Fräulein Wunder AG - Ein Bankett für Tiere

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Programmheft

Transcript of Fräulein Wunder AG - Ein Bankett für Tiere

PERFORMATIVES DINNERTHEATEREIN BANKETT FÜR TIERE

VON UND MIT: Anne Bonfert, Melanie Hinz, Verena Lobert, Vanessa Lutz, Malte Pfeiffer, Carmen Waack // AUSSTATTUNG, KOSTÜM: Verena zu Knyphausen // ASSISTENZ: Michael Kranix-feld, Marleen Wolter // VIDEO, SOUND: Maurice Braun, Jonas Hummel, Thomas Orr

KOPRODUKTION: Stadt Mannheim, schwindelfrei Mannheim, studiobühneköln, LOT-Theater Braunschweig GEFÖRDERT VON: Projektförderung Land Niedersachsen, Fonds Darstellende Künste e.V., Stiftung Niedersachsen, Konzeptionsförderung Land Niedersachsen, Stadt Köln, Friedrich Weinhagen Stiftung

EIN BANKETT FÜR TIERE Sie räkeln sich auf unseren Sofas, schreiten majestätisch durch die Wälder und war-ten zu Tausenden auf ihre Reise Richtung Schlachtbe-trieb. Wir kochen sie zu Seife, stopfen ihre Lebern und nageln ihre Felle an die Wand – die Liebe zum Tier geht häufig durch den Magen.Deshalb bereitet die Fräulein Wunder AG ihren Gästen ein exklusives Abendessen. Gang für Gang legt sie dabei die Schichten der Beziehung von Mensch und Tier frei. Sie übt sich in der Kunst des Jagens, ergreift die Positio-nen von Aktivisten und Mastbauern und sucht nach dem Tier in sich selbst. Es geht um die Schönheit der Ähnlich-keit und der Differenz und um das, was uns verbindet: primäre Bedürfnisse, Bewegung und Überlebenswille. Immer wieder dient das Tierische als Projektionsraum, um über menschliche Sehnsüchte, Grenzen und Gesell-schaftsordnungen nachzudenken.Das gemeinsame Essen wird so zu einer utopischen Be-gegnung mit den Tieren und fordert uns heraus, Stellung zu beziehen: Was bieten wir den Tieren, die uns kleiden und ernähren, eigentlich im Tausch? Teilen wir mit ihnen den Stadtraum und geben ihnen demokratische Rech-te? Oder müssen wir konsequenterweise selbst zum Bankett für Tiere werden?

The weight of evi-dence indicates that humans are not unique in possessing

the neurological substrates that generate conscious-ness. Nonhuman animals,

including all mammals and birds, and many other crea-tures, including octopuses,

also possess these neurolo-gical substrates.”

Cambridge Declaration on Consciousness

Vanessa & Zora

Malte & Honecker

Fräulein Wunder AG ... Ausbrecher aus einem Univer-sum, das Hoch- und Popkultur, Kulturvermittlung und Unterhal-tung trennt. der freitag

FRÄULEIN WUNDER AG ist seit 2004 Deckname für ein sechsköpfiges Kollektiv, das mittels Theater und Per-formance, Aktionskunst und städtischer Intervention gesellschaftliche und politische Themen der Jetztzeit verhandelt. Ausgangspunkt unserer Arbeitsweise sind Recherchen und Reisen in fremde Milieus, Städte und Länder, zu fast vergessenen biographischen Spuren, Wis-senschaftler_innen und Expert_innen des Alltags. Wir be-suchen Schlachthöfe, verloren geglaubte Verwandte und Kirchenarchive, sprechen mit Verhaltensforscher_innen, Prostituierten, Politiker_innen und Schaman_innen oder lernen Lachyoga und wie man an der Börse spekuliert. Im affirmativen Gestus des Erfahrens und (Be-)Fragens kul-tureller Praktiken und Milieus sammeln wir innerhalb die-ser künstlerischen Feldforschung im Selbstexperiment Wissen, Aktions- und Bildmaterial für unsere Produkti-onen. Daraus entwickeln wir in kollektiven Probenver-fahren thematisch geleitete Ästhetiken und Formate, die sich stets zwischen Kulturtheorie, Cultural Performance und theatralem Experiment bewegen und häufig von Teil-habe und Interaktion mit dem Publikum geprägt sind.

