefrei/ueberblick.html165 http://www.feierabend.de166 http://www.derzweitefruehling.de167 http://www.50plus-ans-netz.de

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Von Mai 2006 bis April 2007 können Interessierte lernen, wie sie das Internet kompetent bedienen, recherchieren und an Aktionen und Wettbe-werben teilnehmen können. Das “Online-Jahr 50plus – Internet verbindet“ steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Um das Internet kompetent nutzen zu können, startet ein Schulungsprogramm, in dem Grundkenntnisse zur In-ternetnutzung vermittelt werden. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Um denen, die bereits online sind, eine Orientierung im Netz zu geben, wird die Website der BAGSO e.V. zu einem Informationsportal ausgebaut. Dazu gibt es regelmäßig Tipps, Empfehlungen und Leitfäden für den sicheren Einstieg ins Internet. Das Programm wird von Aktionen, Informationstagen und Wettbewerben begleitet.���

Rund 60 Prozent der über 60-Jährigen verfügen über einen eigenen PC. Die Landesinitiative Seniorenwirtschaft NRW hat deshalb landesweit 120 Internetcafés speziell für Senioren eingerichtet. Um SeniorInnen den Zugang zu den neuen Medien zu ermöglichen und ihnen zu helfen, damit auch umzugehen, wurden weitere Projekte ins Leben gerufen, etwa das Bürgermedienzentrum für Senioren in Münster oder das Internetportal „Senioren Online“.

Informations- und Kommunikationstechnologie wird auch eingesetzt, um Lebensqualität für SeniorInnen und Selbstständigkeit im Alter zu verbessern. Das Angebot „Inkontakt – Teleservice für Senioren“ des Evangelischen Johanneswerks in Bielefeld verbindet zu Hause lebende ältere Menschen mittels moderner Bildtelefone untereinander. Eine Ser-vicezentrale bietet vom Notruf über Wäschedienst und Essen auf Rädern bis zur Fußpflege alle Dienstleistungen aus einer Hand. Im Ruhrgebiet soll dieses Konzept jetzt auf breiterer Basis mit vier Zentralen für zunächst je einhundert Senioren erweitert und ausgebaut werden. Ähnliche Technik benutzt auch das Dortmunder Pilotprojekt „Bildbasierte Unterstützung für zu Hause pflegende Angehörige“.

Mobiltelefone

Ähnlich wie in der gesamten Bevölkerung nutzen auch SeniorInnen im-mer häufiger Mobiltelefone. Sie wollen auch unterwegs erreichbar sein und das Mobiltelefon für Notfallsituationen nutzen. 43 Prozent der 60 bis 69-jährigen besitzen ein Handy, bei den 70- bis 79-Jährigen sind es immerhin noch 24 Prozent.��� Der im Vergleich zu anderen Altersgruppen geringere Nutzungsgrad ist dadurch zu erklären, dass Händler und Her-steller bisher kaum Zugang zu dieser Zielgruppe haben: So sprechen Werbung und Informationsmaterial oftmals nur jüngere Zielgruppen an. Die Geräte werden von den Älteren oft als zu kompliziert empfunden; die zusätzlichen Funktionen lassen den ursprünglichen Benutzungszweck kaum noch erkennen.

168 http://www.bagso.de169 Ebd.

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Viele SeniorInnen suchen ein Handy mit großen Tasten. Weltweit war lan-ge Zeit kein Mobiltelefon verfügbar, das mit großem Display und einigen Direktwahltasten eine einfache Bedienung ermöglichte. Einzig die Nutzung der Geräte der ersten Generation schienen eine Alternative zu sein, waren aber kaum noch erhältlich. Inzwischen gibt es seniorengerechte Telefone mit integrierter Blitzklingel und weiteren von der Zielgruppe gewünschten Spezifikationen.��0 Ergonomische Eigenschaften von Großtastentelefonen sind einfache Bedienung, sichere Handhabung, Zielwahltasten mit Na-mensschildern, kontraststarke Anzeige und eine gute Hörqualität.

Neben dem Wunsch nach schnurgebundenen Telefonen für SeniorInnen besteht eine starke Nachfrage nach einem einfach bedienbaren Mobiltele-fon, deren Funktionen auf das Telefonieren beschränkt sind. Dafür jedoch sollte eine Bedienbarkeit auch bei visueller und taktiler Einschränkung noch möglich sein. Die fitage GmbH entwickelte daher in Kooperation mit dem Senio-Fachhandel das weltweit erste Mobiltelefon, das durch drei Direktwahltasten und große Bedienelemente auch bei visuellen und taktilen Einschränkungen eine Nutzung dieser Kommunikationsmöglichkeit gewährleistet.���

Durch den technischen Fortschritt lässt sich das Handy mit für SeniorInnen sinnvollen Funktionen erweitern, die über das Telefonieren hinausgehen. Ein “Herz-Handy“ kann z. B. helfen, erste Anzeichen einer Kreislaufkrise zu erkennen, indem es über Kontakte auf der Rückseite des Handys ein EKG aufnimmt und es an ein medizinisches Service-Center übermittelt. Eine Leitstelle hält die Krankenakte, Medikation und Adressen von Hausärzten sowie Kardiologen vor. Im Ernstfall findet dann der Notarzt per GPS und künftig durch „Galileo“ den Weg zum Patienten. Im Notfall ist somit ein Ansprechpartner erreichbar, der eine erste, rudimentäre Diagnose stellen kann. Das Handy ersetzt dabei keine qualifizierte Untersuchung durch einen Arzt. Auch sind nicht alle Indikatoren, die beispielsweise auf einen Infarkt hinweisen, per EKG messbar. Zwei Vorteile bietet das System je-doch: Kündigt sich eine Krise auf dem EKG an, gewinnt der Patient Zeit. Zusätzliche Minuten und Stunden können entscheidend sein, wenn es darum geht, erfolgreich zu therapieren und Spätfolgen zu vermeiden.

Die technischen Perspektiven gehen jedoch noch weiter: Mittels einer kabellosen Datenübertragungsschnittstelle werden sich in Zukunft wei-tere Systeme anbinden lassen. Darunter fallen beispielsweise Geräte zur Blutdruckmessung, Schnelltests für Enzyme, die beim Infarkt durch Ab-bauprodukte entstehen, oder auch eine Waage. Letztere ist dann wichtig, wenn durch eine zu schwache Herztätigkeit langsam Wasser ins Gewebe eingelagert wird, was die Lungentätigkeit beeinträchtigt.���

Senio als erster Fachhandel für Senioren forciert die Entwicklung neuer Produkte.��� Im Internet wird eine Vielzahl von Handykursen für SeniorInnen angeboten.��� In Schweden wurde ein spezielles Konzept und Material

170 http://www.dfg-quicktel.de/html/grosstastentelefone.html 171 http://www.fitage.com172 Georg Grohs: c‘t 12/2004, S. 54: “Telemedizin“ bzw. http://www.heise.de/ct/04/12/054/173 http://www.senio.de174 http://www.handykurse.de/item2/i2s0.html

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für Handystudienkreise entwickelt.��� Interessenten können in Absprache mit den Organisatoren einen solchen Studienkreis selbst gründen. Sie bekommen dann eine Ausbildung und Kursmaterial. Gemeinsam lernen SeniorInnen dann die Funktionen eines Handys, z. B. alles über SMS, die Menüfunktionen des Handys, wie man im Telefonbuch Einträge speichert und Mailbox-Funktionen. Aber auch technische Grundlagen und Sicherheit werden behandelt. Außerdem werden Tipps für den Handykauf gegeben. Das Konzept wurde mit dem IT-Innovations-Preis prämiert.

„Niemand verkauft eine Reise an Senioren, wenn er sie ‚Seniorenreise’ nennt.” (Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbandes der deut-schen Werbeindustrie).

„Ich verreise nicht, um mich zu erholen, sondern um etwas zu sehen. Die Reiseindustrie ist die einzige, die sich richtig auf die alten Leute eingestellt hat. Der Service, auch bei Busreisen, ist wirklich erstaunlich. Die Reiseveranstalter denken auch an Rollstuhlfahrer.“ (Duderstadt)

Die beiden Zitate markieren die Spannbreite der Einschätzungen zum Marketing im Seniorentourismus. Es wird deutlich, dass in diesem Markt besonders sorgfältig differenziert werden muss. Wenn auch 80-Jährige Seniorenreisen unternehmen, so fühlen sich doch die meisten 60-Jährigen eher abgeschreckt und stigmatisiert, wenn man sie für Seniorenreisen gewinnen will. Über alle Altersgruppen hinweg spielen die Ausgaben von Touristen in Stadt und Landkreis Göttingen eine erhebliche Rolle in der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung.

Nach Daten des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik gab es im Jahr 2005 im Landkreis Göttingen 1,2 Millionen Übernachtungen, davon knapp 370.000 in Göttingen, gute 90.000 in Duderstadt und fast 120.000 in Hann. Münden. Berücksichtigt werden Übernachtungen in Hotels und Pensionen mit mindestens neun Betten.

Im Jahr 2002 haben die BTE-Tourismusmanagement, Regionalentwicklung mit Sitz in Hannover und die kmb-Beratung mit Sitz in Nierstein am Rhein für den Landkreis und die Stadt Göttingen eine Tourismuskonzeption erstellt. Nach ihren Berechnungen belaufen sich die jährlichen Steuerein-nahmen im Landkreis Göttingen auf 7,9 Millionen Euro.

Zum Abschluss des Prozesses „Offenes Forum Tourismus“ (OFT) sahen die Gutachter beim Herausarbeiten touristischer Themenschwerpunkte, der Qualifizierung des touristischen Angebots, der Schaffung von Angebots-verknüpfungen, der Verbesserung von Information und Kommunikation sowie der Festlegung von Kooperationen besondere Handlungsnotwen-digkeiten. Insbesondere Bus- und Gruppenreisende boten nach ihrer Einschätzung weiteres Entwicklungspotenzial. Die Zielgruppen der Tou-rismusentwicklung im Landkreis Göttingen differenzierten die Gutachter auch demographisch und nannten Senioren ausdrücklich als relevante

175 http://www3.telia.se/privat/mobilar/

tourIsmus

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Zielgruppe. Sie forderten unter anderem die Erschließung und Vermarktung des Wissens- und Bildungstourismus sowie Entwicklung und Förderung des wissenschaftlichen Naturtourismus.

Für eine genaue Bestimmung der vorhandenen Nachfragegruppen und ihrer Bedürfnisse im Landkreis Göttingen empfehlen die Gutachter die Durchführung einer Gästebefragung. Hotels und Gaststätten könnten so die Möglichkeiten erhalten, sich gezielter auf die Ansprüche von Senio-rInnen einzustellen.

Auch der Altenbericht der Bundesregierung bezeichnet Seniorenreisen bereits als Wachstumsmotor der Zukunft. Ältere Menschen – und hier vor allem jüngere Alte – verreisen in vielen Fällen öfter und länger als jüngere. So hat sich der Anteil der älteren BürgerInnen am Urlaubsreise-markt innerhalb von zehn Jahren von 22 auf 29 Prozent erhöht. Die knapp 14 Millionen Senioren bundesweit unternahmen 2004 durchschnittlich 1,5 Urlaubsreisen, die länger als fünf Tage dauerten, und gaben dabei insgesamt 18 Milliarden Euro aus. Der deutsche Tourismusverband geht davon aus, dass die Generation der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen ihre Reisegewohnheiten später kaum ändern wird, wenn sie in den Ruhestand geht.

Die gewachsene Reiselust zeigt sich an der Verteilung der Konsumaus-gaben: So wendet die ältere Generation einen großen Teil der Konsum-ausgaben für Reisen, insbesondere Pauschalreisen und Beherbergungs-dienste auf. Nach einer PWC-Studie��� beträgt der Anteil rund 17 Prozent der gesamten Konsumausgaben. Es folgen die Ausgaben für Gesundheit und Körperpflege mit 11 Prozent und die Dienstleistungen für die Haus-haltsführung ebenfalls mit etwa 11 Prozent. Für Nahrungsmittel, Getränke und Tabak werden nur 7 Prozent ausgegeben.

Situation im Untersuchungsraum

Die Stadt Göttingen gilt im Bereich der Städtereisen als besonders attraktives Reiseziel für Senioren. Senioren buchen vor allem gerne Pauschalangebote und bevorzugen Gruppenreisen. Seniorenspezifische Übernachtungszahlen werden zwar nicht erhoben. Insgesamt verzeichnet der Göttinger Tourismus e.V. steigende Übernachtungszahlen. Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland liegt die Vermutung nahe, dass auch die Zahl der Übernachtungen von SeniorInnen zugenom-men hat.

Gegenüber 2004 hat der Göttinger Tourismus e.V. im Jahr 2005, dem Jahr des 150. Todestages des Mathematikers Carl-Friedrich Gauss, mit der Registrierung von 1.590 Gruppenreisen ein Plus von 328 Gruppenreisen registriert.

176 Vgl. PriceWaterhouseCoopers und Institut für Marketing und Handel Universität St.Gallen Januar 2006, S. 8.

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Der Göttinger Tourismus e.V. geht davon aus, dass die von Touristen bewirkten Umsätze in der Stadt weiter steigen. Das gilt insbesondere für SeniorInnen im Bereich der hochpreisigen Reisen. Durch geschickt plat-zierte Werbung sei eine steigende Nachfrage nach Pauschalangeboten ausgelöst worden. Über neue Marketingstrategien werde nachgedacht. Bislang aber war aber nicht vorgesehen, SeniorInnen gezielt anzuspre-chen. Der Göttinger Tourismus e.V. vermutet, dass viele Angebote schon jetzt für Senioren interessant sind. Viele Hotels berücksichtigen bereits die Wünsche von SeniorInnen. Das Hotel am Papenberg ist komplett behindertengerecht.

Im Rahmen des Projektes LEADER+ hat der Landkreis Göttingen eine Internetplattform erstellt, die der besseren Vernetzung der Infrastruktur und der Angebote in Naherholung und Tourismus dient.��� Die Plattform bietet einen Überblick rund um Tourismus und Freizeit.��� So lassen sich mithilfe der Online-Informationen Ausflüge, Rad- und Wandertouren pla-nen, Unterkünfte, Gastronomie und Einkehrmöglichkeiten und touristische Angebote und Attraktionen finden. Ende 2005 waren bereits rund 1.200 Informationen zu interessanten Punkten eingetragen. Die Sammlung wird von den Anbietern aktualisiert und durch einen Veranstaltungskalender ergänzt.

Das Projekt geht zurück auf das Regionale Entwicklungskonzept (REK) für die Arbeitsmarktregion Göttingen-Northeim und das Offene Forum Tourismus (OFT) für Stadt und Landkreis Göttingen. Unter Federführung des Landkreises Göttingen und in Kooperation mit Tourismusverbänden in Göttingen, Hann. Münden und Duderstadt wurde das vorliegende Konzept entwickelt.

Die Vielfalt der Angebote und Sehenswürdigkeiten scheint gerade für Senioren attraktiv zu sein. Als Freizeit- und Ausflugsziele bieten sich u. a. der Naturpark Münden, das Eichsfeld, der Seeburger See, der Göttinger und Reinhäuser Wald mit zum Teil begleiteten Angeboten an, auch das Heinz-Sielmann-Naturerlebniszentrum Duderstadt und das Regionale Umweltbildungszentrum Reinhausen (RUZ).

Motivbezogen stellt die Gruppe der Wanderer und Radfahrer nach Ein-schätzung der Tourismusvereine gegenwärtig die wichtigste Gästegruppe für landschaftsbezogene Aktivitäten im Landkreis Göttingen dar, oft han-delt es sich hier um Stammgäste. Das Potenzial wird als gut ausbaubar eingeschätzt.

Trends im Seniorentourismus

Seniorenreisen nehmen in der Tourismusbranche einen immer höheren Stellenwert ein, da die Bevölkerungsgruppe der Senioren diejenige mit dem höchsten verfügbaren Einkommen ist. SeniorInnen gelten in der Reisebranche zuweilen sogar als Musterkunden. Sie verreisen öfter

177 Dieses Vorhaben zur Förderung der Regionalentwicklung wird im Rahmen der EU-Gemeinschafts-initiative LEADER+ zu je 50 Prozent vom Landkreis und von der EU finanziert.178 Die Galerie ist unter http://www.goettingerland.de zu finden und ist unterteilt in die Kapitel Essen & Schlafen, Freizeit & Sport, Natur erleben, Kultur erleben, Dörfer erleben, Sehenswertes, Infos & Service.

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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und länger, legen mehr Wert auf Qualität und geben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung mehr Geld aus. Sie ließen sich ihre Urlaubsreise im Jahr 2005 durchschnittlich 888 Euro kosten und damit 55 Euro mehr als im Durchschnitt der Bevölkerung.��� Von den 55 Milliarden Euro, die die Bundesbürger im vergangenen Jahr für Reisen ausgaben, stammen 18 Milliarden von den SeniorInnen. Die SeniorInnen gelten im Urlaub auch als besonders aktiv: Sie machen mehr Ausflüge und zeigen mehr Interesse an Kultur und Geschichte des jeweiligen Urlaubslandes als Angehörige anderer Altersgruppen. Die über 70-Jährigen wünschen sich während des Urlaubs insbesondere eine medizinische Betreuung – auf sie können die JungseniorInnen noch verzichten. Ältere Paare verreisen gern zu zweit, Alleinstehende hingegen suchen öfter Gesellschaft.

Einige Anbieter haben sich auf diese stets wachsende Zielgruppe einge-stellt und auf Seniorenreisen spezialisiert. Es wird hier vor allem auf behin-dertengerechte Unterkünfte und Transportmittel, eine deutschsprachige Reiseleitung und ein seniorengerechtes Programm geachtet. Die Reise erfolgt in der Regel in der Gruppe, so dass auch alleinstehende Senioren diese genießen können. Am beliebtesten sind Busreisen und Kreuzfahrten. Beide Reiseformen erfordern keine große körperliche Leistungsfähigkeit und können auch von gehbehinderten Reisenden problemlos angetre-ten werden. Diese Tatsache wandelt sich angesichts des immer besser werdenden Allgemeinbefindens der Senioren immer hin zu Sport- und Erlebnisreisen.

Seniorenreisen werden auch von Wohlfahrtsverbänden, Vereinen und anderen Organisationen mit ehrenamtlichen Reiseleitungen durchgeführt. Häufig sind die Reiseleiter selbst junge Seniorinnen und Senioren. Sie haben Spaß daran, mit anderen älteren Menschen etwas zu unternehmen, zu organisieren und zu planen. Auch verschiedene Städte, z. B. Speyer und Herford, bieten über Seniorenbüros Tages- und Mehrtagesausflüge mit einem Besichtigungs- und Kulturprogramm an, die von Senioren für Senioren geplant, gestaltet und ausgeführt werden.

Die heutigen Senioren interessieren sich für individuelle Angebote. Ins-besondere die jüngeren SeniorInnen wollen aber dabei nicht explizit auf Seniorenreisen angesprochen werden. Viele Marketingexperten sprechen deshalb nicht mehr von Reisen für “Senioren“, sondern von vielmehr von der “Generation 50plus“. Die Zielgruppe wird also nicht in ihrem tatsäch-lichen Alter, sondern im gefühlten Alter angesprochen. Reiseanbieter entwickeln immer neue Strategien, um ältere Reisende über spezielle Zielgruppenangebote ohne direkten Altersbezug anzusprechen. Dabei orientieren sie sich an bestimmten Reisemerkmalen und Urlaubsmotiven, die besonders den älteren Touristen wichtig sind. Die Aussicht auf hohe Umsätze in diesem lukrativen Kundensegment hat Bewegung in die Tourismusbranche, bei Reiseveranstaltern und die Hotellerie gebracht. Mit zunehmendem Alter wird eine perfekt durchorganisierte Reise im-mer wichtiger. Die ältere Generation ist überwiegend reiseerfahren, legt Wert auf Komfort und ist häufig Stammkunde der Veranstalter. Wichtige Urlaubsmotive sind: die Gesundheit stärken, Natur erleben und Städte bzw. Sehenswürdigkeiten besichtigen.

179 Sonntag u. Sierck, Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), Kiel, August 2006

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Ein weiterer Trend liegt darin, dass viele Großeltern mit ihren Enkeln verrei-sen. Die gemeinsamen Reisen bieten nicht nur die Möglichkeit des gemein-samen Erlebens in den Urlaubsgebieten. Vielmehr nutzen viele Großeltern die gemeinsamen Reisen zum Erzählen und Diskutieren – Situationen wie sie im Alltag oder an Wochenenden so nicht anzutreffen sind.

