Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013,...

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Bruce Frantzis

Die Energietore des Körpers öffnen Chi Gung für lebenslange Gesundheit

Vollständig überarbeitete und aktualisierte Neuauflage

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Wichtiger Hinweis: Die Energietore des Körpers öffnen macht die Betreuung durch einen Arzt, Heilpraktiker

oder Psychotherapeuten nicht überflüssig, wenn der Verdacht auf eine ernsthafte Gesundheitsstörung

besteht. Die Informationen in diesem Buch sind nach bestem Wissen und Gewissen dargestellt. Der Autor

und der Verlag übernehmen jedoch keine Haftung für irgendwelche Schäden aus dem richtigen oder

unrichtigen Gebrauch der in diesem Buch vorgestellten Methoden. Diese sind zur Information und zur

Weiterbildung gedacht.

Die folgenden Marken werden in Lizenz von Energy Arts, Inc. verwendet:

B. K. Frantzis Energy Arts* system; Mastery Without Mystery*; Longevity Breathing* program; Opening

the Energy Gates of Your Body™ chi gung; The Marriage of Heaven and Earth™ chi gung; Bend the Bow™

spinal chi gung; Spiraling Energy Body™ chi gung; Gods Playing in the Clouds™ chi gung; Living Taoism™

collection.

Urheberrechte fur Fotografien und Gestaltung

Bildnachweis: Caroline Frantzis (S. 12, 14, 64, 284), Sara Barchus (S. 26), Don Kellogg (S. 34, 122, 262),

Mette Heinz (S. 54, 84, 97, 100, 142, 206), Hideki Matsuoka (S. 139, 246), Craig Barnes (S. 162, 222,

232), Anthony Ortega (S. 188)

Titel der Originalausgabe: Opening the Energy Gates of Your Body

Erschienen bei Blue Snake Books, Berkeley, und Energy Arts Inc., Fairfax

Neuübersetzung und lektorale Bearbeitung von Sylvia Luetjohann

Copyright © der Originalausgabe 1993, 2006 by Bruce Frantzis

4. Auflage 2013

2. Auflage 2006, komplett überarbeitet und stark erweitert

1. Auflage 2002

© 2001 und 2006 by Windpferd Verlagsgesellschaft: mbH, Oberstdorf

1995 erstmals erschienen unter dem Titel Qi-Gong.

Wege zu den Energiequellen des Körpers, bei Rowohlt, Reinbek

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: KplusH, Agentur für Kommunikation und Design, CH-Amden,

unter Verwendung der Illustration „Silhouette": Foto von Kellogg, Fotomodel Dorothy Fitzer

Illustrationen von Kurt Schulten, Husky Grafit

Layout und grafische Gestaltung: Marx Grafik & ArtWork

Gesetzt aus der Optima

Druck: Himmer AG, Augsburg

Printed in Germany

ISBN 978-3-89385-516-5

www.windpferd.de

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Dieses Buch ist dem Wunder des Tao gewidmet, das alles entstehen lässt.

Mein tiefiter Dank gilt all meinen Lehrern in Asien, ohne die ich die hier wiedergegebenen Informationen nicht hätte lernen

und anderen mitteilen können.

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Inhalt

Danksagung 9Ein Wort an die Leser 10

Vorwort von Stuart Kenter Bruce Frantzis: Der Weg des Kriegers, Heilers und Priesters 13

Einleitung zur überarbeiteten Neuauflage 31

Kapitel 1: Chi und Chi Gung 35Was ist Chi? 35Was ist Chi Gung? 36Chinas 3000 Jahre altes System der Selbstheilung 36Die Krise der Medizin im Westen 43Chi Gung als Lösung für die medizinische Krise in China 45Die Vorteile von Chi Gung 47

Kapitel 2: Wie Chi Gung funktioniert 53Die inneren Prinzipien: Chi Gung und körperliche Gesundheit 53Chi im Körper erwecken 57Taoistische, Kundalini- und westliche Psychotherapie 59Der taoistische Ansatz: Das Auflösen der Emotionen in den Chi-Fluss 60Wie Chi langsam und sicher kultiviert wird 62

Kapitel 3: Die Theorie des Chi Gung 63Die unterschiedliche Vermittlung des Chi Gung in China und im Westen 63Die Verpflanzung kulturgeprägter chinesischer Konzepte 66

' Der Unterschied zwischen traditionellem Chi Gung und Nei Gung 66Die inneren Kampfkünste: Tai Chi, Hsing-I und Ba Gua 71Die drei Ebenen des Chi Gung: Körper, Chi und Geist 74Das Grundprinzip des Chi Gung: Himmel, Erde und Mensch 77Die Komponenten der Standform 77Die Bedeutung der vollständigen Übungsfolge im Chi Gung 81

Kapitel 4: Chi Gung und andere Übungen 83Die äußere Übung 83Die innere Übung 85Die Beziehung zwischen Körper/Geist beim Chi Gung 89Chi Gung als innere Aufwärmübung 89Crosstraining mit Chi Gung 90Chi Gung als Crosstraining 94Hatha-Yoga und Chi Gung 96Taoistischer Yoga 97

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Kapitel 5: Atem und Chi 99Der Unterschied zwischen taoistischer Atmung und Langlebensatmung 101Mit dem Bauch atmen 101Wirkungen aus der Langlebensatmung 102Taoistische Atmung und Pranayama-Yoga 105Anleitungen für die Langlebensatmung 107Übung 1: Den Bauch nach vorn bewegen 111Übung 2: Alle Teile des Bauches in Bewegung versetzen 112Übung 3: Die Seiten des Bauches bewegen 113Übung 4: In den unteren Rücken und in die Nieren atmen 114Übung 5: Den Bauch gleichzeitig in allen Richtungen bewegen 116Übung 6: In den oberen Rücken atmen 116Wichtige Übungshinweise 118Die Rolle der Atmung bei allen Chi-Gung-Bewegungen 120

Kapitel 6: Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen 121Die sechs Elementarübungen 121Die Körperausrichtungen 121Übung 1: Körperausrichtungen im Stand 123Den Organen eine innere Massage geben 129Übung 2: Körperausrichtungen im Sitzen 133Übungen zur Dehnung des Kwa 137Übung 3: Im Stand zur Ruhe kommen 139

Kapitel 7: Grundlegende Standübungen: Chi sinken lassen, durchscannen und auflösen 141

Was bedeutet Chi sinken lassen? 141Übung 1: Das Chi sinken lassen 145Wichtige Übungshinweise 150Die nächste Stufe des Sinkenlassens 150Übung 2: Den Energiekörper durchscannen 151Nützliche Hinweise für das Wecken von Chi 153Übung 3: Der äußere Auflösungsprozess von Chi 154

Kapitel 8: Die Energietore des Körpers öffnen 161Was sind Energietore? 161Wichtige Haupt- und Nebentore des Körpers 163Ein Übungsplan für das Öffnen der Energietore 179Leitlinien für die Praxis der Chi-Gung-Standform 181Die Koordination des Atems mit den Chi-Gung-Bewegungen 185

Kapitel 9: Die Wolkenhände Erster Teil: Den Unterkörper verwurzeln 189

Die umfassendste und vollständigste Chi-Gung-Bewegung 189Der Übergang von Stand und Auflösung zu den Wolkenhänden 190Übung 1: Den Unterkörper verwurzeln 191

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Übung 2: Das Steißbein nach unten richten und langsam das Gewicht verlagern 191

Wichtige Übungshinweise 194Die Mechanik der Gelenke 196Übung 3: Das Kwa öffnen und schließen 200

Kapitel 10: Die Wolkenhände Zweiter Teil: Die Spiralbewegung im Oberkörper 205

Die Wirbelsäule verbindet Arme und Beine 205Übung 1: Die Arme mit der Wirbelsäule verbinden 207Übung 2: Die Ellbogengelenke zur Aktivierung

der Gehirn-Rückenmarks-Pumpe bewegen 210Übung 3: Die Wirbelsäule durch das Öffnen des Hüftgelenks drehen 211Übung 4: Eine Seite senken und die andere anheben 215Übung 5: Das „Spinnen des Seidenfadens" mit den Armen und Beinen 216

Kapitel 11: Die erste Schwungübung 223Die Energiesteigerung in den inneren Organen und den Gelenken 223Die drei Tantien und die drei Jiao der chinesischen Medizin 223Übung 1: Die Bein- und Hüftbewegung 224Der zentrale Energiekanal 226Übung 2: Die Armbewegungen 227

Kapitel 12: Die zweite Schwungübung 233Die Stärkung von Leber und Milz und die Auflösung von Stress 233Die Herausforderung: Gewichtsverlagerung und Drehung aus dem Kwa 233Übung 1: Die Hüft- und Beinbewegungen 234Übung 2: Den Fuß heben und senken 239Übung 3: Die Armbewegungen in der zweiten Schwungübung 242

Kapitel 13: Die dritte Schwungübung 247Die Stärkung von Chi im Oberkörper 247Übung 1: Die Bein- und Kwa-Bewegungen 247Die Beinarbeit der dritten Schwungübung in fünf Schritten 251Übung 2: Vorbereitende Armübungen 253Übung 3: Die dritte Schwungübung in fünf Schritten 255Leitlinien für die dritte Schwungübung 259

Kapitel 14: Die taoistische Wirbelsäulendehnung 263Eine biegsame Wirbelsäule ist das Rückgrat der Gesundheit 263Die hintere und die vordere Seite der Wirbelsäule 265Aufwärmübungen für die Wirbelsäule 266Übung 1: Die taoistische Wirbelsäulendehnung - erste Hälfte 268Übung 2: Die taoistische Wirbelsäulendehnung - zweite Hälfte 272Leitlinien für die Praxis der taoistischen Wirbelsäulendehnung 274Die taoistische Wirbelsäulendehnung im Sitzen 275Die nächste Stufe der Wirbelsäulendehnung 278

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Kapitel 15: Nei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen 283Die nächste Stufe des Chi Gung 283Die nächste Stufe beim Öffnen der Energietore des Körpers 285Die 16 Grundkomponenten des Nei-Gung-Systems 288Das Wissenskontinuum des Nei Gung 289Nei Gung 1: Einfache bis komplexe Atemmethoden 294Nei Gung 2: Energie bewegen 301Nei Gung 3: Körperausrichtungen 302Nei Gung 4: Auflösen 303Nei Gung 5: Die Haupt- und Nebenakupunkturbahnen 303Nei Gung 6: Beugen und Dehnen 303Nei Gung 7: Öffnen und Schließen 304Nei Gung 8: Der Ätherkörper oder die Aura 305Nei Gung 9: Die Spiralbewegung 305Nei Gung 10: Aufnehmen und Aussenden 306Nei Gung 11: Die Wirbelsäule 306Nei Gung 12-15: Der linke, rechte und zentrale Energiekanal

und die drei Tantien 307Nei Gung 16: Integration 307Chi Gung ist die Grundlage für Shen Gung 307

Nachwort 309

Anhang 311A. Leitlinien für die Praxis 311B. Die Suche nach einem qualifizierten Lehrer 317C. Die Wichtigkeit einer korrekten Chi-Gung-Praxis 320D. Techniken zur Linderung von Spannung und Unbehagen beim Sitzen 332E. Herkunft und Quellen des vorliegenden Materials 335F. Zur Romanisierung der chinesischen Begriffe in diesem Buch 337G. Die LivingTaoism Collection und die B. K. Frantzis Energy Arts Lehren 339

Register 348

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Danksagung

Meine Dankbarkeit gilt vielen. Zuallererst Liu Hung Chieh, dessen persönlicher

Einfluss auf mich in Worten kaum zu beschreiben ist. Ohne ihn hätte ich nie so

umfassend Chi Gung erlernt oder verstanden. Dann danke ich all meinen Schülern,

deren aufrichtiges Interesse mich motivierte, dieses Buch zu schreiben; außerdem

Natalie Albert und Jan Lang, die mich als erste dazu überredeten, Chi Gung im

Westen (1972 in New York) zu unterrichten.

Viele Menschen haben bei der Entstehung der ersten Auflage dieses Buches

mitgeholfen. Wenn jemand versehentlich nicht genannt worden ist, dann bitte ich

inständig um Nachsicht: David Barbero, Craig Barnes, Mary Christiansen, Alan

Dougall, Jonathan Finegold, Eric Hoffman, Helena Kierulf, Beverly Kune, Bernie

Langan, Donna Lubell, Susan Rabinowitz, Christine Richardson, Don Rubbo, Bill

Ryan, Jim Stegenga, Ken Van Sickle und Michael Vasquez.

Mein besonderer Dank für die erste Auflage dieses Buches geht an drei Personen:

Brian Lee, ohne dessen aufrichtiges Interesse und Drängen dieser Band nie begon-

nen worden wäre; Michael Winn für seine Unterstützung und Ermutigung, als ich

ernsthaft erwog, bei der Hälfte des Manuskripts aufzugeben; und dem Herausgeber

Stuart Kenter, ohne den ich dieses Buch nicht abgeschlossen hätte.

Mein Dank geht auch an die Illustratoren Kurt Schulten und Michael McKee sowie

an die Fotografen: Don Kellogg, Mette Heinz, Ken Van Sickle, Larry Horton, Sara

Barchus, Craig Barnes, Caroline Frantzis, Hideki Matsuoka und Anthony Ortega.

Den folgenden Personen danke ich für ihre Unterstützung bei der verbesserten

und überarbeiteten zweiten Auflage: Bill Ryan, dem Begründer von Brookline Tai

Chi, für seine Vorschläge zu Änderungen in den neuen Kapiteln; Judy Pruzinski für

das Abschreiben des Manuskripts in den Computer; Linda Oistein für das Redigieren

von frühen Versionen des überarbeiteten Manuskripts; Diane Rapaport für die redak-

tionelle und herstellerische Leitung; dem Lektor George Glassman; Susan Tillman

für Lektoratsassistenz; Lisa Petty von GirlVibe Inc. für Design und Herstellung; Ken

DellaPenta für das Erstellen des Registers; Meagan Mil ler von Energy Arts Inc. für

den Entwurf des Buchumschlags; Damian Gordon für graphische Assistenz; den

Fotomodellen Elisha Colas, Brian Cookman, Dorothy Fitzer, Cleophas Gaillard,

Aischa Huebner, Leslie Lowe, Andrew Popovic und Alistair Shanks; und meinem

Verleger, Richard Grossinger, von North Atlantic Books, für seine Ermutigung, diese

verbesserte Auflage zu verfassen. Danke auch an die Mitarbeiter von North Atlantic,

Anastasia McGhee, Paula Morrison und Mark Oimet, für ihre Hilfe und ihren Rat.

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Schließlich danke ich meiner Frau Caroline für ihre Mithilfe bei der Herausgabe

und Herstellung des Buches sowie für ihre nie endende Anregung und Unterstüt-

zung.

Ein Wort an die Leser

Die praktische Seite des Taoismus ist im Westen nur wenig bekannt. Die meisten

Bücher über den Taoismus behandeln eher philosophische und poetische Fragen,

die Werke der taoistischen Urväter LaoTse und ChuangTse sind ein gutes Beispiel

dafür. Die konkreten Methoden, mit denen sich die Ideale des Taoismus im Alltag

verwirklichen lassen, offenbaren sie nicht.

Ziel und Zweck aller taoistischen Techniken spiegeln sich in der taoistischen

Meditation und Alchemie wider, in denen der Einzelne das Mysterium des Univer-

sums begreift und sich schließlich mit ihm vereinigt. Auf diesem Wege pflegen die

taoistischen Adepten hingebungsvoll Praktiken, die den Menschen aus dem Zustand

der Unreinheit, des „Gemeinen", auf die Stufe des „Edlen" erheben. Dieser ist, wie

es das / Ging (Buch der Wandlungen) ausdrückt, als einziger befähigt, das Tao zu

verwirklichen.

Auf dem Wege zur reifen, in sich ruhenden Persönlichkeit gibt es-aus taoistischer

Sicht - vielerlei Arten, Körper, Geist und Seele zu kultivieren. Ich habe den Weg

des Kriegers, Heilers und Priesters eingeschlagen und dazu die Kampfkünste, Chi

Gung, Traditionelle Chinesische Medizin, taoistische Sexualpraktiken, taoistische

Meditation und Philosophie studiert. Freunde aus taoistischen Kreisen haben sich

ihrerseits Chi Gung, der Malerei, Kalligraphie, Geomantie und weiteren geistigen

Disziplinen zugewandt, die ebenfalls die wesentlichen Meditationsmethoden ein-

schließen. Was jedoch alle taoistischen Adepten der unterschiedlichen Richtungen

verbindet, das ist Chi Gung.

Um auf taoistische Weise vom „gemeinen" zum „edlen" Menschen aufzusteigen,

muss der Adept seine körperlichen und emotionalen Energien stärken und mitein-

ander ins Gleichgewicht bringen.

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Dem Kranken hilft Chi Gung, wieder gesund zu werden; dem geistig Verwirrten

zeigt Chi Gung die Richtung zu ausgewogener Disziplin und Ausdauer. Den Gesun-

den unterstützt Chi Gung, seinen Energiespiegel auf schonende Weise anzuheben,

vernachlässigte Talente freizusetzen und Körper, Geist und höheres Bewusstsein auf

eine erfolgreiche Praxis der taoistischen Meditation vorzubereiten. Alle Menschen

werden in einen „gemeinen" Zustand hineingeboren - allein durch große Anstren-

gung und echte Bescheidenheit kann der Einzelne auf ein höheres Niveau gelangen.

Alle vernünftigen Menschen wünschen sich Gesundheit und Vitalität, und alle, die

nach Spiritualität streben, möchten ihre wahre Natur erkennen. ImTaoismus ist Chi

Gung die wichtigste Methode, um diese zutiefst menschlichen Ziele zu erreichen.

Die im vorliegenden Band beschriebenen Techniken bilden die Grundlage für

die Gesundheit und Stärke in der Tradition des taoistischen Kriegers wie auch des

Chi-Gung-Heilers. Erlernen und praktizieren Sie die Übungen in diesem Buch, und

machen Sie damit den entscheidenden ersten Schritt zu lebenslanger Gesundheit

und Spannkraft.*

Wenn unsere Welt durch Bücher dieses Inhalts wieder ein bisschen mehr zum

inneren Gleichgewicht zurückfindet, dann ist schon einiges erreicht.

* Der Inhalt und die Übungen dieses Buches können keinen Arzt und keine Therapie ersetzen.

Die Leser sollten ihren Arzt konsultieren, bevor sie dieses oder ein ähnliches Übungsprogramm

praktizieren. Körperliche Beschwerden oder Schmerzen während oder nach einer Übung dürfen

nicht ignoriert werden; sie könnten auf ein gesundheitliches Problem hinweisen, das dringend

fachgerechter Behandlung bedarf.

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Bruce Frantzis war ein Schüler des verstorbenen taoistischen Linienhalters Liu Hung Chieh,

ohne den er dieses Buch niemals hätte schreiben können. Der Verfasser möchte Liu seine

tiefe Dankbarkeit dafür aussprechen, dass er die alten Traditionen des Chi Gung, der inneren

Kampfkünste und der taoistischen Meditation an ihn weitergegeben hat.

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Vorwort von Stuart Kenter

Bruce Frantzis: Der Weg des Kriegers, Heilers und Priesters

Hongkong: Auf der Suche nach der geheimnisvollen Chi-Kraft

Jeder, der Tai Chi, Chi Gung und die Kampfkünste ernsthaft übt, träumt davon, bei

einem authentischen asiatischen Großmeister zu studieren und von ihm in alle

Geheimnisse dieser Künste eingeweiht zu werden.* Diese Geheimnisse der inneren

Kraft (Chi) werden öffentlich nicht unterrichtet, sondern nur an ausgewählte Famili-

enmitglieder oder die vertrautesten Schüler weitergegeben. Von einem chinesischen

Großmeister als enger Schüler aufgenommen oder adoptiert zu werden lässt sich

mit der Zulassung zu einem Forschungsauftrag bei einem der weltweit führenden

Professoren in Harvard oder Oxford vergleichen.

Bruce Kumar Frantzis ist einer der wenigen aus dem Westen, dem es tatsächlich

gelungen ist, diesen Traum zu verwirklichen. Während einer Odyssee durch die

verschiedenen Kampfkünste, die 1961 begann, war er immer bestrebt, bei einem

Großmeister und Linienhalter zu studieren. Wie andere westliche Ausländer auch,

die diesen Weg gehen wollten, wurde Bruce an den hermetisch verschlossenen

Toren zu Chinas Festland permanent zurückgewiesen - einem Land, wo er in jenen

Jahren noch isoliert war und unter den Folgen gewaltiger politischer Umwälzungen

* Tai Chi ist ein uraltes chinesisches Bewegungssystem, das die Entwicklung der Lebensenergie

(Chi) im Inneren des Körpers fördert. Das auf diese Weise kultivierte Chi kann dazu dienen, den

Körper zu verjüngen, Krankheiten und Verletzungen zu heilen, die Gesundheit zu erhalten und

die spirituellen Anlagen zur Reife zu bringen. Tai Chi kann aber auch als hoch effizientes System

zur Selbstverteidigung verwendet werden.

Chi Gung bezeichnet die Kunst und Übung der Entwicklung von innerer Energie.

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Bruce Frantzis arbeitet in Beijing, China, mit seinem Hauptlehrer, dem verstorbenen

taoistischen Linienhalter Liu Hung Chieh, an einer Ba-Gua-Übung.

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litt. Seine Enttäuschung wurde noch durch ein kaum überwindliches Hindernis

verstärkt: die unausgesprochene Übereinkunft der Asiaten, die geheimsten Lehren

nicht an Ausländer weiterzugeben.

Es sollte bis zum Sommer 1981 dauern, dass einer von Bruces Lehrern in Hong-

kong sich bereit erklärte, ihm ein Empfehlungsschreiben an seinen eigenen Meister

in Beijing, einen Mann namens Liu Hung Chieh, mitzugeben. Dieser Brief bot

die Aussicht auf potentielle Möglichkeiten, die Bruce in nicht geringe Aufregung

versetzten. Er war zu jenem Zeitpunkt bereits vom Institut für Leibeserziehung in

Beijing eingeladen worden, um dort Tai Chi Chuan zu studieren.

Beijing: Der Großmeister Liu Hung Chieh

Während dieses Sommers in Beijing studierte Bruce vormittags die im Auftrag der

Regierung vereinfachte Form des Tai Chi, „Push Hands" und Waffenformen. Im Un-

terrichtwurde der Gesundheitsaspekt des Tai Chi zugunsten der Kampfanwendungen

hervorgehoben. Hier entwickelte Bruce sein Wissen und das tiefe Vertrauen in Tai

Chi als umfassendes Gesundheits- und Heilsystem. Wie wir noch sehen werden,

sollte Bruce später Übungen aus Tai Chi und Chi Gung zu einem wirksamen gesund-

heitlichen Vorsorgeprogramm zusammenstellen. Zum Abschluss desTai-Chi-Kurses

attestierte die chinesische Regierung Bruce als erstem westlichem Ausländer die

Lehrbefähigung für das gesamte System des Tai Chi Chuan.

Am Nachmittag pflegte er den 79 Jahre alten Großmeister Liu Hung Chieh aufzu-

suchen. Nach Abschluss desTai-Chi-Kurses studierteer vormittags und nachmittags

mit Liu und behielt diese Standardpraxis während der ganzen Zeit bei, die er in

Beijing lebte.

Liu besaß eine faszinierende Vergangenheit. Er hatte mit dem Begründer des

Wu-Stils, Wu Jien Chuan, gelebt und studiert, und er war das jüngste Mitglied der

Ba-Gua-Chang-Schule in Beijing gewesen.* Schon in seinen Dreißigern hatte ihn

die buddhistischeTien-Tai-Schule für erleuchtet erklärt. Darauf begab er sich in die

Berge Westchinas und studierte zehn Jahre bei den dort lebenden Taoisten. Er war

* Ba Gua ist die subtilste, raffinierteste und geheimnisvollste der inneren Kampfkünste Chinas.

Grundlage sind die Energiemanifestationen gemäß dem I Ging (Buch der Wandlungen). Diese

Kampfkunst ist das einzige innere Kampfsystem, das theoretisch und praktisch vollständig taoisti-

scher Herkunft ist. Als primär spirituelle Kunst oder Lehre ist Ba Gua gleichzeitig ein unübertrof-

fenes Selbstverteidigungssystem. Viele halten Ba Gua für das höchstentwickelte und effizienteste

chinesische Kampfkunstsystem.

Ba bedeutet „acht", gua „Trigramme" und chang „Hand" oder "Handfläche".

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Linienhalter in den Traditionen des Tai Chi, Hsing-I* und Ba Gua sowie Adept in

taoistischem Chi Gung und taoistischer Meditation.

Liu hielt sich, wie viele andere traditionell gesinnte Kampfkünstler, vom öffent-

lichen Leben fern. Tatsächlich hatte er seit 1949, dem Jahr der kommunistischen

Revolution in China, nur eine Person in Hsing-I und Ba Gua unterrichtet - Bruces

Lehrer in Hongkong, Bai Hua. Als Bruce Bai Hua fragte, ob Liu ihn in Beijing als

Studenten annehmen würde, antwortete dieser: „Wer weiß? Er unterrichtet so gut

wie niemanden, und es ist unmöglich vorauszusehen, was er tun wird."

Von der ersten Begegnung an verhielt sich Liu Bruce gegenüber aufgeschlossen.

Bruce erkannte sofort, dass die zwanzig Jahre, die er zuvor intensiv mit Kampfkunst

und Meditation verbracht hatte, für das Studium mit diesem Manne nur als Grundla-

ge dienen würden. Der mehr als doppelt so alte und weniger als halb so schwere Liu

konnte Bruce hochheben und mit Leichtigkeit und nach Belieben umherbewegen.

Bruce dagegen gelang es buchstäblich nicht, Liu auch nur den kleinen Finger zu

krümmen. Er, den man in Hongkong und Taiwan als „junger Meister" anerkannte,

war zutiefst beeindruckt. Liu klärte ihn mit den folgenden Worten auf: „Um Energie

zu haben, bedarf es mehr, als nur groß und stark zu sein."

In den Jahren, die er bei Liu studierte, konnte er häufig den Erfolg der taoisti-

schen Verjüngungstechniken beobachten, die der Ältere praktizierte. Diese schie-

nen ihn innerhalb weniger Stunden oder Tage von einem alten in einen jungen

Mann zu verwandeln. Diese Transformation war verblüffend, und Bruce hielt

die Kontrolle über den Alterungsprozess für den Beweis wahrer Meisterschaft.

Bruce bat Liu, ihn in Ba Gua zu unterweisen. Der Unterricht war mit den aufrei-

bendsten Energieübungen verbunden, denen er sich jemals unterzogen hatte. Nach

den Übungsstunden war er meistens so erschöpft, dass Liu ihm sein eigenes Bett

zum Ausruhen anbot, ihn dann mit buddhistischen und taoistischen Geschichten

unterhielt und ihn die Meditation lehrte.

Jahre später verriet Liu, dass der einzige Grund, weshalb er zugestimmt habe,

Bruce zu unterweisen, der war, dass ihm seine Ankunft in einem Traum vorausge-

sagt worden sei. Liu hatte in seinem Leben fünf prophetische Träume gehabt, die

alle in Erfüllung gegangen waren. Wie viele andere ältere Taoisten glaubte auch

* Hsing-I ist das dritte der inneren Kampfkunstsysteme Chinas. Es ist hauptsächlich angriffs-

orientiert. Durch die Entwicklung von Chi verhilft Hsing-I zu Gesundheit, jugendlicher Spann-

kraft und Energie. Wer es praktiziert, erreicht seine Ziele mit außergewöhnlicher physischer und

mentaler Energie.

Hsing bedeutet „Form", / „geistige Absicht". Wenn der Geist aktiv wird, sorgt der Körper für die

praktische Ausführung und das vorgestellte Ziel wird erreicht.

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Liu daran, dass sich karmische Verbindungen erfüllen, und spürte tief im Inneren,

dass eine solche Verbindung zwischen ihm und Bruce existierte. Deshalb lehrte Liu

Bruce die inneren Geheimnisse des Chi Gung und anderer taoistischer Energieküns-

te, die in diesem und weiteren von Bruce verfassten Büchern vorgestellt werden.

New York: Die ersten Erfahrungen in den Kampfkünsten Bruce wurde im April 1949 in New York geboren. Er war ein dickes, unbeholfenes

Kind, das mit zwölf Jahren mitansehen musste, wie ein Schulkamerad bei einer

Schlägerei auf dem Schul hof schwer verletzt wurde. Dieses Ereignis hatte einen nach-

haltigen Einfluss auf ihn, denn ein Plakat in der U-Bahn, das mit dem Slogan „Fürchte

dich vor niemandem!" warb, führte ihn umgehend in seine erste Judo-Stunde. Kurz

danach begann er, sich mit Karate, Jiu-Jitsu, Aikido und Zen-Buddhismus zu befassen.

Er war 14 Jahre alt, als er sich noch intensiver mit Zen-Buddhismus beschäftigte.

Zen gebrauchte er hauptsächlich, um sich beim Karate und bei den Waffenformen

störender Hemmungen zu entledigen. Die Meditation diente ihm in diesem jungen

Alter als Hilfsdisziplin für die Kampfkünste und nicht für die spirituelle Entwicklung.

Selbst ohne die spirituelle Komponente verschaffte ihm Zen eine geistige Zielge-

richtetheit, die ihm die Kraft gab, alle Hindernisse zu überwinden.

Es erscheint nur folgerichtig, dass er in den ersten Jahren sein ungeteiltes Interesse

auf die japanischen Kampfkünste richtete. Er bestand die Prüfungen zum Schwarzgurt

in Jiu-Jitsu, Karate und Aikido, bevor er überhaupt zum ersten Mal in den Fernen

Osten reiste. Einen weiteren Schwarzgurt erwarb er dort kurz nach seiner Ankunft.

Auf Anraten seines Jiu-Jitsu-Meisters lernte er Shiatsu (japanische Meridianmassa-

ge) und behandelte schon während seiner Highschool-Zeit Patienten. Aikido und

Shiatsu beruhen auf der Beherrschung des Ki (Ki ist das japanische Wort für Chi

oder Lebensenergie): Im Aikido bildet es die Grundlage der Kampfkraft, im Shiatsu

der Heilkraft. Bruce interessierte und entschied sich also schon recht früh für das

große Gebiet der Energie- und Gesundheitslehren.

Mit 18 Jahren war ihm bereits klar geworden, dass er, um zum wahren Wesen der

fernöstlichen Kampf-, Heil- und Meditationssysteme vorzudringen, deren Quelle

finden müsste. Dieses Verlangen führte ihn für 16 Jahre zu Studien im Ausland: elf

Jahre nach China, drei nach Japan und zwei nach Indien.

Nach seinem Eingeständnis waren seine Jugendjahre in den Kampfkünsten

hauptsächlich jedoch von der Faszination zerstörerischer Kraft geprägt. In jener

Zeit interessierte ihn primär, wie man den menschlichen Körper verletzen konnte.

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Paradoxerweise drückte sich auch sein anhaltendes Interesse für Gesundheit und

Meditation in destruktiven Vorstellungen aus: Die Zen-Meditation wurde seine

Waffe, um die absurden Schichten des Geistes zu zerstören, und die Massage sein

Werkzeug, um die Beschwerden und Schmerzen der Patienten zu bezwingen. Erst

später, etwa mit Mitte 20, orientierte er sich grundlegend um. Seine Hinwendung

zu Gesundheit und allgemeinem Wohlbefinden füllte ihn von da an ungebrochen

aus, und er beschäftigte sich intensiv damit, die Kampf-, Heil- und Meditationstech-

niken konstruktiv einzusetzen, um die nutzbringenden Aspekte von Körper, Geist

und Seele vor Schaden zu bewahren.

Dieser Umschwung fand in China statt. Hier beobachtete er ältere Praktizieren-

de beim Chi Gung, die deutlich gesünder und leistungsfähiger waren als halb so

alte Landsleute. Zu Beginn war er tief beeindruckt, welche physischen Kräfte sich

beim Chi Gung durch körperliche Bewegungen erwerben ließen. Als er dann auch

noch die Chi-Gung-Übungen kennenlernte, mit denen man die Lebensenergie

direkt beeinflussen kann, fing er an zu verstehen: Hier gab es eine Methode, Kraft

und Vitalität auf gesunde Weise zu erhalten und zu vermehren. Dazu fiel ihm auf,

dass alle, die er beim Üben beobachtete, und das schloss ihn selbst ja auch ein,

zunehmend kräftiger wurden - und zufriedener. In den Krankenhäusern, in denen

er mehrere Jahre mit therapeutischer Chi-Gung-Massage (Tuina) arbeitete, erlebte

er, wie Menschen, die ihr Leben lang krank gewesen waren, durch Chi Gung zu

Gesundheit und zu neuer Leistungsfähigkeit aufblühten. Er sah, wie viele Patien-

ten, die neurotisch, geistig gestört oder eindeutig verrückt waren, die zu extremer

Wut, Depression und Angstzuständen neigten, durch Chi Gung ruhig, gefestigt und

selbstsicher wurden. Er wurde Zeuge, wie Chi Gung bei genereller Antriebsschwä-

che wieder zu geistiger Klarheit und Wahrnehmungsfähigkeit führte. Nach Bruces

Ansicht wirken chinesische Methoden nachweislich besser und sinnvoller als vieles,

was westliche Medizin und Sportwissenschaft zu bieten haben.

Tokio: Der Weg des Aikido 1967, im Alter von 18 Jahren, ging Bruce zum ersten Mal nach Japan. Dort schrieb

er sich an der Sophia-Universität in Tokio ein. Sein Hauptinteresse galt immer noch

den harten Stilen der Kampfkünste. Außerdem hatte er das große Glück, von 1967

bis 1969 bei dem Gründer des Aikido, Morihei Ueshiba, studieren zu können.

Ueshiba war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, sein überdurchschnittliches

Niveau der Ch¡-Meisterschaft schien unerreichbar. Während seiner letzten Lebens-

monate, als er schon zu schwach zum Gehen war, wurde er zu den Übungsstun-

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den ins Dojo getragen. Selbst in diesem Zustand konnte er sich noch erheben und

genügend Energie mobilisieren, um seine stärksten Studenten wie leichte Puppen

zu Boden zu schleudern. Nach dem Training wurde er dann wieder in sein Bett

getragen. Bruce betrachtete solche Episoden als beeindruckendes Beispiel dafür,

wie die Lebenskraft die reine Körperlichkeit überwindet.

Auch wenn Ueshiba die physischen Techniken und die spirituellen Lehren des

Aikido an seine Studenten weitergegeben hatte, fühlte Bruce, dass keiner von ih-

nen Ueshibas hohes Niveau der Chi-Beherrschung besaß. Es war eine allgemein

bekannte, aber im Dojo nicht gern zugegebene Tatsache, dass sich Ueshibas System,

nachdem er in China längere Zeit als Mönch gelebt hatte, entscheidend verändert

hatte; aus Aiki-Jitsu entstand Aiki-Do (Do ist das japanische Wort für Tao). Das

heißt, aus einer auf Jiu-Jitsu beruhenden Kriegskunst wurde ein „Weg", der auf dem

Ki oder Chi aufbaute. Zu diesem Zeitpunkt besaß Bruce fünf Schwarzgürtel in den

japanischen Kampfkünsten. Er hatte schon viele der großen japanischen Kampf-

künstler aufgesucht, aber keiner von ihnen konnte sich in seinen Augen auch nur im

Entferntesten mit Ueshibas gewaltigen Chi-Kräften messen. Bruce woll te unbedingt

herausfinden, welche Chi-Methoden Ueshiba in China erlernt hatte.

Taiwan: Der erstaunliche Wang Shu-Jin Als Bruce 1968 Taiwan besuchte, begegnete er Wang Shu-Jin*, einem Meister der

inneren Kampfkünste, der ursprünglich aus Tianjin stammte. Wang war über 70

Jahre alt und schwer übergewichtig. Bei einer Größe von 1,72 m wog er mehr als

250 Pfund. Gleichwohl erwies er sich körperlich wendiger als der jüngere Bruce,

den er nach Belieben umherstieß.

Bei ihrer ersten Unterhaltung behauptete Wang, dass die Kampftechniken des

Karate minderwertig seien und dass langjährige Karate-Praxis den Körper schädige

und vorzeitig altern lasse. Bruce, der bis dahin hauptsächlich Karate studiert hatte,

widersprach leidenschaftlich. Das führte, wie es bei Meinungsverschiedenheiten

zwischen Kampfkünstlern häufig der Fall ist, zu einer Herausforderung. Wang bot

Bruce an, den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung im Kampf zu beweisen.

Bei diesem Kampf erinnert Bruce sich am deutlichsten daran, dass seine Hände

und Füße furchtbar schmerzten, wenn er sie gegen die verschiedenen Körperteile

Wangs einsetzte. Besonders Wangs beängstigende Angewohnheit, während des

Duells immer wieder unerwartet in seinem Rücken aufzutauchen und ihm leicht

* auch Wang Shu-Chin

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auf die Schulter zu klopfen, ist ihm noch heute vor Augen. Ein kurzer Moment ihres

Kampfes hat sich ihm tief ins Gedächtnis eingeprägt: Das war, als Wang mit halb

geschlossenen Augen langsam auf ihn zukam. Bruce erzählt, dass er in tiefster Seele

um sein Leben fürchtete. Er wich zur Wand zurück, sammelte alle seine Kräfte und

trat Wang, so fest es ging, mit der Ferse in den Solarplexus. Dieser Tritt riß Wang

prompt aus der Trance und fachte seinen Zorn an. Er schlug Bruce mit minimaler

Kraft auf den Kopf, und dieser fühlte einen elektrischen Schlag durch seinen Körper

jagen. Als Nächstes kann er sich nur noch daran erinnern, dass er plötzlich zu seiner

völligen Verblüffung auf dem Boden saß.

Bruce begann bei Wang in der 5-Uhr-Morgen-Klasse im Taichung-Park zu trai-

nieren. Etwa nach einer Woche fragte ihn ein alter Mann, ob er „spielen" wolle.

Der Mann war unscheinbar und mager, eben ein ganz normaler Kursteilnehmer.

Bruce fühlte sich ein wenig unbehaglich, er wollte seine Körperkräfte gegenüber

dem Alten nicht ausnutzen. Schließlich wil l igte er ein. Nachdem er ein paarmal

getroffen worden war, sah er ein, dass alle Skrupel unangebracht waren. Er setzte

dem alten Mann so energisch wie möglich zu, aber dieser hatte keine Mühe, mit

Bruce als Gegner fertig zu werden. Bruce war fassungslos über den Ausgang des

Kräftemessens. Während er noch ganz benommen dastand, kam die Frau des Alten

herüber und erkundigte sich, ob sie es auch einmal probieren könnte. Nach einem

Jahr Erfahrung in Japan wusste Bruce nicht, wie er solche Aufforderungen ablehnen

sollte. Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass sie mit ihm auf dem Niveau

der besten japanischen Karateka der zweiten Dan-Stufe kämpfte.

Bruce war nach dieser Erfahrung mit dem alten Ehepaar so niedergeschlagen, dass

er ernsthaft erwog, die Kampfkünste aufzugeben. Wenn Meister Wang Shu-Jin ihn be-

siegte, war das eine Sache - dass aber diese offensichtlich durchschnittlichen Schüler

ihn schlagen konnten, beschäftigte ihn doch sehr. Zu jener Zeit war er immerhin

schon vier Jahre lang Schwarzgurt-Kämpfer. Er hatte in Japan acht Stunden pro Tag

trainiert, und doch sah es so aus, als ob er seine Chance verpasst hätte. Würden ihn

als Nächstes Fünfjährige schlagen? Hätte er denn mit drei Jahren anfangen sollen

statt mit zwölf? Hätte er gar vierzehn Stunden täglich trainieren sollen?

Ein paar Tage später ergab sich die Möglichkeit, mit dem älteren Ehepaar zu reden.

(Damals sprach Bruce schon fließend Japanisch, das auch viele ältere Taiwanesen

seit der Besatzungszeit beherrschten.) Sie hatten ihren Unterricht sieben Jahre zuvor

bei Wang begonnen, weil der Mann an heftiger Arthritis litt. Er war anfänglich nur

daran interessiert, seine Gesundheit wiederherzustellen, nicht die Kampfkünste zu

erlernen. Nach drei Jahren Tai Chi, Hsing-I und Ba Gua war er wieder völlig gesund

und glaubte, mit dem Training aufhören zu können. Sechs Monate später meldeten

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sich seine Beschwerden zurück. Als er wieder zu üben anfing, verschwanden die

Symptome umgehend.

Am Tage vor dieser Unterhaltung hatte Bruce, um sein angeschlagenes Selbst-

bewusstsein wiederaufzurichten, gegen einen von Wangs jugendlichen Studenten

gekämpft - und wurde noch vernichtender geschlagen. Ihm wurde schmerzhaft

bewusst, welch hohes, kaum zu übertreffendes gesundheitliches und athletisches

Niveau Wangs Studenten durch Chi Gung erreicht hatten. Bruces Gedanken gingen

nun in eine andere Richtung: Wenn jeder Einzelne von Wangs Schülern so erfolg-

reich war, dann müsste auch er es schaffen können. Sein Entschluss, die inneren

chinesischen Künste bei Wang zu erlernen, stand damit fest.

Wang erklärte ihm als Erstes den Unterschied zwischen den inneren und den

äußeren Kampfkünsten. Die äußeren Systeme entwickeln die Knochen, Muskeln

und Sehnen - kurz, die äußere Physis. Chi Gung und die inneren Kampfsysteme

des Tai Chi, Hsing-I und Ba Gua fördern die Entwicklung und das Bewusstsein der

Körperenergien, so dass Chi schließlich konkret wahrgenommen werden kann und

greifbar wird. Das im Raum existierende Energiefeld erscheint einem Chi-Gung-

Übenden oder Adepten der inneren Kampfkünste so real wie einem Schwimmer

das Wasser des Meeres.

Lange bevor die inneren Systeme überhaupt zur Selbstverteidigung genutzt wur-

den, waren sie schon Bestandteil des taoistischen Yoga. Ursprünglich sollten sie den

Körper heilen, den Geist beruhigen, die Langlebigkeit fördern und die körperliche

Grundlage für die höheren Stufen der Meditation bilden. Die inneren Kampfkünste

zeichnen sich durch kreisförmige, fließende Bewegungen aus, die anatomische

Stabilität, solide Körperdynamik sowie ein ausgeprägtes Gefühl für physische und

psychische Kraft entwickeln. Der 19 Jahre alte Bruce sollte die an ihn gerichteten

Worte des 73-jährigen Wang niemals vergessen: „Ich kann mehr essen als du, ich

besitze mehr sexuelle Vitalität als du, ich bewege mich schneller und kämpfe er-

folgreicher als du, ich werde nie krank. Und du glaubst, dass du gesund bist? Um

gesund zu sein, bedarf es mehr als nur der Jugend. Chi kann dich alles dies lehren."

Bruce sah ein, wie recht Wang hatte, und er übte bei ihm, mit Unterbrechungen,

während der folgenden zehn Jahre.

Er kehrte noch einmal an die Sophia-Universität in Tokio zurück, um dort an

Kursen teilzunehmen. Gleichzeitig, von 1968 bis 1971, befasste er sich weiterhin

mit den inneren Kampfkünsten bei dem Hsing-I-Meister Kenichi Sawai und verschie-

denen japanischen Schülern Wangs. Er hatte auch das große Glück, in dieser Zeit

einem alten chinesischen Arzt zu begegnen, der ihn in der Massagetherapie Tuina,

einem chinesischen System der Körperarbeit, unterwies, das er nach knapp zwei

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Jahren beherrschte. (Bruce sollte in der Folge noch mehr über dieses System lernen

und es später in seiner Kliniktätigkeit auf dem chinesischen Festland einsetzen.) Mit

diesem Arzt hatte Bruce zum ersten Mal jemanden gefunden, der mit seinen Händen

jederzeit Chi übertragen konnte, um Krankheiten zu heilen und die geschwächten

Körper anderer Menschen zu stärken. Während seines dritten Studienjahres in Japan

ging Bruce mit einem speziellem Forschungsauftrag nach Okinawa, um dort Karate

und die einheimischen Waffensysteme zu studieren. Hier, im eigentlichen Geburts-

land des Karate, spürte er deutlich, wie sehr die Chi-Methoden zur Stärkung des

Körpers und hoch entwickelte Kampftechniken fehlten. Diese Erkenntnis veranlasste

ihn endgültig dazu, die äußeren harten Kampfkünste aufzugeben und sein ganzes

Streben auf die inneren Kampfkünste und Chi Gung zu richten.

Indien: Meditation zur Kultivierung von Chi Aus den taoistischen Lehren Wang Shu-Jins in Taiwan wusste Bruce, dass die Ener-

giekultivierung eine der Grundlagen der Meditation sein kann. Da Bodhidharma,

wie die Legende berichtet, im fünften Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Kampf-

künste und die Meditation aus Indien zum Shaolin-Tempel gebracht hatte, entschloss

sich Bruce, immer schon ein passionierter Sucher authentischen Materials, die

Quellen in Indien selbst kennenzulernen. (Die historischen Tatsachen, nach denen

China schon Jahrhunderte vor Bodhidharmas Besuch hoch entwickelte Kampf-

künste und Chi-Gung-Methoden besessen hatte, waren ihm damals nicht bekannt.)

Als er im Jahre 1971, nach viereinhalb Jahren Asienaufenthalt, in die Vereinigten

Staaten zurückkam, war er von den chinesischen Lehrern, die er in den USA antraf,

zutiefst enttäuscht. Seiner Ansicht nach hielten sie entweder Informationen zurück,

hatten kein verbürgtes Wissen zu vermitteln oder konnten wegen ihrer offensichtli-

chen Sprachprobleme nur ungenügend und oberflächlich unterrichten. Er entschloss

sich, wieder nach Asien, dem „Harvard" für Energiekultivierung, zurückzukehren.

Bis 1987, als er sich fest in den Vereinigten Staaten niederließ, pendelte er zwischen

Asien und dem Westen hin und her und verdiente seinen Lebensunterhalt durch

Unterricht in Chi Gung und in den inneren Kampfkünsten sowie der Heilkunst des

Tuina in den USA und in Europa. 1972, nach einem sechsmonatigen Gastspiel als

Tai-Chi-Lehrer in Amerika, machte er sich auf den Weg nach Indien.

Zuerst begab er sich zu einem Ashram in Südindien, um die Techniken des Pra-

nayama-Yoga* zu erlernen, der direkt mit der Lebensenergie arbeitet. Er übte in der

klassischen Weise - durch Anwendung von Atem, Mantras** und Mudras*** - in

täglich vier Abschnitten zu jeweils drei Stunden. Nach drei Monaten solcher ln-

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tensität war Bruce „fähig, die Kundalini-Shakti zu erwecken", eine spirituelle Kraft,

die das Bewusstsein reinigt und schließlich zur Erleuchtung führt. In Rishikesh,

Nordindien, studierte er bei Curu Shiv Om-Tirth tantrische Kundalini-Meditation.