Was haben die Boatpeo-ple des 21. Jahrhunderts mit der Migrationsgeschichte der eigenen Familie zu tun? Was der Mann von heute mit einem Tomatenwurf von 1968? In ihren künstlerischen Arbeiten geht die Fräulein Wunder AG auf Entdeckungsreise, sie verbindet scheinbar disparate Stoffe in multimedialen, performativen Ereignissen und verknüpft Recherchematerial zu fragmen-tarischen Erzählungen. Theater der Zeit

FELDFORSCHUSchlachthof, Mastbetrieb und Tierkrema-torium: Wir haben uns mit forschendem Blick Orten genähert, an denen Mensch und Tier in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen. Wir haben mit Wöl-fen geheult, Falken fliegen lassen und in den frühen Morgenstunden auf Wild ge-wartet. Wir haben eine Schamanin nach unseren Krafttieren befragt, uns im Im-kern probiert und Fledermäuse geortet. Wir haben versucht, uns 30 Tage lang vegan zu ernähren. Und sind bei einer Rehwurst in der Geselligkeit mit einigen Jägern schwach geworden.

Unsere Reise im Vorfeld der Probenar-beit gleicht der Recherche eines Wis-senschaftsteams, das zunächst sein Untersuchungsfeld absteckt und seine Fragestellung überprüft. Im Gepäck ha-ben wir Kameras, kleine Diktiergeräte und Beobachtungsaufgaben: Wie spricht das Tier? Wie bewegt es sich? Was nimmt es wahr? Wie ist das Verhältnis von Mensch und Tier zu beschreiben? Jede_r von uns hält in Notizen fest, was sich der Wahrnehmung markant auftut: die Schönheit und Plastizität rosafarbe-ner, toter Schweinekörper, die Klang-

KÜNSTLERISCHE FELDFORSCHUNG

14.7.2012 15.7. 16.7.

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FELDFORSCHUwellen von Detektoren bei der Fleder-mauswanderung, der Kitsch bemalter Tierurnen, die körperlichen Abläufe des Gehens beim Pirschen.

Im ersten Schritt einer Fräulein Wunder Produktion legen wir uns eine affirmative Neugier zu, wagen wir, was wir im Alltag vielleicht nicht tun würden, konfrontie-ren wir uns mit Positionen, Perspekti-ven und Praktiken jener Menschen, die uns durch ihren Beruf, ihr Hobby oder ihre Liebe zu den Tieren eine praktische Einsicht ermöglichen. In einem zweiten Schritt werten wir das Material mit den Adleraugen einer Dramaturgin aus: Was ist interessant zu erzählen? In welchem Verhältnis steht das dokumentarische

Material zu den bereits getroffenen äs-thetischen Setzungen? Was muss neu überdacht werden? Wenn wir uns dann als Performer_innen das Material körper-lich und sprachlich aneignen, kommen zu den konzeptionellen und kulturwissen-schaftlichen Forschungsfragen die künst-lerischen hinzu: Wie stelle ich überhaupt ein Tier dar? Genau dann fängt die Pro-be an und bewegt sich im Spannungsfeld von Feldforschung und Kunstpraxis, von angeeignetem (Erfahrungs-)Wissen und der Offenheit der theatralen Überset-zung. Was wir schlussendlich präsentie-ren, ist das Ergebnis eines kollektiven und offenen Suchprozesses, der mit ei-ner Reise durch die niedersächsische Provinz seinen Anfang genommen hat.

17.7. 1.8. 6.8. 20.8.

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PIRSCHJAGEN

PIRSCHJAGEN

WIR HABEN KEINE SAU ERLEGT. Ir-gendwie erleichternd, diese Schweine sind einfach wahnsinnig schlau. Wir woll-ten dabei sein, wir wollten wissen, wie das ist, ein Tier zu töten. „Jagen“ ist schon aufregend: ein Blick in eine eingeschwo-rene Männergesellschaft. Zur Begrüßung gibt‘s Bier, alle haben die gleichen gol-denen Ringe mit einem blauen Glasstein und einem Wappen darauf. Dann fahren wir mit Johanns Bully, ich halte das Ge-wehr in den Schlaglöchern fest im Arm.