Bei den Tourismuskonzernen hat sich in den vergangenen Jahren keine Kundengruppe so stark entwickelt wie die der SeniorInnen. Während die über 60-Jährigen im Jahr 1994 noch 21,6 Prozent ausmachten, so stellen sie heute mit einem Drittel den größten Anteil.��0 Nach Einschätzung der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen wird dieser Anteil weiter steigen.

Nach wie vor sehr beliebt sind „Kaffeefahrten“, allerdings weniger solche mit den berüchtigten Verkaufsveranstaltungen, vielmehr ist ein Trend zu alternativen und anspruchsvolleren Busreisen zu sehen.

Gute Beispiele

Die Initiative TeutoWellness 50plus umfasst 40 Partner – Hotels, Pensi-onen, Wellness- und Freizeiteinrichtungen, Kultureinrichtungen, Kliniken und Kurbäder –, die spezielle Angebote für Senioren haben. Es gibt einen gemeinsamen Katalog, in dem Komplettangebote für Reisen mit Massa-gen, Restaurant-, Theaterbesuchen etc. angeboten werden. So soll der Wellness- und Gesundheitstourismus in der Region gefördert werden. Es handelt sich um ein Kooperationsprojekt des Teutoburger Wald Tourismus e.V., der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bielefeld und des Zentrums für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen-Lippe.���

Das Projekt TeutoWellness50plus zielte also darauf ab, die Region Teuto-burger Wald als Referenzregion für den 50plus-Tourismus zu profilieren und die vorhandenen Potenziale im Wellness- und Gesundheitsbereich für ältere Gäste touristisch zu erschließen und zu vermarkten.

Es gelang, die Bedeutung der Seniorenwirtschaft zu kommunizieren und ein Unternehmensnetzwerk aufzubauen. Innovationsstrategien werden seitdem schneller in neue marktfähige Produkte umgesetzt, neue Märkte werden erschlossen, Kosten gesenkt und Erträge gesteigert. Das auf ge-genseitigem Gewinn zielende Vertrauen und neuen Partnerschaften war insofern eine Herausforderung, als es galt, alte Konkurrenzmuster zu über-winden. Gemeinsam wurden touristische Produkte und Dienstleistungen für Senioren im Teutoburger Wald entwickelt und vermarktet.���

Das Gütesiegel “50plus Hotels Deutschland“ wird bereits seit fünf Jahren an ausgewählte Hotels vergeben.��� Die Hotels bieten Zusatzleistungen für „erfahrene Reisende“ an. Je nach Lage der Hotels werden geführte Wan-derungen, Nordic-Walking-Touren, Stadtrundfahrten, Ausflüge und viele

180 Sonntag u. Sierck, ebd. 181 http://www.teutowellness50plus.de182 Ziehe, Vera: „Teutowellness50plus – Tourismusförderung in der Region Teutoburger Wald“, Bonn, 2005, Europäische Konferenz Seniorenwirtschaft in Europa 2005.183 http://www.50plushotels.de.

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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weitere Sport-, Aktiv- und Kulturprogramme angeboten. Für Gesundheit und Vitalität der Gäste stehen zahlreiche Wellness-, Beauty- und Entspan-nungsangebote zur Verfügung. Auf der Internetseite der 50 plus Hotels werden alle Hotels und das Pauschal-Arrangement vorgestellt. Dabei bie-ten einige Hotels einen besonderen Zusatznutzen für Alleinreisende und erheben in ihren Arrangements keinen Einzelzimmerzuschlag. Außerdem halten die Hotels zahlreiche Last-Minute-Angebote bereit.

Bisher haben 75 Drei- bis Fünfsternehotels die von 50plus Hotels Deutsch-land geforderten Qualitätskriterien erfüllt. Alleine im ersten Halbjahr 2005 wurden 27 neue Hotels ausgezeichnet. Zertifiziert wurde auch das InterCi-tyHotel Göttingen. Darüber hinaus stellen sich weitere Hotels sukzessive auf die Bedürfnisse Älterer ein.

Die InterCityHotel GmbH,��� mit 16 auserwählten InterCityHotels, und 50plus Hotels Deutschland sind offizieller Partner und bauen ihr Engage-ment für die Zielgruppe der Reisenden über 50 gemeinsam weiter aus. Die InterCityHotels ergänzen das Portfolio der 50plus Hotels in Deutschland um attraktive Stadtdestinationen und interessante Kulturstandorte.

Ein Beispiel für ein zielgruppengerechtes Programm für die ältere Generati-on liefert die TUI AG. Mit ihrem Konzept “Club Elan“ bietet deren deutscher Veranstalter TUI Deutschland einen qualitativ hochwertigen Urlaub und zielgruppengerechte Programme insbesondere für aktive Ältere an. Nach Einschätzung von TUI wird die Nachfrage der Kunden in den nächsten Jahren weiter kräftig steigen.

Ein Mindestalter für interessierte Senior-Kunden, wie in ähnlichen Konzep-ten britischer Reiseveranstalter üblich ist, gibt es nicht. Das Clubprogramm orientiert sich an den Wünschen der älteren deutschen Kunden, die durch Analyse aktueller Verbrauchertrends festgestellt worden sind. Neben gesundheitsorientierten Fitness- und Wellness-Angeboten umfasst das Programm Herz-Kreislauf-Training, Internetschnupperkurse sowie Sprach- und Tanzkurse. Die TUI-Club-Hotels gehören zur gehobenen Kategorie, die u. a. über trittfeste Spazierwege in unmittelbarer Nähe verfügen, eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel besitzen sowie eine gute ärztliche Versorgung anbieten. Die älteren Kunden werden nicht nur über Reiseprospekte angesprochen, sondern auch über die eigens entwickelte Internetseite, die auch zum interaktiven Erfahrungsaustausch anregt. Das Konzept Club Elan gilt als erfolgreich.

Zu den weiteren Anbietern seniorenorientierter Produkte zählt auch das Hapag-Lloyd Reisebüro, mit dem Konzept “50plus-Reisen nach Maß“. Hier wird unter anderem mit klassischer Musik und schöner Landschaft und auf Usedom geworben. Gezielt geht auch der Skan-Club auf SeniorInnen mit überdurchschnittlichem Einkommen ein.

184 http://www.intercityhotel.de. Weitere Informationen Steigenberger Touristik Service.

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„Mobilität im Alltag ist ein ganz wichtiges Thema, das Busfahren wird immer teurer, die Taktfolge geht aber zurück.“ (Hann. Münden)

„Viele ältere Leute fahren im Alltag gerne mit dem Bus. Da können sie unterwegs miteinander sprechen und sich verabreden. Viele vereinbaren dabei auch, sich gegenseitig zu helfen.“ (Hann. Münden)

„Ich komme aus Obernjesa, einen Bahnanschluss haben wir nicht. Die Busse nach Göttingen fahren erst nach Niedernjesa. Wir bieten jeden Dienstag um 10.00 Uhr eine Mitfahrgelegenheit nach Rosdorf, sie wird noch immer zu wenig angenommen. Die Autos, die in diesem Zusam-menhang eingesetzt werden, haben Aufkleber. Fahrer und Tramper haben Ausweise, dadurch entsteht ein Vertrauensverhältnis. Da keine Kostenbe-teiligung erfolgt, tritt die Insassenunfallversicherung ein.“ (Rosdorf)

Angebote zur Mobilitätsförderung beeinflussen die Lebensqualität der SeniorInnen. Mobilität gilt als eine Grundvoraussetzung für die Selbst-ständigkeit und die gesellschaftliche Partizipation älterer Menschen und gewährleistet somit ein eigenständiges und flexibles Leben. Mobilitäts-einbußen gehen immer mit einem Verlust an Lebensqualität einher.

Mit dem Wandel der Bedürfnisse der älteren Menschen hin zu mehr Selbstständigkeit gehen auch Veränderungen der Mobilitätsgewohn-heiten der Älteren einher. So ist einerseits davon auszugehen, dass die Anzahl der motorisierten Älteren zunehmen wird. Voraussichtlich wird die Motorisierung der männlichen Personen ab dem 65. Lebensjahr bis zum Jahr 2030 von 767 auf 850 Pkw pro tausend Einwohner ansteigen. Noch deutlicher wird der Anstieg Verkehrsteilnehmerinnen ausfallen: Mit 146 Pkw pro tausend EinwohnerInnen sind die älteren Frauen in dieser Altersgruppe heute gering motorisiert. In den kommenden Jahren wird sich diese Zahl deutlich erhöhen.���

Als Konsequenz daraus wird in Zukunft bei der benutzerfreundlichen Gestaltung von Fahrzeugen vermehrt auf die Bedürfnisse der älteren Fahrerinnen zu achten sein. Es ist davon auszugehen, dass durch die Zunahme der Zahl der Hochbetagten auch die Anzahl der Personen an-steigen wird, die aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht mehr in der Lage sind, einen Pkw zu steuern. Sie sind in besonderem Maße auf die ÖPNV-Angebote oder Alternativangebote angewiesen. Im ländlichen Raum werden in Zukunft Fahrangebote wie Rufbusse oder Sammeltaxis an Bedeutung gewinnen.

Noch immer ist jedoch das Auto in der Fläche für viele SeniorInnen unver-zichtbar. Viele Ältere wollen nicht auf das Autofahren verzichten, weil diese Art des Reisens für sie ein Zeichen von Unabhängigkeit und Ungebunden-heit bedeutet. So ist es nicht verwunderlich, dass mehr als 25 Prozent der Neuwagen von Menschen über 60 Jahren zugelassen werden. Vor zehn Jahren lag der Anteil dieser Altersgruppe noch bei 14 Prozent.

185 Altenbericht, S. 241

mobIlItät Im alltag

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Auch die Autohersteller stellen sich auf diesen Trend ein. So sind z. B. die Automobilkonzerne in Japan diesbezüglich aktiv: Toyota verkauft Autos mit extrabreiten Schiebetüren und einem Sitz, der nach der Fahrt als Rollstuhl verwendet werden kann. Bei dem kastenförmigen Fahrzeug ist das Ein- und Aussteigen für Menschen mit Rückenproblemen einfacher. Kleinere Leute können problemlos über das ovale Lenkrad schauen.

Die im Mai 2006 gegründete Landesinitiative für generationengerechte Produkte basiert unter anderem auf Forschungsarbeiten in Wolfsburg zur Frage, wie Automobile seniorengerechter gestaltet werden können. Auto-hersteller haben die Erfahrung gemacht, dass so genannte Familienautos auch für Senioren geeignet sind: Niedrige Ladekanten helfen sowohl Müttern mit sperrigen Kinderwagen und dem Großeinkauf wie auch Äl-teren, die nicht mehr gut heben können – und auch Rollstuhlfahrern. Auf erhöhten Sitzen, die Müttern und Kindern einen guten Überblick geben, fühlen sich auch Senioren wohl – zumal die hüfthohen Sitzflächen auch beim Einsteigen Vorteile bieten. Mit Rundumverglasung und Einparkhilfen muss der Kopf weniger gedreht werden, und leicht ablesbare Tiefendis-plays vermeiden, dass das Auge sich bei jedem Blick auf die Instrumente von „fern“ auf „nah“ und wieder zurück umstellen muss. Fazit: In allen Branchen ist ein heißer Wettkampf um die Zielgruppe der Senioren zu erwarten – entscheidend werden hier optimierte Produkte und ein lebens-nahes Marketing sein, das den Lifestyle der „besten Jahre“ aufnimmt.

Der ADAC bietet Pkw-Training für Frauen an, die schon länger nicht mehr selbst mit dem Auto gefahren sind. Das Training richtet sich an Frauen, die beim Kurs lieber unter sich bleiben möchten, um Fahrprobleme und Fragen offen anzusprechen. Ohne Druck und Angst vor „Blamage“ vor männlichen Mitfahrern werden die Kursinhalte so aufbereitet, wie „Frau“ es sich wünscht: alltagstauglich und praxisnah.���

Die zunehmende Bedeutung des eigenen Autos bleibt nicht ohne Folgen für den ÖPNV. Weil bekannt ist, dass die künftige Altengeneration stark ans Auto gewöhnt ist und bis ins hohe Alter mit dem eigenen Pkw mobil bleiben möchte, geht der Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersach-sen (ZVSN) davon aus, dass die Zahl der „gebundenen“ ÖPNV-NutzerInnen (also derjenigen, die über keine Alternative zum Bus- oder Bahnverkehr verfügen) zurückgehen wird, obwohl die Zahl der SeniorInnen im Zuge des demographischen Wandels steigt. Der ZVSN sieht es als sinnvoll und notwendig an, sich gemeinsam mit den übrigen Verbundpartnern mit spezifischen Marketing-Aktionen um die Zielgruppe der SeniorInnen zu bemühen und bei ihnen für den Kauf von Monatskarten und Jahresa-bonnements zu werben.

Eine flächendeckende Versorgung aller Orte im ländlichen Raum mit gleichen Bedienungsstandards hält der ZVSN für unrealistisch. Zwar werden gerade die Linien ausgebaut, bei denen eine hohe Nachfrage zu verzeichnen ist. Hier sollen die Busse möglichst im Stundentakt verkehren. Außerhalb der Hauptachsen sind so kurze Taktzeiten aber nicht möglich. Die hier entstehenden Lücken werden im Landkreis Göttingen zumindest teilweise durch bedarfsorientierte Verkehre wie Anruf-Sammeltaxi (AST)

186 http://www.adac.de/sicherheitstraining/PKW/frauen_training/

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geschlossen. Neben dem ÖPNV stehen Angebote wie das “Mobiltreff“ in Obernjesa als Mitfahrangebot. Von Obernjesa fährt nur ein Bus am Tag direkt nach Rosdorf – morgens um fünf. Alle anderen Verbindungen führen über Göttingen und dauern zwischen 56 und 90 Minuten. AST-Fahrten er-gänzen die Busverbindungen, werden aber kaum in Anspruch genommen. Personen, die nach Rosdorf müssen (Verwaltung, Arzt, Einkauf) haben lan-ge Fahrt- und Aufenthaltszeiten oder nur wenig Zeit für ihre Erledigungen, wenn sie den nächsten Bus nicht verpassen wollen.

Diese Defizite waren Anlass zur Gründung des Modells “Obernjesa Mo-bil“, das seit dem 15. November 2005 auf Initiative der Kirchengemeinde und des Bündnisses für Familie läuft. Im Rahmen dieses “organisierten Trampens“ erklären sich Fahrer dazu bereit, zu festen Zeiten Mitbür-gerInnen mitzunehmen. Die Fahrten werden ehrenamtlich angeboten, FahrerInnen verbinden diese Touren mit eigenen Erledigungen im Ge-meindegebiet.���

Auch in Bovenden gibt es seit 1997 die “Erweiterte Nachbarschaftshilfe“ (ENB) als Vermittlungs- und Kontaktstelle. Die Gemeinschaft Bovender BürgerInnen will das nachbarschaftliche Zusammenleben fördern. Die ENB vermittelt Nachbarschaftshilfe aller Art. Dazu gehört auch die Vermittlung von Mitfahrmöglichkeiten.���

In der Gemeinde Friedland gibt es ein Linientaxi, dessen Betrieb auf die In-itiative des Seniorenbeirates zurückgeht. Dabei handelt es sich um ein seit August 2005 laufendes Modellprojekt, das für regelmäßige Verbindungen von Ort zu Ort und besonders zu den Zentren Groß Schneen und Friedland sorgt. Das Linientaxi ermöglicht kostengünstige Fahrten zum Einkaufen, zum Arzt, zu Banken und Sparkassen, zur Apotheke und zu Besuchen von Verwandten und Bekannten. Das Linientaxi ist Bestandteil des ÖPNV, es verkehrt regelmäßig zu festgelegten Zeiten von den Bushaltestellen der Ortschaften. Es gelten die normalen Busfahrkarten, die auch im Taxi ge-kauft werden können. Die finanzielle Unterstützung dieses Projektes ist befristet und wird bei mangelhafter Auslastung eingestellt.���

Die Verbesserung der Mobilität Älterer insbesondere durch Sicherung und Ausbau des ÖPNV stärkt die Standortqualität des Landkreises Göttingen und hat damit regionalwirtschaftliche Bedeutung. Im Bereich des ÖPNV sieht der ZVSN vor allem in der Lesbarkeit der Fahrpläne Handlungsbedarf. Auch hier spielt wie bei der Lesbarkeit von Internetseiten die Barrierefrei-heit für Menschen mit Sehschwächen eine große Rolle. Zwar wurde auf diesem Gebiet schon einiges verändert (Fahrpläne im Internet, Fahrplan- und Fahrpreisauskunft per Telefon). Weiterer Handlungsbedarf besteht.

187 Die Mitfahrer sind im Falle eines Unfalls über die Kfz-Haftpflichtversicherung versichert.188 Nähere Informationen in der AWO-Begegnungsstätte unter 0551/8208987.189 Nähere Informationen gibt der Seniorenbeirat Friedland unter 05504/802-45.

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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Viele Senioren nutzen die Zeit nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit, sich aufgeschobene Wünsche zu erfüllen und Zugang zu finden zu Themen, mit denen sie während früherer Lebensabschnitte keinen Kontakt hatten. Bildung spielt dabei eine besondere Rolle. Endlich kann man Museen besuchen, die man noch nie von innen gesehen hat, Literatur lesen, Sprachen lernen oder Internetkurse besuchen, kurz: seinen Horizont erweitern. Viele SeniorInnen sind bereit und in der Lage, dafür finanzielle Mittel aufzuwenden.

Seniorenbildung ist in Stadt und Landkreis Göttingen geprägt durch viel-fältige Angebote. Sie reichen von Gehirnjogging und mentalem Training über Rhetorik-Angeboten für Ehrenamtliche bis hin zu Hardangerkursen. Angeboten werden sie von Weiterbildungsträgern, Kirchen, Umweltver-bänden, Parteien, Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften.

Die Universität des Dritten Lebensalters Göttingen (UDL) organisiert seit 1995 die wissenschaftliche Weiterbildung Älterer in Göttingen, zuerst als Teil der “Altenakademie” und seit Wintersemester 2001/2002 als ge-meinnütziger Verein. Die UDL ist vertraglicher Kooperationspartner der Georg-August-Universität. Sie wendet sich an Menschen über 50 Jahre mit und ohne Abitur, die an Lehre und Forschung der Universität Göttingen interessiert sind und ein offenes Studium aufnehmen wollen. Schon im Wintersemester 2002/2003 nahmen 430 Menschen zwischen 50 und 90 Jahren die Angebote der Universität des Dritten Lebensalters wahr.��0

Aus dem Veranstaltungsangebot der Georg-August-Universität wählt der Hörerrat rund 60 Vorlesungen aus. Diese Veranstaltungen besuchen die Teilnehmer der UDL zusammen mit den regulären Studierenden der Uni-versität Göttingen. Die Fächerauswahl erstreckt sich von der Archäologie über die Philologien, Kunst, Geschichte, Philosophie und Theologie bis zu Geographie, Jura und Politik. Hinzu kommen die Medizin und die natur-wissenschaftlichen Fächer wie Physik, Biologie und Psychologie.

