FP D Bert Flossbach+Kurt von Storch ... - Flossbach von...

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cover I bert flossbach und kurt von storch | flossbach von storch 244 www.fondsprofessionell.de | 4/2015 Foto: © Christoph Hemmerich V on 100 Millionen auf 22 Milliar- den Euro binnen 16 Jahren: Bert Flossbach und Kurt von Storch, beide Jahrgang 1961, haben die größte Erfolgsgeschichte geschrieben, die das deutsche Asset Management seit Langem erlebt hat. Im Interview blicken die beiden Gründer zurück auf turbulente Anfangs- jahre – und verraten, was sie mit ihrem Unternehmen noch vorhaben. Herr Flossbach, Herr von Storch, es war gar nicht so einfach, einen Ter- min mit Ihnen zur gleichen Zeit im gleichen Raum zu bekommen. Bert Flossbach: Früher war das anders. Anfangs wollten die Kunden natürlich sehen, wem sie ihr Geld da eigentlich anver- trauen. Heute ist das kaum noch möglich, aber glücklicherweise auch nicht mehr nötig, da wir hoch qualifizierte Mitarbeiter haben. Kurt von Storch: So wie jetzt saßen wir auch bei Goldman nebeneinander. Ellenbogen an Ellenbogen, wie in der Legebatterie. Heute liest und hört man viel über den Erfolg der Firma. Wie es dazu kam, wissen die wenigsten. Also, was ist die Geschichte hinter der Entstehung von Flossbach von Storch? Von Storch: Das hat viel mit Köln zu tun. Wir haben uns Mitte der 1980er-Jahre als Studen- ten der Betriebswirtschaft kennengelernt. Es gab damals vom Lehrstuhl für Bankbetriebs- lehre einen Wertpapierfonds, den die WestLB mit echtem Geld ausgestattet hatte, ich glaube, es waren 100.000 D-Mark. Die Studenten durften dieses Portfolio unter Aufsicht eines Assistenten bewirtschaften, jeden Montag um 19 Uhr in Raum 110. Die Leidenschaft für die Börse hat uns zusammengebracht. 1992 trafen wir uns dann bei Goldman Sachs wieder, wo wir das Privatkundengeschäft der Bank in Deutschland aufgebaut haben. Im Privatkun- densegment war der Name damals noch völ- lig unbekannt. Eine Reaktion war: „Ach, Sie arbeiten jetzt für Gunter Sachs, das ist ja toll!“ Flossbach: Wir hatten große Freiheiten. Wir haben die Kunden akquiriert, betreut und die Portfolios selbst gesteuert – ein heute undenk- bares Konzept innerhalb einer Großbank. Von Storch: Irgendwann wuchs der Wunsch, in die Selbstständigkeit zu gehen. Den Plan ließen wir über ein Jahr reifen, außerdem brauchten wir eine Zulassung als Finanzport- folioverwalter, was damals ganz neu einge- führt wurde und einige Zeit in Anspruch nahm. Das war schon ein Lausbubenstreich, denn der Zeitpunkt war gar nicht so clever gewählt: Goldman Sachs war damals eine Partnerschaft, 1999 stand der Börsengang bevor, da wären wir gut bedacht worden. Die Goldmänner haben dank des Börsengangs viel Geld