Pirschen geht so: Johann vorne, Stock links, Gewehr rechts, etwas vorgebeug-te Haltung, leichte Schritte, federnd. Ich mit zwei Metern Abstand dahinter, ver-suche keinen Laut zu machen, wenn ich auf dem Waldboden abrolle, dicht hin-ter mir Melanie. Wir beobachten lange eine schwarze Ricke mit ihrem braunen Kitz, bis Johann Schweiß von der Nase tropft und er hustet. Wir stöbern einen Jungbock auf, den wir hätten schießen dürfen, der aber aus seinem Grasbett aufsteht und verschwunden ist, bevor wir uns von unserer Überraschung erholt ha-ben. Wir steigen auf einen Hochsitz und rauchen, wir starren eine Stunde auf die

abgeernteten Äcker, es wird dunkler. Aus dem Waldstück laufen eine braune Ricke und ihr Kitz auf den Acker. Melanies Blick sagt, dass sie froh ist, dass diese „Stücke“ noch bis November unter Mutter-Kind-Schutz stehen. Dann kommt ein drittes Reh aus dem Wald. Mir fährt das Adrena-lin in den Körper, ich verstehe wie es sich anfühlt, schießen zu wollen. Jagen ist wie jagen: Ansprechen & abschleppen oder glotzen & nach Hause gehen. „Anspre-chen“ bedeutet im Jäger-Slang zu kate-gorisieren: boy or girl, wie alt und ob es geschossen werden darf. Johann starrt durch den Feldstecher und versucht, den Ansatz eines Gehörns oder einen Fellbü-schel zwischen den Hinterläufen zu er-kennen. Kein Bock - eine ältere Ricke, die Mama und Bambi aus ihrem Territorium vertreibt, elegant und fast spielerisch.

Später schauen wir uns das Opfer von vorgestern in der Kühlkammer an, ausge-nommen mit einem Eichenzweig als „letz-tem Biss“ im Maul, ein wunderschönes Tier, selbst die toten Augen. Klaus sagt: Ein junger Beau, 20 in Menschenjahren. Wir berühren seine Ohren und schauen in seinen dunkelroten leeren Brustkorb.

150 JAHRE LANG galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet. Seit 1996 aber breiten sich die Tiere von der Oberlausitz im Südosten Deutschlands in Richtung Westen und Norden aus. Im Jahr 2000 wurden erstmals vier Welpen dokumentiert, im Februar 2012 zählten Forscher 14 Wolfsrudel mit geschätzt gut 120 Tieren. Derzeit leben rund 20.000 Wölfe in Europa (...). Ein europäisches Rudel beansprucht ein 100 bis 350 Qua-dratkilometer großes Revier, eine Flä-che, etwa so groß wie die Münchens. (...) Für Angst und Unmut vieler Menschen sorgt, dass Wölfe auch Nutztiere reißen. Jedoch haben Analysen von mehr als 3.000 Kotfunden aus acht Jahren erge-ben, dass der Anteil von Schafen, Ziegen und Rindern in der Nahrung der Lausit-zer Wölfe minimal ist: Nach Angaben des Senckenberg-Forschungsinstituts Görlitz beträgt er bloß ein halbes Prozent. Am liebsten fressen Wölfe immer noch Reh- und Rotwild. DIE ZEIT

WOLFCENTER DÖRVERDEN Auf ei-ner Kanadareise im Jahr 2005 besich-tigt der Ingenieur für Luft- und Raum-fahrttechnik Frank Fass mit seiner Frau Christina ein Wolfcenter. Die Tie-re faszinieren die beiden so, dass sie beschließen, sich in Deutschland mit einer eigenen Anlage selbstständig zu machen. Sie sind überzeugt, dass es möglich ist, wieder mit freilebenden Wölfen in Deutschland zusammen zu leben - als einem festen Bestandteil der Natur. www.wolfcenter.de

Die ältesten Knochenfunde von Wölfen mit Merkmalen der Domestizierung sind nur bis maximal etwa 40.000 Jahre alt. Laut einer 2004 veröffentlichten Studie zur DNA von Hunden stammen alle heutigen Hunde von 13 bis 24 Wolfsvätern ab.

