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FÜHRUNGSKULTUR UND ETHIK IM ZEITALTER DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS NETZWERK „ÄLTER WERDEN. ZUKUNFT HABEN!“ EIN FORUM FÜR INFORMATION UND ERFAHRUNGSAUSTAUSCH SICHTWEISEN

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FÜHRUNGSKULTUR UND ETHIK IM ZEITALTER DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS

NETZWERK „ÄLTER WERDEN. ZUKUNFT HABEN!“EIN FORUM FÜR INFORMATION UND ERFAHRUNGSAUSTAUSCH

SICHTWEISEN

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IMPRESSUM

Herausgeber: Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“Ein Projekt der oberösterreichischen Sozialpartner und des Landes Oberösterreich in Kooperation mit oö. AkteurInnen

Netzwerkmanagement:Kammer für Arbeiter und Angestellte OÖ, EU-ProjektbüroVolksgartenstraße 40, 4020 Linz+43 732 69 [email protected]

Projektleitung: Edith KonradProjektassistenz: Tanja Bogner, Birgit SchallmeinerRedaktion: Annette JäckelGrafik: Andreas ZarzerIllustrationen: Sabine KlimentBildnachweis: Günter Gröger (grox): Seite 15, 26, 27, 77, 84art + fashion / Mediendienst.com: Seite 42, Der Standard: Seite 43PRofessional PR / IKEA: Seite 75, VSG Produktionsschule factory: Seite 77, 78, 79

Das Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“ bekennt sich zum Prinzip des Gender Mainstreamings auf allen Ebenen.Bei den vorliegenden Texten oblag den jeweiligen AutorInnen die Wahl bezüglich der Verwendung geschlechtergerechter Formulierungen.

Verlag: TRAUNER Verlag + Buchservice GmbH, LinzHerstellung: TRAUNER Druck GmbH & Co KG, LinzErste Auflage: April 2009

ISBN 978-3-85499-572-2

© Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“www.wage.at

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FÜHRUNGSKULTUR UND ETHIK IM ZEITALTER DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS

SICHTWEISEN

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Johann KalliauerAK OÖ-Präsident

Viktor Sigl Wirtschaftslandesrat

Rudolf Trauner WKO OÖ-Präsident

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Zum vierten Mal haben wir Unternehmens-vertreterInnen, PersonalistInnen, Betriebs-rätInnen und WissenschaftlerInnen zur alljährlichen Netzwerktagung nach Ober-österreich eingeladen.Im Zentrum der Diskussion stand die Fragenach Führungskultur und Ethik im Zeitalterdes demografischen Wandels.Die Auswirkungen der demografischen Entwicklungwerden alle Bereiche unseres Lebens verändern – unddamit auch die Arbeitswelt. In intensiver Zusammen-arbeit beschäftigen sich die oberösterreichischenSozialpartner und das Land Oberösterreich bereitsseit 2004 aktiv mit Fragen rund um eine alter(n)sge-rechte Arbeitswelt in den Betrieben. Zu Beginn desEU-Projekts „WAGE – Winning Age, Getting FuturE“wurden wir noch skeptisch beäugt und zuweilensogar als Schwarzmaler abgetan. Mittlerweile – nachfünfjähriger Pionierarbeit, großartiger Kooperationund Weiterführung der Aktivitäten im Netzwerk„Älter werden. Zukunft haben!“ – hat sich das Bildgewandelt: Von ExpertInnen, Organisationen undBetrieben aus dem In- und Ausland erhalten wirAnerkennung für den Weitblick, den wir damalsbewiesen haben. Wir sind stolz, dass es uns gelungenist, hinsichtlich der Wertschätzung Älterer einenParadigmenwechsel einzuleiten. Diesen erfolgreicheingeschlagenen Weg der kontinuierlichen Thema-tisierung und intensiven Sensibilisierungsarbeitwerden wir in den nächsten Jahren konsequentweiterverfolgen. – Und das auch oder gerade in Zeiten einer schwierigen Wirtschaftssituation, indenen andere Themen die Arbeitsmarktdiskussionenbeherrschen. Die Auswirkungen der demografischenEntwicklung werden uns die nächsten Jahre undJahrzehnte begleiten und verlangen deshalb nachnachhaltigen Strategien und präventiven Maßnah-men. Unser langfristiges Ziel lautet deshalb, betrieb-liche und überbetriebliche Rahmenbedingungen sozu gestalten, dass gelebte Wertschätzung fürBeschäftigte aller Generationen in den BetriebenOberösterreichs möglich wird.

Ökonomie existiert nicht abseits einer Gesellschaftund ihres Wertekanons. Diese gewichtige Wechsel-wirkung zwischen ethischen Werten und Wirtschafthat uns dazu bewogen, dieses Thema ins Zentrumder Herbsttagung 2008 zu rücken und mit nam-haften ExpertInnen zu diskutieren.Entwicklungen kritisch hinterfragen und eigene Wertehaltungen reflektieren: In diesem Prozess sind Individuen, Gesellschaft und Unternehmengleichermaßen gefordert. Dies soll deshalb Beitrag zu einer Wertediskussion sein und zugleich Aufforderung an alle AkteurInnen, gemeinsam an dieser Gestaltung einer ethischen Wirtschafts-ordnung mitzuarbeiten.

UNTERNEHMENSKULTUR:WERTSCHÄTZUNG VERSUS ÖKONOMIE?

Vorwort

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INHALTFührungskultur und Ethik im Zeitalter des demografischen WandelsEin Forum für Information und Erfahrungsaustausch – 15. und 16. Oktober 2008 in Linz

Impressum 2Unternehmenskultur: Wertschätzung versus Ökonomie?Vorwort 5Wertschätzende Führungskultur im Spannungsfeld zwischen profitorientierter Wirtschaft und individualisierter ArbeitsweltEinleitung 8WerteGeleitwort Pater Anselm Grün 12

15. OKTOBER 2008: DISKUSSION MIT EXPERTEN/EXPERTINNEN IM LANDESSTUDIO DES ORF OÖ

Wie sieht für Sie die Führungspersönlichkeit von heute und morgen aus?Statements 15Länger arbeiten – sollen, können, wollen?Gastbeitrag Josef Moser 16Wer als Führungskraft auf ältere Beschäftigte setzt, investiert in die ZukunftGastbeitrag Peter Scheinecker 20Führungskultur und Ethik im Zeitalter des demografischen WandelsGastbeitrag Michaela Erkl-Zoffmann 21Gut älter werdenGastbeitrag Helmut Obermayr 23... und wie ist Ihre Sichtweise zum Führungsverhalten von heute und morgen?Statements aus dem Publikum 24Oida, du bist Spitze!Gastbeitrag Joschi Auer 26

16. OKTOBER 2008: INFORMATIONSFORUM IM SIEMENSFORUM LINZ

Alter und Arbeit – Historische Trends und aktuelle Herausforderungen Einführungsvortrag Josef Ehmer 29Active Ageing – Maßnahmen für eine alternsgerechte Arbeitswelt in ÖsterreichGastbeitrag Andreas Eckwolf 31„Warum geht der Kerl nicht in Pension?“Gastbeitrag / Interview Michael Josef Oberschmidleitner 32Von der Ressourcen- zur PotenzialentwicklungsgesellschaftGastbeitrag / Interview Gerald Hüther 34

FORUM 1Neue Machtverhältnisse brauchen neue DurchsetzungsstrategienChristine Bauer-Jelinek 37Wenn sich alles in Zahlen auflöstGastbeitrag / Interview Walter Ötsch 41

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Lieblingsschlagworte oder Zeichen neuer Unternehmenskultur?Gastbeitrag Karin Bauer 42Ein Zuhause für die SeeleGastbeitrag / Interview Gernot Grammer 44

FORUM 2Der Drei-Generationenbetrieb 2025 – Vision und WirklichkeitJuhani Ilmarinen 47Nur die Besten trauen sich Gastbeitrag / Interview Anne Katrin Matyssek 50AUVA – Partner im Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“Gastbeitrag Marina Pree-Candido 52Eine wertvolle Mischung Gastbeitrag / Interview Maximilian Wurm 53Betriebsnetzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“ 55

FORUM 3Generationenmanagement in KMU – Wertschätzung leben und Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen den Generationen gestaltenGerhard Hochreiter 57Toleranz, Respekt – und HumorGastbeitrag / Interview Gudrun Trutmann-Peter 59Systematischer Wissenstransfer mit dem TransferWerk – ein neues Angebot des Netzwerks „Älter werden. Zukunft haben!“Gastbeitrag Grit Terhoeven 61Im Herzen des BRP-Konzerns Gastbeitrag / Interview BRP Powertrain Gunskirchen 64

FORUM 4Alternssensible MitarbeiterInnen-Führung mit dem Faktor AnerkennungBrigitta Geißler-Gruber 67Busfahren – ein Lebensberuf: sabtours setzt Initiative für älter werdende Beschäftigtesabtours 69Vertrauen in die MitarbeiterInnenInterview Pecho-Druck, Stefan Haselsteiner 71Die Musik(er) im Gefühl Gastbeitrag / Interview Elisabeth Fuchs 73„Man muss Menschen mögen, um eine gute Führungskraft zu sein“Gastbeitrag / Interview Helen Duphorn 74

DAS THEMA ANDERS BETRACHTET

Kurzfilm DrehmomenteGastbeitrag Markus Luger 77WasserträgerGeschichte zum Alter von Paulo Coelho 80… und was wir aus dieser Geschichte lernen könnenNeue Arbeitswelt 50plus 81Zusammenfassung und Ausblick 83

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Wertschätzung der MitarbeiterInnen vonJung bis Alt, Weiterbildung für alle Beschäf-tigten, Gesundheitsprävention zur Erhal-tung der Arbeitsfähigkeit …: Können Füh-rungskräfte ethische Werte tatsächlichleben, wenn der Markt-„Wert“ eines Unter-nehmens in erster Linie an ökonomischenZielgrößen gemessen wird? Das Netzwerk„Älter werden. Zukunft haben!“ forcierteine gesellschaftspolitische Debatte vordem Hintergrund des demografischenWandels.

In Oberösterreich steigt laut WIFO-Prognose dieBeschäftigtenzahl zwischen 2006 und 2012 um37.500 Personen. Der Anteil der Beschäftigten(unselbstständig und selbstständig), die älter als 45Jahre sind, wird zunehmen. Gleichzeitig sinken dieBeschäftigtenzahlen der unter 45-Jährigen.

Zum Vergleich:• Im Jahr 2006 lag der Anteil der 15- bis 29-Jährigen

bei 27 Prozent, der 30- bis 44-Jährigen bei 42,3 Pro-zent. 30,7 Prozent der Beschäftigten gehörten zurAltersgruppe 45+.

• Im Jahr 2012 wird der Anteil der 15- bis 29-Jährigenauf 26,5 Prozent sinken, weniger wird auch dieAnzahl der Beschäftigten zwischen 30 und 44 Jah-ren, die um mehr als 5 Prozent abnehmen und dannbei 37 Prozent liegen wird. Hingegen wird es umfast sechs Prozent mehr Beschäftigte geben, dieälter als 45 Jahre sind, ihr Anteil wird für 2012 auf36,5 Prozent prognostiziert.

Seit Jahren wird auf diese Entwicklung hingewiesen.Eine Entwicklung, die keine spezifisch österreichischeist, sondern – mit unterschiedlichen Facetten undNuancen – weltweit Folgen haben wird.

Als die PartnerInnen des Netzwerkes „Älter werden.Zukunft haben!“ 2004 beschlossen, in einem erstengemeinsamen Projekt die Auswirkungen der demo-grafischen Entwicklung genauer zu untersuchen undden damit verbundenen Herausforderungen aktivund präventiv zu begegnen, betraten sie damit nichtnur in Österreich Neuland. Wie schnell sich die Situa-tion ändern kann, dokumentieren heute – fünf Jahrespäter – zahlreiche, europaweit entwickelte Ansätzeund Modelle. Diese zeigen, wie sich auf betrieblicher,überbetrieblicher, regionaler, aber auch normativerEbene konkrete Rahmenbedingungen schaffen lassen, die ein gutes Älterwerden in der Arbeitsweltermöglichen. Das Thema Demografie und insbeson-dere die Frage, wie man den Auswirkungen auf dieunterschiedlichsten Lebensbereiche in der Praxisbegegnen kann, stehen heute nicht nur im Mittel-punkt vieler EU-Strukturprogramme, sondern auchim Fokus einer aufmerksam gewordenen Öffentlich-keit. Dem Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“kommt in diesem Zusammenhang die Rolle zu,Erfahrungen als Beispiele „guter Praxis“ weiterzu-geben und konkrete Lösungsansätze, die innerhalbdes Sozialpartnerprojekts bereits erarbeitet wurden,national und international zu verbreiten.

„Menschen haben ein gutes Gespür dafür, ob es ihnenin einem Unternehmen gut geht oder nicht. Und siewerden künftig eher die Möglichkeit haben, Konse-quenzen daraus zu ziehen, wenn etwa ein neuer Vor-gesetzter einen Stil pflegt, der ihnen persönlich nichtpasst, oder wenn die ganze Firma sich in eine Richtungverändert, die nicht mehr die ihre ist. Sie werden Kapi-täne ihres Lebens-Schiffs.“Ulrich HemelTheologie-Professor und Unternehmer,in brand eins 08/08

Wenn es um künftige Arbeitsmarkt- und Wirtschafts-gestaltung geht – und das haben die PartnerInnen

WERTSCHÄTZENDE FÜHRUNGSKULTUR IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN PROFITORIENTIERTER WIRTSCHAFT UND INDIVIDUALISIERTER ARBEITSWELT

Einleitung: Edith Konrad, Annette Jäckel

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des Netzwerkes „Älter werden. Zukunft haben!“ früh-zeitig erkannt –, rückt das Potenzial älterer Beschäf-tigter zunehmend in den Mittelpunkt. Damit eröff-nen sich neue Handlungs- und Gestaltungsspiel-räume, sowohl überbetrieblich als auch innerhalb derUnternehmen. Vor dem Hintergrund der demografi-schen Herausforderungen in einer globalisiertenWirtschaft und der zunehmend wissensorientiertenGesellschaft wird es nicht nur für die betrieblichenEntscheidungsträgerInnen, sondern vor allem auchfür Führungskräfte im Management internationalerKonzerne, großer Institutionen usw. immer schwieri-ger, sich in diesem Spannungsfeld zwischen profit-orientierter Wirtschaft und individualisierter Arbeits-welt zu bewegen, ethische Grundsätze im Auge zubehalten, diese in der Unternehmenskultur zu veran-kern und letztendlich auch zu leben.

Denn eines hat nicht zuletzt die aktuelle Entwicklungauf den weltweiten Finanzmärkten durch die Entkop-pelung von Real- und Finanzwirtschaft deutlich

gemacht: Geraten ethische und soziale Wertehaltun-gen zugunsten von Profit wie auch Gewinnmaximie-rung ins Hintertreffen, können scheinbar gut funktio-nierende Wirtschaftssysteme über Nacht ins Wankengeraten und sich zu einem für alle spürbaren (Erd-)Beben der Weltwirtschaft verbreitern. Was passierenkann, wenn Kontrollmechanismen umgangen wer-den und Grundsätze sozialer Marktwirtschaft anDurchsetzungskraft verlieren, das führt uns dieFinanzkrise seit Herbst 2008 sehr anschaulich vorAugen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass damit einher-gehend verstärkt Fragen nach Verantwortung undden ethischen Grundwerten zum Thema gemachtwerden. Ökonomische und betriebswirtschaftlicheÜberlegungen werden vielfach nicht mehr losgelöstvon ethischen und sogenannten „weichen“ Faktorendiskutiert, die für den wirtschaftlichen Erfolg einesUnternehmens ebenso eine Rolle spielen.

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Erwerbsquoten 2002

MännerFrauen

Erwerbsquoten 2030

Quelle: Statistik Austria

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„Ich glaube, indem ich den Mitarbeitern und der Qualität ihrer Arbeit vertraue, statt sie permanent zukontrollieren, und ihnen so Freiräume gebe, selbststän-dig Entscheidungen zu treffen, ist für sie das Unter-nehmen zu einem besseren Lebensraum geworden.“Stefan HaselsteinerGeschäftsführer von Pecho-Druck

Ethik ist eine Frage der Haltung, nicht des Handelns.Mit einer öffentlichen Debatte über die Rolle vonFührungskräften in diesem Spannungsfeld von Öko-nomie und Ethik will das Netzwerk „Älter werden.Zukunft haben!“ neue Akzente in einer bisher nochzu wenig geführten Diskussion setzen. Denn für dieUnternehmen wird es aus Sicht der Netzwerkpart-nerInnen zunehmend wichtig, die Unternehmens-identität auf Basis von Vertrauen, Integrität und Fair-ness zu entwickeln. Aus diesem Grund haben es sichdie PartnerInnen des Netzwerkes „Älter werden.Zukunft haben!“ zur Aufgabe gemacht, Optionenaufzuzeigen, wie Haltungen nachhaltig verändertwerden können – denn jeder Handlung und Entschei-dung geht eine Haltung voraus. Einigkeit bestehtdarüber, dass es wichtig und notwendig ist, ethischesVerhalten im Tagesgeschäft zu leben. Aber auch dar-über hinaus die Anstrengung zu unternehmen, dieeigene Wertehaltung kontinuierlich zu hinterfragenund zu pflegen. Unternehmerische Entscheidungenwerden von Menschen gefällt, die von persönlichenWerten und Zielen geprägt sind. Ein ethisches Unter-nehmensklima, vorgelebt durch die Führungskräfteund nachhaltig verankert in der Firmenkultur, machtden einzelnen Betrieb unverwechselbar.

Auftakt der Herbsttagung des Netzwerks „Älter wer-den. Zukunft haben!“ war am 15. Oktober 2008 imLandesstudio des ORF OÖ eine Veranstaltung zumdiesjährigen Thema „Führungskultur und Ethik imZeitalter des demografischen Wandels“. Politisch Ver-antwortliche diskutierten mit hochrangigen Exper-tInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Anwen-dung. Im Blickpunkt standen dabei Fragen der Ver-antwortung und Möglichkeiten des Individuums zurMitgestaltung der betrieblichen Lebenswelten unddie Verantwortung der Politik zur Schaffung geeigne-ter Rahmenbedingungen. Beim ganztägigen Diskus-sionsforum am 16. Oktober im Siemensforum Linzging es für die 150 TeilnehmerInnen und die Netz-werkpartnerInnen vorrangig darum, verschiedensteSichtweisen zu „Führungskultur und Ethik im Span-nungsfeld von profitorientierter Wirtschaft versusindividualisierter Arbeitswelt“ zu generieren, neue

Ansätze zu diskutieren und diese für die Weiterarbeitim Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“ nutzbarzu machen.

Die vorliegende Tagungsdokumentation ist eineZusammenfassung der Beiträge und Diskussionenbeider Veranstaltungstage, ergänzt durch Berichteund Artikel, die einzelne Aspekte des Themas aus-führlicher beleuchten und die uns externe PartnerIn-nen dankenswerterweise zur Verfügung gestellthaben. Ein herzliches Dankeschön dafür. Ebensomöchten wir uns bei allen PartnerInnen des Netzwer-kes bedanken, die uns in der Arbeit durch ihr Engage-ment und Impulse bereits seit Jahren so qualitätsvollunterstützen. Unser Dank gilt auch dem Land Ober-österreich für die finanzielle Unterstützung, welchediese gemeinsamen Aktivitäten überhaupt erst mög-lich macht.

Wir wünschen Ihnen nicht nur ein interessantesDurchblättern und Lesen der Tagungsdokumentation,sondern hoffen, dass Sie auch die eine oder andereAnregung für die Umsetzung im eigenen Verant-wortungsbereich finden. Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung und Ideen für zukünftige Koopera-tionen unter [email protected].

Netzwerkmanagement:Arbeiterkammer Oberösterreich,EU-Projektbüro

Weitere Informationen zum Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“, zur Arbeit desBetriebsnetzwerks und zu den Angeboten derNetzwerkpartnerInnen zur Bewältigung desdemografischen Wandels finden Sie aufwww.wage.at.

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DIE NETZWERKPARTNERINNEN UND NETZWERKPARTNER „ÄLTER WERDEN. ZUKUNFT HABEN!“:

operative:

• AK OÖ – Arbeiterkammer Oberösterreich

• BFI OÖ – Berufsförderungsinstitut Oberösterreich

• Netzwerk Humanressourcen

• WIFI OÖ – WirtschaftsförderungsinstitutOberösterreich

• WKO OÖ – Wirtschaftskammer Oberösterreich

externe, strategische:

• AMS OÖ – Arbeitsmarktservice Oberösterreich

• Ars Electronica Center

• Ärztekammer für Oberösterreich

• AUVA – Allgemeine Unfallversicherungsanstalt

• BundessozialamtLandesstelle Oberösterreich

• E-Werk Wels AG

• Industriellenvereinigung Oberösterreich

• SORA – Institute for Social Research

• Land Oberösterreich

• ÖGB OÖ – Österreichischer Gewerkschaftsbund

• OÖGKK – Oberösterreichische Gebietskrankenkasse

• ORF OÖ – Oberösterreichischer Rundfunk

• PGA – Verein für prophylaktische Gesund-heitsarbeit

• Regionalmanagement Oberösterreich

• Team 7 Natürlich Wohnen GmbH

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Welche Werte sind uns heute noch etwaswert? Wie können wir nachhaltig Werteschaffen, die nicht nur als gedrucktes Wortdie Firmenbroschüre schmücken, sondernauch tatsächlich gelebt werden? Ein Geleit-wort von Pater Anselm Grün.

Unsere Mönchsgemeinschaft orientiert sich an den christlichen Werten, wie sie der hl. Benediktin seiner Regel konkretisiert hat. Da ist der obersteWert die Verherrlichung Gottes. Es geht also umden Primat Gottes. Wir sind davon überzeugt,dass der Mensch nur dann richtig lebt, wenn ersich selbst nicht in den Mittelpunkt stellt, sondernüber sich hinausschaut und – wie der hl. Benediktvon seinen Mönchen fordert – sein Leben lang Gott sucht.

Ein anderer Wert ist der Glaube an Christus im Bruder und in der Schwester. Man könnte das auchals Glauben an den guten Kern in jedem Menschenansehen. Durch diesen Glauben an das Gute kannich auch gut mit den Menschen umgehen, kann ichden Nächsten lieben und durch die Liebe in ihmdas Gute hervorlocken.

Für mich persönlich ist das weite Herz, das Benedikt als Kennzeichen des spirituellen Men-schen beschreibt, der wichtigste Wert der Regel.Weite heißt nicht Beliebigkeit, aber Offenheit,Freiheit von dem Zwang, alles und jeden bewertenoder beurteilen zu müssen. Die Weite ist ein anderer Begriff für Toleranz, für die Hoffnung und das Vertrauen, das ich in jeden Menschensetze, und die Freiheit gegenüber der Herrschaftäußerer Normen.

In Organisationen oder Erzieherteams kann ich die Werte auf keinen Fall moralisierend einfordern.Durch Moralisieren schaffe ich keine Werte. Mir istes wichtig, für die Werte zu werben. Werte machendas Leben wertvoll, das Miteinander und jeden Einzelnen. Werte geben auch einer Organisationeinen Wert. Der englische Begriff von Wert, „value“,kommt vom lateinischen Wort „valere“, das

„gesund sein und stark sein“ bedeutet. Wertegeben einer Organisation Stärke und Gesundheit.

Auch bei der Erziehung sollten wir Werte nichtfordern, sondern vielmehr selbst vorleben und dasWertvolle in den Kindern wecken. Jedes Kind hatein inneres Gespür für das, was wertvoll ist, wasihm heilig ist. Das sollten wir erst einmal aus denKindern selbst heraushören. Dann können wir esverstärken oder auch korrigieren, wenn wir er-kennen, dass manche Kinder das Gespür für diewirklichen Werte vermissen lassen. Natürlich sollen Erzieher und Erzieherinnen Vorbilder sein.Aber ich erlebe, dass die Forderung, Vorbild sein zumüssen, die Pädagogen eher abschreckt. Sie fühlensich damit überfordert. Wenn sie jedoch selbsterkennen, dass die Werte ihr Leben wertvollmachen und ihnen Gesundheit und Kraft schenken,dann haben sie eher Lust, diese Werte zu verkör-pern und für sie zu werben.

Es gibt in den verschiedenen Kulturen verschiedeneWerte. Aber dennoch gibt es Grundwerte, die inallen Religionen und Kulturen in ähnlicher Weisegelten. Hans Küng hat die Diskussion um ein Welt-ethos angestoßen. Die Religionen sollten gemein-sam aus ihrer eigenen Tradition heraus an einemWeltethos arbeiten, das verbindlich für alle gilt.In unserer abendländischen Kultur kennen wir dievier Kardinaltugenden, die der wohl größte griechische Philosoph Platon im 4. Jahrhundertvor Christus aufgestellt hat. Es sind Gerechtigkeit,Tapferkeit, Maß und Klugheit. Sie gelten wohl füralle Menschen. Platon nimmt für sich in Anspruch,dass er damit dem Wesen der Menschen gerechtwird und der Entfaltung wahrer Humanität dient.Gerechtigkeit heißt zuerst einmal, den verschiede-nen Bedürfnissen und Bereichen in sich gerechtzu werden, seinem Leib, seiner Seele und seinemGeist. Erst dann kann ich auch den Menschen ummich herum gerecht werden und sie richtig be-handeln, damit sie aufrecht ihren Weg gehen können. Tapferkeit ist der Mut, das, was ich als richtig erkannt habe, auch zu leben, selbst wennich dabei Nachteile erleide oder verletzt werde.Der Mensch kann auf Dauer nur gesund leben,

WERTEGeleitwort: Pater Anselm Grün

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wenn er seinem eigenen Maß gerecht wird, demMaß seiner Fähigkeiten und Kräfte. Und Klugheitist die Kunst, das für den Augenblick Richtige zuerkennen und zu entscheiden. Diese vier Grund-werte werden wohl von allen Menschen akzeptiert,weil sie dem Wesen des Menschen entsprechen.

Die christliche Tradition hat außerdem noch drei spirituelle Werte entfaltet: Glaube, Hoffnung undLiebe. Auch diese Werte können wohl von allen Reli-gionen akzeptiert werden. Glaube meint nicht nurden Glauben an Gott, sondern auch den Glauben anden Menschen, den Gott als gut geschaffen hat undder daher in seinem Kern gut ist und sich nach demGuten sehnt. In der Hoffnung hoffe ich immer fürdiesen konkreten Menschen und ich hoffe auf ihn.Ich kann warten, bis sich das Gute in ihm entfaltetdurch alle Umwege und Irrwege hindurch. Und ohneLiebe ist das Leben nicht lebenswert. Liebe vermagWunden zu heilen. Und Liebe ist ein Grundwohl-wollen zu allen Menschen, die Bereitschaft, jedenMenschen in seiner Würde zu achten.

Diese sieben Grundwerte könnten durchaus dieGrundlage sein für unsere Gesellschaft. Eine Gesell-schaft, die die Werte vergisst, verliert an Wert. DasMiteinander wird immer schwieriger und das Lebender Einzelnen ist gefährdet. Daher sehnt sich dieGesellschaft nach Werten, die ihr Stabilität und Wertverleihen. Heute würde man die Grundwerte manch-mal in einer anderen Sprache verkünden. Das Maßwird zur Nachhaltigkeit, nicht nur im Wirtschaften,sondern auch im Umgang mit den eigenen Kräftenund mit den Menschen. Gerechtigkeit wird zur Solidarität und Tapferkeit zur Zivilcourage.

Jede Firma, die heute etwas auf sich hält, beschreibtin ihren Leitbildern die Werte als Grundlage ihresWirtschaftens. Aber manchmal hat man den Ein-druck, dass die Werte zwar auf Hochglanzpapier stehen, aber doch kaum in der Wirklichkeit gelebtwerden. Sie sind für einige Firmen nur ein Alibi, nachaußen gut dazustehen. Aber sie versuchen nicht,diese Werte in konkrete Verhaltensweisen umzu-setzen. Werte sind eine Herausforderung, das Lebendanach auszurichten. Sie müssen in Fleisch und Blutübergehen. Je weniger die Werte gelebt werden,desto mehr spricht man darüber. Daher müssen dieWorte mit den Taten übereinstimmen. Nur dann wirddie Wertediskussion fruchtbar. Wir werden uns imGespräch über die Werte, die uns leiten, bewusst, wasunserem Leben wahrhaft Wert verleiht, worauf wirpersönlich bauen und worauf unsere Gesellschaft inZukunft setzen kann. In der Erziehung die Lust an denWerten zu vermitteln, auf spielerische und kreativeWeise, das halte ich für eine große Herausforderungfür die Erzieherinnen und Erzieher. Sie leisten damiteinen wichtigen Beitrag zur Humanisierung unsererGesellschaft und für ein Miteinander aller Kulturenund Religionen in der einen Welt.

Pater Anselm Grün ist Klosterverwalter in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach.Darüber hinaus widmet er sich der Arbeit mit Jugendlichen, hält Vorträge und Seminare, ist Buchautor und arbeitet als geistlicher Begleiter für Priester und Ordensleute in Krisensituationen.www.vier-tuerme.de

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DISKUSSION MIT EXPERTINNEN UND EXPERTEN15. OKTOBER 2008 IM LANDESSTUDIO DES ORF OBERÖSTERREICH

FÜHRUNGSKULTUR UND ETHIK IM ZEITALTER DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS

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„Arbeitsfähigkeit in den unterschiedlichen Lebensphasen,angepasst an die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, angemessen fördern ist aus meiner Sichteine der zentralen Führungsaufgaben.“

Juhani IlmarinenFIOH Finnish Institute of Occupational Health

„Die Einteilung des Lebens in die drei Phasen von Ausbildung,Erwerbstätigkeit und Ruhestand ist nicht mehr zeitgemäß.Wir müssen nach Wegen suchen, um Lernen, Arbeiten und frei verfügbare Zeit im ganzen Lebenslauf zu verknüpfen.“

Josef EhmerUniversität Wien, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

„Die Führungskraft von heute und morgen beherrschtdie Spielregeln der Macht und setzt sie konstruktiv zum Wohle aller Generationen im Unternehmen ein.“

Christine Bauer-JelinekWirtschaftscoach und Psychotherapeutin, Leiterin des Instituts für Machtkompetenz

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WIE SIEHT FÜR SIE PERSÖNLICH DIE FÜHRUNGS-KRAFT VON HEUTE UND MORGEN AUS?

Statements

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Die Auswirkungen des demografischenWandels sind unumkehrbar: Bis 2020 werden Beschäftigte 45+ die größte Gruppeder Erwerbstätigen stellen. Es geht deshalbdarum, JETZT die Arbeitswelt für alle Generationen humaner zu gestalten.