verdient. Warum haben Sie darauf verzichtet? Flossbach: Daran sehen Sie, dass wir das Un- ternehmen nicht aus rein pekuniären Motiven gegründet haben, sondern weil wir unabhän- gig sein wollten. Wir haben unser Erspartes in die Firma gesteckt und anfangs auch ohne Gehalt gearbeitet. Was der Goldman-Börsen- gang bedeutete, wurde uns erst später so rich- tig bewusst: In einer Partnerschaft, in der die Partner mit ihrem eigenen Geld haften, haben Sie eine Risikokultur, die sich dramatisch von der in großen börsennotierten Gesellschaften unterscheidet. Die Folgen haben wir er- lebt. Rückblickend war der Schritt in die Selbstständigkeit genau der richtige. Haben Sie damals zu zweit angefangen, oder waren Kollegen an Bord? Flossbach: Wir waren zu fünft. Einer davon ist Bernd Model, der heute Floss- bach von Storch in Zürich leitet. Konnten Sie Kunden mitnehmen? Von Storch: Es gab einige Kunden, die die Unternehmensgründung wohlwollend begleitet haben, auch weil sie selbst Mit- telständler sind. Zum Start hatten wir Mandate im Gegenwert von etwa 100 Millionen Euro. Allerdings muss man wissen, dass das größtenteils Kunden waren, die wir zu Goldman gebracht hatten. Die ersten Jahre müssen schwierig gewe- sen sein. Erst pumpte sich die Tech-Blase auf, dann platzte sie. Von Storch: Es war furchtbar. Wir hatten nicht die angesagten Technologiefonds zu bieten, die damals das große Geld anzogen. Und wir konnten nicht auf einen jahrelangen Track Record verweisen nach dem Motto: Wir wis- sen, dass wir in diesem Jahr nur fünf Prozent im Plus liegen, nicht 50, aber schau dir die vergangenen zehn Jahre an, da haben wir be- wiesen, dass wir es können. Wir standen vor der Wahl, ob wir recht haben wollten und kei- ne Kunden mehr oder ob wir uns irgendwie durchboxen und einen vertretbaren Mittelweg finden. Letztlich ist aus dieser Phase die Stär- ke der Firma erwachsen. Stellen Sie sich vor, wir hätten 1999 gesagt, wir brauchen mehr von diesem Tech-Zeug? Dann hätten wir unsere Kunden kurzfristig mit enormer Per- formance beglückt – und wären 2001 oder 2002 implodiert. Das ist aber nicht passiert. Flossbach: In diesen verrückten Jahren habe ich meine grauen Haare bekommen. Das Schlimmste in unserem Geschäft ist, wenn man seine Kunden enttäuscht – gerade dieje- nigen, die anfangs den Weg mit einem gegan- Bert Flossbach und Kurt von Storch über die Gründung ihres Unternehmens, das rasante Wachstum der vergan- genen Jahre und die Frage, was sie tun, damit Flossbach von Storch eines Tages auch ohne sie existieren kann. „Das Schlimmste ist, den Kun » Die Unternehmens- gründung war schon ein Lausbubenstreich. 1999 stand der Börsen- gang von Goldman bevor, da wären wir gut bedacht worden. « Kurt von Storch, Flossbach von Storch