Verena & Bärbel

„ In unserem Tierheim haben wir auch Kaninchen und ande-re kleine Nager, und ich möchte den einen nicht an den ande-ren verfüttern. (...) Wenn ich (die Hunde nach dem Umstieg auf vegetarische Nahrung) abends fütterte und 10 Minuten später die Futternäpfe kontrollierte, waren sie in aller Regel leer. (...) Die Hunde sahen gut aus und waren fit und hatten im Gegensatz zu früher viel weniger häufig Durchfall. Angenehme Nebenerschei-nung des vegetarischen Futters: Früher stank es fürchterlich im Hundehaus, aber bei dem vegetarischen Futter stinken weder die Hunde, noch deren Haufen. die Tierfreunde e.V.

Die meisten Ethiker haben sich inzwi-schen auf zwei Kriterien verständigt, anhand derer sich entscheiden lassen könnte, ob eine lebende Kreatur so et-was wie Schmerzempfinden besitzt und daher auch über echte Interessen ver-fügt, die zu berücksichtigen möglicher-weise Pflicht wäre oder auch nicht. Das erste Kriterium bezieht sich auf die neu-rologische Hardware. (...) Kriterium Num-mer zwei ist das Verhalten des Tieres. (...)

FEINE HÄRCHEN Mit (dem) Gehör und Gesichtssinn (der Hummer) mag es nicht weit her sein, aber das wird durch ihren hervorragenden Tastsinn mehr als aus-geglichen. Aus ihren Panzern ragen näm-lich Hunderttausende feinster Härchen. „Dadurch“, so T.M. Prudden in seinem Standardwerk About Lobster, „kann der Hummer trotz seiner scheinbar undurch-dringlichen Panzerung Umwelteindrücke empfangen wie durch eine dünne Haut.“

(...) Was sie hingegen nicht produzieren können, sind körpereigene Opiode wie Endorphin und Enkephalin, Hormone, mit denen hoch entwickelte Organis-men in Stresssituationen unerträgliche Schmerzen unterdrücken. Daraus lie-ße sich zweierlei schließen: Entweder sind Hummer noch weit schmerzemp-findlicher als Säuger, oder aber sie sind es überhaupt nicht, da ihnen, vielleicht mangels Bedarf, ein endogenes Opioid-system fehlt. Ich merke, wie erleichtert ich über diese zweite Erklärung bin, und glaube sie nur zu gerne. (...)

LIEBER NICHT Allen theoretischen Er-örterungen zum Trotz bleibt aber die Tat-sache, dass sich der Hummer verzweifelt dagegen wehrt, bei lebendigem Leibe ge-kocht zu werden. (...) Wenn das nicht der Ausdruck einer Präferenz ist, was dann?, denke ich als Laie. Vielleicht ist die Fähig-keit zu einer wie immer gearteten Präfe-

AM BEISPIEL DES HUMMERS

renzäußerung das entscheidende Kriteri-um in der Frage, ob Hummer Schmerzen leiden oder nicht. (...) Wenn man auf dem Maine Lobster Festival, unweit des weltgrößten Hummerkessels, diese spru-delnden Glastanks voller Getier ansieht, wird einem seltsam zumute. So, wie die Hummer mit ihren machtlosen Scheren winken, übereinanderkrabbeln, sich in die hintersten Winkel drücken oder pa-nisch zurückweichen, sobald sich jemand den Scheiben nähert, fällt es schwer, die Augen davor zu verschließen, dass es ih-nen miserabel geht. (...) Mir liegt es fern, Ihnen ständig mit dem PETA-Sermon zu kommen, aber manche Dinge am Hum-merfest von Maine müssen einem – bei aller Volksfeststimung, bei aller guten Laune – zu denken geben. (...) Sobald nämlich Sie als normaler Festbesucher den Gedanken zulassen, dass die Hum-mer tatsächlich leiden (und viel lieber nicht leiden wollten), dann, ja, dann ver-ändert diese unbeschwerte Hummersau-se ihr Gesicht, wird zur römischen Arena oder zur Pöbelbelustigung rund um ein mittelalterliches Blutgerüst.