1. SOLLEN WIR LÄNGER ARBEITEN?

Die allermeisten Menschen in unserer Arbeitsge-sellschaft können dann in den Ruhestand gehen,wenn sie die dafür erforderlichen Voraussetzungenerreicht haben. Sei es durch entsprechende Beitragsjahre zur Pensionsversicherung, durch dieInkaufnahme von Abschlägen, wenn vor dem Regel-pensionsantrittsalter in Pension gegangen wird,in Form von Altersteilzeitvarianten als „gleitenderÜbergang“ in die Pension etc. Für manche Men-schen ist auch aus gesundheitlichen Gründen einVerbleib im Erwerbsleben nicht mehr möglich undeinige ältere ArbeitnehmerInnen werden vomArbeitgeber in die „Pension“ gedrängt. Durch diePensionsreformen der letzten Jahre wurde das Pensionsantrittsalter in Österreich wesentlicherhöht und das Pensionsniveau massiv reduziert.Dahinter stehen mehrere Motive: Die Finanzierbar-keit des öffentlichen Pensionssystems soll gesichertwerden, die private Pensionsvorsorge zusätzlich„attraktiver“ werden, die Beiträge zur Sozialversi-cherung sollen tendenziell gesenkt werden (Forderung nach Senkung der Lohnnebenkosten),durch Steigerung der Erwerbsquoten soll ein ausrei-chendes Arbeitskräftepotenzial gesichert werdenusw. Die Grafiken auf der Seite 9 veranschaulichendie geplanten Änderungen der Erwerbsquoten derErwerbstätigen ab einem Alter von 45 Jahren.

Weit verbreitet ist jedoch die Einstellung, je früher,desto besser in den „wohlverdienten“ Ruhestand zugehen. Die steigende Lebenserwartung erlaubt,einen interessanten „Lebensabend“ länger genie-ßen zu können, also endlich einmal etwas vomLeben zu haben! Diese Einstellung ist insofern ver-ständlich, als man von Mitarbeiterinnen oder Mit-arbeitern, die älter als 45 oder 50 Jahre sind, oft

den Satz hört: „Was soll ich machen, ich bin jetztüber 50 Jahre alt, ich hab keine Chance mehr, einenanderen Job zu finden. Ich bin zu alt, mich nimmtkeiner mehr.“ Dahinter steckt eine durchausbegründete Angst. Zwar war etwa in Oberösterreich2008 die (ausgewiesene) Altersarbeitslosigkeitgering. Aber in den letzten zwei Jahren ist dieArbeitslosigkeit bei allen Altersgruppen mehr oderweniger stark gesunken, nicht so bei den über 50-Jährigen. Am Beginn des Konjunkturabschwungszeichnet sich nun gerade bei dieser Altersgruppedeutlich ab, dass sie überdurchschnittlich vomAnstieg der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit be-troffen ist. Wir alle wissen, dass es wirklich oftschwer ist, und hoffen, dass für Betroffene etwanach der Beteiligung an arbeitsmarktpolitischenMaßnahmen vielleicht ein glücklicher Zufall zu Hilfekommt und ein Arbeitsplatz gefunden wird.Generell ist jedoch der österreichische Arbeitsmarktvon einer massiven Diskriminierung älterer Arbeit-nehmerInnen gekennzeichnet. Insbesondere ist dieBereitschaft der Unternehmen gering, ältereArbeitslose zu beschäftigen bzw. noch in ihreGesundheit und Ausbildung zu investieren.

Seit Mitte der 1980er-Jahre beobachten wir einenraschen Strukturwandel in der Wirtschaft. In vielenIndustriebranchen hat dies zu einem starkenBeschäftigungsabbau geführt. Die Beschäftigung in Dienstleistungsbranchen expandierte hingegen.Neu auf den Arbeitsmarkt drängende Gruppen fanden hier Beschäftigung. Jenen, die bisher in dennun schrumpfenden Branchen arbeiteten, gelangdies nur zum Teil. Das Alter spielte dabei einewesentliche Rolle. In manchen Industrien ist dieBeschäftigung innerhalb kurzer Zeit um die Hälfteoder sogar mehr zurückgegangen – zu denken istetwa an die Stahl- oder Textilindustrie. Man konntedabei immer wieder eines beobachten: Die Unter-nehmen versuchten, zuerst die älteren Beschäftig-ten abzubauen. Die Sozialpartner bemühten sich in der Folge, dass es zu Regelungen kam, die es denBetroffenen ersparten, in die Arbeitslosigkeit zugehen. Die öffentliche Hand hat das durch verschie-dene Maßnahmen unterstützt – zu erinnern istan das Beispiel der sogenannten Krisenregions-

LÄNGER ARBEITEN – SOLLEN, KÖNNEN, WOLLEN?Gastbeitrag: Josef Moser

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regelung hier in Oberösterreich. Damit wurde Frühpensionierung zu einem arbeitsmarktpoliti-schen „Ventil“ und zu individueller „Wohltat“ ohne das Stigma der Arbeitslosigkeit.

Man musste aber erkennen, dass nicht nur Unter-nehmen in den besonders betroffenen Branchen,wie etwa in der Grundstoffindustrie, auf die Möglichkeit der Frühpensionierung zurückgriffen.Die 1990er-Jahre waren gekennzeichnet von ständi-gen Rationalisierungsprozessen in den Unterneh-men. Die Einführung neuer Technologien, neueManagement- und Organisationsmethoden bis hin zu Ausgliederungen, Fusionen und Übernahmengehören heute beinahe schon zum Alltag derBetriebe. Personalpolitik ist dabei immer einwesentliches Element. Und nach wie vor hat sichnichts an der Strategie verändert, Ältere frühzeitigfreizusetzen. Neue Fertigkeiten, die durch Rationali-sierungen notwendig wurden, sollen durch jungeund meist „billigere“ Arbeitskräfte in die Unter-nehmen kommen – das ist eigentlich die grund-legende Strategie.

Ältere ArbeitnehmerInnen haben es daher auf dem österreichischen Arbeitsmarkt schwer.Dies spiegelt auch die sehr niedrige Beschäfti-gungsquote Älterer wider. Nur 38,6 % (Eurostat,2007) der über 55-Jährigen sind in Österreichbeschäftigt. Laut EU-Vorgabe soll diese Quote bis 2010 auf 50 % angehoben werden. Österreichhat in diesem Bereich somit einen sehr großenNachholbedarf.

2. KÖNNEN WIR LÄNGER ARBEITEN?

Wir treffen heute oft auf weitverbreitete Vorurteile,dass ältere ArbeitnehmerInnen weniger flexibelund langsamer sind. Dass ihre geistige Aufnahme-fähigkeit geringer ist oder ihre Leistungsfähigkeitund -bereitschaft nachlässt. Das wird wiederumnoch durch das Lohnsystem verstärkt. Ältere sindmeist in höhere Gehaltsstufen einzureihen. Außer-dem sind Ältere, wie eingangs schon angesprochen,angeblich weniger motiviert – sie wollen nichtmehr. Sie wollen eher früher als später aus demErwerbsleben ausscheiden. Wir müssen uns hier fragen, warum das so ist. Einer der Gründe magsein, dass lange Zeit eigentlich immer genugArbeitskräfte mit den nötigen Qualifikationen zurVerfügung standen. Zwar gab es immer wieder daund dort zeitlich begrenzte Engpässe, aber im

Großen und Ganzen war es so. Volkswirtschaftlichgesehen ist man also relativ verschwenderisch mitdem Arbeitskräftepotenzial umgegangen. Wir wissen schon lange, dass steigender Leistungsdruckzu einem „Auspowern“ von Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen in jungen Jahren führt, mit späte-ren gesundheitlichen Problemen und Leistungs-schwächen. Die Zahl der Anträge auf Invaliditäts-pension ist hoch, obwohl bei dieser Pensionsformder finanzielle Verlust für die Betroffenen sehr großist (früher gab es zusätzlich die Alternative einerPension aufgrund von geminderter Erwerbsfähig-keit, die für die Betroffenen eine höhere finanzielleAbsicherung bedeutete).

Auch ein anderes Phänomen weist auf diese Proble-matik hin: Die Anzahl der Krankenstände pro Jahrsinkt mit dem Älterwerden, die Dauer der Kranken-stände aber steigt: Die Altersgruppe der 50-jährigenBeschäftigten hat im Durchschnitt bis zu 30 TageKrankenstand pro Jahr, die der 15- bis 40-jährigenBeschäftigten nur 15 Tage. Die direkten und in-direkten Kosten für einen Krankenstandstag be-tragen bei der Mehrheit der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer rund 300 Euro pro Tag. Damitkommt es – ohne betriebliche Anpassung – mit derZunahme der Altersgruppe 45+ zu einem Anstiegder betrieblichen Krankenstandsquote von derzeitrund 6 % auf eine Quote von z. B. 8 %. Ohne ent-sprechende Gegenstrategien kommt damit auf vieleUnternehmen eine zusätzliche Belastung zu. Alleindaraus ist ersichtlich, wie wichtig es ist, dass in denBetrieben vermehrt in betriebliche Gesundheits-förderung, alternsgerechte Arbeitsplätze etc. in-vestiert wird, um die Beschäftigungsfähigkeit allerArbeitnehmerInnen nachhaltig zu erhalten, dennauch Arbeit kann krank machen.

3. WOLLEN WIR LÄNGER ARBEITEN?

In der Debatte über die Finanzierbarkeit der zukünf-tigen Pensionsansprüche wird immer als „Schlupf-loch“ die Möglichkeit der Invaliditätspension darge-stellt, welche das Pensionssystem insgesamtgefährdet. Der Anreiz ist aber in Wirklichkeit nichtbesonders groß, müssen doch hohe Abschläge inKauf genommen werden. Auch ist der Zugang zurInvaliditätspension in manchen Fällen schwierig.Viele Menschen sind noch zu „gesund“, um diesePension in Anspruch nehmen zu können. DieseMenschen finden jedoch auf dem Arbeitsmarktkeinen geeigneten Arbeitsplatz mehr, da sie

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gesundheitlich zu sehr eingeschränkt sind. Sie werden daher zwischen den Institutionen Arbeits-marktservice, Pensionsversicherungsanstalt undGebietskrankenkasse im Kreis herumgeschickt.Der Umgang mit dieser Problematik ist derzeitunbefriedigend, über weite Strecken auch un-menschlich. Wichtig wäre eine wirksame Präventionim Vorfeld statt verschärfter Zugangsvoraussetzun-gen. Denn in erster Linie sind davon Gruppen mitgeringerer Ausbildung, geringerem Einkommen undweniger attraktiven Beschäftigungsmöglichkeitenbetroffen, denen von ExpertInnen der indirekte Vor-wurf des „Sozialschmarotzertums“ gemacht wird.

Entsprechend müssen Gewerkschaften als Inter-essenvertretung reagieren: Für sie kann die Mög-lichkeit eines „zeitgerechten“ Pensionsantritts keinPrivileg oder gar Schmarotzertum sein, sondern sieist sozialer Fortschritt, der lange erkämpft wurde.Denn natürlich ist die Frage der Pensionsversiche-rung und deren Inanspruchnahme auch eine Frageder Verteilung des erwirtschafteten gesellschaft-lichen Reichtums. Dieser ist in den letzten Jahrzehn-ten beträchtlich gestiegen, wurde aber gleichzeitigimmer ungleicher verteilt. Das Ziel, bis zu einemhöheren Alter zu arbeiten, wird angesichts rasantsteigender Gewinne und Vermögen somit auch zurFrage der Umverteilung von unten nach oben!

Bei der Auseinandersetzung um den richtigen Zeit-punkt eines Pensionsantrittes muss neben denfinanziellen Aspekten vor allem der humanitäreAspekt stärker betont werden. Gesundheitsbela-stung am Arbeitsplatz hat viele Formen erreicht:Neben den klassischen Belastungen, wie körper-licher Verschleiß, nehmen vor allem psychischeBelastungen weiterhin zu. Schneller, besser, kosten-günstiger produzieren bringt einerseits Wettbe-werbsvorteile und höheren Gewinn, aber anderer-seits Stress (und die damit verbundenen gesund-heitlichen Belastungen für die Beschäftigten).Wenn es in Unternehmen nicht gelingt, die Arbeitbewältigbar zu gestalten, sinkt die Beschäftigungs-fähigkeit an sich, aber auch die Motivation, bis inhöheres Alter unter diesem ständigen Druck zuarbeiten, und Ausstiegsszenarien werden immerattraktiver. Dazu kommt dann noch das Tempo, mitdem heute oft betriebliche Veränderungen stattfin-den. Kaum ist eine Neuorganisation abgeschlossen,wird sie schon wieder umgestoßen oder verändert.Damit verändern sich aber auch die Anforderungenan die Beschäftigten rasch – sei es, was ihr Wissen

und ihre Fertigkeiten, aber auch was ihre Werthal-tungen anbelangt. Wesentlich dabei ist, dass sichdie Anforderungen oft rascher verändern, als diesfür viele Beschäftigte bewältigbar ist. Zusätzlichproblematisch dabei ist, dass gerade Ältere oft vonEntwicklungs- und Bildungsmaßnahmen ausge-schlossen werden: Es lohnt sich ja nicht mehr, wirdbehauptet. Dadurch werden diese MitarbeiterInnenauch gegenüber Innovationen „abgeschottet“.Kommt es zu größeren Veränderungen, sind sie jeneGruppe, die darauf am schlechtesten vorbereitet ist.Das Gefühl, je älter man wird, desto weniger kannman „mithalten“, desto weniger wird man alsArbeitskraft geschätzt, ist letztlich ausschlagge-bend für die Motivation, ob jemand länger imBetrieb bleiben will als unbedingt notwendig.Hier kommt Führungskräften und Personalverant-wortlichen eine Schlüsselrolle zu.

4. HUMANISIERUNG DER ARBEITSWELT ÜBERFÄLLIG!

Alle Prognosen zeigen, dass wir mit den Arbeits-kraftressourcen in Zukunft besser umgehen müssen. Das sollte aus rein sozialen und humani-tären Gesichtspunkten eigentlich selbstverständlichsein. Nun kommen aber auch noch wirtschaftlicheFaktoren dazu, die nach neuen Konzepten undLösungen rufen. Wir müssen uns also mit der Tat-sache auseinandersetzen, dass sich die Alters-struktur der Bevölkerung und der Erwerbstätigen inden nächsten Jahrzehnten grundlegend verändert.Aufgrund der demografischen Entwicklung steigtdas Durchschnittsalter der Erwerbstätigen in dennächsten fünf bis zehn Jahren weiter rapide an.Teilt man die Erwerbstätigen in drei Altersgruppen,so wird der Anteil der älteren ArbeitnehmerInnen(also der über 45-Jährigen) bis 2020 zur größtenGruppe anwachsen.

Aus dieser Entwicklung ergibt sich eine Reihe vonHerausforderungen. Denn gleichzeitig werden dieUnternehmen immer schwerer jene Arbeitskräftebekommen, die sie brauchen. Wenn die Erwerbsbe-völkerung im Schnitt immer älter wird, so werdenjunge Fachkräfte im Vergleich dazu knapper. DieZahl jener, die eine Ausbildung abgeschlossenhaben und dann dem Arbeitsmarkt neu zur Verfü-gung stehen, wird sinken. Zudem gibt es typischeBranchen, die vor allem für Jüngere interessantsind. Das sind etwa die neuen wachsenden Bran-chen wie die Informationsindustrie. Die Entwick-lung dieser Unternehmen ist teilweise noch sehr

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instabil und nicht gefestigt. Diese Situation istoffensichtlich mit jüngeren Arbeitskräften leichterzu bewältigen. Es wird interessant werden, wie sichdie Altersstruktur dieser Unternehmen in Zukunftentwickeln wird.

Bei den traditionellen Unternehmen hat sich derAbbau von Älteren in den letzten Jahren zu einemspeziellen Problem entwickelt. Der Abbau hat sichzwar meist als radikale Verjüngung der Belegschaftdargestellt. Neue Arbeitskräfte wurden oder werdenaber kaum mehr aufgenommen oder die Beschäfti-gung wird sogar weiter reduziert. In manchenBetrieben zeigt sich dadurch eine zunehmendungünstigere Altersstruktur: Die Beschäftigten liegen altersmäßig eng beisammen und das Durch-schnittsalter steigt kontinuierlich an – wie ein langsam aufsteigender Pfropfen. In einigen Jahrenwerden plötzlich viele MitarbeiterInnen in kurzerZeit in die Pension überwechseln. Das kann für ein Unternehmen eine sehr hohe Herausforderungwerden.

Mit Appellen alleine ist es nicht getan, um einUmdenken herbeizuführen. Unternehmen daran zuerinnern, dass sie durch einen pfleglichen Umgangmit ihrer Belegschaft eine gesellschaftliche Verant-wortung wahrnehmen müssen, kann müßig sein,wenn laufend höhere Renditen verlangt werden.Letztlich müssen auch die externen Kosten (höhereAltersarbeitslosigkeit, höhere Invaliditätsraten usw.)internalisiert werden – also in betriebswirtschaft-lich nachvollziehbaren Werten spürbar werden.Das könnte beispielsweise durch „ExperienceRatings“ bei den Arbeitgeberbeiträgen zur KV undAlV entlang ihres Beschäftigungsverhaltens von

älteren bzw. gesundheitlich beeinträchtigtenArbeitnehmerInnen (Weiterentwicklung des der-zeitigen Bonus-Malus-Systems in ein effektivesAnreizsystem zur Beschäftigungsförderung Älterer)ermöglicht werden. Die Kündigung Älterer oder einsehr niedriger Anteil Älterer hat z. B. zur Folge, dassdie Beiträge zur Sozialversicherung höher sind –und umgekehrt. Ähnlich bei den Beschäftigten:Wer länger in Beschäftigung bleibt, erhält eine entsprechend höhere Pension.

Abschließend ist anzumerken, dass es eines Bündelsan Maßnahmen bedarf, um ältere Menschen nach-haltig zu beschäftigen. Dabei geht es vor allem umden Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, um laufendeInvestitionen in berufliches Wissen und Können undum die Förderung von alternsgerechten Arbeits-plätzen. Nur so können ältere Menschen längergesund und motiviert im Berufsleben verbleiben.Nur so können Unternehmen mit einem immer größeren Anteil älterer MitarbeiterInnen innovativund wettbewerbsfähig bleiben.

Josef Moser Arbeiterkammer Oberösterreich,Leiter Abteilung Wirtschaftspolitik.www.arbeiterkammer.com

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Zum vierten Mal haben wir Unternehmens-vertreterInnen, PersonalistInnen, Betriebs-rätInnen und WissenschaftlerInnen nachOberösterreich gebracht. Der engeZusammenhang zwischen Werten undWirtschaft hat uns mit gutem Grund dazu bewogen, das Thema Führungskulturins Zentrum unserer diesjährigen Netz-werktagung zu rücken.

AUSGANGSSITUATION:

• Unsere Gesellschaft wird zunehmend älter. LautLissabon-Ziel soll EU-weit die Erwerbsquote ältererMenschen ab 55 Jahren bis zum Jahr 2010 auf 50 %ansteigen. Die Erwerbsquote älterer Menschen inÖsterreich liegt bei etwa 38 % und ist damit eineder niedrigsten in der Europäischen Union. Öster-reich und auch Oberösterreich haben also nocheiniges vor sich. Gebraucht werden Konzepte, diebewusst auf die Leistungsfähigkeit älterer Arbeit-nehmer und Arbeitnehmerinnen setzen und derIdee vom „Productive Aging“ Rechnung tragen.

• Etwa 5,2 Mio. Einwohner standen 2007 im Alterzwischen 15 und 60 Jahren. Ab 2015 werden deut-lich mehr Personen ins Pensionsalter übertreten,als Jugendliche hinzukommen. Zwischen 2007 und 2020 wird die Zahl der 55- bis 64-Jährigen umein Drittel zunehmen – von 930.000 auf 1,24 Mio.Menschen. Im selben Zeitraum wird die Zahl der 14- bis 17-Jährigen von knapp 400.000 auf341.000 zurückgehen.

• Pensionsreformen einerseits und die Verringerungder Anzahl junger ArbeitnehmerInnen andererseitsstehen einer vorzeitigen Verabschiedung ältererMitarbeiterInnen entgegen. Der starke Zuwachs derüber 60-Jährigen hat aber auch gravierende Aus-wirkungen auf unser Sozialsystem. Grund: DieFinanzierung unseres solidarischen Kranken- undPensionssystems erfolgt auf Basis einer ausgewo-

genen Altersstruktur innerhalb der Generationen.Fast die Hälfte der österreichischen Sozialausgabenwird dabei für die Altersversorgung aufgewendet!

• Die Wirtschaftskammer Oberösterreich vertritt ca.22.000 Arbeitgeberbetriebe, die nur dann erfolg-reich wirtschaften und damit unseren Wohlstandsichern können, wenn die entsprechend qualifizier-ten MitarbeiterInnen in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Dies gilt für die vielen mittel-ständischen Betriebe genauso wie für unsere industriellen „Flaggschiffe“.

• Die Erfahrenheit der älteren ArbeitnehmerInnenspielt in der Zukunft daher eine wichtige Rolle.Daraus resultieren Herausforderungen für diezukünftige Unternehmens- und Personalpolitik.Die Botschaft lautet: Wer diese Herausforderungenrechtzeitig annimmt, der profitiert.

RESÜMEE DER NETZWERKTAGUNG:

• Gesellschaftspolitisch und aus betrieblicher Sichtmuss alles unternommen werden, damit ältereArbeitnehmerInnen auch jenseits der 45 gesund,gut ausgebildet und wertgeschätzt beschäftigtwerden können.

• Wertschätzung, Führungskultur und betrieblicheEthik lassen sich daraus ableiten, wie fair undrespektvoll das tägliche Miteinander von Geschäfts-führung und MitarbeiterInnen ist. In diesemrespektvollen und wertschätzenden Umgang –gerade gegenüber den älteren MitarbeiterInnen –liegt enormes Potenzial, um gute Leute zu findenund zu binden.

• Führung durch Wertschätzung bedeutet auch Wertschöpfung. Ein gutes Betriebsklima kann zumWettbewerbsvorteil werden. Die vermeintlichen„Soft Facts“ eines Betriebes sind es, die die Attrakti-vität eines Arbeitsgebers ausmachen.

WER ALS FÜHRUNGSKRAFT AUF ÄLTERE BESCHÄFTIGTE SETZT, INVESTIERT IN DIE ZUKUNFT

Gastbeitrag: Peter Scheinecker

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Peter ScheineckerWirtschaftskammer Oberösterreich,Abteilung Sozial- und Rechtspolitik.www.wkooe.at

• Eine ganze Reihe von Betrieben hat die Zeichen derZeit bereits erkannt und bemerkenswerte Ansätzefür eine demografiegerechte Arbeits- und Personal-politik entwickelt. Wer es schafft, in seinem Betriebeine Kultur der Wertschätzung zu verankern, hat

mehr getan, als das Image seiner Firma und seinerMarke zu verbessern. Er wird als attraktiver Arbeit-geber die besten Fachkräfte an sich binden unddamit im Wettbewerb vor den anderen liegen.

FÜHRUNGSKULTUR UND ETHIK IM ZEITALTER DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS

Gastbeitrag: Michaela Erkl-Zoffmann

Eine wertschätzende Führungskultur hat positive Auswirkungen – für die MitarbeiterInnen ebenso wie für dasUnternehmen. Und doch ist hier nochviel Sensibilisierungsarbeit, insbe-sondere was den Umgang mit Alter und Älter-werdenden ArbeitnehmerInnenanbelangt, vonnöten, um hier eine breite Umsetzung zu ermöglichen.

Der Titel der 4. Tagung des oberösterreichischenNetzwerks „Älter werden. Zukunft haben!“ bot schonam Vorabend Anlass für eine kontrovers geführte

Diskussion zwischen den SozialpartnerInnen auf dereinen Seite und Christine Bauer-Jelinek auf der ande-ren Seite. Während die einen – gestärkt durch zahlrei-che Good-Practice-Beispiele – die Auffassung vertra-ten, dass alter(n)sgerechtes Arbeiten immer mehr anZustimmung erführe, vertrat Christine Bauer-Jelinekdie These, dass im Zeitalter der Globalisierung eineUmsetzung normativ gewünschter ethischer Ansätzein der Führung zwar von vielen angestrebt würde,heute aber vielerorts kaum durchsetzbar wäre. Sieargumentierte, dass Führungskräfte durch Forderun-gen nach einer wertschätzenden Ethik gegenüberälteren MitarbeiterInnen strukturell überfordertseien und ganz allgemein schon zu viel aufgebürdetbekämen.

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Was sind die Grundlagen solcher Überzeugungenund unterschiedlichen Erfahrungen? Das Entstehen von alter(n)sgerechten Führungsmo-dellen und einer – zumindest partiell umgesetzten –wertschätzenden Führungskultur nach finnischemVorbild gibt die Hoffnung, einen zentralen Hebel imUmgang mit alterszentrierten Belegschaftsstruktu-ren gefunden zu haben. Durch wissenschaftlich fundierte Studien belegt (Längsschnittstudie über elf Jahre, Ilmarinen/Tempel 2002, S. 249), konntenachgewiesen werden, dass eine höhere Anerken-nung durch Vorgesetzte die Arbeitsfähigkeit um das3,6-Fache verbessern kann.Zwei Aspekte kommen hier zum Tragen: Zum einenhaben viele Unternehmensverantwortliche – großer,aber auch mittlerer und kleinerer Unternehmenunterschiedlicher Branchen – festgestellt, dass esauch ökonomisch Sinn macht, das ExpertInnen-wissen ihrer MitarbeiterInnen durch eine wert-schätzende Partizipation an den Entscheidungen und Umsetzungsmaßnahmen in ihren Unternehmeneinzubeziehen. Zum anderen gibt eine derartige Vorgehensweise beiden Seiten – den Führungs-kräften wie den MitarbeiterInnen – die Möglichkeit,einer sinnerfüllten Tätigkeit nachzugehen. Die Ein-bindung der MitarbeiterInnen bietet diesen die Gele-genheit, ihre täglich für die Unternehmen erbrachtenLeistungen sichtbar zu machen, den Führungskräftenwird eine lösungsorientierte, konfliktfreie(re) Vor-gangsweise möglich, die durch eine motivierte Beleg-schaft umgesetzt wird.Zurück zur These von Frau Bauer-Jelinek: Noch findetein derartiges Umdenken im Umgang mit Mitarbei-terInnen nicht automatisch statt, ganz im Gegenteil.Die Maxime für unternehmerisches Handelnerscheint mehr denn je an sogenannten Sachzwän-

gen und nicht an den Bedürfnissen der Mitarbeiter-Innen orientiert.Woran liegt das? Am nicht vorhandenen Wissen,welche Vorteile eine partizipative, wertschätzendeFührungskultur bringt? An der falschen Einschät-zung, wie sich die Arbeitskräfteangebote in dennächsten Jahren entwickeln werden?Ich meine – unabhängig davon, dass es auf alle dieseFragen keine eindimensionalen Antworten gibt –,dass nur eine Sensibilisierung und Information überdas Altern und einen guten Umgang damit, begin-nend bei den obersten EntscheidungsträgerInnen in Politik und Wirtschaft, Grundlage für ein nach-haltiges Umdenken und das Beschreiten neuer Wegesein kann und wird.In diesem Sinne hat Frau Bauer-Jelinek recht mit ihrerThese, dass nämlich vor allem Führungskräfte inmittleren Entscheidungsbereichen derzeit nur relativwenig Entscheidungs- und Gestaltungsspielraumhaben, eine grundlegende Wende einzuleiten. Derneue Weg muss ganz oben in den Hierarchien einge-leitet werden. Dennoch sei zum Abschluss bemerkt,dass durch Zusammenschlüsse wie die Netzwerk-struktur, welche zum Beispiel durch WAGE seit nun-mehr fünf Jahren aufgebaut wird, und ein beharrli-ches gemeinsames Ringen aller Interessenvertretun-gen, wie in Oberösterreich vorgeführt, die Umset-zung einer neuen Ethik im wirtschaftlichen Bereichauch für kleine und kleinste Strukturen nutzbringendund möglich ist.

Michaela Erkl-ZoffmannMediatorin (Trigon); Unternehmensberaterin mit Erfahrung im Bereich Strategieentwicklung/Human Resources, langjährig als Personalberaterin tätig,Trainings, Coaching; Führungskräfteentwicklung, Begleitung von Leitbild-prozessen und Zusammenführung verschiedener Organisationen (Harmonisierung von Strukturen, Finanzen, Marktauftritten etc.);Entwicklung und Begleitung des Programms „LIFE“ der voestalpine AG seit 2001.www.erkl-partner.com

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Helmut ObermayrLandesdirektor des ORF Oberösterreich.ooe.orf.at

GUT ÄLTER WERDENGastbeitrag: Helmut Obermayr

In einem Medienunternehmen wie demORF haben MitarbeiterInnen über 50 ihrenselbstverständlichen Platz und leistenebenso wertvolle Arbeit wie die jüngerenKollegInnen oder wie sie selbst in jüngerenJahren.

Ihre langjährige Erfahrung qualifiziert sie ganzbesonders zu strukturellen Aufgaben, etwa zur Tätig-keit einer Chefin, eines Chefs vom Dienst, wobei sieden Überblick über die Nachrichtenlage und die Sendungen im Auge haben. Sie können in besterWeise abschätzen, was das Publikum interessiert,sie haben im Lauf der Jahrzehnte viele Kontakte auf-gebaut, die für eine gründliche Recherche notwendigsind, und sie können mit ihrem langjährigen Wissenin bester Weise erklärende Zusammenhänge her-stellen. Jüngere JournalistInnen sind gut beraten,wenn sie auf die Erfahrungen der Älteren hören.

Als Moderatorinnen und Moderatoren vermitteln sie Kompetenz und Vertrautheit. Sie sind durch vieleJahre BegleiterInnen der HörerInnen und Zuseher-Innen geworden. Ihr Alter garantiert dem PublikumErfahrung und Zuverlässigkeit.Sehr oft übertreffen sie auch im Engagement und imjournalistischen Feuer die Jüngeren, denn wer einmalNeugierde zu seinem Beruf gemacht hat, wird sieauch im reiferen Alter nicht verlieren.

In den technischen Bereichen ist Erfahrung ebenfallswertvoll. Zwar sind die älteren KollegInnen nicht mitdem Computer in die Volksschule gegangen, siehaben sich jedoch durch ihr persönliches Interesseund ihre berufliche Ausbildung bestens dafür qualifi-ziert, auf dem neuesten Stand zu bleiben.

In diesem Sinn sind MitarbeiterInnen über 50 inunserem Medium und in unserem Studio eine wert-volle Gruppe. Sie brauchen keine spezielle Betreuungund Rücksichtnahme, sondern jenes Ausmaß an Achtung, das alle MitarbeiterInnen verdienen, egalwie alt oder jung sie sind.

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… UND WIE IST IHRE SICHTWEISE ZUM FÜHRUNGSVERHALTEN VON HEUTE UND MORGEN?