Die dort gesammelten Erfahrungen versetzten ihn in die Lage, die fundamentalen

energetischen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem chinesischen und

dem indischen System der Lebenskraft zu erkennen und zu verstehen.

Bruce wusste, dass die indischen wie auch die chinesischen Methoden, wenn sie

nur korrekt ausgeführt würden, durch Übung und Regulierung der Lebenskraft Krank-

heiten heilen und das Leben verlängern konnten. Beide Systeme hatten sich lange

genug bewährt und, im wahrsten Sinne des Wortes, in Tausenden von Jahren viele

Verbesserungen und Verfeinerungen erfahren. Der Hauptunterschied im Gesund-

heitsbereich betraf, soweit er erkennen konnte, die Übungspraxis: Im chinesischen

System geht es primär um Bewegung, um das unendliche, dem Wasser im Strom

gleichende Fließen der Energie, während die indischen Methoden Körperhaltun-

gen (Asanas) verwenden, die sich durch klar definierte Anfänge, Abschlüsse und

Pausen zwischen den einzelnen Körperhaltungen auszeichnen. Dieser Unterschied

macht sich auf der Erfahrungsebene tief greifender bemerkbar, als es zunächst aus-

sehen mag. Tai Chi ist aktiv, Yoga passiv. Yoga scheint zu größerer Beweglichkeit

zu führen, während Tai Chi mehr Kraft und Bewegungskoordination aufbaut. Doch

beide sind einander auch ähnlich, da Hatha-Yoga mit den Asanas auf Pranayama

vorbereitet - die Asanas öffnen den Körper und Pranayama arbeitet dann mit der

Lebensenergie. Die inneren chinesischen Systeme nutzen dagegen spezifische

Bewegungen, welche die Zirkulation der Lebensenergie zusätzlich anregen. Ohne

bewusste innere Energiestimulation bleibt jedoch die aktivierte Energie in beiden

Systemen minimal. Bruce ist der Ansicht, dass der Yoga-, Tai-Chi- und Chi-Gung-

Unterricht im Westen in den meisten Fällen die innere Komponente nicht vermittelt.

Die alleinige Betonung der äußeren harten Kampfkünste, der äußeren Bewegungen

im Tai Chi oder der passiv geübten Asanas im Yoga kann, laut Bruce, nur eine äußerst

begrenzte Menge an Chi in Bewegung versetzen.

* Pranayama ist das indische Gegenstück zu dem chinesischen Chi Gung. Am Anfang werden

Atemkontrolltechniken erlernt. Später geht es darum, die inneren Bewegungen der Lebensenergie

durch gedankliche Konzentration zu beherrschen (Prana: „Atem"; Yama: „kontrollieren" oder

„entwickeln").

** Mantras sind Rezitationen oder Gesänge, die spezielleTöne verwenden, welche dann besondere

Energien im körperlichen, geistigen und seelischen Bereich zur Wirkung bringen.

*** Mudras sind Hand- und Fingerstellungen, die höhere energetische und geistige Zustände im

Übenden hervorrufen.

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Die beiden Systeme schließen einander keineswegs aus. Bruce glaubt, dass sie

parallel zueinander ausgeübt werden können und sich konstruktiv unterstützen.

Alle, die gegenwärtig Yoga praktizieren, können die inneren chinesischen Systeme

dazu verwenden, die Auflösung von Energieblockaden und den Fluss der inneren

Energie zu beschleunigen. Obwohl er während seiner Schulung in Indien die meisten

schwierigen Asanas im Hatha-Yoga schließlich meisterte, fand Bruce dieses System

nie so überzeugend wie die inneren Bewegungskünste Chinas.

Außerdem gab es etwas, das ihm bei seinen Erfahrungen in Indien nicht behagte:

die Verehrung des Guru. Der Guru spielt in den indischen Traditionen eine Schlüs-

selrolle, denn er gilt als Gottes direkter Vertreter auf Erden. In seiner göttlichen

Funktion wird ihm so viel Achtung und Verehrung entgegengebracht, wie sie nur

wenige Abendländer einer lebenden Person erweisen würden. Obwohl die chinesi-

sche Tradition den Meistern ebenfalls größeren Respekt entgegenbringt, als man es

im Westen kennt, werden die taoistischen Meister (nicht alle chinesischen Meister

sind Taoisten!) eher als Hüter uralten Wissens betrachtet. Die taoistische Bezie-

hung zwischen Lehrer und Schüler gleicht mehr der zu einem älteren respektierten

Freund, der einen anderen unterstützt, als der zu einem gottgleichen Meister, der

einem einfachen Sterblichen aus der Klemme hilft. Die Taoisten gehen davon aus,

dass im Tao alle eins sind. Sie bezeichnen sich gegenseitig als „Freunde im Tao".

Infolgedessen hinterließen Bruces Lehr- und Wanderjahre bei den Taoisten viel

angenehmere Erinnerungen bei ihm als die Schulung unter den indischen Gurus.

In Indien gelang es Bruce, zwischen den beiden klassischen Systemen der inneren

Energie präzise Vergleiche anzustellen und wertvolles Wissen über die Meditation

und Chi zu sammeln. Er infizierte sich aber auch mit einer fast tödlich verlaufenden

Gelbsucht.

Taiwan, Hongkong, Poona, Beijing: Vom hochkarätigen Kämpfer zum hochkarätigen Heiler Die extrem bösartige Form von Gelbsucht, die Bruce sich in Indien zuzog, kostete

zwei engen Freunden von ihm das Leben. Er selbst überstand sie nur mit einer stark

angegriffenen Leber. Heute ist er überzeugt davon, dass er ohne die Energieübun-

gen des Tai Chi und Chi Gung in Indien gestorben wäre. Sein Zustand war höchst

kritisch. Er lag in einem Krankenhausbett und konnte sich kaum bewegen. Der

untersuchende indische Arzt sagte ihm, dass er sich in Lebensgefahr befände. Er

war sicher, dass es mit ihm tatsächlich zu Ende gehen würde, wenn er nicht selbst

etwas unternähme. Er quälte sich aus dem Bett, richtete sich, am ganzen Körper

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zitternd, auf und zwang sich, Tai-Chi- und Chi-Gung-Bewegungen auszuführen.

Sein ganzer Körper schmerzte, aber er gab nicht auf, bis er endlich kraftlos aufs

Bett fiel. Danach schlief er drei Tage in einem durch. Als er aufwachte, wusste er,

dass er überleben würde.

Nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, kehrte er nach Taiwan zurück.

Dort übte er die inneren Kampfkünste mit großer Leidenschaft und trainierte wäh-

rend der nächsten vier Jahre bei dem Ba-Gua-Kampflehrer Hung I Hsiang. Bruce ist

davon überzeugt, dass dieses Training seine Leber regenerierte und er nur deshalb

die Kampfkünste weiter studieren konnte. Er erforschte die halb inneren, halb äu-

ßeren Kung-Fu-Stile der „Acht betrunkenen Unsterblichen", der „Nördl ichen Got-

tesanbeterin", des „Fukien Weißer Kranich", des „Nördlichen Affen" und des „Wing

Chun". Dabei stellte er fest, dass viele der wirkl ich überragenden Kampfkunstlehrer,

die vom chinesischen Festland stammten, schon sehr alt waren. Hier ergab sich

vielleicht eine letzte Chance für ihn, ihre Kampfstile noch vollständig und unver-

fälscht zu lernen, bevor die Meister diese Welt unwiderruflich verlassen würden.

Während der Phase dieser unglaublich intensiven Hinwendung zu den Kampf-

künsten fand Bruce auch noch die Zeit, medizinisches Chi Gung für bestimmte

Krankheitsbilder zu studieren. Sein besonderes Augenmerk galt der Regeneration

von Nerven und Rückenmark. In dem Maße, wie sein Energiespiegel durch die

Übungen kontinuierlich anstieg, hatte er auch wieder Zeit für die Meditation. Er

übte bei Taoisten, die sich hauptsächlich damit beschäftigten, körperlich und geistig

negative Emotionen zu beseitigen.

Gegen Ende 1975 flog Bruce nach Manhattan zurück. Dort unterrichtete er

hauptsächlich privat und behandelte eine kleine Patientengruppe mit Chi-Gung-

Übungen und Tuina. Er fühlte sich noch nicht so weit, öffentlich zu unterrichten,

weil er zum einen die östlichen Traditionen respektierte und zum anderen noch

nicht genügend Erfahrung hatte. Er traute sich auch nicht zu, die Entwicklung seiner

Schüler so zu überwachen, wie er es für angemessen hielt, da er zwischen Asien

und denVereinigten Staaten hin- und herpendelte.

Bei diesem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten wurde ihm bewusst, welche

entscheidende Rolle der Stress spielt. Er sah die große Zahl derer, die sich durch

Überarbeitung und Sorgen völl ig verausgabten. Bruce dachte viel darüber nach,

wie sich seine taoistischen Erkenntnisse zur Lösung dieser Probleme anwenden

ließen, wusste aber auch, dass seine medizinische Ausbildung noch lückenhaft war.

Viele strukturelle Gesundheitsprobleme der inneren Organe ließen sich mit seinen

damaligen Chi-Gung-Kenntnissen noch nicht behandeln. Er führte sorgfältig Buch

über seinen Ausbildungsstand und seine Wissenslücken. Als er nach einem Jahr

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nach Asien zurückkehrte, bemühte er sich, die fehlenden medizinischen Kenntnisse

zu ergänzen.

Seine Recherchen zum Verständnis der Emotionen und ihrer Wirkung auf Stress

induzierende Faktoren führten ihn 1977 nach Poona in Südindien. Dort konnte er

seine tantrischen Studien fortsetzen. Gleichzeitig schloss er sich einer Gruppe an,

in der die Zusammenhänge zwischen Gefühlen, psychischen Bereichen, Meditation

und Chi erkundet wurden und dazu Kundalini mit psychotherapeutischen Techniken

der New-Age-Bewegung kombiniert wurde. Jetzt begriff er, wie sich das Denken des

westlichen Menschen mit dem östlichen System der Energiearbeit vereinbaren ließ.

Gegen Ende 1977 war er wieder in Taiwan und studierte zwölf Stunden pro Tag

die inneren Energiesysteme. Er verbesserte sein Ba Gua, versenkte sich in taoistische

und tantrische Meditation, beschäftigte sich mit der Auflösung gestauter emotionaler

Energie und setzte seine medizinischen Studien an Rückenmark und Nervensystem

fort. 1978 bestand er in Hongkong die Prüfung für höhere Akupunktur, entschied

sich aber, der Chi-Gung-Therapie treu zu bleiben.

Bruce Frantzis stößt Energie aus, um seinen Gegner vom Boden zu heben.

Diese fortgeschrittene Technik ist gewöhnlich im Tai Chi „Push Hands" und bei anderen

inneren Kampfkünsten anzutreffen.

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In den letzten Monaten des Jahres 1979 übersiedelte er nach Denver, Colorado,

und eröffnete eine kleine Schule für eine begrenzte Anzahl von regelmäßig üben-

den Schülern. Erst nach seinem Studium bei Großmeister Liu in Beijing vertraute er

seiner Beherrschung der inneren Prinzipien des Chi Gung genügend, um öffentliche

Seminare zu geben und Bücher zu diesem Thema zu schreiben. Nachdem er bei

Vollkontakt-Kämpfen jahrelang eindrucksvolle Siege errungen hatte, begann Bruce

sich nun von der Kampfszene abzuwenden und sich noch intensiver fürTherapie und

Meditation zu interessieren. Obgleich er danach, vor allen Dingen in Beijing, seine

Kampftechniken weiter verbesserte, hatten sich seine Ziele klar und unwiderruflich

geändert. Im Sommer 1981, als er bei Großmeister Liu Hung Chieh die Grundlagen

für seine weitere Entwicklung erhielt, war er dermaßen in seine Ausbildung vertieft,

dass er nicht ein einziges Mal die Zeit erübrigte, die von Lius Haus nur fünf Minuten

entfernte Verbotene Stadt zu besuchen.

Im Herbst 1981 kehrte Bruce nach Denver zurück. Dort begann er in aller Muße

wieder zu unterrichten und Lehrer auszubilden. Fast wäre er zum lebenslangen

Krüppel geworden.

Denver: Die Krise der Selbstheilung Anfang 1982 wurde Bruce in einen furchtbaren Autounfall verwickelt, bei dem er

schwerste Verletzungen an der Wirbelsäule davontrug. Zwei Wirbel waren voll-

ständig gebrochen, andere wiesen Haarrisse auf; viele Bänder und Sehnen der

Wirbelsäule waren gerissen und alle Wirbel aus ihrer Normallage gesprengt. Die

Chirurgen drängten ihn zu einer Spinalfusion (operative Versteifung benachbarter

Wirbelkörper), aber Bruce lehnte das, unter höllischen Schmerzen leidend, vehe-

ment ab. Seine lange Erfahrung mit Chi Gung und Tuina hatte ihn gelehrt, dass sein

Körper nach einer derartigen Operation nie wieder den ursprünglichen Energiezu-

stand erreichen würde. Nachdem er sich die Chirurgen vom Leib gehalten hatte,

begann Bruce, flach auf dem Rücken liegend, pro Tag acht bis zehn Stunden Chi

Gung zu üben.

Wunder stellten sich nicht ein. Es war eine lange peinigende Tortur, die Wirbel-

säule mit diesen Techniken wieder zu regenerieren. Komplikationen traten auf. Bruce

spricht heute noch davon, wie die Verletzung der Wirbelsäule alle psychischen

Kontrollmechanismen stillgelegt hatte. Die dunkelsten Kräfte drängten aus den tie-

feren Schichten seines Geistes an die Oberfläche. Ohne die jahrelangen speziellen

Konzentrationsübungen wäre er zu einem Leben in einer psychiatrischen Anstalt

verdammt gewesen. Doch er hielt durch.

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Die emotionale Belastung, die zu den permanenten Nervenschmerzen hinzu-

kam, machte das Leben jedoch für ihn wie für seine Umgebung unerträglich. Der

plötzliche Verlust seiner körperlichen Kräfte und Fähigkeiten, der gebrochene Stolz

des Athleten - all das waren verheerende Schläge. Er verfiel in entsetzliche Nieder-

geschlagenheit, verlor alles Interesse an Tai Chi und konnte wegen der Schmerzen

kein Ba Gua mehr üben. Ihm war klar, dass er etwas für seine geistige und mora-

lische Verfassung tun musste. Das Gefühl, für sich und seine Schüler nutzlos zu

sein, durfte nicht anhalten. Als die Chi-Gung-Übungen seine Wirbelsäule so weit

wiederhergestellt hatten, dass er sich mehr schlecht als recht bewegen konnte, nahm

Bruce an verschiedenen Psycho- und Körpertherapien in Colorado und Oregon teil.

Sie halfen zum Teil und stärkten seine mentale Stabilität. Aber wie wirksam eine

Psychotherapie auch sein mag, Nervenschmerzen rund um die Uhr hinterlassen

emotionale Verwüstungen. Die angewandten psychologischen Methoden reichten

nicht aus.

Bruce versuchte es mit allen möglichen Körpertherapien, einschließlich Chi-

ropraktik, Tiefengewebsmassage, Rolfing, Akupunktur, Massage und diversen Be-

wegungstherapien. Sie halfen auch ein wenig, weil sie die Schmerzen kurzfristig

dämpften, aber die Qualen kehrten immer wieder zurück. Als er einsah, dass ihn

die im Westen verfügbaren Heilmethoden nicht endgültig und vollständig wieder-

herstellen konnten, tat Bruce, was er schon mehrfach getan hatte: Er begab sich

auf die Suche nach China - dieses Mal, um die geeignete Heilmethode für seinen

Körper zu finden.

Wieder in Beijing: Die abschließenden Lehren bei Liu Liu hatte sich zur Meditation zurückgezogen und war für niemanden zu sprechen,

als Bruce im Sommer 1983 in Beijing eintraf. Ein weiteres Empfehlungsschreiben

von Bai Hua, seinem Lehrer in Hongkong, ermöglichte ihm, die inneren Techniken

des Yang-Stils bei Lin Du Ying* in Xiamen, Provinz Fujien, zu studieren. Obgleich

Bruce schon bei vielen Lehrern Yang-Stil Tai Chi geübt hatte, unter anderem bei

Yang Shao Jung, dem Urenkel des Yang-Stilbegründers, empfand er höchsten Re-

* Lin Du Ying war enger Schüler von Wu Hui Chuan undTien Jau Ling gewesen. Diebeiden zähl-

ten zu den besten Schülern von Yang Ban Hou, dem dritten Sohn des Begründers des Yang-Stils,

Yang Lu-Chan. Lin unterrichtete eine sehr rein erhaltene Form des Yang-Stils, etwa in der Art, wie

sie hundert Jahre vorher gelehrt wurde. Die meisten anderen Überlieferungen sind abgewandelt,

zum Teil sogar verwässert worden.

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spekt für Lin. Dieser schien ihm der außergewöhnlichste Vertreter des Yang-Stils zu

sein, den er je erlebt hatte. Da Bruce in aller Form als enger Schüler angenommen

worden war, erhielt er sämtliche Lehren korrekt und vollständig übermittelt. Er

empfand es als große Ehre, das geheime Wissen des Tai Chi von Lin zu empfangen.

Als Liu nach neun Monaten endlich Zeit hatte, suchte Bruce ihn wieder auf.

Während die Übung des Yang-Stils seine Hals- und Rückenschmerzen gelindert

hatte, quälte ihn der restliche Körper immer noch. Liu verordnete ihm Wu-Stil Tai

Chi. Dieser Stil betont sanft heilende Bewegung und Meditation, stärkt den Körper

und klärt den Geist. Innerhalb weniger Monate verschwanden durch diese Übung

die Schmerzen in Bruces mittlerem und unterem Rücken völlig.

Er wurde dann in taoistischer Meditation unterrichtet, zweimal am Tag jeweils

zwei bis drei Stunden. Sobald der Rücken ausreichend geheilt war, fing Liu auch

mit der Unterweisung in Ba Gua, Hsing-I und weiteren Chi-Gung-Methoden an.

Die Ausbildung verlief während der nächsten drei Jahre nach dem immer gleichen

Schema, ohne Unterbrechung, sieben Tage pro Woche.

Liu ergänzte die Lücken in Bruces bisheriger esoterischer Ausbildung und geleitete

ihn in Bereiche des Geistes, von deren Existenz er nichts gewusst hatte. Er führte

ihn durch alle Stufen der taoistischen Meditation, bis er unmittelbar die Instanz

erfuhr, wo alles mit dem Tao vereint ist. Liu wünschte, dass Bruce nicht nur die

inneren Kampfkünste und Chi Gung unterrichten sollte (dazu war er inzwischen

von Grund auf qualifiziert), sondern auch, falls er sich dazu bereit fühlte, taoistische

Meditation. Dank Liu konnte er das in diesem und weiteren Büchern dargestellte Chi-

Gung-System systematisch zusammenstellen. Der an sich konservativ eingestellte

Großmeister Liu hatte den bis dahin beispiellosen Schritt gewagt, einem westlichen

Ausländer die Weitergabe von Wissen zu erlauben, das selbst in China von alters

her geheim geblieben war.

Am 1. Dezember 1986 starb Liu. Nur einen Tag zuvor hatte er Bruce noch die

letzte Spezialtechnik aus dem Ba Gua erläutert, die höchste Stufe des Wu-Stils

anvertraut und formell das Wissen der Linie auf ihn übertragen. Der Abschied von

diesem ungewöhnlichen Manne war für Bruce schwer zu bewältigen; gleichzeitig

empfand er tiefe Dankbarkeit dafür, einem solchen Menschen begegnet zu sein.

Die Lehrzeit bei Liu erschien ihm wie ein großes und seltenes Geschenk. Nachdem

ihm die Ehre gewährt worden war, Lius Asche umzurühren - eine Handlung, die

gewöhnlich den engsten Familienangehörigen* vorbehalten b l e i b t - , kehrte Bruce

in die Vereinigten Staaten zurück.

* Liu hatte Bruce in einer konfuzianischen Zeremonie offiziell als Sohn adoptiert.

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Bruces Ziel war und ist seitdem, im Westen so viel wie möglich von Lius le-

bensförderndem Wissen weiterzugeben. Durch die ihm erwiesene Großzügigkeit

gewann Bruce Wissen und Selbstvertrauen. Nun hofft er, die Kulturen einander

näherzubringen, indem er den Menschen im Westen diese fernöstlichen Kenntnisse

zugänglich macht. „D ie Zeit der Geheimnisse", so Bruce, „ist vorbei."

Diese von dem verstorbenen taoistischen Linienhalter Liu Hung Chieh ausgestellte Urkunde

bestätigt Bruce Frantzis' Stellung in der siebten Generation der Ba-Gua-Linienhalter.

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Einleitung zur überarbeiteten Neuauflage

Im Jahre 1987, nachdem ich über ein Jahrzehnt die taoistischen Energiekünste in

China erlernt hatte, begann ich mit der Niederschrift der Erstausgabe dieses Buches.

Mein Ziel bestand darin, eine leicht nachvollziehbare Einführung in Chi Gung

zu verfassen, die erklärte, was Chi Gung ist, und eine Reihe von einfachen und

brauchbaren Übungen anzubieten, die selbst zu erlernen sind. Der vorliegende

Band enthält ein vollständiges taoistisches Chi-Gung-Übungssystem - das bereits

seit Tausenden von Jahren funktioniert hat.

Die wachsende Akzeptanz von Chi Gung im Westen Seit seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1993 hat dieses Buch Tausende dazu in-

spiriert, die Chi-Gung-Praxis aufzunehmen. Diese uralte chinesische Energieübung

bekämpft den Alterungsprozess, entspannt Körper und Geist und verbessert die

Gesundheit.

Inzwischen haben neue Bedingungen und eine wachsende Akzeptanz von Chi

Gung und Tai Chi dazu geführt, dass die breite Öffentlichkeit die zunehmende Be-

deutung von Chi Gung im Alltagsleben eher gelten lassen kann. Als ich das Buch

damals schrieb, warnte ich vor einem nahenden Zusammenbruch in unserem me-

dizinischen Versorgungssystem. Heute ist diese Krise im Gesundheitswesen da und

praktisch jeder im Westen spürt ihre Auswirkungen.

Ich werde dadurch ermutigt, dass Ärzte und andere medizinisch tätige Beru-

fe diese Übungen zunehmend ihren Patienten sowohl als Präventivsystem wie

auch als Methode empfehlen, die bereits bestehende medizinische Beschwerden

verbessern kann. Ich habe die Hoffnung, dass der Wert von Chi Gung, Tai Chi,

Yoga und anderen Erhaltungssystemen zur Selbsthilfe auch auf höchster politischer

Regierungsebene unterstützt werden wird. Sie gehören zu den kostengünstigsten,

wirksamsten und bewährtesten Methoden im Dienste der Gesundheit und sind eine

der besten „Krankenversicherungen", die wir abschließen können. Ihre Geschich-

te, chronische Erkrankungen und Stress erfolgreich reduziert zu haben, ist lang.

Gesund zu sein, in guterWeise älter zu werden und Stress zu lindern sind Ziele,

die jeder von uns erreichen kann.

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Zum Inhalt der Neuauflage

Seit der Erstveröffentlichung dieses Buches haben viele meiner Schüler darum gebe-

ten, weitere Informationen in eine überarbeitete Auflage aufzunehmen. Viele solcher

Anfragen entsprachen meinem eigenen Wunsch nach Ergänzung von Materialien,

die für Menschen nützlich sein könnten, die zum einen an Chi Gung interessiert

waren und zum anderen die tieferen Ebenen der Öffnung der Energietore des Körpers

genauer betrachten wollten. Deshalb sind dem Buch einige neue Kapitel hinzugefügt

worden; bereits existierende Kapitel wurden überarbeitet.

Zu den neuen Materialien gehören:

• Techniken der Langlebensatmung

• Chi freisetzen und sinken lassen

• weitere Einzelheiten über die Positionen der Chi-Gung-Standform

• Informationen über Sitzhaltungen

• die taoistische Wirbelsäulendehnung im Sitzen

• die Verbindung von Chi Gung mit Hatha-Yoga und mit anderen alternativen

Übungssystemen sowie mit solchen Sportarten wie Golf und Krafttraining

• die Rolle von Chi Gung für die spirituelle Weiterentwicklung und zur Unter-

stützung von anderen religiösen und meditativen Übungen

• fortgeschrittene Aspekte der Elementarübungen

• Informationen über Nei Gung, das taoistische Übungsprogramm, das den

vollen Umfang des Energieflusses in Körper, Geist und höheres Bewusstsein in

16 Grundkomponenten systematisch zusammenstellt

In China sind Chi Gung und Tai Chi in weiten Kreisen der Bevölkerung so verbreitet,

dass sie von Abermill ionen Menschen praktiziert werden. Viele beginnen damit erst,

wenn sie schon über 50 Jahre alt sind, um ihre Gesundheit zu verbessern und zu

bewahren, um Stress zu reduzieren und den Alterungsprozess zu bekämpfen. In

diesem Alter beginnen die Menschen zu spüren, dass die Gesundheit nachlässt und

der Stress sich erhöht. Jüngere Menschen denken kaum über ihre Gesundheit nach,

wenn sie nicht mit einer chronischen Erkrankung oder einem Unfall konfrontiert

werden.

Im Westen haben Menschen über 50 immer noch Schwierigkeiten mit Chi Gung

und den meisten anderen Übungsformen. Die Vorstellung, dass man durch regel-

mäßige tägliche Übungdie Kontrolle und Verantwortung für die eigene Gesundheit

übernimmt, richtet sich gegen viele eingefleischte Gewohnheiten - und das trotz der

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klaren Fakten, die beweisen, dass regelmäßige Körperübungen und eine gute Ernäh-

rung dazu beitragen können, chronische Erkrankungen und Stress zu lindern.

Ebenso gibt es eine wachsende Anzahl von Beweisen dafür, dass Chi Gung und

andere taoistische Energieübungen wie Tai Chi eine starke Wirkung auf die Verbes-

serung der Gesundheit haben:

• Es gibt den jahrtausendealten verbürgten Nachweis dafür, dass es sich bei ihnen

um wirksame Systeme zur Erhaltung der Gesundheit handelt. In den letzten 50

Jahren haben sie dazu beigetragen, bei der chinesischen Massenbevölkerung

den Stress zu verringern und die Gesundheit zu verbessern.

• Westliche medizinische Studien belegen ihre Wirksamkeit bei der Linderung

einer ganzen Reihe von chronischen und viralen Erkrankungen.

• Praktizierende unterrichten ihre Ärzte über den praktischen Nutzen, den sie

aus diesen Übungen gezogen haben. Als Folge davon erhalten Ärzte mehr In-

formationen über die Vorteile von Chi Gung und Tai Chi und empfehlen ihren

Patienten diese Energieübungen als Alternative.

Ich habe die Hoffnung, dass Chi Gung und Tai Chi auch im Westen zu Übungen

für weite Kreise der Bevölkerung werden. Die Menschen können sich damit woh-

ler fühlen und ihr ganzes Leben lang Verbesserungen für Körper, Geist und Seele

erfahren. Es gibt nichts Stagnierendes bei diesen Übungen, wir lernen ständig und

immer wieder neu. Was wir bei fortschreitender Praxis lernen, kann genauso her-

ausfordernd und anspruchsvoll sein wie wissenschaftliche Forschung, sportlicher

Wettkampf oder jede kreative Disziplin - und genauso überaus lohnenswert.

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Page 34: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

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Die dritte Schwungübung des Chi Gung für die Öffnung der Energietore des Körpers

energetisiert das Herz, die Lungen, die Wirbelsäule und das Gehirn.

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Kapitel 1

Chi und Chi Gung

Was ist Chi?

Einfach formuliert ist Chi das, was Leben ermöglicht. Auf den Körper bezogen ist

es das, was einen Leichnam von einem lebendigen Menschen unterscheidet. Oder,

um ein Bild aus der Bibel zu verwenden, es ist das, was Gott in den Lehmklumpen

hineinatmete, um Adam zu erwecken. Chi ist die Grundlage der Akupunktur. Es ist

die Lebensenergie, an die sich die Menschen so verzweifelt klammern, wenn sie

ihr Ende nahen fühlen.

Eine starke Lebenskraft macht einen Menschen wahrhaft lebendig, wach und

aktiv, während eine schwache Lebenskraft zu Trägheit und Schläfrigkeit führt. Die

Energiemenge eines Menschen lässt sich tatsächlich vermehren. Folglich kann die

Entwicklung von Chi einen Kranken stärken oder jemanden mit einer schwächlichen

Konstitution gesund und munter machen. Auch die geistige Leistungsfähigkeit kann

dadurch gesteigert werden.

Der Begriff der „Lebenskraft" findet sich in den meisten alten Kulturen. In Indien

spricht man von Prana, in China von Chi, in Japan von Ki und bei den nordame-

rikanischen Indianern vom Großen Geist. In diesen wie auch in anderen Kulturen

bildet das Konzept der Lebenskraft die Basis der Heilkunst.

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Kapitel 1

Was ist Chi Gung?

Chi Gung (wörtlich „Energie-Arbeit") bedeutet, durch beständige Übung die Kon-

trolle über den inneren Fluss der Lebensenergie zu erlangen. Dazu bedient man

sich nur der geistigen oder mentalen Kraft, um die Energie im Körper zu lenken.

Körperliche Bewegungen können eingesetzt werden, sind aber nicht erforderlich.

Demnach handelt es sich dabei um eine innere Übung. Die Chi-Gung-Übungen

in diesem Buch schließen viele der alten chinesischen Techniken zur Steigerung

der Lebenskraft ein. Eine erhöhte Lebenskraft äußert sich auf vielerlei Weise: von

deutlich verbesserter körperlicher Gesundheit über größere geistige Klarheit bis

schließlich hin zu spiritueller Vervollkommnung. Zudem führt regelmäßiges Üben

zu körperlicher und geistiger Verjüngung, so dass die „goldenen Jahre" tatsächlich

ihren Namen verdienen und nicht rostig sind.

Chinas 3000 Jahre altes System der Selbstheilung

Die Wirksamkeit von Chi Gung ist durch seinen heilsamen Einfluss auf die Gesund-

heit von Abermill ionen Chinesen seit mehreren tausend Jahren eindrucksvoll belegt.

Die Pflege der Lebenskraft, das heißt von Chi, steht im Mittelpunkt desTaoismus,

Chinas ursprünglicher Religion und Philosophie. Es waren vor allem dieTaoisten,

welche der Welt die Akupunktur, die Kräutermedizin, manuelle Glieder- und Ge-

lenkkorrektur und das Yin/Yang-Prinzip schenkten. Leider sind dem westlichen In-

teresse viele Einzelheiten dieser unschätzbaren kulturellen Leistungen lange wegen

unüberwindlicher kultureller und sprachlicher Barrieren vorenthalten geblieben.

In der Akupunktur sind diese Schranken heute schon großenteils abgebaut, beim

Chi Gung sind sie aber immer noch vorhanden. Das vorliegende Buch wi l l dazu

beitragen, dies zu ändern.

Für die meisten Menschen besteht der primäre Nutzen des Chi Gung in der

Linderung oder Vorbeugung von chronischen gesundheitlichen Problemen. Zu den

in China erfolgreich behandelten Krankheiten gehören Krebs, innere Organleiden,

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Chi und Chi Gung

Kreislaufschwäche, Nervenschmerzen, Rückenprobleme, Gelenkbeschwerden und

allgemeine, sehr oft schwer diagnostizierbare körperliche Gebrechen.

Chi Gung schenkt geistige Klarheit

Die meisten körperlichen Probleme lassen sich, zumindest teilweise, auf geistige und

seelische Belastungen zurückführen oder werden durch sie noch verschlimmert. Des-

halb kann die durch Chi Gung entwickelte innere Ruhe nicht hoch genug geschätzt

werden. Regelmäßige Chi-Gung-Übungen helfen, mit Stress, Ärger, Depressionen,

trübsinnigen Gedanken und allgemeiner Antriebsschwäche besser umzugehen -

Dinge, die den Geist belasten, wenn Chi nicht regelmäßig und gleichmäßig fließt.

Durch die Stärkung und Korrektur des Energieflusses verbessern Sie Ihre Fähigkeit

und Sensibilität, schon geringfügige Veränderungen in der Umgebung zu erkennen

und die Welt und deren Strukturen in zunehmender Komplexität wahrzunehmen.

Wer nicht irgendeine Art von Energiepflege praktiziert, wird diese Fähigkeiten unter

Umständen nie erlangen.

Die drei spirituellen Schätze Chi Gung ist aber nicht nur auf der körperlichen und geistigen, sondern auch auf

der spirituellen Ebene nutzbringend und wetvoll. Das höchste Ziel aller inneren

taoistischen Methoden bildet die alchemistische Transformation von Körper, Geist

und höherem Bewusstsein, die in die Vereinigung mitdemTao mündet. Das konkrete

Erfühlen der Körperenergie verhilft zunächst zum praktischen Verständnis unserer

mentalen und emotionalen Energie, und das führt weiter zu einem Begreifen der

spirituellen Energie. Von dieser Stufe aus kann die Energie der Meditation oder

Leerheit vollständig erfahren werden. Mit Hilfe der Leerheit ist es dann möglich,

mit dem Tao eins zu werden.

Nach taoistischer Lehre trägt jedes menschliche Wesen die „drei Schätze" in sich:

ling (Sperma- bzw. Eizellen-Energie, auch Essenz des physischen Körpers genannt),

Chi (Lebensenergie, welche die Gedanken und Emotionen einschließt) und Shen

(höheres Bewusstsein oder spirituelle Energie). Wu, die schon erwähnte Leerheit,

bringt die drei spirituellen Schätze hervor und vereinigt sie.

Die alles durchdringende Lebensenergie dient denTaoisten als Ausgangselement

für den spirituellen Pfad. Das allerhöchste Ziel, die Einswerdung mit dem Tao, hat

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Kapitel 1

schon viele Namen erhalten, zum Beispiel „Erleuchtung", „Vereinigung mit dem

Vater im Himmel", „Eintritt ins Nirvana" und „allerhöchste Erkenntnis". Nach taoisti-

scher Erfahrung ist es am besten, wenn der Einzelne auf der Stufe der Körperenergie

beginnt, dann mit der mentalen und emotionalen Schulung fortfährt und so zur

spirituellen Kraft vordringt, bevor er sich an die allerhöchste Stufe wagt.

Die häufig geäußerte Ansicht, dass man nach Erreichen der Leerheit dort auch

verweilt, ist falsch. Man wird mit diesem Zustand zunehmend vertrauter und lernt,

immer mehr Zeit darin zu verbringen. Solange wir noch in einem physischen Körper

leben, müssen dessen physische Ansprüche berücksichtigt werden, weshalb auch

unbeschränktes Verweilen in der Leerheit nicht möglich ist. Die Taoisten haben

jedoch fortgeschrittene Techniken entwickelt, die den erfolgreichen Umgang mit

der Energie von Wu ermöglichen.

Chi Gung kann von jedem praktiziert werden, auch wenn er nur körperlich gesün-

der werden wi l l und sich absolut nichts aus psychologischen und spirituellen Dingen

macht. Chi Gung wird zum Beispiel seit vielen Generationen von Kampfkünstlern

genutzt, von denen viele kein Interesse an einer spirituellen Entwicklung gezeigt

haben. Trotzdem beginnt jede spirituelle taoistische Schulung mit der Chi-Gung-

Praxis, unabhängig von der angestrebten Stufe individueller Vervollkommnung.

Energieblockaden klären Viele, die sich mit spirituellen Dingen beschäftigen, richten ihr Hauptaugenmerk

auf die Erleuchtung. Dadurch schwächen sie ihren Körper und erregen ihren Geist,

weil sie sich an höhere spirituelle Methoden wagen, ohne vorher die Energieblocka-

den in ihrem physischen und emotionalen Körper aufgelöst zu haben. Ein solches

Vorgehen kann in ihrem Organismus zum „Durchbrennen" führen, wenn die spiri-

tuellen Übungen mehr Energie erzeugen, als ein unvorbereiteter Körper oder Geist

aushalten kann. Viele Mönche aus unterschiedlichen buddhistischen Schulen in

China mussten schon taoistische Meister aufsuchen, um die durch allzu erzwungene

Meditationstechniken entstandenen Schäden behandeln zu lassen. Deshalb ist Chi

Gung nur eine Vorbereitungsübung für die taoistische Meditation. Es kann dabei

helfen, einen erregten Geist und negative Emotionen zu besänftigen, die Nerven zu

stärken, Energieblockaden zu klären und den Körper gesunden zu lassen.

Chi Gung alleine reicht normalerweise jedoch nicht dazu aus, um schwere

und traumatische emotionale und spirituelle Blockaden in den tieferen Bewusst-

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Chi und Chi Gung

seinsschichten aufzulösen und zu beseitigen. Diese umfassendere Fähigkeit gehört

hauptsächlich in den Bereich der taoistischen Meditation.

Ein vollständiges System zur persönlichen Entwicklung

Chi Gung bildet mit seinen Übungen ein vollständiges System der inneren Energie-

arbeit. Die hier vorgestellten Übungen bieten alles Notwendige, um eine hervor-

ragende Gesundheit zu bewahren und eine umfassende Bewusstheit zu fördern.

Sie können jedoch auch als vorbereitende Übungen für innere Kampfkünste und

Energieheilung dienen. Dem Durchschnittsmenschen bringen sie wahrscheinlich

genauso viel praktischen Nutzen wie Tai Chi, weil die meisten Tai-Chi-Lehrer im

Westen entweder nicht viel über die inneren Prinzipien des Tai Chi weitergeben

können oder aber wollen.

Chi Gung ist keiner bestimmten Religion zugehörig und kein Kult Chi Gung wurde hauptsächlich als eine Übungsform entwickelt, um gesund zu

bleiben und Spannung zu reduzieren. Es wird von Menschen aller religiösen und

spirituellen Glaubensrichtungen praktiziert. Obwohl derTaoismus, eine der wich-

tigsten östlichen Religionen, die Grundlage des Chi Gung bildet, besteht keine

Notwendigkeit dafür, seine Philosophie zu studieren oder daran zu glauben, um

Chi Gung praktizieren zu können.

Seit über 5000 Jahren haben die Taoisten Techniken zur Kultivierung von Chi

entwickelt. Die meisten Taoisten unserer Zeit geben öffentlich nur widerstrebend

zu, dass sie Chi Gung und andere Energieübungen praktizieren; sie ziehen es vor,

in privater Zurückgezogenheit zu üben.

Die moderne Welt wird gegenwärtig von Sekten geradezu überschwemmt. Im

Großen und Ganzen versuchen die Menschen, die sich mit Chi Gung beschäftigen,

ihr Bestes, um die Gleichsetzung mit unseriösen Kulten zu vermeiden. Chi Gung

ist ein System, dessen Techniken wir üben, um für unser Leben etwas Gutes zu tun.

Im Chi Gung entstehen keine persönlichen Abhängigkeiten: Chi Gung ergreift von

niemand Besitz und niemand kann Chi Gung in Besitz nehmen. Chi Gung kann

jedoch starke Wirkungen auslösen, und einige Gruppenkulte haben Chi-Gung-Tech-

niken bereits ihren eigenen Praktiken einverleibt, um weitere Anhänger anzuziehen.

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Kapitel 1

Die chinesische Kultur hat schon viele Kulte und Sekten aufkommen sehen und

dieses Phänomen im Hinblick auf die menschliche Evolution und die Bewusstseins-

entwicklung nie für besonders wicht ig gehalten. Die Taoisten haben Chi Gung

dazu genutzt, um ihren Körper gesünder, ihren Geist klarer und ausgeglichener

zu machen, ihre Emotionen zu besänftigen und ihre spirituellen Fähigkeiten zu

entwickeln. Sie haben nichts davon gehalten, durch Chi Gung einen weiteren Keil

zwischen die Menschen zu treiben, der die Praktizierenden von denjenigen trennt,

die sich nicht für diese Praxis interessieren.

Chi wird vom Geist gelenkt

Die Wissenschaft des Chi Gung beruht auf dem Grundsatz, dass der Geist die

Fähigkeit besitzt, Chi zu lenken. Sie lernen zunächst, Ihr Nervensystem, das eine

Hauptverbindung zwischen Geist und Chi darstellt, deutlich zu spüren. Praktisch

hat schon jeder Anfänger eine vage Empfindung für seine Nerven, und diese Wahr-

nehmung nimmt mit der Zeit zu. Sie werden buchstäblich lernen, in Ihren Körper

mit dem Geist hineinzugehen und Chi dorthin zu lenken, wo es benötigt wird. Das

ist kein geheimnisvoller, sondern ein ganz natürlicher Vorgang, der sich, Zeit und

Zielstrebigkeit vorausgesetzt, von jedem erlernen lässt.

50 bis 60 Prozent aller potentiellen gesundheitlichen Vorteile von Tai Chi erzielen

Sie allein dadurch, dass Sie die Chi-Gung-Übungen in diesem Buch praktizieren,

die wahrscheinlich nur ein Zehntel so schwer zu erlernen sind wie die zahlreichen

Formelemente des Tai Chi. Zu dem gesundheitlichen Nutzen kommt hinzu, dass

bestimmte höhereTai-Chi-Techniken erst erlernbar sind, wenn Sie vorher die inneren

Prinzipien, beispielsweise aus dieser Übungssequenz, beherrschen.

Die Beziehung zwischen Chi Gung und Tai Chi Im Westen werden die meisten Tai-Chi-Stile und anderen inneren Kampfkünste als

körperliche Bewegungskunst unterrichtet; darin sind auch Hinweise auf Grundprinzi-

pien enthalten wie Geschmeidigkeit der Bewegung, Entspannung und korrekte Kör-

perausrichtung. Die meisten inneren Komponenten des Tai Chi, die der Gesundheit

dienen, werden gewöhnlich jedoch ignoriert. Ob sich diese Informationslücke mit

der Zurückhaltung der chinesischen Lehrer oder durch sprachliche und kulturelle

Barrieren erklären lässt, ist eigentlich i rrelevant-das Hauptproblem besteht darin,

dass die westlichen Interessenten vor einer großen Informationslücke stehen.

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Chi und Chi Gung

Die traditionellen inneren Kampfkünste Tai Chi, Hsing-I und Ba Gua sind äu-

ßerst subtile und komplexe Formen des Chi Gung. Um es noch einmal zu sagen:

Authentisches Material über diese inneren Systeme ist im Westen selten zu finden

und dort, wo es vorkommt, ist die Übermittlung häufig unklar.

Die Vorteile von Chi Gung als Gruppenübung So wie Tai Chi oft in Gruppen geübt wird, lässt sich auch Chi Gung von jungen

und älteren Menschen zu beider Nutzen gemeinsam praktizieren. In der modernen

westlichen Gesellschaft verbringen die junge, die mittlere und die ältere Generation

wenig Zeit in direktem persönlichem Kontakt miteinander-es sei denn, es herrschen

hierarchische Zwänge. Mangelnder Respekt zwischen Jung und Alt, wobei das Alter

gewöhnlich als unnütz betrachtet und die Jugend verherrlicht wird, ist in den westli-

chen Ländern eine weit verbreitete Erscheinung. Wenn die verschiedenen Altersgrup-

pen in ihrer Freizeit nicht mehr zusammenfinden, dann wird die Tendenz zur Ab-

grenzung, zur Unterscheidung zwischen „uns" und „denen" automatisch zunehmen.

In China ist es ganz normal, Gruppen von etwa 200 Personen üben zu sehen, bei

denen die Hälfte über 60 Jahre alt ist und alle anderen Altersgruppen gleichmäßig

vertreten sind. Wenn die Menschen Chi Gung praktizieren, gewinnen sie Zugang zu

ihrem inneren Wesen. Nach dem Üben sieht man die unterschiedlichen Altersgrup-

pen häufig in freundschaftliche Gespräche vertieft - gewöhnlich geht es dabei um

Chi Gung. Da jeder mit jedem auf einer subtilen Ebene Energie austauscht, lassen

sich die Schranken zwischen den Übungsteilnehmern leicht überwinden. Das hat

in den Chi-Gung-Gruppen zu einer Harmonie der Generationen geführt, die sich

sonst kaum irgendwo auf der Welt so gut beobachten lässt.

Der Wert des Chi Gung für den Einzelnen wie für die Gesellschaft ist durch

Abermillionen Menschen in China, einem der am dichtesten besiedelten Länder

der Welt, nachgewiesen. Chi Gung könnte problemlos auch den aktuellen Bedürf-

nissen des Westens mit seinen überfüllten Städten und unglaublichen Belastungen

gerecht werden.

Chi Gung lehrt die Kunst der Mäßigung: Die 70-Prozent-Regel Im Mittelpunkt aller taoistischer Energieübungen steht die 70-Prozent-Regel. Nach

diesem Prinzip der Mäßigung zu üben und zu leben versetzt Menschen aller Al-

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Kapitel 1

tersgruppen in die Lage, Nutzen aus der Chi-Gung-Praxis zu ziehen und diesen in

ihrem Alltagsleben anzuwenden.

Nach dieser Regel sollten Sie eine Chi-Gung-Bewegung oder jede andere Chi-

Technik nur mit etwa 70 Prozent Ihrer Kapazität ausführen. Das ist das genaue Ge-

genteil des Prinzips no pain, nogain [„ohne Schmerz kein Erfolg"], das gewöhnlich

im Westen befürwortet wird.

Die 10O-Prozent-Marke erreichen zu wollen erzeugt Spannung und Stress. Sobald

Sie sich überanstrengen oder über Ihre Kapazität hinausgehen, hat Ihr Körper die

natürliche Tendenz, sich zu verkrampfen oder zuzumachen. Wenn Sie innerhalb

für Ihr Wohlgefühl angenehmer Grenzen bleiben, können Ihre körperlichen und

emotionalen Spannungen allmählich abnehmen und mit der Zeit verschwinden.

Auch wenn es Ihrer direkten Anschauung widersprechen mag: Je mehr Sie sich auf

jeder Ebene entspannen, desto mehr an Energie, Ausdauer, Bewegungsspielraum,

Flexibilität und Kraft werden Sie gewinnen.

Chi Gung eignet sich für alle Altersgruppen

Die in diesem Buch zusammengestellten Übungen gehören wahrscheinlich zu

den wirksamsten und kraftvollsten Methoden zur Erhaltung der Gesundheit, die

Sie finden können. Es handelt sich um sanfte Übungen, die nur geringen Druck

auf die Gelenke ausüben und sogar von Menschen ausgeführt werden können, die

andere Formen von Aerobic-Training oder Yoga nicht ausüben können, sowie von

Kranken oder Verwundeten.

Chi Gung kann Wunder für die Verjüngung älterer Menschen bewirken. In der Tat

sind in China mehr als 50 Prozent der Anfänger in Tai Chi oder Chi Gung älter als

60 Jahre - sie befinden sich also in einer Lebensphase, in der sich Alterserscheinun-

gen nicht mehr übersehen lassen. Abermill ionen Menschen aus dieser Generation

haben persönlich erfahren, wie erfolgreich und nachhaltig Chi Gung wirkt. Wenn

eine Übungsform schon die Älteren leistungsmäßig so eindrucksvoll auffrischen

kann, dann lässt sich deren Wirkung auf jüngere Generationen gar nicht abschät-

zen. Mit Sicherheit baut Chi Gung jedoch Stress ab und verbessert Ihre sexuellen

Beziehungen.