Zusätzlich zu den Universitätsveranstaltungen hat die UDL ein eigenes wissenschaftliches Programm entwickelt. Es besteht in jedem Semester aus 10–15 Seminaren, die zum Teil von Nachwuchswissenschaftlern ge-leitet werden. Unter der Anleitung der Dozenten erarbeiten die UDL-Teil-nehmerInnen Fragestellungen aus Theologie und Literaturwissenschaft, aus Geschichte, Kunstgeschichte, Musik und Philosophie. Hinzu kommen Veranstaltungen in den Bereichen Sport und Sportberatung. Im Rahmen der UDL finden auch Einführungen für neue Mitglieder sowie Seme-sterauftakt- und -abschlussveranstaltungen statt, in deren Mittelpunkt wissenschaftliche Vorträge stehen.���

Seit Jahren steigt die Zahl der Senioren-Studenten an deutschen Hoch-schulen. Mehr als 20.000 Hochschüler hierzulande sind schon zwischen 60 und 70 Jahre alt, fast 10.000 sogar noch älter. Vielerorts drängen inzwi-schen so viele ältere Semester in die Hörsäle, dass es sogar zu Reibereien

190 http://www.uni-goettingen.de/de/kat/12493.html191 http://www.uni-goettingen.de/de/kat/12495.html

senIorenbIlDung

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mit den eigentlichen, den jungen Studenten kommt: „Sie nehmen jungen Studenten die vorderen Plätze weg und führen gerne Privatunterhaltungen mit dem Professor.“

Der Bildungshunger der älteren Generation ist also groß. „Die damit ver-bundenen Chancen aber werden noch nicht genug erkannt“, sagt Paul Wolters, Gesundheitswissenschaftler von der Universität Bielefeld und Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für universitäre Studien der Senioren (EZUS).��� In deren bundesweit ersten Senioren-Uni im lippischen Horn-Bad Meinberg haben sich seit dem 17. August 2006 25 Studenten im Alter von über 50 Jahren für das zweijährige Studium eingeschrieben. Das Angebot umfasst ein in sechs Trimester gegliedertes Studium generale mit Themen etwa aus Politikwissenschaften, Theologie, Medizin, Kunst, Musik, Literatur und Geschichte. In Bielefeld angesiedelt ist von 2007 an ein Studium zum „Senior Consultant“, das Mitarbeiter von Betrieben und Einrichtungen in der spätberuflichen Phase für die Übernahme neuer Aufgaben qualifizieren soll. Der Studiengang „Bürgerschaftliches Enga-gement“ ist noch in der Aufbauphase.���

Neben dem Kreis Ostwestfalen-Lippe und der Stadt Bad Meinberg ist auch die regionale Wirtschaft an der Bildungseinrichtung beteiligt; vom Land Nordrhein-Westfalen kam eine Anschubfinanzierung. Professoren und Dozenten der Universität Bielefeld garantieren für den wissenschaftlichen Anspruch der Senioren-Studien, inklusive Abschlussprüfung und Zertifikat. Die Studiengebühren betragen 400 Euro pro Trimester, also 1.200 Euro pro Studienjahr.���

Die Vermittlung von Bildung ist Wertschöpfung und damit ein relevanter Aspekt in der Regionalwirtschaft. Die Qualifikation von SeniorInnen steht im Zusammenhang mit der Profilierung der Region Göttingen unter der Dachmarke “geniusgöttingen“ und ist damit Ausdruck der Wissensorien-tierung des Standorts. Denkbar ist es, eine Verbindung herzustellen, der Nutzung von Bildungsangeboten und der Gestaltung von touristischen Pauschalangeboten zu entwickeln. Insofern kann der Bildungsaspekt für Ältere auch beschäftigungsrelevant und zu einem wichtigen Gestaltungs-feld der Seniorenwirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen werden.

192 SZ vom 9. August 2006: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/373/82291/193 http://focus.msn.de/wissen/campus/studium_nid_33356.html194 SZ vom 9. August 2006: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/373/82291/

Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft

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8 perspektIvender

senIorenWIrtschaft

Die Senioren-Generation kann für die Wirtschaft ebenso attraktiv wie rentabel sein, vorausgesetzt, das bislang von Werbeteams��� gepflegte traditionelle Image der Zielgruppe (“alt“, “beige“, “zerbrechlich“) wird aufgegeben. Der Zukunftsmarkt der neuen Senioren ist nicht nur eine Sparversion des Jugendmarktes, sondern etwas völlig Neues: Er bedeutet eine eigene Anspruchs- und Erlebniswelt. Die neuen Senioren wollen keine Inlineskates mit Stützrädern, sondern bezahlbare Sinn- und Serviceange-bote rund um die Uhr.

Die Wachstumsmärkte sterben also auch in Zukunft in der älter werdenden Gesellschaft nicht aus. Ganz im Gegenteil: Ohne die ältere Generation müssten Gartencenter und Heimwerkermärkte schließen, die Ärzte, Apotheker und Gesundheitsdienste um ihre Existenz bangen, verlören Zeitungsverlage, Konzerthäuser und Theater ihre wichtigsten Abonnenten, stünden leer stehende Kirchengebäude zur Disposition und hätten Sport-vereine keine Zukunft mehr, weil Ehrenämter unbesetzt blieben.

Horst Opaschowski spricht zu Recht davon, dass höheres Alter zu stei-genden Qualitätsansprüchen an das Leben führt.��� Er bezieht das insbe-sondere auf Umfang und Qualität von Dienstleistungen. „Wer in Zukunft von dem prognostizierten 175-Milliarden-Euro-Markt partizipieren will, muss sich ihren Bedürfnissen anpassen und eine doppelte Dienstleistung erbringen: Den erworbenen Lebensstandard (z. B. durch Spareinlagen, Versicherungen, Aktien oder Immobilien) sichern und zugleich die ganz persönliche Lebensqualität durch Kulturangebote, durch Gesundheits-dienste und Reiseservice verbessern helfen. Statt Glanz und Glamour sind Atmosphäre und Ambiente erwünscht; statt Fitness, Sun und Fun eher Sinn, Vitalität und Lebensfreude.“ Die Perspektiven der Seniorenwirtschaft sollen hier verkürzt in Form von Thesen fokussiert werden:

Innerhalb der Zielgruppe löst der Begriff „Senioren“ vielfach Wider-stand aus. Das liegt an der vielschichtigen Altersspannbreite, die in Jungsenioren, Senioren und Hochbetagte bzw. Alte unterteilt werden können. Wer sich diese Zielgruppen erschließen will, muss sie indivi-duell ansprechen.

Das einheitliche Bild vom „gebrechlichen, kranken Alten“ entspricht nicht mehr der Realität. Viele der allein oder mit Partner/-in lebenden „Senioren“ sind fit und relativ mobil.

Die derzeitige „Senioren“-Generation ist in Teilen finanziell gut ausge-stattet und geprägt durch das Selbstverständnis: Wir stehen (immer noch) mit beiden Beinen in der Gesellschaft. Eine Reduktion z. B. von

195 die im Durchschnitt jünger als 30 Jahre sind 196 Horst Opaschowski (2005): “Wir werden es erleben. Zehn Zukunftstrends für unser Leben von morgen“, Darmstadt.

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Eintrittsgeldern wird von manchen SeniorInnen als ungerecht, nicht passend empfunden. Es besteht bei ihnen die Bereitschaft, für Dienst-leistungen auch zu bezahlen.

Dienstleister im Landkreis Göttingen sind nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von SeniorInnen eingestellt. Beispiele wie die des erfolg-reichen Malermeisters aus NRW („Sie fahren in den Urlaub, wir reno-vieren in der Zeit Ihre Wohnung, Sie vermeiden Unannehmlichkeiten“), also Dienstleistungen aus einer Hand, die den Alltag erleichtern, könnten auch im Landkreis Göttingen und insbesondere in Orten mit entsprechender Altersstruktur Schule machen.

Ältere Menschen haben andere Zeitrhythmen, sie sind langsamer, be-nötigen mehr Zeit. Das führt mit steigendem Anteil älterer Menschen zu immer ausgeprägteren parallelen Zeit-Welten. Unternehmen sind weder im Umgang mit ihren eigenen, älter werdenden Mitarbeitern noch im Umgang mit älteren Kunden ausreichend darauf eingestellt. Das bisherige Credo der Wirtschaft „Zeit ist Geld“ muss für diese Ziel-gruppe umgewandelt werden in „Zeit geben ist Geld“. Unternehmen sind hier doppelt (nach innen und nach außen) gefordert.

Je jünger und (geistig, körperlich) fitter die SeniorInnen sind, umso weniger fühlen sie sich als solche und sind entsprechend auch wenig für sog. seniorengerechte Angebote zu erreichen. Ältere hingegen, die bereits körperliche Einschränkungen erfahren haben, setzen sich stärker mit Themen wie „altersgerechtes Wohnen“ auseinander.

Bedürfnisse Älterer können für Unternehmen eine wichtige „Scout-Funktion“ haben (Anwenderfreundlichkeit von Geräten, Verständlichkeit von Gebrauchsanweisungen). Konkret bedeutet das, weniger spezielle Angebote für Ältere zu konzipieren (Seniorenkaufhaus, „Seniorenvi-deorekorder), sondern sie vielmehr so zu gestalten, dass Ältere sie mühelos nutzen können. Davon profitieren auch Jüngere.

Diese Thesen wurden während der narrativen Gesprächsrunde mit dem Kreisverband Göttingen der Senioren-Union vom 31. August in Rosdorf diskutiert. Die meisten Thesen trafen auf Zustimmung. Unterschiedliche Einschätzungen gab es zum Altersbegriff und zur Einschätzung der Kauf-kraft von SeniorInnen. Mehrere DiskussionsteilnehmerInnen forderten, statt von Senioren von „älteren Menschen“ oder „50plus“ zu sprechen, mit dem Begriff „alt“ nur Menschen zu bezeichnen, die mindestens das 70. Lebensjahr überschritten haben und zwischen den verschiedenen Altersgruppen stärker zu differenzieren. Es wurde auch deutlich gemacht, dass man finanziell nicht unbedingt gut ausgestattet sein muss, um mit beiden Beinen im Leben zu stehen. Andererseits gebe es heute auch schon viele Ältere mit erheblichen finanziellen Problemen. Damit wurde die Einschätzung der Autoren der Studie bestätigt, dass sich der Alters-begriff und die Altersbilder in der Gesellschaft tief greifend verändern. Klar wurde auch, dass sich die SeniorInnen nicht in erster Linie als Kon-sumentengruppe verstehen, sondern den (berechtigten) Anspruch haben, in ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Leistungen gesellschaftlich Anerkennung zu finden.

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Perspektiven der Seniorenwirtschaft

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9 QualIfIzIerungund

beratung

Im Rahmen dieser Studie wurde der Frage nachgegangen, ob es im Bereich der Seniorenwirtschaft Potenziale für Existenzgründungen von Menschen 50plus gibt – so z. B. für den Bereich der ambulanten Pflege oder das Handwerk. Analysiert wurden Anregungen und gute Beispiele, die sich im Landkreis Göttingen umsetzen ließen. Voraussetzung hierfür sind jedoch Beratung und geeignete Qualifikationen.

Weiterbildung für das Handwerk

Die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen hat sich als fester Kooperationspartner der Düsseldorfer Initiative WiA angeschlossen. Da-durch wird es sowohl Senioren als auch dem Handwerk im Landkreis Göt-tingen erleichtert, ein qualifiziertes Angebot im Bereich des altengerechten Wohnens zu identifizieren bzw. umzusetzen. Verschiedene Kurse und Fernlehrgänge, ein Branchenführer sowie eine Seminarreihe zur gezielten Weiterbildung werden entweder in Kooperation mit der Kammer Düssel-dorf (bzw. dem Handwerkszentrum WiA in Oberhausen direkt) angeboten oder als Kopie für den Kammerbezirk Hildesheim übernommen. Sie sind somit auch für Handwerker des Landkreises Göttingen leicht zugänglich. Älteren Menschen und anderen Interessierten wird auf diese Weise ein Überblick über die Handwerksbetriebe gegeben, die “vor Ort” speziell auf die Bedürfnisse von Senioren abgestimmte Produkte und Dienstlei-stungen anbieten. Insofern ist ein Branchenführer auch als wertvolles Marketinginstrument für die gelisteten – und damit auch erwiesenermaßen qualifizierten – Betriebe zur Gewinnung privater und gewerblicher Kunden zu verstehen. Durch eine umfassende Qualifizierung auf technischem, medizinischem, gestalterischem und betriebswirtschaftlichem Gebiet können den Kunden komfortable und kostengünstige Modernisierungs-maßnahmen empfohlen werden, die auf die besonderen Bedürfnisse Äl-terer abgestimmt sind. Darüber hinaus ist geplant, ein Kompetenzzentrum einzurichten und die Vernetzung mit anderen qualifizierten Anbietern und Nachfragern seniorengerechter Angebote voranzutreiben.

Qualifizierung in der Altenpflege

Aus der Perspektive der Altenpflege hat sich das Bild vom Alter in den letzten Jahren verändert. Viele ältere Menschen kümmerten sich aktiv um das Thema “Alter“, lassen das Altern nicht mehr bloß “mit sich geschehen“. Am meisten Handlungsbedarf bzgl. Lebens- und Versorgungssituation älterer Menschen im Landkreis Göttingen sehen AusbilderInnen darin, wohnortnahe Projekte zu schaffen.��� Dies sei gerade im ländlichen Bereich von großer Bedeutung. Mehrgenerationenhäuser seien wichtig, auch in den kleinen Dörfern. Die Einsamkeit spiele in den Städten eine größere

197 Gespräch mit Silke Saathoff am 7. Juni 2006

QualIfIzIerung fÜr Den ersten

arbeItsmarkt

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Rolle als auf dem Land, da weniger Verwandtschaft und Nachbarschaft vorhanden sei. Deshalb sei auch im städtischen Bereich das Engagement wichtig, um der Einsamkeit entgegenzuwirken.

Während der Altenpflegeberuf in seinen Anfängen bis in die 1960er- und 1970er-Jahre noch stark von sozial-pflegerischen Aufgaben geprägt war, gewannen aufgrund der demographischen Entwicklung und der damit einhergehenden Veränderung des Pflegebedarfs zunehmend medizinisch-pflegerische Aufgaben an Bedeutung. So beobachtet der Deutsche Berufs-verband für Altenpflege (DBVA) e. V. eine zunehmende dementielle Verän-derung bei Pflegebedürftigen – bis zu 70 Prozent der Bewohner in Heimen seien betroffen –, was einen deutlichen Schwerpunkt der Pflegenden in der geriatrischen und gerontopsychiatrischen Pflege erfordert.���

Mit den Gesetzen über die Berufe in der Altenpflege sowie zur Änderung des Krankenpflegegesetzes ist eine bundeseinheitliche Ausbildung in der Altenpflege vorgesehen. Damit soll die gesellschaftliche Anerken-nung dieses Berufsstandes verbessert werden. Die Berufsbezeichnung „Altenpflegerin“ bzw. „Altenpfleger“ ist geschützt. Begründet wurde die Verlagerung der Zuständigkeit ebenfalls mit den Veränderungen des Be-rufsprofils der Altenpflege. So konnten auch Entwicklungen in zentralen Bezugswissenschaften, insbesondere in der Pflegewissenschaft und der Gerontologie, Eingang in die Neuregelung des Altenpflegeberufes finden.

Die Pflege soll

die Kompetenzen alter Menschen (körperliche Funktionsfähigkeit, kognitive Leistungsfähigkeit, psychosoziale Kompetenz) erhalten helfen,

Persönlichkeit, Würde, und Eigenarten alter Menschen respektieren und Verletzung von Privatheit und Intimsphäre vermeiden,

sich den Zielen einer kontinuierlichen und umfassenden Versorgung verpflichtet fühlen und deshalb mit anderen Berufsgruppen und mit verschiedenen Einrichtungen intensiv kooperieren,

sich fortlaufend qualifizieren, um die neuesten Erkenntnisse über erfolgreiche Betreuung und fördernde Unterstützung anwenden zu können,

Mittel und Formen der Arbeitsorganisation wählen, die für die Pflege und Behandlung alter Menschen erforderlich sind,

Klienten und deren Angehörige als Kooperationspartner sehen, die ein Recht auf Selbstbestimmung und unabhängige Entscheidung haben.���

198 http://www.dbva.de/179.0.html199 http://www.dbva.de/179.0.html

Qualifizierung und Beratung

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Wer Altenpflege erlernen möchte, muss gesundheitlich geeignet sein und über einen Realschulabschluss oder über einen als gleichwertig anerkannten Bildungsabschluss verfügen. Ein Mindestalter gibt es nicht. Die Altenpflegeausbildung besteht aus schulischen und praktischen Ele-menten und dauert drei Jahre. Ziel der Ausbildung ist die Fähigkeit zur selbstständigen, eigenverantwortlichen und ganzheitlichen Pflege ein-schließlich der Beratung, Begleitung und Betreuung alter Menschen.�00

Während AltenpflegehelferInnen Grundtätigkeiten ausüben, übernehmen AltenpflegerInnen auch Tätigkeiten im medizinischen Bereich. Arbeitsplatz-bedarf und Arbeitsplatzsicherheit mindestens im stationären Bereich sind hoch; hoch ist allerdings auch die psychische und physische Belastung am Arbeitsplatz – während die Bezahlung eher steigerungsbedürftig erscheint. Während früher die Ausbildung zur Altenpflegerin eine reine Umschulung war, gibt es jetzt viele junge Menschen, die direkt nach der Schule eine Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen. Die Altersspanne der Auszubildenden liegt zwischen 17 und 50 Jahren. Im ambulanten Bereich einen Ausbildungsplatz zu finden ist angesichts der Kostenbelastung für den Ausbildungsbetrieb eher schwierig. Deshalb sind meist Alten- und Pflegeheime Anstellungsträger.

Kritisch steht der Deutsche Berufsverband für Altenpflege e. V. der Be-schäftigungsförderung in der Altenpflege gegenüber: „Ob Green-Card, schwer erziehbare Jugendliche oder Langzeitarbeitslose, die Pflege im Allgemeinen und die Altenpflege im Besonderen scheint in den Augen von Politikern das Entsorgungsfeld für vermeintliche Problemfälle!“�0� Der DBVA sieht durchaus Beschäftigungs- und Ausbildungsbedarf.�0� Poten-zial wird in der Umschulung von persönlich motivierten und geeigneten arbeitslosen Menschen gesehen. Langzeitarbeitslose als 1-Euro-Arbeits-kraft hätten dagegen nur unter bestimmten Bedingungen auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Perspektive.�0�

Durch die Kürzung der SGB-III-Förderung zum 1. Januar 2005 werden Berufe wie die Altenpflege nur noch zwei Jahre gefördert. Das dritte Aus-bildungsjahr muss von den Auszubildenden selbst finanziert werden. Für die Auszubildenden wie auch für die Schulen bedeutet das große Unsicher-heit in der Planung. Der DBVA macht sich daher für eine weitergehende dreijährige Förderung durch die Agenturen für Arbeit stark.�0� „Es entsteht eine paradoxe Situation. Obwohl die Pflegebedürftigkeit quantitativ wie auch bedingt durch Multimorbidität (also qualitativ) zunehmen wird, setzt der Staat ein gegenteiliges Zeichen und sorgt dafür, dass ein erneuter Pflegenotstand vorprogrammiert ist!“

Ausgebildet wird z. B. durch Arbeit und Leben Süd in Göttingen. Die Aus-bildung erfolgt in den Berufsfachschulen Altenpflege und Altenpflegehilfe sowie in der Weiterbildungsstätte für Pflegekräfte. Neben einer Ausbildung zum/zur Altenpfleger/-in oder Altenpflegehelfer/-in können auch verschie-dene Abschlüsse orientierte Weiterbildungen besucht werden, wie z. B.

200 http://www.altenpflegeschueler.de/ausbildung/index.php201 http://www.dbva.de/182.0.html202 http://www.dbva.de/289.0.html203 http://www.dbva.de/182.0.html204 http://www.dbva.de/289.0.html

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„Praxisanleiter/-in in der Pflege“ oder „Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege“. Außerdem bearbeitete Arbeit und Leben im Sommer 2006 zwei EU-geförderte Qualifizierungsprojekte.�0� Eines dieser Projekte ist GerontoCare. Angeboten werden hier unter anderem eine Fortbildung zum/zur Alltagsbegleiter/-in in der Betreuung von Menschen mit Demenz sowie eine Weiterbildung in Gerontopsychiatrie.�0�

Weiterbildung für das Management

Einer der Vorreiter in der Weiterqualifizierung für die Zielgruppe 50plus ist der schriftliche Management-Lehrgang in neun Lektionen „Zielgrup-pe 50plus“. Der Kurs wird vom EUROFORUM-Verlag durchgeführt, der über große Erfahrungen mit vergleichbaren Kursen verfügt.�0� Er ist von kompetenten Partnern entwickelt worden und wird von ausgewählten, praxiserfahrenen Referenten und Autoren durchgeführt. Dieser Lehrgang könnte auch für die Ausbildung von arbeitslos gewordenen Führungskräf-ten hilfreiche Anregungen bieten.

Der schriftliche Lehrgang Zielgruppe 50plus wurde von der Redaktion von Seniorenmarkt.de entwickelt.�0� Elf Autoren zeigen anhand zahlreicher Praxisbeispiele das Potenzial des Zukunftsmarktes ältere Generation auf. Referenten und Autoren informieren über Themen aus Wirtschaft, Wis-senschaft und Verwaltung. Der schriftliche Management-Lehrgang ist ein Weiterbildungsprodukt der Euroforum Verlag GmbH, das zeit- und ortsun-abhängiges Lernen in komprimierter Form ermöglicht. Praxisbeispiele aus Handel, Banken, Versicherungen und dem Heilmittel-Sektor geben einen Einblick in erfolgreiche Strategien zur Gewinnung der Zielgruppe 50plus.