GEWOHNHEITSTIER Ist es denkbar, dass künftige Generationen nicht nur unsere gegenwärtige Lebensmittelindus-trie verurteilen, sondern unsere ganze Esskultur gleich mit, sie gar in eine Reihe stellen mit dem Entertainmentprogramm eines Nero, den Experimenten eines Dr. Mengele? Meine eigene Reaktion auf den Vergleich: erst einmal entrüstete Ab-lehnung. Was soll das hysterische Thea-ter eigentlich? Wobei sich die Entrüstung aus meiner tief verwurzelten Überzeu-gung speist, dass Tiere nie so wichtig sein können wie Menschen. Die Rechtferti-gung dafür – selbst nur für mich privat – bleibt dennoch schwierig. Nicht nur, dass an jeder Ecke mein Eigeninteresse an der Suprematie des Menschen durchscheint (einfach weil ich selber viel zu gerne Fleisch esse und mir ungern den Appetit verderben lasse), sondern auch, weil es mir bis heute nicht gelungen ist, wirklich stichhaltige Sachargumete für diese Po-sition zu finden außer eben meinen be-quemen Egoismus. David Foster Wallace

SCHLACHTHOF

„Der durchschnittliche

Bundesbürger (isst) im Laufe seines Lebens: Vier Kühe oder Kälber, vier Schafe, zwölf Gän-se, 37 Enten, 46 Truthähne, 46

Schweine und 945 Hühner. Vegetarierbund

DRAUSSEN RIECHT ES. Eine Mischung aus Blut und Desinfektionsmittel, das von unten aus den Gullies kommt. „Die Katze spielt drei Stunden mit der Maus, bevor sie sie totmacht, das machen wir hier nicht. Esst ihr Fleisch?“ Wir sind drin. In der Schleuse hängt ein gel-bes Plakat: „Ein Tier, ein Messer, ein Mann, ein Wort.“ Die Schweine, die an Schienen durch die Halle gleiten, dampfen noch und haben zarte, bleiche Haut. Ihre exakt halbierten Körper wirken wie aus Plastik. Der Borsten-brühgeruch steigt mit der Luftfeuchtigkeit. Eine Frau verteilt Stempel auf verschiedenen Partien der Hälften. An den Schnauzen unten sammeln sich ein paar zarte Tropfen Blut. Wir schieben uns an der gefliesten Wand entlang, weichen den Arbeitenden am Fließband aus. Nur Zentimeter vor uns öffnet jemand die Bauchdecke. Mit wenigen Schnitten wird das gesamte Gekröse aus dem Torso gelöst. Eine geübte Handbewegung verteilt es auf Haken. Dort entfaltet sich alles: weiche Schich-ten von Hellrosa, Dunkelrot, Magenta und Rotbraun. Die Lunge, das Herz, die Leber, der Darm. Das sieht überra-schend schön aus, wie fremdartige Schlingpflanzen an Fleischerhaken.Wenn der Flomen aus den Bäuchen her-ausgezogen wurde, alle Organe sortiert in Kisten liegen, die Fleischproben auf dem Weg ins Labor sind, wird als letztes der Kopf abgeschnitten. Im neondurchstrahlten Kühlraum hängt eine einzige riesige Rinderhälfte. Ihre Oberfläche sieht aus wie phantasievolles Plastilin-Hand-werk: blanke, fettige, leuchtende und matte Texturen von Purpur bis Orangegelb. An der Laderampe draußen warten die ersten Autos auf den Schinken.

„Jonathan McGowan

kauft kein Fleisch im Su-permarkt, er hasst Gewalt gegen Tiere. Weil er aber

gern Fleisch isst, scheint die Lösung für ihn perfekt: Er isst

ausschließlich Roadkill. Man könnte sagen, er ist das kar-nivore Pendant zu den Fruc-

tariern – sie essen nur, was vom Baum gefallen ist. „Ich bin ein echter Aasfresser“,

sagt McGowan. Das Fleisch verkocht er selbst, meistens

in italienischen Gerichten. Fuchs-Lasagne ist eine seiner

Lieblingsspeisen.Die Presse

SCHLACHTHOF

KREMATORIUM

Melanie & N.N.