Die Chi-Gung-Übungen in diesem Buch lassen sich sogar den Bedürfnissen Bett-

lägeriger in Krankenhäusern anpassen. Sie sind vollkommen ungefährlich und für

jeden geeignet. Das lässt sich von manchen anderen Chi-Gung-Systemen, welche

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Chi und Chi Gung

die permanente Betreuung eines Chi-Lehrers erfordern, um Folgeschäden abzu-

wenden, nicht behaupten.

Der Chi-Fluss im Körper kann mit einem elektrischen Stromkreis verglichen wer-

den. Wenn die Kabelisolation nicht ausreicht oder die einzelnen Schaltkreise nicht

fachgerecht miteinander verbunden sind, kann es zum Kurzschluss oder anderen

Fehlfunktionen kommen. Sie wollen doch sicher nicht, dass mit Ihrem Körper Ver-

gleichbares passiert.

Es gibt Hunderte von Chi-Gung-Systemen, doch die einzelnen Techniken mit ihren

unzähligen Namen lassen sich leicht auf fünf oder sechs Grundtypen reduzieren. Bei

einigen Methoden darf der Lehrer immer nur mit ganz wenigen Schülern auf einmal

üben, um von vornherein mögliche Schäden auszuschließen. Bestimmte Techniken

dürfen nur vor der Pubertät begonnen werden, andere schließen bestimmte kon-

stitutionelle Verfassungen aus (körperliche Verletzungen, seelische Erschütterungen

und geistige Schwächen) oder unterscheiden streng nach Übungen für Männer oder

Frauen. Die Übungssequenzen in diesem Buch erfüllen alle für Chi Gung vorstell-

baren Sicherheitsauflagen und können von fast jedem praktiziert werden.

Die Krise der Medizin im Westen

Bis etwa 1980 lief die medizinische Versorgung in den westlichen Ländern noch

verhältnismäßig gut. Bis zu diesem Zeitpunkt lag der Anteil der über Sechzigjäh-

rigen bei etwas unter 10 Prozent der Gesamtbevölkerung. Mit der Generation der

„Babyboomer" steigt der Prozentsatz älterer Menschen in der Bevölkerung jedoch

ständig an. Beispielsweise war im Jahre 1993 einer von acht Amerikanern über 65

Jahre; bis 2030 wird erwartet, dass es dann einer von fünf Amerikanern ist - was

20 Prozent der Bevölkerung entspricht!

Ältere Menschen verlangen erheblich höhere medizinische Aufmerksamkeit, als

dies bei derselben Erkrankung für jüngere Menschen der Fall ist. Ein Dreißigjähri-

ger mit Leberproblemen, selbst wenn diese durch Alkohol verursacht worden sind,

dürfte zum Beispiel eine oder zwei Wochen für die Behandlung im Krankenhaus

verbringen. Ein über Sechzigjähriger könnte bei denselben Beschwerden vier bis

sechs Wochen benötigen. Die Verschlechterung unserer medizinischen Versorgung

ist teilweise auf diese einfache Tatsache zurückzuführen.

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Kapitel 1

Nach offiziellen Angaben sind chronische Krankheiten die Todesursache bei

70 Prozent der älteren Menschen. Im Allgemeinen handelt es sich dabei um Er-

krankungen aufgrund der Lebensweise, die nicht durch Infektionen verursacht

werden. Sie haben einen langen Verlauf, führen zu allmählicher Entkräftung und

werden selten geheilt. Dazu gehören Arthritis, Asthma, Herzleiden, Bluthochdruck,

Kreislaufstörungen und Depressionen. Sie werden durch ungesunde Lebens- und

Arbeitsbedingungen oder durch Stress, Alkohol, Nikotin, schlechte Ernährung oder

mangelnde Körperbewegung hervorgerufen.

Solche chronischen Krankheiten bedeuten für die Menschen, die sie haben, und

für diejenigen, die sie lieben und für sie sorgen, großes Leiden. Chronische Krank-

heiten stellen heute auch eine schwere Belastung für das Leben von unzähligen

Kindern und jungen Erwachsenen dar.

Die Geldmittel, die für Ärzte, Krankenhausaufenthalte und für Arzneimittel zur

Linderung chronischer Beschwerden ausgegeben werden, sind außerordentlich

hoch. Arthritis zum Beispiel, welche die Aktivität von Mil l ionen Menschen ein-

schränkt, steht hinter Herzleiden an zweiter Stelle als Ursache für Arbeitsunfähigkeit.

Bis 2020 werden etwa 60 Mil l ionen Amerikaner unter Arthritis leiden und mehr

als 11 Mil l ionen von ihnen arbeitsunfähig sein. Die Kosten, die dafür aufzubringen

sind, gehen in die Mill iarden. Wenn die Menschen selbst Maßnahmen ergreifen

würden, um besser für sich zu sorgen und ihren Stress zu reduzieren, wäre mehr

Geld aus der Gesundheitsversorgung für die Forschung, die Vorbeugung von Infek-

tionskrankheiten, die Chirurgie usw. verfügbar.

Vor allem müssen neue Möglichkeiten gefunden werden, um die Fitness bei

älteren Menschen zu steigern und zu erhalten. Chi Gung stellt eine großartige alter-

native Gesundheitspraxis dar, die Ihnen dabei helfen kann, die Verantwortung für Ihr

Wohlbefinden zu übernehmen, gesund zu bleiben und chronischen Erkrankungen

vorzubeugen oder diese zu lindern.

Eine Krankenversicherung ist keine Garantie für Gesundheit

Allgemein steigen die Beitragssätze für Krankenversicherungen in den westlichen

Ländern auf dramatische Weise an. In den Vereinigten Staaten ist bereits jeder

Sechste nicht mehr krankenversichert; der Trend könnte dahin gehen, dass sich nur

noch Reiche eine Krankenversicherung leisten können. Die Statistiken sprechen

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Chi und Chi Gung

Bände über die wachsenden Gesundheitskosten und die fehlende Bereitschaft der

Krankenkassen, die Last dieser Kostenlawine zu tragen.

Dies führt uns zu einigen grundlegenden Fragen, über die sich jeder von uns ernst-

haft Gedanken machen sollte, wie zum Beispiel: Bin ich für meine Gesundheit selbst

verantwortlich oder sind es andere? Kann ich meine Gesundheit Krankenkassen

anvertrauen, die handfeste finanzielle Gründe dafür haben, um meine medizinische

Versorgung nicht in optimaler Weise zu gewährleisten? Wird mir die medizinische

Versorgung irgendwann einmal verweigert? Wie werde ich mich fühlen, wenn ich

in ein Pflegeheim gehen muss? Habe ich wirkl ich den Wunsch, im Alter körperlich

und geistig aktiv zu sein, und bin ich bereit dazu, die dafür erforderliche Zeit und

Mühe aufzubringen? Bin ich bereit dazu, mich längerfristig zu einer regelmäßigen

Praxis beispielsweise von Chi Gung zu verpflichten, die zu meiner kontinuierlichen

Regeneration beiträgt, um meine Gesundheit zu erhalten und Stress zu reduzieren?

Kann ich die Übung von Chi Gung oder Tai Chi längere Zeit fortsetzen, ohne von

Produkten oder Dienstleistungen abhängig zu sein, die sofortige Resultate verspre-

chen? Kann ich meine Lebensgewohnheiten verändern, um Chi Gung als tägliche

Praxis einzubeziehen?

Chi Gung als Lösung für die medizinische Krise in China Nach der Revolution von 1949 war in China nur noch weniger als die Hälfte des

ärztlichen Personals übrig geblieben, das vorher in der westlichen wie der traditio-

nellen Medizin tätig gewesen war. Die anderen waren getötet worden, aus dem

Land geflohen oder in den Untergrund gegangen. Während der Mao-Ära wuchs die

Bevölkerung von 400 auf 800 Mil l ionen Einwohner an.

Die Regierung erkannte die Krise. Da die politischen Führer kein Interesse daran

hatten, eine Konterrevolution zu erleben, griffen sie zu drakonischen Maßnahmen -

die glücklicherweise funktionierten. Das nationale Gesundheitsproblem stabilisierte

sich, bis das medizinische Personal wieder in ausreichender Menge eingesetzt war.

Die Regierung hatte Folgendes unternommen: Sie hatte die bestenTai-Chi-Lehrer

dazu aufgefordert, Tai-Chi- und Chi-Gung-Gesundheitsprogramme für die brei-

te Bevölkerung zu planen. Viele dieser Meister wollten diese Geheimnisse nicht

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Kapitel 1

preisgeben, damit ihre Familien ihre „ latente" bewahren konnten. Die Regierung

soll jedoch darauf bestanden haben, dass sie ihre Geheimnisse öffentlich bekannt

machten, andernfalls wurde ihnen mit der Auslöschung ihrer gesamten Familie

gedroht. Angesichts der traditionellen chinesischen Familienwerte hätte dies zu

erheblichen Auflösungstendenzen geführt, und daher wurde im ganzen Land ein

nationalesTai-Chi-Programm eingeführt, das viele der in diesem Buch dargestellten

Prinzipien einschloss.

Kranke, die keine Notfallpatienten waren, sondern mit Beschwerden von chroni-

schen Erkrankungen aufgrund einer ungesunden Lebensweise oder Überarbeitung

ins Krankenhaus kamen, wurden zu der Krankenhausverwaltung geschickt. Dort

erhielten sie einen Ausweis und bekamen den Namen einesTai-Chi- oder Chi-Gung-

Praktizierenden in der Nähe genannt. Wenn sich die Patienten für einen neuen

Arzttermin oder die Aufnahme in ein Krankenhaus qualifizieren wollten, mussten

sie ihren Ausweis drei Monate lang jeden Tag von einem lokalen Tai-Chi- oder Chi-

Gung-Lehrer abstempeln lassen als Bestätigung dafür, dass sie praktiziert hatten. Der

einzige Zugang zu medizinischer Versorgung lief über die Regierung; zu dieser Zeit

gab es in China, wenn überhaupt, nur wenige Ärzte mit einer Privatpraxis.

Das System funktionierte. Durch Tai Chi und Chi Gung gelang es, die gesund-

heitlichen Verhältnisse so stabil wie möglich zu halten, wenn man die schlechten

sanitären Einrichtungen und die Mangelernährung berücksichtigt, mit denen die

meisten Menschen lebten. Seit Mitte der Fünfzigerjahre haben schätzungsweise

zwischen 100 und 200 Mi l l ionen Menschen tagtäglich Tai Chi oder Chi Gung

praktiziert, um diese unglaublich harte Zeit durchzustehen. Gegenwärtig wird Chi

Gung im städtischen Umfeld populärer als Tai Chi, weil in China immer weniger

Raum vorhanden ist und Chi Gung nicht so viel davon benötigt.

Tai Chi und Chi Gung sind die einzigen inneren Energiesysteme, die tatsächlich

von großen Volksmassen mit Erfolg praktiziert worden sind. In Indien hat die Zahl

derYoga-Praktizierenden niemals ein Prozent der Bevölkerung überschritten. Wenn

wir die Parallelen zwischen den Problemen des Westens mit seiner immer älter

werdenden Bevölkerung und dem betrachten, was China durchgemacht hat, dann

können Chi-Gung-Methoden als ermutigendes Modell dafür dienen, um sehr viel

von der medizinischen Misere verhindern zu helfen, mit der unsere wachsende ältere

Bevölkerung mit Sicherheit konfrontiert werden wird. Von oben gelenkte medizini-

sche Versorgung allein kann nicht die Antwort sein, denn viele europäische Länder

mit staatlichen Gesundheitssystemen sehen sich denselben Problemen gegenüber.

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Page 47: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Chi und Chi Gung

Eine Hightech-Medizin für eine alternde Bevölkerung ist von den Kosten her einfach

nicht mehr zu finanzieren.

Die Vorteile von Chi Gung Chi Gung entspannt die Muskeln und baut Kraft auf Chi Gung wirkt auf die Muskeln in einer ganz anderen Weise, als wir es von unseren

typischen Fitness-Übungen her kennen. Aerobic und extremes Dehnen fördern derbe

Kraft und Gelenkigkeit, Chi Gung und andere innere Übungen dagegen anstren-

gungslose Kraft und Geschmeidigkeit. Das Gefühl von „aufgepumpter" Stärke in

den westlichen Übungsmethoden entsteht durch Muskelkontraktionen. Selbst wenn

Ihnen auf diese Weise beispielsweise der Spagat gelingt, behindern die entstehenden

Muskelkontraktionen den freien Chi-Fluss.

In den inneren Kampfkünsten gilt das eben erwähnte „aufgepumpte" Kraftempfin-

den als störend. Das eigentliche Ziel ist das Gefühl anstrengungsloser Kraft. Diese

entspannte Kraft stellt sich ein, wenn die Muskeln, anstatt gespannt und kontrahiert

zu werden, sich lediglich lockern oder öffnen und die Chi-Energie ungehindert

passieren lassen.

Die inneren Organe werden gestärkt Die hier vorgestellten Techniken - und das gilt besonders für die drei Schwung-

übungen - stärken alle inneren Organe und helfen, die Energieverhältnisse zwischen

ihnen auszugleichen. Es gibt aber noch weitere, in diesem Band nicht beschriebene

Übungen, mit denen sich einzelne Organe gezielt stärken lassen: Zum Beispiel

können diese der Leber helfen, sich von einer Gelbsucht zu erholen, den Lungen

bei Tuberkulose oder dem Herzen nach einem Infarkt beistehen. Selbst wenn es

nicht um eine schwere Krankheit geht, so ist doch fast jeder von uns mit irgendeiner

organischen Schwäche zur Welt gekommen. Chi Gung bietet für diese individuellen

Schwachstellen die passenden Übungen.

Die Herz-Lungen-Tätigkeit wird verbessert Viele Menschen glauben, dass Aerobic nötig sei, um das Herz und die Lungen zu

stärken. Chi Gung erreicht jedoch genau dasselbe. Durch langsames, tiefes und

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Page 48: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

regelmäßiges Atmen und damit koordinierte Bewegungen wird der Sauerstoff tiefer

als bei den uns bekannten Übungen ins Gewebe hineintransportiert.

Ein Fallbeispiel: Ein Chi-Gung-Schüler mit normaler sitzender Bürotätigkeit, der

fast keine aerobischen Übungen betreibt, hat einen Bruder, der ein sehr bekannter

Bergsteiger ist. Als dieser ihn zu einer Klettertour nach Colorado einlädt, stellt er

sich schon drastisch vor, wie er nach Luft schnappen wird, während sein Bruder

leicht und locker vorausmarschiert. Zu seiner großen Überraschung stellt er jedoch

fest, dass seine körperliche Leistungsfähigkeit, insbesondere der Atem, die seines

Bruders inzwischen weit übertrifft, obwohl dieser ein regelmäßiges Aerobic-Training

absolviert.

Die Nerven werden gestärkt Chi fließt hauptsächlich durch die Nervenbahnen des Körpers. Obwohl Chi und die

Nerven auf höheren Übungsstufen deutlich voneinander getrennt zu spüren sind,

nehmen die meisten Anfänger zunächst nur ihre Nerven wahr.

Als Verbindung zwischen Körper und Geist liefern unsere Nerven alle wichtigen

und notwendigen Informationen aus und über unseren Körper. Die anfängliche

Chi-Gung-Arbeit, die uns mit unserem Körper vertraut machen und Blockaden

beseitigen soll, führen wir größtenteils mit Hilfe des Nervensystems aus. Wenn Ihr

Chi durch regelmäßiges Üben stärker wird, werden auch Ihre Nerven gekräftigt, und

Ihre Körperwahrnehmung verbessert sich zusehends. Personen mit Koordinations-

problemen oder ähnlichen motorischen Schwierigkeiten gewinnen durch Chi Gung

deutlich an Sicherheit. Die Spinal- oder Rückenmarksnerven spielen eine wichtige

Rolle für die gesamte Gesundheit; so hängt die Wirksamkeit der Chiropraktik von

der Wiederherstellung des freien Energieflusses in den Spinalnerven ab.

Chi sorgt ebenfalls - in der Gegenrichtung - für die Verbindung zwischen Geist

und Körper. Während es sich mit den NervenimpuIsen ausbreitet, kann man es, nach

einiger Übung, deutlich als eigene Energie spüren. In den inneren Kampfkünsten

heißt es allgemein, dass der Geist Chi bewegt und Chi den Körper. Das stimmt

zwar, doch für die meisten Anfänger ist es ebenso wichtig zu wissen, dass sie sich

erst einmal auf die Nerven konzentrieren sollen.

Die unübersehbaren nervenstärkenden Eigenschaften des Chi Gung machen es

also zu einer idealen Methode, sowohl den aktuellen täglichen Stress zu bewältigen

als auch langfristige Stresssymptome zu kompensieren.

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Chi und Chi Gung

Die Gefäßfunktionen werden verbessert Die westlichen Aerobic-Übungen erhöhen die Blutzirkulation, indem sie das Herz

extrem belasten. Chi Gung stärkt dagegen den Blutkreislauf, indem es hauptsäch-

lich die Elastizität der Blutgefäße steigert. In China ist es gängige Praxis, sowohl

bei hohem als auch bei niedrigem Blutdruck Chi-Gung-Übungen zu verordnen,

weil beide Symptome auf mangelnde Stärke und Elastizität der Blutgefäße zurück-

zuführen sind.

Chi Gung für Schwerkranke

Die westlichen Körperübungen stützen sich entweder auf die physiologische Nut-

zung der Bewegung oder des Widerstandes gegenüber dieser Bewegung, um den

Körper zu stärken, beispielsweise durch Krafttraining, Gymnastik, Laufen usw. Leider

besitzen schwerkranke und bettlägerige Patienten oft nicht mehr die Kraft zu derlei

anstrengenden Übungen, was auch zur Folge hat, dass ihre Muskeln und Organsys-

teme durch die lange Bewegungslosigkeit im Bett noch schwächer werden. Dann

kann es Monate dauern, bis sich jemand zum Beispiel von einer Rückenverletzung

erholt hat. Chi Gung bietet den Geschwächten und zur Passivität Verurteilten viele

spezielle Übungen, mit denen sie ihre körperliche Verfassung ohne Bewegung und

Belastung verbessern können.

In China wird Chi Gung auch den unheilbar erkrankten Krebspatienten im Endsta-

dium als letztes Mittel verordnet. Wenn ihnen anfänglich noch die Kraft fehlt, zum

Üben aufzustehen oder sich aufzusetzen, praktizieren sie so lange im Liegen, bis

sich wieder genügend Kraft für intensiveres Üben aufgebaut hat.

Chi Gung verringert die Schädigung von Gelenken, Bändern und Knochen

Schädigungen oder Verletzungen durch Unfälle können in vielfältiger Weise auftre-

ten. Die Gelenke und Bänder sind besonders anfällig dafür. Gewöhnlich schließen

wir unsere Gelenke, wenn ein Sturz oder Unfall passiert, und dadurch kommt es

leicht zu Bandrupturen. Bänder können bei einem Unfall leicht überdehnt werden

und lassen sich nur sehr schwer wieder in ihre ursprüngliche Position zurückbringen.

Chi Gung lehrt ein besseres Gleichgewicht und auch, wie man sich richtig umdre-

hen kann, ohne sich zu verrenken, wie man seine Gelenke bewegen kann, ohne sie

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Page 50: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

zu verschließen, und wie man sich während eines Sturzes entspannen kann. Es erhöht

die Beweglichkeit und Elastizität der Bänder. Chi Cung ist wie die Verbindung aus

einem sanften Strecken und Dehnen mit einer Akupunktur-Behandlung, wodurch die

Zirkulation von Flüssigkeiten und Energie im Körper verbessert wird, um die Einwir-

kungen von Verletzungen zu vermindern und eine raschere Heilung zu ermöglichen.

Praktizierende des Chi Cung lernen, Belastungen zu vermeiden, in ihrer Kapa-

zität nicht die 70-Prozent-Regel zu überschreiten und sich vor allem dann nicht zu

überanstrengen, wenn bereits eine gewisse Schmerzreaktion oder Einschränkung

vorhanden ist. Chi Gung wirkt ausgleichend auf die Energie und fördert die schwä-

cheren Bereiche in den inneren Organsystemen. Es geht darum, die „Schwach-

punkte" des Körpers vorbeugend daran zu hindern, dass sie im weiteren Verlauf

Probleme bereiten.

Chi Gung beschleunigt die Regeneration nach Verletzungen und Operationen Die sanften Bewegungen des Chi Gung, die Körper und Nerven nicht stark belasten,

können schon unmittelbar nach einer Verletzung oder Operation ausgeführt werden.

Das gilt vor allem dann, wenn die 70-Prozent-Regel befolgt und ohne Anspannung

geübt wird. Diese Regel ist besonders wichtig während des Heilungsprozesses, da

der Körper bereits ohnehin überbeansprucht ist.

Zuerst können diejenigen Körperteile, die nicht verletzt sind, sanft bewegt und

trainiert werden. Diese Bewegungen werden die Zirkulation der Körperflüssigkeiten

und den Energiefluss zu allen Teilen des Körpers steigern. Das Lymphsystem wird

mit Energie versorgt, was zu einer Verbesserung der Immunabwehr beiträgt. Durch

die Öffnung der Energiekanäle werden die natürlichen Heilungskräfte des Körpers

schneller einsetzen.

Zweitens verhilft Chi Gung der Gesamtheit von Körper und Geist zur Entspannung

und Lockerung. Bei Verletzungen sind Körper und Geist angespannt und verkrampft.

Spannung in den unverletzten Körperbereichen wird die Energie abziehen, die zur

Heilung der verletzten Teile gebraucht wird. Durch Chi Gung können sich diejenigen

Körperteile entspannen, die unverletzt geblieben sind. Dadurch wird nach und nach

die Spannung aus dem Körper herausgenommen, so dass dieser schneller heilen

kann. Eine aktive und wirksame Mithilfe, um die eigene Genesung zu beschleunigen,

kann auch Wut und Angst vermindern.

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Page 51: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Chi und Chi Gung

Durch die Anwendung der 70-Prozent-Regel können Verletzungen gänzlich aus-

geheilt werden. Die Genesung vollzieht sich schrittweise und vollständig. Verlet-

zungen, die nur teilweise behoben werden, können andere Körperteile allmählich

schwächen und entweder sofort oder im Laufe der Zeit die Voraussetzungen für

größere Probleme in unverletzten Bereichen schaffen.

Chi Gung dient dem Kraftaufbau für Athleten und Kampfkünstler Chi Gung bietet die Grundlage für den Kraftaufbau in den chinesischen Kampfküns-

ten, ob es sich nun um Kungfu oder die subtileren inneren Formen, wie Tai Chi,

Hsing-I oder Ba Gua, handelt. Es ist fast unmöglich, von außen festzustellen, wie die

scheinbar sanften, ruhigen Bewegungen der inneren Formen den fortgeschrittenen

Praktizierenden in die Lage versetzen können, den gewalttätigsten Straßenkämpfer

zu besiegen. Diese Fähigkeit leitet sich im Wesentlichen von der Chi-Gung-Praxis

her, die Chi und innere Kraft entwickelt.

Wer sich in den inneren Kampfkünsten schult, wird feststellen, dass die Praxis

der in diesem Buch dargestellten Übungen ihn dazu befähigen wird, seine bisherige

innere physische Kraft und seine athletischen Fähigkeiten zu übertreffen.

Chi Gung dämpft Stress und wirkt ausgleichend auf die Emotionen Ein großer Teil der aktuellen Literatur betont, dass einer der wahrscheinlich entschei-

denden Stressfaktoren im Bereich der Emotionen zu suchen ist. Jede körperliche

Übung trägt schon in gewissem Umfang zum Abbau negativer Emotionen bei. Man

braucht aber nur das skandalöse Verhalten einiger Spitzensportler zu betrachten,

um zu erkennen, dass normale körperliche Aktivitäten allein die Emotionen auch

nicht unbedingt ins Gleichgewicht bringen können.

Der innere Klärungsprozess des Chi Gung kann sowohl bei unterdrückten Emotio-

nen als auch bei spontan hervorbrechenden emotionalen Überreaktionen genutzt

werden. Viele Chi-Gung-Bewegungen lassen sich noch weiter verfeinern, um indi-

viduelle Problembereiche ganz spezifisch anzugehen, zum Beispiel Depressionen,

Kummer, Frustration, leichte Erregbarkeit oder auch eine Kombination aus verschie-

denen Emotionen.

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Page 52: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Die mit Stress verbundenen Probleme in unserer Gesellschaft nehmen ständig zu.

Aus diesem Grund müssen dringend Techniken vermittelt werden, mit denen sich

die Energien negativer und destruktiver Emotionen in positive umwandeln lassen.

Stressabbau durch direkte Beherrschung des Zentralnervensystems ist die Methode,

um körperlichen, seelischen und geistigen Erschöpfungs- und Schwächezuständen

vorzubeugen.

Chi Gung nutzt Menschen mit sitzender Tätigkeit und Meditierenden Zu langes Sitzen kann Ihren Körper schwächen. Ihre Körperflüssigkeiten zirkulieren

nur noch träge und Ihre Anspannung erhöht sich. Das belastet wiederum Ihr Ner-

vensystem, wodurch Ihre geistige Fähigkeit vermindert wird, voll und ganz wach zu

bleiben und sich beispielsweise auf Meditation oder Gebet zu konzentrieren.

Aus dem 6. Jahrhundert ist die klassische Geschichte überliefert, dass ein bud-

dhistischer Meister nach China in das Shaolin-Kloster kam, das die Heimat des

Chan-Buddhismus war. Er stellte fest, dass die Mönche leicht abgelenkt wurden und

während der Meditation sogar einschliefen. Sie besaßen zwar aufrichtige Hingabe,

doch ihre Energie entsprach nicht immer ihrer Aufgabe. Der buddhistische Meister

lehrte die Mönche eine Form des Chi Gung, das später die Basis der chinesischen

Shaolin-Schule des Chi Gung werden sollte. Der Chan-Buddhismus gelangte dann

nach Japan und wurde dort zur Grundlage des Zen-Buddhismus.

Die Absicht, den Mönchen Chi Gung beizubringen, lag darin, sie mit einer sta-

bilen inneren Körper- und Energiestruktur zu versehen, um sie physisch wohlauf

und geistig wach zu halten. Chi Gung ermöglichte es ihnen, mit gekreuzten Bei-

nen problemlos auch über längere Zeit auf dem Boden zu sitzen, ohne Steifheit,

Schmerzen oder Energieverlust zu erfahren.

Die in diesem Buch beschriebenen Chi-Gung-Übungen können dasselbe für

jeden bewirken, der lange Zeit in Gebet oder Meditation verbringt, ob er nun auf

dem Boden oder auf einem Stuhl sitzt. In gleicher Weise werden diese Übungen

jedem mit einer sitzenden Tätigkeit dabei helfen, sich besser konzentrieren und

am Schreibtisch oder vor dem Computer auch mehrere Stunden hintereinander

bequem sitzen zu können.

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Page 53: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 2

Wie Chi Gung funktioniert

Die inneren Prinzipien: Chi Gung und körperliche Gesundheit

Chi Gung hat eine nachhaltige Wirkung auf die Körperflüssigkeiten, darunter das

Blut, die Lymphe, die Gelenkschmiere und die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit.

Das Blut zirkuliert, ohne das Herz zu belasten Anders als bei Aerobic wird die Herztätigkeit während der Chi-Gung-Übung nicht

auf dramatische Weise gesteigert. Chi Gung zielt nicht darauf ab, das Herz stärker

pumpen zu lassen, sondern die Elastizität der Arterien und Venen zu erhöhen.

Da sich die Gefäße kräftiger ausdehnen und zusammenziehen, braucht das Herz

nicht mehr so stark zu arbeiten und erhält dadurch mehr Ruhe. Die wohltuenden

Resultate des Chi Gung, wie eigentlich aller inneren Kampfkünste, gelten deshalb

in erster Linie den Gefäßen.

Das Lymphsystem und die Immunabwehr werden gestärkt Die Lymphflüssigkeit wird hauptsächlich durch feinste Muskelkontraktionen bewegt.

Die Chi-Gung-Elementarübungen erzielen dort die ausgeprägtesten Bewegungen,

wo die größten Lymphknoten liegen: in den Achselhöhlen, den Kniekehlen und

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Page 54: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Bruce Frantzis arbeitet mit einem Schüler an den Körperausrichtungen der zweiten

Schwungübung zur Öffnung der Energietore des Körpers. Wird diese Übung mit den

korrekten Körperausrichtungen praktiziert, so löst sie die Spannung in den Gelenken,

Bändern und inneren Organen.

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Page 55: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Wie Chi Gungfunktioniert

der Leistengegend. Die subtilen Muskelkontraktionen, die durch Chi Gung noch

intensiviert werden, pumpen die Lymphe effizienter durch das gesamte System. Da-

durch wird die Gesamtmenge an Chi vermehrt und gleichzeitig die Immunabwehr

des Körpers gestärkt.

Die Gelenkschmiere wird revitalisiert und bringt den Gelenken Beweglichkeit Die Gelenkschmiere sorgt in den Gelenken für eine größere Beweglichkeit. Bei

normaler Funktion beugt sie Arthritis und Gelenkrheuma vor. Wenn aus Sicht der

Traditionellen Chinesischen Medizin, „Wind/Feuchtigkeit" oder physische Blocka-

den (Blutgerinnsel, Kalkablagerungen usw.) in den Gelenken auftreten, kommt es

nicht nur zu Gelenkleiden, sondern der Chi-Fluss des gesamten Körpers wird in

Mitleidenschaft gezogen. Chi Gung wirkt auf die Gelenkschmiere durch Druckver-

änderung, das heißt, durch Erweiterung und Zusammenziehung, und kann daher

bei allen Gelenkproblemen präventiv und therapeutisch eingesetzt werden.

Die Gehirn-Rückenmarks-Pumpe wird leistungsfähiger Die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit ist hauptsächlich ein nährstoffreiches Bad,

welches Rückenmark und Gehirn wie eine Schmierflüssigkeit umgibt. Der Pumpme-

chanismus hält im Körper einen gleichmäßigen Druck aufrecht, der die Leitfähigkeit

der Nervenbahnen reguliert und die Sinnesfunktionen unterstützt. Die Leistungs-

fähigkeit der physischen Sinne hängt vom Gesundheitszustand der Wirbelsäule

ab. Die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit bestimmt in hohem Maße, wie gesund

Ihr Rückenmark ist und wie effizient die Rückenmarksnerven Signale vom Gehirn

in den Körper und umgekehrt vom Körper in das Gehirn leiten. Alle elementaren

Chi-Gung-Übungen unterstützen die Gehirn-Rückenmarks-Pumpe dadurch, dass

sie die Flüssigkeit pumpen helfen und Chi fließen lassen. Sie tragen damit zu einer

optimalen Leistungsfähigkeit der Wirbelsäule bei.

Das Muskelgewebe gewinnt an Elastizität Beim Chi Gung wird das Muskelgewebe behutsam und nachhaltig gedehnt. Dieser

Vorgang unterscheidet sich deutlich vom Dehnen in den herkömmlichen Streck-

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Page 56: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Übungen. Durch die Chi-Gung-Übungen wird das Gewebe mit Energie gefüllt, so

dass sich die Muskeln bei einem bestimmten Dehnungsgrad stabilisieren. Bei den

meisten anderen Dehnübungen schrumpft dagegen, wenn der Dehnimpuls nach-

lässt, das Gewebe wieder auf die ursprüngliche Länge zurück. Mit Hilfe der spezi-

ellen Chi-Gung-Dehnung erreichen die Muskeln schließlich eine Konsistenz wie

ein elastisches Gummiband. Manche Sportler besitzen diese muskuläre Elastizität

schon von Natur aus, doch jeder andere kann diesen Zustand durch die Chi-Gung-

Praxis ebenfalls erreichen.

Die Sehnen werden gekräftigt Chi Gung verleiht auch den Sehnen eine größere Stärke und Elastizität. Dadurch

wird die auffallende Beweglichkeit und körperliche Kraft vieler Chi-Gung-Prakti-

zierender verständlich, die vor allem vom Zustand der Sehnen und Bänder, nicht

aber von den Muskeln herrührt. Die Chi-Gung-Übungen verhelfen nicht nur zu

elastischen Sehnen und Bändern, sondern verkürzen und stabilisieren sie auch bei

Überdehnung. Besonders Tänzer kennen zur Genüge derartige Probleme mit zu

schlaffen Gelenken.

Das Knochenmark wird mit Energie versorgt Das Knochenmark wird während der Chi-Gung-Übungen direkt mit Chi aufgela-

den. Die dazu nötige Technik gehört zu den fortgeschrittenen Methoden. Wer aber

diszipliniert übt, der wi rd auch vorher schon von der energetischen Stärkung des

Knochenmarks profitieren.

Die Körperzellen werden geheilt Chi-Gung-Meister heilen seit alters her Menschen, die an chronischen oder un-

heilbaren Krankheiten leiden. In den modernen chinesischen Krankenhäusern und

Pflegeheimen gibt es spezielle Abteilungen, in denen Chi Gung bei Krankheitsbil-

dern eingesetzt wird, die sich gegenüber anderen Therapiemethoden (Akupunktur,

westliche Medizin, Heilkräuter usw.) als resistent erwiesen haben. Hier lernen die

Patienten unter Anleitung ihres Therapeuten, das eigene Chi zu regulieren. Die Skala

der darauf ansprechenden Krankheiten ist weit gespannt und reicht von Nervenleiden

wie Parkinson bis zu Zellerkrankungen wie Krebs.

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Page 57: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Wie Chi Gungfunktioniert

Chi im Körper erwecken Wenn Sie regelmäßig Chi Gung üben, wird sich Ihr Körper schrittweise öffnen. Mus-

keln, die sich anfänglich noch wie taub anfühlten, werden Sie deutlich wahrnehmen

können. Ihr Körper wird Ihnen in einem beeindruckenden Entdeckungsprozess

bewusst werden. In dem Maße, wie sich Ihr Körper innerlich neu belebt, werden

Sie Ihr physisches Selbst auch äußerlich neu erfahren.

Die Behauptung, dass Sie Ihre inneren Organe tatsächlich spüren werden, ist keine

Übertreibung. Ihr kinästhetischer Sinn wird Ihnen mitteilen, wo sich zum Beispiel

Leber oder Milz befinden und was dort gerade geschieht - ganz im Gegensatz zum

rein intellektuellen Wissen um deren Lage oder Funktion. Mit einer solchen Sen-

sibilität können Sie potentielle gesundheitliche Probleme lange vor dem Ausbruch

einer Krankheit erkennen.

Der Prozess des Erweckens von Chi verläuft unregelmäßig Wenn Ihr Körper sich öffnet, dann lässt sich dieser Vorgang eher mit einer un-

gleichmäßigen Berg-und-Tal-Bahn als mit einer stetigen, geradlinigen Entwicklung

vergleichen. In der einen Woche öffnet sich ein Körperteil, in der folgenden Woche

ist es ein anderer, während sich ein bereits geöffneter wieder schließt. Doch der

Zeitpunkt wird gewiss kommen, wo sich Ihr Körper vollständig öffnet und geöffnet

bleibt - und auch Ihrem Bewusstsein vollständig zugänglich bleibt.

Blockierte Körperteile niemals gewaltsam öffnen Was sollten Sie tun, wenn Sie bei einer Chi-Gung-Übung auf eine Blockade sto-

ßen und diese nicht auflösen können? Die Antwort ist ganz einfach: Erzwingen

Sie nichts!. Anstatt sich an einem unlösbaren Energiestau festzubeißen und längere

Zeit vergeblich zu versuchen, ihn zu beseitigen, gehen Sie einfach zum nächsten

Übungsschritt über. Mit der Zeit werden Sie erleben, wie sich eine solche Blockade

einen Tag oder eine Woche später ganz plötzlich und unvorhergesehen löst.

Chi nimmt auch unmerklich zu Ist es normal, wenn Sie eine Zeit lang Chi Gung üben, aber in Ihrem Körper keiner-

lei Veränderungen spüren können? So geht es eigentlich vielen Leuten am Anfang.

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Page 58: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Sie brauchen Zeit, um mit Ihrem Chi vertraut zu werden. Halten Sie sich einfach

an die folgende Regel: Wenn Sie sich allgemein wohler fühlen, wenn Sie Dinge

ohne Anstrengung erledigen können, wenn Sie nicht mehr so häufig krank werden

oder wenn Sie konzentriert und mühelos körperliche Aktivitäten bewältigen, die

Sie vorher für unmöglich hielten, dann hat Ihr Chi zugenommen - ob Sie sich nun

dessen bewusst sind oder nicht. Üben Sie weiter, bis Sie Chi schließlich auf sehr

reale und direkte Weise spüren können.

Außergewöhnliche Wahrnehmungen sind normal Einige der verbreiteten Sinneswahrnehmungen, die immer wieder beobachtet wer-

den, wenn sich das Chi im Körper zu regen beginnt, sind: Wärmeströme, extreme

Hitze, elektrische Stöße, Schweregefühl, Leichtigkeit, Gefühle von Ausdehnung

oder Zusammenziehung, Druckempfinden und ein inneres Gefühl von Wind oder

Wasser in Bewegung (Kühle oder Frische).

Chi Gung befreit eingeschlossene Emotionen

Energie, die sich in Ihrem Organismus frei entfalten kann, beeinflusst alle Seinsebe-

nen. Einige der physischen Symptome sind bereits genannt worden. In dem Maße je-

doch, in dem Chi im Körper stärker wird, lädt es auch die emotionalen Energien auf.

Sehr viele Menschen im Westen sind emotional stark gehemmt, und sie wenden

viel Zeit und Energie auf, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Gefühle,

die niemals ausgedrückt oder ausgelebt werden, verbleiben im Energiekörper des

Menschen - an den Randzonen seines Bewusstseins. Wenn Sie in Ihrem Organismus

den Chi-Fluss öffnen, dann verstärkt Chi nicht nur Ihre physische Energie, sondern

kann auch Ihrer emotionalen Energie mehr Kraft verleihen.

Die verstärkte emotionale Energie hilft Ihnen, aktuelle Gefühle deutlich wahrzu-

nehmen, aber auch die Emotionen, die Sie schon lange unter Verschluss gehalten

oder verdrängt haben. Ärger, Furcht, Liebe, Hass, Trauer oder Freude können dann

ohne erkennbaren Anlass hervorbrechen. Solche Gefühle drängen oft während

des Übens, oder mehr noch ein paar Stunden danach, mit großer Heftigkeit an die

Oberfläche. Sie sollten aber wissen, dass Sie alle diese Empfindungen, die wir als

Emotionen bezeichnen, nicht bewusst ausagieren müssen, sondern Sie können sie

einfach im Inneren erleben und bewusst durch Ihren Körper strömen lassen.

Wer verärgert ist und dies an anderen körperlich oder seelisch auslässt, hat damit

zu rechnen, dass sein Ärger eher noch zunimmt, anstatt zu verfliegen. Wer dagegen

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Wie Chi Gungfunktioniert

die Auflösungstechniken aus dem Chi Cung in seinem „Emotionalkörper" (siehe

Kapitel 3, „Nei Gung und die Energiekörper") einzusetzen versteht, der kann den

gleichen Ärger in konstruktive, gesunde Energie umwandeln. Aktives Ausagieren

von negativer festgefahrener Gefühlsenergie birgt dagegen die Gefahr, dass sie

noch fester eingeschlossen wird. Um es noch einmal und noch deutlicher zu sagen:

Begreifen Sie, dass mit dieser Energie nichts „gemacht" werden muss. Sie sollen sie

nur beobachten oder überwachen, während sie aufgelöst, wieder aufgenommen

und in eine gesunde, konstruktive Kraft umgewandelt wird. Auf dem energetischen

Niveau ist es genauso schädlich, ein Übermaß an emotionaler Energie unkontrolliert

nach außen abzugeben wie sie zu unterdrücken.

Taoistische, Kundalini- und westliche Psychotherapie Die taoistische Sicht der Umwandlung von emotionaler Energie unterscheidet sich

radikal von den kathartischen Methoden sowohl der östlichen Kundalini-Praxis als

auch der westlichen Gruppentherapien. In der Kundalini-Praxis wird die Katharsis

zuweilen als Kriya oder „Akt ion" bezeichnet. Hier geht es in den frühen Entwick-

lungsphasen darum, durch verschiedenartige Aktionen (Schreien, Brüllen, Weinen,

Zusammenrollen in embryonaler Haltung) emotionale Energie abzulassen - das

heißt, sich durch blockierte emotionale Zustände zu arbeiten, bis sie aufgelöst sind.

Moderne Gruppentherapie (von Urschrei bis zu Encounter, Bioenergetik und Psy-

chodrama) besteht im Prinzip darin, Schmerz und Qual aus sich herauszulassen - je

lauter, umso besser. Verbale und körperliche Aggressionen können, je nach Lage,

an einem Kissen oder einer Person abreagiert werden. Obgleich diese Ansätze ge-

legentlich erfolgreich sind, haben schon die alten Taoisten die mit diesen Techniken

verbundene Problematik festgestellt.

Wenn der Dampfdruck in einem Schnellkochtopf anwächst, gibt es - nach dem

kathartischen Modell - drei Möglichkeiten, wie man mit der Situation umgehen

kann: 1. die Wärmequelle abstellen (d.h. verleugnen oder verdrängen), 2. einiges

an Dampf in Abständen ablassen, 3. den ganzen Dampf auf einmal ablassen.

Wenn man die Wärmequelle (das Feuer) abstellt, lässt dies die zugrunde liegende

emotionale Situation unverändert. Die Schwierigkeit beim partiellen Dampfablas-

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Page 60: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

sen liegt darin, dass sich der Dampfdruck nach einer Weile wieder der kritischen

Grenze nähert. Der gesamte „Dampf" kann aus einer eingeschlossenen Emotion

auf einen Schlag abgelassen werden, doch in der Praxis geschieht so etwas selten.

Viel häufiger kommt es vor, dass Leute mit gefühlsmäßigen Blockaden einen Teil

des emotionalen Drucks, aber eben nicht allen Druck, herauslassen; anschließend

baut sich der Druck, wie schon erwähnt, wieder auf und muss erneut durch eine

„Katharsis" freigesetzt werden.

Die kathartische Freisetzung heftiger Emotionen überreizt und erschöpft den Or-

ganismus. Sie kann sogar manchmal zu einem suchtartigen Bedürfnis nach diesen

heftigen Emotionen in zunehmend stärkeren Dosen führen. Die Übenden können

durch kathartische Methoden also leicht zu „Therapie-Junkies" werden: Wütende

Leute werden noch wütender oder Depressive versinken noch tiefer in Depression,

während sich die Betroffenen in der Illusion wiegen, mit Erfolg zu ihrem Besten an

sich selbst zu arbeiten.

Der taoistische Ansatz: Das Auflösen der Emotionen in den Chi-Fluss DieTaoisten haben herausgefunden, dass emotionale Energie mehr oder weniger wie

physische Energie behandelt werden kann. Auf dieser konzeptionellen Grundlage

wird in den taoistischen Praktiken die emotionale Energie so lange durch den Orga-

nismus bewegt, bis sie restlos verfeinert ist und sich selbst vervollkommnet hat. Es

wird nicht versucht, die Energie aus dem Organismus hinauszubefördern oder ihre

Entstehung von vornherein zu unterdrücken. Die angewandten Prinzipien erinnern

sehr stark an das Verfahren der Akupunktur. Wenn eine Nadel zum ersten Mal in

einen Meridianpunkt gestochen wird, vibriert sie möglicherweise sehr stark, weil sie

auf blockierte Energie gestoßen ist. Wenn sich diese blockierte Energie schließlich

Bahn brechen kann und wieder frei fließt, hört die Nadel auf zu vibrieren. Es spielt

keine Rolle, wie stark die Energie ist, die durch die Energiebahn fließt-entscheidend

ist nur, ob sie ungehindert fließt oder angehalten oder blockiert wird.

Die hervordrängende emotionale Energie sollte ihren Weg durch Ihren Organis-

mus einfach selbst finden. Wenn die Emotionen zu stark für Sie sind, gehen Sie nach

dem gleichen Schema vor wie bei einer Blockade im physischen Körper: Ziehen Sie

sich erst einmal zurück und wagen Sie sich später in weiteren kleinen Schritten an

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Wie Chi Gungfunktioniert

die Auflösung der restlichen blockierten Energie heran. Der Versuch, die Lage auf

einmal in einer großen, übermenschlichen Anstrengung zu klären, ist immer zum

Scheitern verurteilt und führt nur zu unnötigem Leiden.

Emotionen sind an sich nur Empfindungen, die wir erst nachträglich als gut oder

schlecht bezeichnen. Diese Empfindungen selbst sind verhältnismäßig neutral. Im

Chi Gung lernen Sie, Energieschwingungen, die sich gegenüber den durch sie aus-

gelösten Emotionen eigentlich positiv auswirken (selbst wenn sie Gedanken, auch

negativer Natur, hervorrufen können, mit denen Sie sich auseinander setzen müssen),

deutlich von Energie zu unterscheiden, die durch den Emotionalkörper fließt und

die prinzipiell schädlich ist, das heißt, destruktiv für das gesamte Energiesystem.

Emotionale Schwierigkeiten, die während der Chi-Gung-Praxis auftreten, sind po-

sitive Signale. Es ist weitaus besser, bestehende emotionale Blockaden durchzuarbei-

ten, als emotional verschlossen durchs Leben zu gehen. Und es ist auch entschieden

gesünder, die negativen Emotionen, denen wir ständig ausgesetzt sind, regelmäßig

auflösen zu lernen, anstatt sie herunterzuschlucken und dann an Ehepartner, Kind,

Hund, oder wer sich sonst gerade in der Nähe befindet, auszulassen.

Ich habe die Hoffnung, dass die bis jetzt im Westen kaum bekannten Methoden

des Chi Gung zur Freisetzung von Emotionen bei uns Allgemeingut werden. Sie

wirken außerordentlich kraftvoll, dabei aber natürlich und sanft. Für die westliche

Welt können sie noch sehr wertvoll werden. Die Transformation emotionaler Energie

durch Chi Gung ist nicht dramatisch, sondern einfach sehr wirkungsvoll.

Chi Gung ersetzt keine Psychotherapie oder medizinische Beratung

Die Wirkung der Chi-Gung-Praxis auf Menschen mit ernsten psychischen oder

emotionalen Problemen ist nicht vorhersehbar. Diese Personen sollten Chi Gung

nicht ohne die Überwachung durch einen geeigneten professionellen Therapeuten

üben. Im Osten können Menschen mit solchen Problemen manchmal in einen Ash-

ram oder ein Kloster gehen, wo ihre Praxis genauer überwacht und emtsprechend

reguliert werden kann, um erfolgreich zu sein. Leider gibt es im Westen derartige

Einrichtungen bisher nur selten.

