FOKUS Wie Moral zu Künstliche Befruchtung ... · PDF fileEthik, Moral und Recht...

download FOKUS Wie Moral zu Künstliche Befruchtung ... · PDF fileEthik, Moral und Recht angesichts ... koll ratifi ziert sein wird. Erst dann sei es tatsächlich auch verbindlich. So gesehen

If you can't read please download the document

Transcript of FOKUS Wie Moral zu Künstliche Befruchtung ... · PDF fileEthik, Moral und Recht...

  • FOKUS

    34 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 2 / 2 0 0 7 2 / 2 0 0 7 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 35

    GESELLSCHAFT IM KONFLIKT

    Was haben Pinguine mit dem internationalen Vlkerrecht zu tun? Mehr, als man denkt. Denn wenn Silja Vneky vom Heidelberger Max-Planck-Institut fr ausln-disches ffentliches Recht und Vl-kerrecht ber den Nutzen von Dekla-rationen spricht, nennt sie immer gern die Antarktis: als Beispiel fr den uerst langwierigen Prozess in-ternationaler Vertragsabschlsse. Erst in jngster Zeit wurde fr den Le-

    lassen sich Staaten eher darauf ein und man bekommt sie schneller durch, sagt die Vlkerrechtlerin, die seit 2006 mit ihrer Unabhngigen Nachwuchsforschungsgruppe die de-mokratische Legitimation ethischer Entscheidungen im Bereich der Bio-technologie und modernen Medizin erforscht. Ihre Arbeit widmet sich dem schwierigen Verhltnis, in dem Ethik, Moral und Recht angesichts des Fortschritts in der Biotechnologie und -medizin auf nationaler und in-ternationaler Ebene stehen.

    Denn ethische Entscheidungen im Bereich der Biotechnologie sind mindestens genauso kompliziert wie im Umweltschutz. Die besondere Schwierigkeit liegt dabei darin, dass ber sie in pluralistischen Gesell-schaften selten Einigkeit besteht, beschreibt Vneky die Crux zwischen Moral und Gesetz. Schlielich gibt es fr dieses Forschungsfeld keine etab-lierten, von allen akzeptierten mora-lischen Standards, die fr eine Rechtssetzung als Grundlage dienen knnten. Es handelt sich eben um Neuland in wissenschaftlicher und in ethischer Hinsicht. Das heit, ber die Frage, ob man machen darf, was pltzlich medizinisch oder technisch mglich ist, muss sich in der gesell-schaftlichen und rechtlichen Ord-nung erst eine konsensfhige Vor-stellung entwickeln.

    Und das kann dauern. Dadurch stt auch die Bioethik selbst immer wieder an ihre Grenzen. Durch das rasante Tempo in der Forschung wird manche Formulierung, auf die man sich nach zhem Ringen geeinigt hat, schneller Makulatur, als sie ge-

    druckt ist. Als Beispiel fr dieses Problem nennt die MPI-Vlkerrecht-lerin das im deutschen Embryonen-schutzgesetz von 1990 enthaltende Verbot des Klonens. Wegen seines Wortlautes werde in einem Teil der Literatur die Auffassung vertreten, dass Klonierungen nach der Dolly-Methode nicht erfasst sind.

    Hinzu kommt, dass es bei diesen Fragen hufi g ans Eingemachte geht, nmlich um die grundstzliche Ein-stellung einer Gesellschaft gegenber dem Leben beziehungsweise um sei-nen Anfang oder sein Ende. Schnell stt man beim Versuch, zu diesen Themen moralische Standards in verbindliche Rechtsformen zu gie-en, an weitere Grenzen. Auf natio-naler Ebene und erst recht auf in-ternationaler. Denn was innerhalb eines Landes als ethische Maxime rechtlich festgelegt ist, gilt mgli-cherweise auf der anderen Seite der Landesgrenze schon nicht mehr. Was hben erlaubt ist, mag drben ver-boten sein und umgekehrt.