Statements aus dem Publikum

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„Gut-älter-Werden“ und RegionalentwicklungDer demografische Wandel hat fundamentale Auswirkungen auf soziale Systemeder Regionen. Ob städtischer Ballungsraum oder ländlicher Raum, ob Zu- oderAbwanderungsregion – ausnahmslos alle Räume sind von der Bevölkerungs-entwicklung betroffen. Bislang gibt es noch kaum strategische Ansätze, die sich ganzheitlich mit der Entwicklung eines altersgerechten Umfeldes intensivauseinandersetzen. Was kann altersgerechte Regionalentwicklung zum„Gut-älter-Werden“ in einer Region beitragen? Es gibt keine Patentrezepte. Um die Balance zwischen den Interessen von Jungund Alt nachhaltig zu gewährleisten und den Arbeits- und Lebensraum generatio-nengerecht attraktiv zu halten, braucht es vor allem regionalpolitische Leadership.Das heißt, den Mut zu haben, die richtigen Fragen zu stellen, konkrete Schlüssedaraus zu ziehen und ausgewogen zu handeln. Dieses Handeln bedingt einerseitsdas Erkennen und Nützen der Chancen und Potenziale und andererseits den Mut zu unpopulären Maßnahmen. Es existiert ein endogener regionalpolitischerHandlungsrahmen für interkommunales Generationenmanagement und altersgerechte Infrastruktur-, Orts- und Stadtentwicklung.

Christian MayerRegionalmanagement OÖ, Geschäftsstelle Mühlviertelwww.rmooe.at

Das „Gut-älter-Werden“ ist eine Kunst, die sowohl die Beschäftigten als auch die Verantwortlichen der Betriebe in der Hand haben. Betriebliche Gesundheits-förderung ab dem ersten bis zum letzten Arbeitstag trägt dazu bei, dass Menschen gut, gesund und gerne länger aktiv im Erwerbsleben sein können und Betriebe in keine unerwarteten Personalkrisen wie hohe Fehlzeiten,Fluktuation und Erwerbsunfähigkeit schlittern.Als Beraterin für Betriebliche Gesundheitsförderung begleite ich sabtours schonseit einiger Zeit bei dieser Art Personalpflege. Älterwerden wird nicht dem Zufallüberlassen, sondern der Betrieb trifft Gesundheitsvorsorge, macht Entwicklungs-angebote an die Beschäftigen wie Weiterbildung und Tätigkeitswechsel, passtArbeitsbedingungen im Bedarfsfall und nach betrieblicher Möglichkeit an gewan-delte Leistungsfähigkeit an und sabtours setzt auf gegenseitiges Verständnis undAnerkennung mit gesundheitsfördernden Führungs-MitarbeiterInnengesprächen.

Marie Luise Stöttingersabtours, Projektleitung „Busfahren – ein Lebensberuf“(mehr dazu auf den Seiten 69/70 der Tagungsdokumentation) www.sabtours.at

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Wir wissen, dass alternsgerechtes Arbeiten zur Voraussetzung hat, dass Führungs-verhalten wertschätzend und sozial kompetent gegenüber allen Altersgruppenausgeübt wird. Moralische Appelle sind nur bedingt erfolgreich. Daher sollte auchüber Führungskultur und -ethik nicht ohne Beachtung der Rahmenbedingungendiskutiert werden. Konkret würde der Ausbau des gesetzlichen Rahmens zur Förderung alternsgerechten Arbeitens dazu beitragen, Führungsverhalten in dievon uns gewünschte Richtung zu beeinflussen, und letztlich Führungskräfte darinunterstützen, ethisch zu handeln. Es sind vor allem arbeitsrechtliche Normen,die dazu beitragen könnten, den gewünschten Rahmen für alternsgerechtesArbeiten neu abzustecken: Es geht unter anderem um die Festlegung einer klarenVerpflichtung im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, dass Arbeitsplätze alterns-gerecht zu gestalten sind. Im Bereich des Arbeitsverfassungsgesetzes sollte dieMöglichkeit erzwingbarer Betriebsvereinbarungen über Grundsätze alterns-gerechten Arbeitens geschaffen werden, und arbeitsvertragsrechtlich könnte mehr Gestaltungsfreiheit bei Ausmaß und Lage der Arbeitszeit die Arbeits-fähigkeit stärken.

Cornelia SchmidjellAK Salzburg, Abteilung Sozialpolitikwww.ak-salzburg.at

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Am 15. Oktober 2008 wurde im ORF-Landesstudio Oberösterreich vom Trio„humorsapiens“ die hohe Kunst des Kabaretts zelebriert – zum Leitthema desNetzwerks „Älter werden. Zukunft haben!“.Joschi Auer von „humorsapiens“ gibt Ein-blicke in dieses besondere Bravourstück des kabarettistischen Arbeitsalltags.

Life is a cabaret! Eh klar, das ganze Leben. Was? Was heißt da bis ins Alter? Was meint ihr jetzt mitalt? Wann bist du überhaupt alt? Wenn du die Lehreabgeschlossen hast? Wenn du selbst die ersten Lehr-linge ausgebildet hast? Wenn dein Chef jünger ist alsdu selber? Wenn du statt eines Jausenkaffees, sorry,Lunchbreak-Cappuccinos, Früchtetee trinkst? Aberwas hat das eigentlich mit uns zu tun und mitunserem Kabarett? Was? Wir sollen auf der Bühnedarstellen, worauf es ankommt, wenn man älterwird. Im Berufsleben. Kabarettistisch?Es heißt, life is a cabaret, aber nicht work is a cabaret,besonders in Zeiten wie diesen, oder? Das kann mandoch gar nicht so einfach zeigen. Wie stellt ihr euchdas vor? Wie bitte? Sehr witzig! Ja, ja, hab schon verstanden. Du brauchst dich eh nur auf die Bühnezu stellen, als Joschi, dann ist jedem alles klar.Du brauchst den Alten ja gar nicht mehr zu spielen,du verkörperst ihn auf Schritt und Tritt. Macht euchnur lustig über mich, Claudia und Paul, ihr, die ihr

gerade in der Mitte der Dreißiger herumsaust, immerTempo, immer Action! Aber jetzt in allem kabarettistischen Ernst. Wie bringen wir Eigenschaften, Einstellungen und Erwar-tungen älterer ArbeitnehmerInnen am besten rüber?Wie zeigen wir in ein paar kurzen Dialogen, in einerLiedzeile, was Erfahrung, Firmentreue oder verbaleKommunikationsfähigkeit für die Arbeitsleistung unddamit für den Betrieb wert sind?Denn wir wollen uns über die Älteren ja sicher nichtlustig machen, nur weil sie manchmal eine Kleinig-keit vergessen oder das neueste Computerprogrammnoch nicht so ganz draufhaben! Eine ältere Mitarbei-terin und ein älterer Mitarbeiter sind schon mitProblemen fertig geworden, die die Jüngeren nochnicht einmal gehabt haben und vielleicht überhauptnie haben werden! Was soll das jetzt wieder heißen?Weiß ich selber nicht so genau, jedenfalls müssen sieWege für eine fruchtbare Zusammenarbeit finden!Fruchtbar? Jetzt nimm doch nicht alles so wortwört-lich! Schau doch uns selber an, unsere Kabarett-gruppe. Wir arbeiten doch auch gut zusammen.Du meinst trotz des enormen Altersunterschieds?Jetzt sei doch nicht gleich so eingeschnappt. Jeden-falls kommt meistens was Herzeigbares heraus.Und du meinst, dass das die Leute interessiert, auchdie Jungen? Das hoffe ich, denn eines ist klar.Irgendwann einmal sind auch sie … na ja, genuggequatscht, machen wir uns endlich an die Arbeit!

OIDA, DU BIST SPITZE!Gastbeitrag: Joschi Auer

Die Kabarettgruppe „humorsapiens“ sind:Joschi Auer, Claudia Woitsch, Paul Kotek.www.humorsapiens.at

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Das eigens für das Netzwerk „Älter werden.Zukunft haben!“ entwickelte Kabarett-Programm „Oida, du bist Spitze!“ könnenUnternehmen ab sofort für ihre eigenen Veranstaltungen buchen – PartnerInnen desBetriebsnetzwerks genießen dabei Vorteils-konditionen. Hier übernimmt das Netzwerk„Älter werden. Zukunft haben!“ einen Teil der Kosten.Mehr Informationen erhalten Sie im EU-Projektbüro, [email protected],Tel.: +43 732 69 06-2446.

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INFORMATIONSFORUM16. OKTOBER 2008 IM SIEMENSFORUM LINZ

FÜHRUNGSKULTUR UND ETHIK IM ZEITALTER DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS

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In den letzten 150 Jahren ist in allen indus-trialisierten Gesellschaften ein Rückgangder Erwerbstätigkeit älterer Menschen zu beobachten. Dieser Rückgang steht ineinem starken Kontrast zum demografi-schen Wandel, der ein längeres Leben, einelängere Phase des Alters und eine wesent-liche Verbesserung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit älterer Menschen doku-mentiert. Zugespitzt könnte man sagen:Je länger und je besser die Menschen leben,je gesünder, leistungsfähiger und aktiversie im höheren Alter sind, desto früherscheiden sie aus der Erwerbsarbeit aus.Warum ist das so? Und ist das gut so?

Der Vortrag untersucht diese Fragen auf der Grund-lage aktueller Forschungen und gliedert sich in dreiTeile: Beschreibung – Erklärung – Bewertungen undSchlussfolgerungen.

1. BESCHREIBUNG.

Wie ist der Rückgang der Erwerbstätigkeit ältererMenschen in den modernen Gesellschaften verlaufen?

Der erste Teil des Vortrags beschreibt die Entwicklungder Erwerbstätigkeit der Älteren in den wichtigstenIndustriestaaten und in Österreich. In vorindustriel-len Gesellschaften war es für die große Mehrheitder Menschen selbstverständlich, bis ans Lebensendezu arbeiten, zumindest aber so lange es die Kräftezuließen. Heute arbeitet in einigen europäischen Ländern – darunter auch Österreich – fast niemandmehr über 60, und der endgültige Rückzug aus derErwerbstätigkeit setzt für viele Menschen bereits um das 50. Lebensjahr ein.

Das hervorstechende Merkmal dieses Trends ist seineHomogenität. Er vollzog sich – wenn auch in unter-schiedlicher Geschwindigkeit und auf unterschied-

lichem Niveau – in der gesamten hoch entwickeltenWelt; bei Selbstständigen und bei Unselbstständigen;in fast allen Berufen; bei belastenden und wenigerbelastenden Arbeitsverhältnissen; bei Beschäftigtenmit gutem Verdienst und hoher Pension genauso wie bei solchen mit niedrigem Einkommen undschlechter Altersversorgung.

In den letzten Jahren haben verschiedene Initiativenauf staatlicher, europäischer und internationalerEbene versucht, diesen langen historischen Trend zustoppen oder gar umzukehren. Ob diese Bestrebun-gen ihr Ziel erreichen, lässt sich heute noch nichteindeutig beurteilen.

2. ERKLÄRUNG.

Welche Faktoren haben diesen Trend hervorgerufenund vorangetrieben, wie kann man ihn erklären?

Der Rückzug aus der Arbeitswelt im höheren Erwach-senenalter ist ein komplexes Phänomen mit vielenFacetten. Staatliche Pensionssysteme mit einer gutenmateriellen Absicherung und auch die Belastungendes Arbeitslebens sind zweifellos wichtig, sie reichenaber nicht aus, um den Trend zu erklären. Der ent-scheidende Einfluss kommt vielmehr zwei anderenFaktorenbündeln zu:

Zum Ersten geht es um Diskriminierungen ältererMenschen auf dem Arbeitsmarkt, die zu ihrer Ver-drängung aus der Arbeitswelt führen. Diese Faktorenwerden als „Push-Faktoren“ bezeichnet (von Englischpush = wegstoßen, verdrängen). Sie beruhen nichtauf tatsächlichen Leistungsdefiziten älterer Arbeits-kräfte, sondern vor allem auf negativen Altersbildernund Stereotypen. Zum Zweiten geht es um die Ent-stehung und Ausbreitung einer „Ruhestandskultur“,die eine arbeitsfreie Lebensphase von 20 oder 25 Jah-ren vor dem Beginn altersbedingter Einschränkungenattraktiv erscheinen lässt und allmählich zur gesell-schaftlichen Normalität werden ließ. Diese Faktorenwerden als „Pull-Faktoren“ bezeichnet (von Englischpull = ziehen, anziehen).

ALTER UND ARBEIT – HISTORISCHE TRENDS UND AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN

Einführungsvortrag: Josef Ehmer

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Josef Ehmer ist Professor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien.www.dieuniversitaet-online.at

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Gerade die Kombination von Push- und Pull-Faktorenhat dem immer früheren Rückzug aus der Arbeits-welt seine starke Dynamik und seine gesellschaftli-che Akzeptanz verliehen.

3. BEWERTUNGEN UND SCHLUSSFOLGERUNGEN.

Wie sollen wir den Rückgang der Erwerbstätigkeitälterer Menschen bewerten?Wie sollen wir uns gegenüber dieser Entwicklungverhalten? Welche Möglichkeiten haben wir, sie zu beeinflussen?

Die Bewertung des Trends zum frühen Ruhestand istein besonders schwieriges Vorhaben, weil wir es hiermit unterschiedlichen Interessen, eingeschliffenenIdeologien, Denkweisen und Organisationsstruktu-ren zu tun haben. Hier werden folgende Positionenvertreten:

• Die Durchsetzung der „Ruhestandskultur“ stehtin Zusammenhang mit dem zunehmenden Wohl-stand der entwickelten Welt und mit der Ausdeh-nung der Freizeit im Tages-, Wochen- und Jahres-ablauf sowie im gesamten Lebenslauf. Diese gesell-schaftliche Entwicklung kann und soll nicht rück-gängig gemacht werden. Infrage gestellt werdenmuss aber die strikte zeitliche Trennung zwischenErwerbsphase und Ruhestand. Anzustreben ist einebreite gesellschaftliche Debatte über die Möglich-keiten, das mittlere Lebensalter (das „Erwerbsalter“)in größerem Maß für Freizeit, Bildung und Familiezu öffnen und das höhere Lebensalter (das „Renten-alter“) für Erwerbsarbeit und Bildung.

• Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit darf dabeinicht tabuisiert und ausgeschlossen werden, aber

sie sollte nicht im Zentrum stehen oder das einzigepolitische Ziel bilden. Wichtiger sind vielmehr Über-legungen, wie eine gleichmäßigere Verteilung vonBildung, Freizeit, Familie, freiwilligen bürgerschaft-lichen Aktivitäten und Erwerbsarbeit in allenLebensphasen erreicht und organisiert werdenkann. Die Gesellschaft sollte sich das so starkgestiegene Potenzial der älteren Menschen inwesentlich größerem Maß zunutze machen, als diesin den letzten Jahrzehnten der Fall war. Umgekehrtsollten ältere Frauen und Männer den Gedankennicht ausschließen, dass eine – ihren Fähigkeitenund Wünschen entsprechende – Erwerbstätigkeitzu einem gesunden, glücklichen und erfülltenAltern beitragen kann.

• Um die Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit für älte-re Männer und Frauen zu erhöhen, müssen beste-hende Diskriminierungen in Unternehmen und aufdem Arbeitsmarkt abgebaut werden. Dazu gehörteine Überprüfung der Altersstereotype bei Unter-nehmerInnen, Personalverantwortlichen, Gewerk-schaften, jüngeren ArbeitnehmerInnen und bei denÄlteren selbst. Dazu gehören aber auch verstärkteBildungsangebote für ältere ArbeitnehmerInnenund flexible Übergangsformen zwischen Erwerbs-tätigkeit und Ruhestand.

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ACTIVE AGEING – MAßNAHMEN FÜR EINE ALTERNSGERECHTE ARBEITSWELT IN ÖSTERREICH

Gastbeitrag: Andreas Eckwolf

Arbeitsmarkt- und beschäftigungs-politische Schwerpunkte für ältere Arbeit-nehmerInnen der Republik Österreich:Auswirkungen eines umfassenden Maß-nahmenbündels und die Herausforde-rungen der nächsten Jahre.

Österreich steht unverändert zur gemeinschaftlichenVerpflichtung der EU, die Beschäftigungsquote älte-rer ArbeitnehmerInnen zu erhöhen und damit daseuropäische Wirtschafts- und Sozialmodell weiterzu-entwickeln. Den Zielsetzungen des EuropäischenRates von Stockholm entsprechend wird seitens derösterreichischen Bundesregierung ein besondererSchwerpunkt auf den längeren Verbleib von Älterenauf dem Arbeitsmarkt gelegt: Ältere, erfahreneArbeitnehmerInnen sind ein Erfolgsfaktor für denErhalt und die Stärkung der KonkurrenzfähigkeitÖsterreichs im internationalen Wettbewerb, sie sindvor dem Hintergrund der demografischen Entwick-lung ein unverzichtbares Potenzial an Human-ressourcen, das substanziell zu Wirtschaftswachstumund Produktivitätsentwicklung beiträgt.

Der arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischeSchwerpunkt für Ältere wurde in den letzten Jahrenlaufend weiterentwickelt und ausgebaut.Als wesentliche Elemente sind Maßnahmen zurLohnnebenkostenreduktion, Sonderregelungen bspw.in der Arbeitslosenversicherung, Forcierung vonBeschäftigungssicherung bzw. beruflicher Wiederein-gliederung, Early-Intervention-Strategie des Arbeits-marktservice, Pensionssicherungsreformschritte zunennen.Zur Absicherung des seit dem Jahr 2004 zu verzeich-nenden kontinuierlichen Anstiegs der Beschäfti-gungsquote älterer Erwerbstätiger um knapp 10 Pro-zentpunkte (2004: 28,8 %, 2007: 38,6 %; Quelle: Euro-stat) wurde in der letzten Legislaturperiode einNationales Aktionsprogramm zur Hebung derBeschäftigungsquote und -fähigkeit der Älterenbeschlossen. Die damit verbundenen Zielsetzungenwurden und werden durch die Schwerpunktsetzung

„Active Ageing“ in der Strukturfondsperiode desEuropäischen Sozialfonds für die Jahre 2007 bis 2013,durch die im Jahr 2008 finalisierten strategischenLeitlinien für Lebensbegleitendes Lernen, durch das2007 gestartete Impulsprogramm „ProductiveAgeing“ des AMS sowie durch das von den Sozial-partnern gemeinsam mit dem AMS initiierte„Sonderprogramm Ältere“ für die Jahre 2005 bis2007 (mit Verlängerung besonders erfolgreicherinnovativer Maßnahmen vorerst bis Jahresende2008) flankiert.Parallel dazu wurden 2007 Meilensteine in der „Flexicurity“, wie z. B. Arbeitszeitflexibilisierung,begünstigte Weiterbildung, Absicherung prekärerDienstverhältnisse, umgesetzt.

Die eingesetzten Maßnahmenbündel zeigen erfreulicherweise ihre Wirkung:Der Arbeitsmarkt für Ältere (50+) war im Jahres-durchschnitt 2007 gekennzeichnet von einem/einer:• sinkenden Bestand vorgemerkter Arbeitsloser:

42.882 [= Veränderung ggü. 2006: –2.017 (–4,5 %)]

• steigenden Anzahl unselbstständig Beschäftigter:592.705 [= Veränderung ggü. 2006: +31.538 (+5,6 %)]

• sinkenden Verweildauer (in Tagen) in Arbeitslosigkeit:109 Tage [= Veränderung ggü. 2006: –15 T. (–12,0 %)]

• sinkenden Langzeitarbeitslosigkeit (> 1 Jahr) Älterer:2.331 [= Veränderung ggü. 2006: –1.022 (–30,5 %)]

• sinkenden Arbeitslosenquote (Registerquote) Älterer:6,7 % [= Veränderung ggü. 2006: –0,7 Prozentpunkte]

Generell ist die Arbeitslosigkeit Älterer im Jahres-durchschnitt 2007 im Vergleich zum Jahr 1998 um13,9 % (–6.916) gesunken (Quelle: ELIS des BMWA).Damit ist die österreichische Arbeitsmarktpolitik aufdem richtigen Weg.

Angesichts der bereits jetzt und verstärkt in den Jah-ren 2009 und 2010 spürbaren Begleiterscheinungen

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der weltweiten Finanzkrise sind allerdings weitereAktivitäten und Anreize für eine alter(n)sgerechteArbeitswelt zu setzen. Aus meiner Sicht ist es schonin nächster Zeit vorrangig, Maßnahmen und Mög-lichkeiten aufzuzeigen, zu entwickeln und umzu-setzen, mit denen das Potenzial der älteren Arbeit-nehmerInnen durch Maßnahmen im Bereich „ActiveAgeing“, unterstützt durch Betriebliche Gesundheits-förderung, noch besser genutzt werden kann.Andererseits müssen oft auch lieb gewonneneGewohnheiten und Traditionen hinterfragt werden.International wird Österreich wegen seiner „Frühver-rentungspraxis“ oft kritisiert, in der österreichischenBevölkerung ist aber noch immer ein entsprechendesStimmungsbild vorhanden. Deshalb muss viel in Auf-klärung, in Information investiert werden, um hier

einen Meinungstrend umzukehren. Das betrifftnatürlich auch UnternehmerInnen und Manager-Innen, die von der Leistungsfähigkeit und dem Potenzial älterer ArbeitnehmerInnen überzeugtwerden müssen.

Aus den genannten Gründen sind regionale Initiati-ven wie das Netzwerk „Älter werden. Zukunfthaben!“ so wichtig. Die Lebendigkeit dieses Netz-werkes und die darin diskutierten Herausforderun-gen und gemeinsam erarbeiteten Lösungswegehaben schon längst zu einer überregionalen Bedeu-tung und Vorbildwirkung geführt. Die große Zahl der Personen aus unterschiedlichsten Institutionen,die an der Veranstaltung vom 15./16.10.2008 teilge-nommen haben, hat das eindrucksvoll bewiesen.

Andreas EckwolfBundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz,stellvertretender Leiter der u. a. für Angelegenheiten der Arbeitsmarktintegration Älterer zuständigen Abteilung II/2.www.bmsk.gv.at

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„WARUM GEHT DER KERL NICHT IN PENSION?“Gastbeitrag/Interview: Michael Josef Oberschmidleitner

Michael Josef Oberschmidleitner fragtnicht lange, sondern er macht einfach.Derzeit ist der studierte Sozial- und Wirt-schaftswissenschaftler Trainer an zwei Bildungsinstituten in Wien, schnitzt an seiner Dissertation zum Thema Berufs-bilder und wälzt bereits Pläne, um eine Zeit lang in seinem Lieblingsland Namibia

arbeiten zu können. Beruflich kürzer-zutreten oder sich auf eine ruhige Zeitnach der Pension zu freuen, das ist ihm inseinen 68 Jahren noch keine Sekunde inden Sinn gekommen.

30 Stunden in der Woche KursteilnehmerInnen aufden Europäischen Wirtschaftsführerschein vorzube-reiten und zusätzlich noch Abendkurse zu Grund-

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Michael Josef Oberschmidleitner Im Alter von 14 riet man ihm, eine Lehre als Kupferschmied zu machen,den Rat befolgte er nicht. Michael Josef Oberschmidleitner, Europäer mitoberösterreichischen Wurzeln, hat bisher in 16 verschiedenen Berufen gearbeitet, lebt und arbeitet als Trainer in Wien und vervollständigt derzeitsein Englisch für den nächsten beruflichen Sprung: Er möchte als Lehrer für einige Monate in Namibia arbeiten.E-Mail: [email protected]

lagen der BWL oder Verkaufstrainings zu geben –warum arbeitet Michael Oberschmidleitner noch, woer doch eigentlich nicht mehr „müsste“? „Weil es mirSpaß macht“, ist die eine Antwort, und die andere:„Weil es mir wichtig ist, eine Aufgabe und Zukunfts-perspektive zu haben. Wenn jemand keine Aufgabemehr hat, dann kann man doch regelrecht zuschau-en, wie der IQ herunterrasselt.“

Im Trainerbereich, so seine Beobachtung, dünnt sichdie Altersstruktur bereits mit 50+ deutlich aus. Mitseinen 68 Jahren ist Michael Oberschmidleitner anbeiden Instituten der älteste Kursleiter, mehr als7.000 TeilnehmerInnen hat er bereits unterrichtet.Drei weitere Trainer, die seinem Jahrgang am nächsten kommen, schätzt er auf „um die 60“.Das Alter oder sich alt fühlen ist für ihn kein Thema,wohingegen sich seine „jüngere“ Umgebung zu seinen 68 Lebensjahren so ihre eigenen Gedankenmacht. „Ich spüre schon, dass sich manche, insbeson-dere die, die in hierarchischen Strukturen stecken, dieFrage stellen: Warum geht der Kerl nicht in Pension?Weil sie an meiner Stelle ganz anders handeln würden. Und erst kürzlich hat mich eine Damegefragt, weshalb ich nicht, wie andere Menschen inmeinem Alter auch, mehr verreisen würde.“

Um genau solche Altersstereotype aufzubrechen,fordert Michael Oberschmidleitner, müsste schon dieWertevermittlung in der Schule eine andere sein.Ob er denn mittlerweile verstärkt von seinen jünge-ren KollegInnen und auch den KursteilnehmerInnenum Rat gefragt werde? Ohne zu zögern kommt dieAntwort: „Ja“, und er fügt hinzu: „Es ist aber aucheine große Verantwortung.“ Nicht automatisch zählen jedoch „die Alten“ zu den Erfahrenen. DieseEinstellung mancher Älterer kann nach seiner Ein-

schätzung genauso zu Konflikten im Miteinander derGenerationen führen wie die Haltung von Jungen, diesich per se von älteren KollegInnen bevormundetfühlen würden.

Dass er sich weniger mit Menschen seiner Genera-tion über berufliche Dinge austauschen kann,bereitet dem sportlich schlanken 68-Jährigen keiner-lei Kopfzerbrechen. „Es gibt doch die Jungen“,entgegnet er. Großer Ansporn und Vorbilder für ihnsind seine beiden Professoren an der Universität,wo bereits selbstverständlicher ist, was MichaelOberschmidleitner in seinem Umfeld noch zu einemExoten macht: Das Alter der Professoren ist 75 beziehungsweise 84.

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VON DER RESSOURCEN- ZUR POTENZIALENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT

Gastbeitrag/Interview: Gerald Hüther

Den wohlverdienten Ruhestand möglichstbald antreten zu können: Nicht nur für viele Beschäftigte ein durchaus positivesZukunftsszenario. Auch die Arbeitsweltunterstützt das vorzeitige Ausscheidenälterer MitarbeiterInnen aus dem Arbeits-prozess. Ein Auszug aus dem Interview „Der Sturz der Männer ins Schwarze Lochder Pensionierung“. (Kernthema des Interviews mit Gerald Hüther und LeopoldStieger: Männer leiden stärker unter demEnde der identitätsstiftenden Berufstätig-keit, als sie bereit sind, zuzugeben. Hirn-forscher Gerald Hüther und der Pionier der Personalentwicklung Leopold Stiegerbefassen sich mit der Einstellung und Vor-bereitung auf diese Veränderung.)

Immer wieder gibt es Aussagen, dass Ältere im Arbeits-prozess nicht mehr zu gebrauchen sind. Sie sind lang-samer, weniger kreativ, schwächer und veränderungs-resistent. Stimmt das?

Gerald Hüther: Wenn man Menschen, aber auch dieMitarbeiter in einem Unternehmen nur alsRessourcen betrachtet, die eine bestimmte Leistungzu erbringen haben, dann ist es natürlich zutreffend,dass es bestimmte Leistungen gibt, die jüngere Leutebesser schaffen. Die sollen diese Arbeiten dann auchruhig übernehmen. Aber die Älteren verfügen dochauch über Potenziale, die man gar nicht sieht, wennman nur mit der Leistungsmaßbrille unterwegs ist.Wenn man diese oft verborgenen Potenziale sehenwill, muss man eine andere Brille aufsetzen. Das wäreeine Brille, mit der man Nachhaltigkeit, Loyalität,Erfahrung, Verantwortlichkeit und Ähnliches sieht,was ein Unternehmen ebenso dringend braucht wievordergründige Effizienz. Und schließlich gibt es janeben den „betriebsfokussierten“ Brillen, mit denenman ältere Mitarbeiter betrachten kann, auch nochaußerbetriebliche, gesamtgesellschaftliche oder

kommunale Brillen, durch die man noch eine ganzeMenge mehr verborgener Potenziale entdecken kann,über die ältere Menschen verfügen und die – weil sienicht gesehen werden – auch nicht entfaltet werden.

Wie sieht die Vorbereitung auf den Ruhestand bisherin Unternehmen aus? Tun Unternehmen etwas, umdas lebenslang angesammelte Wissen weiterhin nüt-zen zu können und eine Beziehung aufzubauen, sodassEhemalige für neue, für andere Aufgaben als bishergewonnen werden können?

Es gibt […] Unternehmen, die inzwischen bemerkthaben, dass ihnen mit den ausscheidenden Mitarbei-tern wichtiges Potenzial verloren geht, und die nunversuchen, so etwas wie Senior-Partnerships aufzu-bauen, um in ihren Augen brauchbare, meist nochqualifizierte und sehr erfahrene Mitarbeiter länger inUnternehmen halten und nutzen zu können. Aberdamit wird der Zeitpunkt des Ausscheidens nur nachhinten verlagert. Das ist kein wirklich neuer Ansatz.Die Verlängerung dessen, was ein Mitarbeiter bisherauch schon gemacht hat, hilft dem Betreffendennicht, eine neue Perspektive für sein Leben nach derPensionierung zu entwickeln.

Was empfehlen Sie Menschen, die vor dem Übergang[in den Ruhestand] stehen und eigentlich der Meinungsind, dass ohnehin alles besser werden wird?

In Zukunft wird es die Potenzialentwicklungsgesell-schaft (statt einer heutigen Ressourcennutzungs-gesellschaft) geben. Was heißt das? Es ist die Über-zeugung, dass Menschen in jeder Phase ihres Lebensüber größere Potenziale verfügen als im realen Lebensichtbar werden. Dabei geht es nicht mehr um Wett-bewerb und Kampf gegeneinander, sondern um dieFähigkeit zu Kooperation – zusammen mit anderen.Dazu ist es aber notwendig, die eigenen Potenzialezu erkennen und zu wissen, wie sie entfaltet werdenkönn(t)en.

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Gerald Hüther Hirnforscher und Leiter der Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Universitäten Göttingen und Mannheim/Heidelberg.Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen sowie populärwissenschaftlicher Sachbuchautor.www.psychiatrie.med.uni-goettingen.de

Was für Potenziale wären das?

Potenziale zeichnen sich ja dadurch aus, dass man sie nicht sehen kann. Es sind Möglichkeiten, die manin sich trägt. Was für Potenziale in älteren Menschenstecken, lässt sich nur herausfinden, indem wir ihnenGelegenheit bieten und sie ermutigen, sich nach demEnde ihrer Berufstätigkeit noch einmal ernsthaft mitder Frage zu befassen, ob das, was sie bisher gemachthaben wirklich das war, was sie in ihrem und ausihrem Leben machten wollten. Ob es da nicht nochetwas gibt, was sich in all dieser Zeit des Eingebun-denseins in ein Arbeitsleben noch gar nicht entfaltenkonnte. In gewisser Weise gleicht der Abschluss dieser Lebensphase ja einer „Entbindung“: Erstmalskann man sich jetzt frei entscheiden, was man wirk-lich aus jedem neuen Tag, jeden Monat und jedemJahr in diesem Leben machen will. Es geht also umErfüllung, um Sinn und Bedeutsamkeit und um dasWiederfinden der eigenen Begeisterungsfähigkeit.Was dabei dann entdeckt wird, ist vergleichbar mitder Entdeckung eines unbekannten Kontinents. AuchKolumbus hat sich ja erst auf den Weg gemacht, weiler davon überzeugt war, dass hinter dem Meer Indienzu finden war. Was er dabei aber gefunden hatte, warein neuer Kontinent.