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Page 62: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Wie Chi langsam und sicher kultiviert wird

Alle zuverlässigen und sicheren Übungen zur Entwicklung von Chi bauen langsam

und schrittweise auf. Dadurch entstehen stabile Verbindungen zwischen Gehirn

und Chi. „Stabil" bezieht sich hier auf die Fähigkeit der Nerven, Signale zwischen

Geist und Chi deutlich zu übertragen. Voraussetzungen dafür sind ausreichende

„Isolierung" und korrekter „Leitungswiderstand", um einen Kurzschluss in Form von

Überlastungs- bzw. Erschöpfungsschäden zu vermeiden. Ein starkes Nervensystem

ermöglichtes, Signale zwischen Gehirn und Chi ohne bewusste Willensanstrengung

zu übertragen. Solange die Nerven aber nicht genügend entwickelt sind, müssen

Sie zur Signalübertragung Ihren Wi l len einsetzen - etwa so wie ein Baby, das

anfänglich nur mit unvorstellbarer Willenskraft krabbeln und laufen kann, bis die

entsprechenden Standleitungen zwischen Gehirn und Chi ausgebildet sind. Wenn

diese Nervenverbindungen erst einmal etabliert sind, brauchen Sie keinen Gedanken

mehr auf das Gehen zu verwenden: Sie laufen einfach!

Die Kultivierung von Chi sollte deshalb aus guten Gründen langsam und schritt-

weise erfolgen, damit Chi stabil bleibt. Wenn Sie das erst einmal für die Praxis

verstanden haben, können Sie auch leicht einsehen, warum fehlerhaftes Chi Gung

zu Problemen führt. (Siehe dazu auch Anhang C.)

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Page 63: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 3

Die Theorie des Chi Gung

Die unterschiedliche Vermittlung des Chi Gung in China und im Westen

Nach zehn Jahren intensiven Studiums der inneren Kampfkünste bin ich 1987 aus

China zurückgekehrt und habe seitdem viele Wochenendlehrgänge geleitet und

Klassen unterrichtet. Diese wurden von Lehrern und Schülern des Tai Chi und

Chi Gung besucht, die auf eine Erfahrung zwischen einem und zwanzig Jahren

zurückschauen konnten. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass den meisten

Teilnehmern die elementaren (und essentiellen) Prinzipien des Tai Chi und Chi Gung

niemals erklärt worden sind - und viele von ihnen sind schon oder werden noch

Lehrer in diesen Bewegungskünsten sein.

Ganz offensichtlich werden innere Kampfsysteme wieTai Chi, Chi Gung, Hsing-I

und Ba Gua im Westen oft nur als Praxis körperlicher Bewegungen und mentaler

Visualisierungen vermittelt. Die Schüler imitieren die äußeren Bewegungen ihrer

Lehrer und meinen, mit dieser Übungsmethode ihren Chi-Fluss zu steigern und

dadurch mehr Kraft und Gesundheit zu gewinnen. Wenn die Schüler wissen wol-

len, was ihre Lehrer innerlich tun, müssen sie raten, wobei sie nicht wissen, ob ihre

Vermutungen zutreffen.

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Page 64: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Bruce Frantzis demonstriert eine der etwa 200 Standpositionen des Chi Gung

vor der Neun-Drachen-Mauer in Beijing, China, im Winter 1986.

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Page 65: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

Die chinesische Sprachbarriere Andere Schüler, die ich unterrichtete, hatten zwar von ihren chinesischen Lehrern

Erklärungen über die innere Energie erhalten; doch leider hatten sich diese oft als

nicht zutreffend oder unvollständig erwiesen, weil die Lehrer nicht genügend Eng-

lisch sprachen bzw. den Dolmetschern das ausreichende Wissen fehlte, diese hoch

speziellen Themen in eine westliche Sprache zu übersetzen. Vage Verallgemeinerun-

gen traten oft an die Stelle von präzisen Informationen. In vielen Fällen bestand das

Problem auch einfach darin, dass die Lehrer nicht dazu bereit waren, die spezifischen

' Übungsmethoden unmissverständlich und lückenlos weiterzugeben.

Bei der Wissensübertragung aus einem Kulturbereich in einen anderen bilden

Schwierigkeiten und Missverständnisse eher die Regel als die Ausnahme. Da aber Tai

Chi und Chi Gung schon seit Jahrzehnten im Westen bekannt sind, wird es höchste

Zeit, mit den falschen Vorstellungen darüber aufzuräumen.

Eine große Zahl der frühen Übersetzer von Texten über Tai Chi und Chi Gung

waren selbst keine Experten in den inneren Methoden. Sehr oft wurden metaphori-

sche Umschreibungen fälschlich für konkrete Übungsmethoden gehalten. Wie auf

jedem Spezialgebiet besitzen auch hier Fachausdrücke für Insider vom allgemeinen

Sprachgebrauch abweichende Bedeutungen und Assoziationen; die breite Öffent-

lichkeit mag die Begriffe selbst zwar kennen, nicht aber ihre genauen Bedeutungs-

nuancen. Da die meisten Chi-Gung-Experten Chinesen sind, werden Metaphern

aus dem chinesischen Kulturkreis zur Umschreibung der Methoden verwendet.

Diese bildhaften Ausdrücke erscheinen aus fernöstlicher Perspektive als sinnvoll

und angebracht, Abendländer werden davon jedoch oft in die Irre geführt.

In diesem Kapitel soll so weit wie möglich versucht werden, die zwischen den

Kulturen herrschenden Begriffsverwirrungen auf diesem Gebiet zu entmystifizieren

und aufzuklären. Außerdem werden, und das ist noch wichtiger, die inneren Metho-

den und Vorgänge in den Elementarübungen allgemein verständlich beschrieben.

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Page 66: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Die Verpflanzung kulturgeprägter chinesischer Konzepte Erst nachdem ich wirkl ich zweisprachig geworden war, fiel mir auf, dass ich, selbst

wenn es sich um die gleiche Sache handelte, in jeder der beiden Sprachen [ame-

rikanisches Englisch und nördliches Hochchinesisch] ganz unterschiedlich denke

und fühle. Dazu kommt es, weil das kulturelle und sprachliche Umfeld, in dem

die Menschen ihre Weltsicht erwerben, in großem Maße darüber bestimmt, was sie

fühlen und wie sie, ihrer Meinung nach, Informationen korrekt austauschen. Diese

kulturelle Prägung schreibt aber nicht nur vor, was ungesagt bleiben soll, sondern

auch, wie das Unausgesprochene verstanden werden sollte.

Diese sprachlich-kulturellen Begleitumstände haben den westlichen Schülern beim

Tai Chi und Chi Gung große Verständnisschwierigkeiten bereitet. Chinesen - und

Asiaten allgemein - können vieles ungesagt lassen, weil jeder mit durchschnittlichem

chinesischem Bildungsniveau das Unausgesprochene verstehen wird. Leider gibt es im

chinesischen Kulturbereich Konzepte, zu denen westliche Ausländer keinen Zugang

haben. Fangen wir deshalb am besten gleich mit der Erklärung einiger Grundbegriffe an.

Der Unterschied zwischen traditionellem Chi Gung und Nei Gung Bis vor etwa 50 Jahren wurde der Begriff Chi Gung im Zusammenhang mit Energie-

übungen nur selten verwendet. Die geläufigen Begriffe waren Nei Gung (innere Kraft)

oder Lian Gung (Übungskraft). In den letzten Jahrzehnten hat sich die Bezeichnung

Chi Gung jedoch besonders auf dem chinesischen Festland durchgesetzt. Dort fin-

det man eine große Vielfalt von Chi-Gung-Arten, viele mit so poetisch klingenden

Namen wie Weißer-Kranich-Chi-Gung, Alter-Mann-steigt-die-Treppen-Chi-Gung,

Pflaumenblüten-Chi-Gung usw.

Alle Chi-Gung-Praktiken leiten sich aus den Nei-Gung-Systemen oder von deren

Vorläufern ab. Die im vorliegenden Buch enthaltenen Techniken sind sämtlich ur-

sprüngliche Nei-Gung-Übungen.* (Die 16 Grundkomponenten des Nei-Gung-Sys-

tems und ihre Beziehung zu den in diesem Buch beschriebenen Elementarübungen

werden in Kapitel 15 beschrieben.)

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Page 67: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

Diese Energiesysteme wurden von taoistischen Mönchen, als sie während der

Meditation ihren Geist und Körper ergründeten, entdeckt und weiterentwickelt.

Sie nutzten die Chi-Energie, um eine bessere Gesundheit zu erhalten, Krankhei-

ten zu heilen und tiefe innere Stille und Spiritualität zu verwirklichen. Ihre Arbeit

wurde systematisch zusammengestellt als Nei-Gung-System, das die energetische

Grundlage für Chi Gung bildet: die inneren Kampfkünste Tai Chi, Hsing-I und Ba

Gua; die taoistischen Heilkünste, Akupunktur und Tuina eingeschlossen; und die

taoistische Meditation.

Diese uralten Methoden, die jahrtausendelang relativ geheim gehalten wurden,

besitzen eine außerordentliche Tiefe. Ein guter Lehrer kann Nei-Gung-Techniken

von den anfänglichen bis zu den fortgeschritteneren Stufen weitergeben. (Anhang B

bietet Hilfestellungen, um einen qualifizierten Lehrer zu finden.)

Nei Gung wirkt von innen nach außen -Chi Gung von außen nach innen Der Schwerpunkt im Nei Gung liegt auf der Entwicklung der Zentralenergie, die

durch die Mitte des Körpers fließt und von dort aus die peripheren Energiebahnen

(zum Beispiel die Akupunkturmeridiane) öffnet und energetisiert. Chi Gung ist pri-

mär auf die Energiebahnen an der Körperoberfläche gerichtet und beeinflusst durch

diese die zentral fließende Energie. So gesehen ähnelt Chi Gung der Akupunktur,

die ebenfalls auf die mehr oberflächliche und periphere Energie in den Meridianen,

den Nebenbahnen und den acht Sondermeridianen einwirkt, um auf tieferer Ebene

Veränderungen hervorzurufen.

Chi Gung mobilisiert Chi durch einzelne Körperbewegungen - Nei Gung durch vielfältige Geist-Körper-Interaktion Beim Chi Gung übt der Praktizierende jeweils nur eine einzige Technik gleichzeitig

und verbindet sie nach und nach zu einer speziellen Übungsfolge miteinander.

* In diesem Buch wird durchgehend die Bezeichnung Chi Gung verwendet, weil diese sich in

den letzten jähren im Westen als Oberbegriff, als eine Art Markenzeichen eingebürgert hat. Der

Inhalt dieses Buches betrifft aber eigentlich nur Nei-Gung-Übungen und weniger die limitierte

Perspektive, auf der viele moderne Chi-Gung-Systeme beruhen.

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Page 68: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Beispielsweise wird ein Akupunkturmeridian geöffnet oder aktiviert, und wenn er

offen ist, wird der nächste, der in der Übungsfolge vorgesehen ist, durch eine andere

körperliche Bewegung geöffnet usw. Im Chi Gung gibt es zahlreiche Einzeltechni-

ken, vom Klopfen über das Dehnen bis zum Aufstampfen. Das wichtigste und stets

gültige Prinzip des Chi Gung ist jedoch, dass eine Chi-Bewegung auf die andere

folgt. Zwei oder mehr Chi-Ströme fließen selten gleichzeitig.

Im Allgemeinen konzentriert sich Chi Gung auf bestimmte Akupunkturbahnen

und einzelne Akupunkte. Dagegen arbeitet Nei Gung mehr mit der Energie des

Zentralkanals, der vom Scheitelpunkt des Kopfes bis zum Perineum und durch die

Mitte der Knochen von Armen und Beinen verläuft (siehe Abb. auf Seite 291), sowie

mit den Muskeln, Faszien, inneren Organen, Drüsen, Rückenmark und Gehirn.

Aus medizinischer Sicht wendet Chi Gung gewöhnlich spezifische Techniken für

spezifische Probleme an, während Nei Gung dem gesamten Organismus Energie

zuführt. Diese umfassende Verbesserung der Energiefunktion führt schließlich zur

Auflösung von bestimmten Problemen.

Das Nei-Gung-System versucht dagegen, auf alle Chi-Flüsse im Organismus

gleichzeitig einzuwirken. Das höchste Ziel besteht darin, mit jeder Bewegung

Hunderte von Chi-Flüssen im Körper synergetisch zu vereinigen. Auf diese Weise

wird dem Praktizierenden schließlich eine Energiemenge zugänglich sein, die insge-

samt mehr als die Summe aus dem Chi ist, das durch die einzelnen Energiebahnen

fließt. Auf den höheren Übungsstufen werden sich die jeweiligen Chi-Ladungen

von Körper, Geist und höherem Bewusstsein vollständig vereinigen. Die gesamte

Person funktioniert dann im Sinne einer einzigen riesigen Zelle, in der alles Chi im

gemeinsamen Rhythmus pulsiert.

Obwohl auch Nei Gung in getrennten Einheiten erlernt wird, sollte es danach stets

so praktiziert werden, dass alle erlernten Einheiten gleichzeitig ausgeführt werden.

Schließlich dringt die Energie bis in die Zentren von Knochen- und Rückenmark

vor. Im Allgemeinen wird Nei Gung deshalb für Menschen, die nach maximaler Ge-

sundheit und großer physischer Leistungsfähigkeit streben, als überlegen eingestuft.

Einfach und anschaulich lässt sich der prinzipielle Unterschied zwischen Chi

Gung und Nei Gung so beschreiben: Beim Chi Gung folgt auf die Technik A die

Technik B und auf diese dann die Technik C. Das Resultat dieser Aneinanderrei-

hung ist der additive Effekt von A plus B plus C. Beim Nei Gung dagegen wird die

Technik A gleichzeitig mit Technik B und Technik C geübt. Synergetisch betrachtet

stellt sich dann der multiplikative Effekt von A mal B mal C ein.

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Page 69: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

Beim Chi Gung wird Chi indirekt vom Atem bewegt - beim Nei Gung direkt vom Geist

In den inneren Kampfkünsten Chinas bezieht sich der Begriff „Atem" auf zwei

unterschiedliche Vorgänge: erstens, auf die Bewegung der Luft, in die Lungen hin-

ein und aus ihnen heraus -das ist der physische Sauerstoff-Atem; zweitens, auf das

Ebben und Fluten der Lebenskraft durch den gesamten Körper - das ist der subtile

Atem des Chi. Der physische und der subtile Atem können koordiniert werden oder

auch unabhängig voneinander fließen. Chi Gung koordiniert die beiden, während

Nei Gung direkt mit dem subtilen Atem und ohne die Unterstützung des physischen

Atems arbeiten kann.

Im Chi Gung wird der physische Atem benötigt, um die Verbindung zwischen

Geist und Chi, dem subtilen Atem, herzustellen. Die Achtsamkeit oder das bewusste

Gewahrsein, eine der angewandten Formen des Geistes, ist auf den physischen

Atem gerichtet: Beim Üben stellen Sie sich bildhaft vor, wie sich der physische

Atem durch Ihren Körper bewegt, und fühlen ihn in bestimmte Körperbereiche

hineinfließen. Auf diese Weise verbindet er sich auf indirekte Weise mit dem sub-

tilen Atem. Ein- und Ausatmen, Aussetzen, Beschleunigen und Verlangsamen: Alle

Bewegungen des physischen Atems werden mit jeder einzelnen Handlung koordi-

niert - gleichgültig, ob es sich nun um Körperbewegungen, Energieübungen oder

Visualisierungen emotionaler, psychischer oder spiritueller Wesensaspekte handelt.

Fast alle medizinischen Chi-Gung-Methoden stützen sich zur Aktivierung des Chi

auf den physischen Atem. Ähnlich verhält es sich mit den meisten buddhistischen

Chi-Gung-Praktiken, die sich auf das bewusste Gewahrsein des Atems richten.

Die wesentliche, von Gautama Buddha gelehrte Praxis, die heute als Vipassana

bekannt ist, beruht darauf, das An- und Abschwellen des physischen Atems und die

Empfindungen im Körper zu beobachten. Der tantrische Buddhismus benutzt bei

den Übungen der Vollendungsphase ebenfalls den physischen Atem als Mittel der

Koordination von Mantras, Energiearbeit und Visualisierungen.

Im Nei Gung bewegt dagegen der Geist oder das bewusste Gewahrsein Chi direkt,

mit oder ohne Unterstützung des physischen Atems. Der Geist kann sich allein auf

die innere Energie konzentrieren, oder er kann sie zu bestimmten Aufgaben und in

spezielle Energiebahnen lenken. Nei Gung verwendet auch wirkungsvolle Atem-

mechanismen, die im Wesentlichen den Atem des Babys im Mutterleib nachvoll-

ziehen. Die Bewegung des Chi ist jedoch grundsätzlich nicht auf den physischen

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Page 70: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Atem angewiesen, gleichgültig, wie Sie atmen. Der physische Atem kann zuweilen

so langsam, ausgeglichen und ruhig werden, dass er fast zu verschwinden scheint.

Im Laufe der Zeit verlagert sich das Umfeld des subtilen Atems beim Nei Gung vom

physischen Atem zur Präsenz von Chi oder Geist selbst.

Nei Gung und die Energiekörper Gegenüber Chi Gung, bei dem die Kultivierung von Chi mit physischer Bewegung

verbunden ist, besitzt Nei Gung einen immanenten Vorteil; dieser betrifft die Vor-

gänge im Unterbewusstsein.

Beim Nei Gung arbeiten wir direkt mit Chi und umgehen, in den Anfangsphasen,

die Nutzung des Atems zur Bewegung von Chi. Mit der Zeit wird der Praktizierende

für den subtilen Atem (Chi) deutlich sensibler und kann beobachten, wie dieser

nicht nur den physischen Körper durchdringt, sondern auch die höheren, subtileren

Energiekörper: den Emotionalkörper, den mentalen Körper, den psychischen Körper,

den Kausalkörper usw.* Wenn die Verbindung zwischen dem Geist und den ver-

schiedenen Energiekörpern erst einmal hergestellt ist, können wir auch wahrnehmen,

wie die Koordination des Atems mit den Körper- und den Chi-Bewegungen auf alle

Ebenen unseres Wesens einwirkt. Von dieser Stufe aus können Praktizierende den

Atem zielgerichtet einsetzen, um alle Energiekörper bewusst und gleichmäßig zu

entwickeln. Sie werden von den dunklen, vernachlässigten Gefühlsbereichen erfah-

ren, die nach Auflösung verlangen, und von den hellen, lebenssprühenden Sphären,

die weitere Förderung verdienen. Auf dieser hohen Stufe trägt der Atem auch dazu

bei, den gesamten Energiekörper harmonisch und nachhaltig zu stärken.

Die unverwechselbaren Stärken von Chi Gung und Nei Gung Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass ein wahrer Nei-Gung-Fachmann

die Chi-Gung-Methoden versteht, der Chi-Gung-Experte aber generell mit den

Nei-Gung-Prinzipien nicht umfassend vertraut ist. Das könnte zu der Annahme

verleiten, dass Nei Gung dem Chi Gung generell überlegen ist. Dieser Schluss trifft

aber nicht unbedingt zu. Viele Krankheiten und Funktionsstörungen werden häufig

* Für weitere Informationen über die acht Energiekörper siehe Im Tao sein - Entspanung in Acht-

samkeit von Bruce K. Frantzis (Windpferd Verlag, 2006), Seite 54f.

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Page 71: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

von einer Unausgewogenheit in einem nur kleinen Körperbereich verursacht. In

solchen Fällen ist es am besten, Chi-Gung-Techniken anzuwenden, weil nur eine

begrenzte Zahl von Chi-Flüssen zur Diagnose beobachtet und zurTherapie angeregt

werden muss. Nei Gung ist gewöhnlich vorteilhafter, wenn es um Langlebigkeit und

hohe Leistungskraft geht.

Die inneren Kampfkünste: Tai Chi, Hsing-I und Ba Gua

Die drei inneren Kampfkünste Tai Chi, Hsing-I und Ba Gua beruhen alle auf dem

Nei-Gung-System zur Entwicklung und Pflege von Chi. Sie fassen die wirkungs-

vollsten Kampftechniken des Alten China zusammen und verbinden sie mit dem

Nei-Gung-System der Kultivierung von innerer Kraft. Diese Kombination erzeugt

zwei scheinbar nicht miteinander zusammenhängende Resultate: einerseits höchste

sportliche und kämpferische Fertigkeiten, andererseits unverwüstliche Gesundheit.

Bei spezifischem Training auf höheren Stufen können Tai Chi und Ba Gua aber auch

abgeschlossene Systeme der spirituellen Entwicklung sein.

Tai Chi als Gesundheitspraxis im modernen China Fast alle Menschen, die heute in China Tai Chi üben, tun dies, um ihre Gesundheit zu

stärken, Stress abzubauen und ihre Energie zu steigern. Nur verhältnismäßig wenige

von ihnen praktizieren Tai Chi als Kampfkunst, in der die vermehrte innere Kraft die

kämpferischen Fertigkeiten verfeinert und effizienter macht -egal , ob es sich dabei

um Angriff oder Verteidigung, Austeilen oder Einstecken von Schlägen handelt. Es

sollte hervorgehoben werden, dass das Training der Kampfanwendungen sehr viel

gründlicher und anspruchsvoller aufgebaut ist als die Gesundheitsunterweisung.

Zwei oder drei Kilometer Dauerlauf pro Tag mögen gut für die Gesundheit sein, aber

um Marathonläufer zu werden, bedarf es deutlich größerer Anstrengung. Ähnlich

kann die tägliche Praxis von Tai Chi für die Dauer von nur 20 bis 40 Minuten die

allgemeine Verfassung spürbar verbessern und bis ins hohe Alter blühende Gesund-

heit bewahren. Um jedoch ein erfolgreicher Kampfkünstler zu werden, sind viele

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Page 72: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Stunden Training am Tag unter Anleitung eines erfahrenen Lehrers für die Dauer von

etwa zehn Jahren erforderlich, und um spirituelle Verwirklichung zu erlangen, ist

eine noch größere Bemühung als bei den Kampfkünsten notwendig.

Hsing-I und Ba Gua: Kampfmethoden zur Lebensverlängerung Hsing-I ist ein außergewöhnlich effizientes Nei-Cung-System, das sich in den letzten

900 Jahren als inneres Kampfsystem auch auf den Schlachtfeldern Chinas bewährt

hat. Ursprünglich wurde es von einem General entwickelt, der sein Offizierskorps

darin schulte. Im 19. Jahrhundert wurde diese innere Kampfkunst durch die schlecht-

hin unbesiegbaren Begleiteskorten berühmt. Man kann es mit Karate vergleichen,

wobei die Betonung auf der Entwicklung von innerer Stärke und Kraft sowie auf der

Förderung der Gesundheit liegt.

Beim Hsing-I wird großer Wert auf die Entwicklung und Demonstration von Kraft

gelegt. Während der Körper eines Tai-Chi-Meisters nach außen weich und nach

innen hart wird, strebt ein Hsing-I-Meister genau das Gegenteil an: nach außen

stahlhart und nach innen sehr weich. Das führt zu kaum vorstellbarer körperlicher

Beweglichkeit sowie einem tiefempfundenen Gefühl inneren Wohlbefindens. Von

den drei inneren Kampfsystemen vermittelt Hsing-I am schnellsten ein Gefühl von

Stärke und Vitalität.

Ba Gua gilt allgemein als die am höchsten entwickelte innere Kampfkunst. Wie

auch Hsing-I-Meister leben die Ba-Gua-Meister in der Regel länger als die Vertreter

des Tai Chi. Ba-Gua-Techniken sind wesentlich komplizierter alsTai-Chi-Techniken.

In China heißt es, dass jeder Tai Chi lernen kann, doch nur wenige meistern Hsing-I

und noch viel weniger Ba Gua. DieTechniken von Tai Chi und Hsing-I arbeiten - ver-

einfacht ausgedrückt - mit Kreisbahnen und Kurven, Ba Gua dagegen ist einzigar-

tig in seiner Anwendung von Kugeloberflächen, das heißt, in allen Dimensionen

gleichzeitig. Ba Gua arbeitet mit der Energie des Körpers auf eine solche Weise, dass

schließlich eine größere körperliche Beweglichkeit und energetische Vielseitigkeit

entsteht als bei den beiden anderen inneren Systemen. Durch die ununterbrochen

spiralförmig hervorquellende Energie gilt es auch als ästhetisch attraktivste Form.

Ba Gua ist im Kampf zwar äußerst wirkungsvoll, aber das ist nur eine seiner

Besonderheiten. Auf der Grundlage der inneren alchemistischen Energieprinzipien

des I Ging kann dieses System die dort beschriebenen elementaren Energien verkör-

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Page 73: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

pern und manifestieren. Es ist höchst bedauerlich, dass die authentische Tradition

der Energiearbeit des Ba Gua in China und im Westen gegenwärtig verloren ist.

Das meiste, was man heute von Ba Gua finden kann, sind Sequenzen körperlicher

Bewegungen oder einfache, isolierte Kampfanwendungen, die in verschiedenen

Kampfkunstschulen unterrichtet werden. Dazu kommt die Schwierigkeit, weitere

schlüssige Informationen über das authentische Ba Gua aufzuspüren.

Ba Gua ist die einzige Kampfkunst in China, die ihrem Wesen nach vollständig

taoistisch ist. Tai Chi und Hsing-I wurden beide vom buddhistischen Shaolin-Kloster

mitgeprägt. Erst vor etwa hundert Jahren wurde Ba Gua in der Öffentlichkeit bekannt;

dabei gibt es im südlichen China ein taoistisches Kloster, wo die Grundübung des

Ba Gua, das Umschreiten des Kreises, während der letzten 1500 Jahre praktiziert

wurde. Dazu existieren noch alte Dokumente, nach denen Ba Gua vor 4000 Jah-

ren irgendwoher aus dem Kunlun-Gebirge gekommen sein soll. Ganz genau kann

allerdings niemand sagen, wie alt diese Kunst wirkl ich ist.

Die Übungsformen der drei inneren Kampfkünste bestehen aus Serien einzelner

Positionen*, die in Bewegungsfolgen ausgeführt werden. Im Sinne des Nei Gung

wirkt jedes einzelne Formteil gleichzeitig auf sämtliche Chi-Ströme des Körpers ein.

So wie jede Chi-Gung-Übung hat auch jede Nei-Gung-Position eine energetische

Primärfunktion. Wenn diese Positionen oder Einzelformen miteinander verknüpft

und als Bewegungsfolge geübt werden, entsteht eine bestimmte Energiequalität,

die gleichzeitig Blockaden beseitigt, den Energiehaushalt auffrischt und das Chi im

Körper kräftiger und ausgewogener macht.

Die gleiche Lebensenergie, die Kampfkünstler entwickeln und anwenden, kann

auch von Sportlern oder Tänzern genutzt werden und ihnen dabei helfen, innere

Kraftreserven anzulegen, wie es sonst nur den talentiertesten Meistern ihrer Diszi-

plin gelingt. Der Unterschied liegt darin, dass Sportler im Westen durch Zufall oder

genetische Veranlagung zu dieser inneren Kraft gelangen, während die Chinesen

viele gut durchdachte, systematische Methoden konzipiert haben, mit denen jene

Praktizierenden diese innere Kraft gewinnen können, die bereitwillig, zielstrebig

und regelmäßig trainieren wollen.

* Zur Definitori des Begriffs „Position", wie er in den taoistischen Energiekünsten verwendet wird,

siehe auch Seite 286.

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Page 74: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Die drei Ebenen des Chi Gung: Körper, Chi und Geist

Die drei inneren Kampfkünste, Tai Chi Chuan, Hsing-I und Ba Gua, sowie Chi Gung

und Nei Gung funktionieren auf den drei Ebenen von Körper, Chi und Geist/höheres

Bewusstsein:

Die Chi-Gung-Elementarübungen, die in diesem Buch dargestellt werden, haben

als primäres Ziel die Entwicklung von Körper und Chi. Die Betonung liegt noch

nicht auf den Zielen höherer Meditationstechniken und Geistespraktiken, wie zum

Beispiel den Geist leer machen, in die Stille eintreten oder die Vereinigung mit dem

Tao. Auch hier gilt die alte Weisheit, dass man erst stehen und dann laufen lernen

muss, bevor man rennen kann.

Sie können die hier beschriebenen Elementarübungen in zwei unterschiedlichen

Funktionen anwenden. Zum einen können sie als separate Praxis ausgeführt wer-

den - etwa im Sinne einer Form des Chi Gung; auch wenn Sie sonst nichts über Tai

Chi wissen, wird Ihnen das die gesundheitlichen und Stress mindernden Vorteile

bieten, die viele Menschen überhaupt erst zu Tai Chi oder den anderen inneren

Kampfkünsten gebracht haben. Zum anderen sind diese Übungen, besonders wenn

Sie sich schon mit den inneren Kampfkünsten oder der Sitzmeditation befassen, für

die allgemeine Aufwärmphase zu empfehlen, damit Ihr Körper für die eigentliche

Praxis ausreichend vorbereitet ist. Dadurch verringern Sie die Verletzungsgefahr und

lösen anfängliche Stressrückstände auf, die sonst in der ersten halben Stunde Ihrer

regulären Übungspraxis aufgearbeitet werden müssten. Dadurch können Sie sich

ungehindert auf die tieferen Elemente des Tai Chi oder der taoistischen Meditation

konzentrieren.

Durch Körpersynergie werden die Chi-Reserven vergrößert

Das wichtigste Prinzip bei diesen Elementarübungen, wie übrigens auch bei Tai

Chi und Nei Gung, ist die Synergie, was bedeutet, dass das Ganze mehr sein kann

als die Summe seiner Teile. In den menschlichen Aktivitäten lässt sich dieser Effekt

durch Erfahrung vielfältig belegen. Bei den inneren Systemen müssen Sie die syn-

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Page 75: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

ergetischen Resultate deutlich spüren, um zu wissen, ob dieses Prinzip wirksam ist

oder nicht. Abermillionen von Chinesen, und jetzt auch viele Menschen im Westen,

haben im Laufe der Zeit herausgefunden, wie vorteilhaft der synergetische Einsatz

der Energie für ihre Gesundheit ist.

Auf die elementaren Chi-Gung-Übungen bezogen bedeutet Synergie, dass Sie die

vielen einzelnen Faktoren von Geist, Körper und Energie miteinander koordinieren,

um sie gleichzeitig zu aktivieren. Wenn Sie beispielsweise fünf Körperteile, jeder mit

einem angenommenen Energiewert von zwei Einheiten, in der gewohnten Weise

unabhängig voneinander oder nacheinander bewegen, entspräche die entstehende

Summe der Energiewerte bei den meisten Menschen der Summe der Teile oder zehn

Einheiten. Bei synergetischem Einsatz der gleichen fünf Körperteile würde man die

fünf Werteinheiten multiplizieren, anstatt sie nur zu addieren - der Energie-Output

würde dann im Idealfall 32 Einheiten erreichen.

Alle diese Übungen sollen jedoch nicht nur die Muskeln, sondern primär das Zen-

tralnervensystem und die inneren Organe kräftigen. Die vollständige Entspannung

hilft zunächst, den Körper von aufgestautem Stress und angesammelter Spannung zu

befreien. Im nächsten Schritt werden, soweit es die Verfassung des Übenden erlaubt,

die inneren Organe und die Nervenbahnen gestärkt. Nachdem die primäre Aufnahme-

grenze für Chi erreicht ist, werden die zentralen Reserven aufgefüllt und erweitert, auf

die dann in Zeiten von großer Belastung oder Notfällen zurückgegriffen werden kann.

Im Vergleich zu Chi Gung tendieren viele westliche Übungssysteme dazu, die

Hauptenergiereserven des Körpers zu erschöpfen, weil sie besonders leistungsori-

entiert sind. Der Wettkampf mag heute gewonnen werden, aber zehn oder fünfzehn

Jahre später, wenn die inneren Reserven zur Heilung von schweren Organkrankhei-

ten oder zur Abwehr von Krebs benötigt werden, steht nichts mehr zur Verfügung.

Eine alte Redensart drückt das so aus: „Für die Torheiten der Jugend muss man im

Alter büßen."

Das „Kapital" an Lebensenergie bewahren Die Chi-Gung-Praktizierenden in China glauben, dass jeder Mensch mit einer be-

stimmten Menge an Lebensenergie- oder Chi-Kapital geboren wird. Nehmen wir

einmal an, dass die meisten Menschen mit einem Kapital von 1 Mi l l ion Dollar auf

die Welt kommen, obwohl es bei einigen seltenen Ausnahmen auch 100 Mil l ionen

Dollar sein können. Für Babys macht das noch keinen so großen Unterschied aus,

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Page 76: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

denn fast alle Neugeborenen sind entspannt, erstaunlich energiegeladen und können

sich von Krankheiten oder Verletzungen rasch und problemlos erholen. Für einen

sehr reichen Mann spielt es finanziell auch keine große Rolle, ob er bei McDonalds

oder im Ritz essen geht und zwei Dollar oder 200 Dollar bezahlt. Aufgrund ihrer

reichen genetischen Anlagen können die „Mult imil l ionäre" pro Tag drei Päckchen

Zigaretten rauchen und zwei Flaschen Whisky trinken, bis spät in die Nacht über

die Stränge schlagen, fast überhaupt nicht schlafen, unmenschlich lange arbeiten

und trotzdem noch 95 Jahre alt werden, ohne ernstlich zu erkranken. Für die an-

deren 99,9 Prozent der Bevölkerung würde eine derartige Lebensweise jedoch eine

ziemliche Katastrophe und einen frühen Tod bedeuten.

Schwere Krankheiten, Verletzungen oder größere Operationen erschöpfen das

Lebensenergie-Kapital eines Menschen außerordentlich. Entweder gelingt es, das

Cuthaben wieder aufzufüllen, oder man muss mit dem Defizit bis zum Tode weiterle-

ben. Chi Gung kann diese verlorene Energie ersetzen, das Defizit wieder ausgleichen

und es den Menschen ermöglichen, sich von den Belastungen des Alltagslebens zu

erholen. Die regelmäßige Praxis von Chi Gung und Nei Gung gibt Ihnen die Energie,

die Sie für den Tag benötigen, damit Sie nicht Ihr Kapital oder Ihre Reserven an Ener-

gie völl ig verbrauchen müssen. Mehr Praxis kann Ihre Reserven sogar vergrößern.

Die zentralen Energiereserven sind entscheidend Offensichtlich lässt sich durch vollwertige Nahrung, angemessene Körperübungen

und eine maßvolle Lebensführung eine gewisse Menge an Chi erzeugen, die den

Alltagsbedarf deckt und das allgemeine Wohlbefinden fördert. Leider hilft solch eine

Disziplin nicht, um die zentralen Energiereserven des Körpers aufzufüllen. Perma-

nenter Stress im Alltag verbraucht diese Reserven so schnell, dass es schließlich zu

diversen Erkrankungen kommen kann. Die zentralen Reserven sind für Notfälle und

Krankheiten vorgesehen, nicht für die täglichen Belastungen.

Wer sein Leben vernünftig einrichtet, gewinnt mehr als die durchschnittlichen

Energiereserven, um sich gegen bevorstehende Entbehrungen zu wappnen oder von

schweren Belastungen zu erholen. Wer aber die zentralen Reserven vergrößert, steigt,

energetisch gesehen, „vom armen zum reichen Menschen" auf. Im Unterschied

zu äußerem Reichtum kann dieser vermehrte innere Reichtum weder mit Steuern

belegt noch gestohlen werden. Er entsteht auch nicht dadurch, dass mit fremdem

Kapitel gearbeitet wird - er muss selbst erworben werden.

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Page 77: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

Wenn die Energiereserven eines Menschen überdurchschnittlich zunehmen, dann

verschwinden die meisten Schmerzen, Spannungen und allgemeinen physischen

Unpässlichkeiten des Lebens. Regelmäßiges Üben von Chi Gung oder Tai Chi ist

eine kluge und unmittelbare Investition in die Zukunft, so wie tägliches Sparen klei-

ner Geldbeträge schließlich ein großes Vermögen schafft. Der Weg des Chi Gung

führt also nicht zur schnellen, kurzfristigen Belohnung, obgleich sich zunehmendes

Wohlbefinden und körperliches Behagen sehr bald einstellen. Der wahre Wert dieser

Übungen wird erst mit den Jahren deutlich sichtbar, wenn das „Kapital" an Energie

immer weiter anwächst.

Das Grundprinzip des Chi Gung: Himmel, Erde und Mensch Alle Übungen des Tai Chi wie auch des Chi Gung stützen sich auf die chinesischen

Grundkonzepte von Himmel, Erde und Mensch (Tien, Di, Ren). Die Energie der

Erde wird durch die Verwurzelung des Übenden bei der Praxis aufgenommen; die

Wurzel befindet sich etwas unterhalb der Stelle im Boden, wo die Füße stehen. Die

Energie des Himmels fließt am Scheitelpunkt des Kopfes in den Organismus hinein.

Wir Menschen befinden uns in der Mitte und müssen die Energie aus diesen beiden

Quellen aufnehmen, die sich in der Tat mit einem positivem und einem negativem

Pol vergleichen lassen. Wenn die beiden Pole miteinander verbunden sind, kann

der Strom der Lebensenergie auf natürliche Weise fließen. Dieser Strom kann täglich

verbraucht und mit entsprechender Übung im Körper gespeichert werden, genauso

wie eine Autobatterie den Ladestrom der Lichtmaschine speichert.

Die Komponenten der Standform Die energetische Grundlage der sechs Elementarübungen, die für das gesamte Chi

Gung gilt, ist die Standform. Stehen lernen beginnt mit den physischen Körperaus-

richtungen. Wenn die einzelnen Körperteile nicht korrekt ausgerichtet sind, geht

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Page 78: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Energie verloren oder staut sich - wie Wasser in einer falsch angelegten und schlecht

gewarteten Rohrleitung. Solche Lecks oder Stauungen treten am häufigsten in den

Gelenken und ihrer unmittelbaren Umgebung auf.

Der herabfließende Chi-Fluss: „Himmelsenergie" Bei der ersten Stufe geht es darum, Chi in einem rein energetischen Prozess vom

Himmel durch den Körper nach unten in die Erde zu leiten. Den meisten Menschen

im Westen ist das elementare Prinzip des Chi Gung und des Nei Gung nicht be-

kannt, nach dem die von oben nach unten fließende Energie grundsätzlich für das

allgemeine Wohlbefinden verantwortlich ist.

Das menschliche Energiesystem lässt sich, wie schon gesagt, mit einem elektri-

schen Stromkreis vergleichen. Bevor Strom durch einen Draht geschickt werden

kann, muss das System auf den zu erwartenden Widerstand und auf ausreichende

Isolierung geprüft werden. Wenn das unterlassen wird, brennt die Leitung durch oder

es gibt einen Kurzschluss. Aus chinesischer Sicht (oder vom Standpunkt indischer

Yogis) ist es gar nicht so schwierig, viel Energie zu erzeugen. Die Schwierigkeit

besteht eher darin, ein geeignetes Leitungssystem zu schaffen, um diesen Strom

auch nutzen zu können. Aus diesem Grund müssen Anfänger reichlich Zeit für

die Installation der Sicherungen und den Aufbau des nötigen Innenwiderstandes

verwenden, damit das System nicht durch die Aufnahme von zu viel Energie in zu

kurzer Zeit geschädigt wird.

Folgerichtig bedeutet das für die Praxis, dass bei jeder Chi-Gung- oder Nei-

Gung-Übung, bevor Chi durch einen bestimmtem Stromkreis geschickt wird, die

körperliche Widerstandskraft dem erhöhten Durchfluss angepasst werden muss. Je

stärker der Energiestrom ist, um so dicker müssen die Leitungen und um so stärker

die Isolierung gewählt werden.

Im Chi Gung und im Nei Gung wird die Leistungsfähigkeit des Energiesystems

durch die Steigerung des abwärts fließenden, vom Himmel kommenden Energie-

stroms verbessert. Das hilft auch Blockaden zu beseitigen und die Leitfähigkeit

des Nervensystems für die aufwärts fließende Energie zu stärken. Daher wird am

Anfang viel mehr Zeit und Übung darauf verwendet, die Energie zu erden, als ihren

Aufwärtsfluss zu fördern.

Viele Menschen verspüren bei derChi-Gung-Standform zuweilen ein unwillkür-

liches Schütteln. Diese Reaktion ist typisch, wenn der Körper festsitzende physische

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Page 79: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

oder emotionale Energie auflöst. Das gleiche Phänomen tritt auch bei Akupunk-

turbehandlungen auf, nur dass hier die frei werdende Energie statt des Körpers die

Nadel vibrieren lässt. Im Allgemeinen erfasst die blockierte Energie die Nadel, wenn

sie in einen blockierten Punkt gesetzt wird, und lässt sie erzittern. Die Nadel hört

erst dann auf zu vibrieren, wenn die Blockade beseitigt und der Meridian wieder

geöffnet ist.

Wenn Energieblockaden durch den abwärts fließenden Energiestrom beseitigt

werden, lösen sich auch chronische Energiestaus auf. Die bei diesen Prozessen

freigesetzte Energie kann der Körper leicht und problemlos weiterverwenden. Zu

den einzigen beunruhigenden Symptomen kann es nach der Beseitigung extrem

starker Blockaden kommen, wenn sich vorübergehend ein Gefühl großer Müdigkeit

einstellt, weil der Körper Giftstoffe ausscheidet und einen Übergang von einem

niedrigen zu einem höheren Energiezustand durchmacht. Das sollte aber keine

Besorgnis auslösen, sondern als gutes Zeichen gelten. Nachdem dieser Übergang

abgeschlossen ist, wird der Praktizierende mehr Energie und Vitalität als zuvor

besitzen.

Der aufsteigende Chi-Fluss: „Erdenergie"

Der zweite Abschnitt behandelt die im Körper aufwärts fließende Energie. Sie kommt

aus dem Boden und steigt bis über den Kopf hinauf - von der Erde zum Himmel.

Viele Energieschulen pflegen diesen Energiestrom wegen seiner vergeistigenden

Wirkungen mit besonderem Nachdruck. In dieser Übungsphase des Chi Gung

machen die Schüler die ersten „spirituellen Erfahrungen", zum Beispiel psychische

Erlebnisse, Visionen, innere Klänge und außerkörperliche Erfahrungen sowie, um

ehrlich zu sein, alle möglichen Halluzinationen, überirdische Zustände und Gefühle

der Trennung vom eigenen Körper.

Wenn die Energie gleichmäßig, kräftig und natürlich durch Ihren Körper fließt,

verspüren Sie Wohlbehagen, Leichtigkeit und entspannte Klarheit. Die oben ge-

nannten Erfahrungen, die Ihnen positiv oder negativ erscheinen können, werden

durch Blockaden aufgrund von gestautem Chi verursacht. Wichtig ist, dass Sie diese

Erfahrungen ihrem Wesen nach als Auswirkungen von Energieblockaden erkennen.

Wenn die Blockade als unangenehm empfunden wird, drängt es einen förmlich,

„sich da durchzuarbeiten". Nachdem man sich des gesamten Ballasts entledigt hat,

stellt sich ein Gefühl der Befriedigung darüber ein, etwas geleistet zu haben.

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Page 80: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Lichter, Klänge, Visionen und ähnliche psychische Phänomene werden von vie-

len für etwas außerordentlich Erstrebenswertes gehalten, in dessen Genuss man

um jeden Preis kommen wi l l . Zu dem klassischen Köder, der in den verschiedenen

manipulativen Energiemethoden ausgelegt wird, gehört es, die Betroffenen in dem

Glauben zu wiegen, dass sie etwas Besonderes seien, mächtiger oder erhabener als

andere, nur weil sie solche paranormalen Erlebnisse haben und auf spektakuläre und

ungewöhnliche Weise Energie aussenden können. Dies kann schnell dazu verführen,

sich anstelle von Alkohol, Kokain oder ähnlichen suchterzeugenden Substanzen

solchen psychischen Erfahrungen zuzuwenden und ein „Energie-Junkie" zu werden.

Obgleich diese Form des Umgangs mit Energie nicht mit der Sucht nach harten

Drogen oder anderen zwanghaften Verhaltensformen zu vergleichen ist, entspricht

sie doch nicht der wahren Intention dieser Chi-Gung-Übungen.

Das angenehme Gefühl und die geistige Klarheit, welche die frei fließende Energie

begleiten, vermitteln nicht die unglaublichen Energiewogen und die jeden Rahmen

sprengenden „Kicks", die sich viele vorstellen. Es ist eher eine natürliche Leichtig-

keit und Verbundenheit mit der eigenen Persönlichkeit, mit den eigenen sozialen

Handlungen und dem jeweiligen physischen, mentalen und spirituellen Körper. Es

verhält sich so wie bei einem gut sitzenden Schuh: Wenn er wirkl ich passt, vergisst

man ihn und kann einfach leicht und bequem gehen.

Der Ausgleich der beiden Energieströme

Im chinesischen Chi Gung werden in der Regel 80 Prozent an Zeit und Mühe für

die Entwicklung des herabfließenden Energiestroms verwendet und zwanzig Prozent

für die aufsteigende Energie, so dass alle Sicherheitsvorkehrungen installiert sind,

bevor (zu) viel „Saft" durch das System fließt. Im Laufe der Geschichte haben sich

sehr viele Menschen in unterschiedlichen Ländern und Traditionen fast ausschließ-

lich auf die aufwärts fließende Energie konzentriert. Das hat zu einer unabsehbaren

Zahl unnötiger Schäden durch Leitungsüberlastung bis hin zum „Burnout" geführt

(siehe auch Anhang C für weitere Informationen).

Die Taoisten gehen davon aus, dass man den Zustand der immer vorhandenen

Energie durch geistige Kraft signifikant verändern kann. Der Geist ist dank seiner

Projektionsfähigkeit und mit Unterstützung des Nervensystems dazu in der Lage,

den Fluss der Lebensenergie zu steuern. Chi ist im menschlichen Körper an das Blut

gebunden, und dieses mit Chi erfüllte Blut erreicht jede einzelne Körperzelle.

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Page 81: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Theorie des Chi Gung

Die Nerven spielen bei den Chi-Gung-Übungen eine entscheidende Rolle; die

Nervenbahnen sind die bisher metaphorisch erwähnten Stromkabel. Durch die

Transformation der Nerven, Sie haben richtig verstanden: der konkret vorhandenen

physischen Nerven, kann der Geist Chi effektiv und sicher lenken. Die Nervenver-

bindungen des menschlichen Körpers benötigen für ihre funktionale Ausbildung

länger als fast alle anderen Gewebe. Wenn sie dann erst einmal ausgebildet sind,

verändern sie sich auch nicht so schnell wie andere Gewebe. Das bedeutet: Je län-

ger und regelmäßiger Chi Gung geübt wird, um so dauerhafter und stabiler werden

die Resultate sein. Chi Gung bewirkt die angestrebte permanente Veränderung des

Nervensystems durch behutsames und stetiges Üben.