    KEINE GESETZE IN ETHISCHEN BELANGEN

    Dies wiederum wirft die Frage auf, wie unterschiedliche Demokratien in dieser Situation mit den Meinungsver-schiedenheiten zu ethischen Themen umgehen, so Vneky. Wir beschfti-gen uns mit prozeduralen Fragen und damit, wie gerechtes, legitimes Recht im Bereich Bioethik auf nationaler, eu-ropischer, vlkerrechtlicher Ebene zu Stande kommen kann.

    So entsteht in ihrer Nachwuchsfor-schungsgruppe gerade eine Disserta-tion, in der Miriam Clados das Thema

    Wie Moral zu ihrem Recht kommt

    Knstliche Befruchtung, Stammzellforschung oder populationsgenetische Forschungen

    sind nur einige Beispiele fr Forschungsgebiete, die ethische Grundsatzfragen aufwerfen:

    Darf man das? Eine Nachwuchsgruppe um SILJA VNEKY erforscht am MAX-

    PLANCK-INSTITUT FR FFENTLICHES RECHT UND VLKERRECHT in Heidelberg, wie

    sich Ethik und Moral in der Biomedizin in juristische Regelungen bersetzen lassen.

    ILLU

    STR

    ATIO

    N: G

    RO

    SSEV

    ISIO

    N

    Nicht nur technisch kniffl ig: Die knstliche Befruch-tung wirft auch schwierige ethische Fragen auf.

    bensraum der Pinguine ein Haftungs-annex zum Umweltschutzprotokoll verhandelt, wobei es allein 13 Jahre gedauert hat, bis der bloe Text ver-einbart war. Mit hoher Wahrschein-lichkeit werde es noch weitere acht Jahre dauern, bis das Haftungsproto-koll ratifi ziert sein wird. Erst dann sei es tatschlich auch verbindlich.

    So gesehen haben Deklarationen, wie sie die UNESCO bei der Internati-onalisierung von bioethischen Stan-dards im Sinn hat, einige Vorteile. Weil sie weitaus weniger rechtsbin-denden Charakter als Vertrge haben, FOT

    O: S

    PL-A

    GEN

    TUR F

    OCU

    S /

    MA

    UR

    ITIU

    S IM

    AG

    ES

  • FOKUS

    36 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 2 / 2 0 0 7 2 / 2 0 0 7 M A X P L A N C K F O R S C H U N G 37

    GESELLSCHAFT IM KONFLIKT

    Bioethik im Vlkerrecht untersucht, wobei sie insbesondere der Frage nachgeht, ob die Menschenrechte ein geeignetes Instrument der Dissensbe-wltigung darstellen. Um Strategien der Dissensbewltigung auf interna-tionaler Ebene geht es auch Cornelia Hagedorn in ihrer Arbeit. Sie zieht darin einen Vergleich von Verfahren der Rechtsetzung im Bereich der Bio-medizin zwischen Japan, den Nieder-landen und Grobritannien.

    Dabei fokussiert sie nicht allein auf die Gesetzgebung, sondern bezieht auch die Prozesse mit ein, die bei der Bewltigung der Meinungsverschie-denheiten im Vorfeld ablaufen. Da gerade in ethisch sensiblen Bereichen die Meinungsspaltung quer durch die Parteien geht, knnen diese hierin mit einer Gesetzgebung keine poli-tische Profi lierung erreichen, so Hagedorn. Dies fhrt neben der tat-schlichen und moralischen Schwie-rigkeit der Entscheidungsfi ndung da-zu, dass die Parlamente oft eine Gesetzgebung in ethischen Belangen zu vermeiden suchen, stellt sie fest und nennt als ein Beispiel das feh-lende Sterbehilfegesetz in Deutsch-land. Denn in dieser Hinsicht gelte das normale Strafrecht. Wenn also ein Schwerkranker seinen Arzt um Ster-behilfe bittet, wird dieses Tten auf Verlangen nach dem gleichen Recht

    den; an ihnen knnen Klonierungen durch Embryonensplitting oder in der Dolly-Methode durch Zellkern-transfer vorgenommen werden.