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Von 100 Millionen auf 22 Milliar-den Euro binnen 16 Jahren: BertFlossbach und Kurt von Storch,

beide Jahrgang 1961, haben die größte Erfolgsgeschichte geschrieben, die dasdeutsche Asset Management seit Langemerlebt hat. Im Interview blicken die beidenGründer zurück auf turbulente Anfangs-jahre – und verraten, was sie mit ihremUnternehmen noch vorhaben.

Herr Flossbach, Herr von Storch, eswar gar nicht so einfach, einen Ter-min mit Ihnen zur gleichen Zeit imgleichen Raum zu bekommen.

Bert Flossbach: Früher war das anders.Anfangs wollten die Kunden natürlich sehen, wem sie ihr Geld da eigentlich anver-trauen. Heute ist das kaum noch möglich, aberglücklicherweise auch nicht mehr nötig, dawir hoch qualifizierte Mitarbeiter haben.

Kurt von Storch: So wie jetzt saßen wir auchbei Goldman nebeneinander. Ellenbogen anEllenbogen, wie in der Legebatterie.

Heute liest und hört man viel über denErfolg der Firma. Wie es dazu kam, wissen die wenigsten. Also, was ist dieGeschichte hinter der Entstehung vonFlossbach von Storch?

Von Storch: Das hat viel mit Köln zu tun. Wirhaben uns Mitte der 1980er-Jahre als Studen-ten der Betriebswirtschaft kennengelernt. Esgab damals vom Lehrstuhl für Bankbetriebs-lehre einen Wertpapierfonds, den die WestLBmit echtem Geld ausgestattet hatte, ich glaube,es waren 100.000 D-Mark. Die Studentendurften dieses Portfolio unter Aufsicht einesAssistenten bewirtschaften, jeden Montag um19 Uhr in Raum 110. Die Leidenschaft für dieBörse hat uns zusammengebracht. 1992 trafenwir uns dann bei Goldman Sachs wieder, wowir das Privatkundengeschäft der Bank inDeutschland aufgebaut haben. Im Privatkun-densegment war der Name damals noch völ-lig unbekannt. Eine Reaktion war: „Ach, Siearbeiten jetzt für Gunter Sachs, das ist ja toll!“

Flossbach: Wir hatten große Freiheiten. Wirhaben die Kunden akquiriert, betreut und diePortfolios selbst gesteuert – ein heute undenk-bares Konzept innerhalb einer Großbank.

Von Storch: Irgendwann wuchs der Wunsch,in die Selbstständigkeit zu gehen. Den Planließen wir über ein Jahr reifen, außerdembrauchten wir eine Zulassung als Finanzport-folioverwalter, was damals ganz neu einge-führt wurde und einige Zeit in Anspruchnahm. Das war schon ein Lausbubenstreich,denn der Zeitpunkt war gar nicht so clever gewählt: Goldman Sachs war damals einePartnerschaft, 1999 stand der Börsengang bevor, da wären wir gut bedacht worden.

Die Goldmänner haben dank des Börsengangs viel Geld verdient. Warum haben Sie darauf verzichtet?

Flossbach: Daran sehen Sie, dass wir das Un-ternehmen nicht aus rein pekuniären Motivengegründet haben, sondern weil wir unabhän-gig sein wollten. Wir haben unser Erspartesin die Firma gesteckt und anfangs auch ohneGehalt gearbeitet. Was der Goldman-Börsen-gang bedeutete, wurde uns erst später so rich-tig bewusst: In einer Partnerschaft, in der diePartner mit ihrem eigenen Geld haften, habenSie eine Risikokultur, die sich dramatisch vonder in großen börsennotierten Gesellschaften

unterscheidet. Die Folgen haben wir er-lebt. Rückblickend war der Schritt in dieSelbstständigkeit genau der richtige.

Haben Sie damals zu zweit angefangen,oder waren Kollegen an Bord?Flossbach: Wir waren zu fünft. Einer davon ist Bernd Model, der heute Floss-bach von Storch in Zürich leitet.

Konnten Sie Kunden mitnehmen?Von Storch: Es gab einige Kunden, die dieUnternehmensgründung wohlwollend begleitet haben, auch weil sie selbst Mit-telständler sind. Zum Start hatten wirMandate im Gegenwert von etwa 100Millionen Euro. Allerdings muss man

wissen, dass das größtenteils Kunden waren,die wir zu Goldman gebracht hatten.

Die ersten Jahre müssen schwierig gewe-sen sein. Erst pumpte sich die Tech-Blaseauf, dann platzte sie.

Von Storch: Es war furchtbar. Wir hatten nichtdie angesagten Technologiefonds zu bieten,die damals das große Geld anzogen. Und wirkonnten nicht auf einen jahrelangen Track Record verweisen nach dem Motto: Wir wis-sen, dass wir in diesem Jahr nur fünf Prozentim Plus liegen, nicht 50, aber schau dir dievergangenen zehn Jahre an, da haben wir be-wiesen, dass wir es können. Wir standen vorder Wahl, ob wir recht haben wollten und kei-ne Kunden mehr oder ob wir uns irgendwiedurchboxen und einen vertretbaren Mittelwegfinden. Letztlich ist aus dieser Phase die Stär-ke der Firma erwachsen. Stellen Sie sich vor,wir hätten 1999 gesagt, wir brauchen mehrvon diesem Tech-Zeug? Dann hätten wir unsere Kunden kurzfristig mit enormer Per-formance beglückt – und wären 2001 oder2002 implodiert. Das ist aber nicht passiert.

Flossbach: In diesen verrückten Jahren habeich meine grauen Haare bekommen. DasSchlimmste in unserem Geschäft ist, wennman seine Kunden enttäuscht – gerade dieje-nigen, die anfangs den Weg mit einem gegan-

Bert Flossbach und Kurt von Storch über die Gründung ihres Unternehmens, das rasante Wachstum der vergan-genen Jahre und die Frage, was sie tun, damit Flossbach von Storch eines Tages auch ohne sie existieren kann.