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SPIELREGELN DER MACHT IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN PROFITORIENTIERTER WIRTSCHAFT UND INDIVIDUALISIERTER ARBEITSWELT UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DIE ÄLTERE GENERATION

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FORUM 1VORTRAGENDE: CHRISTINE BAUER-JELINEK

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NEUE MACHTVERHÄLTNISSE BRAUCHEN NEUEDURCHSETZUNGSSTRATEGIEN

Info-Forum 1: Christine Bauer-Jelinek

Wie Führungskräfte im Spannungsfeld von profitorientierter Wirtschaft versusindividualisierter Arbeitswelt ihre Werteleben und Age-Management implementie-ren können.

Unser westliches Wirtschaftssystem erlebte in denletzten 15 Jahren eine radikale Wandlung: von der sozialen Marktwirtschaft zu einem Turbokapitalismus(heute allgemein als Neoliberalismus bezeichnet).Diese Entwicklung ist nicht nur von theoretischerBedeutung, sondern wirkt sich auf jede/n Einzelne/nim Alltag aus. Viele Menschen beschreiben ihreLebensumstände mit ständigem Druck und Stress, sieerhalten wenig Anerkennung, klagen über die Abnah-me von Loyalität und Solidarität sowie die Zunahmevon Egozentrik und Aggression. Sie fühlen sich immeröfter mit ihren eigenen Werten nicht ernst genom-men und in ihrer Würde verletzt. Der oft zitierte Wer-tewandel zeigt sich in zunehmendem Individua-lismus, abnehmendem Gemeinschaftsgeist, im Postu-lat der Eigenverantwortung und der Wettbewerbs-orientierung, im Wachstumszwang der Wirtschaft, inIllusionen unter der Prämisse „Alles ist möglich“ undden Gesetzen der Mediengesellschaft: „Alles istöffentlich“. Dieses subjektive Unbehagen entfaltetsich in einem der reichsten Länder der Welt, das überhohe soziale Sicherheit und über ein immer nochakzeptables soziales Auffangnetz verfügt. Jene Men-schen, die ihr Unbehagen äußern, werden gerne als„Krankjammerer“ oder Leistungsverweigerer bezeich-net. Tatsächlich verweist eine solch offensichtlicheDiskrepanz der Sichtweisen auf tiefer gehende Ver-werfungen in einer Gesellschaft.

Die gesellschaftlichen Veränderungen, die seit demZusammenbruch des realen Sozialismus (1989 Fall derMauer) Platz greifen, werden noch immer unter-schätzt. Es handelt sich um einen fatalen Irrglauben,dass wir im Großen und Ganzen noch im selbenGesellschaftssystem leben wie in den 1980er-Jahren.Damals war Mitteleuropa von der sogenannten Sozia-len Marktwirtschaft, einem Kapitalismus mit mensch-

lichem Antlitz (Keynesianismus), geprägt. Heute hatsich der Neoliberalismus angloamerikanischer Her-kunft (eigentlich: Monetarismus) flächendeckenddurchgesetzt. Die Wirtschaft gehorcht nicht mehr denStakeholdern (den MitarbeiterInnen, KonsumentIn-nen, AnrainerInnen, der Umwelt), sondern vielmehrden Shareholdern (die über ihre Aktien an der konti-nuierlichen Steigerung des Börsenkurses interessiertsind). Dieses System hat bereits in weiten Bereichenden alteuropäischen Wertekonsens verdrängt, derausgehend von den Idealen der Aufklärung auf Frei-heit der BürgerInnen, auf Gleichheit und Gemein-schaft setzte. Inbegriffen war die Vorstellung, dass alleSchichten der Bevölkerung mit Krankenvorsorge undkostenlosem Zugang zur Bildung versorgt würdenund dass Wohlstand zum Teilen verpflichte.

Aber auch die Konzerne selbst sehen ihren Königswegzum Gewinn nicht mehr in der Produktion (Realkapi-talismus, nach Stephan Schulmeister), sondern inihrem Engagement auf den Finanzmärkten. Wasbedeutet, dass die Finanzspekulationen erfolgreicherwaren als der Verkauf von Autos. Diese zusätzlichenGewinnchancen wurden durch den Ausbruch derFinanzkrise im Sommer 2008 zunichtegemacht odermüssen neu aufgesetzt werden. Jedenfalls hat dieseKrise noch nicht abzuschätzende Auswirkungen aufdie Beschäftigungspolitik der Unternehmen und es istnoch nicht abzusehen, ob eine grundlegende System-änderung die Folge sein wird oder ob nun auch nochgigantische Summen aus den Staatskassen in privati-sierte Unternehmen (Banken) fließen, weil verab-säumt wird, diese auch der Kontrolle zu unterziehen.

Im Neoliberalismus sind gigantische Gewinne für eineexklusive Minderheit deshalb möglich, weil Teile derWirtschaft ihre Interessen (Profitmaximierung) mitökonomischer Gewalt (Business-Krieg) durchsetzenkönnen. Bei Firmenaufkäufen werden Kapital undInfrastruktur der Gegner übernommen oder vernich-tet. Es entstehen „Sachzwänge“ im Bereich derKostensenkung, die sich vor allem im Personalabbauauswirken. Immer mehr Menschen geraten unterDruck und nehmen Schaden: finanziell, sozial und

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gesundheitlich. Als Folge dieses Wertewandels wer-den die Spielregeln der Konzerne unreflektiert aufKleinbetriebe und öffentliche Institutionen angewen-det: Alles muss „sich rechnen“, Staat und Gemeindensollten wie profitorientierte Unternehmen geführtwerden. Das Selbstwertgefühl von sozial denkendenMenschen bricht ein, sie werden als Sozialromantikerund Gutmenschen verächtlich gemacht. MenschlicheWerte am Arbeitsplatz gehen verloren, Teamgeist undSolidarität werden zwar ständig beschworen, wirkenaber kontraproduktiv und naiv. Die einzelne Führungs-kraft kann es mit einem Verhalten, das sie für sich alsdas „Wahre, Gute und Schöne“ definiert hat, nicht zueinem gesellschaftlich anerkannten Erfolg bringen,wenn ihre Werte jenen des herrschenden Systemswidersprechen. Was also tun, wenn man seine Wertenicht verraten möchte? Den Neoliberalismus kannman übrigens zurzeit nicht auf demokratischem Wegabwählen, weil kaum eine der wählbaren Parteienden Ausstieg auf ihrem Programm hat. Dies ist – essei hier der Einwurf erlaubt – eine demokratiepolitischäußerst brisante Situation: Wer hat den Neolibera-lismus gewählt, wer hat dem Prinzip, dass ein Staatsich wie ein Unternehmen verhalten soll, seine Stim-me gegeben? Diese Fragen wären durchaus einigerweiterer Überlegungen wert.Der Slogan des Neoliberalismus „Mehr Privat undweniger Staat“ macht deutlich, wer heute den Tonangibt: Die Wirtschaft hat die Vorherrschaft bereitsübernommen und definiert inzwischen von vielenunbemerkt die Spielregeln der Macht – und nichtmehr das Volk, das als Souverän über die Politik denGrundkonsens einer Gesellschaft bestimmen sollte.

DER KAMPF UM DIE BESTEN PLÄTZEDiese Situation bedroht nicht nur sogenannte Rand-gruppen, sondern auch den Mittelstand und vor allemältere ArbeitnehmerInnen. Klein- und mittelbürgerli-che Lebensformen galten für die Nachkriegsgenera-tionen noch als Inbegriff der Sicherheit. Heute ist derMittelstand von ständiger Existenzangst bedroht, weildurch Reformen, Privatisierungen und Shareholder-prinzipien in der Privatwirtschaft gerade diese Schichtvon Personaleinsparungen stark betroffen ist. Überihren Mitgliedern schwebt das Damoklesschwert desAbstiegs. „Up or out“ heißt daher die Devise für viele.Will man seinen Lebensstandard einigermaßen ab-sichern, muss man kontinuierlich nach oben streben,man muss danach trachten, in die lichten Höhen zugelangen, wo in einflussreichen Netzwerken eineHand die andere wäscht und man auch bei misslun-genen Geschäften oder glücklosen Transaktionen

nicht mehr tief fallen kann. Wer es nicht schafft, indiese Gesellschaft Eingang zu finden, kann nicht wiefrüher ein beschauliches Leben in Erwartung einerguten Pension führen, sondern muss den sozialenAbstieg befürchten. Daher haben Entscheidungsträ-gerInnen in der freien Marktwirtschaft keinen großenSpielraum für unkonventionelle oder soziale Entschei-dungen, die sie persönlich verantworten müssten.

Trotz der Prämisse einer Spaßgesellschaft wird dieAngst für viele zum Leitgefühl ihres Lebens, und derKonkurrenzkampf gerät zum Dauerzustand. Wenn dasNichterreichen von vorgegebenen Umsatzzielengleichbedeutend ist mit dem Verlust des Jobs, dannlässt der Selbsterhaltungstrieb schnell die eigenenIdeale in den Hintergrund treten. Wenn soziales Ver-halten immer öfter persönliche Nachteile mit sichbringt, dann ist es kein Wunder, wenn die Menschenihre humanistischen Werte über Bord werfen. VieleManagerInnen stehen unter Zugzwang: „Tu ich esnicht, macht es ein anderer.“

VERLAGERUNG DER MACHTDie Spirale der sozialen Standards dreht sich nachunten, das System beginnt in seinen Grundfesten zubröckeln. In dieser Phase setzt auch die Zivilgesell-schaft unethischem Verhalten immer weniger Wider-stand entgegen. Während auf Kooperation ausgerich-tete Gemeinschaften eine starke soziale Kontrolledurch Familie, NachbarInnen und ArbeitskollegInnenausüben, kommt es in überwiegend wettbewerbs-orientierten Gesellschaften sehr rasch zur Abschal-tung dieses Alarmsystems. Wegschauen, Verdrängen,Sich-nicht-Einmischen zählen dann zu den neuenTugenden – schließlich ist ja jeder und jede für sichselbst verantwortlich.

Zu Beginn der Liberalisierung bestand noch Hoffnung,dass es sich bei diesen Phänomenen um Kinderkrank-heiten handeln könnte, dass sich die Probleme „wiemit einer unsichtbaren Hand“ von selbst lösen wür-den, wie der liberale Ökonom Friedrich Hajek meinte.Nun legen die Berichte über Armut und Teilhabechan-cen von älteren ArbeitnehmerInnen den Schluss nahe,dass ein Gesellschaftssystem, das vor allem auf dieFreiheit des Marktes setzt, massive „Kollateralschä-den“ erzeugt: Während die einen mit allen Mittelnversuchen – zunehmend auch mit rechtswidrigen –,nicht zu den Verlierern zu gehören und sich ihrenAnteil am Kuchen zu erkämpfen, haben andere nichteinmal die Chance, durch ihre Arbeit die Grundbe-dürfnisse ihrer Familien zu stillen.

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Darauf kann man nun mit unterschiedlichen Macht-strategien reagieren: Die umfassendste wäre, dasSystem wieder mehr in Richtung Kooperation und Soli-darität zu lenken und deutliche Kontrolle durch diePolitik auszuüben, wenn es nicht nur nach dem Gesetzdes Stärkeren funktionieren soll. Die bisher gängige,aber nicht besonders wirksame Methode ist, das ein-zelne, meist unbedeutende Individuum als unmora-lisch anzuprangern. Als neue Strömung zeichnet sichdie Tendenz ab, die Maßnahmen auf die nächsteMachtebene zu verlagern, auf die Makroebene (siehe:Ernst Gehmacher, Sozialkapital). Will man den marktli-beralen Grundkurs nicht verlassen, versucht man mitInitiativen, die von „oben“ kommen, der Negativent-wicklung gegenzusteuern und ein Unrechtsbewusst-sein zu schaffen. So fordert beispielsweise das Konzept„Corporate Social Responsibility“ (CSR) von den Unter-nehmen und den Führungskräften selbst mehr Verant-wortung gegenüber der Gesellschaft oder ruft der Frie-densnobelpreisträger Kofi Annan mit seiner Initiative„Global Compact“ globale Akteure und regionaleBetriebe dazu auf, ihre Firmenpolitik an den Zielen derVereinten Nationen zu orientieren und sich im Bereichder Menschen- und Arbeitsrechte sowie beim Umwelt-schutz zu engagieren.

WEGE AUS DEM DILEMMANetzwerke und Initiativen bilden sich um bedeutsameund erstrebenswerte Ziele. Dies ist ein wichtiger undanerkennenswerter Schritt zur Bildung von Bewusst-sein und zur Dokumentation der Sachlage. Dochsolange es sich bei den Maßnahmen nur um Empfeh-lungen handelt, die bestehenden Gesetze leicht zuumgehen sind, die soziale Kontrolle immer schwächerwird und der/die Einzelne in seinem/ihrem ethischenEmpfinden verunsichert ist, wird sich die Lage nurschwer entspannen lassen. Wie soll eine Führungs-kraft, die selbst unter ständigem Druck steht und sichreal oder mental existenziell bedroht fühlt, sozialeEntscheidungen treffen? Wie kann das Individuumauf diese Situation reagieren, wenn das Gesamt-system kurzfristig nicht zu ändern ist?

Sollen Lösungsansätze zur Schaffung sozialer Rah-menbedingungen greifen, müssten vor allem Ent-scheidungsträgerInnen die gesellschaftliche Realitätbesser verstehen lernen und sich nicht so sehr miteinzelnen Symptomen verzetteln. Der schmerzlicheTeil dabei besteht für viele darin, Illusionen und alteideologische Glaubenssätze aufzugeben. Mut zumKampf und zur Veränderung in großem Stil zu ent-wickeln, ist nicht einfach, weil in weiten Kreisen der

Kampf als Mittel zur Durchsetzung von Interessengeächtet ist. Dieses Kampftabu ist in Teilen unsererGesellschaft immer noch wirksam, während es in derWirtschaft bereits durchbrochen wurde. NachdemVeränderungen nicht von heute auf morgen Wirkungzeigen werden, bleibt es dem/der Einzelnen nichterspart, in der täglichen Arbeit so weit wie möglichsich selbst treu zu bleiben, sich selbst dabei nicht aus-zubeuten oder ausbeuten zu lassen. Dieser Vorschlagmag im ersten Moment wie die Quadratur des Kreisesklingen. Es bedarf jedoch meist nur einer bewusstenEntscheidung, um sich den Einsatz von Machttechni-ken zu erlauben – einerseits zur Durchsetzung opera-tiver Ziele und andererseits auch zur Veränderung desSystems. Eine sogenannte „Doppelstrategie“ ist fürviele Menschen der einzig reale Ausweg.

Bei der täglichen Arbeit in der eigenen Organisationist es hilfreich, die Diskrepanz zwischen „gesagt“ und„gelebt“ zu realisieren. Die geltenden Spielregeln derMacht erkennt man nicht an den Sonntagsreden, son-dern an der gelebten Praxis. Menschen, die in mitt-leren Positionen tätig sind, müssen zudem ihr Augen-merk darauf richten, die „Mühlsteinfalle“ zu vermei-den: Sie versuchen oft viel zu lange, den Druck vonoben persönlich abzufedern und ihren MitarbeiterIn-nen persönlichen Schutz angedeihen zu lassen. DieseHaltung ist zwar ehrenwert, führt jedoch über kurzoder lang ins Burn-out oder – wenn es sich um Unre-gelmäßigkeiten handelt – zum Disziplinarverfahren.Führungskräfte müssen dringend neben der vielzitierten Sozialkompetenz auch Machtkompetenzaufbauen. Dazu zählen Fähigkeiten wie: Ziele kennenund präzisieren, Widerstände bewerten, Legitimationund ethische Fragen klären, sich abgrenzen, Forderun-gen stellen, Konflikte bis zum Kampf eskalieren las-sen, aber sich auch wieder versöhnen können. Teamfä-higkeit wird auch weiterhin gebraucht. Doch wer sichwirklich durchsetzen will, muss sich außerdemKampftechniken aneignen. Nachdem sich aber dasSystem wahrscheinlich nicht so schnell ändern wird,tut man gut daran, seine Frustrationstoleranz (dickeHaut) und die Regenerationsfähigkeit (Energietank-stellen) zu erhöhen. Wie groß auch immer der Arbeits-druck ist, man sollte sich die Zeit nehmen, um Unter-stützung von Gleichgesinnten zu suchen (netzwer-ken!). Dies sind extreme Anforderungen an die Per-sönlichkeit der Führungskräfte, zumal der Druck vonunten (MitarbeiterInnen), von oben (Politik, Adminis-tration) und von außen (KonsumentInnen, Öffentlich-keit) ständig höher wird. Im Sinne der Psychohygienesollte man lernen, Systemfehler von persönlichen

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Mängeln zu unterscheiden. Statt durch Selbstausbeu-tung Schaden zu nehmen oder aus Frustration zuunrechtmäßigen Handlungen zu greifen, sollte mansich einen gewissen Pragmatismus erlauben und Rea-litäten ins Auge blicken, auch wenn man sie nichtakzeptieren will.

Ein System, das so weit in die Gesellschaft eingedrun-gen ist wie der Neoliberalismus, kann man nicht mehrmit individuellen Aktionen verändern. Betrachtet manbeispielsweise die Arbeiterbewegung, so kann mansehen, dass ihr Beginn vom Kampf geprägt war. Im 19. Jahrhundert mussten die ArbeiterInnen in derFolge der industriellen Revolution unter unmensch-lichen Bedingungen um ihre Existenz ringen. Die Pio-nierInnen des Sozialstaates schufteten täglich bis zu16 Stunden, um sich danach noch zu organisieren undfür ihre Interessen zu kämpfen. Sie waren damit maß-geblich an einem Wertewandel beteiligt, der dieWürde der arbeitenden Bevölkerung begründete, dasLeid reduzierte und menschliche Arbeitsbedingungendurchsetzte.

Wo aber bleibt heute der Widerstand? Wo ist derHebel, an dem man ansetzen kann, um ein ungewoll-tes System aus den Angeln zu heben? In einer Demo-kratie sollte der Satz: „Da kann man nichts dagegentun“, niemals gelten. Er ist mitverantwortlich, dass derNeoliberalismus im Rang einer unvermeidbarenNaturkatastrophe erscheint. Doch was sollen die Bür-gerInnen tun? Obwohl kritische NGOs, kluge Köpfeund beherzte Veranstaltungen die gesellschaftlicheLage immer deutlicher analysieren, zeichnet sich letzt-lich keine Richtungsänderung ab. Im Alltag greiftder/die Einzelne oft selbst zu Aktionen des Wider-stands und kritisiert beispielsweise den Chef persön-

lich – was meist mit einer deutlichen Verschlechte-rung der eigenen Situation endet, ohne das Systembeeinflusst zu haben. Andere versuchen durch wieder-kehrendes Jammern im Kaffeehaus die Veränderungdes Bewusstseins der Massen herbeizuführen, ohnedass jedoch konkrete Handlungen folgen würden.Weil die Protestaktionen bisher keine große Wirksam-keit entfaltet haben, kann der Neoliberalismus immernoch tiefer in die Gesellschaft eindringen, und er wirdweiterhin die Gesellschaft in Gewinner und Verliererspalten.

Wenn Sie tatsächlich eine andere Vorstellung vonGesellschaft haben, wenn die Menschen wieder mitweniger Angst und Kampf, dafür mit mehr Zeit undSinn für Gemeinschaft und Kunst ihr Leben leben kön-nen sollen, dann müssen Sie mit Ihrem Ansinnenernst machen und einen effektiven Widerstand orga-nisieren. Es wird harte politische Arbeit brauchen, umdieses System zu verändern. Diskurs statt Jammern,Handeln statt Reden, neue Inhalte in bestehendenParteien ins Spiel bringen oder neue Parteien undInitiativen gründen. Und wenn Sie sich jetzt fragen,woher wir die Zeit und die Kraft dafür nehmen sollen,dann hilft ein Blick in die Geschichte: Der Weg zumehr Menschlichkeit und zu mehr Gerechtigkeit warnie ein bequemer. Um die aktuellen Herausforderun-gen zu meistern, ist es zielführend, ein neuesBewusstsein über Initiativen und Regelungen zu ver-mitteln. In einem neuen Wertekonsens müssten alleBeteiligten wieder stolz darauf sein können, wenn siesich an humanistische Prinzipien halten und einenBeitrag zum Gemeinwohl leisten können. Dafür brau-chen wir ein starkes persönliches Engagement vonvielen, einen neuen Gemeinschaftssinn, Kenntnis derMachtmechanismen und auch eine Portion Glück.

Christine Bauer-JelinekWirtschaftscoach und Psychotherapeutin, Leiterin des Instituts für Macht-Kompetenz in Wien, Gründerin der Initiative für Mikro-UnternehmerInnen,Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Leopold-Kohr-Akademie in Salzburg,Lehrbeauftragte an der Wirtschaftsuniversität Wien, Sachbuchautorin.www.macht-kompetenz.atDer Beitrag basiert auf Publikationen von Christine Bauer-Jelinek:• „Die helle und die dunkle Seite der Macht: Wie Sie Ihre Ziele durchsetzen, ohne Ihre Werte zu verraten“,

Salzburg 2009• „Die geheimen Spielregeln der Macht und die Illusionen der Gutmenschen“,

Salzburg, 2007 (Ecowin), einer der Jahres-Bestseller 2007• „Business-Krieger. Überleben in Zeiten der Globalisierung“, Wien, München, 2003

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WENN SICH ALLES IN ZAHLEN AUFLÖSTGastbeitrag/Interview: Walter Ötsch

Der Homo oeconomicus des Finanzkapi-talismus hat die Moral aus dem Diskursverbannt – zumindest theoretisch. EinGespräch mit Walter Ötsch über parasitäreMoral, Menschen als Computer und dieWichtigkeit des Selbstbildes.

Das Erreichen vorgegebener ökonomischer Zielvorga-ben auf der einen und Führungsverantwortung für dieMitarbeiterInnen auf der anderen Seite: Welches Ver-ständnis von Ethik und Moral hat hier überhauptPlatz?

Walter Ötsch: In der ökonomischen Handlungstheo-rie ist Moral nicht explizit ein Thema. Der kanadischePhilosoph Alec Taylor zeichnet in diesem Kontext dieUrsprünge des Homo oeconomicus nach: eines kaltenKalkulators, dessen historische Wurzeln sich bis vordas 18. Jahrhundert zurückverfolgen lassen und wel-cher zur vorherrschenden Denkfigur im jetzigenFinanzkapitalismus geworden ist. Hier wird behaup-tet, dass der ökonomische Mensch keiner Moralitätunterliegt. Tatsächlich besitzt er eine Moralität, mandarf aber in der Theorie nicht darüber reden: Taylorspricht von „parasitärer Moral“. Schaut man sichjedoch soziale Diskurse an, lässt sich leicht feststel-len, dass auch die Vertreter des Homo oeconomicusimmer wieder die moralische Karte spielen: Diejeni-gen, die von „Sachzwängen“ im Kapitalismus spre-chen, werfen ihren Gegnern unmoralisches Verhaltenvor. Taylor hält dieses Nicht-Berücksichtigen vonMoral in der ökonomischen Handlungstheorie füreinen Denkfehler. Er argumentiert so: Der handelndeMensch braucht eine Vorstellung von der Handlungs-situation, d. h. auch von sich selbst in dieser Situa-tion. Es geht also um ein Selbstbild. Aber ein Selbst-bild kann nur ein moralisches Bild sein. Wir könnenuns selbst nicht als moralfrei denken. Führt man die-sen Gedanken weiter, bedeutet dies, dass der Menschgrundsätzlich ein moralisches Wesen ist. Dann stelltsich aber nicht mehr die Frage, ob moralisch odernicht, sondern: In welcher Art der Bewusstheit vonMoralität handelt jemand? Je höher die Bewusstheit– und das betrifft beispielsweise auch das Selbstbild

eines Managers –, je ausgeprägter das Reflexionsver-mögen der eigenen Handlungen ist, desto morali-scher könnte man demzufolge handeln.

Dieses technokratische Bild vom Homo oeconomicusspiegelt vor, dass der Mensch in keinerlei soziale Bezü-ge eingebunden wäre.

Das traditionelle ökonomische Denken ist zu einerLeitideologie für die ganze Kultur geworden. DiesesDenken reduziert nicht nur den komplexen Orga-nismus einer Firma auf ein Input- und Output-Sche-ma, sondern betrachtet auch den Menschen wieeinen Computer. In diesem Computerbild sind keinesozialen und kulturellen Komponenten enthalten: einweiteres Beispiel parasitärer Moral. Indem sich derFinanzkapitalismus durchsetzen konnte, hat sichzugleich das reale Verhalten der Manager immerweiter von sozialen Grundlagen entfernt. Im Share-holdervalue löst sich alles in Zahlen auf. Menschenspielen darin keine Rolle mehr, sondern nur noch, obman auf den richtigen Trend gesetzt hat oder nicht.Im Gegensatz dazu stehen alte Bilder, wie beispiels-weise die des „Rheinischen Kapitalismus“. Hier warder Manager viel stärker in die soziale Umwelt einge-bettet.

Ist der Finanzkapitalismus gleichermaßen „Spielplatz“für alle Generationen?

Ein Teil des Finanzkapitalismus forciert sicherlichauch eine Art Jugendkultur, im Sinne von jung underfolgreich. Die Beratungsfirmen beispielsweise set-zen doch überwiegend auf Junge, die unmittelbarnach Abschluss der Universität in den verschieden-sten Projekten als Consultants arbeiten.

Wenn Managern in der aktuellen Debatte zur Krise desFinanzmarkts auch ein moralisches Versagen vorge-worfen wird, dann mehren sich die Stimmen, diesagen: „Wie hätten sie denn anders handeln sollen? An den Business Schools wurde ihnen in dieser Hin-sicht doch kaum etwas beigebracht?“

Man darf die moralischen Dilemmata, mit denenManager konfrontiert werden, keinesfalls

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unterschätzen, sondern sollte sie ernst nehmen.Bereits in der Ausbildung sollte man lernen, darüberzu reflektieren. Das Wissen über reflektive Werkzeugeund wie sie angewendet werden, d. h. „echtes“ sozial-wirtschaftliches Denken, wo anhand von Fallanalysendie Auswirkungen des eigenen Handelns überprüftwerden: All dies kann im Rahmen eines Studiums

vermittelt werden. Im Prinzip geht es jedoch immerum das eigene Selbstbild. Je mehr sich ein Menschmoralisch denkt, je mehr einem selbst die eigeneMoralität bewusst wird, desto mehr soziale Regelnkann man letztendlich verlangen, aber auch selbsteinsetzen.

Walter Ötsch ist Vorstand des Zentrums für Soziale und Interkulturelle Kompetenz an der Johannes Kepler Universität Linz.www.sozialekompetenz.org/oetsch

LIEBLINGSSCHLAGWORTE ODER ZEICHEN NEUERUNTERNEHMENSKULTUR?

Gastbeitrag: Karin Bauer

Generationenmanagement und wertschät-zende Führung sollten auch in Zeiten deswirtschaftlichen Umbruchs nicht von derTagesordnung der Unternehmen ver-schwinden.

Alte, vor allem alte Frauen, sind in den Medienunsichtbar. Auch in den Stellenausschreibungen.Gelegentlich sieht man sie in der Werbung für Nah-rungsmittelergänzungen und Jungerhalter.

Aber: Generationenmanagement ist eines der Lieb-lingsschlagworte im modernen Personalmanage-ment. Unternehmen schmücken sich gerne mitGesundheits- und Wellnessprogrammen für ihreBelegschaft, wollen so als „attraktive Arbeitgeber“punkten und sicherstellen, dass alle später Mittefünfzig noch fit sind.Geht es allerdings um eine Reduktion der Belegschaf-ten, dann hofft man eher großflächig auf die Kraft„natürlicher Abgänge“, statt nach den eigentlichbenötigten Kompetenzen vorzugehen. Dann verliert

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Karin Bauerist seit 1988 bei der Tageszeitung „Der Standard“ und leitet derzeit die Karriereredaktion.Sie ist Buchautorin und Moderatorin.derstandard.at

man kein Wort, wenn die Leute nur mehr auf dasEnde ihres Erwerbslebens warten, statt dass mit denfitten Mittfünfzigern gemeinsam über Neupositio-nierung, über sinnvolles Weitermiteinander geredetwird. Dazwischen poppt im Mail die Meldung auf,dass trotz „der Krise“ Schönheits- und Verjüngungs-operationen boomen. Weg mit den Falten, aus denAugen, aus dem Sinn.Wertschätzende Führung ist ebenfalls eines derbeliebten Schlagworte. Persönliche Anerkennungwird als hohes Gut gehandelt, ist gut erforscht undbelegt, macht diese MitarbeiterInnen produktiver,weniger krank und engagiert. Dutzende Umfragenweisen nach, dass zuerst „ein gutes Betriebsklima“Lust auf Arbeit macht oder zu einem Wechsel desArbeitgebers motiviert. Tatsächlich gehen aber Stu-dien davon aus, dass fast zwei Drittel in den Beleg-schaften innerlich gekündigt haben. Gebrochenesoziale Kontrakte, kaum je erlebte Wertschätzunggeben eben wenig Impetus, an Alternativen zur Pen-sionierung zu denken. Endlich raus aus diesemSystem! Das ist das große Bild – Schein und Sein in oft sehrkrassem Widerspruch.