Die Bedeutung der vollständigen Übungsfolge im Chi Gung Obgleich im vorliegenden Band viel Theorie enthalten ist, geht es doch vorwie-

gend um die praktische Anwendung der Chi-Gung-Prinzipien, nämlich das Üben.

Dieses Buch ist als Lernhilfe zu verstehen, in der die einzelnen Bewegungen der

Reihe nach vorgestellt, Schritt für Schritt erklärt und mit hilfreichen Zeitangaben

versehen sind. Jede Komponente baut auf der vorhergehenden auf. Sie sollten jeden

einzelnen Übungsabschnitt erst einmal stabilisieren, das heißt mühelos ausführen

können, bevor Sie zur nächsten Lektion weitergehen. Wenn Sie bei Ihrer Praxis

etwas überspringen, kann es passieren, dass Sie nicht nur Zeit vergeuden, sondern

auch noch eine Schwächung in Ihrer Energiestruktur verursachen. Dann dauert

es oft weitaus länger, diese Schwäche wieder zu beheben, als es brauchte, sie

zu erwerben. Lassen Sie sich deshalb bitte Zeit! Um das Opt imum zu erreichen,

sollten Sie auch aus Wissbegierde nichts überspringen, sondern sich mit jedem

Übungselement in der vorgesehenen Reihenfolge beschäftigen. Falls Sie aus Neugier

weitere Kapitel im Voraus lesen, schadet das nichts, aber wenn Sie diese Informati-

onen faktisch in Ihr Leben integrieren wollen, dann müssen Sie die Lektionen und

einzelnen Übungsschritte schon in ihrem logischen Zusammenhang praktizieren.

Der menschliche Geist kann simultan unbeschreiblich große Informationsmengen

empfangen. Es besteht jedoch ein entscheidender Unterschied darin, ob man etwas

nur aufnimmt oder auch versteht und assimiliert, um es dann zu nutzen. Wissen-

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Page 82: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

schaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass der menschliche Geist jeweils nur

etwa sieben Informationseinheiten aufnehmen kann, bevor er überlastet wird und

die eingehenden Informationen völlig durcheinander bringt. Beim Chi Gung kommt

es darauf an, den Input korrekt zu empfangen und koordiniert weiterzugeben, so

dass das Gewebe und die Nerven alles aufnehmen und rekapitulieren können.

Chi Gung beansprucht gleichermaßen intellektuelle und körperliche Aufnahme-

fähigkeit. Der kinästhetische Sinn für Gleichgewicht, Energie und innere körperliche

Aktivitäten ist erheblich schwerer zu entwickeln als das rein verstandesmäßige Erken-

nen. Ein Akademiker soll ja auch nicht glauben, dass seine intellektuelle Kapazität

ihm dabei hilft, schneller Handball spielen zu lernen, als jemandem mit geringerer

Bildung. Es ist gleichgültig, wer oder was Sie sind: Chi Gung muss behutsam und

schrittweise erlernt werden. Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie scheinbar

langsamere Fortschritte machen als andere.

Chi langsam und durch Wiederholung kultivieren Nach mehr als 35-jähriger Lehrerfahrung mit Menschen aller Altersstufen, körper-

licher Fähigkeiten und intellektueller Begabungen ist mir klar geworden, dass man

Chi Gung am besten durch bewusste und systematische Wiederholung lernt. Wenn

die Prinzipien im Unterricht nicht gezielt permanent wiederholt werden, können

die Teilnehmer zwar erklären und glauben, dass sie alles verstanden haben - aber

in Wirklichkeit stimmt das nicht.

Lassen Sie sich also Zeit und beachten Sie die Anweisungen peinlich genau. Ich

möchte nicht behaupten, dass Chi Gung kinderleicht zu erlernen ist, aber es ist

auch nicht unüberwindlich schwer - vor allem dann, wenn Sie an seinen unver-

gleichlichen Nutzen denken.

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Page 83: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 4

Chi Gung und andere Übungen

Nicht alle Übungen sind gleich. Auch wenn es bei allen um die Bewegung Ihres

Körpers geht, können sie äußerst unterschiedliche physische, mentale und emotio-

nale Erfahrungen hervorrufen. Obwohl sowohl Chi Gung wie auch andere Übungen

auf Ihren Körper wirken und Sie verändern, sind verschiedene Teile in unterschied-

lichem Maße davon betroffen. Beispielsweise verbessern Laufen und Chi Gung die

Blutzirkulation im Körper, doch wird dies auf ganz andere Weise erreicht (siehe

auch Seite 49 und 53).

Die äußere Übung Äußere Übungen bewegen gewöhnlich Ihren Rumpf und Ihre Gliedmaßen kräftig und

anhaltend. Sie laufen, springen, beugen sich, bewegen die Arme, heben die Beine,

beanspruchen die Muskeln. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Aerobic-Übun-

gen, welche die Leistung von Herz und Lungen anregen und erhöhen, die großen

Muskeln des Körpers kräftigen und Ihnen dabei helfen, in Form zu bleiben. Sie redu-

zieren auch Stress, weil sie den Spiegel von Endorphinen (natürliche Beruhigungs-

mittel) und Katecholaminen (Stimmungsaufheller) im Körper erhöhen. Sie können

auch die Entspannung von Muskeln unterstützen, die durch Stress verkrampft sind.

Zu äußeren Übungen gehören Krafttraining, Fahrradfahren, Laufen, Rudern, Wal-

king, Gymnastik, Stepptanz, Jazzgymnastik usw. Die meisten westlichen Sportarten

sind Erweiterungen von äußeren Übungsformen und schließen sie in ihr Training

ein. Auch die meisten Kampfkünste, wie Karate, Taekwondo und Kickboxen, sind

ihrem Wesen nach äußere Übungen.

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Page 84: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Gesundheit und Langlebigkeit gehören zu den Zielen des Hatha-Yoga wie auch des Chi Gung.

Beide betonen das Dehnen, die Atmung und die Energiearbeit. Viele Praktizierende schulen

sich in beiden Disziplinen.

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Page 85: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Chi Gung und andere Übungen

Die innere Übung Bei der inneren Übung geht es darum, Sie zu schulen, sämtliche Aspekte Ihrer inne-

ren „Ökologie" zu spüren und zu verändern - und zwar auf physischer, emotionaler,

energetischer, mentaler, psychischer und spiritueller Ebene. Es geht um mehr, als

einfach nur dessen gewahr zu sein, was in Ihrem Geist abläuft, oder ihn darin zu

schulen, durchsetzungsfähiger oder motivierter bei der Erreichung Ihrer Ziele zu sein.

Die meisten Menschen sind nicht darin geübt, tief in ihren Körper hineinzufüh-

len. Sie können zwar spüren, wie sich ihre großen Muskeln bewegen, und Schmerz

empfinden und lokalisieren, aber nicht viel mehr als das. Der Grund dafür ist der,

dass ihnen nicht beigebracht worden ist, zu wissen und zu spüren, wie ihr Körper

arbeitet. Wenn man zum Beispiel mehrere Leute fragt, ob sie ihre Leber oder ihre

Nieren spüren können, wissen viele nicht einmal, wo sich diese Organe befinden,

und noch weniger können sie diese tatsächlich spüren.

Innere Übungen trainieren Sie nach und nach darin, den tiefen physischen und

energetischen Zustand im Inneren Ihres Körpers zu erspüren und die Art und Weise,

wie er Ihren Geist und Ihr höheres Bewusstsein beeinflusst. Während Sie den Zu-

gang zu tieferen Schichten erlernen, werden Sie mit den subtilsten und gleichzeitig

stärksten Kräften in sich arbeiten. Innere Übung lässt die Möglichkeit entstehen, Ihr

bewusstes Gewahrsein von Geist und Körper zu steigern. Je nach Energiesystem

wird, um Ihre Bewusstheitsebene zu erhöhen, die Betonung auf einige oder alle

der folgenden Elemente gelegt: körperliche Ausrichtungen (Biomechanik), Atmung,

Energie und Spiritualität.

Zu hauptsächlich inneren Übungen gehören die taoistischen Energiekünste, wie

Chi Gung, Tai Chi und Ba Gua, der klassische Hatha-Yoga, die taoistische und die

Pranayama-Atmung. Einige westliche Übungsformen, wie beispielsweise Pilates-Trai-

ning und Feldenkrais-Methode, verbinden die äußere Übung mit einigen Aspekten

der inneren Schulung. Sportbetreuer und Lehrer in den äußeren Kampfkünsten

nehmen zunehmend innere Elemente aus östlichen und westlichen Systemen in

ihre Trainingsformen auf.

Die Körperausrichtungen (Biomechanik) Für Anfänger besteht der äußere Aspekt der inneren Übung in der Biomechanik.

Diese lehrt, wie verschiedene Körperteile ausgerichtet und darin trainiert werden

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Page 86: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

können, sich am leistungsfähigsten zu bewegen. Die Grundelemente beginnen bei

den physischen Ausrichtungen und Positionen des Körpers, und es wird darauf ge-

achtet, welche Wirkung die Ausrichtungen und Bewegungen auf die Koordination,

den Energiefluss, die Emotionen usw. haben. Biomechanik befasst sich mit den

folgenden Fragen:

• Wie korrigieren Sie solche Symptome wie einen krummen oder gebeugten

Rücken, ein eingesunkenes Zwerchfell, angespannte Schultern und Rücken-

muskeln?

• Auf welche Weise lassen sich die physischen Bewegungen Ihrer Gliedmaßen

am besten koordinieren, damit sie auf eine entspannte, synergetische und

ganzheitliche Weise zusammenwirken?

• Wie beeinflussen unterschiedliche Chi-Gung-Formen und Yoga-Asanas, Kör-

perausrichtungen, Positionen und Bewegungen Spannung und Stress?

• Wie kann Spannung nicht nur in Ihren Muskeln aufgelöst werden, sondern auch

in tieferen Körperschichten, wie beispielsweise in Bändern, Sehnen, Gelenken,

Geweben, inneren Organen und Knochen?

• Wie können die Ausrichtungen Ihrer Muskeln, Knochen, Bänder und Gelenke

nach und nach dazu gebracht werden, auf höheren Ebenen der Leistungsfä-

higkeit zusammenzuarbeiten?

• Wie können Sie die Bewegung eines Körperteils von verschiedenen oder meh-

reren anderen Teilen mit bestimmten inneren Übungsfolgen für Muskeln oder

Gelenke hervorbringen oder mit Energie versorgen?

• Wie können Sie Körperausrichtungen dazu nutzen, um den Energiefluss zu

kontrollieren?

• Wie können Körper, Geist und Energe ausgerichtet werden, um sich gleichzeitig

und optimal zu bewegen?

Obwohl alle diese Fragen mit Biomechanik zu tun haben, geben die verschiedenen

Übungssysteme mit ihren spezifischen Methoden unterschiedliche Antworten darauf.

Die westliche Militärhaltung zum Beispiel, bei der die Brust herausgedrückt und die

Schultern zurückgeschoben werden, der Bauch eingezogen und angespannt wird

und die Gelenke steif sind, wirkt unterstützend, um Wut und Aggression herbei-

zuführen, die gewöhnlich mit dem Kämpfen assoziiert werden. Die Körperhaltung

beim Chi Gung, wobei der Brustkorb gerundet ist und Gelenke und Bauch entspannt

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Page 87: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Chi Gung und andere Übungen

sind, trägt dazu bei, die Ausgeglichenheit und Ruhe des Geistes zu fördern. Diese

Position ist auch eine wichtige Komponente bei den inneren Kampfkünsten.

Obwohl das Training in den differenzierteren Methoden der Biomechanik wahr-

scheinlich bei Ihren durchschnittlichen Körperübungen fehlt, findet es zunehmend

Eingang in die Sportmedizin, professionelles und olympisches Training sowie auch

in einige Amateursportarten und Kampfkünste.

Die Atmung Östliche und westliche Mediziner haben schon seit langem die Bedeutung der At-

mung für die Gesundheit und die Auflösung von Spannung erkannt. Atemschulung

ist ein fester Bestandteil der meisten inneren Übungssysteme und zunehmend auch

des Trainings in den westlichen Sportdisziplinen. In vielen Meditations- und Gebets-

übungen wird Atemschulung dazu genutzt, um den Geist zur Ruhe zu bringen.

Das folgende Kapitel 5 behandelt die Unterschiede bei den westlichen und öst-

lichen Atemübungen und lehrt einige Grundtechniken der taoistischen Atmung.

Die Energie Der Chi-Fluss durch die Energiebahnen des Körpers wurde bereits vor Tausenden

von Jahren wie auf einer Karte verzeichnet. Diese Karte ist genauso präzise wie das

Schaltbild eines elektrischen Leitungsnetzes. Einige östliche Medizinsysteme und

die mit ihnen verbundenen Übungsmethoden beruhen darauf, diesen Energiefluss

durch alle seine Kanäle im Körper zu spüren, ihn auszugleichen, von Blockaden

zu befreien und anzuregen. So besteht zum Beispiel ein gemeinsames Ziel der

ayurvedischen und chinesischen Medizin in der Ausgewogenheit unserer inneren

Energien. Die dafür angewendeten Methoden in ihrenTraditionen der Kräuterkunde,

Akupunktur und medizinischen Massage sind jedoch sehr unterschiedlich.

Die Spiritualität Bei vielen östlichen Systemen der Körperübung steht eine spirituelle Tradition im

Mittelpunkt. Zum Beispiel beruht das in diesem Buch dargestellte taoistische Chi

Gung auf der meditativen Tradition des Tao, wie sie von Lao Tse und dem I Ging

überliefert wurde. Hatha-Yoga gründet auf den Yoga-Sutras des Patanjali, über die

viele Deutungen und Kommentare verfasst worden sind.

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Page 88: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Sowohl im Yoga wie im Chi Gung sind auf dem Körper beruhende innere Übun-

gen die Vorbereitung für den jeweiligen spirituellen Weg. Beide können jedoch

auch nur mit dem Ziel praktiziert werden, die Gesundheit zu verbessern, Stress zu

reduzieren und den Geist zu beruhigen.

Taoistisches Chi Gung wirkt vor allem innerlich Der Nutzen der in diesem Buch gelehrten Elementarübungen des Chi Gung wird

hauptsächlich durch die Arbeit mit Biomechanik, Atmung, Energie und Spiritualität

auf immer differenzierteren Ebenen erreicht. Die Betonung liegt darauf, dass Sie

spüren, wie Ihre Bewegungen solche Funktionen beeinflussen wie:

• die Ausdehnung und Zusammenziehung Ihrer Gewebe

• die Zirkulation Ihrer Körperflüssigkeiten

• den Energiefluss und Ihre Nervenimpulse

• die Druckfestigkeit und Massage Ihrer inneren Organe

Chi Gung erhöht Ihr bewusstes Gewahrsein Ihrer inneren Körperfunktionen und

ermöglicht es Ihnen, diese zu verändern und zu verbessern.

Chi Gung führt zu Nei Gung

Die vollständigste Version der taoistischen Herangehensweise an Chi Gung ist das

16-teilige System des Nei Gung (siehe Kapitel 15). Hier lernen Sie, all Ihrer subtilen

Energieströme, die Ihren physischen Körper, Ihre Emotionen und Gedankenmuster

mit Energie versorgen, gewahr zu werden und diese direkt zu beeinflussen.

Nei Gung hilft Ihnen dabei, sich auf einer subtilen Ebene damit zu befassen, wie

Sie sämtliche unzusammenhängende Teile, die Sie ausmachen, miteinander ver-

binden, bis alle Ihre Energiemuster auf eine ausgewogene und unblockierte Weise

kräftig, gleichmäßig und vollständig werden.

Sie werden mit den physischen Energiekomponenten direkt unter Ihrer Haut

beginnen und nach und nach dazu übergehen, die Energie in all Ihren Muskeln,

Bändern, Gelenken und in der Wirbelsäule, schließlich auch in Ihren Körperflüssig-

keiten, inneren Organen und Drüsen zu beeinflussen und auszugleichen.

Wenn das Gewahrsein Ihres Körpers und Ihrer Energie ausreichend vorbereitet ist,

werden Sie die differenzierteren inneren Meditationsübungen erlernen, die mit den

Energien der Emotionen, der Psyche und vor allem mit dem arbeiten, was im Osten

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Page 89: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Chi Gung und andere Übungen

als Karma bezeichnet wird. Diese Stufe der inneren Übung verlangt nicht nur eine

Menge Feingefühl und Hingabe, sondern auch den Mut, mit Schmerz, Erwartungen

und negativen Emotionen im eigenen Inneren umzugehen.

Die Beziehung zwischen Körper/Geist beim Chi Gung Chi Gung ist eine wirksame und systematische Methode, um Ihre Koordination zu

verbessern - ungeachtet Ihres Alters oder Körpertyps.

Ihr Gehirn kontrolliert Ihre Muskeln über Ihr Nervensystem. Manche Menschen,

besonders geborene Athleten, haben ein wunderbar entwickeltes Nervensystem. Sie

brauchen eine Bewegung nur gezeigt bekommen und können diese schon ausführen.

Sie sind jedoch in der Minderheit. Außerdem nehmen die Geschwindigkeit und die

Leichtigkeit, mit der das Nervensystem lernt, mit dem Alter beim Durchschnitts-

menschen ab. Ein Zehnjähriger wird eine beliebige athletische Funktion weitaus

schneller als ein Vierzig- oder Fünfzigjähriger erlernen.

Zum Glück haben die alten chinesischen Taoisten diese Chi-Gung-Techniken ent-

wickelt, um das Nervensystem zu schulen, Geist und Körper besser miteinander zu

verbinden und uns dabei zu helfen, damit wir uns nicht unnötig abmühen. Die Kör-

per/Geist-Techniken des Chi Gung sind besonders nützlich für jede Aktivität, wobei

physische Koordination wichtig ist: Körperübung, sportlicher Wettkampf und Tanz.

Chi Gung als innere Aufwärmübung Die Elementarübungen in diesem Buch sind nützlich als Aufwärmübungen für

Sport, Yoga und Tanz. In der Wirkung unterscheiden sie sich jedoch erheblich von

den Dehnungen und anderen Übungen, die ein Läufer, Karate-Kämpfer oderYoga-

Praktizierender ausführt. Chi Gung soll in der Aufwärmphase:

• Ihren Geist so ruhig und stabil wie möglich machen

• alle inneren Verbindungen zwischen Ihren verschiedenen Körperteilen und

Ihrem Geist aktivieren

• die Leistungsfähigkeit Ihrer inneren Organe auf ein hohes Niveau steigern

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Page 90: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

• die Wirbelsäule und alle Gelenke Ihres Körpers öffnen, um die Flexibilität,

Beweglichkeit und Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen

• Heilprozesse und die Vorbeugung von Verletzungen durch ein stetiges erhöhtes

Gewahrsein Ihrer körperlichen Grenzen unterstützen

Wenn Sie die Elementarübungen über einen längeren Zeitraum praktizieren, kön-

nen Sie eine entspannte Kraft und Geschmeidigkeit entwickeln, die für den Durch-

schnittsmenschen gewöhnlich nicht zu erreichen ist.

Tai Chi, Hsing-I und Ba Gua erscheinen den meisten Menschen als äußerst

komplex und zeitaufwendig. Das entmutigt sie leicht und sie geben die Praxis bald

wieder auf. Die hier vorgestellten Übungen besitzen den großen Vorteil, dass sie

nur wenige äußere Bewegungen enthalten und mehr Zeit für die innere Entwick-

lung lassen. Wenn sie gründlich studiert und sorgfältig praktiziert werden, helfen

sie Ihnen dabei, später die komplexen Bewegungsmuster der inneren Kampfkünste

schneller und mit weniger Frustration zu lernen.

Crosstraining mit Chi Gung Für Sportler und Praktizierende aller Übungssysteme ist es üblich, sich in mehreren

Techniken zu trainieren, um damit die Leistung der hauptsächlichen Aktivität zu

steigern.

Um herauszufinden, ob Sie ein solches Crosstraining aufnehmen sollten oder

nicht, ist es sinnvoll, Ihre Entscheidung auf eine Art von Kosten/Nutzen-Analyse zu

stützen und mit Ihrem gegenwärtigen bzw. potentiellen Trainer, Lehrer oder Betreuer

darüber zu sprechen. Welche Art von Training kann die Hauptaktivität unterstützen?

Welche Ziele haben Sie? Wollen Sie schneller, kräftiger oder lockerer werden?

Erzeugt eine Übungsform höhere physische Funktionstüchtigkeit, hat aber keinen

Einfluss auf Ihre äußere Erscheinung oder umgekehrt? Welche Risiken sind mit der

Übung verbunden? Nachfolgend einige der gebräuchlichen Abstimmungen, die Sie

vielleicht in Betracht ziehen wollen.

Bewusstes Anspannen oder Entspannen von Muskeln und Gelenken Bei vielen Übungssystemen werden die Muskeln entweder angespannt oder ent-

spannt. Krafttraining erfordert beispielsweise, dass Sie Ihre Muskeln anspannen, und

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Chi Gung und andere Übungen

die Tritte und Hiebe beim Karate verlangen von Ihnen, Ihre Gelenke zu schließen

und Ihre Muskeln am Kontaktpunkt anzuspannen. Beim Chi Gung müssen Sie da-

gegen Ihre Muskeln und andere innere Körperteile bewusst entspannen und dürfen

Ihre Gelenke niemals schließen.

Das Anspannen der Muskeln kann nützlich beim „Bodybui lding" sein, wenn

man einen muskulösen Körper erhalten wi l l . Die meisten Chi-Gung-Übungen ver-

bessern zwar die Leistung, beeinflussen das äußere Erscheinungsbild aber nicht in

auffälliger Weise.

Sie können mehr Stärke, Schnelligkeit und Kraft mittels Anspannung, aber auch

durch Entspannung erreichen. Chi Gung ist dafür bekannt, dass es schneller und

beweglicher macht. Wenn Sie durch Entspannung innere Stärke und Ausgewogenheit

erzeugen, werden Sie größere Schnelligkeit, einsetzbare Kraft, Koordination und Fle-

xibilität erlangen. Entspannte, lockere Muskeln bewegen sich rascher als angespannte.

Chi Gung erhöht die Geschwindigkeit, mit der Chi durch Ihre Nerven und Kör-

perflüssigkeiten zirkuliert. Das ist deshalb wichtig, weil der Antrieb für physische

Schnelligkeit, Reflexe, Muskelentspannung und fließende Bewegung von Ihren

Nerven kommt: Je entspannter diese sind, desto schneller ist Ihre Reaktionszeit

zwischen Gedanke und Handlung, auf der physischen wie der mentalen Ebene.

Die Fähigkeit, Schnelligkeit, Kraft und Beweglichkeit zu erringen, beruht auf der

gleichmäßigen Bewegung aller Körperflüssigkeiten - nicht nur des Blutes, das den

Sauerstoff transportiert, sondern auch der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, der Ge-

lenkschmiere und der Flüssigkeit im Zwischengewebe, die einen direkten Einfluss

auf Wirbelsäule, Gehirn, Gelenke und Zellen haben.

Durch die Chi-Zirkulation lassen sich alle Körperteile leichter miteinander ver-

binden und koordinieren, damit sie gleichmäßig und effizient zusammenarbeiten.

Anspannung und ein träges Chi behindern diese Koordination.

Chi-Gung-Training ruft keine Verletzungen hervor und ist keine Belastung für die

Gelenke, was besonders für ältere Menschen wichtig ist.

Abstimmungen für den Yin- und Yang-Typ Im Rahmen der taoistischen Übungen wird jeder Mensch als eine Verbindung aus

Yin- und Yang-Elementen angesehen. Yin besitzt die Eigenschaften des Wassers

und Yang diejenigen des Feuers. Ihr Nervensystem neigt dazu, entweder schwach

(Yin) oder stark (Yang) zu sein, und dies bedingt, wie sich verschiedene physische

Krankheiten und Lebenseinstellungen bei Ihnen äußern.

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Page 92: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Wenn Sie chinesische Ärzte fragen, ob Sie eine bestimmte Art von Übung machen

sollen, dann berücksichtigt deren Antwort, ob Sie hauptsächlich ein Yin- oder ein

Yang-Typ sind.

Yin wird mit weiblichen Qualitäten assoziiert, wie Nachgeben, Ruhe und Sanft-

heit. Übermäßige Yin-Qual¡täten können jedoch das Nervensystem schwächen und

zu körperlicher Trägheit und Emotionen führen, die überspannt, in passiverWeise

aggressiv, depressiv oder neurotisch sind. Die negativen gesundheitlichen Tenden-

zen der vorwiegend Yin-betonten Persönlichkeit verlaufen zu einem allmählichen

Funktionsverlust und einem langsamen Schwund bis hin zum Tod.

Yin-Typen fühlen sich auf natürliche Weise zu Übungen hingezogen, die sanft

sind, die Muskeln weich machen und Spannung auflösen; sie ziehen auch größeren

Nutzen daraus. Durch die Praxis von Chi Gung und Tai Chi wird die Yin-Konsti-

tution verbessert. Im Allgemeinen erreichen sie die gleichen Ergebnisse nicht mit

Yang-Übungen, wie stark ihre Entschlossenheit und Willenskraft auch sein mag.

Das Nervensystem desYin-Typs kann sich nur schwer an die Beanspruchung durch

anstrengende Körperübungen anpassen, und Yin-Typen werden Yang-Übungsformen

schnell wieder aufgeben.

Obwohl viele Übungen Depressionen bis zu einem gewissen Grade dadurch

mindern, dass sie den Körper in Bewegung bringen, kann die Sanftheit von Chi Gung

besonders hilfreich für diejenigen sein, die physische Aktivität brauchen, welche

ihr geschwächtes Nervensystem nicht überanstrengt. Sobald sich ein geschwächter

Yin-Typ durch Chi Gung entspannt und gekräftigt fühlt, wi rd er es vielleicht für

sinnvoll halten, sanfte Yang-Übungen hinzuzufügen, wie beispielsweise leichtes

Widerstandstraining oder Walking.

Yang wird mit sogenannten männlichen Qualitäten assoziiert, wie Aggression,

Kraft und Anstrengung, um ein Ziel zu erreichen. Ein Yang-betontes Nervensystem

findet sich bei Persönlichkeiten vom Typ A. Yang-Typen werden leicht ärgerlich und

neigen zu körperlicher Anspannung; sie können „Adrenalin-Junkies" sein. Die ne-

gativen gesundheitlichen Tendenzen der vorwiegend Yang-betonten Persönlichkeit

liegen eher in einer plötzlichen Verschlechterung; sie machen immer weiter und

erleiden dann unvermittelt einen Herzanfall oder Schlaganfall.

Yang-Typen fühlen sich auf natürliche Weise zu Yang-Übungen hingezogen, wie

beispielsweise Wettlauf oder Krafttraining, aerobisches Hochleistungstraining oder

aggressive Wettkampfsportarten, so wie Fußball oder Basketball.

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Page 93: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Chi Gung und andere Übungen

Wenn Yang-Typen, die hauptsächlich Yang-Übungen machen, diese mit ande-

ren Übungstechniken kombinieren wollen, sollten sie sich die folgenden Fragen

stellen:

• Führt das Ausleiten von überschüssigem Adrenalin dazu, dass sich Ihre Energie

verbraucht und erschöpft anfühlt, auch nachdem Sie eine kurze Ruhepause

eingelegt haben?

• Sind Ihre Nerven dadurch stärker aufgeladen oder angespannter?

• Wird durch die Übung gewöhnlich gefühlsmäßige Unruhe ausgelöst und die

Neigung verstärkt, frustriert zu sein und die Geduld zu verlieren?

Wenn diese Fragen mit Ja beantwortet werden, ist es an der Zeit, ein Yin-Übungs-

programm, wie beispielsweise Chi Gung, hinzuzufügen, das zur Entspannung bei-

tragen wird.

Das Gleiche gilt, wenn Yin-Typen jahrelang ausschließlich Chi Gung und Tai

Chi geübt haben und diese Fragen immer noch mit Ja beantworten; sie sollten ihre

Praxis dann mit einem stärker Yang-betonten Übungssystem kombinieren, wie bei-

spielsweise leichtes Widerstandstraining oder Pilates, damit ihr Organismus mehr

Yang-Ausgleich erhält.

Stress reduzierende und Stress erzeugende Übungen Obwohl die meisten westlichen Ärzte erklären, dass jede Körperübung Stress redu-

ziert, sehen chinesische Chi-Gung-Ärzte das anders. In der Regel werden sie sich

bei Ihnen erkundigen, welche Art von Stress Sie erleben, und darauf achten, wie

eine bestimmte Übung diesen Stress reduzieren oder verschlimmern könnte.

Stress wird im Körper, in den Emotionen und im Geist erlebt. Das moderne elek-

tronische Zeitalter hat eine Bevölkerung mit vorwiegend sitzender Lebensweise

hervorgebracht, wobei die meisten Menschen ihren Verstand und ihr Nervensystem

weitaus mehr als ihre Muskeln beanspruchen. Durch Stress können Sie sich nervös

oder träge fühlen oder Schmerzen haben. Er kann in Form von emotionaler Erschöp-

fung, unkontrollierten negativen Gefühlen und häufigen Stimmungsschwankungen

erlebt werden. Außerdem kann Stress Ihre mentale Energie, Ihre Konzentration,

Klarheit und Kreativität aufbrauchen und vermindern.

Wenn Ihr Hauptproblem körperlicher Stress ist, können vor allem Yang-betonte

Aerobic-Übungen, so wie Wettlauf, die Ihr Blut schneller fließen lassen und mit

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Page 94: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Sauerstoff anreichern, Stresshormone verbrennen und Ihren wetteifernden Geist

wecken, Ihnen dabei helfen, gegen Ihren Stress anzugehen. Wenn jedoch emotio-

naler und mentaler Stress stärker wahrnehmbar ist, müssen Sie den physischen

Druck und die ständigen Muskelkontraktionen, die aufgebaute Spannung in Ihrem

Nervensystem und die Blockaden in Ihren Energiekanälen auflösen. Fügen Sie in

diesem Fall sanfte, Yin-betonte Übungsformen wie Chi Gung und Tai Chi hinzu;

diese wirken besänftigend, entlastend, ausgleichend und regenerierend auf die

Energiekanäle und die Nerven.

Chi Gung als Crosstraining

Chi Gung steigert die Leistung vieler Sportler und Praktizierender der äußeren

Kampfkünste. In diesem Kapitel werden zwei populäre Sportarten, Krafttraining und

Golf, als stellvertretende Beispiele für Übungen mit hoher und geringer körperlicher

Belastung dafür verwendet, um die nutzbringende Wirkung von Chi Gung besser

verstehen zu können.

Krafttraining Wie kann Chi Gung, ein Übungssystem, das darauf beruht, die Muskeln zu ent-

spannen und weicher zu machen, Krafttrainern helfen, die ihre Muskeln hart, stark

und wohlgeformt machen wollen?

Chi Gung reduziert die Kehrseite des Krafttrainings, während es gleichzeitig seine

Vorteile verbessert. Es ermöglicht Ihnen, Ihre Flexibilität, Stärke und Drehfähigkeit zu

erhöhen. Chi Gung verbessert Ihre Koordination und bringt Kraft von Ihren Beinen

zu Ihren Armen. Ein Praktizierender braucht weniger Zeit, um sich zu regenerieren,

bevor er nochmals einen Versuch wagt.

Krafttraining kann die Muskeln allzu hart und fest machen, wodurch ihr Bewe-

gungsspielraum begrenzt wird.Wenn Sie sich zu schnell in irgendeine Richtung

bewegen oder wenn ein Muskel steif bleibt und ein anderer an ihm zerrt, kann dies

zu Muskelverstauchungen und Muskelrissen, Schäden an der Rotatorenmanschette

des Schultergelenks oder am Rücken führen. Chi Gung vermindert das Risiko für

geschädigte Muskeln, Rückenprobleme und überdehnte Gelenke. Es erhöht Ihre

innere Sensibilität und hilft Ihnen zu erkennen, wann Sie übertreiben.

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Page 95: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Chi Gung und andere Übungen

Krafttraining kann die Anspannung in Ihrem Körper verstärken und Auslöser für

Adrenalinausschüttungen, emotionale Ausbrüche und Ärger sein. Durch Chi Gung

werden die Spannungen und Stressauslöser reduziert, wodurch es Ihnen möglich

wird, Muskeltonus und Stärke aufzubauen.

Golf Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen Golf und Chi Gung. Beide sind verhältnis-

mäßig sanfte Übungsformen. Beide konzentrieren sich auf die Koordination der

Handbewegungen mit einer Gewichtsverlagerung und Hüftdrehung, damit die

verschiedenen Körperteile zusammenarbeiten. Beide fördern Geduld und mentale

Konzentration. Beide versuchen, durch Entspannung, Schnelligkeit und Präzision

der Bewegung-anstatt durch Muskelanspannung und rohe Gewalt - Kraft und eine

bessere Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Wenn wir die emotionalen Reaktionen von

Frustration und Ärger außer Acht lassen, die manche Golfspieler vielleicht erleben,

dann haben Golf und Chi Gung als Übungen mit körperlich geringer Belastung

potentiell so gut wie keine negativen Auswirkungen auf den Körper.

Zu den Elementarübungen in diesem Buch gehören drei Schwungübungen (vgl.

die Kapitel 11 -13). Diese schulen Golfspieler darin, sich korrekt in jeder Richtung zu

drehen und ihr Gewicht so zu verlagern, dass die Knie nicht negativ belastet werden.

Sie geben dem das Gewicht tragenden Bein größere Stabilität, was in einer besseren

Standfläche resultiert, um einen Anschlag zu machen oder einen Putt zu spielen.

Die in diesem Buch gelehrte Übung der Wolkenhände steigert die Sensibilität

und Kraft der Hände, was die für lange und kurze Pütts benötigte Kontrolle fördert.

Die Schwungübungen lockern Ihre Schultern, Hüften undTaille; das versorgt Sie

mit entspannter Kraft, um den Ball abspielen zu können. Die erste Schwungübung

lockert die Drehfähigkeiten Ihrer Beinmuskeln, die dazu benutzt werden, um Ihr

Gewicht gleichmäßig zu verlagern, während Sie sich umdrehen, um Ihren Schlag

energisch auszuführen. Die erste und die zweite Schwungübung ermöglichen es

Ihnen, Kraft aus Ihren Beinen und Ihrem Rücken zu ziehen und durch Ihre Arme zu

leiten, was sehr wichtig dafür ist, um den Ball über eine lange Strecke zu schlagen.

Die dritte Schwungübung arbeitet mit den gleichen grundlegenden Auf-und-Ab-

Bewegungen der Arme wie ein Golfschläger und wirkt unterstützend darin, Arme

und Beine miteinander zu verbinden, damit sie sich zusammen bewegen, während

Sie sich drehen und Ihr Gewicht verlagern.

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Page 96: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Diese Schwungübungen lockern alle Ihre Muskeln und Gelenke, was Ihnen dabei

helfen kann, jeden Ballsport zu spielen.

Alle in diesem Buch beschriebenen Elementarübungen tragen zum Gleichgewicht

der beiden Körperseiten bei.

Hatha-Yoga und Chi Gung

Hatha-Yoga und Chi Gung sind die beiden wichtigsten Methoden, von denen sich

alle östlichen Übungssysteme ableiten.

Hatha-Yoga verwendet Körperstellungen (Asanas) und Atemkontrolle (Prana-

yama), um die feinstofflichen Kanäle (Nadis) mit Energie zu versorgen. Chi Gung

benutzt Bewegung und Atmung, um Chi zu lenken und auszugleichen.

Die Methoden und Techniken, womit diese beiden Übungssysteme ihre Ziele ver-

wirklichen, sind jedoch unterschiedlich. Beim Hatha-Yoga dehnen Sie sich, um sich

zu entspannen, während Sie sich beim Chi Gung entspannen, um sich zu dehnen.

Hatha-Yoga verlangt von Ihnen, dass Sie sich in ein Asana hineindehnen, so

weit Sie dazu fähig sind, und dieses dann beibehalten, was oft mit einem gewissen

Maß an Spannung in Ihrem Körper verbunden ist. Dann entspannen Sie sich und

geben diese Position wieder auf. Starke Betonung wird dabei auf Willenskraft und

Körperbeherrschung gelegt.

Bei jeder Bewegung im Chi Gung wird von Ihnen verlangt, den Punkt heraus-

zufinden, der etwa 70 Prozent der maximalen körperlichen Ausdehnung oder des

Bewegungsspielraums entspricht. Wenn Sie diesen Punkt festgestellt haben, dann

entspannen Sie möglichst alles in Ihrem Körper, Geist und Bewusstsein. Das Ziel

besteht darin, Ihre Nerven zu entlasten, wodurch sich alles in Ihrem Körper auf

natürliche Weise entspannen und strecken kann. Starke Betonung wird auf konti-

nuierliche und bewusste Entspannung gelegt, bis Ihr Körper seine Spannung loslässt

und sich ganz von selbst dehnt.

Chi Gung verbessert die Praxis des Hatha-Yoga

Die innere Übung des Chi Gung kann Sie darauf einstimmen, wie die verschiedenen

Asanas auf Ihre tieferen körperlichen und emotionalen Schichten einwirken. Die

Betonung des Chi Gung auf Biegsamkeit und Weichheit verleiht Ihren Nerven die

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Page 97: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Chi Gung und andere Übungen

Fähigkeit zur Muskelentspannung, so dass Sie die Flexibilität bekommen, die Sie

brauchen, um Yoga-Stellungen einnehmen und halten zu können. Während Sie die

Asanas ausführen, erhöht Chi Gung Ihr Gewahrsein der Bewegungen der Chi- oder

Prana-Energie. Seine Betonung von Mäßigung hält Sie von Überdehnung ab, die

zu Verletzungen führen kann.

Taoistischer Yoga SeitTausenden von Jahren hat es bei den chinesischen Taoisten eine eigene Version

des Yoga gegeben. Anstatt wie Chi Gung mit Bewegung zu arbeiten, konzentriert

sich der taoistische Yoga darauf, den Asanas des Hatha-Yoga ähnliche Stellungen

einzunehmen und beizubehalten.

Taoistische Yoga-Stellungen werden hauptsächlich auf dem Boden ausgeführt und

ähneln einfachen Hatha-Yoga-Stellungen. Der taoistische Yoga vermeidet schwierige

Dehnungen, wie beispielsweise die Füße hinter den Kopf zu legen. Im Vordergrund

steht eine sanfte Herangehensweise, der Fokus liegt auf der Arbeit mit den Nerven

und Energiekanälen.

Beginnen Sie mit einer nur minimalen Deh-

nung. Halten Sie sich dann an das Prinzip, Ihren

Körper niemals absichtlich anzuspannen, und

verstärken Sie die Dehnung, wobei Sie sich ent-

spannen und die Energie in Ihrem Inneren be-

wusst von jeglichen Blockaden befreien. Das Ziel

besteht darin, alle Prinzipien des taoistischen Nei

Gung zu lernen und nach und nach in jede Kör-

perstellung zu integrieren (siehe Kapitel 15). Dazu

gehört, blockierte Energie in Akupunkturbahnen

und Akupunkten aufzulösen, die Flüssigkeiten in

Ihren Gelenken, inneren Organen und Rücken-

wirbeln pulsieren zu lassen und die Energie im

Ätherkörper Ihrer Aura zu lenken.

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Eine verhältnismäßige schwierige

Stellung aus dem Hatha-Yoga,

wie sie gewöhnlich im taoistischen

Yoga nicht vorkommt.

Page 98: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Taoistisches Chi Gung Hatha-Yoga

Die meisten Übungen werden

hauptsächlich im aufrechten Stand

und mit kontinuierlicher Bewegung

ausgeführt

Die Stellungen werden in statischen,

bewegungslosen Positionen gehalten

und meistens auf dem Boden

ausgeführt

Keine extremen Positionen auf

irgendeiner Praxisstufe

Die mittleren und fortgeschrittenen

Stufen beinhalten extreme

Körperdehnungen

Theorie, grundlegende

Herangehensweise und Übungen

basieren gänzlich auf der Kreisform

Theorie und Herangehensweise sind

linear, die Zahl von kreisförmigen

Bewegungen ist begrenzt

Die medizinische Perspektive beruht

auf der traditionellen Akupunktur und

der chinesischen Medizin

Die medizinische Perspektive beruht

auf der traditionellen indischen

Medizin, dem Ayurveda

Die Energiearbeit beruht auf Chi und

Prinzipien der Akupunktur und wird

durch die inneren Techniken des taois-

tischen Nei-Gung-Systems entwickelt

Die Energiearbeit beruht auf Prana,

Mantras und Chakras und wird

durch Visualisierung, Energie- und

Atemübungen entwickelt

Betonung der 70-Prozent-Regel,

niemals die Gelenke zu verschließen

oder den Bewegungsspielraum bis

100 Prozent auszudehnen

Normalerweise wird betont, beim

Ausdehnen und Strecken bis

100 Prozent zu gehen

Keine Rückenbeugungen oder

Umkehrstellungen

Viele Rückenbeugungen und

Umkehrstellungen

Keine Muskelanspannung im Körper;

Entspannung durch kontinuierliche

Auflösung aller Spannung in den

Nerven und Muskeln

Anspannung eines Muskels, damit er

anschließend entspannt werden kann

Der Atem wird niemals angehalten Der Atem wird oft angehalten

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Page 99: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Westliche und östliche Mediziner halten gute Atemgewohnheiten für überaus wich-

tige Komponenten von Gesundheit, Entspannung, Langlebigkeit und Spiritualität.

Obwohl die meisten Menschen wissen, wann sie sich ungesund ernähren oder

schlecht schlafen, achten nur verhältnismäßig wenige darauf oder merken, wie sie

atmen.

Leider atmen viele Menschen schlecht und machen flache Atemzüge, ohne

ihre Lungen voll zu beanspruchen. Wenn sie älter werden, leiden sie dann unter

Kurzatmigkeit, und dies ist ein Vorbote von schlechter Gesundheit, Schwäche und

Depression.

Von allen Übungen zur Selbsthilfe ist die richtige Atmung eine der wirksamsten

Methoden, um den gesundheitlichen Gesamtzustand zu verbessern und den mit

dem Alterungsprozess verbundenen Verfall zumindest zu mildern. Deshalb beginnen

die taoistischen Energieübungen mit der Atmung.

Dieses Kapitel wird die Grundlagen des Programms der Langlebensatmung ver-

mitteln und damit die Basis für taoistisches Chi Gung und andere Energie- und

Meditationsübungen. Die Techniken sind leicht zu erlernen, aber Praxis ist trotzdem

erforderlich.

99

Kapitel 5

Atem und Chi

Page 100: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

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Bruce Frantzis hilft einem Schüler dabei, gleichzeitig in seinen Bauch

und seinen oberen Rücken zu atmen.

Page 101: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Atem und Chi

Der Unterschied zwischen taoistischer Atmung und Langlebensatmung Die taoistische Atmung ¡stein grundlegender Bestandteil der gesamten taoistischen

Langlebenspraxis. Obwohl diese Übungen Tausende von Jahren alt sind, habe ich

meine eigene Methode entwickelt, sie zu unterrichten, nämlich das Programm der

Langlebensatmung. Als taoistischer Linienhalter muss ich sicherstellen, dass die

taoistischen Praktiken ganz exakt gelehrt werden und der Tradition entsprechen.

Die Langlebensatmung macht diese Übungen zugänglich und leicht zu erlernen,

besonders für westliche Praktizierende. Diese Methoden können sich allerdings

ziemlich von denen unterscheiden, die andere Lehrer anwenden, um taoistische

Atmung zu unterrichten.

Mit dem Bauch atmen Die Langlebensatmung beginnt mit der Atmung aus dem Bauch. Sie ist der Art und

Weise nachgebildet, wie Babys atmen. Alles im Körper eines Babys bewegt sich

im Rhythmus mit den Atemzügen. Wenn sich die Lungen des Babys mit Luft füllen,

dehnen sich alle inneren Organe, Gewebe und Blutgefäße aus. Babys haben einen

unglaublich kräftigen Atemmechanismus.Sie können stundenlang weinen oder

schreien und sich ständig in einem Maß umherbewegen, das die meisten Erwach-

senen erschöpfen würde.

Stellen Siesich Ihren Bauch als einen Zylinder vor und Ihren Atem als Hilfsmittel,

um diesen Zylinder gleichmäßig von seiner Mitte aus in alle Richtungen auszudeh-

nen. Genau im Zentrum Ihres Körpers, etwa 5 bis 7 cm unterhalb Ihres Nabels,

liegt ein wichtiger Energiepunkt, den die Chinesischen als unteres Tantien (japan.

Hara) bezeichnen. Ihr Bauch reicht vom unteren Tantien nach oben bis zum Solar-

plexus (der ersten weichen Stelle, auf die Sie stoßen, wenn Sie von der Mitte Ihres

Brustbeins leicht nach unten klopfen) am Zwerchfellmuskel und nach hinten, wo

das Zwerchfell auf Ihre Wirbelsäule stößt (siehe Abb. 5-1). Zu Ihrem Bauchbereich

gehören Leber, Milz, Magen und Nieren, aber nicht der Brustkorb und die Rippen.

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Page 102: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Auch wenn Sie vielleicht fit und attraktiv aussehen, wenn Sie einen flachen

eingezogenen Bauch haben, macht das Ihren Körper nicht entspannt und kann

zu gesundheitlichen Problemen führen, wenn Sie älter werden. Ein straffer und

kompakter Bauch wird gewöhnlich nur durch ständige Anspannung erlangt und

beibehalten. Diese kann die Bänder verkürzen, die an Ihren inneren Organen

befestigt sind, sowie die inneren Organe zusammenpressen und den Blutzustrom

zu ihnen abschneiden. Lange in Ihrem Bauch festgehaltene Anspannung kann zu

Geschwüren, Hernien, Verdauungsproblemen usw. führen. Viele Menschen erleben

negative Emotionen und Angstgefühle direkt in Ihrem Bauch.

Durch die taoistische Atmung soll Ihr Bauch entspannt werden, damit er sich

mit Ihrer Atmung ausdehnen und zusammenziehen kann. Das lässt Ihr Zwerchfell

richtig arbeiten, bringt Luft in alleTeile Ihrer Lungen, verbessert die Blutzirkulation

zu Ihren inneren Organen und entspannt Ihr Nervensystem.

Wirkungen aus der Langlebensatmung Das Wesen der taoistischen Atmung besteht darin, dass alles im Inneren Ihres Körpers

dazu gebracht wird, sich synchron mit Ihrer Atmung zu bewegen. Dadurch wird

das Innere Ihres Körpers ganz lebendig, energievoll und gesund. Das entwickelt

Ihre Fähigkeit, sich jederzeit entspannen und über einen längeren Zeitraum auf das

konzentrieren zu können, was Sie gerade tun, ohne abgelenkt zu werden. Diese

Ziele werden durch die Langlebensatmung auf folgende Weise erreicht:

• Sie fördert die Menge an Sauerstoff und den Ausgleich von Sauerstoff und

Kohlendioxid im Körper

• Sie gewährleistet, dass Kohlendioxid vollständig ausgeschieden wird

• Sie übt das Nervensystem wieder darin, sich zu entspannen

• Sie verbessert die Funktionsweise der inneren Organe

• Sie erhöht das Chi-Niveau im Körper

Der Sauerstoffspiegel wird erhöht Der Sauerstoff in Ihrem Blut versorgt den Stoffwechsel, die Zirkulation und Ihre Hei-

lungskräfte mit Energie. Ein sinkender Sauerstoffspiegel macht Sie anfällig für Krank-

heiten, schwache körperliche und geistige Leistungen sowie krankhafte Emotionen.