„Das Schlimmste ist, den Kun

»Die Unternehmens-gründung war schon ein Lausbubenstreich.1999 stand der Börsen-gang von Goldman

bevor, da wären wir gutbedacht worden.«Kurt von Storch, Flossbach von Storch

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gen sind. Das war eine schreckliche Erfah-rung, aber auch ein guter Test, ob wir alsTeam funktionieren. Rückblickend war es gut,zum Start erst einmal Gegenwind zu bekom-men. Ich glaube, wir haben in dieser Zeitwirklich Antikörper gebildet. Außerdem ha-ben wir damals unsere Investmentphilosophieweiterentwickelt, auf die unser Pentagrammmit den fünf Anlageprinzipien zurückgeht: Diversifikation, Qualität, Flexibilität, Solvenzund Wert. Zum Glück hatten wir in den Jah-ren nach dem Crash große Privatkunden, dieuns die Stange gehalten haben. Das war einganz wichtiger Stabilisator, der uns erlaubthat, weiterhin Leute einzustellen. Wir konntennach vorne schauen und waren nicht nur inder Verteidigung.

Dann kam die Finanzkrise.

Flossbach: Im Jahr 2007 ist etwas sehr Be-merkenswertes passiert. Eigentlich sind wirStockpicker und kommen nicht aus dieserklassischen Makrowelt. Doch dann kamenThemen auf wie Subprime oder Monoliner,diese obskuren Kreditversicherer. Wir habendavon gelesen und uns gefragt, was das eigentlich für uns hier in Deutschland und fürunsere Investments bedeutet. Das alles habeich mir im Sommer 2007 von der Seele ge-schrieben. In einem Quartalsbericht haben wirdie Subprime-Thematik erklärt und die aus-fallgefährdeten Tranchen mit einem Totenkopfillustriert, um einen kleinen Schocker einzu-bauen. Ich habe mir eines Tages gesagt: Wenndas alles wahr ist, stehen wir vor einem Kollaps. Das hat uns dazu veranlasst, den imOktober 2007 aufgelegten Multiple Opportu-nities anders auszurichten als eigentlich ge-

plant. Ursprünglich sollte das ein reines Equi-ty-Vehikel werden, mit Aktien, Wandelanlei-hen und vielleicht noch Corporate Bonds.Doch dann haben wir uns für einen Absolute-Return-Ansatz entschieden: Wenn wir einProblem sehen, sollten wir die Möglichkeithaben, das Portfolio davor zu schützen. Wirhatten zum Beispiel Put-Optionen auf die ein-schlägigen Namen im Portfolio, darunter auchLehman Brothers. Gold kauften wir eher ingeringen Mengen, denn der Fonds war jahauptsächlich für unsere Kunden aus der Ver-mögensverwaltung gedacht, und die hatten ihrGold schon im Depot. Das Jahr 2008 beende-ten wir zwar im Minus, das sich mit knapp 14Prozent aber noch im Rahmen hielt. 2009 er-reichte der Fonds mit nur 50 Prozent Aktien-quote ein Plus von über 40 Prozent, vor allemdank der extrem günstigen Wandelanleihen.

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den zu enttäuschen“

»Zum Glück hattenwir in den Jahrennach dem Crash

große Privatkunden,die uns die Stangegehalten haben. Daswar ein ganz wichti-ger Stabilisator, deruns erlaubt hat, weiterhin Leute einzustellen.«

Bert Flossbach, Flossbachvon Storch

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Dr. Bert Flossbach

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Jan. 2016

FP_D_Bert Flossbach+Kurt von Storch_Interview_NXP_5_XXX_g 16.11.2015 15:14 Seite 245

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Diese Phase hat unser Vertrauen in die eige-nen Fähigkeiten gestärkt. Offensichtlich ist esuns gelungen, manche Dinge doch etwas klarer zu sehen als der Wettbewerb.