Im Detail hat es sich in den vergangenen Jahrendeutlich angereichert. Nicht bloß um sonnige Broschüren von Outplacement- und Offboarding-BeraterInnen, auch um Führungskräfte mit echtemInteresse an Menschen, um zarte Pflanzen neuerUnternehmenskulturen, die mehr Spielraum geben.Von beiden Seiten – auch von jener der sogenannten„Alten“, die in ihren Ansprüchen funktional undmonetär vom Senioritätsprinzip abrücken und bereitsind zu gemeinsamer Veränderung. Weil sie körper-lich noch dazu in der Lage sind, weil sie ihre vergan-

genen 35 oder 40 Arbeitsjahre nicht nachhaltig frustriert haben, sodass noch Gestaltungskraftgeblieben ist.Die große Triebfeder im Hintergrund war wohl weni-ger ein plötzlicher Hype in humanistischem Manage-ment, ein Wettlauf der Herzensguten in den Chefeta-gen um das größtmögliche Erfüllen gesellschaftlicherVerantwortung. Triebfeder sind die Folgen der altern-den Gesellschaften. Und die mit ihnen alterndenKonsumentInnen, die Glaubwürdigkeit – ob in einemVersicherungsprodukt oder einem Elektrogerät –gerne mit Beratung auf Augenhöhe kaufen. Damitgeht es in den Unternehmen ans Eingemachte, andie Zukunftsfähigkeit. Mit jedem Jahr, mit dem wirder Gesellschaft mit einer Mehrheit der 60-Jährigennäher kommen, mehr. Daran vermag auch der derzei-tige Eintritt in ein tiefes Konjunkturtal nichts zuändern. Allerdings wird er Spreu vom Weizen tren-nen: Wer jetzt zarte Pflänzchen in Generationenfra-gen zwecks schnellen Sparens mit dem Rasenmäherkürzt, steht im nächsten Aufschwung ohneRessourcen da. Wer jetzt seine Unternehmenskulturim Schnellschuss auf die momentan wichtigstenLebensfunktionen ausdünnt, wird bei den „Alten“, dieüber Erfahrung, Wissen, Kraft und Willen zum Mitge-stalten verfügen, verloren haben. Nicht nur intern,sondern quer durch alle Stakeholder. Unternehmen,die das inmitten ihrer kurzfristigen Dilemmata ausdem Fokus streichen, sollten dann aber böses Erwa-chen gleich einkalkulieren.

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Die FürsprecherInnen einer (Markt-)Wirt-schaft als ethikfreier Raum sind in Zeitender Wirtschaftskrise merklich leiser gewor-den. Aber: Wo genau beginnt er eigentlich,der Wirkungsraum von Ethik im unterneh-mensinternen Miteinander?

„Es sind gerade die Kleinigkeiten, an denen sich zeigt,ob gelebte Ethik im Unternehmen ihren Platz hat“,sagt Gernot Grammer. „Es fängt schon beim ‚Bitte‘und ‚Danke‘ im Alltag an.“ Und genau dort, im ver-meintlich Kleinen, endet bereits manche ethischeWillensbekundung, denn: „Wie viele nehmen sich tat-sächlich die Zeit für diese Kleinigkeiten?“

Nicht nur über Haltungen und Werte zu sprechen,sondern diese im Alltag verbindlich vorzuleben: Dieswar Gernot Grammer während seiner Jahre als Chor-herr im Stift St. Florian ein ebenso wichtiges unddaher selbstverständliches Anliegen wie in seinerneuen Funktion als leitender Angestellter eines ober-österreichischen Elektronikunternehmens. Dass mangerade jetzt wieder vermehrt Ethik einfordert, über-rascht den – auch betriebswirtschaftlich ausgebilde-ten – Theologen nicht: „Zeiten wie diese zeigen unsdeutlich, dass der Markt nicht imstande ist, alles zuregeln, und dass Geld nicht nur für uns, sonderngenauso gegen uns arbeiten kann. Deshalb brauchenwir allgemeingültige, verbindliche, menschliche Hal-tungs- und Denkweisen auch in und für die Wirt-schaft. Haltungs- und Denkweisen, auf die sich derEinzelne verlassen kann. Ich glaube, dass der Menschauf der einen Seite ein sehr neugieriges Wesen istund neue Herausforderungen schätzt. Auf der ande-ren Seite sucht er jedoch nach einer sicheren Platt-form, die ihm Orientierung bietet, einem Zuhause fürdie Seele.“

Spielt Ethik für ein Unternehmen nur eine sehruntergeordnete oder gar keine Rolle, dann hat diesdeutliche Auswirkungen, beispielsweise in einermangelhaften Fehlerkultur oder der fehlenden Wert-schätzung für geleistete gute Arbeit. Die Vorausset-zungen, die ein Betrieb mitbringen muss, damit Ethikfür alle MitarbeiterInnen spürbar werden kann,

benennt Gernot Grammer in vier Schlagworten:Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Sachlichkeit.Er ist überzeugt, wenn diese „von oben her gelebtund zugelassen werden, dann können sie in allenBereichen des Unternehmens wirksam und sichtbarsein. Hingegen, je mehr die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter eines Unternehmens kontrolliert werden,je mehr man ihnen suggeriert, dass ihnen nicht ver-traut wird, der Verantwortungs-, Freiraum und dieKompetenzen der Beschäftigten geschmälert wer-den, desto schwieriger ist es in einem Unternehmen,Ethik einen guten Nährboden zu bereiten.“

Umfragen unter Führungskräften signalisieren einesehr hohe Wertschätzung gegenüber älteren Arbeit-nehmerInnen, die tatsächliche Einstellungspraxisspricht jedoch oftmals eine ganz andere Sprache. Wieerklärt sich Gernot Grammer diesen Widerspruch aufder Handlungsebene? Mangelt es hier letztlich anmoralischem Bewusstsein? „Ich denke, dass dieMehrzahl der Manager und Managerinnen grund-sätzlich ein menschenfreundliches Weltbild hat. Dasssie sich aber im Zugzwang ihrer Managementtätig-keit zu sehr auf Zahlen verlassen. Sie wissen durch-aus um die Bedeutung älterer Mitarbeiterinnen undMitarbeiter, um ihre Erfahrung, ihre Loyalität, ihreUmsicht. Auf der anderen, für sie letztendlich aus-schlaggebenden Seite schauen sie jedoch zu sehr aufdie Kosten. Darüber hinaus genügt ein Blick in dieStellenanzeigen, um zu sehen, welches Mäntelchenderzeit den Beschäftigten umgehängt wird: Wir allesollen jung, dynamisch, flexibel und cool sein. In die-ses Bild passen ältere Dienstnehmer nur schwer hin-ein.“

Welche Folgen kann dieser Umgang mit älterenArbeitnehmerInnen für die Unternehmenskulturhaben? Was löst dies unter Umständen bei denBeschäftigten aus? Hier beobachtet Gernot Gram-mer, nicht zuletzt bei sich selbst, eine Sensibilität, diemit den Lebensjahren gewachsen ist: „Bekomme ichals Arbeitnehmer beständig eingeimpft, dass ich mit50 zum alten Eisen zähle, und setze ich andererseitsin Relation dazu, dass wir in Europa vielleicht bis zum70. Lebensjahr arbeiten werden müssen, um zu erhal-ten, was wir gewohnt sind, frage ich mich zwangs-

EIN ZUHAUSE FÜR DIE SEELEGastbeitrag/Interview: Gernot Grammer

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Gernot GrammerTheologe sowie Absolvent des Lehrgangs für Tourismusmanagementder JKU Linz, bis 2006 Augustiner Chorherr von St. Florian und Priester,von Juni 2006 bis Dezember 2008 Placement Promotor für das Regional-management OÖ.Seit Jänner 2009 ist er verantwortlich für Einkauf und Marketing bei Zehetner Elektronik GmbH; seit April 2006 nebenberufliche Tätigkeitim Stift St. Florian als Verantwortlicher für Tourismus und [email protected]

läufig: Was passiert mit mir in diesen Jahren zwi-schen 50 und 70? Was für eine Kultur, was für einDenken wird da sichtbar, was wird hier seitens derUnternehmen vorgelebt? Ein solcher Umgang mitälteren Beschäftigten fördert eindeutig eine Ellen-bogen- und Angstgesellschaft. Lässt man zu, dassAngst, Frust und Sorge die Arbeitswelt dominieren,leiden automatisch Leistungsbereitschaft, Produkti-vität oder auch die Kreativität darunter.“ Jetzt ausreinem Marketingkalkül gezielt ältere Arbeitneh-merInnen einzustellen, ist für Gernot Grammer derfalsche Weg: „Jedes Unternehmen ist ein Mikrokos-mos, in dem sich die uns umgebende Welt im Kleinenwiederfindet. Wieso sollte es im Mikrokosmos ‚Unter-nehmen‘ nicht ebenso ein gesundes, herzhaftes, ehr-liches, transparentes und wahrnehmendes Miteinan-der von Jung und Alt geben, wie ja sonst oft auch?Warum sollen wir ausgerechnet innerhalb einesUnternehmens ausschließlich jung, dynamisch undflexibel sein dürfen?“ Gernot Grammer schätzt des-halb an seiner derzeitigen beruflichen Tätigkeit die„gesunde und bunte Mischung“ der MitarbeiterInnenvom Lehrling bis hin zu den KollegInnen, die zurGeneration 50+ gehören, und die Arbeit in altersge-mischten Teams, die die Eigentümer des Unterneh-mens fördern.

Letztendlich entscheiden über Unternehmenserfolgund -misserfolg die MitarbeiterInnen und die Qua-lität ihrer Arbeit. „Als Führungskraft muss ich deshalbsehr genau wissen: Wer bin ich, was will ich und wowill ich hin? Im Stift St. Florian hatte ich die Gelegen-heit, einen Garten anzulegen und ihn zu pflegen.Plane ich, einen Garten neu anzulegen, so muss ichschon vor der ersten Bepflanzung bedenken, damitich nicht ununterbrochen Pflanzen versetzen oder

beschneiden muss: Wie viel Raum benötigen die ein-zelnen Sträucher oder Bäume, wie wird sich ihrWuchs in fünf Jahren entwickeln? In einem Unter-nehmen funktioniert dies ganz ähnlich: Ich muss mirdarüber im Klaren sein, was ich erreichen möchte,zeige diesen Weg für alle transparent und gut nach-vollziehbar auf, schaue mir die Menschen an, mitdenen ich zusammenarbeiten werde, und dann ver-suchen wir gemeinsam diesen Garten zu gestalten.“

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FORUM 2VORTRAGENDER: JUHANI ILMARINEN

DER DREI-GENERATIONENBETRIEB 2025 – VISION UND WIRKLICHKEIT

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DER DREI-GENERATIONEN-BETRIEB 2025 – VISION UND WIRKLICHKEIT

Info-Forum 2: Juhani Ilmarinen

Jüngere, mittlere und ältere Generation in der Arbeitswelt: Welche neuen Heraus-forderungen sind damit für Gesellschaftund Betriebe verbunden?

HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE GESELLSCHAFTDenkt man an den Zeitraum, den ein Arbeitslebenumfasst, stellt man sich unweigerlich zwei Eckpfeilervor, die eine scheinbar kontinuierliche Zeitspannebegrenzen: den Eintritt in das Berufsleben und denAustritt bei Erreichen des gesetzlich festgelegtenPensionsalters. Tatsache ist jedoch, dass wir im Ver-lauf eines Arbeitslebens, bei einer durchschnittlichaktiven Zeit vom 20. bis zum 65. Lebensjahr, pro Mit-arbeiterIn ca. fünf bis sechs produktive Jahre verlie-ren. Die Ursachen sind vielfältig: Die Jungen integrie-ren sich nicht optimal oder zu spät in das Arbeitsle-ben. Die mittlere Generation hat oftmals langeAbwesenheitsperioden bedingt durch Krankheit oderUmstrukturierungen in der Arbeitswelt. Die Älterengehen zu früh in Pension. Gleichzeitig steigt derDruck der Gesellschaft bzw. Arbeitswelt auf die Jun-gen: Sie sollen möglichst frühzeitig ins Berufslebeneinsteigen, um dann alles gleichzeitig zu schaffen:Schule – Studium – Arbeit – Familie.

HERAUSFORDERUNG FÜR DIE BETRIEBE• Jede Generation hat ihre Stärken und Schwächen.

Jedoch: Die Stärken sind nur teilweise bekannt undwerden nicht optimal genutzt.

• Die Zusammenarbeit zwischen den drei Generatio-nen ist nicht optimal.

• Erwartungen an Führungskräfte sind alters-abhängig.

• Ist Arbeitsfähigkeit altersabhängig?• Ist Produktivität altersabhängig?

I. STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DER DREI GENERATIONEN

Jüngere Generation+ Begeisterung, – unerfahren

Motivation+ lernfähig, – unsicher

entwicklungsbereit+ energisch – Bedarf an Hilfe+ aktiv – enge Sichtweise+ kreativ – nicht engagiert

Mittlere Generation+ Fachkenntnisse – Überbelastung+ Erfahrung – Gewohnheitsmensch+ entwicklungs- – frustriert,

orientiert genug haben+ Gelassenheit, – Mangel an Ent-

Stabilität wicklungsbedarf+ zuverlässig – Mangel an

Arbeitsmotivation+ energisch – Widerstand gegen

Änderungen

Ältere Generation+ Erfahrungswissen – Mangel an Energie+ Fachkenntnisse – Mangel an Ent-

wicklungsbedarf+ mentor- und – Warten

tutorfähig auf die Pension+ zuverlässig – Mangel an

Arbeitsmotivation+ glaubwürdig – Gewohnheitsmensch+ Anerkennung, – frustriert,

Respekt genug haben

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Älter werden bedeutet einen Zuwachs an mentalen und sozialen Fähigkeiten:+ Strategisches Denken + Scharfsinn+ Besonnenheit, Umsicht+ Weisheit+ Überlegtes Handeln + Logische Argumentation+ Das Leben gut meistern können + Ganzheitliches Verständnis+ Differenzierter Sprachgebrauch + Höhere Lernmotivation+ Größere Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber+ Geringere Abwesenheitszeiten + Mehr Arbeitserfahrung

II. ERWARTUNGEN AN DAS FÜHRUNGSVERHALTENIn den einzelnen Lebensphasen verändert sich dieErwartungshaltung der ArbeitnehmerInnen an dasManagement. Sechs Lebensphasen lassen sich dabeiunterteilen: StudentInnen (< 25 Jahre), Lernende/r (< 35), Kompetente/r (< 45), Erfahrene/r (< 55), unter-stützende/r Weise/r (< 65), Storyteller (65+).

StudentInnen (< 25 Jahre)Gecoacht werden: Die jüngste Gruppe der Arbeitneh-merInnen wünscht sich Unterstützung durch Erfah-rung. Sie wollen geführt und mit einbezogen,zugleich aber auch darauf vorbereitet werden loszu-lassen und Fragen zu stellen.

Lernende/r (< 35)Autorität erhalten: ArbeitnehmerInnen in dieser Lebens-phase möchten Verantwortung übernehmen. DasManagement sollte ihnen Möglichkeiten zum Lernen,aber auch zum Erproben ihrer Führungsqualitäten bieten.Lernende wollen partnerschaftlich einbezogen werden.

Kompetente/r (< 45)Erweiterung der Verantwortung: In Entscheidungenmit einbezogen zu werden und wesentliche Angele-genheiten verantworten zu können, stehen nun imVordergrund. Das Management sollte ihnen Zutrittzum internen Wissenskreis ermöglichen.

Erfahrene/r (< 55)Wertschätzung: ArbeitnehmerInnen wünschen sichVerständnis für ihre Bedürfnisse in den verschiede-nen Lebensphasen und die Möglichkeit, eigene Gren-zen ziehen zu können. Sie wollen weniger operativeAufgaben, sondern vermehrt Verantwortung für Vor-bereitungen übernehmen.

Unterstützende/r Weise/r (< 65)Ihre Erfahrungen und Beziehungen nutzen: In dieserLebensphase möchten ArbeitnehmerInnen beratenund um Rat gefragt werden. Respekt, aber auch derWunsch nach Feedback durch das Managementgewinnen an Bedeutung.

Storyteller (65+)Das Gedächtnis der Organisation: Das Managementsollte sie als unabhängige RatgeberInnen schätzen,deren Wissen auf einer breiten Basis gefragt ist undauch genutzt wird.

III. ARBEITSFÄHIGKEITEine gute Arbeitsfähigkeit bedeutet, dass Menschenmit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcendie gewünschte Arbeit gut leisten können – es gehtum die Passung zwischen Arbeitenden und Arbeit.Arbeitsfähigkeit setzt sich aus verschiedenen mitein-ander verknüpften Bereichen zusammen. Das „Hausder Arbeitsfähigkeit“ mit seinen vier Stockwerkenverbildlicht modellhaft dieses Wechselspiel zwischenGesundheit, Qualifikation, Werten und Arbeit. DieArbeitsfähigkeit kann nur dann wachsen, wenn allevier Stockwerke gleichzeitig im Auge behalten wer-den. Das Streben nach einer guten Arbeitsfähigkeitdauert im Idealfall ein Leben lang – indem es densich verändernden Gegebenheiten in den verschiede-nen Lebensphasen immer wieder neu anpasst. Dafürbraucht es vielfältige, aber aufeinander abgestimmteMaßnahmen.

Individuelle Gesundheitsförderung, ergonomische Maßnahmen, verbessertes FührungsverhaltenNur Individuelle GesundheitsförderungKeine Maßnahmen

ARBEITSFÄHIGKEITnach Ilmarinen - modifiziert von Dr. Richenhagen

Linz 161008, Juhani Ilmarinen / FIOH / Prof. Juhani Ilmarinen

50sehr gut

45gut

40mäßig

35

30schlecht

25

2040 45 50 55 60 65

Alter (Jahre)

(ABI)

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Juhani IlmarinenFinnish Institute of Occupational Health (FIOH),bis Dezember 2008 Director of „Life Course and Work“-Theme.www.ttl.fi

IV. GENERATIONENMANAGEMENT – VISIONENMenschen unterschiedlichen Alters verfügen überunterschiedliche Stärken. Die größte Herausforde-rung besteht darin, lebensphasenbezogene Innova-tionen für jede der drei Generation zu schaffen.Generationenmanagement gelingt dann, wenn dieStärken der jungen, mittleren und älteren Generationbekannt sind und auch genutzt werden.

Ziel ist ein besseres und längeres Arbeitsleben für alle Generationen.Aber: Warum sollen wir länger arbeiten?Das Arbeitsleben muss für den Wohlstand der Gesell-schaft verlängert werden.Können wir es uns leisten, älter zu werden?Höhere Beschäftigungsraten und geringere Abhän-gigkeitsraten (Verhältnis Erwerbstätige und Pensioni-stInnen) sind die Basis für gute, alte Gesellschaften.

Gutes Generationenmanagement führt zur Verlänge-rung und Verbesserung der Erwerbslebensläufe:Menschen, deren Potenziale genutzt und gefördertwerden, leisten gute Arbeit und gehen spät in Rente.Der Schlüssel für erfolgreiches Generationenmanage-ment liegt bei den Führungskräften. Denn damit dieLeistungsfähigkeit der ArbeitnehmerInnen erhaltenbleiben kann, sind Anerkennung und Wertschätzungdurch die Führungskräfte entscheidend. Trainingskönnen dazu beitragen, Führungskräfte nicht nur fürneue Erkenntnisse zum Thema Arbeit und Alter zusensibilisieren, altersrelevante Einstellungen und Bil-der vom Älterwerden zu hinterfragen, sondern sieauch bei der Maßnahmenentwicklung für Generatio-nenmanagement in ihren Unternehmen zu unter-stützen.

Bewusstsein

Gutes Leben

Arbeits-organisation

Kompetenz

Arbeitsfähigkeit & Produktivität

Arbeitsstrategie

Pflichtender Manager

Haltungen

Age-Management

Linz 161008, Juhani Ilmarinen / FIOH / Prof. Juhani Ilmarinen

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NUR DIE BESTEN TRAUEN SICHGastbeitrag/Interview: Anne Katrin Matyssek

Permanent Zeit- und Leistungsdruck aufbauen, MitarbeiterInnen im Unklarenüber die Qualität ihrer Leistungen lassen,eine hektische, gereizte Stimmung verbrei-ten und damit in letzter Konsequenz eingutes Betriebsklima dauerhaft verhindern:Führungskräfte und ihr Verhalten habeneinen entscheidenden Anteil an derGesundheit ihrer MitarbeiterInnen unddeshalb im „Haus der Arbeitsfähigkeit“ von Juhani Ilmarinen ihren fixen Platz.Warum „Gesunde Führung“ zunächst beiden Führungskräften selbst ansetzen muss und weshalb es wenig Sinn macht,ein Verhalten anzutrainieren, wenn die Haltung nicht stimmt – ein Gespräch mitPsychologin und Psychotherapeutin Anne Katrin Matyssek.

Welches Führungsverhalten ist es, das die Mitarbeite-rInnen wie auch die Führungskraft selbst krank macht?

Anne Katrin Matyssek: Eine Führungskraft, die nichtauf sich selbst achtet und sich sprichwörtlich behan-delt wie den letzten Hund, überträgt dieses Verhal-ten leider auch häufig auf ihren Umgang mit denMitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Verzichtet eineFührungskraft beispielsweise regelmäßig auf die Mit-tagspause und arbeitet beide Tageshälften ohneUnterbrechung durch, kann es passieren, dass, wennam Nachmittag der Blutzuckerspiegel sinkt, siezunehmend gereizter und aggressiver agiert. Daskann bis hin zum Anbrüllen der Mitarbeiter gehen.Das Betriebsklima wird ruiniert, wenn die Führungs-kräfte selbst hektisch sind, gestresst oder schlafge-stört und entsprechend verstimmt in den Arbeitstagstarten. Ganz anders, wenn sie sich mittags die Zeitnehmen, um in Ruhe zu essen, den Arbeitsplatz zuverlassen, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen,und dann wieder entspannt an den Schreibtischzurückkehren. Deshalb fange ich immer bei der Füh-rungskraft selbst an und frage: „Wie gehen Sie mit

sich selbst um? Wie ist Ihr Pausenverhalten, wie gutkönnen Sie nach Feierabend abschalten? Nehmen Siesich Arbeit mit nach Hause?“

Was können Führungskräfte konkret tun, um dieGesundheit der MitarbeiterInnen positiv zu beeinflussen?

Juhani Ilmarinen hat gezeigt, dass Anerkennung einenorm wichtiger Faktor für die Erhaltung der Arbeits-fähigkeit ist. Und genau das ist auch meine Empfeh-lung für Führungskräfte: die Leistung zur Kenntnis zunehmen und Feedback zu geben, positives wie nega-tives. Mich als Führungskraft für die Arbeit des Ein-zelnen zu interessieren, nach Fortschritten zu fragen,Unterstützung anzubieten oder mich auch, wenn esangebracht ist, nach Persönlichem zu erkundigen.Damit signalisiere ich als Führungskraft gegenüberder Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter: Ich nehmedich als Person wahr. Wenn es die Organisations-größe zulässt, halte ich es ebenfalls für sinnvoll, zumGeburtstag zu gratulieren. Ungeheuer wichtig istauch die offene Tür. Hier geht es nicht darum, ständi-ge Verfügbarkeit zu signalisieren, sondern dass esZeiträume gibt bzw. vereinbart werden können, indenen man sich für die Anliegen der Beschäftigtenverlässlich Zeit nimmt. Unterstützung zu geben,Fehler zuzulassen und ansprechbar zu sein, das istgerade in Phasen der Umstrukturierung oder in wirtschaftlichen Krisensituationen, in denen die Mit-arbeiter verunsichert sind, essenziell.

Anerkennung und Wertschätzung den MitarbeiterIn-nen authentisch vermitteln zu können – das fällt nichtjeder Führungskraft auf Anhieb leicht …

Ich halte nichts davon, bestimmte Verhaltensweisenzu trainieren. Ich glaube vielmehr, wenn die Haltungnicht stimmt, dann muss ich auch kein Verhalten ein-üben. Deshalb versuche ich in meinen Seminaren,zunächst die menschenfreundliche Haltung zu stär-ken. Denn: Was ist eine Führungskraft ohne ihre Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter? Wenn diese ihren Jobnicht gut ausüben (können), kann ich auch keinegute Führungskraft sein und dem Kunden oder dermir übergeordneten Ebene keine positiven Leistun-gen verkaufen. Im nächsten Schritt geht es darum,

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dass Führungskräfte die Haltung hinterfragen, mitder sie an einzelne Mitarbeiter, aber auch an dasganze Team herangehen. Habe ich in meinem Kopfunter Umständen nicht nur ein, sondern vielmehrzwei Teams vor Augen? Einen Inner Circle mit meinenTop-Leuten, bei denen ich eigenständiges Arbeitenzulasse, und als Zweites einen Außenkreis mit densogenannten Minderleistern, die ich engmaschigerkontrolliere? Was bedeutet dies für die Beschäftigtenim Außenkreis? Fühlen sich diese tatsächlich von mirgeschätzt? Wie wäre es, ihnen mit einem Vertrauens-vorschuss zu begegnen, sodass auch sie die Chancehaben zu zeigen, was in ihnen steckt? Die Seminar-teilnehmer bekomme ich in puncto Wertschätzungdann ins Boot, wenn ich auf ihre persönliche Be-troffenheit abziele: Wie geht es Ihnen damit als Füh-rungskraft? Sie möchten doch auch – neben Ihremguten Gehalt – hin und wieder für das, was Sie leisten, eine positive Rückmeldung bekommen? Danngeben auch die „Harten“ unter den Führungskräftenzu: „Ja, da haben Sie schon recht. Ich brauche zwarkeine Lobhudelei von meinem Chef, aber wenn er mirzeigt, dass er sich für das, was ich tue, interessiert,dann ist das schon nicht schlecht.“

Braucht es Mut, sich dem Thema „Gesunde Führung“,psychische Gesundheit der MitarbeiterInnen zu wid-men?

Man benötigt schon ein gewisses Quantum anBereitschaft zur Selbstreflexion, um sein Führungs-verhalten infrage zu stellen, zu prüfen, wo es even-tuell noch Baustellen gibt, wo ich noch mehr machenkann. Das erfordert mit Sicherheit auch ein wenigMut. Meiner Erfahrung nach bringen den nur dieBesten auf. In meinen Seminaren arbeite ich ja nur

mit Freiwilligen. Meine Teilnehmer schauen in ihrem Arbeitsalltag bereits genauer hin als andere.Sie sehen ihre Aufgabe nicht als Job, sondern sie sind auch mit dem Herzen dabei. Ich baue darauf,dass sich mein Anliegen der „Gesunden Führung“durch sie wie ein positiver Virus immer weiter in denLeitungsebenen und innerhalb der Unternehmenausbreitet.

Anne Katrin Matyssek arbeitet seit 1998 als freie Beraterin zum Betrieblichen Gesundheits-management. Seit 2002 hat sich die diplomierte Psychologin und approbiertePsychotherapeutin auf gesundheitsgerechte MitarbeiterInnenführung unterdem Namen „do care!“ spezialisiert und hält Vorträge und Seminare zumThema „Gesund führen“ sowie zu Wohlbefinden durch Wertschätzung bei der Arbeit. Eines ihrer Bücher trägt den Titel „Führungsfaktor Gesundheit – So bleiben Führungskräfte und Mitarbeiter gesund“.www.anne-katrin-matyssek.de

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Von den vier Kernaufgaben der AUVA –Unfallverhütung, Unfallheilbehandlung,Rehabilitation und Entschädigungen – istdie Prävention die wichtigste. Sicherheitund Gesundheit am Arbeitsplatz könnennur durch gemeinsame Bemühungen vonArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnenverwirklicht werden.Eine zentrale Rolle spielen dabei die innerbetrieb-lichen Führungskräfte. Sie nehmen durch ihr tägli-ches Handeln direkt und/oder indirekt Einfluss aufWohlbefinden, Gesundheit, Sicherheit und Motiva-tion ihrer MitarbeiterInnen. Gleichzeitig hat ihr Han-deln (oder Unterlassen) Auswirkungen auf ihre eige-ne Gesundheit, ihre Befindlichkeit und ihre Leistungs-fähigkeit.

Der bevorstehende demografische Wandel erfordertes, in Zukunft das Augenmerk bei der Beschäftigungmit Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz ver-stärkt auf ältere bzw. älter werdende MitarbeiterIn-nen zu richten. Der erste diesbezügliche Schritt derAUVA wird dementsprechend die Sensibilisierungund Bewusstseinsbildung für das Thema sowohl beibetrieblichen EntscheidungsträgerInnen als auch beiden einzelnen ArbeitnehmerInnen selbst sein.

Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Netzwerkwerden wir seitens der AUVA bei unseren Kursen,Seminaren und Beratungen vermehrt in die Betriebehinaustragen und umgekehrt die dort vorliegendenAnliegen und Bedürfnisse im Zusammenhang mitälter werdenden Belegschaften in Erfahrung bringen.

Für die Weiterarbeit des Netzwerkes wird es auchunbedingt notwendig sein, sich mit den vielfältigenSpannungsfeldern und Einflussfaktoren auf die The-matik zu beschäftigen. Jüngere versus ältere Arbeit-nehmerInnen, Einfluss von sowohl Freizeitverhaltenals auch Arbeitsalltag auf die Gesundheit, Arbeits-marktsituation, Gewinnmaximierung versus Mitar-beiterorientierung, Wissenstransfer von älteren zujüngeren MitarbeiterInnen, Konjunkturlage und Wer-tigkeit von Fertigkeiten und Fähigkeiten von Mitar-beiterInnen sind nur einige Aspekte, die reflektiertgehören.Das weitere Ziel der AUVA ist es, gemeinsam mit denNetzwerkpartnern praktikable, den Gegebenheitender unterschiedlichen Betriebe und Branchen ange-passte Instrumente, Methoden und Maßnahmen zurErhaltung der Gesundheit älterer bzw. älter werden-der MitarbeiterInnen zu entwickeln. Gerade in Klein-und Mittelbetrieben, die zu einem Großteil vonAUVAsicher betreut werden, wird es andere Umset-zungsstrategien und Wege brauchen als in großen

AUVA – PARTNER IM NETZWERK „ÄLTER WERDEN. ZUKUNFT HABEN!“

Gastbeitrag: Marina Pree-Candido

Marina Pree-Candido AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt),ist stv. Leiterin des Unfallverhütungsdienstes Linz und Koordinatorin von AUVAsicher PZ Linz.www.auva.at

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Unternehmen, um für alle Beteiligten positive Ergeb-nisse zu erreichen. Entscheidend für die Zukunft älte-rer MitarbeiterInnen in der Arbeitswelt wird es sein,UnternehmerInnen, innerbetrieblichen Führungskräf-ten, aber auch jedem Arbeitnehmer, jeder Arbeitneh-merin leicht umsetzbare und durchführbare Möglich-keiten zur Erhaltung von Gesundheit und Leistungs-fähigkeit am Arbeitsplatz anzubieten.

Bei allem Engagement für das Thema darf nichtübersehen werden, dass es nur eines von vielen ist,

mit denen sich oberösterreichische Betriebe bzw. diedort Beschäftigten in diesen Tagen konfrontiertsehen und zum Wohle aller Beteiligten und Betroffe-nen auseinandersetzen müssen.

Das Bemühen um die Sicherheit und Gesundheit vonMenschen darf allerdings – in Anlehnung an ein Zitatvon Werner von Siemens – „… nicht als Vorschrift desGesetzes aufgefasst werden, sondern als Gebotmenschlicher Verpflichtung und wirtschaftlicher Vernunft“.

EINE WERTVOLLE MISCHUNGGastbeitrag/Interview: Maximilian Wurm

Wertschätzung, Teamfähigkeit, Bereitschaftzur Wissensweitergabe. Für UnternehmerMaximilian Wurm sind dies die wichtigstenSpielregeln, um eine gute Zusammenarbeitin altersgemischten Teams sicherzustellen.