Der Lehrgang ist konzipiert für Leiter und leitende Mitarbeiter aus Marke-ting und Vertrieb, Produktmanagement und Entwicklung, Werbung, Innova-tionsmanagement, Zielgruppen- und Marktforschung, Brandmanagement, Kommunikation, Strategieentwicklung/Unternehmensplanung aus Unter-nehmen aller Branchen sowie Geschäftsführer und Führungskräfte aus Agenturen und Unternehmensberatungen, die in diesem Geschäftsfeld aktiv sind.

Jede Woche erhalten die Teilnehmer eine Lektion, die im persönlichen Lerntempo bearbeitet werden können. Die Lektionen sind didaktisch so gestaltet, dass die Inhalte selbstständig erlernbar sind. Am Ende jeder Lektion kann das erworbene Wissen anhand von Übungsaufgaben über-prüft werden, wobei die Lösungen jeweils mitgeliefert werden. So kann der Lernerfolg selbst kontrolliert werden. Zum Abschluss des Lehrgangs wird ein Teilnahmezertifikat ausgestellt.

205 http://www.arbeitundleben-nds.de/typ/html/206 http://www.geronto-care.de/gc.htm207 http://www.euroforumverlag.de/senioren208 Die fachliche Leitung haben Dr. Gundolf Meyer-Hentschel vom Meyer-Hentschel Institut Saarbrücken und Dipl.-Kfm. Alexander Wild, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Feierabend Online Dienste für Senioren AG in Frankfurt am Main inne.

Qualifizierung und Beratung

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Aus einer Studie “Existenzgründungen und Gründungshemmnisse in Süd-niedersachsen sowie daraus abzuleitende Handlungsbedarfe“ geht hervor, dass immer mehr ältere Arbeitslose versuchen, sich selbstständig zu machen. Dies lässt sich vermutlich auf darauf zurückführen, dass ältere Ar-beitslose bei der Situation auf dem Arbeitsmarkt größere Schwierigkeiten haben, eine abhängige Beschäftigung zu finden und aus diesem Grunde verstärkt eine Zukunftsperspektive in der Selbstständigkeit suchen.�0�

Für den Erfolg einer Existenzgründung ist die berufliche Erfahrung einschließlich einer genauen Marktkenntnis ausschlaggebend. Unter-suchungen haben ergeben, dass die Existenzgründung aus der Arbeits-losigkeit heraus schwierig ist.��0 Von den erfolgreichen Gründern war demgegenüber nur die Hälfte vor der Gründung arbeitslos. Offenbar, so vermuten die Autoren der Studie, stellen die mit der Arbeitslosigkeit ver-bundenen Einschränkungen bei der Bildung von Kapital, der Sammlung von Berufserfahrung sowie der Herstellung von Kundenkontakten ein gravierendes Manko dar.

Oftmals mangelt es an Wissen über Fördermaßnahmen. Im Rahmen der gemeinsamen Initiative „Start points“ der Wirtschaftsförderung Region Göttingen (WRG GmbH) des Landkreises Göttingen und der Stabsstelle Wirtschaftsförderung und Regionalplanung des Landkreises Northeim erfolgt eine individuelle Existenzgründungsberatung. Besondere Bera-tungsdienstleistungen für Jung-Senioren gibt es nicht. Der Verein zur Erschließung neuer Beschäftigungsformen (VEBF e.V.) bietet seit über zwanzig Jahren Existenzgründungsberatung in Göttingen an.��� Das Ange-bot richtet sich an arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Frauen und Männer sowie Menschen in beruflichen Umbruchphasen.

Nach Einschätzung des VEBF bietet eine Existenzgründung Quereinstei-gern und älteren Menschen eine Chance, ihre Erfahrungen und Qualifi-kationen beruflich zu nutzen bzw. einzubringen. Der VEBF widerspricht der These, dass durch den demographischen Wandel in der Senioren-wirtschaft in größerem Umfang Stellen für Menschen ab 50 geschaffen werden können.��� Auch der regionale Markt sei hier schwierig. Es gebe zwar immer wieder Anfragen, die sich auf Dienstleistungen für Menschen ab 50 beziehen, diese Vorhaben seien aber oft von Fehleinschätzungen hinsichtlich der Marktchancen geprägt. Im Produktbereich sowie im Handel seien kaum Potenziale vorhanden. Im Bereich der haushaltsnahen Dienst-leistungen sei die Nachfrage zu gering. Im Produktbereich sowie im Handel sind zwar grundsätzlich vielfältige Potenziale vorhanden, diese besitzen jedoch keine regionale Relevanz, da kaum eine Bereitschaft besteht, für die Leistungen auch etwas zu bezahlen.

Besondere Schwierigkeiten bereiten Existenzgründungen im Bereich hö-herwertiger Dienstleistungen. Auf den Märkten sind kaum noch Nischen vorhanden, der Verdrängungswettbewerb hat längst begonnen.

209 Beyeler, Jörg et al. (2000): “Existenzgründungen und Gründungshemmnisse in Südniedersachsen sowie daraus abzuleitende Handlungsbedarfe. Eine arbeitsmarktpolitische Studie der Beratungsstelle MOBIL im Amt für Beschäftigungsförderung“, Stadt Göttingen. Göttingen, S. 141.210 Ebd.211 http://www.vebf.de/212 Gespräche mit dem Geschäftsführer Dr. York Winkler im Juli und August 2006

exIstenz- grÜnDungs-

beratung

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Nach Erfahrung der Existenzgründungsberatung MOBIL der Beschäf-tigungsförderung Göttingen haben viele Menschen aus der Zielgruppe 50plus hohes Interesse an Existenzgründungen, nur wenige wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. Insbesondere vielen ALG-II-Empfängern fehlten Basisqualifikationen wie EDV-Kenntnisse, Sprachkenntnisse oder das für die Existenzgründung unbedingt nötige unternehmerisches Denken, darüber hinaus haben sie per se weniger Förderungsmöglich-keiten.���

Neben den genannten Institutionen, Banken und Sparkassen, der Indus-trie und Handelskammer, sowie weiteren Initiativen (u. a. Gründungen aus Hochschulen) arbeiten frühere Führungskräfte aus Wirtschaft, Wis-senschaft und Verwaltungen nach Abschluss ihrer Berufsphase in der Existenzgründungsberatung.

So haben der bisherige Beauftragte des Vorstands für Qualitätsmanage-ment bei der TÜV-Gruppe Nord, der 66-jährige Rolf Schüler, sowie das 64-jährige Ex-Vorstandsmitglied der Einbecker KWS Saat AG, Jochen Beyes, mit vier weiteren Managern im Jahr 2006 den “Manager Senior Service“ gegründet. Das Team berät Mittelständler im Kammerbezirk der IHK Han-nover. Zielgruppe sind kleinere und mittlere Unternehmen, die wachsen können, und mittelständische Unternehmen, die ins Trudeln geraten sind. In Phasen starken Wachstums kämen Geschäftsführer von KMU häufig nicht dazu, konzeptionell zu planen. Auch das Abgeben von Kompetenzen werde Unternehmern häufig zum Verhängnis, ebenso zu geringe Kennt-nisse in den Bereichen Marketing, Finanzen und Vertrieb.���

Der Management Senior Service deckt mit seinem Angebot alle wichtigen Managementbereiche ab. Die Hälfte seiner Einnahmen geht an soziale Einrichtungen, die sich um den benachteiligten Nachwuchs kümmern, oder sie kommt kulturellen Zwecken zugute. Die beratenen Unternehmen spenden direkt an die gemeinnützige Einrichtung ihrer Wahl. Der einzelne Berater wirkt im Netzwerk als Coach und bietet seinen Erfahrungsschatz, seine Kenntnisse und seine Kontakte.���

Mehr als 30 ehemalige Vorstandsmitglieder, Unternehmer und leitende Angestellte aus Wirtschaft und Verwaltung haben sich als Wirtschafts-Senioren Hannover e.V. zum Ziel gesetzt, ihre Berufs- und Lebenserfahrung an die nächste Generation weiterzugeben.��� Die Berater kommen aus den verschiedenen Branchen und Bereichen. Sie kennen sich durch ihren ehemaligen beruflichen Alltag mit Problemen der wirtschaftlichen und personellen Fragen gut aus. Sie sind unabhängig und ehrenamtlich tätig. Verwaltungskosten werden in Rechnung gestellt. Der Verein wurde als erster seiner Art 1981 in Hannover gegründet und hat als Vorbild in ande-ren Regionen zu ähnlichen Gründungen geführt. Ein weiteres Beispiel für ehrenamtliche Existenzgründungsberatung ist der Bremer Senior Service e.V., Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Alt hilft Jung e.V.��� Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Führungskräften, die nach einem erfolgreichen Berufsleben aus der aktiven Tätigkeit ausgeschieden sind.

213 http://www.beschaeftigungsfoerderung-goettingen.de/content/existenz_mobil.php214 Niedersächsische Wirtschaft, IHK-Zeitung Juni 2006215 Kontakt: IHK Hannover, Christian Treptow, 0511/3107411216 Wirtschafts-Senioren Hannover - Alt Hilft Jung e.V., Vahrenwalder Straße 7, 30165 Hannover, Tel. 0511/9357310, Fax 0511/9357311, http://www.wirtschafts-senioren.de, [email protected] http://www.existenzgruendung-bremen.de/index_15.php

Qualifizierung und Beratung

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10 handlungsempfehlungen

Viele Arbeitswissenschaftler behaupten, dass neue Produkte und Dienst-leistungen, die speziell auf die Bedürfnisse Älterer ausgerichtet sind, auch Beschäftigungsmöglichkeiten für die Generation 50plus schaffen. Tenor: Ältere lassen sich am liebsten von Älteren bedienen. Diese optimistische Einstellung kann die Studie, wie oben dargestellt, nicht verifizieren. Durch neue Angebote entstehen kaum Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere – und wenn in direkter Form überhaupt, dann vorwiegend in prekären Arbeitsverhältnissen wie etwa bei den 400-Euro-Jobs. Wenn zusätzliches Personal durch das Angebot neuer Produkte oder Dienstleistungen be-nötigt wird, profitieren davon in erster Linie die unter 50-Jährigen. Den-noch bieten die im Folgenden dargestellten Handlungsempfehlungen beschäftigungsrelevante Vorschläge für eine zukunftsorientierte Senio-renwirtschaftspolitik.

Angesichts der finanziellen Situation der Kommunen lag die zentrale Ar-beitsthese vor Beginn der Bearbeitung der Studie darin, keine zusätzlichen öffentlichen Angebote anzuregen. Diese Festlegung konnte nicht konse-quent durchgehalten werden. Es hat sich gezeigt, dass die Kommunen in der Seniorenpolitik als Moderatoren und Initiatoren wichtig sind. Es sollte deshalb geprüft werden, ob vorhandene Personalkapazitäten in den Kommunalverwaltungen für diese Aufgabe umgewidmet werden können, ob neues Personal erforderlich ist oder ob die Aufgabenwahrnehmung regional gemeinsam, z. B. im Rahmen geeigneter bestehender Instituti-onen, organisiert werden kann.

Die Umfragen unter Verantwortlichen von Kommunalverwaltungen haben ergeben, dass es eine auf die Altersgruppe 50plus abgestellte Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung in den kreisangehörigen Städten und Ge-meinden bislang so gut wie nicht gibt.��� Die Hauptverwaltungsbeamten verweisen in ihren Stellungnahmen auf die Förderprogramme des Land-kreises, dort insbesondere auf das Projekt „50plus – Erfahrung zählt!“.

Beim Landkreis Göttingen bestand bis zum Jahr 2002 eine Seniorenbera-tungsstelle, die einen Teil der vorgeschlagenen Maßnahmen wahrgenom-men hatte. Nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) und der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO) umfasst der Begriff der Gleichstellung das Verhältnis der Geschlechter. Es ist deshalb nicht zuläs-sig, den Gleichstellungsbegriff in diesem Kontext auf die Gleichstellung der Generationen zu erweitern. Deshalb musste der Gedanke verworfen werden, eine Ausweitung der Aufgaben von Gleichstellungsbeauftragten vorzuschlagen. Es erscheint wichtig, das Thema Generationengerechtig-keit als Querschnittsaufgabe zu begreifen und in den Gemeinden eng mit den dort gegründeten Bündnissen für Familie zu verknüpfen.

218 Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland hält eine wirtschafts- und beschäftigungspolitische Initiative der 50plus-Generation für sinnvoll. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Staufenberg setzt sich für eine stärkere Berücksichtigung der Belange Älterer ein. Nach der Kommunalwahl hat er Mitte September 2006, wie angekündigt, die Initiative zur Gründung eines Seniorenbeirats ergriffen.

kommunen als Impulsgeber

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Besonders wichtig erscheinen die kommunalen Beiträge im Rahmen der im Mai 2006 gegründeten Landesinitiative für seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen. Die Kommunen können dazu beitragen, das Bild des Alters positiv zu transformieren, die Transparenz über seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen zu verbessern und die Erfahrungen Älterer für die Gesellschaft besser zu nutzen. Dazu gehört insbesondere auch die Stärkung des Selbstbewusstseins und sich für eigene und gesellschaft-liche Interessen einzusetzen. Die geplante Einrichtung eines Runden Tisches „Leben und Wohnen im Alter – Ambulant betreute Wohngruppen“ des Landkreises Göttingen kann ein erster Schritt sein. Der Kreistag hat im Mai 2006 die Verwaltung beauftragt, durch die Herausgabe eines „Senioreninfo Informationen für die Generation 60plus“ die Vielfalt der Angebote für Senioren im Landkreis darzustellen.

Da zu erwarten ist, dass der Wettbewerb um Fachkräfte und um Einwoh-nerInnen allgemein innerhalb Deutschlands und in der Europäischen Union an Schärfe zunehmen wird, sollten die Initiativen ausgeweitet werden. Stadt und Landkreis Göttingen können sich – möglichst in Kooperation mit den Landkreisen Osterode am Harz und Northeim – durch eine strategisch angelegte Bevölkerungspolitik im Wettbewerb der Standorte positionieren und profilieren.

Auch wenn die Kommunen nicht unmittelbar für mehr Beschäftigung in der Generation 50plus sorgen können, so haben sie doch die Chance, durch politische Diskurse und in enger Zusammenarbeit mit Unternehmern der Region zu einem Stimmungswechsel hin zu einem aktiven Umgang mit dem demographischen Wandel beizutragen. Seniorengerechtigkeit muss auch über die kurzfristige betriebswirtschaftliche Rentabilität hinaus gesehen werden. Städte und Gemeinden müssen lebenswert bleiben. Es dürfen keine Altenghettos entstehen. Die Verbesserung der Generationen-gerechtigkeit innerhalb des Landkreises Göttingen kann dazu beitragen, Fachkräfte anzuwerben und in Stadt und Landkreis zu halten.

Vor diesem Hintergrund wird die Prüfung folgender Projekte vorgeschla-gen:

Der Landkreis Göttingen schreibt einen Wettbewerb „Die senioren-gerechte Kommune“ aus. Wichtigste Zielsetzung ist es, zu einer Diskussion über die Frage anzuregen, was eine seniorengerechte Kommune auszeichnet. Dabei müssen unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Interessant sein dürfte die Diskussion in-nerhalb der Stadt- und Gemeinderäte, ob die jeweilige Kommune wirklich seniorengerecht sein möchte, ob sich diese Orientierung nur an die bisherigen BewohnerInnen richtet oder ob mit einem solchen Qualitätssiegel gezielt um (ältere) NeubürgerInnen gewor-ben werden soll.

Die kommunalen Wirtschaftsfördereinrichtungen motivieren im Rahmen eines Modellversuchs fünf unterschiedlich große Unter-nehmen aus verschiedenen Branchen, einen Demographie-Check durchzuführen. Dabei soll die „Demographie-Festigkeit“ des Un-ternehmens bzw. seiner Produkte getestet werden. Die „Demo-graphie-Festigkeit“ macht Aussagen dazu, inwieweit Produkte und

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Handlungsempfehlungen

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Dienstleistungen auch in einer weiter alternden Gesellschaft mit ihren sich verändernden Anforderungen einen positiven Beitrag zum Unternehmensergebnis leisten können.

Es wird eine Untersuchung über Motive und Umfang überregio-naler Wanderungsbewegungen in Auftrag gegeben. Dabei geht es um eine differenzierte Ursachen-/Wirkungsanalyse, möglichst differenziert nach Gemeindeebene, eine empirische Erfassung der Wanderungsmotive sowie die Identifizierung von Einflussfaktoren für Wanderungsbewegungen. Die Untersuchung soll insbesondere Aussagen darüber machen, welche Einflussmöglichkeiten Kommu-nen haben, um Zuzüge zu fördern und Wegzüge zu verhindern.

Ausgehend von dieser Untersuchung wird eine Initiative unter dem Arbeitstitel “In den Landkreis Göttingen der Enkel wegen“ gestartet. Angesprochen werden JungseniorInnen, deren Kinder im Stadt- und Landkreis Göttingen wohnen und eine Familie gegründet haben.

Die Vorsitzenden der Seniorenbeiräte der Städte und (Samt-)Gemein-den finden sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, in der ein Erfahrungsaustausch stattfindet und in der darüber hinaus z. B. Kooperationen für die Ausrichtung gemeinsamer Veranstaltungen konzipiert werden.

In Abstimmung mit IHK, Einzelhandelsverband und Citymarketing-Initiativen wird ein Alterssimulator (Age-Explorer) zum ganztägigen Einsatz in den Innenstädten von Göttingen, Duderstadt und Hann. Münden gemietet. Wie fühlt man sich mit 70? Um die fehlende Erfahrung junger Manager im Umgang mit den alltäglichen Pro-blemen älterer Menschen für einige Stunden zu kompensieren, hat Meyer-Hentschel Management Consulting in Saarbrücken den „Age Explorer“ entwickelt. Dabei handelt es sich um ein komplexes System. So werden mit einem Spezialvisier das veränderte Far-bensehen und die altersbedingten Veränderungen der Sehschärfe simuliert. Jüngere können dadurch das Sehvermögen im Alter und die Konsequenzen für die Wahrnehmung von Produkten erleben. Weitere Elemente simulieren nachlassende Kraft, eingeschränkte Beweglichkeit und reduziertes Hörvermögen. Der Age Explorer kann dazu beitragen, Verhalten gegenüber älteren Kunden, Produkten und Dienstleistungen zu verändern.

In Kooperation mit der Stadt Göttingen und möglichst mit einem privaten Veranstaltungsmanagement richtet jeweils eine kreisan-gehörige Kommune im Landkreis Göttingen jährlich einen Tag der älteren Generation aus. Nach den Vorbildern in Braunschweig (Juli 2006) und Bovenden (September 2006) handelt sich dabei um einen Mix aus Unterhaltung und Information. Motto: „Senioren gestalten die Zukunft!“ Gewerbliche Anbieter und Senioren-Organisationen stellen ihre Angebote und Produkte vor. Die Palette der Themen reicht von Möglichkeiten der aktiven Lebens- und Freizeitgestaltung über die Weiterbildung bis zur Pflege und Gesundheit. Auch Sport- und Weiterbildungsangebote, wie zum Beispiel Nordic-Walking, werden präsentiert. Erster Schwerpunkt kann das Thema Wohnen sein.

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Es wird ein Modellvorhaben mit der Zielsetzung gestartet, die Wohn-flächen nebeneinander liegende Häuser (z. B. auch durch Galerien) zu verbinden und für sie gemeinsam einen Fahrstuhl an der von der Straße abgewandten Gebäudeseite zu installieren. Die Kommunen prüfen baurechtliche Aspekte und sprechen in einem zweiten Schritt die infrage kommenden Hausbesitzer in geeigneter Form an. Aufgrund der Einkaufs- und Kommunikationsmöglichkeiten haben viele Ältere Interesse am Wohnen in Kernstädten. Vielfach ist der Zugang zu den Wohnungen aber erschwert. Insbesondere in Fach-werkstädten wie Duderstadt, Hann. Münden und den historischen Teilen der Stadt Göttingen ist es unter verschiedenen Aspekten, z. B. Denkmalschutz, bislang schwierig oder gar unmöglich, Fahrstühle in den Baubestand zu integrieren.