Von Storch: Seither spielt nicht nur die Bot-tom-up-, sondern auch die Top-down-Analyseeine wichtige Rolle für unser Haus. Wir konn-ten nicht sagen, welche Bank es konkret tref-fen wird, aber es war uns klar, dass es sinnvollist, diesen Sektor weiträumig zu umschiffen.Also haben wir in den Fonds und Kunden -depots alle Wertpapiere von Banken und Ver-sicherern verkauft und alle Festgelder, Geld-marktfonds und offenen Immobilienfonds gekündigt. Das war relativ radikal – heutewürde man sagen: aktiv.

Der wirkliche Durchbruch, auch in derWahrnehmung nach außen, kam 2011.Der Multiple Opportunities legte gut sie-ben Prozent zu, während die meistenWettbewerber deutlich im Minus lagen.

Flossbach: Wir hatten uns bereits 2004 zu-sammengesetzt und eine „Roadmap 2020“entworfen. Da ging es um die großen Trends,etwa die Globalisierung oder die Staatsver-schuldung. Schon damals hatten wir Grie-chenland auf der Agenda – 2004! Das Dilem-ma der hohen Staatsschulden hat sich durchdie Bankenkrise natürlich verschärft, was2011 voll zum Tragen kam. Die gute Perfor-mance in jenem Jahr war im Wesentlichenwieder eine Folge der Erkenntnis, wie porösdie Bankbilanzen sind und wie stark die Kur-se schon gestiegen waren. Dax und Eurostoxx

waren verseucht mit Finanzwerten, und soreichte eine kleine Absicherung des Eurostoxxaus, um ein Aktienportfolio von rund 55 Pro-zent weitgehend zu immunisieren.

Was waren rückblickend die wichtigstenMeilensteine für die Firma? Machen Siedas an Milliarden-Marken fest?

Flossbach: Ein Highlight ist sicherlich derUmzug hier in den Turm, das war im Jahr2010. Aus den alten Büros waren wir raus -gewachsen, wir mussten uns vergrößern. ImJahresbericht 2010 haben wir stolz geschrie-ben, dass wir jetzt 40 Mitarbeiter haben undvier Milliarden Euro verwalten. Da hatten wirschon das Gefühl, zu einem etablierten, gefes -tigten Unternehmen geworden zu sein.

Von Storch: Das fällt zusammen mit demZeitpunkt, zu dem die Änderung unseres Geschäftsmodells offensichtlich wurde. DenMultiple Opportunities und die Strategiefondshatten wir 2007 ja nicht aufgelegt, weil wirgroß ins Fondsgeschäft einsteigen wollten,

sondern um unseren Kunden eine Lösung mitBlick auf die Abgeltungsteuer bieten zu kön-nen. Dass die Publikumsfonds so wachsenwürden, war nicht geplant, das hat sich erge-ben. Im Oktober 2010 hatten die Fonds ihrenDrei-Jahres-Track-Record erreicht, was fürden Vertrieb wichtig war. Dazu kam die un-ternehmerische Entscheidung, ins institutio-nelle Geschäft einzusteigen. So ist das Unter-nehmen im Lauf der Jahre immer weiter ausdem ursprünglichen Kern, dem Privatkunden-geschäft, herausgewachsen.

Von den insgesamt 22 Milliarden Euro,die Sie verwalten, liegen rund neun Milliarden Euro in einer Strategie: demMultiple Opportunities. Früher konntenSie akzentuierte Positionen in Nebenwer-ten nehmen oder sich in Nischen austo-ben, wie 2009 mit den Wandelanleihen.Bei diesem Fondsvolumen geht das heutenicht mehr. Ist das kein Problem für sie?

Flossbach: Nein, ich sehe das größere Volu-men sogar als Vorteil an. Wir bewegen uns ineiner völlig anderen Welt als früher: Die Vor-stände kommen zu uns, wir haben Zugang zuPersonen, die uns vor einigen Jahren nochnicht einmal empfangen hätten. Noch wichti-ger ist ein anderer Aspekt: Ich habe ein unge-duldiges Naturell – da ist es sehr hilfreich,wenn man eine wichtige Entscheidung nichtmehr mit einem Fingerschnippen umsetzenkann. Ich muss eine Position langsam auf-oder abbauen, da kann einem die Psyche kei-nen Strich mehr durch die Rechnung machen.Das wäre nur möglich, wenn ich große Top-down-Wetten eingehen würde, aber genau dastue ich nicht. Solche Wetten können auf Dauer nicht aufgehen. Wir haben zwar einWeltbild, aber das fließt im Wesentlichen inunsere Bottom-up-Einzeltitelauswahl ein.