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Page 103: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Atem und Chi

Die meisten westlichen Ärzte empfehlen Aerobic-Übungen als beste Art und

Weise, um die Sauerstoffmenge im Körper zu erhöhen. Die Methoden der Langle-

bensatmung erreichen dasselbe. Wenn Chi Gung zusammen mit der Langlebens-

atmung praktiziert wird, dann fließt der Sauerstoff gleichmäßig und ausgewogen

durch Ihren ganzen Körper.

Kohlendioxid wird ausgeschieden Durch die Langlebensatmung wird Kohlendioxid ausgeschieden und die Menge an

brauchbarem Sauerstoff, den Sie einatmen, erhöht.

Selbst wenn Sie ausreichend Sauerstoff in Ihren Organismus einatmen können,

werden Sie velleicht nicht tief oder lange genug ausatmen, um alles Kohlendioxid

in gewünschter Menge auszuscheiden. Normalerweise ist der untere Teil der Lungen

immer zu etwa einem Viertel mit Kohlendioxid gefüllt. Dadurch können nur drei

Viertel der Lungen mit Sauerstoff gefüllt werden oder bleiben ungenutzt. Da die

Ausatmung im Verhältnis zur Einatmung immer schwächer wird, vermindert sich

dadurch die Fähigkeit des Körpers, sich mit Sauerstoff aus der Luft zu versorgen.

Wenn Sie nicht ausreichend ausatmen, kann es im Laufe der Zeit zu folgenden

Auswirkungen kommen:

• Die Fähigkeit des Körpers, sich mit Sauerstoff aus der Luft zu versorgen, nimmt

ab

• Im Blut bauen sich toxische Abfallprodukte auf, was häufig zu Gähnen führt

• Wenn sich Kohlendioxid aufbaut, vermindert sich die geistige Fähigkeit und

Klarheit und der Stresspegel erhöht sich

• Eine erhöhte Konzentration von Kohlendioxid über den natürlichen Bedarf

hinaus verhindert, dass die Lungen genügend Luft aufnehmen

Die Entspannung wird gefördert Die Langlebensatmung unterstützt Sie darin, einen kräftigen und gleichmäßigen

Atemrhythmus herzustellen und zu stabilisieren, wodurch übermäßige emotionale

Schwankungen abgemildert werden. Er schult Ihr Nervensystem darin, sich zu ent-

spannen, und macht Ihre Gedanken ruhiger und zufriedener.

Wenn Sie Ihren Atemrhythmus untersuchen, können Sie sich darüber bewusst

werden, auf welche Weise Sie in Ihre Stimmungen und Gefühlsbewegungen hin-

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Page 104: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

eingeraten. Zum Beispiel hat Angst die Neigung, einen unregelmäßigen, angespann-

ten oder schwachen Atemrhythmus hervorzurufen. Wenn Sie Ihren Atem anhalten,

so geht dies oft heftigen, wütenden Gefühlsausbrüchen voraus. Wenn Sie Ihren

Atem anhalten, ohne zu erkennen, dass Sie damit auf Stress reagieren, dann wird

dieser dadurch verschlimmert und erhöht sich. Flache Atmung macht anfällig für

eine Schwächung der Lungen angesichts von Umweltproblemen, wie beispielsweise

Luftverschmutzung, und kann zu Depressionen führen.

Die Funktionsweise der inneren Organe wird verbessert Nach der Traditionellen Chinesischen Medizin ist die Leistungsfähigkeit Ihrer At-

mung, die Funktionsweise Ihrer inneren Organe - Leber, Nieren, Herz usw. - zu

verbessern, ebenso wertvol l w ie die Erhöhung des Sauerstoffsspiegels. Bei der

Langlebensatmung wird der Druck, den Ihr Atem in und um Ihre inneren Organe

erzeugen kann, dazu genutzt, um diese zu massieren, mehr Blut und Chi in sie zu

lenken und ihren natürlichen Bewegungsspielraum zu optimieren.

Wenn dieser Bewegungsspielraum abnimmt, wird auch die Blutzufuhr zu Ihren

inneren Organen nachlassen. Dadurch wird der gleichmäßige Energiefluss behindert.

Zu anderen Auswirkungen gehören eine allmähliche Verkürzung Ihrer Bänder und

eine eingeschränkte Bewegung Ihrer Organe. Die Körperfunktionen werden nach

und nach schwächer, was schließlich zu Krankheiten führt.

Taoistisches Chi Gung und andere östliche Atemtechniken wie Pranayama leh-

ren spezielle Atemrhythmen, die bei dem, der sie praktiziert, spezielle Emotionen

auslösen können. Manche taoistischen Schulen verbinden die Atmung mit solchen

Meditationstechniken wie der inneren Auflösung; dadurch können Sie in Ihren

Energiekanälen negative Emotionen in ausgeglichene und positive Emotionen um-

wandeln, wie beispielsweise Großzügigkeit und Mitgefühl.

Die Praxis der Langlebensatmung als Grundlage der taoistischen Meditation In der taoistischen Tradition bilden Chi Gung und Meditation ein Kontinuum. Chi

Gung kann Sie in die Meditation hineinführen. Die Atmung kann Ihnen dabei hel-

fen, das Innere Ihres Körpers und die verborgensten Tiefen Ihres Geistes und Ihrer

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Atem und Chi

Seele zu erspüren. Sie gibt Ihnen Zugang zu Ihren Emotionen, so dass Sie alles,

was Sie in sich festhalten, befreien und nach und nach Ihr größtmögliches Potential

verwirklichen können.

Die Langlebensatmung ist ein Werkzeug zur Erweckung Ihres Cewahrseins, damit

Sie tief in Ihre Seele hineinblicken können. Da die Atmung Ihren Körper mit Ener-

gie versorgt, können Sie erkennen, wie das Chi Ihrer Emotionen und karmischen

Muster eingefroren ist. Dann können Sie das auflösen und befreien, was in Ihnen

festsitzt, bis die blockierten Energien ihre natürliche frei fließende Qualität wieder

aufnehmen und Sie damit beginnen können, den Weg desTao zu gehen.

Taoistische Atmung und Pranayama-Yoga Die östliche Medizin hat zwei hauptsächliche Atmungssysteme in den Westen ge-

bracht: Das eine ist Pranayama oder die Yoga-Atmung, das andere ist die taoistische

Atmung. Die Techniken der taoistischen und der Pranayama-Atmung besitzen viele

Gemeinsamkeiten:

• Beide benutzen Atemtechniken, die lehren sollen, den bewussten Kontakt zum

eigenen Chi oder Prana herzustellen

• Beide sind bestrebt, die Dauer der Einatmungen und der Ausatmungen aus-

zudehnen

• Beide empfehlen eine gute Körperhaltung während der Atmung, obwohl es

darüber unterschiedliche Ansichten gibt

• Beide befürworten Atemtechniken als eine Methode, um auf gute Weise alt zu

werden und die Vorteile der Langlebigkeit zu genießen

• Beide empfehlen Atemtechniken als eine Methode, um physische, mentale und

psychische Kraft hervorzubringen

Es gibt jedoch einige grundsätzliche Unterschiede zwischen diesen beiden Systemen.

Viele Elementarübungen der Pranayama-Atmung lehren, den Atem anzuhalten oder

nur aus einem Nasenloch ein- oder auszuatmen. Bei der Langlebensatmug wird

der Atem niemals angehalten, denn sie hat als Ziel eine entspannte kreisförmige

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Kapitel 1

Ganzkörperatmung. Das bedeutet, dass Langlebensatmung 24 Stunden am Tag

ausgeführt werden kann, wenn die Technik einmal beherrscht wird.

Die meisten Pranayama-Methoden konzentrieren sich auf die Atmung aus Ihrem

Brustkorb, während sich die taoistischen Methoden auf die Atmung aus Ihrem Bauch

konzentrieren.

Taoistisches Chi Gung Pranayama-Yoga

Atmet nicht in die Vorderseite des

Brustkorbs hinein

Atmet in die Vorderseite des

Brustkorbs hinein

Kann 24 Stunden am Tag ausgeführt

werden

Kann nicht 24 Stunden am Tag

ausgeführt werden

Der Atem wird nie angehalten Der Atem wird nach der Ein- oder

Ausatmung manchmal angehalten

Starke Betonung auf der Nierenatmung Geringere Betonung auf der

Nierenatmung

Ausbildung des Zwerchfells durch

Ausdehnung nach unten und erhöhten

Druck durch die inneren Organe auf

den Unterbauch und dasTantien

Ausbildung des Zwerchfells

durch rasches Heben und Senken

durch solche Techniken wie

die Blasebalgatmung oder die

hochziehende Kontraktion der

Bauchmuskulatur zur Massage

des Verdauungssystems (uddiyana

bandha)

Es wird immer durch beide

Nasenlöcher geatmet

Abwechselnd ist ein Nasenloch

verschlossen und das andere offen

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Page 107: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Atem und Chi

Anleitungen für die Langlebensatmung

Die Langlebensatmung wird in systematischen Übungsstufen erlernt. Die Atmung

ist die erste Crundkomponente des taoistischen Nei Gung, wobei die Methoden

von einfachen bis hin zu komplexeren reichen (siehe Kapitel 15).

Auf der Anfangsstufe schulen Sie Ihre Atmung, so dass schließlich jeder innere

Teil Ihres Körpers ständig und kraftvoll einbezogen ist. Das erfordert regelmäßige

Bemühung und Praxis.

Zu dieser Phase gehört, dass Sie lernen, in Ihren Bauch und Unterleib zu atmen

und den Atem den ganzen Rücken hoch bis zu Ihren Lungen zu lenken. Dabei las-

sen Sie nicht nur Luft in Ihre Lungen hinein und wieder aus ihnen heraus, sondern

verschiedene Teile in Ihrem Körper müssen sich auch in Koordination mit jeder Ein-

und Ausatmung zusammenziehen. Bei jedem Atemzug müssen das Zwerchfell, der

gesamte Bauch vorne, hinten und an den Seiten sowie auch der untere Rücken- und

Nierenbereich einbezogen werden. Dabei werden Sie auch lernen, keine Luft in

die Vorderseite Ihres Brustkorbs einzuatmen.

Dies ist die einzige Übungsstufe der Langlebensatmung, die in diesem Buch ge-

lehrt wird. Wenn Sie Ihr Studium des Chi Gung fortsetzen, werden Sie komplexere

Methoden erlernen, von denen einige in Kapitel 15 besprochen werden.

Markierungspunkte für die Atmung Das Programm der Langlebensatmung besitzt drei Markierungspunkte, die auf der

Atemdauer beruhen. Die erste Messlatte liegt bei 30 Sekunden (15 Sekunden für

die Einatmung, 15 Sekunden für die Ausatmung). Dies ist die einzige Messlatte, die

zu erreichen Anfänger versuchen sollten, wenn sie die in diesem Buch dargestellten

Techniken der Langlebensatmung erlernen. Eine Atmung von 30 Sekunden Dauer

ist das Minimum, das ein Durchschnittsmensch leisten sollte, um unter normalen

Umständen gut atmen zu können. Es bedeutet eine ziemliche Herausforderung, dies

mühelos zu schaffen, aber wenn es gelingt, wird dies Ihr Leben außerordentlich

verbessern.

Die zweite Messlatte für fortgeschrittenere Praktizierende ist eine Atmung von

2 Minuten Dauer, und die dritte Messlatte liegt bei 5 Minuten oder länger. Nähere

Einzelheiten dazu werden in Kapitel 15 erörtert. Auf keinen Fall sollte der Atem

angehalten werden.

107

Page 108: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Wenn Sie, nachdem Sie vier- oder fünfmal tief Luft geholt haben, einen einzel-

nen Atemzug auf längstens 10 Sekunden ausdehnen können (5 Sekunden für die

Einatmung, 5 Sekunden für die Ausatmung), dann beträgt die Dauer Ihrer normalen

ruhenden Atmung wahrscheinlich 3 bis 5 Sekunden und unter Stress sogar noch

weniger.

Die Anatomie der Langlebensatmung

Ihr Zwerchfell lenkt Luft in Ihre Lungen hinein und wieder heraus. Es ist eine glo-

ckenförmige muskulöse Scheidewand zwischen den Lungen und dem gesamten

Bauchraum (siehe Abb. 5-1). Es legt sich um die unteren Teile des Brustkorbs und

ist an der Wirbelsäule befestigt. Wenn Sie atmen, bewegt sich Ihr Zwerchfell. Die

Clockenform wird flacher, Ihre Brusthöhle und Ihre Lungen dehnen sich aus und

Die inneren Organe des Körpers

Abbildung 5-1

108

Page 109: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Atem und Chi

ziehen Luft ein. Wenn sich Ihr Zwechfell entspannt und seine Glockenform wieder

annimmt, wird Ihre Brusthöhle kleiner, was dazu führt, dass Luft aus den Lungen

ausgestoßen wird. Wenn sich Ihr Zwerchfell während der Atmung nicht sehr kräftig

bewegt, können Sie nicht viel Luft aufnehmen oder ausstoßen.

Ihr Zwerchfell beeinflusst eine komplexe Vielfalt von miteinander verbundenen

anatomischen Teilen dazu, sich in Koordination mit ihm zu bewegen; diese reichen

nach oben bis zum Kopf, zum Hals und zu den Schultern und nach unten bis zum

Becken. Lockere, elastische Bänder verbinden Ihr Zwerchfell mit Ihren inneren

Organen und veranlassen diese dazu, sich in Koordination mit Ihrer Atmung zu

bewegen. Wenn sich Ihr Zwerchfell gut bewegt, bringt es zum Beispiel auch die

Leber dazu, sich gut zu bewegen. Wenn die Bewegungen Ihres Zwerchfells schwach

sind, kann dies dazu führen, dass die Bänder, die mit Ihrer Leber verbinden, ihre

Funktion verlieren. Eine schlecht funktionierende Leber wird auch Ihre anderen

inneren Organe beeinträchtigen.

Ihr Körper besitzt mehrere Pumpmechanismen für innere Flüssigkeiten, die direkt

mit der Bewegung Ihres Zwerchfells verbunden sind. Gute Flüssigkeitsbewegungen

sind für Ihre inneren Organe, die Gelenke und die Wirbelsäule besonders wichtig.

Eine schlechte Bewegung Ihres Zwerchfells beeinträchtigt den gleichmäßigen Fluss

dieser Körperflüssigkeiten.

Die folgenden Übungen der Langlebensatmung werden Ihr Zwerchfell darin

unterstützen, sich kräftiger zu bewegen, und Ihnen beibringen, sich an eine lange,

kräftige und tiefe Atmung zu gewöhnen.

Allgemeiner Leitfaden für das Üben Halten Sie sich bei den Übungen der Langlebensatmung an die folgenden sechs

Leitlinien:

1. Atmen Sie leicht und auf eine entspannte Weise

Ebenso wie sich Ihre Muskeln anspannen und hart werden können, ist das auch

bei Ihrer Atmung möglich. Wenn Sie kraftvoll, aber leicht und auf eine entspannte

Weise atmen, können SiedieTendenz Ihres Nervensystems reduzieren, überlastet

zu werden oder an Stress festzuhalten. Eine leichte und geschmeidige Atmung

anstelle einer angespannten oder forcierten schweren Atmung ermöglicht es

Ihnen, Stress und negative Emotionen weitaus müheloser abzuschütteln.

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Page 110: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

2. Atmen Sie durch die Nase

Die Langlebensatmung ist eine ruhige Atmung. Sie wi l l Ihre Lungen mit Luft

füllen, Ihre Nerven beruhigen und Ihr Chi dazu veranlassen, kräftig zu fließen.

Alles dies können Sie am besten erreichen, wenn Sie durch die Nase atmen.

Wenn Sie jedoch medizinische Probleme haben und nur unter Schwierigkeiten

durch die Nase atmen können, dann atmen Sie mit leicht geöffnetem Mund.

3. Denken Sie an die 70-Prozent-Regel

Eine Überanstrengung beim Atmen wird unweigerlich zu Anspannung führen.

Wenn Sie Ihre Atmung forcieren, kann dies Ihr Nervensystem in negativer Wei-

se formen und im Organismus Spannung einschließen. Atmen Sie nur bis zu

ungefähr 70 Prozent Ihrer Kapazität, und zwar sowohl im Hinblick darauf, wie

lange Ihre Einatmung und Ausatmung ist, und auch, wie sehr Sie physisch die

Zwischenräume zwischen dem Bauchbereich und den Lungen bewegen.

4. Legen Sie Ihre Zunge oben an den Gaumen

Während des Atmens sollten Sie Ihre Zunge auf so entspannte Weise wie mög-

lich oben an Ihren Gaumen legen. Anfangs wird sich Ihre Zunge vielleicht etwas

angespannt anfühlen, doch nach ein paar Wochen werden sich Ihre Muskeln

lockern und Sie werden Ihre Zunge jederzeit am Gaumendach halten können.

Durch diesen Kontakt werden zwei wichtige Energieströme im Körper mitein-

ander verbunden.

5. Halten Sie Ihren Atem nicht an

Jeder Atemzug sollte auf entspannte Art und Weise in den nächsten hineinströ-

men. Verringern Sie nach und nach die Unterbrechung zwischen dem Einatmen

und Ausatmen, damit Ihre Atmung ruhig, gleichmäßig und kontinuierlich wird.

6. Atmen Sie nicht in die Genitalien hinein

Bei dieser Atemform sollten Sie nirgendwo unterhalb des Bereichs Ihres Scham-

haars irgendeinen physischen Druck verspüren (siehe Anhang C). Andere tao-

istischeTechniken, bei denen in die Genitalien hineingeatmet wird, sind kenn-

zeichnend für taoistische Sexualpraktiken.

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Page 111: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Atem und Chi

Die Übungsdauer der Langlebensatmung „Wie lange wird es dauern, um die Langlebensatmung zu erlernen?", so lautet eine

gebräuchliche Frage, und die beste Antwort darauf ist: „ Die Zeit, die es braucht."

Wenn Sie Ihr inneres Gefühl loslassen, Ihr Ziel unter Zeitdruck erreichen zu wollen,

so kann Ihnen das dabei helfen, diese Aufgabe in einer so kurzen Zeit zu schaffen,

wie Ihr Körper und Ihre Nerven dies erlauben.

Traditionell waren dieTaoisten der Ansicht, dass ein Zeitraum von mindestens drei

Monaten (oder eine der vier Jahreszeiten) der regelmäßigen, fast täglichen Praxis

dafür notwendig war, damit neue Atemmuster ebenso natürlich wie alle übrigen

physischen Aktivitäten werden und selbst während des Schlafs auftreten konnten.

Mit sehr viel Disziplin kann dies vielleicht auch in kürzerer Zeit erreicht werden,

während der weniger diszipliniert Übende ein Jahr oder länger dafür brauchen mag.

Einfach ausgedrückt, praktizieren Sie regelmäßig und denken Sie nicht daran, wie

lange der Übungsprozess dauern sollte.

Es ist ideal, wenn Sie die Disziplin haben, regelmäßig zur gleichen Zeit und in

gleicher Länge zu üben. Wenn das jedoch nicht möglich ist, dann praktizieren Sie,

wo immer Sie können, beispielsweise wenn Sie fernsehen, im Bus oder im Zug

fahren, im Flugzeug sitzen, wenn Sie auf Verabredungen warten oder dass E-Mails

ankommen, bei der Hausarbeit usw. Fühlen Sie sich nicht schuldig, wenn Sie eine

Zeit für die Atempraxis verpassen. Nutzen Sie einfach die nächste Gelegenheit. Im

Laufe der Zeit können auch kleine Schritte große Entfernungen zurücklegen.

Ü B U N G 1: Den Bauch nach vorn bewegen Am einfachsten lassen sich diese Übungen erlernen, wenn Sie auf dem Rücken

liegen. Je nachdem, wie es für Sie am bequemsten ist, können Sie dabei Ihre Beine

ausstrecken oder Ihre Knie anziehen. Wenn Sie Ihre Wirbelsäule leicht strecken

und gerade machen und darauf achten, dass sie nicht zusammensinkt, können Sie

auch auf einem Stuhl sitzen. (Anleitungen für die korrekte Sitzhaltung finden Sie

in Kapitel 6.)

Sobald Sie die Atemübungen im Sitzen oder Liegen ausführen können, können

Sie diese auch im Stand ausprobieren oder sie in Ihre Praxis des Chi Gung im

Stand, in der Bewegung, im Liegen oder Sitzen aufnehmen. Es geht darum, unter

allen Umständen, in denen Sie sich befinden mögen, eine gute Atmung zu einer

unwillkürlichen Gewohnheit werden zu lassen.

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Page 112: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

1. Lesen Sie sich noch einmal die Atemanleitungen im vorigen Abschnitt durch.

2. Wählen Sie ein Standardmaß für die Dauer Ihrer Atmung. Verwenden Sie dafür

den Sekundenzeiger einer Uhr. Atmen Sie entspannt und messen Sie die au-

genblickliche Dauer Ihrer Ein- und Ausatmung. Versuchen Sie nicht, die Länge

Ihres Atems zu erzwingen.

3. Legen Sie eine Hand auf Ihren Bauch und die andere Hand auf Ihren Brustkorb.

Schieben Sie Ihren Bauch vor, damit er Luft aufnehmen kann. Beim Ausatmen

entspannen Sie und lassen Ihren Bauch wieder in seine ursprüngliche Position

zurückkehren.

4. Die Vorderseite Ihrer Brust sollte ruhig und entspannt bleiben und sich weder

nach oben noch nach unten bewegen. Lassen Sie jede Einatmung und Ausat-

mung direkt aus der Bewegung Ihres Bauches kommen.

5. Versuchen Sie, dass jede Einatmung und Ausatmung ungefähr die gleiche

Länge hat.

6. Beginnen Sie damit, dass Sie diese Atmung bei jeder Übungseinheit fünfmal

wiederholen und erhöhen Sie auf 20, wenn Sie ein gutes Gefühl dabei haben.

Sie können jederzeit praktizieren und zur nächsten Übung weitergehen, wenn

Sie sich mit 20 Bauchatmungen wohl fühlen.

Ü B U N G 2: Alle Teile des Bauches in Bewegung versetzen Am Anfang werden Sie vielleicht feststellen, dass sich manche Teile Ihres Bauches

müheloser bewegen als andere. Im Allgemeinen bewegt sich der Unterbauch am

leichtesten und dann folgt der mittlere Bauchbereich. Der direkt unter der Mitte des

Zwerchfells und dem Solarplexus lokalisierte Teil des Bauches lässt sich gewöhnlich

am schwierigsten bewegen.

Die meisten Menschen brauchen einige Wochen oder manchmal sogar Monate,

bis sie eine deutlich erkennbare Bewegung im oberen Bauchbereich und im So-

larplexus spüren können. Das liegt daran, dass die entsprechenden Muskeln nicht

trainiert worden sind, sich mit dem Atem zu bewegen, und häufig angespannt und

zusammengezogen sind.

Die beste Methode, damit Sie lernen, alle Teile Ihres Bauches gleichmäßig ein-

zusetzen, besteht darin, sich zuerst auf denjenigen Teil (im unteren, mittleren oder

oberen Bauch) zu konzentrieren, der sich am mühelosesten bewegt, und diese

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Page 113: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Atem und Chi

Bewegung ausgeglichen und vollständig ohne irgendein Gefühl von Anspannung

oder Einengung werden zu lassen. Dann können Sie systematisch damit fortfahren,

sich auch auf die anderen Teile zu konzentrieren.

1. Legen Sie Ihre Hände auf denjenigen Teil Ihres Bauches, der sich am vollstän-

digsten bewegt, und konzentrieren Sie sich darauf.

2. Legen Sie eine Hand auf einen anderen Teil Ihres Bauches. Konzentrieren Sie

sich darauf, ihn beim Ein- und Ausatmen in Bewegung zu bringen.

3. Wiederholen Sie dies fünfmal während jeder Übungseinheit und erhöhen Sie

auf 20, wenn Sie ein gutes Gefühl dabei haben. Sobald dieser Bauchbereich

sich ebenso problemlos bewegen kann, können Sie zum dritten Teil Ihres

Bauches übergehen, wobei Sie gleichzeitig die beiden anderen Teile wäh-

rend der Dauer von 20 kompletten Atemzügen (Ein- und Ausatmung) kräftig

bewegen.

4. Konzentrieren Sie sich auf den dritten Teil Ihres Bauches und versetzen Sie ihn

in eine ebenso gleichmäßige Bewegung.

5. Denken Sie dabei immer an die 70-Prozent-Regel: Jedes Mal, wenn Sie Atem-

übungen machen, sollten Sie ein möglichst geringes Gefühl von Anstrengung

haben.

6. Wiederholen Sie diese Übung fünfmal während jeder Sitzung und steigern

Sie auf 20, wenn Sie ein gutes Gefühl dabei haben. Sie werden zu Übung 3

weitergehen können, wenn Sie spüren, dass sich alle Teile Ihres Bauches für

die Dauer von 20 kompletten Atemzügen gleichmäßig bewegen.

Hinweis zu den Atemübungen 3 bis 6

Möglicherweise kann es Wochen oder länger dauern, bevor Sie irgendeine der fol-

genden Übungen auf entspannte Art und Weise ausführen können. Nehmen Sie sich

die Zeit dafür und überspringen Sie nichts. Beim Praktizieren werden Sie vielleicht

feststellen, dass Sie auch etwas längere Atemzüge machen können.

Ü B U N G 3: Die Seiten des Bauches bewegen Konzentrieren Sie sich nun darauf, die Seiten Ihres Bauches auszudehnen und zu

entspannen. Die Atmung in die Seiten beginnt genau oberhalb Ihrer Hüftknochen,

bewegt sich dann über Ihre Taille und setzt sich unterhalb Ihrer Rippen fort. Schu-

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Kapitel 1

len Sie Ihr Gewahrsein, damit Sie sich auf diesen Körperbereich konzentrieren

können.

1. Legen Sie Ihre Handflächen oder Ihre leicht zu Fäusten geschlossenen Hän-

de auf den Taillenbereich zwischen Ihren Hüftknochen und Ihren untersten

Rippen. Beim Einatmen dehnt sich dieser Bereich aus, beim Ausatmen kehrt

er in seine ursprüngliche Position zurück. Mit Hilfe Ihrer Hände können Sie

feststellen, ob sich die Seiten Ihres Bauches tatsächlich bewegen.

2. Bewegen Sie die Seiten Ihres Bauches während des Atmens, bis Sie einen ge-

wissen Druck in Ihrer Leber und Milz unterhalb Ihrer Rippen (vgl. Abb. 5-1)

spüren können.

3. Achten Sie darauf, dass sich die Vorderseite Ihres Brustkorbs während des

Atmens nicht bewegt.

4. Legen Sie die Zeitdauer Ihrer Ein- und Ausatmung fest, damit sie ungefähr die

gleiche Länge haben. Machen Sie längere Atemzüge, wenn Ihnen dies ohne

Anstrengung möglich ist.

5. Wiederholen Sie diese Übung fünfmal während jeder Übungseinheit und

erhöhen Sie auf 20, wenn Sie ein gutes Gefühl dabei haben.

6. Wenn Ihnen diese Übung im Laufe der Zeit vertraut wird, dann verlagern Sie

Ihren Fokus etwas. Nutzen Sie jede Einatmung dazu, um Ihr Gewahrsein der

Spannung in Ihren Muskeln und Nerven zu erhöhen. Versuchen Sie beim Aus-

atmen Ihr Möglichstes, um diese Spannungen bewusst aufzulösen, und lassen

Sie Ihren Körper entspannt und geschmeidig werden. Wenn Sie Fortschritte

machen, werden Sie ein stärkeres Gefühl für Raum im Atem selbst und in Ih-

rem Bauchbereich bekommen und außerdem vermehrt einen ungehinderten

Energiefluss in Ihrer Bauchhöhle wahrnehmen, wo Sie vorher nur eine harte

und verspannte Muskulatur gespürt haben mögen.

Ü B U N G 4: In den unteren Rücken und in die Nieren atmen

Das Atmen in Ihre Nieren (vgl. Abb. 5-1) ist eine sehr wichtige Praxis der Lang-

lebensatmung. In der Traditionellen Chinesischen Medizin werden die Nieren als

Quelle für die gesamte Vitalität, Lebenskraft und geschlechtliche Zeugungsfähigkeit

eines Menschen angesehen.

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Atem und Chi

Die Energetisierung Ihrer Nieren durch den Atem ist wichtig für die Ausbildung

eines gesunden Körpers und eines klaren Geistes. In chronischer Erschöpfung spie-

gelt sich eine Nierenschwäche und dort festgehaltene Angst wider.

Es ist schwieriger, in Ihre Nieren hineinzuatmen als in Ihren Bauch. Am Anfang

wird es hilfreich sein, wenn Sie sich auf den Boden legen, die Knie nach oben, die

Fußsohlen auf dem Boden, wobei Sie den unteren Teil Ihres Rückens fest gegen

den Boden pressen. Der Druck Ihres Körpers auf den Boden beim Einatmen und

das Loslassen des Drucks beim Ausatmen wird es Ihnen erleichtern, in das Innere

Ihres Körpers hineinzuspüren.

1. Dehnen Sie beim Einatmen das Innere Ihres Körpers von der Mitte des Bau-

ches nach hinten zu Ihrer Wirbelsäule, den unteren Rückenmuskeln und bis

hoch zu Ihren Nieren aus. Sie sollten dabei spüren, wie sich Ihre Haut stärker

gegen den Boden drückt. Kehren Sie beim Ausatmen in Ihre ursprüngliche

Position zurück.

2. Achten Sie darauf, dass sich Ihr Brustkorb nicht nach oben und unten bewegt.

Atmen Sie weiterhin nach vorn und in die Seiten Ihres Bauches, aber konzen-

trieren Sie sich auf die Atmung in Ihren Rücken.

3. Versuchen Sie während des Atmens Ihre Nieren zu spüren. Dieses Organ ist

besonders empfindlich und wird leicht überanstrengt. Sie sollten besonders

vorsichtig damit umgehen und nur zu 40 oder 50 Prozent Ihrer Kapazität

praktizieren, was Sie nach und nach auf 70 Prozent erhöhen können.

4. Werden Sie dabei Ihrer Emotionen gewahr. Macht Sie die Atmung in Ihre

Nieren bewusster? Werden Sie dadurch ängstlicher? Wovor fürchten Sie sich?

Wie fühlt sich diese Angst an? Lassen Sie diese Angst im Geiste los. Sagen Sie

sich, dass das, was Sie gerade aufgrund Ihrer Angst erleben, nicht eintreten

wird, während Sie Ihre Atemübung praktizieren. Lösen Sie Ihre durch Angst

ausgelöste Spannung auf, und während Sie die Spannung loslassen, lösen Sie

auch die Emotion auf.

5. Wiederholen Sie diese Übung fünfmal während jeder Übungssitzung und

erhöhen Sie auf 20, wenn Sie ein gutes Gefühl dabei haben.

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Kapitel 1

Ü B U N G 5: Den Bauch gleichzeitig in allen Richtungen bewegen

Diese Übung hat das Ziel, Ihren gesamten Bauchbereich lebendig zu machen. Die

Übung wird am besten im Sitzen erlernt.

1. Dehnen Sie beim Einatmen Ihren Bauch von der Mittell inie Ihres Körpers in

alle Richtungen aus. Entspannen Sie sich beim Ausatmen in Ihre ursprüngliche

Position zurück. Alle Teile Ihres Bauches sollten sich gleichzeitig nach außen

ausdehnen oder nach innen bewegen.

2. Richten Sie Ihr Gewahrsein auf jeden Teil des Bauches, der sich nicht richtig

bewegt, und praktizieren Sie so lange, bis es gelingt.

3. Achten Sie darauf, dass sich Ihr Brustkorb nicht bewegt, während sich Ihr

Bauch bewegt.

4. Wiederholen Sie diese Übung fünfmal während jeder Übungseinheit und

erhöhen Sie auf 20, wenn Sie ein gutes Gefühl dabei haben. Sie sollten diese

Übung so viele Wochen oder auch Monate praktizieren, bis Sie spüren kön-

nen, wie sich alleTeile Ihres Bauches auf entspannte Weise gleichzeitig in alle

Richtungen bewegen.

Ü B U N G 6: In den oberen Rücken atmen

Bei den vorangegangenen Übungen haben Sie sich auf die Bauchatmung konzen-

triert. Wenn Sie sorgfältig praktiziert haben, wird sich die Atemkapazität Ihrer Lungen

erweitert haben. Bei dieser Übung nun werden Sie die vollständige Bauch- und die

Nierenatmung mit der Atmung in den oberen Rücken kombinieren.

Ihre Lungen sind wie ein Beutel oder eineTüte konstruiert. Wenn Sie eine Tüte mit

Luft füllen und die Rückseite ruhig halten, wird sich die Tüte nach vorn aufblähen.

So atmen die meisten Menschen - ihr Brustkorb dehnt sich aus.

Wenn Sie jedoch die Vorderseite der Tüte ruhig halten, wird sie sich nach hinten

aufblähen. So verfahren Sie bei der Langlebensatmung mit dem Brustkorb. Die

Vorderseite Ihres Brustkorbs, das Brustbein und die Brustmuskeln entspannen sich

vollständig und bewegen sich überhaupt nicht, während sich Ihre Lungen nach

hinten zur Wirbelsäule ausdehnen.

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Page 117: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Atem und Chi

Durch die Kombination der Bauchatmung mit der Atmung in die Rückseite der

Lungen erhält Ihr Herz eine vollständige Massage, was bei der Atmung in die Vor-

derseite Ihres Brustkorbs nicht der Fall ist. Wenn Sie diese Übung erlernen, kommen

zwei Kräfte gleichzeitig zusammen, um Ihrem Herzen mit jedem Atemzug eine

ständige Massage zu geben: Erstens, eine stärkere Bewegung an der Rückseite Ihrer

Lungen ermöglicht es diesen, Druck hinten, oben und an den Seiten Ihres Herzens

auszuüben, was die Bauchatmung allein nicht erreichen kann; zweitens, der von

Ihrem Bauch und Zwerchfell ausgeübte Druck nach oben erzeugt ebenfalls eine

Druckwelle unten, vorne und an den Seiten Ihres Herzens. Diese beiden Kräfte drü-

cken den gesamten Herzmuskel und Herzbeutel in einer anregenden rhythmischen

Massage zusammen und entspannen ihn wieder.

Eine solche Herzmassage tut Ihnen gut. Da nach der chinesischen Medizin Ihr

Herz über Besorgnis und Ängstlichkeit herrscht, werden Sie feststellen, wie Ihre

innere Unruhe abnimmt, wenn Sie sich darauf konzentrieren, Ihr Herz während des

Atmens zu entspannen. Lenken Sie beim Einatmen ein Gefühl von sanfter Zuversicht

in Ihr Herz. Lassen Sie beim Ausatmen Ihre Spannungen, Ängste und Sorgen um

die Zukunft los.

Durch die Atmung in Ihren oberen Rücken in Kombination mit der Bauchatmung

wird auch die Blutzirkulation anderer innerer Organe massiert, angeregt und er-

höht.

Die meisten Menschen haben niemals mit ihrem oberen Rücken geatmet, und

wahrscheinlich ist das Gewebe im rückwärtigen Teil Ihrer Lungen nicht sehr beweg-

lich. Denken Sie an die 70-Prozent-Regel, wenn Sie diese Übung erlernen. Bleiben

Sie locker und versuchen Sie nicht, zu schnell zu viel zu erreichen. Nach und nach

werden Ihre Lungen die Dehnbarkeit zurückgewinnen, die Sie als Baby hatten.

1. Legen Sie sich auf den Rücken, die Knie nach oben, die Fußsohlen auf dem

Boden, und pressen Sie den unteren Teil Ihres Rückens fest gegen den Boden.

Legen Sie Ihre Hände auf den Brustkorb, um zu überprüfen, dass er sich nicht

bewegt.

2. Dehnen Sie Ihren Bauch beim Einatmen aus, aber richten Sie Ihre Aufmerk-

samkeit darauf, die Muskeln Ihres oberen Rückens nach hinten zu bewegen.

Die Vorderseite Ihres Brustkorbs (Brustbein und Brustmuskeln) sollten völ l ig

entspannt sein und sich überhaupt nicht bewegen, während Ihre Lungen sich

nach hinten zur Wirbelsäule hin ausdehnen.

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Kapitel 1

3. Entspannen Sie beim Einatmen Ihre Schultern. Lassen Sie Ihre Schulterblätter

sich von Ihrer Wirbelsäule weg ausstrecken, während Sie Ihre Rippen und

Schultern biegsam machen und seitwärts bewegen. Dadurch werden einige

der anatomischen Bindungen aufgelöst, die Ihre Lungen daran hindern, sich

voll und ganz auszudehnen.

4. Versuchen Sie beim Ausatmen zu spüren, wie die Rückseite Ihrer Lungen Luft

entlässt, die Muskeln Ihres oberen Rückens sich entspannen und Ihre Schul-

terblätter sich näher zur Wirbelsäule hin bewegen.

5. Wiederholen Sie diese Übung fünfmal während jeder Übungseinheit und erhö-

hen Sie auf 20, wenn Sie ein gutes Gefühl dabei haben. Praktizieren Sie diese

Übung, bis Sie spüren können, wie sich alleTeile Ihres Bauches auf entspannte

Weise gleichzeitig in allen Richtungen bewegen, während sich die Rückseite

Ihrer Lungen mit Luft füllt.

Atmen Sie oftmals während des Tages auf diese Weise, bis Sie die Atmung aus Ihrem

Bauch und oberen Rücken fortwährend ausführen können, ohne daran denken zu

müssen, ob Sie nun stehen, sich bewegen, sitzen, liegen oder sprechen.

Wichtige Übungshinweise Je mehr Sie die Langlebensatmung praktizieren, desto vorteilhafter wird sich dies

auf Ihre Gesundheit und Entpannung auswirken. Üben Sie Geduld mit sich. Wenn

Sie praktizieren, werden schlechte Atemgewohnheiten allmählich verschwinden.

Schließlich werden Sie die deutliche Wahrnehmung haben, dass jeder Atemzug

Ihre inneren Organe und Ihre Wirbelsäule massiert. Ihre Atmung sollte bewusst

weiterentwickelt werden, bis sie alles in Ihrem Körper dazu veranlassen kann, sich

in direkter Übereinstimmung mit jeder Ein- und Ausatmung zu bewegen.

Nehmen Sie sich die Zeit, um festzustellen, wie jeder Atemzug eine deutlich zu

unterscheidende Gefühlsqualität besitzt. Sobald Sie dies erkennen, können Sie - al-

lein durch Ihre bewusste Absicht - dieses Gefühl zu jedem Bereich Ihres Körpers

lenken. Dies ist ein unschätzbares Hilfsmittel dafür, um Ihren Körper beherrschen

zu lernen, bewusst mit Ihren Emotionen zu arbeiten und Chi unmittelbar zu spüren.

Das bewusste Lenken Ihres Atems ist ein kraftvolles Werkzeug, um erkennen

zu können, wie sich Ihr Blut und andere Flüssigkeiten in Ihrem Körper bewegen.

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Page 119: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Atem und Chi

Es ist wichtig, im Laufe der Zeit die Fähigkeit zu erlangen, Ihre bewusste Absicht

während des Atmens dafür einzusetzen, dass sich die Flüssigkeiten in Ihrem Körper

gleichmäßiger und kräftiger bewegen.

1. Ihr Zwerchfell wird sich sehr langsam dehnen

Nehmen Sie sich Zeit und achten Sie darauf, dass Sie in einem für Sie ange-

nehmen Bereich bleiben, wenn Ihre erhöhte Atemkapazität anfängt, bestimmte

Körperbereiche zu dehnen, darunter auch Ihr Zwerchfell. Bleiben Sie im Rah-

men Ihrer Leistungsfähigkeit von 70 Prozent. Vielleicht werden Sie feststellen,

dass kleine Abschnitte von verschiedenen Teilen Ihres Zwerchfells fester oder

lockerer als andere sind. Wenn Sie versuchen, einen festeren Teil lockerer zu

machen, dann atmen Sie einfach in ihn hinein, bis er sich etwas mehr dehnt.

Wenn Sie dagegen in einen zu lockeren Teil hineinatmen, wird dadurch mehr

Spannkraft entwickelt. Ihr Zwerchfell soll gleichmäßig gedehnt und elastisch sein.

2. Überanstrengen Sie sich nicht, wenn Sie verletzt sind

Denken Sie daran, wenn Sie verletzt sind, dass jede Körperbewegung durch Ihre

Atmung mit Kraft versorgt wird. In dieser Hinsicht ist der Atem ein zweischneidi-

ges Schwert. Mehr Atem versorgt besser mit Sauerstoff, wodurch eine Verletzung

schneller heilen kann. Umgekehrt können Sie aber auch dazu veranlasst werden,

den verletzten Bereich unwillkürlich zu stark zu bewegen; dadurch traumatisieren

Sie ihn erneut und verlangsamen den Heilungsprozess.

3. Denken Sie an die 70-Prozent-Regel

Eine kraftvollere Atmung kann Ihnen Schmerzen bewusst machen. Jede deutliche

oder dramatische Zunahme von Schmerz ist ein Zeichen dafür, dass Sie sich nicht

an die 70-Prozent-Regel halten.

4. Achten Sie auf stabile Emotionen

Wenn Sie feststellen, dass durch die Konzentration auf eine Verstärkung Ihrer

Atmung auch Ihre negativen Emotionen, wie Wut oder Angst, zunehmen, dann

sollten Sie die Dauer jeden Atemzugs reduzieren. Vergewissern Sie sich, dass

Ihre Emotionen sich beruhigt haben, bevor Sie sich wieder auf eine längere

Atemdauer konzentrieren.

5. Haben Sie keine Eile

Eine organische und eigenständige Entwicklung braucht Zeit. Hüten Sie sich

davor, Ihre Fortschritte dadurch zu sabotieren, dass Sie es allzu eilig haben.

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Page 120: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 1

Die Rolle der Atmung bei allen Chi-Gung-Bewegungen

Wenn Sie die nachfolgend dargestellten sechs Elementarübungen oder irgendeine

andere taoistische Chi-Gung-Bewegung erlernen - im Stand, in der Bewegung, im

Sitzen oder Liegen -, dann behalten Sie eine möglichst entspannte, gleichmäßige und

beständige Atmung bei. Halten Sie Ihren Atem nicht an. Viele haben die Neigung,

dass ihr Atem immer schwächer wird, bis sie ihn unwil lkürl ich anhalten, ohne dass

ihnen dies bewusst ist. Nutzen Sie die in diesem Kapitel beschriebenen taoistischen

Atemtechniken, um beim Üben und, was ganz wichtig ist, in Ihrem Alltagsleben

einen kräftigen und lebendig pulsierenden Atem beizubehalten.

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Page 121: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 6

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

Die sechs Elementarübungen Die Elementarübungen in diesem Buch bestehen aus sechs Teilen.

Als Erstes kommt die grundlegende Nei-Gung-Standposition, die in drei Teilen

gelehrt wird: das Chi sinken lassen, durchscannen und auflösen.

An zweiter Stelle folgen die Wolkenhände, bei denen die inneren Prinzipien,

die bei den Standpositionen erlernt wurden, in eine Gesamtkörperbewegung mit

Synergieeffekt integriert werden. Hier lernen Sie auch einige Grundlagen der Koor-

dination kennen, die in taoistischen Energieübungen wie dem Tai Chi und anderen

Formen des Chi Gung gebräuchlich sind, wie beispielsweise den Rumpf zu drehen

und Arme und Beine miteinander zu koordinieren.

Die nächsten drei Elemente sind Schwungübungen, welche die Gelenke von

Armen und Beinen öffnen und die inneren Organe mit Energie versorgen.

Der sechste Teil besteht aus einer Wirbelsäulendehnung, welche die Hauptaufgabe

hat, Kontrolle über die einzelnen Wirbel und die mit ihnen verbundenen Nerven

und den Chi-Fluss zu gewinnen.

Die Körperausrichtungen Die Körperausrichtungen, die zur Stand- und Sitzform der in diesem Buch gelehrten

Elementarübungen des Chi Gung gehören, sind für alle taoistischen Energiepraktiken

von grundlegender Bedeutung. Sie ermöglichen es dem Körper, sich zu entspannen,

und lassen die Körperflüssigkeiten und Chi ruhig und gleichmäßig fließen. Sie lernen,

richtig zu stehen und zu sitzen.

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Page 122: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Auflösung von Energieblockaden im Stand ist eine der Elementarübungen beim Öffnen

der Energietore des Körpers. Diese kraftvolle Technik verstärkt das innere Gewahrsein und

erhöht den Chi-Fluss im Körper.

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Page 123: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

In verschiedenen Körperteilen eingeschlossene Spannung trägt zu einer schlechten

Haltung bei und kann körperliche Beschwerden hervorrufen, wie beispielsweise

Rücken- und Nackenschmerzen.

Die Praxis dieser Übungen wird Sie nach und nach in die Lage versetzen, Ihren

Körper in korrekter Ausrichtung zu bewegen, Ihre Spannungen loszulassen, gesünder

zu werden und Ihre Energie freizusetzen. Nehmen Se sich die Zeit, jede Übung zu

erlernen und zu praktizieren, bevor Sie zur nächsten weitergehen.

Obwohl die Standform empfohlen wird, können diese Übungen auch im Sitzen

auf einem Stuhl ausgeführt werden. Auf diese Weise können auch Menschen, die

krank, bettlägerig, an den Rollstuhl gefesselt oder aus anderen Gründen zu schwach

zum Stehen sind, im Sitzen üben. Die Übungen können auch abwechselnd im

Stehen und im Sitzen ausgeführt werden.

Ü B U N G 1: Körperausrichtungen im Stand

Die Chi-Gung-Standübung, kurz Standform genannt

(Abb. 6-1), chinesisch /an Juang - „fest stehen", ist eine

einfache und konzentrierte Meditationshaltung zur Ent-

wicklung von innerer Kraft. Manche Chi-Gung-Meister

üben nichts anderes als diese Methode in ihrer täglichen

Praxis. Sie ist für Chi Gung, Nei Gung und Tai Chi von

fundamentaler Bedeutung, weil sie die Energietore des

Körpers öffnet und dadurch den freien Chi-Fluss ermög-

licht. Die technischen Einzelheiten der Standform werden

in einer Folge von Anleitungen beschrieben. Jede Übung

muss gründlich praktiziert und vollständig verstanden wer-

den, ehe Sie mit dem folgenden Pensum weitermachen.

Anatomische und energetische Strukturmerkmale werden

in jeder Übung eingehend berücksichtigt.