Im Jahr 2005 beteiligten sich WURM & PartnerUnternehmensservice am Pilotprojekt WAGE (Winning Age Getting FuturE). Der sozialpartner-schaftliche Beratungsprozess im Rahmen von WAGEsensibilisierte auch für die Zusammensetzung derTeamstruktur. So wird seither sehr viel bewusster dasgesamte Altersspektrum bei potenziellen Mitarbei-terInnen ausgeschöpft. „In der Besetzung der Teamsgibt es bei uns sicherlich einen Unterschied vor undnach WAGE. Während vorher seltener jemand aufge-nommen wurde, der älter als 40 Jahre war, haben inder Zwischenzeit bei uns sechs Mitarbeiter dieserAltersgruppe neu angefangen.“ Und nicht nur das:„2007 und 2008 haben wir insgesamt zwölf Lehr-linge im Alter von 15 bis 19 Jahren eingestellt“,ergänzt Geschäftsführer Maximilian Wurm und fügtnoch hinzu: „Bei uns ist ausnahmslos in jeder Abtei-lung eine altersgemischte Teamzusammensetzungfür das Unternehmen sehr wertvoll.“

Bei der Analyse von Schwachstellen wird deshalb nun auch die individuelle Team-Altersstruktur mitberücksichtigt. Kann die Ursache für vermehrteReklamationen eines Kunden darin begründet sein,dass in der Abteilung das Know-how älterer Mitar-beiterInnen fehlt? Oder benötigt man eventuellErgänzung durch die „mittlere Erfahrungsebene“?Geschäftsführer Maximilian Wurm, der sich die Leitung des Unternehmens mit zwei Partnern teilt,weiß jedoch ebenso um die Fallstricke in der Praxis.„Nicht jeder ist auf Anhieb bereit oder auch fähig,seine wertvollen Erfahrungen und sein großes Wissen an Jüngere weiterzugeben.“ So warf ein Lehr-ling frustriert das Handtuch, weil im Team genau die-ser Austausch, das Hineinwachsen in neue Aufgabendurch aktive Wissensweitergabe, nicht möglich war.

Wertschätzende, offene Kommunikation ist Maximili-an Wurm sehr wichtig. „Man darf sich nicht scheuen,die Dinge anzusprechen. Mir geht es jedoch nichtdarum, mein Gegenüber zu verändern. Ich gebe Feed-back, zeige mögliche Entwicklungsrichtungen auf.Es liegt dann an jedem Einzelnen, ob er diese Denk-anstöße aufgreift oder nicht.“ Im Falle des nun lehrlingslosen Teams hat sein Feedback gefruchtet:Die MitarbeiterInnen wünschen sich unbedingtwieder eine junge Kollegin/einen jungen Kollegen,

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an welche/n sie ihr Know-how weitergeben wollen.Wertschätzende Kommunikation bedeutet aberauch, dass die drei Geschäftsführer von WURM &Partner bei positiven wie bei negativen Entwicklun-gen offen und ehrlich informieren. Einmal im Monattrifft man sich deshalb auf der Kommunikationsflä-che zum „Informationsforum“. Hier stehen die dreiGeschäftsführer allen MitarbeiterInnen Rede undAntwort.

Und wenn sich Maximilian Wurm scherzhaft imGespräch als „Teilzeit-Geschäftsführer“ bezeichnet,dann verbirgt sich dahinter ein weiteres, in derUnternehmenskultur fest verankertes Anliegen: dieVereinbarkeit von Familie und Beruf. MaximilianWurm geht als Geschäftsführer mit bestem Beispielvoran, indem er konsequent für sich eine familien-freundliche Viertagewoche im Unternehmenumsetzt. Freitags ist er ausschließlich telefonischerreichbar. Eine abteilungsübergreifend zusammen-gesetzte Arbeitsgruppe ist der Motor bei WURM &Partner Unternehmensservice für MFB: „Mensch,Familie und Beruf“. Sie plant und bietet kontinuier-lich gemeinsame Aktivitäten an. 2004 wurde dasUnternehmen viertbester Arbeitgeber in Österreich,ein Jahr zuvor wurde erfolgreich das Re-Audit„Vereinbarkeit Familie und Beruf“ durchgeführt.

Maximilian WurmGeschäftsführer von WURM & Partner Unternehmensservice im Softwarepark Hagenberg.WURM & Partner, seit Dezember 2006 im eigenen Firmengebäude im Softwarepark Hagenberg, bietet individuelle Outsourcing-Lösungen für Rechnungswesen und IT und beschäftigt rund 80 MitarbeiterInnen.www.wurmundpartner.at

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BETRIEBSNETZWERK „ÄLTER WERDEN. ZUKUNFT HABEN!“

WURM & Partner ist Mitglied im 2008 neu gegrün-deten Betriebsnetzwerk. Das Betriebsnetzwerk wird in den nächsten Jahren weiter ausgebaut, um möglichst vielen Unternehmen das Thema „Genera-tionenmanagement“ näherzubringen und die Betriebe demografiefit zu machen. Selbstverständlichbleibt auch in Zukunft genügend Raum für Erfah-rungsaustausch und Diskussionen. In den halbjähr-lich stattfindenden Betriebsnetzwerktreffen werdenvon ExpertInnen aus der Praxis für Betriebe wichtigeThemengebiete zum demografischen Wandel vorge-stellt. Diese werden anschließend in Workshopsund/oder Pilotprojekten vertiefend behandelt.Um das Thema „Wissenstransfer“ drehte sich 2008nicht nur das Betriebsnetzwerktreffen, zusätzlich gab es bereits einen vertiefenden Workshop und einPilotprojekt.

Mehr Informationen zum Betriebsnetzwerk finden Sie auf www.wage.atKontakt: [email protected]

BETRIEBSNETZWERK-PARTNER/-INNEN:

• Bezirksalten- und Pflegeheim Kremsmünster

• BRP Powertrain GmbH & Co. KG

• Caritas OÖ

• E-Werk Wels AG

• E+E Elektronik GmbH

• Energie AG OÖ

• Greiner Tool.Tech GmbH

• Gruber + Schlager GmbH

• Haidlmair GmbH

• Hoffmann Elektrokohle AG

• Hotel Weisses Rössl GmbH

• OÖ. Landesbank AG/Hypo OÖ

• Joka-Werke, Johann Kapsamer GmbH & Co KG

• Lenzing Plastics GmbH

• MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG, Steyr

• Market calling Marketing GmbH

• ÖWD – Österreichischer WachdienstGmbH & Co KG

• Pecho-Druck GmbH

• Pfeiffer HandelsgmbH

• pro mente OÖ

• sabtours Reisebüro- und AutobusbetriebGmbH

• Spar AG, Marchtenk

• Team 7 Natürlich Wohnen GmbH

• voestalpine Stahl GmbH

• WAG – Wohnanlagen Gesellschaft m.b.H

• WURM & Partner Unternehmensservice

• Zürich Versicherungs-AG

BETRIEBSNETZWERK „ÄLTER WERDEN. ZUKUNFT HABEN!“

www.wage.at

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GENERATIONENMANAGEMENT IN KLEIN- UND MITTELSTÄNDISCHEN UNTERNEHMEN (KMU)WERTSCHÄTZUNG LEBEN UND WISSENS- UND ERFAHRUNGS-TRANSFER ZWISCHEN DEN GENERATIONEN GESTALTEN

FORUM 3VORTRAGENDER: GERHARD HOCHREITER

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GENERATIONENMANAGEMENT IN KMU – WERTSCHÄTZUNG LEBEN UND WISSENS- UNDERFAHRUNGSTRANSFER ZWISCHEN DEN GENERATIONEN GESTALTEN

Info-Forum 3: Gerhard Hochreiter

Gerhard Hochreiter stellt in diesem Kurz-vortrag, ausgehend von der Frage: „Warumist ‚Generationenmanagement‘ ein Themain Organisationen?“, zunächst gesell-schaftliche und organisationsprägendeRahmenbedingungen vor, die diese Frageauslösen. Anschließend werden Praxis-beispiele aus unterschiedlichen Unterneh-men für Wissens- und Erfahrungstransferaufgezeigt und unter folgenden drei Blick-punkten analysiert: Was ist das Ergebnis,die Wirkung? Wie – durch welchen Prozess– wurde das Ergebnis erreicht, gestaltet?Und vor allem: Mit welcher Intention,Grundhaltung wurde das Projekt initiiert?Die Basishypothese ist, dass die meisten Unterneh-men das Wie und das Was sehr bewusst gestalten.Der Frage nach der Intention – welche sowohl dasWie als insbesondere das Ergebnis maßgeblichbeeinflusst – wird kaum Raum gegeben.

Aus einer systemischen Perspektive fragt man sich:Was ist der Auslöser, um sich als Unternehmenüberhaupt mit der Frage nach dem „Generationen-management“ zu beschäftigen?

Gesellschaft der jungen Alten?Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir – relativgesund – immer älter werden. Die Zukunftsforsche-rInnen sprechen von einer „silbernen Revolution“:Die VertreterInnen dieser „Alten“ wollen weiterhinihr Leben leben, konsumieren und ihren Hobbysnachgehen. Auf der anderen Seite sind wir aberauch eine Gesellschaft mit einem Wertewandel inRichtung Jung, Neu, Hip. Der Trend geht zu immermehr Jugendlichkeit. Man darf nicht älter werden –

schon gar nicht so aussehen. Wir verlernen in derGesellschaft auch die Wertschätzung von Bestand,Altem, Tradition. Wer alt ist, der ist am Rande derGesellschaft und muss sich dort auch zurechtfin-den. Auswirkung: Der Umgang mit Alter, mit denAlten wird nicht gelernt. Wir verlieren den Bezug zuunseren Traditionen und Wurzeln. Wir verlieren denErfahrungsschatz unserer Vorfahren.

Google-Hypothese: Wir sind vor allem eine Info-Gesellschaft – weniger eine Wissensgesellschaft.Wir trotzen der Halbwertszeit unseres Wissens mitimmer mehr an Informationen. Wir können uns inextrem kurzer Zeit Zugang zu allen möglichengespeicherten Informationen verschaffen. Wir wis-sen, woher wir Informationen bekommen können,und wir nutzen dies auch. Aber: Gleichzeitig verler-nen wir den Umgang mit diesen Informationen, dauns sowohl der Bezug als auch die Erfahrung feh-len. Wir wissen nicht mehr, wie wir diese Informa-tionen gut nutzen bzw. aus Erfahrungen lernenkönnen.

Die Effizienzfalle in Organisationen – zu viel Effi-zienz kann Know-how und Innovationskraft ver-nichten.In den Unternehmen sind wir angehalten, uns aufunsere Kernkompetenzen zu konzentrieren und denRessourceneinsatz zu optimieren. Das Ergebnis ist:Wir verkürzen, wir fokussieren. Effizienz geht vor.Das kann zu High-Performance-Organisationen füh-ren.

Folgende Gefahren bestehen:• Durch die zu starke Fokussierung auf Effizienz ver-

lieren wir die Räume für Innovation: Wir habenkeine Zeit mehr zum Nachdenken; Querdenkenund andere Ideen haben keinen Raum in der Effi-zienzfalle.

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• In Unternehmen wird der Fokus auf High Perfor-mance gelegt. Vergessen wird, was nicht unmittel-bar Nutzen bringt. Die Auswirkung ist, dass wirwertvolles Erfahrungswissen zur Effizienzsteige-rung voraussetzen, dass wir aber an diesem Pro-duktionsfaktor nicht bewusst arbeiten. Diesbedeutet, dass das Wissen, das Erfahrene/Älterezur Verfügung stellen könnten, immer mehr verlo-ren gehen wird. „Wie sichern wir unser Kern-Know-how ab?“, das wird in Zukunft aber zu derzentralen Frage. Eine Antwort: Durch gezieltenErfahrungstransfer zwischen Jung und Alt.

DIE PRAXISBEISPIELE:

DIE INTENTION? WIE WURDE ES ANGEGANGEN, UMGESETZT? WAS WAR DIE WIRKUNG? (Auszug)

Beispiel 1: Ein Engineering-Unternehmen aus OÖ spezialisiert auf automotive Projekte mit knapp 30 Mitarbeitern:Intention:Die Intention war es, das Wissen der erfahrenenProjektleiter auf eine breitere Basis zu stellen. DieProjektleiter, die größere Projekte abwickeln kön-nen, waren der Engpassfaktor des Unternehmens.Der Fokus war damit auf den wichtigstenGeschäftsprozess „Projekte abwickeln“ gesetzt.Wie:Es wurde ein Projekt – mit jüngeren und älterenMitarbeitern als Mitarbeitende – aufgesetzt. Dieseerarbeiteten gemeinsam folgende Lösungen: a) eineProjektdatenbank, die auch Erfahrungswissenberücksichtigt; b) eine Mentorenlösung, diebewusst immer einen jüngeren mit einem älterenProjektleiter zusammenspannte; c) verpflichtendeErfahrungstransfer-Meetings, die anhand bestimm-ter praxisrelevanter Themen Wissenstransfer zwi-schen Erfahrenen und Jüngeren ermöglichten.Wirkung:Der Prozess wurde optimiert und der Engpassfaktorteilweise aufgelöst. Sowohl die Erfahrungstransfer-Meetings als auch die Mentorenlösung zeigten Wir-kung: Jüngere wurden schneller qualifiziert, dieÄlteren übernahmen neue Rollen in den Projekten(„Mentoren“, strategische Projektleiter). Der Markthat diese Lösung akzeptiert und auch die Mehrko-sten durch Mentoren getragen.

Beispiel 2: Ein internationaler Pharmakonzern mitHauptsitz in DeutschlandIntention:Das Unternehmen musste feststellen, dass in zehnJahren der Altersdurchschnitt der Know-how-Trägerund Führungskräfte 50 Jahre beträgt. Ein großer Teilder Kern-Know-how-Träger wird gleichzeitig in Pension gehen und auf der anderen Seite ist dieRekrutierung neuer, junger Mitarbeiter aufgrundder Schichtigkeit des Unternehmens schwierig.Es wurden folgende Schwerpunkte von derGeschäftsleitung definiert: a) Know-how-Sicherungdes Erfahrungswissens; b) Gesundheitsbewusstseinbei der Belegschaft fördern (Prävention: gesündereErnährung, mehr Bewegung …); c) bewusstenUmgang mit Alt und Jung forcieren; d) als Unter-nehmen auch für Junge attraktiver werden.Wie:Das Großprojekt „generations@work“ wurde initiiert. Mit folgenden Schwerpunkten wurdebegonnen: a) Das Thema sollte im Unternehmenbreit diskutiert, Dialoge gestartet werden. Dieserfolgte durch Information über den normalen Führungsrhythmus, Internet-Foren, Großveranstal-tungen, Fokusgruppen quer zu den Standorten undzur Hierarchie. b) Know-how-Sicherung durch Mentorenmodelle, Dokumentation und bewusstgestaltete Staffelübergabe (Wissensstafette) beiPensionierung. c) Starker Fokus im Weiterbildungs-programm auf gesunde Ernährung, Stressabbauund mehr Bewegung (Sport). Dies wurde gestütztdurch eine Verpflichtung der Führungskräfte, mitihren Mitarbeitern zumindest eine solche Weiter-bildung zu besuchen.Wirkung:Der Prozess wurde breit mit Dialogen gestartet. DasThema wurde somit gezielt in das Unternehmengetragen und wird breit diskutiert. Massive Verbes-serungen ergaben sich bis dato auf Seiten derKnow-how-Sicherung und der bewusst gestaltetenÜbergabe von Know-how ausscheidender Ältererauf jüngere Mitarbeiter. Das „Gesundheitspro-gramm“ wird allgemein gut aufgenommen und vonden Führungskräften forciert. Zu den anderen Punk-ten – Attraktivität für Jüngere erhöhen, Verlust vonvielen Know-how-Trägern gleichzeitig – wurde nochwenig initiiert.

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Einige Neuwaldegger Hypothesen zum Gelingenvon Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen denGenerationen:• Die Grundintention – was will ich eigentlich errei-

chen – prägt die Wirkungen. Die Unternehmensollten viel mehr Zeit investieren, sich klar zu wer-den, was sie warum wollen.

• Das Thema Generationenmanagement läuft dortsehr gut ab, wo es in der Praxis und aus der Not-wendigkeit für das Geschäft grundgelegt ist undnicht theoretisch oder aufgesetzt wirkt. Der

Know-how-Transfer zwischen Jung und Alt gelingtvor allem dann sehr gut, wenn die Notwendigkeitim „Business“ begründet ist. Wenn sowohl dasProblem als auch die Lösung sehr „handfest“ undnahe am Business sind, ist man nahe an derbestehenden Logik des Unternehmens.

• Ein zentraler Erfolgsfaktor ist, dass sich für dieJüngeren und für die Erfahrenen neue Rollen eta-blieren können, die sowohl von innen (Mitarbei-terInnen) als auch von außen (Markt, KundInnen)akzeptiert werden.

Gerhard HochreiterBeratergruppe Neuwaldegg, berät Unternehmen und Organisationen u. a. bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen und der Einführung von Knowledge-Management.www.neuwaldegg.at

TOLERANZ, RESPEKT – UND HUMORGastbeitrag/Interview: Gudrun Trutmann-Peter

„Es bleibt in der Familie.“ Dieses geflügelteWort ist bei Nachfolgeregelungen in fami-liengeführten Unternehmen keine Selbst-verständlichkeit. Laut Statistik schaffen nurca. 50 Prozent den Sprung in die zweite undlediglich vier Prozent aller Familienbetriebeden Wechsel an der Unternehmensspitzebis in die vierte Generation. Ganz anders imWeissen Rössl am Wolfgangsee. Hier berei-tet sich mit Gudrun Trutmann-Peter bereitsdie fünfte Generation auf die Übernahmedes Ferienhotels vor.

Der Name der Familie Peter ist in St. Wolfganguntrennbar mit dem Traditionshotel verbunden, demRalph Benatzky in seinem Singspiel ein musikalischesDenkmal setzte. Am 30. 11. 2011 wird man im Salz-kammergut sogar 100 Jahre Familie Peter im WeissenRössl feiern können. Gleichzeitig markiert dieser Ter-min auch den Endpunkt einer erfolgreichen Stafet-tenübergabe: Gudrun Trutmann-Peter wird danngemeinsam mit ihrem Mann Oliver Trutmann-Peterdie Geschäftsführung des 4-Sterne-Superior-Hotelsübernehmen.

100 GanzjahresmitarbeiterInnen und rund 40 Saison-kräfte setzen alles daran, dass mehr als 14.000 Gäste

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jährlich uneingeschränkt die herzliche Gastfreund-schaft im Weissen Rössl genießen können. Damit die-ses komplexe Unternehmensgefüge auch in der Zeiteines Generationenwechsels nicht aus dem Taktgerät, steht Kommunikation an erster Stelle.

Nach Abschluss des Studiums 2001 fiel für GudrunTrutmann-Peter und ihren Mann die Entscheidung,in das Familienunternehmen miteinzusteigen. 2002wurde der Beschluss in die Tat umgesetzt. Als vier-blättriges Kleeblatt tagen seither mindestens einmalim Monat die ältere und die jüngere Rössl-Genera-tion. In dieser Runde werden auch einmal jährlich dieAufgaben für die kommenden zwölf Monate verteilt.Es geht für Gudrun und Oliver Trutmann-Peter umein sukzessives Hineinwachsen in die verschiedens-ten Geschäftsbereiche des Betriebs. „Damit keineUnsicherheiten entstehen, ist es mir sehr wichtig, dieneuen Aufgabenverteilungen stets klar an die Mitar-beiter zu kommunizieren“, stellt Gudrun Trutmann-Peter klar. Dies erfolgt über die regelmäßigen Treffendes gesamten Kaderteams.

Auch wenn das Weisse Rössl weit davon entfernt ist,sich auf den traditionsreichen Lorbeeren auszuruhen– erst im Frühjahr 2008 wurde ein weiterer Anbaufertiggestellt –, bleibt es trotzdem nicht aus, dass dienachrückende Generation andere Unternehmensvi-sionen mitbringt. „Als frisch Studierte glaubt man,vieles besser zu wissen und nun alles anders machenzu müssen“, erinnert sich Gudrun Trutmann-Peter anihre erste Zeit als junge Nachfolgerin. „Es gab damalszahlreiche Diskussionen und Gespräche, in denenmeine Eltern erklärt haben, warum sie manchesanders entschieden haben oder bestimmte Dingenicht umsetzen konnten.“

Insbesondere ein Faktor ist für Gudrun Trutmann-Peter entscheidend, damit die Übergabe von der älte-ren auf die jüngere Generation gelingen kann:Toleranz auf beiden Seiten. „Keinesfalls sollten diealte oder die junge Generation versuchen, ihre Anliegen mit der Brechstange durchzusetzen.Dass wir uns im Weissen Rössl mit Toleranz, sehr viel Respekt und Humor begegnen, auch wenn eseinmal heftiger hergeht, macht sicher einen gutenTeil des Erfolgs aus, warum das Miteinander und derGenerationenwechsel bei uns so gut funktionieren.“

Gudrun Trutmann-Peterseit Sommer 2008 zweite geschäftsführende Gesellschafterin im weltbekannten Ferienhotel Weisses Rössl in St. Wolfgang.www.weissesroessl.at

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SYSTEMATISCHER WISSENSTRANSFER MIT DEMTRANSFERWERK – EIN NEUES ANGEBOT DESNETZWERKS „ÄLTER WERDEN. ZUKUNFT HABEN!“

Gastbeitrag: Grit Terhoeven

Ein systematischer Know-how-Transfersichert bei Berufsaustritt nicht nur dasFach- und das Erfahrungswissen lang-jähriger Beschäftigter für das Unter-nehmen, sondern prägt durch den wert-schätzenden Umgang mit den aus derFirma ausscheidenden wie den neuen MitarbeiterInnen auch langfristig positivdie Unternehmenskultur.

„Lieber Werner (oder Willi oder Heinz oder Josef oder …)! An deinem heutigen letzten Arbeitstag möchten wir dir noch einmal ausdrücklich für die vielen Jahre deiner Tätigkeit für unser Unternehmendanken und dir für deinen neuen Lebensabschnittalles Gute wünschen!“

So oder so ähnlich verabschieden jeden Tag in jedemUnternehmen Vorgesetzte ihre MitarbeiterInnennach dreißig, vierzig oder manchmal noch mehr Jahren. Jahre, in denen sie Anlagen bedient, Prozesseeingeleitet, Probleme gelöst und vieles mehr geleis-tet haben; in denen sie in den allermeisten Fällenjeden Tag das Beste zu geben versucht haben, das siezu leisten imstande waren. Dabei haben sie Erfolgeerzielt, neue Verfahren ausgetüftelt, Fehler gemachtund wieder geradegebogen, vielfältige Diskussionengeführt, gute und nicht so gute Ideen entwickelt, sichKnow-how und Hilfe von anderen Stellen geholt unddas Unternehmen nach vielen Seiten hin als Image-vertreterInnen repräsentiert.

Diese Erfahrungen haben sich zu einem einzigarti-gen Kompetenzprofil entwickelt, das den jeweiligenStelleninhaber zu dem Experten für die Belange sei-nes Arbeitsplatzes hat werden lassen. Und dieseErfahrungen nimmt er nun mit und wird mit dieserRede seines Chefs nach Hause verabschiedet.

Wenn das Unternehmen langfristige Personalpla-nung betreibt, dann hat er in den letzten Wochen seinen Nachfolger schon kennengelernt und ihmgezeigt, wo alles aufgeschrieben steht und was andiesem Arbeitsplatz zu tun ist. Ganz oft kommt esjedoch vor, dass der Nachbesetzungsprozess längergedauert hat oder ein Nachfolger gar nicht so leichtzu finden war. Vielleicht kam dieser von seinem altenPlatz auch nicht so leicht frei oder die Stelle sollsogar eingespart werden und die KollegInnen sollendie Arbeit künftig „mitmachen“. Letzteres wäre dannerst recht ein Zeichen für den bisherigen Mitarbeiter,die Dankesrede an seinem letzten Tag lediglich alsschönes, aber hohles Wortgebilde mitzunehmen.Dabei hofft er vielleicht insgeheim, dass sie schonnoch merken werden, was sie an ihm gehabt haben,dass er ihnen in vielen Situationen fehlen wird, dasser Spuren hinterlässt in seinem Unternehmen …

Im modern geführten Unternehmen wird eine Viel-zahl von Kennziffern erhoben, um die Produktion zuüberwachen, die Qualität zu sichern, mit Manage-mentinformationssystemen das Unternehmen zulenken und die Zielerreichung von Abteilungen undMitarbeiterInnen zu überprüfen. Dabei werden Kenn-zahlen für Anlagenverfügbarkeit, Reklamationsver-läufe sowie, auf das Personal bezogen, Fehlzeiten,Produktivität und Arbeitssicherheit erhoben. Mithilfedieser Zahlen werden in Benchmark-Verfahren Ver-gleiche mit den Firmen der Konkurrenten angestelltund – wenn nötig – Optimierungsprogramme aufge-legt. Dabei wird der eigentliche Unterschied, der zwischen den Firmen für den Kunden bei jedem Kontakt erleb- und erfahrbar ist, nur sehr periphererfasst: Es geht um das Know-how, die Fähigkeit,flexibel auf Kundenwünsche einzugehen, und deninnovativen Umgang mit Technik, kurz die Fähig-keiten und das Engagement und das Wissen der MitarbeiterInnen.Für die Verschwendung von nicht genutztem Wissen,z. B. in Form von Doppelleistungen oder der Suche

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nach ExpertInnen für bestimmte Problemlösungen,gibt es keine Kennziffern, häufig noch nicht einmalein Bewusstsein. Dabei sind das Wissen und dieErfahrung der MitarbeiterInnen eines Unternehmensdas wertvollste Kapital und der eigentliche Unter-schied zwischen konkurrierenden Unternehmen.Und – die meisten MitarbeiterInnen sind bereit, sichfür ihr Unternehmen zu zerreißen, wenn sie nur dasGefühl haben, dass ihre Arbeit anerkannt und wertgeschätzt wird, wenn sie sich weiterentwickelnkönnen und sich und ihre Kompetenz gebrauchtfühlen.

So hat der Rahmen, wie ein Mitarbeiter verabschie-det wird, Signalwirkung für die anderen, die bleiben,und jeder fragt sich bei der Gelegenheit, wie es fürihn selber in der Situation sein wird.

Die deutliche Achtung vor dem Wissen und dergezeigte Respekt vor der Erfahrung der Mitarbeite-rInnen sind die Grundlagen für die Wertschätzungvon Mitarbeitern, die zu größerer Arbeitszufrieden-heit und dadurch zu mehr Engagement und Moti-vation führen.

„Wir haben ein großes Interesse daran, dass du nichteinfach so weggehst, sondern dass dein Wissen,deine Erfahrung und dein Können nicht für uns verlo-ren gehen. Aus diesem Grund bitte ich dich, an einemTransferWerk für deinen Nachfolger teilzunehmen.Ein ausgebildeter Moderator wird euch in mehrerenSchritten durch einen systematischen Wissenstrans-ferprozess führen. Als Erstes erarbeitet ihr gemein-sam eine sogenannte Jobmap, das ist eine Mindmap,in der alles, was an deinem Arbeitsplatz wichtig ist,was du mit wem zusammen tust, und alle weiteren

Aspekte deines Erfahrungswissens gesammelt undabgebildet werden. Das ist viel mehr, als du jetzt sodenkst! Der TransferWerker wird euch durch die rich-tigen Fragen unterstützen, lenken und die Aufzeich-nungen machen. Als nächsten Schritt überlegt undentwickelt ihr dann mit ihm gemeinsam Maßnah-men, mit denen dieses so gefundene Wissen weiter-gegeben werden kann. Manches muss erst erfasstoder aufgeschrieben werden, während es bei man-chen Inhalten reicht, sie zu erzählen, zu zeigen, wasauch immer. Dazu gehören immer auch die richtigenAnsprechpartner, das Herausarbeiten von Erfolgs-strategien, aber auch Schulungsmaßnahmen undund und … Für uns ist wichtig, dass dein Wissen nichtverloren geht, dass die Lücke, die dein Wegganghinterlässt, möglichst klein wird. Darum bitten wirdich, uns in dem TransferWerk für deinen Nachfolgerzu unterstützen.“Wer auf diese Weise aus dem Unternehmen verab-schiedet wird, spürt eine ganz andere Art von Wert-schätzung und erlebt, dass gewünscht wird, imUnternehmen Spuren zu hinterlassen, dass die eigene Leistung den Aufwand eines systematischenWissenstransfers wert ist. Durch die Vorgehensweisewird noch einmal allen Beteiligten deutlich, worumund um wie viel er sich gekümmert hat, was seinenspeziellen Beitrag zum Erfolg der Abteilung und derFirma ausgemacht hat. Das motiviert zum einen,wirklich engagiert bei dem Prozess mitzuarbeiten,und bietet zum anderen einen guten Rahmen für das Ausscheiden aus der Firma.

Für den Nachfolger wird gleichzeitig deutlich, dassdas Unternehmen sich sehr bemüht, ihm die bestenStartbedingungen zu schaffen. Für ihn beginnt eineaufregende Zeit, in der er nach und nach lernt, sich

Grit Terhoeven war Leiterin im Bereich Bildung, Training und Beratung der Personal-,Produktions- und Servicegesellschaft mbH, [email protected]

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zu orientieren und zu begreifen, was von ihm erwar-tet wird. Er beginnt, für die vielen großen und kleinentäglichen Probleme Lösungen zu entwickeln, mitmehr oder weniger Hilfe der KollegInnen, mit mehroder weniger Anleitung von Vorgesetztem oder Vor-gänger. So dauert es erwiesenermaßen bei Führungs-aufgaben in der Industrie im Schnitt drei Jahre, bisder „Neue“ seine volle Leistung für das Unternehmenerbringen kann. Durch den Einsatz eines Transfer-Werks wird diese Einarbeitungszeit deutlich verkürzt.Dazu kommt noch die Wertschätzung, die der „Neue“implizit durch das Bemühen um möglichst guteStartbedingungen erfährt. Gleichzeitig kann er sichviel genauer orientieren, welche Anforderungen anihn gestellt werden.

Die Vorgehensweise bei einem TransferWerk mitdem zentralen Instrument der „Jobmap“ bietetneben der Transparenz aller Aspekte des jeweiligenArbeitsplatzes auch die Chance der systematischenPrüfung und Verbesserung aller Prozesse und verhindert eine zu konservative Einarbeitung.

Systematischer Wissenstransfer mithilfe des TransferWerks ist ein neues Angebot der Arbeiter-kammer Oberösterreich. Das Instrument wurde vonDipl.-Psychologin Grit Terhoeven für die Salzgitter AGentwickelt und vielfach erprobt. Die ArbeiterkammerOberösterreich bietet Ihnen die Möglichkeit, diesesInstrument für Ihr Unternehmen einzuführen.

Der systematische Wissenstransfer mit dem Transfer-Werk sichert das Know-how Ihrer Firma und prägtmit dem wertschätzenden und würdigenden Rahmen für den Austritt Ihrer wertvollen Exper-tInnen sowie durch optimale Startbedingungen fürIhre neuen MitarbeiterInnen längerfristig die KulturIhres Unternehmens.