Von Storch: Genau in dieser Verzahnung vonTop-down- und Bottom-up-Entscheidungenliegt der große Mehrwert von Multi-Asset.Die Märkte bewegen sich heutzutage so ra-sant, dass man schnell verloren ist, wenn mankeine klare Vorstellung davon hat, was in dennächsten Wochen und Monaten passierenkann. Das Weltbild hilft einem außerdem dabei, die Märkte und Sektoren zu finden, indenen sich die Suche nach Einzeltiteln lohnt.

Welcher Performanceanteil im MultipleOpportunities geht denn auf die Einzel-titelauswahl zurück und welcher auf dieAsset Allocation?

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»Die Märkte bewegen sich heutzutage so rasant, dass manschnell verloren ist, wenn man

keine klare Vorstellung davon hat,was in den nächsten Wochen und

Monaten passieren kann.«Kurt von Storch, Flossbach von Storch

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Flossbach: Das lässt sich unmöglich fest-stellen. Es gibt Consultants, die einem dasvorrechnen, aber das ist Blödsinn. Ein Bei-spiel: Früher machte die Nestlé-Aktie malmehr als sieben Prozent des Fonds aus.Jetzt sagt mir der Consultant, ich sei einguter Asset Allocator, aber ein schlechterStockpicker, denn die hohe Aktienquotewar gut, aber die Nestlé-Aktie habe demMarkt hinterhergehinkt. Moment mal, ant-worte ich dann dem Consultant, meineAktienquote war überhaupt nur so hoch,weil ich einen so tollen defensiven Titelwie Nestlé gefunden habe. Außerdem istein Teil der Nestlé-Position gedanklich derAnleihenquote entlehnt, schließlich handeltes sich hierbei um ein solides Wertpapier,das mir eine auskömmliche Dividendezahlt – als Ersatz für den Zins, den es nichtmehr gibt. In einem reinen Aktienportfoliohätte ich Nestlé wahrscheinlich gar nicht sohoch gewichtet. Dann wird dieser Consultantganz schnell ruhig. Diese Orientierung an ir-gendwelchen Vergleichsmaßstäben zeugt voneiner völlig verqueren Denke. Es gibt Fonds-manager, die den Finanzsektor „untergewich-tet“ haben, weil sie wissen, dass in dieserBranche etwas nicht stimmt. Trotzdem habensie immer noch Bankaktien im Fonds. Für ihrprivates Depot würden sie diese Titel natürlichnicht kaufen. Das ist doch absurd!

Ihr Fonds liegt bei Morningstar deutlichvor dem Kategoriedurchschnitt undmeist auch klar vor der Benchmark, dieje zur Hälfte aus globalen Aktien undAnleihen besteht. Auf Sicht von drei Jah-ren hinken Sie diesem Index aber leichthinterher. Ärgert Sie das?

Flossbach: Nein, je nachdem, welchen Zeit-raum Sie wählen, liegt der Fonds auch malhinter einem solchen Vergleichsmaßstab.Doch darum geht es gar nicht. Mein Ziel ist,Geld für meine Anleger zu verdienen, und dasist gelungen: Seit Auflage liegt der Fondsrund 170 Prozent im Plus, der Dax nur rund40 Prozent. Wissen Sie, ich kenne viele Leute,deren gesamtes liquides Vermögen in diesemFonds steckt. Das ist nicht irgendein Schnick-schnack, der gegen den MSCI World läuft –das sind die Ersparnisse unserer Kunden! Dakann es nicht darum gehen, auf Quartals- oderJahresbasis den Index zu schlagen. Aber natürlich ist der Anspruch, auf lange Sicht eine Performance hinzubekommen, die derdes Aktienmarktes entspricht, nur eben mitweniger Risiko – und ich meine echtes Risi-

ko, nicht Volatilität. Wer keine Schwankungenertragen kann, sollte sein Geld auf dem Kontoliegen lassen. In vermeintlich sichere Anleihensollte er jedenfalls nicht mehr investieren, siebieten nur noch zinsloses Risiko.