KLEINTIERKREMATORIUM Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber die Vor-stellung, dass meine Momo einfach ir-gendwo entsorgt und verwertet würde, jagt mir kalte Schauer über den Rücken. (...) Deshalb habe ich mich auch für eine Kremierung im Kleintierkrematorium Im Rosengarten entschieden. Momo wurde noch am gleichen Tag beim Arzt abgeholt und nach Badbergen überführt. Natür-lich habe ich mich vorher gefragt, bekom-me ich wirklich Momos Asche, wenn ich nicht bei der Kremierungszeremonie per-sönlich zugegen sein möchte? Da braucht man schon viel Vertrauen. (…) Momo ist jetzt bei uns zu Hause - in einer wun-dervollen herzförmigen Urne. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir trotz meines Schmerzes ein so gutes Gefühl gibt, dass sie wieder bei mir ist. Nicht entsorgt, ver-arbeitet oder unter der Erde, sondern zu Hause. Auch hilft es mir, meine Trauer mit anderen Tierhaltern zu teilen und zu le-sen, dass ich mit meinem Schmerz nicht alleine bin. (…) Für mich sind alle meine Tiere echte Familienmitglieder, und ich bin sicher, Ihnen geht es genauso. Diana Eichhorn

Liebes Wilhelmchen, mein geliebtes Min-chen, es sind heute 6 Wochen her, ich denke es war gestern, dass Du von mir gehen musstest. Du bleibst in meinem Herzen. Ich kann Tränen vergießen, weil Du gegangen bist, aber öfter kann ich lächeln, dass es Dich gegeben hat. Überall bist Du zugegen, ich habe Dich von Herzen lieb. Mach‘s gut oben im Regenbogenland. Grüße von Heidi an Sina. Ich gebe Dir viele Küsschen auf deine große Nukelnase. Mein Herz läuft wieder über und ich habe Tränen in den Augen. Deine Dich liebende Mama.“ aus dem Virtuellen Tier-friedhof

KREMATORIUMCarmen & Momo

Melanie & N.N.

SCHWÄNZELTANZ Aus der Jahrzehnte erfor-dernden Aufklärung der Tanzsprache der Bienen ergab sich, dass gerade diese spezifische Kom-munikationsform die Arbeitsökonomie der Honig-biene - maximale Leistung bei möglichst geringem Arbeitsaufwand - bedingt. Beim Rundtanz läuft die Kundschafterin, die eine Futterquelle gefunden hat, mit raschen, trippelnden Schritten im Kreis herum. Der Tanz erfolgt im dichten Gedränge. Die Nachläuferinnen suchen danach die Umgebung ab – wenn sie den Futterplatz gefunden haben, kom-men sie zurück und tanzen nun selbst, was wieder-um einige Artgenossen alarmiert. An die Stelle des Rundtanzes tritt der Schwänzeltanz, wenn die Fut-terquelle weiter als 100 Meter entfernt ist: Er zeigt die Existenz einer Futterquelle an, gibt Informati-onen über die Art der Futterquelle (durch den an der Tänzerin haftenden Blütenduft) und signalisiert durch die Lebhaftigkeit der Tänze die Rentabilität der Quelle. Weiterhin erhalten die Bienen Informa-tionen über die Entfernung (Tanztempo) und die Himmelsrichtung (Winkelstellung des Schwänzel-laufs) des Ziels. B. Bühler/S. Rieger

HONIGBIENEN

„ Stelle die Menschheit ihre Bewirtschaftung der Erde nicht nachhaltig um, dann werde sich die Situation der Bienen weiter verschlechtern, so das Fazit des Unep-Berichts „Global Bee Colony Disorders and other Th-reats to Insect Pollinators“. Die Folgen wären dramatisch: Von den wichtigsten 100 Nutzpflan-zen der Welt würden nämlich mehr als 70 durch Bienen bestäubt. Die Arten seien für etwa 90 Prozent der gesamten Nahrungsproduktion der Welt verantwortlich. Die Bienen zeigten, wie wir „mehr, und nicht weniger“ von den Dienstleistun-gen der Natur abhängig seien. SPIEGEL ONLINE