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IM HERZEN DES BRP-KONZERNSGastbeitrag/Interwiew: Julia Gal-Konwalinka, Birgit Allerstorfer, Alexandra Kautz

Wissen, was man wissen muss:Die BRP Powertrain GmbH & Co. KG (vormals BRP-Rotax), das Land Oberöster-reich, die Gemeinden im Bezirk Wels-Landund die Oberbank errichteten gemeinsamdas Regionale Innovations Centrum (RIC),ein 4.700 m2 großes technisches Innova-tions-, Aus- und Weiterbildungszentrum,welches im Frühjahr 2009 seinen Betriebaufnehmen wird. Mit dem RIC wird amStandort Gunskirchen eine Einrichtung für die Entwicklung zukunftsweisenderAntriebs- und Motortechnologien und fürdie Ausbildung von hoch qualifiziertemFachpersonal geschaffen. Das Investitions-volumen beträgt 8,5 Mio. Euro.

Eine gute Ausbildung, die nicht nur zu einem klarumrissenen Berufsfeld qualifiziert, sondern vonderen Qualität und dem erlernten Fachwissen manein Berufsleben lang bis zum Ruhestand zehrenkann. Diese Gewissheit eines „Lernens fürs Leben“hat sich in den letzten Jahren radikal verändert –durch rasanten Technologiewandel und damitverbundene kürzere Produktlebenszyklen, einenerhöhten Wettbewerbs- und Innovationsdruck aufden globalen Märkten. Das nun propagierte„lebensbegleitende Lernen“ stellt MitarbeiterInnenaller Generationen und Unternehmen vor ganzneue Herausforderungen.

Ein Blick in den Fertigungsbereich beim Markt-führer für die Motoren motorisierter Freizeitgerätelässt diese kontinuierliche Herausforderung gutsichtbar werden: Seit Ende der 1990er-Jahre hatsich bei BRP Powertrain in Gunskirchen ein hochautomatisierter Arbeitsbereich zur Fertigung der 4-Takt-Motorenkomponenten entwickelt. Hier domi-niert komplexes Hightech. Hoch qualifiziertes spezifisches Mechatronik-, Elektronik- oder CNC-Know-how ist notwendig, um diese modernen Produktionsanlagen und Systeme bedienen zu können. Auch der 2-Takt-Motor hat sich zu einem

Hightechprodukt mit modernster elektronischgesteuerter Direkteinspritzung entwickelt underfüllt damit alle relevanten Umweltauflagen.

„Zeiten, in denen bei Motoren der Elektronikanteilbeständig wächst, ändern auch die dazugehörigenBerufsbilder“, beschreibt Julia Gal-Konwalinka, Per-sonalentwicklerin bei BRP Powertrain, diese ein-schneidende Veränderung (nicht nur) für die Arbeitim Fertigungsprozess. „Der Technologiewandel gehtmit völlig neuen Wissensgebieten einher und diesesneue Know-how lässt sich nicht mehr allein mittelsErfahrung erlernen. Die Dienstnehmer benötigengezielte Unterstützung, um rasch in diese neuenAnforderungen hineinwachsen zu können.“ – Die Geburtsstunde des Regionalen Innovations Centrums (RIC).

Von der Produktion über Materialmanagement,Entwicklung bis hin zu Human Resources: Mit demRIC, seinen maßgeschneiderten Bildungsangebotenund kontinuierlichen Qualifizierungsmaßnahmen,verfolgt BRP Powertrain in Zusammenarbeit mitdem bfi OÖ ein breit gefächertes Qualifizierungs-konzept, das alle Unternehmensbereiche umfasstund MitarbeiterInnen jeden Alters einbezieht.Der Qualifizierungs- und Innovationsmotor drehtsich somit „im Herzen des BRP-Konzerns“, betontBirgit Allerstorfer, die Leiterin der RIC-Akademie.„Das RIC ist kein externer Bildungsanbieter, sondernwichtiger Bestandteil des Betriebes – und eng andas Unternehmens-Know-how gekoppelt.“ Vom RIC,eingebettet in (inter-)nationale strategische Part-nerschaften, sollen aber nicht nur BRP Powertrainund die Beschäftigten profitieren. Die Qualifizie-rungsangebote stehen auch MitarbeiterInnen anderer Betriebe offen. Ein Paradigmenwechsel fürden Motorenhersteller, sein hoch spezialisiertesWissen nun via Trainingsangebote mit Unterneh-men der Region zu teilen.

Der Produktionsbereich bei BRP Powertrain istStartpunkt für die ersten Qualifizierungsangebotedes RIC. Durch die Teilnahme am Sozialpartnerpro-jekt WAGE (Winning Age, Getting FuturE) hat manin Gunskirchen einen umfassenden Einblick in den

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Im Bild v. li. n. re.:Julia Gal-Konwalinka (Personalentwicklung),Birgit Allerstorfer (Leiterin RIC-Akademie),Alexandra Kautz (Projektmitarbeiterin RIC-Akademie)

Qualifizierungsbedarf der dort Beschäftigtengewonnen. Zusätzlich wurden nun auch für Arbei-terInnen Entwicklungspfade geschaffen.Julia Gal-Konwalinka: „Diesen Weg, beispielsweisevom ‚einfachen Fertiger‘ hin zum ‚qualifizierten Fertiger‘, haben wir transparent aufbereitet. Jederweiß nun: Wenn ich ein bestimmtes Fortbildungs-modul besuche, dann erweitere ich mein Wissen,erhöhe meine Qualifikation und kann auch als Facharbeiter die Karriereleiter nach oben klettern.“Im 4-Takt-Bereich, der im Vierschichtbetrieb gefahren wird, wird eine Freischicht ausschließlichfür Schulungszwecke zur Verfügung gestellt, um so die zeitlichen Kapazitäten für Weiterbildung zu schaffen.

Nicht automatisch muss jedoch eine Höherquali-fikation, beispielsweise vom Mechaniker zum soft-wareerprobten Mechatroniker, Ziel für die Mitarbei-terInnen sein. Ebenso sind die Angebote des RIC aufeine Verbreiterung der Wissensgebiete der Beschäf-tigten ausgerichtet, die z. B. den Einsatz eines Ferti-gers bei Bedarf auch in der Montage möglichmacht. Diese breitere Qualifikation kann sich eben-so für ältere ArbeitnehmerInnen auszahlen, die ausgesundheitlichen Gründen nicht mehr in ihrem bis-herigen Arbeitsbereich dauerhaft tätig sein und soleichter eine neue Aufgabe im Unternehmen auf-nehmen können.

Die Angebote des RIC sollen nicht nur passgenauauf die Bedürfnisse der Beschäftigten ausgerichtetsein, sondern auch gemeinsam mit ihnen entwik-kelt und zum Teil von ihnen selbst vermittelt wer-den. Geplant ist, dass beispielsweise erfahrene Mit-arbeiterInnen ihr Wissen in Seminaren an jüngere

KollegInnen weitergeben. Damit kann das RIC zueinem stärkeren Zusammenwachsen der Generatio-nen beitragen, wie etwa durch den regen Austauschüber Kursinhalte, den gemeinsamen Besuch vonVorträgen sowie das Lernen von- und miteinander.Dieses Miteinander ist ein elementarer Baustein,die ehrgeizige Vision für das RIC mit Leben zu fül-len. Bei BRP Powertrain hat man sich das auf dieFahnen geheftet. Birgit Allerstorfer: „Eine lebendigeWissensdrehscheibe und Tragfläche zu schaffen,um mit viel Energie in die Zukunft zu starten.“

BRP-Rotax GmbH & Co KG, nunmehr BRPPowertrain GmbH & Co. KGein Tochterunternehmen der BombardierRecreational Products Inc. (BRP), ist führend inder Entwicklung und Herstellung innovativer4- und 2-Takt-Motoren für motorisierte Frei-zeitgeräte. Das Unternehmen hat in den letzten 50 Jahren mehr als 350 Motorenmo-delle für Freizeitfahrzeuge entwickelt undüber 6 Mio. Motoren produziert.www.rotax.com

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ALTERNSSENSIBLE FÜHRUNG VON MITARBEITERINNEN UNDMITARBEITERN MIT DEM FAKTOR ANERKENNUNGSABTOURS REISEBÜRO UND AUTOBUSBETRIEB GMBH WELS UND PECHO-DRUCK GMBH LINZ

FORUM 4VORTRAGENDE: BRIGITTA GEIßLER-GRUBER

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ALTERNSSENSIBLE MITARBEITER/-INNEN-FÜHRUNGMIT DEM FAKTOR ANERKENNUNG

Info-Forum 4: Brigitta Geißler-Gruber

Auf die richtige, ‚gesunde’ Mischungkommt es an: über Wertehaltungen imWandel und die Bedingungen für ein wertschätzendes Gut-älter-Werden imUnternehmen. Ein Impulsbeitrag von Brigitta Geißler-Gruber.

Das Wirtschaftsmagazin brand eins widmet sich imSeptember 2008 dem Thema Leistung. In die Debattemischt sich ein Beitrag über den „TödlichenCocktail“ 1, der krank macht und der da besteht ausArbeit ohne Sinn, Ziel und Anerkennung.

Seit den Achtzigerjahren untersucht der DüsseldorferMedizinsoziologe Johannes Siegrist 2 die gesundheit-lichen Folgen von beruflichen Anerkennungskrisenwie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Depres-sionen u. a. m. Er unterscheidet drei Formen der Gra-tifikation im Berufsalltag: das Gehalt, die Arbeits-platzsicherheit und den weichen Faktor Anerkennungim Sinne von emotionaler Wertschätzung. Mit Letzte-rem ist nicht das häufige Schulterklopfen gemeint.Ganz im Gegenteil: Die Hamburger RespectResearch-Group warnt davor, dass der derzeitige betrieblicheBelobigungs- und Bewunderungsmarkt bei einerVielzahl von Menschen zu dem Gefühl führt, dass sienur mehr anerkannt werden, wenn sie bestimmteBedingungen (am besten über-)erfüllen, und dass,wer die Gesundheit, das glatte Gesicht oder dasjugendliche Auftreten verliert, auch seine Chancenauf Achtung, Beachtung und sogar Wahrnehmungverwirkt .3

Jede schöne Arbeit wird zur Zumutung, wenn dasangemessene Echo ausbleibt. Dieses Dilemma trifftalle Menschen jedweder kultureller oder milieubezo-gener Herkunft und jeden Alters durchschnittlich

gleich. „Die Erwartung an Tauschgerechtigkeit“ (Siegrist) ist übergreifend. Dennoch gibt es im Laufeeines (Arbeits-)Lebens Akzentverschiebungen. EinMitarbeiter schildert es folgendermaßen: „Je älter ichwerde, desto mehr habe ich das Gefühl, dass ichnicht mehr nur ein Rädchen sein will, das so gut wiegar keinen Einfluss auf irgendetwas hat. Ich bin Mitte50. Irgendwann stellt sich die Sinnfrage.“ 4 Er isteiner, der sich mit seiner Arbeit identifizieren will,und umso mehr verletzt ihn das Gefühl fehlenderAnerkennung oder nicht mehr gebraucht zu werden.

In den letzten Jahrzehnten fand eine Ressourcenver-geudung statt: Ältere wurden in die Frühpensionie-rung oder mit „Golden Handshake“ aus der Arbeits-welt sozial abgefedert entlassen oder hinausgelobt.Damit wurde eine Denkhaltung begünstigt, dassÄltere eine verminderte Leistungsfähigkeit mitbrin-gen und dass sich die Arbeitswelt nicht an den bio-psychosozialen Wandel von Menschen im Laufe eines40- bis 45-jährigen Erwerbslebens anpassen kann.Eine Erwartungshaltung der Beschäftigten wurdeausgeprägt, dass das Erwerbsleben deutlich vor demregulären Pensionsalter endet und dann erst das„wahre schöne Leben“ beginnt.

Die Folgen des demografischen Wandels für dasWohlfahrtswesen sind klar und im Ansatz sind mitder Erhöhung des Pensionseintrittsalters wie auchmit wahrscheinlich noch folgenden Reformen dieWeichen zur Vorbeugung gesellschaftlicher Krisengestellt.Arbeitsmarktpolitisch sind die Folgen auch deutlich,aber bei Weitem noch nicht ausreichend im Blickfeldder Handlungs- und EntscheidungsträgerInnen. Denneine Pensionsreform ohne Reform des Arbeitslebensvermag es nicht, dass die Erwerbspersonen längerund gesund in Arbeit bleiben können und wollen.

1) Laudenbach, Peter (2008): Der tödliche Cocktail.In: brand eins, 10. Jg., Heft 09, S. 80–85.

2) Siegrist, Johannes (1996): Soziale Krisen und Gesundheit.Eine Theorie der Gesundheitsförderung am Beispiel von Herz-Kreislauf-Risiken im Erwerbsleben. Göttingen.

3) Vgl. Strobl, Ingrid (2008): Respekt, der von Herzen kommt.In: Psychologie Heute, 35. Jg., Heft 9, S. 21–25.

4) Laudenbach, Peter (2008), S. 83.

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Brigitta Geißler-Gruber ist Arbeitspsychologin und seit Mitte der 1990er-Jahre in den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung tätig.Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin von arbeitsleben Geißler-Gruber KG.www.arbeitsleben.com

Dabei liegen bewährte Förderansätze zur Erhaltungund Förderung der Arbeitsfähigkeit der Belegschaf-ten und der Zukunftsfähigkeit der Betriebe auf demTisch: Das finnische Institut für Arbeitsmedizin(FIOH) hat in einer elfjährigen Längsschnittstudienachweisen können, dass für ältere MitarbeiterInnendas Vorgesetztenverhalten den stärksten Einflussfak-tor auf die Arbeitsfähigkeit darstellt. Personen, beidenen sich die Anerkennung durch die Vorgesetztenverbessert, haben eine 3,6-fach erhöhte Chance, ihreArbeitsfähigkeit zu verbessern. Umgekehrt gilt diesauch: Diejenigen, bei denen sich Anerkennung undWertschätzung am Arbeitsplatz vermindert haben,weisen ein 2,4-fach höheres Risiko der Verschlechte-rung ihrer Arbeitsfähigkeit auf.5

Führung ist damit sowohl das Fundament als auchdie Krönung betrieblicher Gesundheitsförderung unddes Alternsmanagements. Auf der einen Seite lässterst die Führungsentscheidung gesundheitsförderli-che Betriebsangebote und Arbeitsgestaltung zu. Aufder anderen Seite bestimmt Führung (vom unmittel-baren Vorgesetzten bis zur Geschäftsführung) diebetriebliche Beziehungskultur, wie Werte er- undgelebt werden. Das entscheidende Instrument nebenden Entscheidungsqualitäten der Führungskräfte istdabei die Kommunikation, optimalerweise der Dia-log. Im Mittelpunkt des wertschätzenden Dialogsstehen: Erkennen der Personen und Ernstnehmen derBedürfnisse und Vorschläge.6

Neurobiologische Untersuchungen 7 haben gezeigt,dass die Aussicht und insbesondere das Erleben vongelingenden Beziehungen – z. B. teilnehmend-partizi-patives Verhalten sowohl im Privaten wie im Beruf-lichen und besonders auch in Zusammenhang mitbedeutsamen anderen wie z. B. Arbeitgebervertre-terInnen – biologische Prozesse in Gang setzen.Dabei werden Botenstoffe ausgeschüttet, die sowohlMotivations- wie Gesundheitssysteme beeinflussen.Dieser Befund unterstreicht, dass gesundheits- undarbeitsfähigkeitsfördernde Führungskultur sich nichtan eine bestimmte Altersgruppe von Beschäftigtenrichten darf, sondern im Betrieb ein Beziehungsver-mögen für alle aufgebaut und gepflegt werden soll.Ganz im Sinne der Einschätzung eines Mitarbeiters,von dem sein Personalleiter erzählt: „Vor einiger Zeitkam ein 60-jähriger Mitarbeiter mit dem Wunsch, inden Ruhestand zu gehen, zu mir. Ich sagte, es tut mirleid, aber ich kann nicht auf Sie verzichten. Verärgertverließ er mein Büro. Nach zwei Wochen rief michdieser Mitarbeiter wieder an und sagte, dass er nunstolz darauf ist, im Unternehmen gebraucht zu wer-den. Aber warum musste er 60 Jahre alt werden, umdas zu erfahren?“

5) Ilmarinen, Juhani & Tempel, Jürgen (2002): Arbeitsfähigkeit 2010.Was können wir tun, damit Sie gesund bleiben. Hamburg, S. 249f.

6) Vgl. Geißler, H./Bökenheide, T./Schlünkes, H. & Geißler-Gruber, B.(2007): Faktor Anerkennung. Betriebliche Erfahrungen mit wert-schätzenden Dialogen. Frankfurt/M.

7) Bauer, Joachim (2006): Prinzip Menschlichkeit. Warum wir vonNatur aus kooperieren. Hamburg.

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Was bedeutet es für ein Unternehmen,wenn 42 Prozent der MitarbeiterInnen zurAltersgruppe 50+ gehören – und das ineiner Branche, in der, nach Untersuchungenaus den 1990er-Jahren, nur drei Prozent derBeschäftigten ihre Berufstätigkeit NICHTvorzeitig vor dem Erreichen der bisherigengesetzlichen Altersgrenze von 57 Jahrenbeenden? Die Unternehmensgruppe sabtours initiierte 2007 ein umfassendesProgramm zur Personalpflege und Perso-nalentwicklung. Die Zielsetzung: Erhaltungdes Arbeitsvermögens und mehr Lebens-qualität im Beruf bis zur Pensionierung.Seit mehr als 45 Jahren ist sabtours namhafterAnbieter im Touristik- und Busbereich. Die Unterneh-menshistorie ist untrennbar mit den zahlreichenlangjährigen und loyalen MitarbeiterInnen verbun-den, die einen großen Anteil am Erfolg des Reisebüro-und Autobusbetrieb-Spezialisten haben.

Sich wandelnde Anforderungen der Arbeitswelt wieauch veränderte Rahmenbedingungen (nicht nur)seitens des Gesetzgebers machten für das Unterneh-men eine neue Standortbestimmung notwendig.

Wolfgang Stöttinger,geschäftsführender Gesell-schafter sabtours:„Die Belastungen steigen, dieLebensarbeitszeit wird durch diePensionsreform verlängert, sinken-de Geburtenziffern und steigendesLebensalter verändern die Alters-strukturen. Die Tatsache, dass sich

das Pensionseintrittsalter von früher 57 auf zukünftig65 Jahre verändern wird und dass gerade in dieserAltersgruppe durchschnittlich längere Krankenständeauftreten, hat uns dazu bewogen, nach Verbesserungs-möglichkeiten zu suchen.“

Das sabtours-Programm „Busfahren – ein Lebensbe-ruf“ wurde mit externer Unterstützung durcharbeitsleben Gmunden (Brigitta Geißler-Gruber), dieOÖGKK und den Fonds Gesundes Österreich ent-wickelt. Die Projektleitung liegt bei sabtours in denHänden von Marie Luise Stöttinger. „Busfahren – einLebensberuf“ richtet sich grundsätzlich an alle Mitar-beiterInnen, ob sie bei sabtours nun als BusfahrerIn,im Verkauf, in der Verwaltung oder in der Werkstättearbeiten. Da insbesondere bei den BusfahrerInnender Altersdurchschnitt sehr hoch ist, soll dieses Pro-gramm Arbeitsbedingungen schaffen, die für denDienstgeber und die DienstnehmerInnen attraktivsind. Ein Ergebnis ist beispielsweise die Entwicklungflexibler Arbeitszeitmodelle, die speziell die Bedürf-nisse älterer und gesundheitlich belasteter Arbeit-nehmerInnen berücksichtigen.

Ob Linienbus-, Schulbus- oder ReisebusfahrerIn: Auchwenn die Anforderungen an die Person hinter demLenkrad sehr verschieden sind, in der Außenwahrneh-mung wird hier kaum differenziert und der Beruf desBerufsfahrers allzu häufig unterschätzt.

BUSFAHREN – EIN LEBENSBERUF: SABTOURS SETZTINITIATIVE FÜR ÄLTER WERDENDE BESCHÄFTIGTE

sabtours Reisebüro und Autobusbetrieb GmbH Wels

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ArbeiterInnen bei sabtours Reisebüro und Autobusbetrieb GmbH2006 und 2016(n=134)

2006 2016

20–24 25–29 30–34 35–39 40–44 45–49 50–54 55–59 60+

21,6

3,0

18,717,2

15,7

21,6

18,7

13,4

15,7

6,7

2,2

13,4

6,7

1,52,21,5

in %

© arbeitsleben

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Das weiß auch Johann Eismair,Betriebsratsvorsitzender bei sabtours:„Der Beruf eines Busfahrers bein-haltet weit mehr als nur denTransport der Fahrgäste von Anach B. Wer Busfahrer ist, erbringteine umfassende Dienstleistung.Der Busfahrer konzentriert sich

mit äußerster Sorgfalt auf den Verkehr, denn er alleinhat die Verantwortung für die Fahrgäste, die sich ihmanvertrauen. Er hilft älteren und behinderten Men-schen beim Einsteigen, kümmert sich um verlorengegangene Kinder, gibt Fahrplanauskünfte … Er mussjedoch ebenso mit randalierenden wie mit betrunke-nen Jugendlichen umgehen können. Der Busfahrerträgt zudem die Verantwortung für einen Bus, der eini-ge hunderttausend Euro kostet.“

Eine Schlüsselrolle für Wohlbefinden und Arbeitsfä-higkeit der MitarbeiterInnen liegt bei den Führungs-kräften. Deshalb widmet sich „Busfahren – einLebensberuf“ besonders der umfassenden Personal-pflege durch wertschätzende MitarbeiterInnenfüh-rung und ein unterstützendes Betriebsklima. Um dieKommunikation zwischen Führungskräften und Mit-arbeiterInnen zu verbessern, wurden „anerkennendeMitarbeiterInnengespräche“ eingeführt. Wesentlichwar, dass hier Hinweise der Beschäftigten an ihreunmittelbaren Vorgesetzten – welche Dinge bei derArbeit belasten und verbesserungswürdig sind –ernst genommen und in einen weiterführendenAktionsplan mit aufgenommen wurden. Die nachfol-genden „gesunden Dialoge“ hatten das Ziel, dassgesundheitlich gefährdete MitarbeiterInnen aus denErfahrungen von Gesunden und Gesundeten lernen

können. Das erste Resümee der Führungskräfte beisabtours, die durch ein Schulungsprogramm umfas-send auf die Gespräche vorbereitet wurden, ist sehrermutigend:

„99 Prozent der Mitarbeiter undMitarbeiterinnen empfinden esals positiv, dass man sich erstmalsauf mehreren Ebenen mit ihrenAnliegen beschäftigt. Das hebtdas Wertegefühl. Ganz wichtig istauch die Aufarbeitung der Ergeb-nisse, damit die Beschäftigtensehen, was und dass etwas

geschieht. Dies ist aus meiner Sicht ausschlaggebendfür den Erfolg des Projekts.“Gabriele Vockenhuber,Bereichsleitung ÖPNV

„Für viele unserer Mitarbeiter waralleine die Tatsache, dass sich einVorgesetzter Zeit nimmt, um überProbleme und Wünsche zu spre-chen, Anerkennung und Motiva-tion zugleich. Weiters konntenviele ‚kleinere‘ Probleme, die denArbeitsalltag für unsere Mitarbei-ter erschwerten, relativ leicht

beseitigt werden. Erfreulich für mich war, dass sich,abgesehen von diversen Problemen, alle Mitarbeiterbei sabtours sehr wohlfühlen und stolz sind, für dieseFirma zu arbeiten. Unsere Mitarbeiter sehen in dieserFirma einen großen und sicheren Arbeitgeber, bei demneben Wirtschaftlichkeit auch Menschlichkeit zählt.“ Robert Stöbich,Assistent der Geschäftsleitung Busbetrieb

„Busfahren – ein Lebensberuf“ wurde 2007 begonnen. Das Programm läuft bis 2009.Nicht zuletzt aufgrund der überaus positiven Erfahrungen werden die hierin entwickelten und erfolgreich erprobten Maßnahmen auch über 2009 hinaus fortgeführt werden – und das weiterhin im Dialog mit den MitarbeiterInnen von sabtours.www.sabtours.at

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VERTRAUEN IN DIE MITARBEITER UND MITARBEITERINNEN

Gastbeitrag/Interview: Stefan Haselsteiner

Ziel jedes ökonomisch orientierten Betriebsist es, Gewinne zu erwirtschaften und das Weiterbestehen des Unternehmens zu sichern. Darüber hinaus als Unter-nehmer Zielgrößen zu definieren und zu verfolgen, die die Führungskultur unddie eigene Wertehaltung betreffen,machen einen Betrieb nicht automatischwirtschaftlich erfolgreicher als andere,jedoch kann durch sie das Unternehmenfür die MitarbeiterInnen zu einem ange-nehmeren Lebensraum werden.Ein Gespräch mit Stefan Haselsteiner,Geschäftsführer von Pecho-Druck.

Eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskul-tur, regelmäßige Mitarbeiter- und jährliche Struktur-gespräche für das gesamte Team, Angebote zuStressbewältigung, Beschäftigung von Mitarbeiter-Innen mit Beeinträchtigungen: Wie leicht ist es, dieseverschiedenen Anliegen in den Unternehmensalltag zu integrieren?

Stefan Haselsteiner: Man muss es wirklich wollenund seine Ziele auch kontinuierlich weiterverfol-gen. Wenn man sich nur aus Imagegründen indiese Richtung engagiert, kann es nicht gelingen.Der Start bei Pecho-Druck war nicht einfach.Es sind viele kleine Schritte. Als wir mit den Mitarbeitergesprächen begonnen haben, gab eszunächst große Vorbehalte wie: „Da sitzt man eineStunde zusammen und nachher passiert sowiesonichts.“ Wenn die Mitarbeiter jedoch merken, indiesem Gespräch wird auf sie gehört, dann hat diesbereits sehr positive Auswirkungen. Nur so konntenwir erfolgreich die jährlichen Strukturgesprächeeinführen, bei denen sich das gesamte Team fürzwei oder auch drei Tage zusammensetzt undintensiv anstehende Probleme und die weitere Entwicklung des Unternehmens diskutiert.Dadurch, dass hier besprochene Dinge tatsächlich

umgesetzt werden – oder die Entscheidung zumin-dest begründet wird, wenn etwas nicht realisiertwerden kann –, freuen sich alle Mitarbeiter auf diesen intensiven Austausch, in dem Wissen: Andiesen Tagen kann ich meine Anliegen und Ideeneinbringen und es passiert wirklich etwas.

Welche Reaktionen gab es, als Sie geplant haben,MitarbeiterInnen mit Beeinträchtigung bei Pecho-Druck zu beschäftigen?

Wegen des Kündigungsschutzes hat mir zunächstjeder von einer Einstellung abgeraten. Dahinterstehen allerdings meist keine tatsächlichen Erfah-rungswerte. Man „glaubt“, dass eine Trennung voneinem Mitarbeiter mit Beeinträchtigung, sollte dieser der Funktion im Unternehmen nicht ent-sprechen, nicht mehr möglich sei. Das Bundes-sozialamt hat hier jedoch die früher etwas strenge-re Gesetzgebung mittlerweile viel weitsichtigergefasst, sodass dies nicht mehr zutrifft. Wir bietenSchnuppertage für Menschen mit Beeinträchtigun-gen oder auch Migranten an. Das ist für uns alsUnternehmen eine große Chance, gute Mitarbeiterzu bekommen und zu schauen, ob die Zusammen-arbeit und die Qualität der Arbeit passen. Genau so hat es bei der Einstellung unserer gehörlosenKollegin funktioniert. Im Gegenzug wissen die Mit-arbeiter aber auch, dass wir niemanden aufneh-men, wenn diese Kriterien nicht erfüllt sind.

Von 2003 bis 2007 haben bei Pecho-Druck drei ältereMitarbeiterInnen ihre Tätigkeit aufgenommen. Wasdenken Sie über den Vorbehalt, die Einstellung älte-rer Beschäftigter lohne sich nicht, da man hier inKnow-how von MitarbeiterInnen investiere, die dasUnternehmen in absehbarer Zeit wieder verlassen?

Es stimmt natürlich, dass ein älterer Beschäftigternicht mehr so lange im Arbeitsleben bleibt wie einjunger. Aber gerade bei jüngeren Mitarbeitern kannes mir passieren, dass, nachdem man in einen auf-wendigen Ausbildungsprozess investiert hat, sichder Mitarbeiter entscheidet, etwas Neues auszu-

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Stefan Haselsteinerist seit 2001 Geschäftsführer der in Linz ansässigen Druckerei Pecho-Druck,seit 2007 gemeinsam mit Karl-Heinz Ruderstorfer.Das 1967 gegründete Unternehmen beschäftigt 21 MitarbeiterInnen.www.pecho-druck.at

probieren, und in einen anderen Betrieb wechselt.Bei Älteren ist die Fluktuation nach meinen bisheri-gen Erfahrungen geringer. Mir ist es einfach wich-tig, jetzt die richtigen Mitarbeiter in einem gutenGenerationenmix im Unternehmen zu haben undsowohl ältere Beschäftigte als auch Lehrlinge ein-zustellen zu können.

Soziales und wertschätzendes Engagement lässtsich nur schwer in Zahlen fassen. Woran merken Sie und Ihre MitarbeiterInnen, dass es sich gelohnthat und weiterhin auch sinnvoll ist, diesen Wegweiterzugehen?

Allein durch den Kontakt und die Zusammenarbeitmit verschiedenen sozialen Organisationen verän-dert sich etwas im eigenen Wertesystem; eineWeiterentwicklung, die ich auch an meine Kinderweitergebe. Als Geschäftsführer muss ich aller-dings auch bereit sein, einen gewissen Teil meinesZeitbudgets für diese Dinge aufzuwenden.Ich glaube, indem ich den Mitarbeitern und derQualität ihrer Arbeit vertraue, statt sie permanentzu kontrollieren, und ihnen so Freiräume gebe,selbstständig Entscheidungen zu treffen, ist für siedas Unternehmen zu einem besseren Lebensraumgeworden. Im Spitzensport weiß man schon längst,womit man sich im Arbeitsleben zuweilen nochschwer tut: dass Menschen, die sich wohlfühlen,mehr Leistung einbringen und viel aufgabenorien-tierter arbeiten können. Darüber hinaus sind dieMitarbeiter, unabhängig ob es sich um ein großesoder ein kleines Unternehmen handelt, stolz dar-auf, wenn es in ihrem Betrieb ein Engagement gibt,das über das normale Maß hinausgeht. Diesschafft eine weitaus höhere Identifikation mit demUnternehmen.

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DIE MUSIK(ER) IM GEFÜHLGastbeitrag/Interview: Elisabeth Fuchs

Ihre MitarbeiterInnen: Hoch ausgebildeteSpezialistInnen und IndividualistInnen mit enormem Kreativpotenzial. ElisabethFuchs sorgt als Dirigentin der Jungen Philharmonie Salzburg für weit mehr als nur den „guten Ton“.