Die Internetportale von Stadt und Landkreis Göttingen werden um Seniorenplattformen mit folgenden Angeboten ergänzt: Beratung-sangebote, Wohnen im Alter, Finanzielle Leistungen, Übersicht über die bestehenden Pflege- und Altenheime, Pflegedienste und Einrichtungen des betreuten Wohnens (inkl. deren Leistungen und Kosten), Freizeit und Hobby, ehrenamtliches Engagement, Bildung, Veranstaltungen, rechtliche Betreuung, Senioreninitiativen, spezielle Themen, Altenhilfeplanung, Einkaufsführer, Reiseangebote und Naherholung, Berichte aus den Gemeinden und Ortsteilen, Links, Downloads und eine Möglichkeit zur Meinungsäußerung.���

Mit der Kommunalen Datenverarbeitung Südniedersachsen (KDS) und anderen Anbietern wird bezüglich barrierefreier Internetauftritte der Kommunen Kontakt aufgenommen. Den Kommunen kommt hier eine Vorbildfunktion zu.

Insbesondere in ländlichen Gebieten fällt es Initiatoren von Veran-staltungen und Reisen schwer, auf genügend Resonanz bei ihren Zielgruppen zu stoßen. Bei der Ankündigung solcher Initiativen wird darauf geachtet, dass die Informationen nicht nur über die jeweiligen Gemeindeblätter, sondern auch in den Nachbarorten vermittelt wer-den. Damit wird erreicht, dass Fahrten tatsächlich zustande kommen bzw. Veranstaltungen ausreichend besucht werden.

Kommunen regen bei Vereinen und Verbänden die Ausrichtung von fachspezifischen Vorträgen und Veranstaltungen an – z. B. zu den Themen Erben, Vererben und Vorsorgevollmacht. Trotz vielfältiger Angebote besteht hier noch erheblicher Informationsbedarf.

Gemeinsam mit der Vereinigung Alumni Göttingen e.V. werden Seni-orInnen, die früher in Göttingen studiert haben, auf Besuche in Stadt und Landkreis Göttingen angesprochen. Es wird ein touristisches Paket zusammengestellt, das den Ansprüchen dieser Zielgruppe entspricht.

219 Siehe beispielhaft http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/

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Handlungsempfehlungen

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Für Senioren gibt es ein vielfältiges Freizeitangebot – vom Fitness-studio bis zum Barfuß-Wanderweg in Nienhagen. Es wird deshalb empfohlen, in Abstimmung mit der Stadt Göttingen und in Koope-ration mit einem privaten Verlag einen Freizeitführer für Senioren herauszugeben. Es wird überprüft, ob dieser Freizeitführer an alle SeniorInnen des Landkreises verschickt werden kann.

Erstellt und versandt wird ein Informationsbrief an alle BürgerInnen, die 63 Jahre alt werden. Ähnlich wie das Seniorenbüro Braunschweig wird auf die verschiedenen Angebote für Senioren eingegangen, also auch auf Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Außerdem weist der Landkreis Göttingen auf die verschiedenen Fortbildungs- und Beratungsangebote für Senioren hin.

Nach dem Auszug von Kindern und dem Tod des Partners leben viele ältere Menschen in großen Wohnungen. Gleichzeitig fehlt es an bezahlbarem Wohnraum für Kinderreiche Familien. Es wird über-prüft, inwieweit eine Wohnungstauschbörse zum Ausgleich dieser Angebote beitragen kann.

Der Landkreis Göttingen regt bei geeigneten Initiatoren Fahrten zu Modellvorhaben, z. B. nach Großräschen (Brandenburg, Seni-orenkaufhaus), Braunschweig (kommunales Seniorenbüro sowie Senioreninitiativen), Herten (seniorenfreundliche Stadt) und nach Paderborn (Zentrum für Gerontotechnik) an.

In den Gemeinden werden Boule-Bahnen angelegt. Dazu ist es in erster Linie erforderlich, einen geeigneten Standort zu finden. Er sollte zentral liegen und Kommunikations- und Sitzmöglichkeiten eröffnen. Die Bahn muss ca. 15 Meter lang sein und aus verdich-tetem Sandboden bestehen. Es bietet sich an, für die Anlage einer solchen Boule-Bahn auch auf die Leistungen motivierter, fitter Se-nioren zurückzugreifen.

Wie dargestellt, ist das Wohnen im Alter ein vielschichtiges Thema mit verschiedenen Aufgabenfeldern und verschiedenen Zielgruppen. Die steigende Zahl älterer BürgerInnen erfordert von Handwerk, Wohnungs-wirtschaft und Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft neue Strategien. Es gibt eine Reihe baulicher Maßnahmen und technischer Hilfsmittel, die das Wohnen zu Hause erleichtern, die derzeit aber noch wenig verbreitet sind. Unter Stichworten wie “das intelligente Heim“ und “smarter Wohnen“ sind Produkte verfügbar, die mit relativ geringem finanziellen Aufwand die Wohnqualität bei eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit wesentlich verbessern können.

Im gewerblichen Bereich ist eine steigende Nachfrage nach seniorenge-rechtem bzw. barrierefreien Wohnraum zu verzeichnen, die vor allem in den hochpreisigen Segmenten gut befriedigt wird. Wohnungsgesellschaften und Bauträger sind zu weiten Teilen auf dieses wachsende Geschäfts-segment eingestellt. Allerdings bestehen im Bereich der preiswerten Angebote Defizite. Zur Steigerung der Kundenzufriedenheit sollten beste-

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HanDwerk unD woHnen

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hende Serviceangebote ausgeweitet werden: Eine gute Mieterbetreuung führt zu größerer Zufriedenheit, weniger Mieterfluktuation und stärkt die Konkurrenzfähigkeit der Anbieter.

Für das Handwerk entsteht eine Reihe relevanter Konsumtrends. Dazu zählen neben der Verschönerung und Verbesserung des Wohnumfeldes (seniorengerechtes und barrierefreies Wohnen), Sicherheit und Schutz so-wie Gesundheitsprodukte (Bio-Produkte, natürliche Baustoffe, Wohn-Well-ness), vor allem eine stärkere Serviceorientierung. Durch Spezialisierung auf Luxus- und Statusprodukte können sich Handwerksbetriebe auch auf Dienstleistungen spezialisieren, die sie SeniorInnen mit überdurchschnitt-lichem Einkommen anbieten.

Es wird hiermit vorgeschlagen, mit geeigneten Partnern ein Zentrum “Wohnen im Alter“ zu gründen. Kunden sind SeniorInnen, die ihre eigene Wohnung seniorengerechter gestalten oder in eine senio-rengerechte Wohnung umziehen wollen, Handwerksbetriebe, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Wohnen im Alter anbieten wollen und dafür Anregungen und Kooperationspartner suchen sowie die Wohnungswirtschaft. Das Göttinger Zentrum “Wohnen im Alter“ hat folgende Aufgaben:

Es stellt Transparenz her über die Projekte seniorengerechten Wohnens in Stadt und Landkreis Göttingen sowie in der ge-samten Region,

gibt einen Überblick über neue bauliche und technische Maßnahmen zur Verbesserung der Seniorengerechtigkeit von Wohnraum,

leistet in Abstimmung bestehender Angebote z. B. der Woh-nungswirtschaft Wohnungsanpassungsberatung für Senio-rInnen,

führt SeniorInnen zusammen, die gemeinsam neue Wohnpro-jekte planen und umsetzen wollen,

richtet Veranstaltungen aus und informiert in anderer Form (z. B. über eine Internetplattform) über Aspekte des Themas Wohnen im Alter,

berät Handwerksbetriebe (auch aufsuchend) über neue Pro-dukte und Dienstleistungen, die die Seniorengerechtigkeit von Wohnraum fördern,

fördert Kooperationen von Handwerksbetrieben mit dem Ziel, seniorengerechte Angebote „aus einer Hand“ zu gestalten,

arbeitet bei der Weiterentwicklung seiner Aufgaben eng mit Architekten bzw. der Architektenkammer sowie den Kommu-nen (insbesondere für die Aufstellung von Bebauungsplänen) zusammen,

sensibilisiert die Öffentlichkeit über die Bedeutung des Themas Wohnen im Alter.

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Handlungsempfehlungen

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Partner der Einrichtung sind Innungen, die Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen, die Handwerkskammer Hildesheim-Südnie-dersachsen, das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk der Universität Göttingen und die Architektenkammer. Ihr gemeinsames Interesse liegt darin, noch ungenutzte Auftragspoten-ziale zu identifizieren und im Interesse der Betriebe zu nutzen. Das Interesse der Sozialhilfeträger liegt darin, dass SeniorInnen so spät wie möglich in eine (teure) stationäre Pflegeeinrichtung wechseln. Beteiligt werden auch Wohnungsgesellschaften und andere große Vermieter. Ihr Interesse ist es, die langfristige Vermietbarkeit ihrer Wohnungen auch zu Zeiten des demographischen Wandels sicher-zustellen. Wichtige Herausforderung bei der Gestaltung dieses Angebots ist es, die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten so zu bündeln, dass eine klare Aufgabenstellung formuliert werden kann. Vorbild für das vorgeschlagene Göttinger Zentrum “Wohnen im Alter“ ist eine vergleichbare Einrichtung der Handwerkskammer Düsseldorf.

2. In Abstimmung mit der Handwerkskammer Hildesheim-Südnie-dersachsen wird eine Initiative „seniorenorientierte Weiterbildung“ für Handwerker gestartet. Sie umfasst Beratungsdienstleistungen für die Personalentwicklungsplanung (einschließlich der Weiterbildungs-planung, und altersgerechter Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung) von Handwerksbetrieben und die Schulung von Beschäftigten. Zielsetzung ist es, die Angebote der Handwerksbetriebe stärker an den Bedürfnissen von SeniorInnen zu orientieren und neue Mar-ketingansätze zu realisieren. Eine demographiefeste Arbeits- und Personalplanung bedingt eine permanente Weiterqualifizierung der älteren Mitarbeiter. Das verstärkte Einbinden erfahrener Beschäf-tigter in die Betriebsabläufe und das Aktivieren ihres Know-hows sind erste Schritte bei der Bewältigung des demographischen Wandels. Darüber hinaus besteht ein Bedarf an grundlegenden Bil-dungsangeboten, die die altersspezifischen Bedürfnisse und Anfor-derungen aufzeigen. Dazu gehört die Vermittlung von Verständnis für die Probleme, welche sich aus den verschiedenen geriatrischen Einschränkungen und Krankheitsbildern ergeben und auf die Leben-sumstände älterer Menschen einwirken. Diese Einsichten gilt es nicht nur für eine Verbesserung der innerbetrieblichen Strukturen im Hinblick auf ältere Mitarbeiter zu nutzen, sondern auch für eine Anpassung an die speziellen Bedürfnisse des Seniorenmarktes hin-sichtlich produktspezifischer sowie sozialer Qualitäten. Insbesondere den kleinen und auch mittleren Betrieben des Handwerks muss hier eine Hilfestellung gegeben werden, um deren größenbedingte Nachteile auszugleichen.

3. Es wird eine (möglichst mit dezentraler Wirkung) eine Vermittlungs-stelle für haushaltsnahe Dienstleistungen eingerichtet. Offenbar besteht erheblicher Bedarf älterer Menschen, sich im Alltag helfen zu lassen. Dazu gehören auch Gartenpflege, Handlangerdienste sowie die Betreuung.

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4. In Abstimmung mit Herstellern, Handwerk, Verbraucherberatung, Wohnungsgesellschaften und anderen großen Vermietern wird eine barrierefreie Wohnung eingerichtet und als Modellwohnraum zu Besuchen zur Verfügung gestellt.

Angesichts der demographischen Entwicklung im Landkreis Göttingen wird die Bedeutung der über 50-Jährigen als Konsumenten zunehmen. Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei nicht um eine homogene Ziel-gruppe handelt. Produkte und Dienstleistungen sowie deren Bewerbung sollten seniorengerecht sein, ohne “omahaft“ zu wirken. Probleme im Umgang mit Produkten des täglichen Bedarfs behindern deren Vermark-tung massiv.

Einkaufen ist insbesondere für Ältere nicht nur ein Versorgungsvorgang, sondern bietet auch die Möglichkeit zur Kommunikation, Service hat daher auch immer eine persönliche Note. Bei älteren Kunden lohnt sich die Beratung mehr, weil sie die Kaufentscheidung eher Informationen des Verkaufspersonals stützen als junge. Bei der Beratung ist neben der fachlichen auch die sprachliche Fähigkeit des Verkäufers wichtig. Gerade von jüngeren Menschen erwarten Senioren Respekt, einen freundlichen und zuvorkommenden Umgangston. Senioren schätzen eine persönliche Beratung, weil ihre Bedürfnisse und Wünsche häufig speziell sind.

Zuzustimmen ist dem Vorsitzenden des Landesseniorenrates Niedersach-sen, der wenig von dem Konzept des Seniorenkaufhauses hält.��0 Es sollte auch darauf verzichtet werden, “Seniorenecken“ in Supermärkten einzu-richten. Gesunde Senioren sind mobil und flexibel. Ihnen ist es möglich, sich auch ohne diese Einrichtung einen Überblick über seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen zu verschaffen.

Viel wichtiger ist eine kompetente Beratung im Handel allgemein. Häufig bringen Senioren älteren Verkäufern mehr Vertrauen gegenüber als jün-geren. Es kommt immer darauf an, dem Konsumenten bei der Beratung den Spielraum zu geben, sich selbst zu entscheiden. Während früher eine altenspezifische Bekleidung vorherrschte, tragen heute auch 70-jährige Menschen Jeans. Da Marketingfachleute raten, älteren Personen zielgrup-penorientiert anzusprechen, aber nicht als Senioren zu bezeichnen, wird der Vorschlag abgelehnt, ein regionales Göttinger Gütesiegel “senioren-gerecht“ einzuführen.

Initiativen für Verbesserung der Seniorengerechtigkeit des Handels beste-hen aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Gemeinsam mit Vertretern des Handels wird geprüft, ob ein seniorengerechter Supermarkt als Mo-dellprojekt mit Aspekten wie den Folgenden eingerichtet werden kann:

Gestaltung der Schaufenster: die Preisschilder sind klar und deutlich zu lesen, der Preis ist den ausgestellten Ware leicht zuzuordnen, an Treppen werden beidseitig Geländer angebracht, Türen sind leichtgängig, Ruhebe-reiche werden eingerichtet. Der Bürgersteig ist rutschfrei. Standorte für

220 Gespräch mit Dr. Christoph Steinbach am 5. April 2006

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Handlungsempfehlungen

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Einkaufswagen sind sowohl am Eingangsbereich des Ladens als auch am Parkplatz vorhanden. Seniorenparkplätze werden in Eingangsnähe ausge-wiesen. Bei der Ladengestaltung wird auf eine orientierungsfreundliche Gestaltung geachtet, der wichtigste Punkt ist dabei die Wegeführung. Trend ist es, sich von den üblichen, rechtwinkligen Wegeführungen zu verabschieden und den Kunden in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Bei Älteren besteht die Gefahr, dass bei Orientierungsproblemen ein unangenehmes Gefühl der Unterlegenheit und damit eine negative Kaufstimmung entsteht, die Einfluss auf Produktbewertung und -auswahl hat.

Im Eingangsbereich werden Orientierungstafeln aufgestellt, bei denen durch Knopfdruck auf die gewünschte Ware eine Lampe mit dem entspre-chenden Standplatz aufleuchtet. Die Schrift ist groß genug und wird durch Bilder ergänzt. Zusätzlich tragen Übersichtspläne über die Ladengestaltung dazu bei, den Senioren ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Wegweiser und Bodenpfeile helfen an Wegkreuzungen, die Orientierung zu behalten.

Es wird darauf geachtet, dass Senioren häufig langsamer sind und län-gere Zeit an einer Stelle bleiben, um sich über ein Produkt zu informieren. Sie sollen dabei nicht das Gefühl haben, andere zu behindern. Rund ein Fünftel aller Senioren erledigt den Einkauf mit dem Fahrrad. Es ist also wichtig, über ausreichend (gute, möglichst überdachte) Fahrradständer zu verfügen. Zwei Drittel der Senioren legen Wert darauf, in den Geschäften Sitzgelegenheiten zu erhalten. Senioren, die mit dem Bus zum Einkaufen fahren, kaufen häufiger ein und dann nur geringere Mengen. Große Ein-kaufswagen empfinden sie als unhandlich und sperrig. Kleinere Körbe sind eine sinnvolle Alternative. Einkaufswagen sollen leicht funktionieren, eine Ablage besitzen und häufiger auf Funktionsfähigkeit untersucht werden. Idealerweise werden Einkaufswagen mit Papier und Stiften sowie einer Halterung für Gehstöcke ausgerüstet. Für Ältere ist es wichtig, dass auf jeder Etage eine nicht zu kleine, mit Haken für Jacken und Taschen aus-gerüstete Toilette vorhanden ist.

Für Regenschirm und Taschen sind Aufbewahrungsmöglichkeiten und Schließfächer vorhanden. Denkbar ist es, bereits am Eingang zu den Geschäften auf den Bringservice aufmerksam zu machen. Die Hälfte der Senioren würde für diesen Dienst einen Mindesteinkaufswert akzeptieren. Häufig wurde beobachtet, dass altengerechte Produkte in den Läden weit hinten angeboten werden. Eine bessere Präsentation würde auch zu mehr Umsatz führen.

Obstangebote aus dem Ausland werden erläutert, insbesondere was Herkunft und Zubereitungsmöglichkeiten angeht. Der Bestand an Ein-kaufswagen wird überprüft, es werden leichtere Einkaufswagenmodelle angeschafft, die – wie auf Flughäfen – mit einer Handbremse ausgestattet sind. Sie sind leichtgängig und dürfen nicht unabsichtlich blockieren und nicht zur Seite driften. Einkaufswagen werden am Eingang sowie an den Parkplätzen aufgestellt, um längere Wege zu vermeiden, sie sind auch nach vorne zu öffnen, um das Umladen der Waren ins Auto zu ermöglichen. Es werden höhenverstellbare Einkaufswagen angeschafft.

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Sonderangebote werden deutlich gekennzeichnet – ein Vergleich mit dem alten Preis ist leicht möglich. Es werden keine grellen und schlecht les-baren Farben verwandt. Seniorenorientierte Waren werden nicht zu hoch oder zu niedrig platziert. Getränkekisten werden nicht zu hoch gestapelt. Tiefkühlschränke lösen wegen der besseren Entnahmemöglichkeiten der Produkte Truhen ab. Es erfolgt eine deutliche und große Preisaus-zeichnung. Durch Pfeile o. Ä. wird Klarheit darüber geschaffen, ob der Preis zu einem unteren oder oberen Regal gehört. Eine Umstellung von Waren innerhalb der Geschäfte sollte nur erfolgen, wenn dies unbedingt notwendig ist. Häufige Änderungen verwirren Senioren. In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, Hinweisschilder an den alten Plätzen anzubringen, die erklären, wo sich die Ware nun befindet.

Eingänge sind ebenerdig und gut beleuchtet. Preisauszeichnungen kleben nicht auf dem Haltbarkeitsdatum und anderen wichtigen Informationen. Leihkühltaschen werden im Laden zur Verfügung gestellt. Trinkwasserbe-hälter werden aufgestellt. Ein Infostand für Senioren mit einem Ansprech-partner bindet Kunden ebenso wie gut ausgeschilderte Kundentoiletten oder überdachte Parkplätze oder Parkhäuser. Die Schrift auf Kassenbons ist gut zu lesen, die Artikel verständlich aufgeführt. Sonderkassen für Ältere können Rücksicht darauf nehmen, dass Senioren langsamer be-zahlen, weil sie schlechter sehen, das Geld schlechter erkennen und evtl. langsamer zusammenrechnen. Stehhilfen vor der Seniorenkasse können für Entlastung sorgen. Die Kassenbereiche werden so gestaltet, dass ein Rollstuhl oder Rollator hindurchpasst. Schnellkassen sind für Senioren doppelt wichtig: Sie müssen nicht so lange warten und fühlen sich auch nicht von nachfolgenden jüngeren Leuten bedrängt. Ein Scanner am Ein-kaufswagen der die Preise anzeigt und addiert erleichtert den Einkauf. An den Regalen hängen Lupen.