Die Stellung der Füße

Die Fußstellung muss für Sie bequem sein

Stellen Sie die Außenseiten Ihrer Füße etwa hüft- oder

schulterbreit auseinander, so wie Sie es als stabil und be-

Die Standform. Die

Füße stehen parallel,

schulterbreit auseinander.

Abbildung 6-1

123

Page 124: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 8

quem empfinden. Die korrekte Fußstellung wird Ihnen mit fortschreitender Übung

klarer werden; sie hängt von dem Verhältnis zwischen Hüft- und Schulterbreite

ab. Jemand mit breiten Schultern und schmalen Hüften wird im Allgemeinen die

Fußstellung etwas enger wählen und sich an den Hüften orientieren. Wer dagegen

schmalere Schultern und breite Hüften hat, kommt eher mit einer Fußstellung

zurecht, die sich nach der Schulterbreite richtet. Im Laufe der Zeit sollten sich die

linke und rechte Fußmitte nach dem linken und rechten Energiekanal des Körpers

ausrichten.

Ihre Füße sollten parallel zueinander stehen

Die Knie sollten leicht gebeugt sein und die Füße parallel zueinander stehen. Eine

parallele Stellung der Füße bedeutet, dass der Abstand zwischen den beiden gro-

ßen Zehen ebenso groß ist wie zwischen den Fersen und dass der eine Fuß weder

etwas weiter vor noch hinter dem anderen Fuß steht (Abb. 6-2). Wenn der Abstand

a) Richtig: Die Füße stehen parallel zueinander, b) Falsch: Ein Fuß ist nach außen gespreizt

c) Falsch: Beide Füße sind nach außen gespreizt, d) Falsch: Beide Füße sind nach innen gedreht.

Abbildung 6-2

124

Page 125: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

zwischen den Füßen zum Beispiel 35 cm beträgt, sollte auch der Abstand zwischen

den großen Zehen, den Fersen und den Knien 35 cm betragen.

Die Ausrichtung der Wirbelsäule

Ihr Steißbein sollte nach unten weisen

Die Steißbeinspitze muss senkrecht nach unten weisen (Abb. 6-3) und nicht schräg

nach hinten, wie dies normalerweise der Fall ist. Der untere Rücken, die Lenden-

wirbelsäule eingeschlossen, sollte verhältnismäßig gerade sein. Bei den meisten

Menschen hat die Wirbelsäule eine natürliche S-Form, mit Kurven im Lenden-,

Brust- und Halsbereich. Bei der hier vorgestellten Standform muss dagegen der

untere Abschnitt der Wirbelsäule gerade und gestreckt sein.

Strecken Sie sanft Ihre Wirbelsäule

Ihre Wirbelsäule sollte sanft gestreckt werden, indem Sie erstens die Hüften vorsich-

tig einrollen und zweitens mit Hilfe der inneren Rückenmuskeln die Nierengegend

aj Richtig: Der untere Rücken ist gerade und steht senkrecht zum Boden,

b) Falsch: Der untere Rücken ist in S-Form gebogen, das Gesäß steht vor.

Abbildung 6-3

125

Page 126: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

leicht nach hinten drücken. Diese beiden Korrekturbewegungen richten den unteren

Teil Ihrer Wirbelsäule vollständig auf.

Natürlich sind die Menschen unterschiedlich gebaut. Schlanke oder Normalge-

wichtige können am einfachsten am Gesäß feststellen, ob ihr Rücken gerade ist.

Wenn die Gesäßbacken nach hinten vorstehen, ist die Haltung nicht einwandfrei.

Bei Menschen mit kräftiger Statur kann leicht der Eindruck entstehen, das Gesäß

schwenke aus und der Rücken sei geneigt, selbst wenn er tatsächlich gerade ist.

Für diese Art von Körperbau ist nicht entscheidend, ob das Gesäß vorsteht, sondern

dass Rücken und Kreuzbein gerade sind.

Der übrige Rücken sollte möglichst gerade gehalten werden und sich nicht in

irgendeine Richtung neigen.

Die Haltung von Hals und Kopf

Ihr Kopf sollte entspannt über Ihrem Hals schweben

Der Hals und der Kopf müssen aufrecht gehalten werden (Abb. 6-4). Der Scheitel

ist der höchste Punkt der von oben nach unten senkrecht gezogenen Körperachse.

Wenn sich Hals und Schultern entspannen, wird sich der Kopf gewöhnlich leicht

neigen. Der Kopf sollte zwar aufgerichtet bleiben, eine leichte Neigung nach vorn ist

jedoch akzeptabel (Abb. 6-4b), nicht aber eine Neigung nach hinten (Abb. 6-4d).

Wichtig ist, das Hinterhauptbein sanft vom Atlas, dem ersten Halswirbel, abzuhe-

ben (das heißt, den gesamten Schädel vorsichtig vom Hals zu heben), um den auf

den Halswirbeln lastenden Druck zu verringern. Die Chinesen vergleichen diese

Bewegung damit, einen Hut von einem Kleiderständer abzunehmen.

Dieses wichtige Haltungsprinzip des Chi Gung, das für alle Elementarübungen

gilt, heißt auf chinesisch ding - „den Kopf heben". Mit dieser Korrektur dehnen

Sie auch das Rückenmark im Bereich der Halswirbelsäule und stellen sicher, dass

das Gewicht des Schädels die Halswirbelsäule nicht zusammenpresst oder aus der

normalen Lage bringt und außerdem den Chi-Fluss und/oder die Nervenenergie

vom Hinterhirn zum Rückenmark nicht unterbricht. Solche Störungen treten auf,

wenn der gesamte Druck auf den beiden oberen Halswirbeln, Atlas und Axis, lastet.

Die ding-Haltung muss auch bei allen anderen Chi-Gung-Übungen während des

Stehens, des Sitzens oder der Bewegung eingenommen werden. Sie halten dazu

als Erstes den Hals völl ig senkrecht und ziehen dann den Unterkiefer leicht zurück,

126

Page 127: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

so dass die Augen und der Unterkiefer auf einer senk-

rechten Linie liegen und der Scheitelpunkt des Kopfes

sich weiter nach oben bewegt. Mit diesen Korrekturen

strecken Sie die Halswirbelsäule ganz behutsam und

heben den Schädel vorsichtig an. Achten Sie darauf,

dass dabei keine Spannungen oder Verkrampfungen

im Unterkiefer, Hals und Kopf oder in den Schultern

entstehen.

Die Augen und die Zunge

Übungshinweise für Anfänger

Anfangs sollten Sie beim Stehen die Augen geschlossen

halten, um die Konzentration nach innen zu erleichtern.

Es gibt viele Übungen, bei denen die Augen geöffnet

bleiben, aber diese sind für Anfänger nicht zu empfeh-

len. Anfänger benötigen in der Regel ihre ungeteilte

Aufmerksamkeit, um alle inneren Vorgänge ohne äußere

Ablenkung verfolgen zu können.

Die Zunge sollten Sie bei allen Chi-Gung-Übungen

an den Gaumen legen, wobei die Zungenspitze das

Gaumendach hinter den Vorderzähnen berührt. Diese

Berührung ist unbedingt nötig, um den Kleinen Ener-

giekreislauf im Körper zu schließen. An diesem Punkt

im Gaumen laufen die beiden wichtigsten Yang- und

Yin-Energieströme des Körpers zusammen.

Die Ausrichtung des Brustkorbs

Lassen Sie Ihren Brustkorb sinken, während er sich

rundet

Han shiung ba bei („Mache die Brust rund und richte

die Wirbelsäule auf") ist in allen taoistischen Meditati-

onsmethoden, inneren Kampfkünsten und Chi-Gung-

Systemen ein weiteres grundlegendes Haltungsprinzip.

a) Richtig: Der Hals ist

gerade aufgerichtet, der Kopf

angehoben, b) Falsch: Der

Kopf ist leicht vorgeschoben,

c) Falsch: Der Kopf ist stark

vorgeschoben, das Kinn

herausgestreckt,

d) Falsch: Der Kopf ist

zurückgelegt, das Kinn

herausgestreckt.

Abbildung 6-3

127

Page 128: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Hart shiung bedeutet, den Brustkorb wie eine Sanduhr zu formen, das heißt, in der

Waagerechten wie in der Senkrechten gerundet. Das entspricht der Haltung eines

Babys: Der Brustkorb ist entspannt, die Schultern sinken locker nach unten, der

Bauch ist gerundet, gesenkt und entspannt (Abb. 6-5a). Die Standardhaltung des

westlichen Militärs, die verlangt, die Brust herauszudrücken, den Bauch einzuziehen

und das Gesäß nach hinten zu drücken, ist das genaue Gegenteil dieser entspannten

Haltung (Abb. 6-5b).

Ihr Brustkorb sollte sich zum Nabel und seitlich zu den Rippen ausdehnen

Es ist darauf zu achten, dass die Brust auf keinen Fall eingezogen oder zusammen-

gepresst werden darf, weil dann auch das Zwerchfell oder die Lungen zusammen-

gepresst werden. Wenn Sie den Brustkorb sinken lassen, bleibt er entspannt. Sie

empfinden dann von der vorderen Schulterkante (unterhalb des Schlüsselbeins, das

die Chinesen als „Schulternest" bezeichnen) über den Bauch bis zu den Hüften ein

Gefühl des Sinkens, Fallens und Öffnens nach unten. An den Seiten können Sie

spüren, wie sich der Brustkorb und die Rippen entspannen und weiten. Dadurch

gewinnt die Brust ihr volles und uneingeschränktes Volumen.

Diese Korrekturen sind nicht nur anatomisch, sondern auch energetisch moti-

viert. DasTantien ist ein Chi- oder Energiespeicher im Unterbauch. Durch die nach

unten gerichtete Entspannung der Brust kann Chi aus dem Oberkörper herabsinken

a) Richtig: Der Brustkorb ist nach unten

gesunken und gerundet, der Bauch ist

b) Falsch: Die Brust ist herausgedrückt,

entspannt und der Rücken gerade.

der Bauch ist angespannt und der

Abbildung 6-5

Rücken hohl.

128

Page 129: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

und sich im unteren Tantien wie in einer Schüssel sammeln. Bei hochgezogener

Brust steigt Chi dagegen eher nach oben, anstatt zu sinken, was im Allgemeinen

aufbrausende oder übermäßig kraftvolle und aggressive Regungen hervorruft. In

den äußeren Kampfkünsten wird dies als ti shiung bezeichnet, „die Brust heben".

Ti shiung fördert den klassischen V-förmigen Körper mit überentwickelter Brust- und

Armmuskulatur.

Ihr Brustkorb sollte so entspannt wie bei einem Baby sein

Han shiung (die gerundete Brust) - diese Anweisung folgt der taoistischen Lehrmei-

nung, dass man einen Körper wie ein Kind haben sollte, weil Kinder völlig natürlich

und unverkrampft sind und deshalb auf so beneidenswerte und natürliche Weise

leistungsfähig. Kinder, und besonders die Babys, haben, bevor sie die Erwachsenen

kopieren, einen dicken runden Bauch und einen entspannten Oberkörper. Im Ver-

hältnis zu ihrer Größe sind Babys kräftiger und besitzen mehr Energie als Erwach-

sene. Testen Sie einmal, wie stark ein Kind im Verhältnis zu seiner Körpergröße ist,

und wie entspannt. Beobachten Sie auch, wie Kleinkinder stundenlang schreien

können, ohne dass es ihnen Mühe zu bereiten scheint - die meisten Erwachsenen

würden das nicht so lange aushalten.

DieTaoisteri haben herausgefunden, was Kinder und Tiere (die ebenfalls nicht

verkrampft sind) gemeinsam haben: Beide atmen aus dem Bauch und haben einen

entspannten Brustkorb. Dadurch können die inneren Organe nach unten sinken

und werden bei jedem Atemzug und durch jede Körperbewegung massiert. Beob-

achten Sie Katzen oder Hunde, Kühe oder Pferde, und sehen Sie, wie deren Bäuche

beim Laufen von einer Seite zur anderen schwingen. Dieses leichte „Quetschen"

der inneren Organe stärkt diese etwa in der Weise, wie Muskeln durch Massage

gesünder und kräftiger werden.

Den Organen eine innere Massage geben Die Gladiatoren im alten Rom wurden regelmäßig während des Trainings und

besonders am Morgen vor einem Kampf massiert, damit sie gute Leistungen bieten

konnten. Der gleiche Effekt lässt sich durch die Entspannung des Brustkorbs und

129

Page 130: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

das Sinkenlassen der inneren Organe erzielen. Dagegen werden im klassischen

V-förmigen Oberkörper die inneren Organe hochgedrückt und in eine ziemlich

starre Lage gebracht. Dadurch wird der Rumpf in ein oberes, mittleres und unteres

Drittel unterteilt. Dadurch wird der innere Druck reduziert, und die inneren Organe

werden durch die Atmung und Körperbewegung weitaus weniger massiert, als dies

bei einem entspannten und nach unten gesunkenen Brustkorb der Fall ist.

Die inneren Druckverhältnisse spielen deshalb eine äußerst wichtige Rolle, weil

sie das endokrine System und die inneren Drüsen zu maximaler Sekretion anregen.

Ein vergleichbarer Innendruck wird beim Hatha-Yoga erzeugt, wo aber ebenfalls

der klassische V-förmige Oberkörper entwickelt wird. Die Asanas des Hatha-Yoga

stimulieren jedoch nicht alle Drüsen gleichzeitig, sondern es gibt für jede Drüse

eine spezielle Übung. Bei den Standübungen und im gesamten Nei Gung werden

alle Subsysteme des Körpers gleichzeitig angeregt. Diese Entspannung des Brust-

korbs führt schließlich dazu, dass die Energie in das Tantien sinkt, wo Ihr Chi wie

auf einem Bankkonto aufbewahrt wird und bei Bedarf zur Verfügung steht.

Die Wirbelsäule aufrichten und die Schulterblätter dehnen Das Prinzip ba bei bezieht sich auf das Aufrichten der Wirbelsäule. Die Lungenflü-

gel müssen sich ausdehnen und öffnen, um freies Atmen zu ermöglichen. Bei den

Übungen, die den V-förmigen Oberkörper favorisieren, wird die Brust nach vorn

gedrückt (sie erhält damit eine konvexe Form). Der Rücken wird hohl, während

die Schulterblätter sich heben und zur Wirbelsäule hin aufeinander zubewegen.

Dagegen treten beim Aufrichten der Wirbelsäule (des Rückens) im Nei Gung die

beiden folgenden Wirkungen ein:

Erstens streckt sich die Wirbelsäule spürbar nach oben, so als ob sie hochgezogen

würde. Das nimmt etwas von der Krümmung aus dem oberen Rücken. Der chinesi-

sche Begriff ba bedeutet „etwas herausziehen", so wie man Gras oder ein Kraut aus

dem Boden zieht. Rücken und Wirbelsäule bewegen sich aufwärts, während die

Brust abwärts sinkt. Das verschafft den Lungen reichlich Raum im vertikalen Bereich.

Zweitens wird der Rücken auf der horizontalen Ebene völlig gerundet (Abb. 6-6a).

Anstatt dass die Schulterblätter, wie bei der militärischen Haltung, aufeinander

zukommen (Abb. 6-6b), entspannen sie sich nach unten und können sich so weit

130

Page 131: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

wie möglich auseinander und zur Seite dehnen, so dass sich die Lungen auch nach

hinten zur Wirbelsäule hin ausdehnen können.

Wenn diese beiden Korrekturen mit dem Aufrichten des unteren Rückens und der

Lendenwirbelsäule kombiniert werden, ergeben sich daraus, quasi als Reingewinn,

eine Reihe von Yin/Yang-Abstimmungen, die das exakte Gegenteil der militärischen

Standardhaltung mit V-förmigem Oberkörper bewirken.

Bei der militärisch strengen Standardausrichtung wird die Brust herausgedrückt

und das Gesäß nach hinten bewegt. Bei der taoistischen Haltung wird die Brust

halbmondförmig nach innen gerundet und der Rücken bleibt flach, während das

Becken in eine waagerechte Lage (nach vorn) gekippt wird. Die Soldaten ziehen den

Bauch ein und die Brust hoch, während sich bei der taoistischen Haltung die Brust

nach unten entspannt und der Bauch sich senkt. Schließlich wird in der militärischen

Haltung die Wirbelsäule am oberen und unteren Ende deutlich gekrümmt, während

beides nach taoistischen Prinzipien grundsätzlich gerade und gestreckt ist.

Die taoistische Haltung erleichtert es auch, wie Opernsänger und Babys natürlich

aus dem Zwerchfell zu atmen. Die Taoisten betrachten diese Art des Atmens für

Erwachsene als geradezu ideal.

a) Richtig: Die Schulterblätter

sind zur Seite gedehnt, die

Schultern nach vorn gerundet.

b) Falsch: Die Schulterblätter

gezogen, die Schultern nach

sind zur Wirbelsäule hin

hinten gedrückt.

Abbildung 6-3

131

Page 132: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Der Kleine Himmlische Energiekreislauf

Vom Becken hinauf zu den Rippen sollen die inneren schrägen Bauchmuskeln an

den Körperseiten (in der Taille) eine aufwärts gerichtete Hebe- oder Zugbewegung

ausführen, um abwärts gerichteten Druck zu verhindern. Diese Muskelbewegung

hilft der Lendenwirbelsäule, aufgerichtet und gerade zu bleiben, und sorgt für

reichlich Abstand zwischen den einzelnen Wirbeln. Die Hebetätigkeit der Muskeln

erfolgt zeitgleich mit dem abwärts gerichteten Sinken des vorderen Oberkörpers, so

dass im Rumpf, zwischen Solarplexus und Hüften, gleichzeitig eine sinkende und

eine hebende Bewegung stattfindet.

Das Aufrichten der Wirbelsäule und das Sinken der inneren Organe und des Chi

erzeugen gemeinsam den Kleinen Himmlischen Energiekreislauf, zuweilen auch

Mikrokosmischer oder Kleiner Kreislauf genannt. Der chinesische Begriff dafür lautet

shao jio tien. Dieses Energiesystem wird seit Jahrtausenden öffentlich beschrieben

und geübt.

Es gibt jedoch auch tiefere, geheimere und esoterische Aspekte dieser Praxis. Sie

dürfen aber nur unter strikter Anleitung eines Lehrers geübt werden, um körperliche

Schäden zu vermeiden. Die in diesem Buch beschriebene Methode des Kleinen

Energiekreislaufs ist den Praktizierenden in China weitgehend bekannt und kann

auch von Ihnen unbesorgt geübt werden. Einige Energiepraktiken werden deshalb

geheim gehalten, weil ihre öffentliche Verbreitung so gefährlich wäre wie eine ge-

ladene Waffe in Kinderhand. Viele Chi-Gung-Techniken werden erst dann gelehrt,

wenn der Schüler die nötige Reife und Erfahrung besitzt.

Die Position der Hände Bei dieser Stellung weisen die Handflächen nach hinten, während die Hände seitlich

auf den Oberschenkeln ruhen. In energetischer Hinsicht ist dies die neutralste Posi-

tion. Sie ist ideal geeignet für Anfänger der Standform. Dadurch werden besonders

die Achselhöhlen offen gehalten, so dass sich der linke und der rechte Energiekanal

(Abb. 15-2) nicht schließen. Anfänger berühren mit den Daumen leicht die Seiten

der Oberschenkel. Lassen Sie den Raum zwischen Daumen und Zeigefinger, im

Chinesischen als „Tigermaul" bezeichnet, auf natürliche Weise entspannt.

132

Page 133: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

Ü B U N G 2: Körperausrichtungen im Sitzen Bei der nachfolgend beschriebenen taoistischen Sitzhaltung liegt die Betonung dar-

auf, durch die Atmung aus dem Bauch und der Rückseite der Lungen Entspannung

zu erlangen. Weitere empfehlenswerte Techniken, um körperliche Spannungen und

Schmerzen bei Menschen zu lindern, die längere Zeit eine sitzende Tätigkeit im

Büro oder am Computer ausüben, und bei Menschen, die Chi Gung im Sitzen und

Meditation praktizieren, werden in Anhang D beschrieben.

Die Grundhaltung im Sitzen Der Stuhl, auf dem Sie sitzen, sollte eine flache und stabile Sitzfläche haben, und

zu beiden Seiten Ihrer Hüften sollten mindestens 3 cm Platz sein. Die Stuhllehne

sollte stabil und gerade, genau senkrecht zur Sitzfläche sein. Die Stuhlsitz sollte so

hoch sein, dass Sie beim Sitzen Ihre Füße flach auf den Boden stellen können und

Ihre Knie dabei in einem Winkel von ungefähr 90 Grad gebeugt haben (Abb. 6-7).

Die Körperausrichtungen bei der Sitzhaltung orientieren sich in jeder Hinsicht an

den Körperausrichtungen bei der Standform.

• Halten Sie Ihre Wirbelsäule gerade (Abb. 6-7b). Um Ihre Wirbelsäule am

Anfang aufzurichten (oder auch später, wenn sie während des Übens langsam

einsackt), heben Sie sich von der Vorderseite der Wirbelsäule aus leicht nach

oben. Je mehr Sie die Vorderseite Ihres Halses, Ihrer Brust und Ihres Bauches

entspannen können, desto leichter wird Ihnen dieses Hochheben fallen. Wenn

Sie müde werden und das Bedürfnis verspüren, Ihre Wirbelsäule nach vorn

zu beugen, dann konzentrieren Sie sich darauf, den hinteren Teil Ihrer Wir-

belsäule zu entspannen. (Die Methoden, um die getrennten Bewegungen von

Vorder- und Rückseite der Wirbelsäule kontrollieren zu lernen, werden bei

den fortgeschrittenen Aufwärmübungen für die Wirbelsäule, Abschnitt 1 in

Kapitel 14, gelehrt.)

• Ihre Taille (Abb. 6-7c), der Bereich zwischen dem oberen Teil Ihres Beckens und

dem unteren Teil der Rippen und des Kwa (Abb. 6-12a), wird leicht nach oben

aufgerichtet, um mehr Raum zwischen beiden zu schaffen. Bei den meisten

Menschen ist dieser Bereich bei längerem Sitzen gewöhnlich zusammengesun-

ken und eingefallen, was nachteilig für die Wirbelsäule ist. Der Körperbereich,

133

Page 134: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Richtige Körperausrichtungen beim Sitzen auf einem Stuhl - Seitenansicht

Abbildung 6-7

Falsche Körperausrichtungen beim Sitzen auf einem Stuhl - Seitenansicht

Abbildung 6-8

134

Page 135: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

den die Chinesen als Kwa bezeichnen, erstreckt sich vom Leistenband durch

das Innere des Beckens zur Spitze des Hüftbeins.

• Ihre Armhöhlen sollten offen gehalten werden, die Ellbogen leicht gebeugt sein

und die Arme etwas vom Rumpf weggehalten werden (Abb. 6-7d und 6-9d).

• Ihr Brustkorb und Ihre Schultern sollten entspannt sein (Abb. 6-9b).

• Ihr Kopf sollte leicht oben vom Hals angehoben werden (Abb. 6-4a) und direkt

über der Mitte des Rumpfes und des Beckens positioniert sein (Abb. 6-9a).

• Linker und rechter Energiekanal sollten in einer Linie mit dem zugehörigen

Schulternest und Kwa ausgerichtet sein (Abb. 6-9c). Beim Schulternest han-

delt es sich um die Vertiefung zwischen der inneren Schulterkante und den

Rippen.

6-9a zentraler Energiekanal ausgerichtet, Mitte des Kopfes direkt über Mitte der Hüften

Richtige Körperausrichtungen beim Sitzen auf einem Stuhl - Vorderansicht

Abbildung 6-9

135

Page 136: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Falsche Körperausrichtungen beim Sitzen auf einem Stuhl - Vorderansicht

Abbildung 6-11

• Der zentrale Energiekanal ist so ausgerichtet, dass der Scheitelpunkt Ihres

Kopfes und die Mitte Ihres Beckens auf einer senkrechten Linie zum Boden

liegen (Abb. 6-9a).

Das Kwa während des Sitzens anheben Die Abbildungen 6-12a und b illustrieren, wie sich Ihr Becken nach oben dehnt,

wenn sich Ihr Kwa öffnet, und zusammensinkt, wenn sich Ihr Kwa schließt. Öffnen

Sie Ihr Kwa zu Anfang Ihrer Sitzung und legen Sie besonderen Wert darauf, es in

regelmäßigen zeitlichen Abständen zu überprüfen. Um Ihr Kwa zu öffnen, heben

Sie alles hoch, was Sie spüren können - vom Perineum durch das Becken bis zur

Spitze der Hüftknochen, durch Ihre Taille bis zum unteren Ende Ihrer Rippen, aber

ohne dabei auch Ihren Brustkorb anzuheben. Wenn Ihnen diese Öffnung gelingt,

wird Ihre Leistenfalte sich aufrichten, wodurch jedes Gefühl von Unbehagen und

Erschöpfung gelindert wird.

136

Page 137: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

Das Anheben des Kwa

a) Richtig: Kwa geöffnet und angehoben b) Falsch: Kwa nach unten geschlossen

Abbildung 6-12

Ihr Kwa muss sanft angehoben werden. Ziehen Sie auch nicht vorsätzlich Ihren

Anus zusammen, wie dies bei manchen Chi-Cung-Techniken der Feuermethode

gemacht wird. Durch die Bewegung Ihres Kwa wird auch der Anus mühelos an-

gehoben.

Übungen zur Dehnung des Kwa

Die hier beschriebenen Übungen werden Sie darin unterstützen, Ihr Kwa während

des Sitzens zu dehnen. Pressen Sie Ihre Füße während jeder Übung sanft und kon-

tinuierlich gegen den Boden, damit Sie eine feste Verbindung von den Füßen zu

Ihrer Wirbelsäule erhalten. Pressen Sie, bis sich Ihre Knie stabil anfühlen.

Bei jeder Chi-Gung-Übung im Sitzen sollten Ihre Hände eine der Positionen

einnehmen, die in den Abbildungen 6-7g und 6-9e gezeigt werden.

1. Dehnen und verlängern Sie Ihre Muskeln von den Knien bis zu den

untersten Rippen

Bei guter Ausführung wird diese Dehnung Ihre Rücken-, Schultern- und Hals-

muskeln merklich entspannen.

137

Page 138: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

2. Beugen Sie sich aus dem Kwa und aus Ihrer Leistenfalte nach vorn und

kehren Sie in Ihre Anfangsposition zurück.

Halten Sie Rumpf und Kopf aufrecht, während Sie Ihren Körper nach vorn neigen

und ihn dann in seine ursprüngliche Position zurückkehren lassen. Bei einer

Kwa-Beugung geht die Bewegung des Rumpfes vom Kwa und nicht von den

Rückenmuskeln, dem Kopf oder Hals aus. Bewegen Sie sich langsam und rhyth-

misch, so dass Sie nach und nach Ihr Kwa und Ihre Taille dehnen und strecken

können. Diese Beugung wird im Bereich von etwa 15 bis 45 cm liegen.

• Wenden Sie die 70-Prozent-Regel an, damit Sie wissen, wie weit Sie dehnen

können. Beugen Sie sich nur so weit Sie können, damit Sie Ihre innere Arbeit

bequem fortsetzen und Ihren Körper von jeglichem Unbehagen, das Sie ab-

lenkt, befreien können.

• Denken Sie daran, Ihre Wirbelsäule gerade zu halten.

3. Dehnen Sie Ihr Kwa und Ihre Taille durch die kreisförmige Bewegung

Ihres Körpers

Neigen Sie sich zuerst leicht nach vorn, dann nach rechts, dann leicht nach hin-

ten, dann nach links und wieder nach vorn, wobei Sie die Mitte Ihres Beckens

als Zentrum Ihres Kreises benutzen. Es ist wichtig, während Sie diese kreisende

Bewegung ausführen, Ihren Körper von einer imaginären Linie im Körper aus

ständig auszudehnen und zu dehnen; diese Linie verläuft von Ihren Beinen zum

Perineum durch die Mitte Ihres Körpers an der Vorderseite der Wirbelsäule und

oben am Scheitelpunkt des Kopfes heraus (Abb. 6-9a). Achten Sie besonders auf

die Dehnung von Ihren Knien durch Ihr Kwa und Ihre Taille, wenn Sie die rechte

und linke Seite des Kreises erreichen (Abb. 6-9c). Tun Sie Ihr Möglichstes, jede

Unausgewogenheit dadurch auszugleichen, dass Sie sich entweder langsamer

bewegen oder die imaginäre Linie an der stärker zusammengezogenen Seite

weiter nach oben ausdehnen. Achten Sie besonders darauf, dass Sie Ihr Kwa

anheben, wenn Sie sich zur Seite bewegen.

4. Wiederholen Sie diese Übung ein- bis dreimal und bewegen Sie sich

dabei sowohl im als auch gegen den Uhrzeigersinn.

138

Page 139: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Körperausrichtungen im Stand und im Sitzen

Ü B U N G 3: Im Stand zur Ruhe kommen

Bevor Sie wirklich mit den in diesem Buch beschriebenen Übungen arbeiten kön-

nen, müssen Sie zur Ruhe kommen und vollkommen präsent sein, damit Sie sich

darauf konzentrieren können, Ihren Körper zu spüren.

Konzentrieren Sie sich während des Stehens auf Ihren Atem. Legen Sie Ihre Zunge

oben an den Gaumen und spüren Sie Ihren Atem, während Sie ein- und ausatmen.

Atmen Sie ruhig, entspannt und ausgewogen, ohne dass es eine Unterbrechung

zwischen jeder Ein- und Ausatmung gibt. Fahren Sie damit fort, bis Sie sich mühelos

auf Ihre Atmung konzentrieren können. Atmen Sie als Nächstes in jeden Körperteil

hinein, der sich taub oder verspannt anfühlt, bis er sich entspannt. Nach ein paar

Minuten dürften Sie feststellen, dass Ihnen die Entspannung leichter fällt und dass

Sie sich müheloser auf das konzentrieren können, was im Inneren Ihres Körpers

geschieht.

Richten Sie die Aufmerksamkeit auf

Ihre Körperausrichtungen. Beginnen Sie

während der Standübung mit dem Schei-

telpunkt Ihres Kopfes und arbeiten Sie sich

durch Ihren Körper nach unten bis zu Ih-

ren Füßen. Nutzen Sie Ihren Geist dazu,

um behutsam die weiter oben in diesem

Kapitel aufgeführten Körperausrichtungen

durchzugehen. Erfühlen Sie, während Sie

sich auf die Hauptausrichtungen konzen-

trieren, ob diese stimmen oder nicht, und

bemühen Sie sich nach besten Kräften, Ihre

Körperposition zu regulieren, bis sie sich

richtiger und stabiler anfühlt. Wenn Sie

in eine Körperausrichtung hineinatmen,

die noch nicht stimmt, wird dieser Prozess

einfacher und effektiver sein.

Denken Sie an die 70-Prozent-Regel

und versuchen Sie nicht, eine Körperaus-

richtung gewaltsam in ihre richtige Posi-

tion zu zwingen. Wenn Sie nicht hetzen,

139

Diese neutrale Körperposition ist ideal

dafür geeignet, um mit der Standform

des Chi Gung zu beginnen. Bei anderen

Positionen werden speziellere Wirkungen

hervorgerufen.

Page 140: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

wird sich Ihr Körper langsam ganz von selbst wieder gerade ausrichten, und zwar

besonders dann, wenn Sie die Grundtechniken der Standform erlernen, die mit

diesen Körperausrichtungen arbeiten (siehe Kapitel 7). Der Prozess des Wieder-

ausrichtens wird sich weiter fortsetzen, wenn Sie Chi Gung und andere taoistische

Energieübungen erlernen, und nach und nach werden alle Körperausrichtungen

angenehmer und stabiler werden.

Der Vorgang, im Stand zur Ruhe zu kommen, kann zehn Minuten dauern, bis

Sie mehr Erfahrung damit haben. Mit mehr Praxis wird es kaum mehr als wenige

Minuten in Anspruch nehmen - es sei denn, dass Sie mit einem sehr hohen Stress-

pegel anfangen.

140

Page 141: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 7

Grundlegende Standübungen: Chi sinken lassen, durchscannen und auflösen

Sobald Sie mit den Methoden der Langlebensatmung vertraut geworden sind und

die grundlegenden Körperausrichtungen einnehmen können, sind Sie vorbereitet

und können mit der Praxis beginnen, tief in Ihren Körper hineinzuspüren. Dieses

Kapitel lehrt die grundlegenden Standtechniken, die Ihnen dabei helfen werden,

Ihr Chi zu erwecken und zu spüren. Hierfür gibt es drei Übungen: das Chi sinken

lassen, den Energiekörper durchscannen und Chi-Blockaden auflösen.

Chi zu spüren und mit Chi zu arbeiten ist eine Kunst. Denken Sie daran: DieTiefe,

Mühelosigkeit und Schnelligkeit, mit denen sich Ihr Geist verbinden und feinere

Körperwahrnehmungen spüren kann, nimmt im Laufe der Zeit zu. Die Fähigkeit,

Ihr Chi zu spüren, wird sich mit diesem erhöhten Gewahrsein einstellen.

Was bedeutet Chi sinken lassen?

Der erste Schritt besteht darin, jegliche physische Wahrnehmungen von Unbehagen

und Spannung in Ihrem Körper zu spüren. Diese Wahrnehmungen entstehen an Stel-

len, wo Ihr Chi blockiert ist und sich nicht bewegen kann. Wenn Sie Ihr Chi sinken

lassen, geht es darum, diese Wahrnehmungen zu spüren und sie loszulassen. Das

erdet Körper und Geist und beruhigt Ihr Nervensystem. Wenn Ihr Chi nicht mehr

blockiert ist, können Sie sich entspannt fühlen und voller Freude und Vitalität.

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Bruce Frantzis reguliert die Körperausrichtungen bei einer Schülerin, damit sich die Haltung,

das Gleichgewicht sowie die Zirkulation von Flüssigkeiten und Energie im ganzen Körper

verbessern

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Grundlegende Standübungen

Das Gegenteil von sinkendem Chi ist steigendes Chi - die physischen Anzeichen

dafür können Sie erfahren, wenn Sie Angst verspüren. Dieses Gefühl geht vom Ma-

gen oder den Schultern aus und bewegt sich zum Kopf. Ihre Muskeln verkrampfen

sich; Ihre Atmung kann angepannt und kurz werden, oder vielleicht halten Sie auch

den Atem an.

Chinesische Meister des Chi Gung und Tai Chi verwenden den Ausdruck Sung,

wenn sie ihre Schüler dazu bringen möchten, die physischen Wahrnehmungen von

Spannung und Unbehagen in ihrem Körper zu spüren und dadurch zu lösen, dass

sie ihr Chi sinken lassen. Sung bedeutet ein vollständiges Befreien, ein völliges Los-

lassen jeglichen Gefühls von Kontrolle, Zusammenziehung, Widerstandskraft oder

Härte in Ihren Körpergeweben und Nerven, bis jede Form von Festhalten durch ein

vollständiges Gefühl von Offenheit, Raum und Wohlbefinden ersetzt ist.

Wie der Autor Sung erlernte Als ich zuerst den Versuch unternahm, den Ausdruck Sung zu begreifen, fiel mir das

alles andere als leicht. In meinen frühen Trainingszeiten in Taiwan half mir ein sehr

freundlicher Chinese, der nicht mein Hauptlehrer war, dabei, die Bedeutung von Sung

zu begreifen. Ich sprach noch kaum Chinesisch, bei ihm war es dasselbe mit Eng-

lisch, und unsere Mitteilungen verlegten sich weitgehend auf die Gebärdensprache.

Mein Körper war verspannt. Der Chinese suchte in seinem Wörterbuch nach Sung

und stellte fest, dass es als „entspannen" übersetzt war. Er sagte in gebrochenem

Englisch: „You relax no good enough" [ „Du entspannen nicht gut genug"], wobei

er mit Gebärden nachahmte, wie angespannt ich meinen Körper zu entspannen

versuchte. Ich konnte einfach nicht loslassen. Frustriert sagte er: „Need sung. Have

not enough sung" [„Brauchen Sung. Nicht genug Sung haben"]. Er fuhr damit fort,

es mir zu demonstrieren, verwendete dafür stark übertriebene Bewegungen, machte

seine Gelenke völl ig locker und stand mit einem offenkundigen Fehlen jeder Art

von physischer Spannung vor mir.

Ich kapierte es nicht. Dann demonstrierte er mir die Bedeutung mit zwei Häuf-

chen Geldmünzen. Er steckte das erste Häufchen in eine F'äpiertüte und legte ein

Messer daneben. „You want sung be like money. Make body be like money" [ „Du

wollen Sung sein wie Geld. Machen Körper sein wie Geld"], sagte er. Dann nahm

er das Messer und schnitt die Tüte auf. Die Münzen quollen heraus (die physische

Spannung loslassen), fielen herunter (das Chi nach unten freilassen), trennten sich

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Kapitel 10

voneinander (das Innere des Körpers lockern), verstreuten sich über den Boden und

bewegten sich bald nicht mehr (der Körper hat Sung vollständig erreicht).

Ich versuchte es erneut. Er sah, dass ich es nur halbwegs schaffte. Daher ballte

er seine Hände zu Fäusten, hob sie über seinen Nabel und plötzlich, während sich

sein gesamter Körper lockerte, öffnete er seine Hände und ließ sie an die Seiten

seines Körpers fallen. Er ergriff das zweite Häufchen Münzen, hob sie an dieselbe

Stelle über seinem Nabel und ließ sie plötzlich los. Sie fielen herab, trennten sich

voneinander und verstreuten sich über den Boden. Ebenso unvermittelt ließ er sei-

nen Körper dann wieder entspannen, während sich seine Hände und Arme sichtbar

lockerten und an die Seiten seines Körpers fielen, genauso wie die Münzen auf den

Boden gefallen waren.

Ich verband die beiden Bilder in meinem Kopf miteinander-und hatte es kapiert.

Als Nächstes forderte mein neuer Freund mich dazu auf, seine Arme und seinen

Bauch zu berühren. Er stand mit den Händen an seinen Seiten da. Nachdem er

überprüft hatte, dass ich mich konzentrierte, entspannte er sich, ließ seinen Kör-

per ganz fallen, ohne sich auch nur einen einzigen Zentimeter zu bewegen, und

versetzte sich in den Zustand von Sung. Ich konnte fühlen, wie seine Muskeln zu

Butter wurden und sich im Inneren seines Körpers eine deutlich spürbare Welle

nach unten bewegte.

Rartnerübung zum Loslassen Viele Menschen können nicht loslassen. Sie haben Angst davor, die Kontrolle zu

verlieren. Diese Übung gibt Ihnen ein Feedback über Ihre Bereitschaft zum Los-

lassen.

Erste Person: Stehen Sie mit Ihren Füßen parallel zueinander und Ihren Händen an

den Seiten Ihres Körpers. Schließen Sie die Augen.

Zweite Person: Heben Sie eine Hand der ersten Person etwa auf Schulterhöhe und

ziehen Sie Ihre eigene Hand dann leicht und rasch fort, damit die Hand nach unten

fallen kann. Diese Übung verfolgt das Ziel, dass die erste Person ganz einfach ihre

Hand fallen lassen kann, ohne sie zu kontrollieren. Fahren Sie damit fort, bis die

erste Person einfach loslassen kann, und tauschen Sie dann die Rollen.

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Grundlegende Standübungen

Ü B U N G 1: Das Chi sinken lassen

Um Chi unmittelbar spüren zu können, müssen Sie offen und empfänglich für subtile

Vorgänge werden. Praktizieren Sie jede der folgenden Übungen der Reihe nach und

gehen Sie erst dann zur nächsten Übung weiter, wenn Sie sicher sind, dass Sie die

vorhergehende völlig in sich aufgenommen haben.

1. Physische Wahrnehmungen im Körper spüren

Die Übung, Ihr Chi sinken zu lassen, ist ein konkretes und eindeutig spürbares

inneres Loslassen. Es beginnt dort, wo sich Ihr Geist im Körper konzentriert,

wandert abwärts und hört entweder im unteren Tantien, in Ihren Fußsohlen

oder im Boden auf. Das Gefühl des physischen Loslassens sollte schließlich von

dem deutlichen physischen Gefühl einer sich nach unten bewegenden Welle im

Inneren Ihres Körpers begleitet sein.

Stehen Sie zuerst mit Ihren Füßen parallel und in Schulterbreite auseinander,

die Hände an den Seiten Ihres Körpers; die Handflächen weisen nach hinten,

die Armhöhlen sind geöffnet. Nehmen Sie sich die Zeit, Geist und Körper zur

Ruhe kommen zu lassen. Der erste Schritt dafür ist, dass Sie eine Reise durch

Ihren Körper oben von Ihrem Kopf bis unten zu Ihren Füßen machen und alle

physischen Wahrnehmungen von verhärteter Kraft, Spannung oder Zusammen-

ziehung in Ihrem Körper erspüren. Beginnen Sie damit, Sinneswahrnehmungen

oben an Ihrem Kopf festzustellen, und lassen Sie Ihren Geist dann langsam in

Ihrem Körper abwärts wandern. Stellen Sie fest, wo Sie irgendwelche physi-

schen Gefühle von Widerstand oder Spannung haben. Vielleicht werden Sie

bemerken, dass die Vorderseite Ihres Kopfes verspannt ist oder dass Sie Ihren

Kiefer anspannen. Auch Ihr Nacken und Ihre Schultern könnten sich verspannt

anfühlen. Verweilen Sie nicht allzu lange bei irgendeiner blockierten Stelle.

Denken Sie an die 70-Prozent-Regel und überanstrengen Sie sich nicht. Es steht

Ihnen frei, in jeder Übungssitzung mehr als einen Durchgang von Kopf bis Fuß

zu machen; manchmal sind zwei kürzere Durchgänge besser als einer, der zu

langsam ist. Tragen Sie Ihre Blockaden ab, wie Wasser Stein abträgt- jedes Mal

immer nur etwas.

Im Hinblick auf die Arbeit mit Chi zeigen Gefühle von Widerstand oder Festigkeit

blockierte Körperstellen an, wo Chi nicht gesund und gleichmäßig fließt. Es ist

ein Paradox, aber je mehr Kraft Sie spüren, desto schwächer ist Ihr Chi.

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Kapitel 10

Sie könnten auch Wahrnehmungen von allgemeinem Unbehagen oder ein Ge-

fühl von Zusammenziehung in einem Körperteil haben. Wenn Ihr Geist bei-

spielsweise nach unten zu Ihrem Magen gewandert ist, könnten dabei zornige

Gedanken entstehen und gleichzeitig könnten Sie spüren, wie sich Ihr Bauch

zusammenzieht.

Unangenehme physische Wahrnehmungen sind verlässliche Anzeichen dafür, wo

sich Energieblockaden in Ihrem Körper verbergen. Tun Sie Ihr Möglichstes, um

diese Empfindungen zu spüren, auch wenn Sie sich dadurch unwohl fühlen. Das

ist ganz normal, wenn man festzustellen beginnt, wie sich das Innere des Körpers

anfühlt. Sie können auch den Eindruck haben, dass die Sinneswahrnehmungen

sich verstärken, wenn Sie sich auf diese Gefühle konzentrieren.

Wandern Sie mit Ihrem Geist abwärts und verzeichnen Sie diese Sinneswahrneh-

mungen, bis Sie Ihre Fußsohlen erreichen. Beginnen Sie mit einem Minimum von

fünf Minuten, um von oben bis unten durch den Körper zu gehen, und erhöhen

Sie diese Zeit auf 15 Minuten oder länger.

Wenn Sie nicht so lange stehen können, dann können Sie zwischen Stehen und

Sitzen abwechseln. Stellen Sie dafür einen Stuhl direkt hinter sich, damit es

einfach für Sie ist, sich hinzusetzen, wenn Sie das brauchen. Versuchen Sie den

Übergang zwischen Sitz- und Standhaltung so fließend wie möglich zu machen.

Wenn Sie krank oder verletzt sind, können Sie diesen Übungsschritt ganz im

Sitzen machen, bis es für Sie möglich wird, zwischen Sitzen und Stehen abzu-

wechseln und schließlich während der ganzen Übung zu stehen.

Es mag Wochen oder Monate dauern, bis Sie auch nur die Erfahrung machen,

blockierte Wahrnehmungen von verhärteter Kraft, Spannung und Zusammenzie-

hung zu erkennen und Ihren Geist genügend zu festigen, um von Ihrem Kopf bis

zu Ihren Füßen zu wandern, ohne abgelenkt zu werden. Wenn Sie dazu in der

Lage sind, dann können Sie lernen, Ihr Chi in den Zustand von Sung zu versetzen.

2. Blockaden nach unten sinken lassen und Ihr Chi in den Zustand von Sung

versetzen

Beginnen Sie oben an Ihrem Kopf und bewegen Sie sich abwärts, wobei Sie

sich derjenigen physischen Wahrnehmung einer Blockade widmen, die Ihr Ge-

wahrsein zuerst ausfindig macht. Nutzen Sie dann Ihre Absicht auf jede für Sie

wirksame Weise, um loszulassen und die Blockade nach unten sinken oder zu

Sung werden zu lassen.

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Grundlegende Standübungen

Sie werden wissen, wann Sie es geschaft haben, wenn Sie das Gefühl haben,

dass eine spürbare Wahrnehmung des Loslassens und Herabsinkens in Ihrem

Körper stattfindet. Sie können auch Ihr Chi direkt spüren, während es sich in

einer Welle nach unten bewegt.

Ein allgemeiner Irrtum bei der Energiearbeit besteht darin, dass man glaubt,

etwas zu fühlen, während man es sich tatsächlich nur vorstellt oder visualisiert.

Das Gefühl von Sung muss in spürbare und deutlich empfundene physische

Wahrnehmungen umgesetzt werden.

Physische Anzeichen für sinkendes Chi Nachfolgend einige physische Anzeichen, die Ihnen bestätigen helfen, ob Sie Ihr

Chi tatsächlich sinken lassen und Sung erfahren:

Die Atmung entspannt sich

Chi und Atem sind nicht identisch, doch eng miteinander verbunden. Während sich

Ihr Gewahrsein in Ihrem Körper nach unten bewegt oder sich mit einer bestimmten

Stelle des Unbehagens beschäftigt, kann sich dies in Ihrer Atmung widerspiegeln.

Sie kann plötzlich lauter werden; Sie können unwillkürlich Ihren Atem anhalten und

dieser kann unregelmäßig oder zu schnell werden. Wenn Sie diese Blockade auflö-

sen, dann wird Ihre Atmung geschmeidiger, tiefer und gleichmäßiger werden.

Wenn Sie eine Stelle finden, die Sie klären möchten, dann können Sie Ihre Atmung

als Hilfsmittel dafür benutzen. Die Konzentration darauf, Ihren Atem ruhig werden

zu lassen, kann Ihnen dabei helfen, Ihre Blockaden abzubauen und Ihr Sung zu

vertiefen. Spannung in Ihrer Atmung loszulassen ermöglicht es Ihnen, Schichten von

physischer Spannung zu klären, und hilft Ihnen dabei, Ihr Chi sinken zu lassen.