In Ihrem jüngsten Quartalsberichtschreiben Sie, wer in Aktien investierenmöchte, sollte fünf Jahre Zeit mitbringenoder andernfalls Kasse halten. AndereAnbieter versprechen Ihren Anlegernauf Sicht von zwölf Monaten eine posi -tive Performance.

Flossbach: Das ist schlicht unseriös. Wir leben in einer Welt negativer Renditen, dakönnen Sie niemandem sagen: „Über zwölfMonate machen wir ein Plus!“ Das ist einfachUnfug. Früher war das vielleicht noch mög-lich: Wenn Bundesanleihen vier Prozent ab-werfen, darf ich erwarten, mit einem Abso -lute-Return-Ansatz auch auf Sicht von einemJahr kein Geld zu verlieren. Aber diese Zeitensind vorbei. Unser Ziel muss es sein, dendeutschen Sparer zumindest ein klein wenigzurück zur Aktie zu bringen. Der Bundesbankzufolge beträgt das Geldvermögen der priva-ten Haushalte in Deutschland 5.212 Milliar-den Euro, fast die Hälfte davon liegt unver-zinst auf Sparbüchern und Konten. Wenn die

Bürger in den vergangenen zehn Jahrennur 15 Prozentpunkte mehr in Aktien investiert hätten, wären sie heute um eineBillion Euro reicher. Das ist auch derGrund, warum es hier in Deutschlandnoch ein riesiges Potenzial für unser Unternehmen gibt – trotz des schnellenWachstums der vergangenen Jahre. Dafürwürde es schon reichen, wenn wir nur einProzent des Geldvermögens verwaltenwürden.

Das wären 52 Milliarden Euro, mehrals doppelt so viel wie heute. Ist das IhrZiel?Flossbach: Nein, das ist kein Ziel, es isteine mögliche Größenordnung. WissenSie, dieses Unternehmen ist unsere Pas -

sion. Wenn man es aufgebaut hat, will man esauch wachsen sehen, vor allen Dingen wennman vom Produkt überzeugt ist. Wenn Sie eintolles Auto gebaut haben, dann wollen Sieauch, dass es verkauft wird, und sagen nicht,wir setzen nur 50 Stück ab, das Ding bleibthochexklusiv. Dazu kommt, dass wir Dut -zende Privatinvestoren kennen, die froh sind,endlich eine vernünftige Geldanlage gefundenzu haben. Das gibt uns einen unheimlichenAnsporn.

Im August vergangenen Jahres machtedie Meldung die Runde, dass Sie angeb-lich den Verkauf Ihrer Firma sondieren.Sie hatten das hart dementiert, aber eineFrage bleibt: Was tun Sie, damit die Firma eines Tages auch ohne Sie beideexistieren kann?

Flossbach: Es gibt nur einen Weg: Junge Leu-te gut ausbilden, die dann reifen wie Wein.

Von Storch: Die Zahl der Köpfe, die anSchaltstellen sitzen, ist in den vergangenenJahren definitiv gestiegen. Doch eine solcheStruktur muss organisch wachsen, das könnenSie nicht auf dem Papier entwerfen. Um nocheinmal auf die völlig falschen Verkaufsge-rüchte einzugehen: Unser Claim lautet derzeit„Konsequent handeln“. Wir werden ihn baldändern in „Konsequent unabhängig“. Dassteht für Konsequenz im Handeln, Konse-quenz im Denken, Konsequenz auch in derArt und Weise, wie wir das Unternehmen führen – und ist wahrscheinlich die beste Ant-wort, die wir auf diese Frage geben können.

Vielen Dank für das Gespräch.BERND MIKOSCH, HANS HEUSER | FP

»Ich kenne Leute, deren gesam-tes liquides Vermögen in diesemFonds steckt. Das ist nicht irgend-ein Schnickschnack, der gegenden MSCI World läuft – das sinddie Ersparnisse unserer Kunden!«

Bert Flossbach, Flossbach von Storch

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