Über diese Einzelvorschläge hinaus werden folgende Handlungsempfeh-lungen gegeben:

Gemeinsam mit einer Telefongesellschaft wird ein Modellvorhaben “Die generationengerechte Beratung“ gestartet. Zunächst erfolgt eine gezielte Schulung der BeraterInnen im Sinne des Leitsatzes: Immer an das Alter des Kunden denken, aber niemals drüber spre-chen. Im Rahmen des Modellvorhabens wird zweitens ein Beratungs-service eingerichtet, der sich gezielt am Informationsbedürfnis von SeniorInnen orientiert und so auch gekennzeichnet wird. Denkbar ist drittens die Einrichtung eines gesonderten “generationengerechten Telefonladens“.

Gemeinsam mit dem Betreiber eines Computerladens wird ein Modellvorhaben “Die generationengerechte Beratung“ gestartet. Zunächst erfolgt eine gezielte Schulung der BeraterInnen im Sinne des Leitsatzes: Immer an das Alter des Kunden denken, aber niemals drüber sprechen. Im Rahmen des Modellvorhabens wird zweitens ein Beratungsservice eingerichtet, der sich gezielt am Informations-bedürfnis von SeniorInnen orientiert und so auch gekennzeichnet wird. Denkbar ist drittens die Einrichtung eines gesonderten “gene-rationengerechten Computerladens“.

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Handlungsempfehlungen

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Innenstadt-Marketing-Einrichtungen starten gemeinsam mit dem Handel Initiativen zum generationengerechten Innenstadthandel. Zunächst wird bei der Ausrichtung von Aktivitäten wie Stadtfesten etc. auf Senioreninteressen besonders Rücksicht genommen, z. B. was Sitzgelegenheiten angeht.

Es wird ein Modellvorhaben “Reklamationsmanagement“ gestartet. Das Handelsmarketing für Senioren unterscheidet mit tatsächlichen, ehemaligen und möglichen Kunden drei wichtige Kundengruppen. Dabei ist zu beachten, dass sich nur wenige tatsächlichen Kunden äußern, wenn sie unzufrieden sind. Gute Kundenorientierung im Handel wird von allen Konsumentengruppen für wichtig erachtet. Fehlt sie, werden aus tatsächlichen Kunden ehemalige Kunden. Das gilt insbesondere auch für Senioren. Jeder Beschwerde sollte deshalb nachgegangen werden. In Abstimmung mit Innenstadt-Mar-keting-Initiativen werden Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema „professionelles Beschwerdemanagement im Handel“ angeboten.

Es wird geprüft, welche Anreize seitens der Kommunen für die Eta-blierung von Nahversorgungszentren in räumlicher Nähe zu Anlagen des betreuten Wohnens gegeben werden können. Es bestehen Ausbauchancen für angeschlossene Dienstleister, z. B. Cafés, Friseur, Einkaufsdienste, Fußpflege, die auch von älteren Arbeitnehmern geleistet werden können.

Die Hilfesysteme für pflegebedürftige Menschen stehen vor neuen He-rausforderungen. Die Träger der ambulanten und der stationären Pflege sind gefordert, neue Strategien zu entwickeln, damit die Einrichtungen im Wettbewerb bestehen können. Sowohl der Bereich der Gesundheitswirt-schaft als auch der Bereich der ambulanten Pflege ist von der Thematik aber vor allem auch durch die Vielzahl von Akteuren sehr unübersichtlich und komplex. Um über eine Weiterentwicklung der ambulanten Pflege bzw. über neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu diskutieren, könnte eine Pflegekonferenz bzw. ein Pflegeforum umgesetzt werden.���

Es wird Folgendes empfohlen:

Es wird ein Pflegeforum veranstaltet, das insbesondere die Frage klären soll, ob die Etablierung einer Pflegekonferenz für den Land-kreis Göttingen sinnvoll ist. Beteiligt werden neben den Leistungs-erbringern auch die Betroffenen (Selbsthilfegruppen, Angehörigen-gruppen, Seniorenrat, etc.), die Kostenträger und sonstige Akteure (Wohlfahrtsverbände, Altenpflegeschulen, etc.) sowie ggf. die Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen. Dem Pflege-forum vorgeschaltet werden sollten vertiefende Interviews, deren Ergebnisse vorgestellt und diskutiert werden. Es ist davon auszuge-hen, dass die Pflegedienste die Bedarfe ihrer Klienten gut kennen

221 Die Landkreise und kreisfreien Städte erstellen nach §4 des Niedersächsischen Pflegegesetz (Npfle-geG) einen örtlichen Pflegeplan. Darüber hinaus können nach §5 NpflegeG örtliche Pflegekonferenzen gebildet werden, um dort Fragen der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung, der notwendigen pfle-gerischen Versorgungsstruktur und der Koordinierung von Leistungsangeboten zu beraten.

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ambulante pflege

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und deshalb auch die Nachfragepotenziale im Bereich barrierefreies Wohnen gut einschätzen können. Diese Kenntnisse werden damit auch dem Handwerk erschlossen. Im Kreis Minden-Lübbecke hat NADel e.V. ein Netzwerk von zehn ambulanten Diensten gebildet. Im Vordergrund stehen die qualitative Selbstkontrolle und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. So ist die Aufnahme in NADel e. V. an die Qualitätsrichtlinien nach § 80 SGB XI gebunden und muss durch die Träger rechtsverbindlich erklärt werden.��� Das Netzwerk beschäftigt sich unter anderem mit folgenden Themen: Planung gemeinsamer Fortbildungen, Abgleich der Abläufe in den Diensten, Hilfen bei der Personalakquise, Entwicklung eines Aufnahme- und Entlassungsmanagements mit den Kliniken und Durchführung von Projekten. Vorbild kann auch die Pflegekonferenz der Region Han-nover sein.���

Geprüft werden sollte das Angebot für Reisebegleitungen von Seni-orInnen. Auch im Bereich der Demenzerkrankung dürfte Beschäfti-gungspotenzial liegen: Viele Demenzkranke brauchen keine Pflege, vielmehr brauchen sie Gesellschaft. Diese Dienstleistung können auch Ältere anbieten, die körperlich nicht mehr in der Lage sind, Pflegeleistungen zu erbringen. Das muss aber organisiert werden.

Ältere wollen im Urlaub den gewohnten Lebensstil möglichst ohne Ein-schränkungen beibehalten. Dazu gehören Selbstständigkeit und Autono-mie. Die Herausforderungen im Seniorentourismus liegen vor allem darin, Angebotscluster zu schaffen.

Bei Übernachtungen sind folgende Aspekte wichtig: altengerechte Tele-fone und Fernbedienungen, einfach zu bedienende Technik, leuchtende Lichtschalter, große Bäder, leicht zu bedienende Bad-Armaturen, Redu-zierung der Rutschgefahr im Bad, helle Lampen, gute Nachtbeleuchtung, unkomplizierte Wecker mit großen Zahlen, große Schriftgröße bei Mittei-lungen und Speisekarten, keine komplizierten Videokommunikationssy-steme, Kissen, Nackenrollen und zusätzliche Decken, nicht zu tief gelegte Betten, Betten mit verstellbaren Kopfteilen.

Bei der Gastronomie ist zu beachten: gut lesbare Speisekarten, bequeme Sitzmöglichkeiten, möglichst frei wählbare Beilagen, freundliche Bedie-nung.

Wichtig sind außerdem folgende Punkte: erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, hoher Komfort, Höflichkeit/Freundlichkeit, Geduld, Aufmerksamkeit, Dienstleistungsmentalität der Anbieter, Gesellschaft nach Bedarf, indivi-duelle Behandlung, Arzt auf Abruf, Abholservice zu Hause/am Bahnhof/am Flughafen sowie Einzelzimmer ohne Aufpreis.

222 Nähere Informationen können bei einer der beiden Vorstände des Netzwerkes NADel e.V., Beate Oberschür, Ambulante Dienste des Diakonischen Werkes Minden erfragt werden. Tel.: 0571/88804-200, [email protected] http://www.hannover.de/de/gesundheit_soziales/beratung/pflegebe/Pflegekonferenz.html und

http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/konferenz.html

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tourIsmus unD mobIlItät

Handlungsempfehlungen

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Über diese Einzelvorschläge hinaus werden folgende Handlungsempfeh-lungen gegeben:

Es findet gemeinsam mit dem DeHoGa Kreisverband Göttingen eine Vortragsveranstaltung mit einem Vertreter der Tourismusför-derung aus der Region Teutoburger Wald “TeutoWellness50plus“ statt. Zielgruppe sind Hoteliers, Gastronomen und andere Akteure der Tourismuswirtschaft. Ihnen werden Rahmenbedingungen und Ergebnisse einer Tourismuswirtschaft erläutert, die sich gezielt an SeniorInnen richtet.

Geprüft wird eine Kooperation zwischen Wohlfahrtsverbänden und Reiseunternehmen im Sinne des “betreuten Reisens“.

Geprüft wird, ob in Anlehnung an das Beispiel “TeutoWellness-50plus“ eine Gesundheitsregion im Landkreis Göttingen bzw. in der Region Südniedersachsen als Anbieterkooperation zu realisieren ist. Gefragt sind zunehmend auch buchbare Angebote für bestimmte Krankheitsbilder.

Es wird ein Expertengremium zum Thema “Seniorentourismus im Landkreis Göttingen als Jobmotor für die Region“ zusammengestellt. Vertreten sein sollen die Tourismusvereine Göttingen, Duderstadt, Hann. Münden, Landkreis Göttingen und Kreisverband Göttingen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa).

Es wird überprüft, inwieweit gezielte Reiseangebote für SeniorInnen unter Berücksichtigung von Kultur-, Qualifizierung-, und Rehabilita-tions- bzw. Kurangeboten gestaltet werden können. Mögliches Motto “Reise in den Landkreis Göttingen der Bildung wegen!“

Es wird ein Modellvorhaben “seniorengerechtes Hotel“ gestartet. Betreiber von Hotels werden motiviert, zu überprüfen, inwieweit ihr Haus die “Qualitätskriterien für seniorenorientierte Beherbergungs-betriebe“ des Landes Nordrhein-Westfalen erfüllt oder welcher Auf-wand erforderlich wäre, sie einzuhalten.��� Es wird darüber hinaus überprüft, ob der Begriff “Seniorengerechtigkeit“ benutzt werden sollte oder ob beispielsweise mit dem Begriff der Generationenge-rechtigkeit gearbeitet werden kann.

Im Rahmen eines anschließenden Modellvorhabens testet ein Hotelbetrieb, inwieweit Qualitätsverbesserungen, die gezielt im Sinne von SeniorInnen liegen, die höheren Kosten überkompensie-ren. Möglicherweise bietet sich hier in einem Markt, der stark von Preiswettbewerb geprägt ist, eine Möglichkeit, auch höhere Preise durchzusetzen.

Es wird überprüft, inwieweit Unternehmensnetzwerke im Hinblick auf die gemeinsame Angebotsgestaltung und auf ein gemeinsames Marketing realisierbar sind.

Im Rahmen der Entwicklung des Wandertourismus werden spezielle Themenrouten kreiert (z. B. zur Kulturhistorie des Landkreises).

Es werden Gespräche mit Busunternehmen über die Gestaltung von alternativen, anspruchsvolleren „Kaffeefahrten“ unternommen.

224 http://www.seniorenwirt.de

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Beschäftigungspotenziale im Bereich der neuen Medien liegen vor allem in der Umgestaltung von Homepages im Sinne der Barrierefreiheit. Außer-dem lassen sich Beschäftigungspotenziale gerade für ältere Menschen sehen, die Senioren für die Nutzung des Computers und des Internets schulen. Die barrierefreie Gestaltung von Websites ist ähnlich wie beim Universal Design nicht nur für Menschen mit Einschränkungen eine große Hilfe, sondern nützt jedem Anwender. Ein übersichtliches Design und klare Strukturen vereinfachen das Lesen und Finden von Informationen. Sogar der Autor einer Seite profitiert, kann z. B. ein blinder Mensch die Seite lesen, dann kann dies auch eine Suchmaschine, d. h., die Website wird von Interessenten leichter gefunden. Oft bedarf es zudem nur relativ einfacher Überlegungen und Mittel, eine Website zumindest barrierearm zu konzipieren.

Für Webdesign und das redaktionelle Bearbeiten der Homepages sind neben Senior-Entwicklern auch Senior-Berater gut vorstellbar. Erfahrung, eine andere Sicht und Wahrnehmung des Internets lässt diese evtl. sen-sibler mit barrierefreiem Design und Inhalt umgehen als jüngere Vertreter der von unergonomischen SMS geprägten Generation.

1) Im Rahmen eines Modellversuchs strebt eine Kommune im Landkreis Göttingen in Abstimmung mit ihrem Seniorenbeirat sowie der Landesinitiative für generationengerechte Produkte eine Ver-einbarung mit einer ausgesuchten Bank und Sparkasse über eine seniorengerechte Gestaltung von Produkten und Vertriebsformen an. Grundlage sind Berichte von SeniorInnen, die sich von Kredi-tinstituten wegen ihres Alters diskriminiert fühlen. Mit dem Partner-Institut wird im Rahmen des Modellversuchs zunächst überprüft, ob und inwieweit eine Diskriminierung Älterer in der Praxis stattfindet. Dabei wird geklärt, ob sie Gegenstand der Geschäftspolitik ist oder ob es Defizite in der Ausbildung der Beschäftigten gibt. Am Ab-schluss des Modells steht eine Vereinbarung zwischen Kommune und Kreditinstitut.

Im Banksektor sind Hausbesuche unüblich. Diese könnten aber unbeweglich gewordene Kunden stark entlasten. Ein guter Se-nioren-Service der Banken und Sparkassen könnte sich dadurch auszeichnen, dass einmal pro Monat ein vertrauter Kundenberater kommt, Bargeld mitbringt, aufgelaufene Rechnungen anschaut und Überweisungen tätigt.

In Japan werden seit einiger Zeit neue Finanzkonstruktionen erprobt: Dort gibt es viele ältere Menschen mit Immobilienbesitz, die oft-mals nur ungern verkauft werden (wie in Deutschland auch). Ältere HausbesitzerInnen können Teile ihres Hauses an Finanzdienstleister verkaufen und erhalten dafür monatliche Zahlungen, quasi als Zu-satzrente. Diese Aktivitäten sind in Deutschland noch unüblich und mit großen Unsicherheiten behaftet, z. B. bei der Bewertung der Immobilien. Aber sie zeigen Möglichkeiten auf, wie ältere Menschen ihren monatlichen Lebensunterhalt verbessern können. Zudem wird das im Immobilienbesitz gebundene Kapital wieder dem volkswirt-

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neue meDIen unD telekommu-nIkatIon

fInanzDIenst-leIstungen

Handlungsempfehlungen

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schaftlichen Kreislauf zugeführt. Vergleichbare Produkte (Reverse Mortgage, Home Reversion) werden vor allem in den USA und Großbritannien angeboten.

Auch Versicherungsprodukte, die sich an den geänderten Bedürfnis-sen einer älter werdenden Gesellschaft orientieren und flexibel auf unterschiedliche Lebensphasen angepasst werden, sind vorstellbar. Das Modell der privaten Absicherung im Krankheits- oder Pflegefall könnte durch ein Modell, das die wohnbegleitende Unterstützung für Ältere finanziell und – bestenfalls – auch organisatorisch absichert, ergänzt werden.

Mit dem Auftraggeber wurde vereinbart, dass nach Vorlage der Studie einige Themenfelder mit Praktikern vertieft diskutiert und Handlungsvor-schläge konkretisiert werden. Zu den extern moderierten und gemein-sam mit Partnerorganisationen ausgerichteten Veranstaltungen lädt der Regionalverband Südniedersachsen VertreterInnen der Zielgruppen und ReferentInnen ein.

Erste Veranstaltung mit dem Titel: Ignoriert der Handel in Stadt und Landkreis Göttingen die reichste Generation aller Zeiten? Termin: Erste Novemberhälfte 2006; Zielgruppen: Senioren, Einzelhandel, Marketing-experten, Niedersächsisches Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kommunalpolitik in Stadt und Landkreis Göttingen. Mögliche Themen: Darstellung der Kaufkraft von SeniorInnen in Stadt und Land-kreis Göttingen, Einkaufsverhalten und Präferenzen von Senioren, gute Beispiele aus anderen Städten, Probleme beim Seniorenmarketing. Zum Einsatz kommt auch der „Age-Explorer“.

Zweite Veranstaltung mit dem Titel: Generationengerechtes Wohnen; Termin: Erste Dezemberhälfte; Zielgruppen: Architekten, Wohnungsgesell-schaften, private Planungsbüros, Gemeindeverwaltungen, Stadtverwaltung und Kreisverwaltung Göttingen, Altenheimbetreiber, Interessenten an in-novativen Wohnprojekten. Mögliche Themen: Neue Rahmenbedingungen für das Wohnen zu Hause, Planung von Um- und Neubauten (Barrierearm bzw. -frei), bestehende Netzwerke, Bedeutung der Wohnungsanpassungs-beratung, innovative Wohnprojekte in Bremen.

Dritte Veranstaltung mit dem Titel: Das Handwerk als Dienstleister für Senioren; Termin: Zweite Januarhälfte 2007. Mögliche Themen: Potenziale des Göttinger Zentrums “Wohnen im Alter“, geänderte Ansprüche im Pri-vathaushalt; Kooperationen und Anbietergemeinschaften von Handwerks-betrieben, Gesundheitshandwerk (wie Hörgeräteakustiker), Weiterbildung im Handwerk; Zielgruppen: Handwerksbetriebe, Seniorenvertretungen, Architekten, Wohnungsgesellschaften, Altenheimbetreiber, Interessenten an innovativen Wohnprojekten.

Vierte Veranstaltung mit dem Titel: Pflegeforum Göttingen; Termin: Zwei-te Februarhälfte 2007; Themen: Bessere Abstimmung der Anbieter von Pflegedienstleistungen, Beschäftigungsperspektiven in der ambulanten Pflege durch den demographischen Wandel, Gesundheitswirtschaft als

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DIe näcHsten scHrItte

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wichtiger Wirtschaftssektor, Bedeutung ambulanter Betreuungsmög-lichkeiten. Zielgruppen: Stationären/teilstationäre Träger, Krankenhäuser, Kassenärztliche Vereinigung, Hospizarbeit, Seniorenbeiräte, Pflege- und Krankenkassen, Sozialhilfeträger, Medizinischer Dienst der Krankenversi-cherung, Wohlfahrtsverbände, DRK-Altenpflegeschule, Gesundheitsamt und die Heimaufsicht von Stadt und Landkreis Göttingen.

Handlungsempfehlungen

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lIteratur

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Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung NIW (Hrsg.) (2004): “Ge-sundheitswirtschaft im Landkreis Osnabrück – Positionierung, Spezialisierung und Perspektiven im überregionalen Wettbewerb“, Schriftenreihe des NIW, Osnabrück.

Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2003): “Statistische Berichte Nie-dersachsen. K II 6“, Gesetzliche Pflegeversicherung Ergebnisse der Pflegesta-tistik 2003, URL: http://www.nls. niedersachsen.de/html/veroeffentlichungen.html (06.2006).

Page 212: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

212

Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): “Basisdaten Niedersachsens – Statistische Grundzahlen auf Landes- oder Bezirksebene, Gebäude- und Wohnungsfortschreibung“, URL: http://www.nls.niedersachsen.de/html/basis-daten_niedersachsen.html (06.2006).

Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): “Statistische Berichte Nie-dersachsen, A I Bevölkerungsstand“, URL: http://www.nls.niedersachsen.de/html/veroeffentlichungen.html (06.2006).

Niedersächsisches Landesamt für Statistik (2004): “Statistische Berichte Nie-dersachsen. A I 5 Bevölkerung, Erwerbstätigkeit, Haushalte und Familien – Er-gebnisse des Mikrozensus. März 2004“, URL: http://www.nls.niedersachsen.de/html/veroeffentlichungen.html (06.2006).

Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (2004): “Grundprinzipien und Leitlinien der Pflegedokumentation“, Hannover, URL: http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C5782565_L20.pdf (08.2006).

Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (2005): “Landespflegebericht – nach § 2 des Niedersächsischen Pflegegesetzes (NPflegeG)“, Hannover.

Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (2006): “Wohnraumförderung“, URL: http://www.ms.niedersachsen.de/master/C1829960_N2776011_L20_D0_I674.html (07.2006).

Nickel, T. (2005): “Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf das Ar-beitskräfteangebot in Niedersachsen“, in: Statistische Monatshefte Nds. 5/2005, hrsg. v. Niedersächsischen Landesamt für Statistik, Hannover.