Führen lernen vom Orchestergraben oder Konzertpo-dium? Beispielsweise in Managementfortbildungenschaut man auf diese intensive Arbeitsbeziehungschon seit geraumer Zeit genauer hin. Bietet doch dieArbeit eines Dirigenten oder einer Dirigentin mitdem Orchester Einblicke in den Führungsalltag, wieman sie sonst innerhalb eines Unternehmens so kon-zentriert und unmittelbar nicht ohne Weiteres erhält,inklusive eines unüberhörbaren Vorgeschmacks aufdas gemeinsam erarbeitete Endergebnis.

Ob Probebühne oder Konzertsaal: Die Rollen sind klarverteilt. auf der einen Seite, mit dem Rücken zumPublikum, Dirigentin Elisabeth Fuchs. Vis-à-vis musi-ziert das um sie gruppierte Ensemble von bis zu 100MusikerInnen – nach ihren Vorgaben. Ein Spannungs-feld, dessen sich Elisabeth Fuchs sehr bewusst ist.„Alle meine Musiker sind individuelle Persönlichkei-ten und besitzen ein hohes Kreativpotenzial, das sieauch ausdrücken möchten. Sie sind exzellent ausge-bildet und investieren bis zu acht Jahre in ihr Stu-dium. Vor diesem Hintergrund ist es nicht immerleicht zu akzeptieren, dass vorne jemand steht undsagt, wie diese oder jene Passage zu spielen ist.“

Ihr Gegenmittel: diesen Konflikt bei der Probenarbeitnicht ausblenden. „Ich muss die Musiker genau andiesem Punkt abholen und ihnen vermitteln können,dass das, was wir tun, nicht nur einzigartig, sondernauch genau das Richtige ist.“ Kein Unternehmenexistiert um seiner selbst willen. Ziel ist stets, ein Pro-dukt erfolgreich nach außen transportieren und aufdem Markt platzieren zu können. Ein Produkt, dessenQualität ebenso von der Qualifikation der Mitarbei-terInnen wie von der Güte des vorausgegangeneninternen Entwicklungsprozesses bestimmt wird.Genauso verhält es sich beim Orchester. Der Konzert-auftritt vor Publikum ist hier auch Messlatte dafür, ob

die während der Proben geleistete Führungsarbeitvon Elisabeth Fuchs erfolgreich war, nämlich dann,wenn der Funke vom Konzertpodium auf das Publi-kum überspringt. „Das, was auf der Bühne geschieht,ist viel mehr, als einfach nur Noten zu spielen und eingutes Konzert abzuliefern. Als Orchester auf derBühne eine Energie, eine Botschaft transportieren zukönnen, mit der wir das Publikum wirklich erreichen,es mit zu integrieren, das ist unser Ziel.“

Dabei erwartet Elisabeth Fuchs von allen MusikerIn-nen ebenso hundertprozentigen Einsatz, wie sie ihnsich selbst nicht nur bei den Proben oder Konzerten,sondern auch in der aufwendigen Organisation desOrchesteralltags abverlangt. „Das Publikum spürt,wenn alle Musiker, vom ersten bis zum letzten Pult,mit vollem Einsatz dabei sind. Und hier liegt sehr vielam Dirigenten. Wenn dieser oder diese gut motivieren,wenn er oder sie den Musikern vermitteln kann, dassjeder wichtig ist, dann wird es ein tolles Konzert.“

Eine große und nicht immer leichte Herausforderungfür DirigentInnen wie auch für Führungskräfte inUnternehmen, gegenüber ihren MitarbeiterInnendiese Wertschätzung auch tatsächlich zu leben. „Füh-ren mit Gefühl“, so nennt es Elisabeth Fuchs. „AlsFührungskraft darf ich nicht in erster Linie die Zahlenvor Augen haben, sondern ich muss immer zuerstden Menschen sehen. Wenn ich die Menschen imGefühl habe, dann spüre ich doch automatisch, wennim Orchester oder bei dem einzelnen Musiker etwasnicht stimmt, und schaue, wo und wie ich hier helfenkann. Führen mit Gefühl bewirkt nach meiner Erfah-rung mehr Mitarbeitermotivation, als ich sie bei-spielsweise über Geld erzielen kann.“

Die MusikerInnen der Jungen Philharmonie sind StudentInnen oder AbsolventInnen des MozarteumsSalzburg, der Altersschnitt liegt deshalb zwischen 20und 35, Elisabeth Fuchs ist 32 Jahre alt. Gemessen anden derzeitigen Maßstäben der freien Wirtschaft, istdie Dirigentin damit im allerbesten Alter, zumal siezusätzlich, was keine Selbstverständlichkeit ist, mitbereits mehr als zehn Jahren Berufserfahrung punk-ten kann. Doch im Dirigentenalltag ticken die Uhrenein wenig langsamer. Hier kann es vielmehr passieren,

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Elisabeth Fuchs ist Dirigentin der Jungen Philharmonie Salzburg.Der von ihr 1998 gegründete Klangkörper gastierte u. a. bereits bei den Salzburger Festspielen, beim Brucknerfest Linz,beim Riva del Garda Musikfestival und gestaltetseit der Saison 2004/05 in Salzburg einen eigenen Abo-Zyklus.www.jungephilharmoniesalzburg.com www.kinderfestspiele.com www.elisabethfuchs.com

dass man für bestimmte Dinge zu jung ist bzw. dafürgehalten wird. So sieht sich Elisabeth Fuchs zuweilendurchaus mit dem unausgesprochenen Vorwurf kon-frontiert, dass ihr für einige Werke des umfassendenRepertoires, das sie sich in einem Jahrzehnt erarbeitethat, aufgrund ihrer erst gut 30 Jahre die notwendige„Tiefe“ fehle. Eine Summe aus Lebensalter und(Lebens-)Erfahrung bildet bei DirigentInnen den Maß-stab eines akzeptierten und als notwendig angesehe-nen Reifeprozesses – der dazu führt, dass hier Künstle-rInnen noch mit weit über 70 Jahren auf den Konzert-podien der Welt zu Hause sind. „Reife Dirigentengeben dem Publikum und den Musikern etwas,was ein ‚Junger‘ einfach noch nicht geben kann“,beschreibt es Elisabeth Fuchs und fügt hinzu: „Dirigie-ren trägt ein ungeheures Entwicklungspotenzial insich. Als junger Dirigent muss mir einfach bewusstsein, dass Dirigieren ein ewiger Reifeprozess ist.“

Das Mozart-Requiem ist ein Beispiel für ein Werk, andessen Tiefe man sich eigentlich erst als „reifer“ Diri-gent stückweise heranarbeitet. Elisabeth Fuchs hatdiese letzte Komposition von Wolfgang AmadeusMozart jedoch bereits mehrfach aufgeführt. „Ichglaube, dass man, sofern seine innere Stimme demzustimmt, niemals zu jung für ein Werk ist. Learningby Doing ist einfach unersetzlich. Erfahrungen zusammeln, das ist doch in jeder Führungsposition,neben fachlicher und sozialer Kompetenz, das Wich-tigste. Auch wenn ich mir nach so gut wie jeder Auf-führung denke: Dieses und jenes kann noch sehr vielbesser sein – und ich weiß, dass dieser Gedanke mitsteigendem Alter bleiben wird –, freue mich schonheute darauf, genau diese Erfahrungen zu machen.“

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„MAN MUSS MENSCHEN MÖGEN,UM EINE GUTE FÜHRUNGSKRAFT ZU SEIN.“

Gastbeitrag/Interview: Helen Duphorn

MitarbeiterInnen klagen zunehmend über einen Mangel an Wertschätzung seitens der Führungskräfte:Was macht es aus Ihrer Sicht so schwierig, eine fürbeide Seiten stimmige Wertschätzungsbalance zu finden? Was können Faktoren sein, dass Wertschät-zung bei den MitarbeiterInnen nicht ankommt?

Helen Duphorn: Ich glaube, man muss Menschenmögen, um eine gute Führungskraft sein zu können.Wenn ich als Führungskraft meine Mitarbeiter undMitarbeiterinnen mag, dann interessiere ich michautomatisch ebenso für ihre Weiterentwicklung wieauch ihr Bedürfnis nach Anerkennung und Feedback,

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Helen Duphorn Die gebürtige Schwedin ist, nach beruflichen Stationen u. a. in Indien und Frankreich, seit 2005 Country Managerin von IKEA Österreich.www.ikea.at

positiv wie negativ. Selbst dann, wenn man als Führungskraft nicht von Anfang an mit den ver-schiedensten Managementtechniken vertraut ist,öffnet eine auf Vertrauen basierende Beziehung Türund Tor für Feedback von Mitarbeitern und Mit-arbeiterinnen an einen selbst. Sie können so von denMitarbeitern und Mitarbeiterinnen selbst etwas überihre Bedürfnisse lernen. Ich bin davon überzeugt,Dreh- und Angelpunkt ist ehrliches Interesse an seinen Mitmenschen. Das kann man nicht vorspielen.

Wie kann Wertschätzung einen Beitrag zu guterUnternehmenskultur leisten?

Ehrlichkeit und Einfachheit sind in der Unterneh-menskultur von IKEA äußerst wichtige Werte. DieseWerte im Unternehmen zu leben bedeutet beispiels-weise für „Ehrlichkeit“, dass jede Person für ihren Beitrag Anerkennung verdient. Unsere Unterneh-menswerte und -kultur könnten dauerhaft keinenBestand haben, wenn Führungskräfte die Leistungenund Erfolge der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fürsich selbst beanspruchten. Um die Werte von IKEAdauerhaft zu stärken, müssen Führungskräfte bereitsein, einerseits dafür einzustehen, wenn sich Dingenicht in die gewünschte Richtung entwickeln, undandererseits Lob und Anerkennung weiterzugeben,wenn alles hervorragend läuft.

Erwarten MitarbeiterInnen heutzutage mehr Wert-schätzung, weil sich die Erwartungen an Arbeitgeändert haben? Arbeit, die nicht mehr allein denLebensunterhalt und Status sichern, sondern auchsinnstiftend sein und Spaß machen soll?

Das Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschät-zung gab es meiner Meinung nach schon immer, esist ein zutiefst menschliches Bedürfnis, unabhängigdavon, ob jemand jung oder alt ist. Es stimmt, dassMitarbeiterinnen und Mitarbeiter heutzutageanspruchsvoller geworden sind, aber es geht dabeinicht ausschließlich darum, dass eigene Bedürfnissebefriedigt werden sollen. Wir sehen, dass unsere Mit-arbeiter und Mitarbeiterinnen von uns erwarten,dass wir soziale und Umweltverantwortung über-nehmen. Die Erwartungshaltung an IKEA, eine guteFirma zu sein, ist sehr hoch – und das ist gut so!

Wertschätzung zeigen in verschiedensten Ländern undKulturen: Welche „Sprache“ verstehen alle Menschen?

Ich habe die Möglichkeit gehabt, bereits in den ver-schiedensten Teilen der Welt zu leben, und warimmer sehr erstaunt, wie ähnlich die Bedürfnisse derMenschen rund um den Globus sind. Jeder Menschwill gesehen, gehört und anerkannt werden. Respektfür und Interesse an anderen Menschen und ihrerKultur zu haben, das wirkt überall auf der Welt.

Was ist für Sie wichtig, um bei IKEA wertgeschätztzu werden und gut älter werden zu können?

Ich glaube, hier funktioniere ich genauso wie die meisten anderen Menschen. Ich möchte stolz aufmein Unternehmen sein können. Genauso wünscheich mir Freiräume, Anerkennung und eine MengeSpaß an der Arbeit!

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KURZFILM „DREHMOMENTE“GESCHICHTE „DER WASSERTRÄGER“

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DREHMOMENTEGastbeitrag: Markus Luger

Ein Kurzfilm der VSG-Produktionsschule factory beendete den zweiten Tag desForums für Information und Erfahrungsaus-tausch am 16. Oktober 2008 im Siemens-forum. Die Jugendlichen der factory Pro-duktionsschule, eines Angebots für Arbeitsuchende junge Menschen, entwickeltenund produzierten zugleich das Give-awayfür alle TagungsteilnehmerInnen: ein Jo-Jo,verbunden mit der Aufforderung, die Frei-fläche auf einer Seite mit der für jeden Teil-nehmer/jede Teilnehmerin wichtigstenKernbotschaft des Forums zu beschriften.

„turn around, every now and then I get a little bitnervous, that the best of all the years has gone by“Bonnie Tyler

Den „Dreh rauskriegen“ … nicht immer ein einfacherProzess. Nicht beim Filmdrehen und schon gar nichtbei der Jobsuche. Umso mehr darf man beeindrucktsein, wenn eine Gruppe jugendlicher TeilnehmerIn-nen der Produktionsschule Linz sich aufmacht undeinen Film kreiert, der das Thema „Älter werden.Zukunft haben!“ behandelt. Älter werden wir alle,aber haben auch alle eine wünschenswerte Zukunft?Die meisten der Jugendlichen sind gerade dabei,einige Weichen in ihrem Leben zu stellen.

Wie zum Beispiel der Teilnehmer, der für die Regievon „Drehmomente“ verantwortlich war.Bevor ich hier also selbst lange erkläre, wie die Film-produktion gelaufen ist, gleich ein paar Worte desRegisseurs: „Es war für mich ein Erlebnis, mit so vielen Leuten an einer Szene zu drehen. Ich bin soweit mit dem Produkt ganz zufrieden, soweit das derinnere Selbstkritiker überhaupt zulässt. Die Idee dieAltersklassen-Schwarz-Weiß-Malerei (Schwarz-Weißals Bildstilmittel hat mir in diesem Zusammenhangsehr zugesagt) mit einem Augenzwinkern durch denKakao zu ziehen, gefiel mir gut. Auch das tatsächlicheAufeinandertreffen der älteren und jüngeren Seme-ster am Set war in diesem Sinne hochinteressant,der Umgang miteinander und vor allem mitwelchem Elan sich viele der gecasteten ‚Älteren‘ reingehängt haben. Unterm Strich: ein gutes Projekt– sowohl im Werden als auch als Produkt.“

Ein weiterer Teilnehmer der Videowerkstatt hat sichebenfalls intensiv mit dem Videoprojekt ausein-andergesetzt und eine sehr interessante und tiefgreifende Interpretation verfasst:

„Zuallererst muss einmal gesagt werden, dass dieserFilm in gewisser Weise eine ‚schwere‘ Kost ist. Alsonicht ein Film für einen gemütlichen Abend, sondernviel eher eine Darstellung mit tiefem Inhalt. Zugege-ben, den wohl tiefsten Sinn dahinter vermag ich imMoment noch nicht zu verstehen, aber ich werde den-noch mal versuchen, diesen Film zu interpretieren:

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Ein Jo-Jo dreht sich und währenddessen nimmt dasLeben seinen normalen Verlauf. Wenn jedoch etwasschiefgeht, es zum Beispiel zu Boden fällt, hat daseine gewisse Symbolik des Scheiterns. Daher inter-pretiere ich in diesen Film unter anderem die Bot-schaft, dass die Zeit viel zu schnell vergeht, wennman etwas nicht schafft. Also mal relativ schnell indieser Nichts-können-Situation verharrt. Die Zeitbleibt nicht stehen, jedenfalls nicht wirklich, sondern

man versäumt nur Tag um Tag. Weiters könnte esheißen, dass man sich stets um seine Familie und dieMitmenschen kümmern soll, denn im Kreislauf desLebens ist man bestimmt selbst mal in der Situationund würde sich über einen Sitzplatz in der Straßen-bahn oder über einen Krankenhausbesuch freuen.Es mag seltsam klingen, aber wir sollten vorarbeiten,um nicht selbst später einmal in unser eigenes Spie-gelbild sehen zu müssen. Möglicherweise völlig

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VSG – Verein für Sozialprävention und GemeinwesenarbeitFachtraining net - die edv & videowerkstatt.Der Film Drehmomente gewann im Herbst 2008 den 2. Platz beim Oberösterreichischen Filmwettbewerb für Amateure,gleichzeitig erhielt das Filmteam auch einen Anerkennungspreis für Ausstattung, Musik und Regie.www.produktionsschule.at

falsch verstehe ich die letzte Szene, welche zumin-dest in mir das Gefühl weckt, dass, wenn man den‚Drücker‘ aus der Hand gibt, man einfach dem ande-ren ausgeliefert ist. Solange man selbst bestimmt,wie das Leben verläuft, kann man auch seine Zielesowie seine Entscheidung immer wieder überdenken.Wenn man aber erst mal so weit ist und diese‚Macht‘ aus der Hand gibt, muss man volles Vertrauen in das Gegenüber haben, um nichtenttäuscht zu werden. (…)“

Um noch weitere Rückmeldungen zum Filmprojektzu ergattern, wurden vom Filmteam nach dem Drehjeweils ein junger und ein älterer Schauspieler zuihren Rollen und den Dreharbeiten kurz befragt:

Fragen an einen Jugendlichen:Frage: Hättest du lieber einen Jungen oder Alten gespielt?Antwort: Jung spiel ich lieber.Frage: Wie, denkst du, wirst du, wenn du alt bist?Antwort: Ich denke, ich wäre ein hipper Opa.Frage: Würdest du wieder schauspielern?Antwort: Ja, würde ich machen.

Fragen an einen schon „Ältergewordenen“:Frage: War es schwer, dich in die Rolle eines Jungen zu versetzen?Antwort: Es war sehr einfach, wahrscheinlich wegen meines jungen Herzens.Frage: Hättest du lieber einen Jungen oder Alten gespielt?Antwort: Egal, ich kann beides.

Frage: Wie warst du, als du jung warst?Antwort: Ich habe Vollgas gegeben, z. B. war ich sehr sportlich und einer der ersten Skater von Linz.Frage: Würdest du gerne wieder schauspielern?Antwort: Auf jeden Fall.

Nun gut, einen Film zu drehen ist die eine Sache, aberwie kommt man zu der Idee und zum Drehbuch?Ganz einfach, man denkt so lange nach, bis einemetwas einfällt. Das geht natürlich in der Gruppe ein-facher als alleine. Und so haben wir das auchgemacht. Die Videowerkstatt hat gesammelt, geord-net, gesichtet, geschnüffelt, wieder verworfen, ausge-wählt und präsentiert. Die Gruppe wusste immermehr als jede einzelne Person und am Ende standauch die ganze Gruppe voll hinter dem Projekt.Jeder hatte seine Ideen eingebracht und jeder hattedann eben auch gewisse Aufgaben zu erledigen undAnforderungen zu erfüllen.

Das Jo-Jo als Symbol, aber auch als reales Spielzeughat uns gut gefallen. Wenn uns mal nichts eingefal-len ist oder wir beim Zusammenschneiden einen„Hänger“ hatten, dann griffen wir zu den Jo-Jos undversuchten, aus dem simplen Spiel neue Inspirationzu schöpfen.> es geht auf und ab – man braucht dazu Führungs-kraft und Fingerspitzengefühl – man muss es inBewegung halten – wenn es sich verheddert, brauchtman Geduld, um die Dinge wieder zu ordnen – man darf nie den Kontakt und die Konzentration ver-lieren – … das gilt für ein Jo-Jo, aber auch für das Leben.

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GESCHICHTE VOM„WASSERTRÄGER“

Geschichte zum Alter: Paulo Coelho

Eine indische Legende erzählt von einem Mann, derjeden Tag einen Liter Wasser in zwei großen Krügenin sein Dorf schaffte. Die Krüge hatte er an denEnden einer Stange befestigt, welche er über derSchulter trug.

Einer der Krüge war älter als der andere und hatteviele kleine Risse. Daher ging auf jedem Weg nachHause die Hälfte des Wassers daraus verloren. Derältere Krug schämte sich, weil er seine Aufgabe nurzur Hälfte erfüllte. Auch wenn er wusste, dass dieRisse auf viele Jahre harter Arbeit zurückzuführenwaren.

Eines Tages, als der Mann gerade Wasser aus demBrunnen schöpfen wollte, schämte sich der Krug sosehr, dass er zu dem Mann sagte: „Ich wollte dich bitten, mir zu vergeben, denn da ich schon so langegebraucht werde, kann ich nur die Hälfte meinerLadung ans ziel bringen und nur die Hälfte des Durstes stillen, der dich zu Hause erwartet.“ Der Mann lächelte und antwortete: „Beachte aufunserem Heimweg den Boden, über den wir gehen.“

Der Krug tat dies und sah, dass auf seiner Seite vieleBlumen und Pflanzen wuchsen. „Kannst Du sehen,wie viel schöner die Natur auf deiner Seite ist?“ mein-te da der Mann. „Ich wusste längst, dass du dieseRisse hast, daher beschloss ich, sie zu nutzen. Ich habePflanzen, Gemüse und Blumen gesät, und du hast siejeden Tag begossen. Ich konnte viele Rosen pflückenund mein Haus damit schmücken. Ich habe meineKinder mit Salat, Kohl und Zwiebeln ernähren können.Wärest du nicht, wie du bist, wie hätte ich es danntun können? Und alles ist bestimmt, alt zu werdenund dann andere Eigenschaften zu erwerben. Es istimmer möglich, jede dieser neuen Eigenschaften zuunserem Vorteil zu nutzen.“

(aus: Paulo Coelho, Wege zum Glück)Wir danken Paulo Coelho für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.

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WAS WIR DARAUSLERNEN KÖNNEN

• Reifere MitarbeiterInnen sind in der Regel verläss-liche, beständige und erfahrene Arbeitnehmer.

• Ihr Know-how ist nicht leicht zu ersetzen.

• Sie kennen die Branche und die Kunden aus langjährigen Geschäftsbeziehungen.

• Durch ihre langjährige Erfahrung besitzen ältereMitarbeiterInnen oft ein fundiertes jobspezifischesWissen, verfügen über eine gute Urteilsfähigkeit,können das Risiko besser abschätzen und habeneinen ausgeprägteren Sinn für das Machbare.

• Sie kennen viele Wechselfälle des Berufslebens.

• Sie sind abgeklärt, können nicht mehr so leicht ausder Ruhe gebracht werden und lassen sich vonSchwierigkeiten nicht so leicht beirren.

• Sie kennen Zusammenhänge und können dieseauch leicht erkennen.

• Mit dem Alter nehmen die geistigen und sozialenFähigkeiten der MitarbeiterInnen zu.

• Ältere können Stress bei den jungen Mitarbeiter-Innen senken und diesen Tipps zur Vermeidung von Stress geben.

• Weitere Eigenschaften älterer MitarbeiterInnensind Diplomatie, Ausgeglichenheit, Disziplin,Seriosität und Überzeugungskraft.

• Mit zunehmendem Alter kommt es oft zu einemWechsel weg vom „Ich-Denken“ hin zum „Wir-Denken“.

Mit freundlicher Genehmigung zum Abdruck vonNeue Arbeitswelt 50 plus.www.neuearbeitswelt50plus.com

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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Edith Konrad, Birgit Schallmeiner, Tanja Bogner

Ist es möglich, im Spannungsfeld vonProfitorientierung und Individualisierungeine gute Führungskraft zu sein? Der Versuch, eine erste Zwischenantwortauf diese Frage in einem noch sehr jungenDiskurs zu geben, und zwar auf Basis derPodiumsdiskussion und des Erfahrungs-austausches in den Infoforen unserer Netzwerktagung Herbst 2008, könnte lauten: „Grundsätzlich ja, wenn …“

„Ja“ deshalb, weil es prinzipiell jedem und jeder frei-gestellt ist, nach welchen Idealen er bzw. sie lebenund an welchen Sach- und Karrieremaximen deroder die Einzelne sich orientieren will. Das gilt auchfür Führungskräfte, Chefinnen und Chefs, die inihrem Unternehmen LetztentscheiderIn und damitletztverantwortlich für Maßnahmen und ihre Aus-wirkungen nach innen wie außen sind. Für Manage-rInnen größerer Betriebe und internationaler Kon-zerne, die an durch einen Aufsichtsrat oder eineInvestorengruppe gesteckten Unternehmenszielengemessen werden, verschärft sich dieses Span-nungsfeld. Aus dem Anspruch, eigene Werte auch imUmgang mit MitarbeiterInnen zu leben, und denZielvorgaben permanenter Gewinnoptimierung entwickelt sich ein scheinbar unüberwindbarerWiderspruch. Allein auf individueller Ebene wird dernicht lösbar sein. Vielmehr gilt es hier, Werte des vor-herrschenden Wirtschaftssystems und der damitverbundenen Spielräume, die positiv und negativ(aus-)genutzt werden, zu hinterfragen und so zu verändern, dass dieser Widerspruch – wenn schonnicht aufgehoben – doch zumindest spürbar redu-ziert werden kann.

Wie können Führungskräfte angesichts dieses Span-nungsfelds Generationenmanagement dauerhaft indie Unternehmenskultur implementieren? Diese Fragestellung wurde von den NetzwerkpartnerInnenmit hochrangigen ExpertInnen im Informations-forum diskutiert und gemeinsam wurden die Gren-zen des Individuums „Führungskraft“ ausgelotet.Erfahrungen, nicht zuletzt unserer im Netzwerk

engagierten Betriebe, der vergangenen Jahre habengezeigt, dass für erfolgreiche Standortpolitik Fakto-ren wie generationengerechte betriebliche Rahmen-bedingungen und gutes Arbeitsklima, Eigenverant-wortung der Beschäftigten, gute Unternehmens-und Informationspolitik sowie Einbeziehung undPartizipation genauso wichtig sind wie die Ver-ankerung von Wertschätzung in der Unternehmens-kultur und als Führungsinstrument. Entscheidend ist aber auch, entsprechende Rahmenbedingungenzu schaffen, die neue Spielräume eröffnen und derVereinbarkeit ethischer Grundsätze und Werte mit betriebswirtschaftlichen Zielen nicht von vorneherein aus systemimmanenten Gründen entgegenstehen.

So geht es – und das ist die vorläufige Schluss-folgerung des Diskussionsforums 2008 – um einenParadigmenwechsel hin zu mehr Wertschätzungund damit grundsätzlich um mehr Glaubwürdigkeit.Um Wertschätzung nicht nur gegenüber Älteren,sondern gegenüber Beschäftigten aller Generatio-nen, samt der Förderung ihrer unterschiedlichenStärken. Darum, normative Rahmenbedingungen für eine ökologische und soziale Marktwirtschaftzu ermöglichen. Und vor allem um ein unternehme-risches Handeln, das durch ethische Wertvor-stellungen geprägt wird. Gesellschaft und Staatsind gefordert, Normen und Rahmenbedingungenzu schaffen, die Unternehmen hier Orientierung bieten und deren Nichteinhaltung Konsequenzennach sich zieht.

Vielfältige Impulse und praktische Anregungendurch neue Sichtweisen und neue Perspektiven fürdie gemeinsame Weiterarbeit im Netzwerk „Älterwerden. Zukunft haben!“ stehen am Ende der zwei-tägigen hochkarätigen und spannenden Diskussionrund um ein Thema, das uns alle betrifft: Werte undEthik in der Arbeitswelt. Und das Bild des schmack-haften Kuchens – von dem es ein Stückerl gab, sichauch noch ein zweites ausging, aber ein drittes dannnicht mehr, weil das zeitliche Ende der Tagungerreicht war, der Appetit und die Lust auf „mehr“geblieben sind –, dieses Bild, das eine Teilnehmerinam Ende der Veranstaltung skizzierte, fasst sehr

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schön die vielen positiven Rückmeldungen, die unserreicht haben, zusammen: dass es ruhig noch einbisserl mehr hätte sein dürfen, weil dieses Tagungs-thema so interessant, vielschichtig und gesell-schaftspolitisch brisant ist.

Und brisant bleiben wird – auch in Zeiten wirt-schaftlicher Turbulenzen, die uns 2009 von globalen Umwälzungen bis hin zu für jeden undjede Einzelne/n individuell spürbaren Auswirkungenbegleiten werden. Auch wenn in wirtschaftlichschwierigen Zeiten für Politik, Wirtschaft und vor allem die Betriebe andere Probleme auf den vordersten Rängen der Tagesordnung stehen:Die demografische Entwicklung ist unumkehrbar.Sie wird den Lebensraum und Arbeitsmarktverändern und wird uns damit in ganz Europa auch weiterhin beschäftigen.

Wir möchten uns bei all jenen bedanken, die zumGelingen der Herbsttagung 2008 des Netzwerks"Älter werden. Zukunft haben!" beigetragen haben.In den kommenden Jahren geht es weiter – mitneuen Schwerpunktthemen zum demografischenWandel, im Dialog mit den NetzwerkpartnerInnen,VertreterInnen aus Politik und internationalenExpertInnen. Wir freuen uns auf Sie bei den nächsten Diskussionsforen!

EU-PROJEKTBÜRO DER ARBEITERKAMMEROBERÖSTERREICH

Edith Konrad (Leitung)Birgit Schallmeiner und Tanja Bogner (Projektassistenz)www.wage.atwww.arbeiterkammer.com

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PERSÖNLICHE ANMERKUNGEN

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Dieses Projekt wird im Rahmen des Programmes „Regionale Wettbewerbsfähigkeit OÖ 2007-2013“ aus Mitteln des EFRE (Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung) sowie aus Landesmitteln gefördert.

Die Auswirkungen des demografischen Wandels werden alle Bereiche unseres Lebens verändern –auch die Arbeitswelt. Wenn es um künftige Arbeits-markt- und Wirtschaftsgestaltung geht, rücktdas Potenzial älterer Beschäftigter zunehmend inden Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund der demo-grafischen Herausforderungen in einer globalisiertenWirtschaft und zunehmend wissensorientiertenGesellschaft wird es nicht nur für die betrieblichenEntscheidungsträgerInnen, sondern vor allem auchfür Führungskräfte immer schwieriger, sich in diesemSpannungsfeld zwischen profitorientierter Wirtschaftund individualisierter Arbeitswelt zu bewegen, ethi-sche Grundsätze im Auge zu behalten, diese in derUnternehmenskultur zu verankern und letztendlichauch zu leben.

Mit einer Debatte über die Rolle von Führungskräftenim Spannungsfeld von Ökonomie und Ethik will das

Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“ neueAkzente in einer bisher noch zu wenig geführtenDiskussion setzen.Das Netzwerk „Älter werden. Zukunft haben!“ hat das Ziel, Rahmenbedingungen für ein „Gut-älter-werden“ in den Betrieben Oberöster-reichs zu schaffen und ist Gastgeber des jährlichen Forums für Generationenmanagement.

Die Dokumentation „Führungskultur und Ethik imZeitalter des demografischen Wandels“ ist nicht nureine Zusammenfassung der Beiträge und Diskussio-nen, die am 15. und 16. Oktober 2008 in Linz mitpolitisch Verantwortlichen, ExpertInnen aus Wirt-schaft, Wissenschaft und Anwendung anlässlich des Forums für Generationenmanagement geführtwerden konnten. Zusätzlich werden die Beiträgeergänzt durch Berichte und Artikel, die einzelneAspekte des Themas ausführlicher beleuchten.

NETZWERK „ÄLTER WERDEN. ZUKUNFT HABEN!“ www.wage.at

ISBN 978-3-85499-572-2