    Am Beispiel des Embryonen-schutzes untersuchte die Heidelber-ger Nachwuchsgruppenleiterin mit einem frheren Team, welche mora-lischen Mastbe auf europischer Ebene bestehen. Auch in diesem Ethikdiskurs blhe der Pluralismus nicht nur auf nationaler Ebene. Die Mitgliedsstaaten der Europischen Union haben in den letzten zwanzig Jahren eine Reihe von Regelun-gen zum Umgang mit In-vitro-Em-bryonen erlassen, die sich in ihrem normativen Gehalt wesentlich unter-scheiden. Whrend in Grobritan-nien liberale, forschungsfreundliche Regelungen existierten, habe sich der deutsche Gesetzgeber fr eine res-triktive, an einem starken Embryo-nenschutz orientierte Gesetzgebung entschieden.

    Derartig unterschiedliche Ansichten rhren hufi g von unvereinbaren ethischen Prmissen her und verwei-sen auf das Schwinden eines Werte-konsenses in der modernen Gesell-schaft, fand dazu die Heidelber-ger Nachwuchsforscherin Jelena von Achenbach heraus. Sie feilt unter der Obhut von Silja Vneky an ihrer Dis-sertation und geht dabei der Frage nach, wie es auf der Ebene der Euro-pischen Union mit der demokra-tischen Legitimation biomedizinischer und humanbiotechnologischer Recht-setzung aussieht.

    Eigentlich kmen fr den Schutz dieser Embryonen die europischen Grundrechte in Betracht, meint Vneky. Gemeinsam mit ihrem wis-senschaftlichen Mitarbeiter Niels Pe-tersen hatte sie in einem frheren Projekt untersucht, welchen Schutz das Recht der Europischen Union In-vitro-Embryonen bieten kann. Speziell die Garantie der Menschen-wrde und das Recht auf Leben eig-nen sich nach Auffassung der beiden Wissenschaftler durchaus als Rege-lungen, aus denen sich normative Vorgaben fr den Schutz des Emb-ryos in vitro herleiten lassen.

    Doch hat die Sache einen groen Haken: Zwar sei die Menschenwr-degarantie als verbindlicher Rechts-satz in der EU anerkannt, doch er-strecke sich dieser Schutz nicht auch auf den Embryo in vitro, so das Er-gebnis ihrer Untersuchungen des eu-ropischen Rechts in dieser Sache. Ihr Fazit: Embryonenschutz ist auf europischer Ebene eher eine zarte Pfl anze als eine feste Sule.

    DAS VLKERRECHT BRAUCHT KONSENS

    Die Vielfltigkeit der Meinungen und berzeugungen zu Fragen der Bioethik stellt die Gesetzgeber vor groe Her-ausforderungen. Wie kommt man zu einer demokratischen Lsung? Auch dieser Frage geht die Heidelberger For-schungsgruppe aus verschiedenen Per-spektiven auf den Grund. Zwar laufen die Arbeiten noch, aber schon jetzt ist klar: Es gibt keine Pauschallsung. Auf nationaler Ebene knnen Kontrover-sen in parlamentarischen Systemen im Gesetzgebungsverfahren durch das Mehrheitsprinzip berwunden werden. Doch es scheint, dass dies nicht aus-reicht, um bioethische Entscheidungen zu legitimieren.

    Im Vlkerrecht sieht die Sache zudem nochmals anders aus, sagt Vneky. Damit ein Staat durch eine Konvention gebunden wird, ist seine Zustimmung erforderlich. Das heit, das Mehrheitsprinzip gilt hier nicht, vielmehr muss ein Konsens gefunden werden. Doch das sei alles andere als einfach, wie am Beispiel der europ-ischen Biomedizinkonvention deut-lich geworden sei. Obwohl diese vor einem relativ homogenen kulturellen Hintergrund verhandelt wurde, ist es nicht gelungen, detaillierte inhalt-liche Regelungen zu prdikativen genetischen Tests und insbesondere zur verbrauchenden Embryonenfor-schung zu erlassen.

    Wenn inhaltliche Standards jedoch nicht formuliert werden knnten, so Vnekys berzeugung, bestehe die Notwendigkeit einer Prozeduralisie-rung der Standards. Der Blick wird vom Inhalt der Entscheidung auf die Mechanismen der Entscheidungsfi n-

    dung gelenkt. Die Qualitt soll nicht substanziell, sondern durch da