Nullbarriere.de (2006): “Dienstleistungsnormung: DIN-Norm für ’Betreutes Woh-nen’ 77800“, URL: http://www.nullbarriere.de/din77800_betreutes_wohnen.htm (09.2006).

Opaschowski, Horst (2005): “Wir werden es erleben. Zehn Zukunftstrends für unser Leben von morgen“, Darmstadt.

Pöppel, Ernst (2006), in: form 206, Sonderheft Universal Design, Juli/August 2006, URL: http://www.form.de/data/u/Universal_Design.pdf (08.2006).

Portal der Landeshauptstadt und der Region Hannover:URL: http://www.hannover.de/de/gesundheit_soziales/beratung/pflegebe/Pflegekonferenz.html (08.2006).

Sonntag, Ulf; Sierck, Astrid (2006): Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), Kiel.

Sozialnetz Hessen (2006): “Wohnen in jedem Alter“, URL: http://www.sozialnetz.de/ca/bez/fxa/ (06.2006).

Stadt Braunschweig (Hrsg.): URL: http://www.braunschweig.de/soziales_senioren/senioren/konferenz.html (08.2006).

Stadt Göttingen; Amt für Beschäftigungsförderung (Hrsg.) (2000): “Existenzgrün-dungen und Gründungshemmnisse in Südniedersachsen sowie daraus abzu-leitende Handlungsbedarfe“, Göttingen.

Stadt Göttingen (Hrsg.) (2006): “Leitbild 2020, Göttingen stellt sich der Zukunft“, Göttingen.

Page 213: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

213

Stadt Göttingen; Fachdienst Statistik und Wahlen (Hrsg.) (2004): “Daten und Indika-toren der deutschen Urban-Audit Städte“, in: Göttinger Statistik aktuell 15: 3.

Steffens, B. et al. (2004): “Enquetekommission ’Situation und Zukunft der Pflege in NRW’ – Bericht der Arbeitsgruppe Wohnen“, URL: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/GB_I/I.1/EK/EKALT/ 13_EK3/AGBerichte/AG_Bericht_Wohnen.pdf (06.2006).

Stiftung Warentest; Kuratorium Deutsche Altershilfe; Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2006): “Leben und Wohnen im Alter“, Berlin.

T.E.A.M. Team für Effiziente Angewandte Marktpsychologie GmbH, (2004): “Die unterschätzte Generation“, Frankfurt a. M.

VDW – Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V. (2006): “Daten und Fakten“, URL: http://www.vdw-online.de/de/html/Daten Fakten_30_70.php (06.2006).

Weber, B.; Packebusch, L. (2005): “Altern im Handwerk – Betriebliche Strategien einer alternsgerechten Arbeits- und Personalpolitik“, in: Demographischer Wandel – Auswirkungen auf das Handwerk, Kontaktstudium Wirtschaftswissen-schaft 2004, hrsg. v. Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, Duderstadt.

Wirtschaftswoche (2006): “Frischer Wind”, in: Wirtschaftswoche vom 10.07.2006 (Nr. 28).

Zentralverband des Deutschen Handwerks (2001): Demographische Entwicklung. Eine Herausforderung für die Berufsbildung im Handwerk, Berlin.

Ziehe, Vera (2005): “Teutowellness50plus – Tourismusförderung in der Region Teu-toburger Wald“, Europäische Konferenz Seniorenwirtschaft in Europa, Bonn.

Page 214: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

214

InternetlInks

Ausgewählte Internetlinks von Akteuren in der Seniorenwirtschaft

Telekommunikation und Neue Medien

Landesarbeitsgemeinschaft lokale Medienarbeit NRW e.V.

http://medienarbeit-nrw.de/

Ganz einfach Internet für 50plus http://www.50plus-ans-netz.de/

Sonderbericht „Silver Surfer“ zu den internet facts 2005-II der AGOF

http://www.agof.de/index.395.html

Werkzeuge zur Validierung und Überprüfung von barrierefreiem Webdesign

http://www.barrierefreies-webdesign.de/verweise/tools.html

Partnervermittlung ab 40 http://www.derzweitefruehling.de

Stiftung Digitale Chancen Bremen http://www.digitale-chancen.de

Europäisches Zentrum für Medien-kompetenz

http://www.ecmc.de

HNF Heinz Nixdorf Museum Forum http://www.hnf.de

Medienkompetenz Netzwerk http://www.mekonet.de

Online-Lern Seite für SeniorInnen http://www.senioren-lernen-online.de

Senioren OnLine http://www.senioren-online.net

Zentrum für Telematik im Gesund-heitswesen

http://www.ztg-nrw.de

Bildung

Weiterbildungen in der Region Süd-Niedersachsen

http://www.bildung21.net

Fortbildungen für Pflegepersonal http://www.fortbildung-pflege.com

Bildungswerk Neues Alter Hattin-gen

http://www.neues-alter.de

Weiterqualifizierung für Betriebe des Gesund-heitswesens und der Seniorenwirtschaft

http://www.regioplus-weserbergland.de/

Das Netz für Leute ab 50 von Seni-oren für Senioren

http://www.seniorennet.de

Europäisches Zentrum für universi-täre Studien der Senioren

http://www.zig-owl.de/

Ältere ArbeitnehmerInnen

Beschäftigungspakt für Ältere im Landkreis Göttingen

http://www.50plus-goettingen.de

Börse für Seniorenführungskräfte http://www.erfahrung-deutschland.de

Page 215: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

215

G.I.B. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH

http://www.gib.nrw.de

Equal – Offensive für Ältere http://www.offensive-fuer-aeltere.deZwischen Arbeit und Ruhestand (ZWAR) NRW

http://www.zwar.org

Reisen

50plus Hotels in Deutschland http://www.50plushotels.deInfo- und Freizeitbörse Galerie Göt-tinger Land

http://www.goettingerland.de/

Nordrhein-Westfalen Tourismus e.V. http://www.nrw-tourismus.de

Teutoburger Wald Tourismus http://www.teutoburgerwald.de

Wellness im Teutoburger Waldhttp://www.teutoburgerwald.de/well-ness50plus/

Handwerk

Dienstleistungsnetzwerk: Ein Team für alle Fälle

http://ein-team.de

Kooperation von Betrieben in Nie-dersachsen

http://www.hand-in-hand-werker.de

Passgerecht – Handwerk für mehr Lebensqualität

http://www.passgerecht.de

Service-Organisation für Senioren von Senioren

http://www.service-org-senioren.de

Handwerkszentrum – Internetpor-tal für barrierefreies Bauen und Wohnen

http://www.wia-handwerk.de

Wohlfahrtsorganisationen

Informations- und Kontaktstelle für die Arbeit mit älteren MigrantInnen

http://www.aktioncourage.org/ikom/fort-angebot.htm

Aktuelle Informationen zur Pflege-versicherung

http://www.carehelix.de

Caritas in Deutschland http://www.caritas.de/Der Paritätische Landesverband in Niedersachsen

http://www.paritaetischer.de/

Informations- und Ideenpool für Initiativen älterer Menschen

http://www.senioren-initiativen.de/

Plattform für Fachinformationen aus Sozialwirtschaft und Nonprofit-Ma-nagement

http://www.socialnet.de/

Forschung

Deutsches Zentrum für Alternsforschung http://www.dzfa.de

Forschungsinstitut Technologie . Behindertenhilfe http://www.ftb­volmarstein.de

Page 216: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

216

GRP – Forschung für alle Generationen

http://www.grp.hwz.uni-muenchen.de

Institut Arbeit und Technik http://www.iat-info.iatge.deSeniorengerechte Technik im häuslichen Alltag

http://www.sentha.udk-berlin.de

Institut für Gerontologie http://www.uni-dortmund.de/FFG/

Wohnen

Anbieter von 24-Stunden Senioren-betreuung

http://www.seniocare24.de

BMFSFJ – Weiterentwicklung zu-kunftsorientierter Wohn– und Pflege-angebote für alte Menschen

http://www.baumodelle-bmfsfj.de/Mo-dellreihen_Altenhilfe.html

Bundesarbeitsgemeinschaft Woh-nungsanpassung e.V.

http://www.wohnungsanpassung.de

Designzeitschrift Form: Spezialaus-gabe Barrierefrei – Universal Design now

http://www.form.de/data/u/Universal_De-sign.pdf

Empirica – SeniorInnen Immobilien und neue Wohnformen für Ältere

http://www.empirica-institut.de/empirica/htm/produkt/7.htm

Förderverein Lebensgerechtes Woh-nen OWL

http://www.lebensgerechtes-wohnen.de

Forum Gemeinschaftliches Wohnen e.V.

http://www.fgwa.de/

Gang-way GmbH Produkte und Ideen zum Wohnen ohne Hinder-nisse

http://www.gang-way.com/web/index.php

Hilfe und Pflege im Alter zu Hause http://www.hilfe-und-pflege-im-alter.de/

Institut Wohnen im Alter http://www.institut-wohnen-im-alter.de/InWis GmbH Wohnungswesen und Immobillienwirtschaft: Wohnen im Alter

http://www.inwis.de/htm/start/images

/wus_trendreport.pdf_

Kommunalkongress Altersgerechte Wohnkonzepte:

Gestaltungsmöglichkeiten für Kom-munen

http://www.aktion2050.de/cps/rde/xchg/SID-0A000F0A-F85273F3/aktion/hs.xsl/6594.html

Kuratorium Deutsche Altershilfe – Le-ben und Wohnen im Alter

http://www.kda.de/german/showarticles.php?id_pag=8&id_art=113

LAG Wohnberatung NRW http://www.wohnberatungsstellen.deNiedersächsische Fachstelle Wohn-beratung

http://www.fachstelle-wohnberatung.de/

nullbarriere.de – Barrierefreies Pla-nen, Bauen und Wohnen

http://www.nullbarriere.de/

Realisierung für barrierefreies Bauen, Wohnen, Arbeiten

http://www.barrierefreileben.de

Selbstbestimmtes Wohnen im Alter http://www.Wohnbund-beratung-nrw.de

Smarter Wohnenhttp://www.smarterwohnen.net/deutsch/startseite/

Sozialnetz Hessen – Wohnen in je-dem Alter

http://www.sozialnetz.de/ca/bez/fxa/

Page 217: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

217

Wohn mobil – Beratungsstelle für Wohnraumanpassung

http://www.wohn-mobil-koeln.de/

Wohnberatung für ältere und behin-derte Menschen in NRW

http://www.wohnberatung.info

Wohnraumberatung und Hilfsmittel-versorgung für Senioren, Behinderte und Kranke

http://www.gerotronik.de

Verbände und Verwaltung

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Ältere Menschen“

http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/aeltere-menschen.html

KCR, Konkret Consult Ruhr, Dienst-leistungen für Unternehmen der Sozialwirtschaft

http://www.KCR-net.de

Kuratorium Deutsche Altershilfe http://www.kda.deImpuls 50plus, Initiative der Rhei-nisch-Bergischen Wirtschaftsförde-rung GmbH

http://www.rbk-direkt.de/do/de/Verbrau-cher.asp

Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V.

http://www.vdab.de

Ver.di Vereinte Dienstleistungsge-sellschaft

http://www.verdi.de

Verbraucherzentrale Niedersachsen http://www.vzniedersachsen.de/ZIG, Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestalen-Lippe

http://www.zig-owl.de

Politik

AG SPD 60 plus http://www.ag60plus.de/

Altenberichte des BMFSFJhttp://www.bmfsfj.de/bmfsfj/genera-tor/ Kategorien/ Publikationen/publikati-onsliste.html

Die Grauen/Graue Panther in Südnie-dersachsen

http://www.die-grauen-niedersachsen.de/SSB-Südniedersachsen

Senioren Union CDU http://www.seniorenunion.cdu.de/

Handel

Großes Handy http://www.fitage.de

Deliga: Pflegeversand http://www.pflegeversand.de

Senio: Fachhandel für Senioren http://www.senio.de

Page 218: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

218

Seniorenportale, Seniorenorganisationen

Bundesarbeitsgemeinschaft der Seni-oren-Organisationen

http://www.bagso.de

Deutsche Seniorenliga e.V. http://www.deutsche-seniorenliga.de

Informationsdienst Altersfragen http://www.dza.de

Lifestyle Portal 50plus http://www.forum-fuer-senioren.de

Senioren-Pflege-Informationsportal http://www.geroweb.de

Portal mit seniorenrelevanten Themen http://www.lebensphasen.net

Portal mit vielen SeniorInnen-Themen http://www.seniorenfreundlich.de

Senioren Initiativen http://www.senioren-initiativen.dePortal mit Schwerpunkt auf Senioren-wirtschaft

http://www.seniorenmarkt.de

Landesseniorenvertretung NRWhttp://www.senioren-online.net/lsv-nrw/

Allgemeines Portal mit SeniorInnen-Themen

http://www.seniorentreff.de

Internationale Seniorenseiten http://www.seniorenweb.ch/de

Ver.di Internet Senioren Club http://www.verdi-senioren.club.de

Seniorenwirtschaft

Geschäftsstelle Seniorenwirtschaft http://seniorenwirt.deZukunftsmarkt 70plus, Frankfurt Novem-ber 2006

http://www.euroforum.de

Senioren im Ehrenamt http://www.feierabend.comPortal für bürgerschaftliches Enga-gement, Ehrenamt und Selbsthilfe in Niedersachsen

http://www.freiwilligenserver.de

Gesellschaft für Gerontotechnik http://www.gerontotechnik.deLandesinitiative Seniorenwirtschaft NRW

http://www.seniorenwirt.de

SEN@ER, Seniorenwirtschaft Netwz-werk Europäischer Regionen

http://www.silvereconomy-europe.org

SWZ, Seniorenwirtschaftszentrum Gel-senkirchen

http://www.swz-net.de

Verschiedenes

Tipps Gegen Trickbetrüger und Trickdiebe

http://www.pfiffige-senioren.de

Senioren besser verstehen http://www.seniorenfreundlich.de

Page 219: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

219

abbIldungsverzeIchnIsAbbildung 1: Verbindungen der drei Studien untereinander 15

Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Göttingen 18

Abbildung 3: Verschiebung der Altersanteile in der Region Südniedersachsen 19

Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung in der Region Göttingen 2004-2020 (Prozent) 20

Abbildung 5: Entwicklung der Alterskohorten nach Raumtypen 21

Abbildung 6: Entwicklung des Altersaufbaus der Bevölkerung im Landkreis Göttingen 21

Abbildung 7: Prognose des Erwerbspersonenpotenzials im Landkreis Göttingen 22

Abbildung 8: Seniorentypen bei den über 50-Jährigen 29

Abbildung 9: Idee der Seniorenwirtschaft 31

Abbildung 10: Sinus-Milieus Quelle: Grey Global Group 32

Abbildung 11: Einkommensverteilung der über 50-jährigen im Landkreis Göttingen 56

Abbildung 12: Eigenheimquote 77

Abbildung 13:Wohnformen 78

Abbildung 14: „Was macht für sie seniorengerechtes Wohnen aus?“ 79

Abbildung 15: Eigenschaften von Wohnungen 79

Abbildung 16: Eignung derzeitiger Wohnungen 80

Abbildung 17: Wohnformenpräferenz bei Umzug 81

Abbildung 18: „Welche der folgenden Wohnformen würden Sie im Falle eines Umzuges bevorzugen?“ (Nach Alter) 82

Abbildung 19: Kriterien seniorengerechten Wohnens 85

Abbildung 20: Handwerksbetriebe im Landkreis Göttingen 110

Abbildung 21: Handwerksbetriebe im Landkreis Göttingen nach Branchen 110

Abbildung 22: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten im Landkreis Göttingen (Anteile in Prozent) 111

Abbildung 23: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten im Landkreis Göttingen 112

Abbildung 24: Altersstruktur der Handwerksbeschäftigten

nach Betriebsgrößenklassen 112

Abbildung 25: Modulares Managementkonzept, ifh Göttingen 115

Abbildung 26: Liste lokaler Akteure im Bereich der Seniorenwirtschaft 117

Abbildung 27: Handwerks-Faktoren 119

Abbildung 28: “Was ist Ihnen beim Einkauf wichtig?“ 130

Abbildung 29: “Wo liegen für Sie die Hauptprobleme beim Einkaufen?“ 130

Page 220: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

220

Abbildung 30: Hauptprobleme des Einkaufens nach Altersgruppen 130

Abbildung 31: “Nehmen Sie Lieferdienste in Anspruch?“ 131

Abbildung 32: Informationsstand bezüglich seniorengerechter Produkte nach Alter 131

Abbildung 33: Präferenz für das Seniorenkaufhaus 132

Abbildung 34: Internetnutzung 132

Abbildung 35: Internetnutzung nach Bildungsabschluss 133

Abbildung 36: Wünsche nach haushaltsbezogenen Dienstleistungen 133

Abbildung 37: Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen 133

Abbildung 38: Cluster-Modell Institut für Arbeit und Technik 143

Abbildung 39: Mitgliederstruktur des Kreissportbundes Göttingen 159

Abbildung 40: Mitgliederstruktur des ASC Göttingen 159

Page 221: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

221

pflegesätzederaltenhIlfeeInrIchtungenImland-

kreIsgöttIngen

Pflegesätze und Abrechnungsweise der Einrichtungen Landkreis Göttingen (ohne Stadt Göttingen)

Stand: 26. Juli 2006

Name:Unter-kunft & Verpfle-gung

Geringer Pflege-aufwand (keine Pflege-stufe)

PflegestufenIIIIII

Investi-onkosten(tägl.):

Investions-kosten-Faktor:

gültig ab:

Alma­ LouisenstiftMühlenanger ������ AdelebsenTel: 0��0�/����0 Fax: �����0Heim­Nr. ����

16,34 € 22,62 € 38,61 € Stufe I 50,38 € Stufe II 63,18 € Stufe III

11,87 € �0,��0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Altenheim St. MartiniGöttinger Str. ������� DuderstadtTel: 0����/���0 Fax: ������Heim­Nr. ����

16,99 € 24,58 €(16,05 €)(Alten­heim)

44,46 € Stufe I 58,72 € Stufe II 73,01 € Stufe III

6,45 €�0,��

0�.0�.�00�0�.0�.�000

Hollenbach­StiftungAdenauerring ������ DuderstadtTel: 0����/����0 Fax: ������Heim­Nr. ����

16,23 € 21,27 € 34,07 € Stufe I 43,92 € Stufe II 54,32 € Stufe III

13,79 €15,79 €

�0,���0,��

0�.0�.�00�0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Pflegeheim MüllerHünstollenstr. ������� EbergötzenTel: 0��0�/��� Fax: ����Heim­Nr. ���0

14,40 € 21,41 € 37,09 € Stufe I 47,97 € Stufe II 61,38 € Stufe III

9,05 € �0,��0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Herzogin­Elisabeth­StiftAm Plan ������ Hann. MündenTel: 0����/�0�� Fax: �0��0�Heim­Nr. ��0�

16,96 € 23,36 € 42,54 € Stufe I 56,29 € Stufe II 71,01 € Stufe III

19,00 € �0,��0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Altenwohnheim HermannshagenWiershäuser Weg ������� Hann. MündenTel: 0����/���00 Fax: ���0��Heim­Nr. ��0�

16,89 € 24,20 €(15,56 €)(Alten­heimb.)

43,47 € Stufe I 57,46 € Stufe II 71,27 € Stufe III

14,00 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.0�.�00�

Haus TillyschanzeTillyschanzenweg ������ Hann. MündenTel: 0����/����0 Fax: ������Heim­Nr. ��0�

16,97 € 23,64 €(21,13 €)(Alten­heim)

42,13 € Stufe I 55,40 € Stufe II 68,70 € Stufe III

21,00 €

�0,�� 0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Haus der HeimatHubertusweg ������ Hann. MündenTel: 0����/��0�0 Fax: ��0��0Heim­Nr. ��0�

17,47 € 23,71 €

42,04 € Stufe I 55,19 € Stufe II 68,38 € Stufe III 14,32 € Tages­str.