HONIGBIENEN

Das Bankett für Tiere wird ermöglicht mit freundlicher Unterstützung von:

Weberstr. 28 - 30449 Hannover

Itzumer Hauptstraße 1 - 31141 Hildesheim

Platz der Deutschen Einheit 1 - 38100 Braunschweig

WIR BEDANKEN UNS HERZLICH BEI: unseren Expert_innen Heinz Böhnisch, Stefan Bröckling und PETA Deutschland, Mathias Dittrich, Frank Fass, Ilka Frank, Claudia Fricke, Olaf Gallus, Lars Gärtner, Claus und Johann Jencquel, Samantha Müller, Ulrike Neid-hardt, Familie Passior, Heinz Pyka und Ullrich von Oertzen // der Gewerkstatt Hamburg, Ulf-Ingo Hoppe, Kathrina Huelsmann, Rosi Lobert, Marion von Oertzen und dem NDR, Sophia Schroth, dem HildesheimerTennis-Club Rot-Weiß e.V., dem Trillke Guts Hildes-heim, Kathrin Weber Krüger und unseren try out-Gästen // dem Team des Theaterfes-tivals schwindelfrei, insbesondere Martin Baasch, Susanne Brauer, Phillip Koban, Nora Nörenberg, Julia Selig und Sebastian Schnorr // unseren wunderbaren Gastgeber_innen in Mannheim Nadja Peter, Christa Schütz, und Familie Siebert // den Gastwirt_innen Andreas Klitz, Sandra Meyer, Carius Novàk und Team // allen unseren Haustieren und Tiergefährten sowie den vielen Menschen, die unseren Arbeitsprozess via Facebook begleitet und beeinflusst haben.

IMPRESSUM

Fräulein Wunder AG 2012 www.fraeuleinwunderag.net [email protected], Satz und Redaktion: Fräulein Wunder AG

Bildnachweise Fräulein Wunder AG, Rike / pixelio.de, Ferdinand Van Kessel: Le re-pas des singes. Textnachweise: Bühler, Benjamin / Rieger, Stefan: Vom Übertier - Ein Bestiarium des Wissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006. S. 62-63 // Eichhorn, Diana: Liebe Tierfreunde! Stand: 28.9.2009 http://www.abschied-im-rosengarten.de/brief_dia-na_eichhorn.php (31.8.2012) // Kaupmannsennecke: Liebes Wilhelmchen. Stand: 27.8.12 http://www.abschied-im-rosengarten.de/?eintragid=7134 (31.08.2012) // Geets, Siobhán: Delikatessen von der Straße. Stand: 26.11.2011. http://diepresse.com/home/leben/mensch/711963/Delikatessen-von-der-Strasse?_vl_backlink=/home/index.do (31.8.2012) // Kowitz, Dorit: Des Menschen Wolf. Stand: 30.4.2012 http://www.zeit.de/2012/18/DOS-Woelfe (31.8.2012) // Low, Philip: The Cambridge Declaration on Consciousness. Stand: 7.7.2012 http://fcmconference.org/img/CambridgeDeclarationOnConsciousness.pdf (31.8.2012) // Seidler, Christoph: Bienensterben wird zum globalen Problem. Stand: 10.3.2011 http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/uno-bericht-bienensterben-wird-zum-globalen-problem-a-750139.html (31.8.2012) // Vegetarierbund: Zum morgigen Welt-Vegetariertag. Pressemitteilung. Stand: 30.9.2009 https://www.vebu.de/aktuelles/pressemitteilungen/422-zum-morgigen-welt-vegetariertag-vegetarierbund-berechnet-1094-tiere-verspeist-jeder-deutsche (31.8.2012) //Wallace, David Foster: Am Beispiel des Hummers. 1. Auflage. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2010. S. 47-62