15,82 €

�0,�� 0�.0�.�00�0�.0�.�00�

��.0�.�00�

Page 222: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

222

Name:Unter-kunft & Verpfle-gung

Geringer Pflege-aufwand (keine Pflege-stufe)

PflegestufenIIIIII

Investi-onkosten(tägl.):

Investions-kosten-Faktor:

gültig ab:

Seniorenheim Hartel GmbHOberdorf �0����� RhumspringeTel: 0����/�0�� Fax: ����Heim­Nr. ����

15,56 € 20,94 €

Inv. Kosten Stufe G 36,27 € Stufe I 47,36 € Stufe II 58,19 € Stufe III

10,69 €10,69 €

�0,���0,��

0�.0�.�00�0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Seniorenheim BirkenhofIn der Fuldaaue 1����� StaufenbergTel: 0����/�0�� Fax: ��0�Heim­Nr. ���0

16,40 € 22,04 € 37,83 € Stufe I 50,05 € Stufe II 60,24 € Stufe III

12,00 €13,00 €

�0,���0,��

0�.0�.�00�0�.0�.�00�0�.�0.�00�

Haus Elisabeth GmbHHauptstr. ������� WollbrandshausenTel: 0����/���� Fax: ����Heim­Nr. ����

15,47 € 22,84 € 40,86 € Stufe I 52,85 € Stufe II 64,83 € Stufe III

13,00 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.0�.�00�

Seniorengemeinschaft Am Rein­hardswaldVeckerhäger Str. ������� Hann. MündenTel: 0����/�0���0 Fax: �0�����Heim­Nr. ��0�

18,82 € 23,03 € 38,38 € Stufe I 49,89 € Stufe II 69,08 € Stufe III

12,10 €�0,�� 0�.�0.�00�

0�.0�.����

Landhaus FuldablickAm Sonnenhang ������� StaufenbergTel: 0����/��0�0 Fax: ��0��0Heim­Nr. ����

15,60 € 20,77 €(13,72 €)(Alten­heim)

35,86 € Stufe I 46,49 € Stufe II 56,46 € Stufe III

21,41 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.0�.�00�

Haus St. GeorgTannenweg ������ DuderstadtTel: 0����/���0 Fax: ����0�Heim­Nr. ����

17,09 € 23,86 €(16,03 €)(Alten­heim)

40,45 € Stufe I 52,66 € Stufe II 64,88 € Stufe III

13,91 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.�0.�000

Pflegeheim HemelnIm Klimpe 28����� Hann. MündenTel: 0����/��0�0 Fax: �0���0Heim­Nr. ��0�

16,60 € 19,45 € 29,42 € Stufe I 37,34 € Stufe II 49,93 € Stufe III

13,10 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.0�.�00�

Haus Drei LindenHauptstr. �0����� WollbrandshausenTel: 0����/���� Fax: ����Heim­Nr. ����

16,31 € 23,62 € 43,37 € Stufe I 63,05 € Stufe II 74,34 € Stufe III

12,00 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.0�.�00�

Haus Am ParkLöwengasse ������ DuderstadtTel: 0����/���0 Fax: ������Heim­Nr. ����

15,88 € 21,28 € 33,48 € Stufe I 42,40 € Stufe II 55,39 € Stufe III

16,48 €�0,�� ��.0�.�00�

0�.0�.�00�

Seniorenresidenz EschenhofKnickgasse 31����� GieboldehausenTel: 0����/���0 Fax: ����00Heim­Nr. ����

16,38 € 20,85 €

§ �� BSHG

35,35 € Stufe I 46,28 € Stufe II 61,91 € Stufe III

96,43 €19,75 €

monatlich �0,��

0�.0�.�00� –�0.0�.�00�0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Page 223: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

223

Name:Unter-kunft & Verpfle-gung

Geringer Pflege-aufwand (keine Pflege-stufe)

PflegestufenIIIIII

Investi-onkosten(tägl.):

Investions-kosten-Faktor:

gültig ab:

Vitanas GmbH & Co. KGaA-BS KönigshofBerliner Ring � – ������� Hann. MündenTel: 0����/���0 Fax: ����00Heim­Nr. ��0� ab 0�.0�.�00�

16,87 € 22,23 € 38,90 € Stufe I 51,34 € Stufe II 63,68 € Stufe III

19,27 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.0�.�00�

Vitanas GmbH & Co. KGaA-BS Königshof – GeronthoBerliner Ring � – ������� Hann. MündenTel: 0����/���0 Fax: ����00Heim­Nr. ��0� ab 0�.0�.�00�

17,05 € 22,34 € 41,54 € Stufe I 59,59 € Stufe II 69,69 € Stufe III

19,27 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.�0.�00�

Haus HainbuchenbrunnenAm Hainbuchenbrunnen ������ Hann. MündenTel: 0����/�0��0 Fax: �����Heim­Nr. ����

15,34 € 22,50 € 38,61 € Stufe I 49,42 € Stufe II 64,10 € Stufe III

16,50 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.0�.�00�

Pflegeheim Schloß FriedlandSchloßstr. 11����� FriedlandTel: 0��0�/����0 Fax: ������Heim­Nr. �0��

16,22 € 21,77 € 36,77 € Stufe I 47,87 € Stufe II 59,02 € Stufe III

14,56 €�0,�� 0�.0�.�00�

0�.��.�00�

Pflegeheim Johannishof zu RosdorfKampweg 9����� RosdorfTel: 0���/����00 Fax: ������0Heim­Nr. ����

16,82 € 23,56 €(Altenheim61,01 €)

41,93 € Stufe I 55,46 € Stufe II 68,98 € Stufe III

26,54 €

�0,�� 0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Haus der HeimatSpezialpflegeeinrichtung“Phase F“Hubertusweg ������ Hann. MündenTel: 0����/��0�0 Fax: ���Heim­Nr.

14,68 € ,- €

49,45 € Stufe I 75,23 € Stufe II103,25 € Stufe III – € Tagesstr.

15,82 €

�0,�� 0�.0�.�00�0�.��.�00�

Seniorenwohnanlage Dransfeld GmbH„Wohnen im alten Dorf“Im alten Dorf 8����� DransfeldTel.: 0��0�/���­0 Fax: ���­���Heim­Nr.: ����

16,49 € 21,45 € 37,35 € Stufe I 48,74 € Stufe II 60,07 € Stufe III

23,05 € �0,�� 0�.0�.�00�0�.0�.�00�

Haus St, Martinus GmbHAuf der Winsche ������ BilshausenTel.: 0����/�0��0 Fax: �0�����Heim­Nr.:��0�

16,03 € 21,61 €

37,49 € Stufe I 49,34 € Stufe II 61,34 € Stufe III

21,75 € �0,�� 0�.�0.�00�0�.�0.�00�

Seniorenpflegezentrum Bo­vendenWurzelbruchweg �����0 BovendenTel.: 0���/������0 Fax: ��������Heim­Nr.:����

16,01 € 21,14 € 36,69 € Stufe I 52,80 € Stufe II 65,77 € Stufe III

�0,�� 0�.0�.�00�

Page 224: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

224

pflegesätzederaltenhIlfeeInrIchtungenInder

stadtgöttIngen

Stand: August 2006

Name:Unterkunft & Verpfle-gung

Geringer Pflegeaufwand (keine Pflege-stufe)

Pflegestufen

I

Investionkosten Investionskosten-

II (§ 75 SGB XII) (§ 82 IV SGB X!) III „Sozialhilfefälle“ „Selbstzahler“

Feierabendhaus 16,57 € 22,53 € 41,44 € Stufe I 22,00 € 24,76 €

55,00 € Stufe II

68,61 € Stufe III

Alten- und Pflegeheim Bode GbR 16,10 € 21,50 € 37,67 € Stufe I 16,15 € 17,89 €

49,27 € Stufe II

60,90 € Stufe III

Stift am Klausberg 18,11 € 23,14 € 39,61 € Stufe I 23,00 € 27,58 €

51,59 € Stufe II

64,63 € Stufe III

St. Paulus­Stift 17,21 € 24,20 € 42,47 € Stufe I 12,29 € 13,14 €

55,42 € Stufe II

68,42 € Stufe III

Matthias­Claudius­Stift 17,73 € 24,74 € 44,51 € Stufe I 17,41 € 19,84 €

58,69 € Stufe II

72,91 € Stufe III

GDA Wohnstift Göttingen 17,95 € 24,38 € 43,94 € Stufe I 17,78 € 19,74 €

57,98 € Stufe II

72,06 € Stufe III

Zentrum für ältere Men­schen / St. Petri 16,60 € 25,85 € 42,46 € Stufe I 16,75 € 17,95 €

55,72 € Stufe II

67,46 € Stufe III

Seniorenzentrum Göttingen 19,23 € 26,84 € 45,13 € Stufe I 18,27 € 18,46 €

(ehemals Altenzentrum 61,88 € Stufe II

72,35 € Stufe III

Page 225: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

225

Name:Unterkunft & Verpfle-gung

Geringer Pflegeaufwand (keine Pflege-stufe)

Pflegestufen

I

Investionkosten Investionskosten-

II (§ 75 SGB XII) (§ 82 IV SGB X!) III „Sozialhilfefälle“ „Selbstzahler“

Alt­Bethlehem 18,48 € 24,47 € 43,64 € Stufe I 19,50 € 20,59 €

57,40 € Stufe II

71,20 € Stufe III

Pro Seniore Residenz 16,40 € 24,69 € 41,11 € Stufe I 21,39 € 23,41 €

Friedländer Weg 54,98 € Stufe II

68,90 € Stufe III

Pro Seniore Residenz 16,62 € 24,13 € 40,78 € Stufe I 23,12 € 25,20 €

Posthof 54,85 € Stufe II

68,95 € Stufe III

Altenzentrum Luisenhof 16,04 € 20,98 € 40,04 € Stufe I 19,75 € 22,50 €

53,73 € Stufe II

67,44 € Stufe III

Phönix­Haus 16,44 € 20,97 € 39,06 € Stufe I 20,24 € 22,83 €

Am Steinsgraben 51,96 € Stufe II

64,83 € Stufe III

Seniorenzentrum Weende 16,41 € 21,65 € 39,23 € Stufe I 21,50 € 24,33 €

51,85 € Stufe II

64,42 € Stufe III

Kurzzeitpflege 16,93 € 33,95 € 59,06 € Stufe I

am Hainberg 62,73 € Stufe II

68,65 € Stufe III

Page 226: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

226

adressenderalten-undpflegeeInrIchtungenInderstadtgöttIngen

Name Träger Anschrift Telefon homepage

Anz

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er

Woh

nung

en

Wohnanlage Reinhäuser Landstraße ��

Städtische Wohnungsbau GmbH

Reinhäuser Landstr. ��, ��0�� Göttingen 0���/����0 http://www.swbgoe.de ��

Wohnanlage Ingeborg-Nahnsen Platz

Städtische Wohnungsbau GmbH

Reinhäuser Landstr. ��, ��0�� Göttingen 0���/����0 http://www.swbgoe.de ��

Wohnanlage Ewaldstraße 42

Wohnungsge­nossenschaft e.G. GÖ

Oesterleystr. �, ��0�� Göttingen 0���/�0���0 http://www.wg­goe.de �0

Wohnanlage Haselweg �, �,�0

Wohnungsge­nossenschaft e.G. GÖ

Oesterleystr. �, ��0�� Göttingen 0���/�0���0 http://www.wg­goe.de ��

Wohnanlage Danziger Straße/ Tilsiterstraße

Wohnungsge­nossenschaft e.G. GÖ

Oesterleystr. �, ��0�� Göttingen 0���/�0���0 http://www.wg­goe.de

��, Fertigstellung Ende �00�

Residenz am Hainberg Firma Residenz am Hainberg

Ewaldstr. �0, ��0�� Göttingen 0���/�����00 http://www.residenz­am­hain­

berg.de/ �0

GDA WohnstiftGemeinschaft Deutsche Altenhilfe GmbH

Charlottenburger Str. ��, ��0�� Göttingen

0���/���0 http://www.gda.de/ ���

Stift am Klausberg Ev. Stift Alt­ und Neu­Bethlehem

Habichtsweg ��, ��0�� Göttingen 0���/�0��0 http://www.stiftamklausberg.de ��0

Alt Bethlehem Ev. Stift Alt­ und Neu­Bethlehem

Obere Karspüle 24, ��, ��0�� Göttingen 0���/�����0 http://www.altbethlehem.de/ �

Feierabendhaus Ev. Stift Alt­ und Neu­Bethlehem

Merkelstr. �, ��0�� Göttingen 0���/����0 http://www.feierabendhaus.

com/ ��

Seniorenzentrum Weende

Firma Senioren­zentrum Weende

Max­Born Ring ��, ��0�� Göttingen 0���/�00��0 http://www.seniorenzentrum­

weende.de/seite�.htm ��

Seniorenwohnanlage am Weendespring

Wolfgang Fehrmann

Am Weendespring �a, ��0�� Göttingen 0���/�����0 http://www.senioren­betreu­

ung­goettingen.de/ ���

Wohnanlage Am Korbhofe, Bovenden

Flecken Bovenden, WRG, AWO

Am Korbhofe 2-10,����0 Bovenden 0���/��0����

http://www.awo­kv­goettingen.de/pflege/framepflegebetreu­ung.htm

��

Alma­Louisen­Stift Adelebsen

Diakonischer Pflegedienst

Mühlenanger ������ Adelebsen

0��0�/����­�� http://www.almalouisenstift.de �

Haus St. Laurentius Haus St. Georg Gruppe

Bahnhofstr. �, ����� Gieboldehau­sen

0����/���0http://www.haus­st­georg.de/blank_Portal/unternehmen/bwstlaurentius

��

Haus St. Georg Haus St. Georg Gruppe

Tannenweg �a, ����� Duderstadt­Nesselröden

0����/���0http://www.haus­st­georg.de/blank_Portal/unternehmen/bwstgeorg/

Haus Tillyschanze Tillyschanzenweg �, ����� Hann. Münden 0����/����­0 http://www.haus­tillyschanze.

de/home.htm ��

Am KronenturmGemeinnütziger Bauverein und AWO

Wiershäuser Weg ��, ����� Hann. Münden

0����/���0�0http://www.awo­kv­goettingen.de http://ww.bauverein­muenden.de/

��

Haus der Heimat Monika KeuthenHubertusweg �, ����� Hann. Münden/ Hedemünden

0����/��0�0 http://www.haus­der­heimat.de/ �

Vitanas Seniorenzentrum Königshof

Vitanas Berliner Ring �–��, ����� Hann. Münden 0����/���0 http://www.vitanas.de/ ��

Herzogin­Elisabeth­Stift Ev. Stift Alt­ und Neu­Bethlehem

Am Plan �–�, ����� Hann. Münden 0����/�0�� http://www.herzogin­elisabeth­

stift.de ��

Seniorenwohnanlage Gr. Schneen Dieter Gremmes Am Birkenfeld ��–��,

37133 Groß Schneen 0����/���� ��

Seniorenwohnanlage Dransfeld

Seniorenwohn­anlage Dransfeld GmbH

Im alten Dorf 8, 37125 Dransfeld 0��0�/���0 �

Page 227: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

227

adressenderalten-undpflegeheImeImbereIchdeslandkreIsesgöttIngen

Heim Anschrift Plätze Gemeinde

Herzogin­Elisabeth­StiftHann. Münden

Am Plan ������ Hann. Münden

Tel.: 0����/�0��Fax: 0����/�0��0�

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Han

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Altenwohnheim HermannshagenHann. Münden

Wiershäuser Weg ������� Hann. Münden

Tel.: 0����/���00Fax: 0����/���0��

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Haus TillyschanzeHann. Münden

Tillyschanzenweg ������ Hann. Münden

Tel.: 0����/����0Fax: 0����/������

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Haus der Heimat,Oberode

Hubertusweg ������ Hann. Münden

Tel.: 0����/��0�0Fax: 0����/��0��0

��

Pflegeheim Am ReinhardswaldHann. Münden

Veckerhäger Str. ������� Hann. MündenTel.: 0����/�0���0

Fax: 0����/�0�����

��

Pflegeheim HemelnHemeln

Im Klimpe 28����� Hann. Münden

Tel.: 0����/��0�0Fax: 0����/��0���

��

Senioren- und Wohnpark KönigshofHann. Münden

Berliner Ring �–������� Hann. Münden

Tel.: 0����/���0Fax: 0����/�������

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Haus HainbuchenbrunnenHann. Münden

Am Hainbuchenbrunnen ������ Hann. Münden

Tel.: 0����/�0��0Fax: 0����/�0���0

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Alten- und Pflegeheim St. MartiniDuderstadt

Göttinger Str. ������� DuderstadtTel.: 0����/���0

Fax: 0����/������

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erst

adtHollenbach­Stiftung

Duderstadt

Adenauerring ������ DuderstadtTel.: 0����/����0

Fax: 0����/������

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Haus Am ParkDuderstadt

Löwengasse ������ DuderstadtTel.: 0����/���0

Fax: 0����/������

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Haus St. GeorgNesselröden

Tannenweg � a����� DuderstadtTel.: 0����/���0

Fax: 0����/����0�

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Page 228: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

228

Heim Anschrift Plätze Gemeinde

Seniorenresidenz EschenhofGieboldehausen

Knickgasse 31����� Gieboldehausen

Tel.: 0����/���0Fax: 0����/����00

��

SG

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Haus Drei Linden,Wollbrandshausen

Hauptstr. �0����� Wollbrandshausen

Tel.: 0����/����Fax: 0����/����

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Haus ElisabethWollbrandshausen

Hauptstr. ������� Wollbrandshausen

Tel.: 0����/����Fax: 0����/����

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Seniorenheim HartelRhumspringe

Oberdorf ��–�0����� Rhumspringe

Tel.: 0����/�0��Fax: 0����/����

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Haus St. MartinusBilshausen

Auf der Winsche ������ BilshausenTel.: 0����/�0��0

Fax: 0����/�0�����

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Seniorenheim BirkenhofSpiekershausen

In der Fuldaaue 1����� Staufenberg

Tel.: 0����/�0�� und �0��Fax: 0����/��0�

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berg

Landhaus FuldablickSpiekershausen

Am Sonnenhang ������� StaufenbergTel.: 0����/��0�0

Fax: 0����/��0��0

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Alma­Louisen­StiftAdelebsen

Mühlenanger ������ AdelebsenTel.: 0��0�/����0

Fax: 0��0�/�����0

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Alten- und Pflegeheim MüllerHolzerode

Hünstollenstr. ������� Ebergötzen

Tel.: 0��0�/���Fax: 0��0�/����

�� SG

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en

JohannishofRosdorf

Kampweg 9����� Rosdorf

Tel.: 0���/�����00Fax: 0���/������0

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Ros

dorf

Pflegeheim Schloß FriedlandFriedland (Eingliederungshilfe)

Schloßstr. 11����� Friedland

Tel.: 0��0�/����0Fax: 0��0�/������

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Frie

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Seniorenpflegezentrum BovendenBovenden

Wurzelbruchweg �����0 Bovenden

Tel.: 0���/������­0Fax.: 0���/������­��

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SeniorenwohnanlageDransfeld

Im alten Dorf 8����� DransfeldTel.: 0��0�/���­0

Fax.: 0��0�/���­���

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Page 229: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

229

Impressum

Herausgeber:Regionalverband Südniedersachsen e.V. Geschäftsführer Rüdiger ReyhnBarfüßerstr. 137073 GöttingenTel.: 0551/5472810Fax: 0551/5472820http://www.regionalverband.deE-Mail: [email protected]

Projektleitung: Rüdiger Reyhn

Projektkoordination: Holger Balderhaar und Marcus Lemke

Bearbeitung: Holger Balderhaar, Kilian Bizer, Julia Busche, Gerd Cassing, Wolf-Ekkehard Hesse, Karsten Hiege, Ullrich Kornhardt, Marcus Lemke, Steffen Reißig und Rüdiger Reyhn

Mitarbeit: Ulrike Brammer, Bettina Keuthen, Odilia König, Bernd Kreutzfeldt, Erika Lohe, Christiane Röbbel, Ulf Schmidt, Dirk Spenn und Gudrun Surup

Wissenschaftliche Beratung: Gerhard Bäcker

Moderation der narrativen Gesprächsrunden: Silke Inselmann (WIDServe)

Datenerhebung: Helga Wehler, Christiane Wilde, Swaantje Krasky

Seniorenscout: Swaantje Krasky

Auswertung der Fragebögen: Nils-Christian Schwarz und Katharina Ratke

Lektorat: Ingo Chao

Layout und Grafiken: OPTEX Werbeagentur, Maike Lambrecht und Jens Geumann

Göttingen, im September 2006

Page 230: Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

230

© Regionalverband Südniedersachsen e.V. | Barfüßerstr. 1 | 37073 Göttingen | www.regionalverband.de