Verbinden Sie Ihren Geist mit Ihrer Atmung, während Sie Ihr Chi sinken lassen.

Das hilft, um Sie darauf vorzubereiten, Ihr Chi direkt zu spüren. Es wird Sie zu einer

tieferen physischen und mentalen Entspannung führen, Ihren Körper geschmeidiger

machen und es Ihnen ermöglichen, Ihr Gewahrsein dessen, was Sie in Ihrem Körper

spüren, zu erhöhen.

Schließlich wird Ihre Atmung vollkommen ruhig, und Sie werden Chi selbst

erkennen und bewusst damit arbeiten können.

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Kapitel 10

Die Körperausrichtungen regulieren sich leichter

Der Vorgang, Ihren Körper wieder in der korrekten Standposition auszurichten, voll-

zieht sich langsam. Jede Körperausrichtung, die sich steif und physisch unbehaglich

anfühlt und schwer aufrechtzuerhalten ist, zeigt eine Stelle an, wo Ihr Chi blockiert ist.

Wenn Sie Ihr Chi durch eine Körperausrichtung sinken lassen, so ermöglicht das

Ihnen, die Körperausrichtung leichter zu regulieren und das blockierte Chi zu be-

freien. Das Gefühl von blockiertem Chi kann sich verstärken, wenn Sie sich darauf

konzentrieren. Wenn Sie diese Stelle entspannen und loslassen (Sung), kann die

Körperausrichtung leichter reguliert und aufrechterhalten werden.

Die Muskeln werden weich und die Gelenke dehnen sich aus

Harte, steife und verkrampfte Muskeln werden weicher, aber bedeutend mehr

Spannkraft haben. Sie werden sich leichter bewegen, wenn Sie Ihr Chi sinken lassen

und Ihre Blockaden klären. Der Zwischenraum in Ihren Gelenken kann sich öffnen,

was manchmal von knackenden Geräuschen begleitet wird. Diese können ziemlich

laut sein, besonders in ihren Hüftpfannen oder Wirbeln. Normalerweise dürfte dies

aber kein Grund zur Beunruhigung sein.

Die Füße öffnen sich

Wenn Ihr Chi bis zu den Füßen sinkt, können diese sehr warm werden und sich

anfühlen, als würden sie brennen. Das hat die folgenden Gründe:

• Die kleinen Blutgefäße in den Füßen öffnen sich in höherem Maße

• Zwischen Ihren Mittelfußknochen entsteht mehr Raum

• Blockierte Energie in Ihren Füßen wird geklärt

Das Innere des Körpers wird zunehmend feucht

Das deutlichste Anzeichen dafür, dass Chi sinkt, ist das Gefühl, dass entweder ein

Teil oder das gesamte Innere Ihres Körpers feucht wird, da Ihre inneren Flüssigkeiten

besser zirkulieren. Der chinesische Begriff dafür ist Yun Chi.

Chi bewegt sämtliche Körperflüssigkeiten. Durch Chi Gung zirkulieren diese Flüs-

sigkeiten kräftiger, selbst durch die winzigsten Blutgefäße. Durch eine große Fülle

an Chi wird sich Ihr Körper innerlich feucht anfühlen, während ein Mangel an Chi

ein Gefühl von Trockenheit hervorruft. Wenn Ihr Körper im Zustand von Sung innere

Spannung auflöst, könnten Sie ein pelziges oder weiches Gefühl in sich spüren, das

dem vergleichbar ist, was Sie nach einem heißen Bad empfinden.

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Grundlegende Standübungen

Nach dem Medizinklassiker des Gelben Kaisers, dem Grundlagentext der inneren

chinesischen Medizin, sind die Körper von jungen, gesunden und lebensprühenden

Pflanzen, Tieren und Menschen feucht und elastisch. Wenn sie sich dem Tod nähern,

werden ihre Körper trocken und brüchig. Menschen fühlen sich auch dann mehr

ausgetrocknet, wenn sie krank oder angespannt gewesen sind oder nicht ausreichend

geschlafen haben. Das Gefühl von Trockenheit entsteht dann, wenn das Blut und

andere Körperflüssigkeiten nicht kräftig zirkulieren.

Wenn Ihr Blut kräftig zirkuliert, dann fühlt sich das Innere Ihres Körpers feuchter

an. Wenn Ihre Fähigkeit, Chi sinken zu lassen, zunimmt, verstärkt sich gewöhnlich

der Speichelfluss in Ihrem Mund. Wenn dies eintritt, dann schlucken Sie den Spei-

chel herunter, um damit Ihr Chi wiederaufzunehmen.

Das Gefühl, dass das Innere Ihres Körpers während des Sung feucht wird, wird

ein konkretes Feedback für Sie sein, dass Sie auf dem richtigen Weg sind. Wenn Sie

eine konkrete physische Wahrnehmung haben, selbst wenn diese nur vorübergehend

ist, kann dies dabei helfen, Frustration zu vermeiden und nicht sicher zu sein, ob

Sie Sung korrekt ausführen.

Wenn Sie damit beginnen, Ihr Chi sinken zu lassen, werden Sie die Feuchtigkeit

wahrscheinlich in bestimmten Körperteilen stärker spüren. Schließlich wird sich dieses

Gefühl aber gleichmäßig in Ihrem gesamten Körper ausbreiten. Die Wahrnehmung,

dass Ihr Körper feucht wird, fängt gewöhnlich an den Oberflächenmuskeln an und

geht dann weiter in dieTiefe, bis Sie diese bis in die Knochen hinein spüren können.

Wenn Sie sich die Technik, Chi sinken zu lassen, aneignen und eine bestimmte

Stelle im Körper feucht wird, kann dies das Gefühl von Feuchtigkeit im gesamten

Körper erhöhen, oder ein Bereich kann auch nur einen speziellen weiteren Bereich

feucht werden lassen.

Gewöhnlich wird sich Ihr Körper warm anfühlen, kurz bevor das Gefühl von Feuch-

tigkeit deutlich wird. Dies ist ein Anzeichen für vermehrte Blutzirkulation und ein

Hinweis darauf, dass Chi in einen blockierten Bereich gelangt und diesen durchfließt.

Mit jeder neuen Klärung erhöht sich exponentiell Ihre Fähigkeit, noch mehr zu

lösen.

Verwechseln Sie das Sinkenlassen von Chi nicht damit, Ihren Körper fallen zu

lassen

Viele meinen, wenn sie zu lernen beginnen, dass sie Teile ihres Körpers physisch

bewegen müssen, um das innere Gefühl des Sinkens auszuagieren, indem sie

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Kapitel 10

beispielsweise ihre Knie beugen oder ihre Hüften senken. Sie sollten sich um das

innere Gefühl des Sinkens bemühen und lernen, Ihr Chi sinken zu lassen, ohne

Ihren Körper zu bewegen.

Nachdem Ihnen dieser Prozess leichter fällt, können Sie ihn mit den anderen

Elementarübungen kombinieren, die erfordern, Ihren Körper nach unten zu bewe-

gen, um damit gleichzeitig die physische Hebelkraft und die Kraft Ihres sinkenden

Chi zu nutzen.

Wichtige Übungshinweise 1. Als Vorsichtsmaßnahme ist es wichtig, dass Sie zuerst lernen, Ihren Energiefluss

sinken zu lassen, bevor Sie daran arbeiten, Ihr Chi aufzulösen. Dadurch werden

Sie darauf vorbereitet, mit dem aufwärts gerichteten und anderen Energieflüssen

umzugehen, ohne Ihr Zentralnervensystem zu schädigen.

2. Wenn Sie versuchen, eine bestimmte Blockade zu klären und bemerken, dass

sich eine andere weiter oben im Körper befindet, dann lenken Sie Ihre Aufmerk-

samkeit nicht darauf, sondern nutzen Sie stattdessen die folgende Alternative:

Lassen Sie Ihr Chi weiter von der tieferen Blockade nach unten zu Ihren Füßen

sinken und versuchen Sie, die höhere Blockade zu ignorieren. Eine oder auch

beide Blockaden können sich möglicherweise von selbst lösen. Wenn das nicht

der Fall ist, können Sie diese dann auflösen, wenn Sie einen weiteren Durchgang

nach unten machen.

3. Halten Sie sich an die 70-Prozent-Regel.

4. Behalten Sie die korrekten Körperausrichtungen bei und sacken Sie nicht in sich

zusammen. Sie sollten keine Schmerzen in Ihren Gelenken spüren. Wenn das

der Fall ist, dann überprüfen Sie nochmals Ihre Körperausrichtungen; wenn die

Schmerzen weiter anhalten, dann brechen Sie die Übung ab.

Die nächste Stufe des Sinkenlassens Die meisten Menschen brauchen Monate dafür, bevor sie ihr Chi bis zu ihren Füßen

sinken lassen können. Beginnen Sie oben an Ihrem Kopf und versuchen Sie systema-

tisch, jede einzelne Blockade auf dem Weg nach unten aufzulösen. Wenn Sie dies

regelmäßig ausführen können, sind Sie bereit dazu, zur nächsten Stufe weiterzuge-

hen und weitere spezielle Formen der Anwendung von Sung auszuprobieren.

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Grundlegende Standübungen

• Sie können Sung auf einen bestimmten Bereich beschränken, ohne zuvor das

auflösen zu müssen, was darüber liegt. Zum Beispiel können Sie eine gewisse

Spannung in Ihren Schultern feststellen, ohne dass Sie oben am Kopf beginnen

müssen, und sie dadurch lösen, dass Sie sich darauf konzentrieren und sie zu

Sung werden lassen.

• Sie können Ihren gesamten Körper in den Zustand von Sung versetzen und eine

sich ständig erneuernde, nach unten fließende Welle kontinuierlicher Freiset-

zung von Energie spüren. Im Laufe der Zeit wird diese Welle stärker werden

und immer tiefere Blockaden freisetzen.

Ü B U N G 2: Den Energiekörper durchscannen

Wenn Sie vom physischen zum Chi-Körper übergehen, sollten Sie bereits erfahren

darin sein, Ihr Chi sinken zu lassen. Sie sollten nun zumindest zeitweise eine gewisse

Vorstellung von der Möglichkeit haben, dass Chi ebenso deutlich spürbar wie eine

physische Wahrnehmung sein kann. Nun können Sie sich darauf konzentrieren, die

Sinneswahrnehmungen von Chi selbst zu spüren.

Langsam alle Unausgewogenheiten von Energie im Körper beobachten

Ihr Chi sinken zu lassen erfordert anfangs nur, dass Sie sich mit rein physischen

Sinneswahrnehmungen beschäftigen. Diese unterstützen Sie darin, der indirekten

Anzeichen dafür gewahr zu werden, dass Chi sich im Körper bewegt. Wenn Sie

dieses Gewahrsein einmal erlangt haben, ist die Zeit dafür gekommen, um Ihren

Energiekörper durchzuscannen. Das wird Sie darin schulen, feinfühliger für Ihr Chi

zu werden, und ist die Vorbereitungsstufe dafür, um Energieblockaden aufzulösen.

Beginnen Sie oben an Ihrem Kopf und beobachten Sie langsam jegliche Unaus-

gewogenheiten von Energie, während Sie Ihren Körper nach unten durchscannen.

Diese Unausgewogenheiten werden sich an solchen Stellen äußern, wo Sie Span-

nung, Widerstandskraft, Zusammenziehung oder sonst irgendetwas spüren, das sich

nicht richtig anfühlt. Diese Empfindungen ermöglichen es Ihnen auf verlässliche

Weise, blockiertes Chi zu lokalisieren.

1. Widerstandskraft oder Stärke

Sinneswahrnehmungen von physischer Stärke oder Widerstandskraft sind normal.

Sobald Sie empfänglich dafür werden, das Innere Ihres Körpers zu spüren, wird

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Kapitel 10

energetische Stärke genauso deutlich spürbar sein. Es mag jedoch nicht klar sein,

womit diese Art von Stärke speziell zusammenhängt. Möglicherweise existiert

ein Überschuss an Chi in einem Körperbereich, der mit Stolz oder Starrsinn

verbunden ist. Das ist wahrscheinlich der Fall, wenn es sich wie blockierte ener-

getische Stärke anfühlt. Versuchen Sie nicht, dies noch weiter zu analysieren,

sondern vertrauen Sie Ihrem Gefühl und Ihrer Intuition.

2. Spannung

Diese bezieht sich auf zwei Kräfte in Ihnen, die sich in Konflikt miteinander

befinden, wie beispielsweise physische Spasmen oder irgendein emotionaler

oder mentaler Konflikt, der unterschwellig in Ihrem Körper sitzt.

3. Zusammenziehung

Blockiertes Chi kann physische Kontraktionen in Ihren Muskeln, inneren Organen

und Blutgefäßen hervorrufen oder auch emotionale Einengung, wie beispiels-

weise die Unterdrückung von Wut oder Trauer.

4. Andere ungewöhnliche Wahrnehmungen

Dabei handelt es sich um energetische Blockaden, die schwer in Worte zu fassen,

aber dennoch deutlich spürbar sind, wie beispielsweise allgemeine, unspezifische

Gefühle des Unbehagens, vage Schmerzen oder Körperpartien, die Sie überhaupt

nicht spüren können. Wenn sich irgendetwas richtig anfühlt, dann können Sie

an dieser Stelle ein deutliches Gefühl von Lebendigkeit spüren.

Erforschen Sie Ihren Energiekörper innerlich, Millimeter um Millimeter, vom

Scheitel Ihres Kopfes bis zu Ihren Fußsohlen. Achten Sie genau darauf, was Sie

spüren. Machen Sie die Bereiche ausfindig, wie klein und unscheinbar sie auch

sein mögen, die sich nach Spannung, Zusammenziehung, Widerstandskraft oder

Stärke anfühlen. Lenken Sie dann Ihre besondere Aufmerksamkeit auf jene Stel-

len, bei denen Sie einfach nicht genau wissen, was sich nicht richtig anfühlt.

Es muss noch einmal betont werden, dass Sie nichts tun sollen, wenn Sie irgendeine

dieser vier Eigenschaften von blockierter Energie feststellen. Werden Sie einfach

Ihrer Existenz gewahr und registrieren Sie, was und wo sie sind.

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Grundlegende Standübungen

Nützliche Hinweise für das Wecken von Chi

Lassen Sie sich Zeit

Gewöhnlich dauert es zwischen fünfzehn Minuten und einer Stunde, um das durch-

zuführen, was wir das „Wecken von Chi" nennen. Wenn Sie glauben, das in zwei

oder drei Minuten geschafft zu haben, dann üben Sie mit Sicherheit nicht korrekt.

Inneres Durchscannen ist ein konkret erfahrbares Gefühl, keine

Visualisierungsübung

Bei Ihrer inneren Überprüfung haben Sie möglicherweise nicht unmittelbar Ihren

Körper gespürt, sondern - was sehr viel leichter fällt - ihn nur visualisiert oder sich

innere Bilder davon gemacht. Vielleicht gefallen Ihnen gewisse Dinge nicht, die

Sie tatsächlich gespürt haben, aber diese Stellen verschwinden nicht, wenn Sie sie

verdrängen oder bewusst übersehen - Sie müssen sie akzeptieren und durcharbei-

ten. Sie müssen es zulassen, tatsächlich Ihren inneren Zustand zu spüren. Mit der

Zeit werden Sie ohnehin die Kraft gewinnen, Ihre inneren Blockaden zu spüren

und aufzulösen.

Lassen Sie Ihre Nerven lebendig werden

Eines der Hauptziele bei der Praxis der Energiekultivierung besteht darin, eine

gänzlich neue Fähigkeit des Fühlens zu entwickeln. Der Unterschied im Körperbe-

wusstsein zwischen einem beidseitig Gelähmten und einem Durchschnittsmenschen

ist etwa so groß wie der Kontrast zwischen der jetzigen Fähigkeit Ihrer Nerven, den

inneren Zustand zu spüren, und der zukünftigen Sensibilität, wenn Ihre Chi-Übun-

gen zur regelmäßigen Gewohnheit geworden sind. Seien Sie nicht frustriert, falls

Sie anfänglich nicht so viel erspüren können. Vertrauen Sie darauf, dass Sie mit der

Zeit alles erspüren können.

Bewahren Sie geistige Stabilität

Das Durchscannen des Energiekörpers ist im Wesentlichen keine rein körperliche

oder geistige Übung. Es dient vielmehr der näheren Bestimmung, Verfeinerung und

Vermehrung der Lebensenergien im Körper. Von kleinen Kindern ist bekannt, dass

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Kapitel 10

sie sich nicht lange konzentrieren können, doch die meisten Erwachsenen besitzen

ebenfalls das, was die Chinesen als „Affengeist" bezeichnen - einen unruhigen Geist,

der von Ort zu Ort springt. Der Geist des Chi-Gung-Praktizierenden entwickelt sich

langsam. Im Laufe der Zeit wird Chi Gung nach und nach die Dauer Ihrer Aufmerk-

samkeit, Ihre Konzentration und Ihre Sensibilität für feinstoffliche Energien erhöhen.

Eile bremst den Fortschritt

Noch einmal muss darauf hingewiesen werden, dass es sich hier um einen allmäh-

lichen Entwicklungsprozess handelt. Nur die allerwenigsten Menschen können die

Chi-Gung-Übungen von Anfang an korrekt ausführen. Die Entwicklung wird um so

schneller und gleichmäßiger voranschreiten, je sanfter und beständiger Sie üben.

Wenn Sie sich unmögliche Ziele setzen und sich selbst quälen, wenn Sie diese

Ziele nicht erreichen, sabotieren Sie sich damit selbst und beeinträchtigen Ihren

eigenen Lernprozess.

Hüten Sie sich vor Gefühlen der Stärke

Die meisten Menschen betrachten Stärke als etwas Positives und Nützliches, das

man schätzen und erstreben sollte. Bei der Chi-Arbeit gelten Gefühle der „Stärke"

dagegen als Blockaden, die den normalen, gesunden und gleichmäßigen Ener-

giefluss im Körper daran hindern, auf entspannte und kraftvolle Weise zu zirkulieren.

Wie sich entspanntes Chi anfühlt Im Idealfall fühlt sich die Energie an jeder Stelle Ihres Körpers entspannt und an-

genehm an. Der Energiefluss ist mühelos, voll und ausgeglichen. Mit Ihrer Energie

sollte ein umfassendes Gefühl von Leerheit verbunden sein. Nur wenn Ihre Energie

blockiert ist, ruft sie spezielle Gefühle hervor.

Ü B U N G 3: Der äußere Auflösungsprozess von Chi

Auflösen ist der Prozess, blockierte Energie vollständig zu klären und freizusetzen.

Eine klassische taoistische Metapher umschreibt den äußeren Auflösungsprozess mit

den Worten „Eis zu Wasser, Wasser zu Gas". Genauer, „Eis zu Wasser" beschreibt

den Vorgang, Ihr Chi sinken zu lassen, während „Wasser zu Gas" dem Vorgang

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Grundlegende Standübungen

entspricht, Ihr Chi aufzulösen. Das Auflösen verlangt, dass Sie direkt mit Ihrem Chi

arbeiten.

D i e Bez iehung zw ischen Ch i s inken lassen

und Chi auf lösen

Sie können Ihr Chi sinken lassen, ohne es aufzulösen. Sie können Ihr Chi jedoch

nicht auflösen, ohne es nicht bis zu einem gewissen Grad auch sinken zu lassen.

Das Auflösen ist subtiler, weil es direkt mit Chi arbeitet, während beim Sinkenlassen

anfangs mit physischen Sinneswahrnehmungen gearbeitet wird. Jede Methode hat

ihre Stärken, Herausforderungen und Besonderheiten, die es zu berücksichtigen gilt:

1. Chi sinken zu lassen ist leichter zugänglich und einfacher zu erlernen.

2. Chi sinken zu lassen wird gewöhnlich in den inneren Kampfkünsten, wie

beispielsweise Tai Chi, gelehrt, wo es für den Erfolg im Wettkampf wichtig ist,

physische Kraft zu erwerben.

3. Chi sinken zu lassen entwickelt ein Gewahrsein der physischen Sinneswahrneh-

mungen in Ihrem Körper, das zum Gewahrsein Ihres Chi führt und schließlich

zum direkten Gewahrsein desjenigen Chi, das Ihren Körper dazu veranlasst,

innerlich feucht zu werden. Das wiederum führt dazu, blockiertes Chi zu er-

kennen und während des Auflösungsprozesses direkt aufzulösen.

4. Wenn Sie lernen, Chi sinken zu lassen, so hilft Ihnen dies dabei, sich zu erden

und im gegenwärtigen Augenblick zu bleiben. Es ist eine Sicherheitsvorkehrung

gegen eine Dissoziation von den Emotionen, die entstehen, wenn Sie blockierte

Energie auflösen und freisetzen. Das ist besonders wichtig für Menschen, die

sehr feinfühlig für Chi sind, aber eine ziemlich schwache Verbindung zu ihrem

Körper haben.

5. Das Auflösen von Chi ist wirksamer und verlässlicher für die Linderung und

Heilung von Krankheiten. Von Chi erzeugte physische Kraft für Kampfkünste

und sportliche Wettkämpfe lässt sich am Anfang leichter durch das Sinken lassen

von Chi entwickeln.

6. In dem Augenblick, wo Sie Ihr Chi erfolgreich auflösen, treten viele physische

Wahrnehmungen, die Sie beim Sinkenlassen Ihres Chi erlebt haben, deutlicher

hervor.

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Kapitel 10

7. Schließich werden Sinkenlassen und Auflösen von Chi zu einem einzigen

nahtlosen Prozess.

8. Wenn Sie Ihr Chi entweder sinken lassen oder auflösen, können Sie Ihren

Atem als Hilfsmittel dafür nutzen, um sich der subtilen Schichten innerhalb

einer Blockade bewusst zu werden, Ihr Gewahrsein zu erweitern oder Ihre

Konzentration zu steigern. Verlassen Sie sich jedoch nicht allzu sehr auf Ihren

Atem, um diese Aufgaben zu leisten. Sie sollen dazu in der Lage sein, mit und

ohne Nutzung Ihres Atems Ihr Chi sinken zu lassen und aufzulösen.

D e r Ä t h e r k ö r p e r und der Auflösungsprozess

Das Energiefeld, das Sie umgibt, wird als Ätherkörper oder Aura bezeichnet. Es

verändert seine Größe von Augenblick zu Augenblick, was darauf beruht, wie stark

oder schwach Ihr Chi ist. Der Ätherkörper erstreckt sich zwischen 15 und 50 cm

über die Körperoberfläche hinaus. Das Auflösen verlangt von Ihnen, dass Sie ener-

getische Blockaden in Ihrem Ätherkörper bis zu dessen natürlicher Begrenzungslinie

freisetzen.

Alle physischen und energetischen Bereiche Ihres physischen Körpers sind direkt

mit entsprechenden Bereichen in Ihrem Ätherkörper verbunden. Ebenso können

blockierte Bereiche in Ihrem Ätherkörper energetische Blockaden in Ihrem physi-

schen Körper direkt aktivieren und Ihr sinkendes Chi daran hindern, sich auf die

vollständige Lösung solcher Blockaden zu übertragen.

Beim Auflösen lernen Sie, wie Sie Ihre Energie nicht nur nach unten freisetzen,

sondern auch nach außen von Ihrem physischen Körper fort durch Ihren Ätherkör-

per bis zu dessen äußerer Begrenzung. Die dabei freigesetzte Energie nimmt eine

neutrale Beschaffenheit an und fließt wieder zu Ihnen zurück als Energie, die Ihr

physischer Körper für seine fortlaufenden Bedürfnisse nutzen kann.

1. Die Auflösung nach dem Prinzip „Eis zu Wasser, Wasser zu Gas"

Beginnen Sie am Scheitelpunkt Ihres Kopfes und stellen Sie fest, wo Sie Gefühle

von Härte oder Spannung, irgendwelche Abweichungen, ein allgemeines Ge-

fühl von Unbehagen oder Zusammenziehung in Ihrem Körper spüren. Diese

Empfindungen können physischer, energetischer, emotionaler oder mentaler

Natur sein. Die Blockaden, die diese sinnlich wahrgenommenen Symptome

156

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Grundlegende Standübungen

hervorrufen, müssen aufgelöst werden. Dieser Prozess schließt das Gefühl ein,

als würden sich die blockierten Stellen zuerst von Eis zu Wasser und dann von

Wasser zu Gas verwandeln.

2. Die Auflösung nach dem Prinzip „Veränderung von Eis zu Wasser"

Wenn Sie erst einmal eine Stelle lokalisiert haben, an der Energie blockiert oder

erstarrt ist, sollte Ihr Gewahrsein die äußeren Konturen dieser gefrorenen Ener-

gie fühlen. Ihr Gewahrsein wird in diese feststoffliche Energiemasse eindringen

und die Blockade aufweichen lassen, so dass Sie bis in deren Zentrum gelangen

können. Dies ist damit vergleichbar, wenn Sie einen Eiswürfel zum Schmelzen

bringen: Der Schmelzvorgang schreitet langsam von außen zum Zentrum fort.

Dann lassen Sie die Blockierung los und versetzen sie in den Zustand von Sung.

Das ist die Transformation von Eis zu Wasser.

3. Die Auflösung nach dem Prinzip „Transformation von Wasser zu Gas"

Sobald die gesamte Blockade in Ihrem Körper dann weich und fließend wird

(wie ein Eiswürfel, der geschmolzen und zu Wasser geworden ist), halten Sie Ihre

Aufmerksamkeit weiter auf diese Stelle gerichtet und lassen Ihr Gewahrsein die

Blockade behutsam ausdehnen. Sie setzen diesen Prozess so lange fort, bis ein

Gefühl eintritt, dass sich die eingeschlossene Energie über den Körper hinaus

so weit ausdehnt, als wäre sie an einen natürlichen Endpunkt oder eine Grenze

gelangt, die vielleicht in einem Abstand von 30 bis 50 cm außerhalb der Haut-

oberfläche liegt. Das ist die Transformation von Wasser zu Gas.

Die Auflösung eines solchen Energieblocks vollzieht sich stufenweise. In der

ersten Phase, Eis zu Wasser, wird Ihr Körper entspannt, weich und warm, da der

vermehrte Chi-Fluss eine bessere Durchblutung bewirkt. (Denken Sie immer

daran, dass der Geist Chi bewegt und Chi seinerseits das Blut und andere Kör-

perflüssigkeiten.) In der zweiten Phase,Wasser zu Gas, verschwinden Schmerzen

und tief sitzende körperliche Belastungen. Auf noch weiter fortgeschrittenen Chi-

Gung-Stufen werden sich auch negative Emotionen auflösen. Sie werden sich

schon jetzt gut fühlen, aber die Ursachen der Energieblockaden werden noch

nicht völlig verschwunden sein.

Diese Auflösungstechnik muss durch konkrete Gefühlswahrnehmung, nicht le-

diglich durch bildhafte Vorstellung gemeistert werden. Es handelt sich dabei um

eine kinästhetische oder körperlich gefühlte Erfahrung.

157

Page 158: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Entspannung allein muss nicht unbedingt auch zu mehr Energie führen, die den

Körper zum Beispiel heilen kann. Sie können Ihre Muskeln entspannen, während

emotionale Blockaden davon unberührt bleiben. Die Befreiung von Energie wirkt

sich dagegen auf alle Ebenen Ihrer Persönlichkeit aus.

Obwohl körperliche Entspannung (Wasser) auf der energetischen Ebene dazu

führt, dass sich die Dinge vorübergehend besser anfühlen, kann durch sie allein

eine Energieblockade (Eis) nur teilweise freigesetzt werden. Wenn die der Blo-

ckade (Eis) zugrunde liegenden Ursachen nicht bis zur äußeren Begrenzungslinie

des Ätherkörpers aufgelöst, umgewandelt und beseitigt (zu Gas verwandelt)

worden sind, kann sich später wieder Wasser bilden und erneut zu Eis werden,

was letztlich zu Schmerzen und Krankheiten führt.

Um ein konkret erfahrbares Gefühl des Auflösungsprozesses und der Umwand-

lung von Eis zu Wasser und von Wasser zu Gas zu bekommen, ballen Sie einmal

Ihre Faust so fest, wie Sie können, bis Ihre Fingerknöchel weiß hervortreten. Da-

durch zieht sich Ihre Energie von selbst zusammen. Richten Sie Ihr Gewahrsein

nun auf Ihre Hand und dehnen diese zusammengezogene Energie aus, bis Sie Ihre

Hand völl ig entspannen (Eis zu Wasser), ohne Ihre Faust dabei zu öffnen. Fahren

Sie dann damit fort, Ihr Gewahrsein auf Ihre geschlossene Hand zu konzentrieren,

bis sich Ihre Energie aus der Hand heraus in die Luft ausdehnt und Ihre Hand

sich schwerelos, völl ig amorph und unkörperlich anfühlt (Wasser zu Gas).

4. Die Auflösung nach unten im Stand

a) Während Sie innerlich Ihren Körper durchscannen, lösen Sie einen blockierten

Energiebereich so vollständig wie möglich auf, bis Sie innerlich spüren, dass sich

zu diesem Zeitpunkt nichts weiter auflösen lässt. Das heißt, Sie erreichen einen

Punkt, wo Sie selbst dann, wenn Sie an dieser Stelle noch fünf Minuten, fünf

Stunden oder fünf Jahre weiter versuchten, die verbleibende Energieblockade

aufzulösen, nicht weiterkommen würden. Während der nächsten Übungssitzung

werden Sie vielleicht feststellen, dass sich dieser Bereich etwas weniger blockiert

anfühlt und sich, sei es teilweise oder vollständig, leichter auflösen lässt.

b) Als Nächstes lassen Sie dann jegliche bisher nicht gelöste Energie zur nächsten

Stelle sinken, wo weitere blockierte Energie festgehalten wird. Dort lösen Sie

die kombinierte Energie der ersten und der zweiten Stelle so weit wie möglich

auf. Wiederholen Sie kontinuierlich diese Vorgehensweise bei jeder blockierten

Stelle, auf die Sie weiter unten treffen. Sie sollten dabei an die 70-Prozent-Regel

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Page 159: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Grundlegende Standübungen

denken. Strengen Sie sich nicht zu sehr an und verweilen Sie nicht zu lange an

einer Stelle.

c) Lassen Sie nun die noch verbleibende ungelöste Energie zur dritten Stelle

sinken.

Lösen Sie dann die kombinierte Energie der ersten, zweiten und dritten Stelle so

weit wie möglich auf. Fahren Sie auf diese Weise fort, von Blockade zu Blockade,

bis in den Boden unter Ihren Füßen.

d) Machen Sie schließlich einen raschen Durchgang in Ihrem Körper nach unten

und lösen alle inneren Sinneswahrnehmungen durch Ihre Füße in den Boden

hinein auf, so weit wie Ihr Gewahrsein nach unten reicht.

e) Hören Sie immer an oder unter Ihren Füßen auf. Um die energetische Klärung,

die Sie während der Standform ausgeführt haben, zu stabilisieren und nicht an-

schließend wieder rückgängig zu machen, müssen Sie jede Übung an Ihren Füßen

beenden, wenn Sie das Chi sinken lassen, und unterhalb Ihrer Füße, wenn Sie

den Körper durchscannen und Energieblockaden auflösen. Wenn Sie feststellen,

dass Ihre Übungszeit vielleicht nicht ausreichen wird, um bis zu Ihren Füßen zu

gelangen, dann achten Sie darauf, dass Ihnen am Ende noch ein paar Minuten

bleiben, um mühelos bis zu Ihren Füßen weitermachen zu können. Dieser Punkt

ist sehr wichtig. Je länger Ihre Praxis während dieser Sitzung gewesen ist, desto

mehr Zeit sollten Sie sich am Ende für einen guten Abschluss bewahren.

D e r Energiekörper d e h n t sich aus und z i e h t sich z u s a m m e n

Der menschliche Energiekörper reicht bis unter die Füße und über den Kopf hinaus.

Die Größe des Energiekörpers, der auch als Ätherkörper oder Aura bezeichnet wird,

kann erheblich zu- oder abnehmen. Das hängt von der Vitalität oder Schwäche

Ihrer inneren Energie ab. So mag es Ihnen an manchen Tagen nur gelingen, Ihr Chi

nicht mehr als zwei bis drei Zentimeter in den Boden zu senden, und zu anderen

Zeiten schaffen Sie es vielleicht mehr als einen Meter tief. Solche Schwankungen

sind völl ig normal, bevor der Energiekörper nicht vollständig entwickelt und stabi-

lisiert worden ist.

159

Page 160: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

D i e Pr inz ip ien h inter d e m Auflösungsprozess

Das Universum besteht aus Energien, die in verschiedenen Frequenzen schwingen.

TaoistischesChi Cung folgt der grundlegenden alchemistischen Methodik, langsame,

verdichtete Energieschwingungen, wie die physische Materie des menschlichen

Körpers, zu feineren, schnelleren und ausdehnungsfähigen Schwingungen, wie

Emotionen und seelisch-geistigen Qualitäten, zu transformieren.

Die Erfahrungen des Altertums, und dazu gehört das Alte China, haben gezeigt,

dass man durch geschärfte Aufmerksamkeit und konzentriertes Gewahrwerden der

energetischen Aspekte des Körpers sowohl die aktuelle als auch die potentielle

Stärke von Körper, Geist und Seele steigern kann. Daraus entstehen körperliche

Gesundheit, emotionales Wohlbefinden, geistige Klarheit und weitere seelisch-

geistige Fähigkeiten. Letztlich führt dies dazu, die eigene spirituelle Wesensnatur

zu entwickeln und mit der Natur des Universums, dem Tao, eins zu werden.

G e h e n Sie b e i m Auf lösen behutsam vor

Setzen Sie sich und Ihr Chi nicht unter Druck! DerTaoismus ist der Weg der Sanft-

heit, der Weg des strömenden Wassers. Versuchen Sie nicht, den Strom anzutreiben.

Wenn Sie feststellen, dass sich eine Blockade nicht auflösen lässt, dann umgehen

Sie diese und machen mit dem Rest des Körpers weiter. Irgendwann wird es Ihnen

gelingen, auch diese Rückstände aufzulösen - es gibt keinen Grund zur Eile.

Praktizieren Sie das hier beschriebene Auflösen von Chi (Übung 3) mindestens

zwei Wochen lang. Dann kann diese Praxis in die nächste Stufe der Chi-Gung-

Standform integriert werden, bei der es um das Öffnen der Energietore des Körpers

geht.

160

Page 161: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 8

Die Energietore des Körpers öffnen

Was sind Energietore?

Als Energietore bezeichnet man die hauptsächlichen Relaisstationen des Chi, in

denen die Stärke der durch den Körper fließenden Lebensenergie reguliert werden

kann. Viele dieser Tore befinden sich in den Gelenken oder, genauer gesagt, im

Gelenkspalt zwischen den Knochenenden. In den ersten Wochen und Monaten der

Praxis der Standform und der Auflösungsübungen sind dies die wichtigsten Stellen,

an denen Blockaden geklärt werden.

Das Konzept der „Energietore" ist nicht neu, es ist uns bereits aus dem Alten China

überliefert. Ursprünglich hatten sich Taoisten diese Modellvorstellung geschaffen,

die für viele Traditionen gebräuchlich geworden ist. Nach meinem besten Wissen

ist sie jedoch vor der Erstveröffentlichung dieses Buches im Jahre 1993 niemals

vollständig in einer westlichen Sprache beschrieben worden.

Diese Tore sollte man sich nicht als anatomisch einfach zu lokalisierende Stellen

im menschlichen Körper vorstellen. Sie müssen mit bewusstem Gewahrsein, einer

der Funktionen des Geistes, gespürt werden, denn sie gehören zum feinstofflichen

Energiekörper. Unter dem Gesichtspunkt der inneren Energie ist ihre genaue Lage

immer nur ungefähr anzugeben und kann geringfügig variieren. Für Akupunkteure

ist die anatomische Lokalisierung der Akupunkte nützlich, weil siesich dieser Punkte

bedienen, um den Körper von hier aus zu beeinflussen. Mit Hilfe sichtbarer Mar-

kierungen bezeichnen sie die ungefähren Stellen, an denen sie ihre Nadeln setzen.

161

Page 162: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Auflösungsübungen, die mit den Energietoren des Körpers arbeiten, können im Sitzen wie

im Stehen ausgeführt werden. Anfängerübungen werden gewöhnlich mit geschlossenen

Augen ausgeführt, damit der Praktizierende nicht abgelenkt wird und seine Aufmerksamkeit

nach innen gerichtet bleibt. Wenn sich dieses Gewahrsein einmal stabilisiert hat, können

fortgeschrittenere Übungen auch mit offenen Augen ausgeführt werden.

162

Page 163: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Energietore des Körpers öffnen

(Die Nadel stimuliert das Chi des Körpers auf indirekte Weise.) Einige Energietore

stimmen mit Akupunkten überein, andere unterscheiden sich deutlich von ihnen.

Die Energietore funktionieren etwa so wie die großen Umsetzer in elektrischen

Überlandleitungen, von denen jeder Einzelne wieder eine Reihe von kleineren

Umspannstationen speist und sichert.

Beim Chi Gung wird das bewusste Gewahrsein direkt in das Energietor versetzt.

Sie müssen lernen, diese Punkte zu spüren, um Ihren Chi-Fluss zu lenken und den

Energiekörper mit größtmöglichem Erfolg zu stimulieren. Es geht nicht darum,

sich ein Energiertor nur im Geist vorzustellen (obgleich Anatomiekenntnisse beim

Lokalisieren helfen), sondern das Tor deutlich zu spüren und die durchfließende

Energiemenge zu erhöhen oder zu verringern. Gebrauchen Sie Ihre Willenskraft

oder Intention mit der gleichen mühelosen Leichtigkeit, mit der Sie Augen, Mund

oder Hände öffnen und schließen. Denken Sie immer daran, dass sich die Energie-

tore innerhalb Ihres Körpers befinden und dass sich ihre Größe entsprechend der

Stärke Ihres Chi-Körpers geringfügig verändert. Folglich sind die exakte Lage eines

Energietors und der Abstand von der Körperoberfläche der visuellen Analyse nicht

zugänglich. Der physische Körper und der Energiekörper stimmen bekanntlich in

Form und Funktion nicht überein. Ein erfahrener Chi-Gung-Praktizierender kann

aber die Punkte dieser Energietore genauso deutlich spüren wie andere Menschen

Akupunkturnadeln in ihrer Haut. Chi-Gung-Meister spüren sogar die Energietore

im Körper von anderen.

Im Allgemeinen praktizieren wir das „Öffnen" der Energietore in der Reihenfol-

ge, wie sie weiter unten angegeben ist. Seien Sie sich aber immer bewusst, dass

diese Reihenfolge nicht auf ewig festgeschrieben ist. Das wichtigste Gebot ist, dass

sich die Energie und die inneren Sinneswahrnehmungen während der Klärung

(Auflösung) von Blockaden von oben nach unten durch den Körper bewegen. Im

folgenden Abschnitt wird die Lage der Energietore beschrieben, die von Blockaden

befreit werden müssen.

Wichtige Haupt- und Nebentore des Körpers

Wenn Sie den Auflösungsprozess tatsächlich praktizieren, dann springen Sie dabei

nicht, wie hier beschrieben, von Energietor zu Energietor, von Punkt zu Punkt. Lösen

Sie vielmehr die Blockaden von oben nach unten und Front, Rücken und Seiten

eines Abschnitts gleichzeitig auf. Die Energietore sind Punkte, auf die Sie besonders

163

Page 164: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

achten müssen, wenn sich Ihr Gewahrsein nach unten bewegt; doch alle Blockaden

zwischen den Energietoren sind wichtig und müssen ebenfalls aufgelöst werden,

bevor Sie zum nächsttieferen Energietor weitergehen. Stellen Sie sich einen großen

Schwall Wasser vor, der vom Kopf über Ihren Körper hinabströmt und auf seinem

Weg nach unten alles mitreißt und fortspült. Genauso funktioniert die Auflösung

von blockierter Energie. Die universelle Energie stömt ständig auf uns herab - die

Frage ist nur, ob wir sie nutzen können oder nicht. Dieses herabfließende „Wasser"

ist die beste Abwehr gegen das Ausbrennen durch die Arbeit mit dem „Feuer", der

aus der Erde aufsteigenden Energie.

Kopf und Hals Am Anfang sollte der Auflösungsprozess in allen Energietoren des Kopfes nur bis zu

einer Tiefe von gut einem Zentimeter reichen und dadurch das Gehirn aussparen.

Es gibt eine spezielle Methode des Gehirn-Chi-Gung, die aber für Anfänger noch

nicht geeignet ist und nur unter direkter Aufsicht eines Meisters erlernt werden

sollte.* Nach vier bis acht Wochen regelmäßiger Übung ist es zulässig, das Gehirn

auf einmal, als Ganzes, von Blockaden zu befreien, aber lösen Sie keine Punkte

im Gehirn einzeln auf.

Der Scheitelpunkt (Abb. 8-1, Tor 1)

Das erste aufzulösende Energietor** liegt genau im Zentrum des Scheitels. Dieses

Tor wird von den Chinesen als Baihui, der „Treffpunkt von hundert Punkten",

bezeichnet. Wenn Sie von der Nase eine Linie über den Kopf zum Nacken ziehen

und von einer Ohrenspitze zur anderen eine weitere Linie, dann schneiden sich

die beiden präzise im Punkt Baihui.

* Bei der Chi-Gung-Praxis können bestimmte Punkte im Gehirn gespürt werden. Die energetische

Verbindung dieser Punkte in spezifischen Mustern kann sich als ziemlich gefährlich erweisen und

das Gehirn nachhaltig schädigen. Andere energetische Strukturen im Gehirn können dagegen das

latente Potential des Gehirns stärken. Für diese Praxis ist die Überwachung durch einen Lehrer

mit der entsprechenden Erfahrung erforderlich.

** Vergessen Sie nicht, dass die Lokalisierung der Energietore nur ungefähr stimmt. Die genaue

Lage lässt sich dadurch feststellen, dass Sie mit Ihrem bewussten Gewahrsein nach innen spüren.

164

Page 165: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Energietore des Körpers öffnen

Das Dritte Auge (Abb. 8-1, Tor 2)

Zwischen den Augenbrauen liegt der Punkt, der als Drittes Auge bezeichnet

wird. Bei Personen mit starken psychischen Störungen sollte dieses Tor nicht

aufgelöst werden, es sei denn unter der Aufsicht eines Chi-Gung-Lehrers. (Die-

ses Energietor kann verdrängte Bereiche der Psyche offenlegen, was am besten

unter Anleitung eines qualifizierten Lehrers geschehen sollte, der sich mit den

besonderen Feinheiten der menschlichen Psyche auskennt.)

Die Augen (Abb. 8-1, Tor 3)

Diese beiden Tore befinden sich direkt auf Höhe der Pupille, genau hinter dem

Augapfel. Ihre sorgfältige Pflege ist bei visuell anstrengenden Berufen wichtig,

wie beispielsweise Computerarbeit, weil sie das Chi des gesamten Sehapparates

regulieren und eine Vermittlungsinstanz zum Gehirn bilden. An dieser Stelle lässt

sich also visuell bedingter Stress effizient abbauen.

Die Mitte der Schläfen (Abb. 8-1, Tor 4)

Diese beiden Energietore befinden sich in der Schläfenmitte, etwa auf Höhe der

Ohrenspitzen.

Die Mitte der Ohren (Abb. 8-1, Tor 5)

Die Schädelbasis Abb. 8-1, Tor 6)

Das nächste Energietor liegt in der Mitte des

Ohres, etwa am Ende des ersten Viertels des

Ohrganges. (Mit Ausnahme der Punkte auf

der Mittellinie des Körpers gibt es von allen

anderen Energietoren Punkte auf der linken

und rechten Körperseite.)

Dieser Punkt liegt am Hinterkopf, dort, wo

die Wirbelsäule (der 1. Halswirbel oder At-

las) und das Hinterhauptbein (Os occipita-

le) des Schädels aufeinander treffen. Hier

berühren sich auch das Rückenmark und

der Hirnstamm. Die Energietore am Kopf und Hals

Abbildung 8-1

165

Page 166: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Das Gaumendach (Abb. 8-1, Tor 7)

Dieses Hauptenergietor liegt dort, wo die Zunge den harten Gaumen berührt.

An der gleichen Stelle vereinigen sich auch die beiden Hauptmeridiane, das

Lenker- und das Dienergefäß. Die genaue Stelle finden Sie, wenn Sie die Zunge

an den Gaumen legen.

Der Kiefer (Abb. 8-1, Tor 7a)

Es existieren vier Nebentore im Kiefer, die Sie besonders bei vorübergehen-

den Kiefergelenksblockierungen, Kieferspannungen und Zähneknirschen über-

prüfen sollten. Diese Probleme sind häufig auf starke seelische und mentale

Belastungen zurückzuführen. Zwei der vier Punkte für die Auflösung solcher

Energieblockaden befinden sich

auf dem aufsteigenden Ast des

Unterkieferknochens, unterhalb

des Ohres in einer Vertiefung des

Unterkiefergelenks. Die beiden

anderen Nebentore liegen auf

dem Boden der Mundhöhle di-

rekt hinter den Schneidezähnen.

Zu ihrer genauen Lokalisierung

stellen Sie sich eine Senkrechte

von den inneren Augenwinkeln

zum Mundboden vor. Alle vier

Energietore sollten gleichzeitig

aufgelöst werden.

Die Kehlengrube (Abb. 8-2,

Tor 8)

Die Vertiefung direkt über dem Brustbein ist die Stelle des letzten wichtigen

Energietores im Kopf- und Halsbereich.

Der siebte Halswirbel (Abb. 8-1, Tor 9)

Dieses Tor liegt auf dem großen Wirbel, der gewöhnlich im Nacken an der

Halsbasis hervorsteht.

166

Die Energietore am Kiefer und in der Kehlengrube

Abbildung 8-2

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Die Energietore des Körpers öffnen

Die Schultern Das Schultergrübchen (Abb. 8-3, Tor 1)

Dieses Energietor ist an der Verbindung von Schulterhöhe und Schlüsselbein

zu finden, das heißt, am äußeren Ende des Schlüsselbeins. Wenn Sie den Arm

heben und zur Seite bewegen, liegt der Punkt in der sich bildenden Vertiefung

oben auf der Schulter.

Die Achselhöhle (Abb. 8-3, Tor 2)

Der Punkt befindet sich im Inneren des Körpers in der Mitte der Achselhöhle,

etwa bei einem Drittel des Abstandes von der Hautoberfläche zum Schultergrüb-

chen. Tiefer in der Mitte der Achselhöhle liegt ein weiteres Tor, das sämtliche

Schultertore mit dem linken oder rechten Energiekanal verbindet.

Das Schulternest (Abb. 8-3, Tor 3)

Dieses Tor liegt in der Vertiefung unter dem äußeren Ende des Schlüsselbeins auf

der Höhe der Kehlengrube. Mit zunehmender Übung wird diese Stelle weich

und beweglich, bis sich eine Vertiefung, eben das „Nest", bildet. Viele Menschen

sind hier sehr verspannt und blockiert, so dass die Vertiefung nicht sofort sichtbar

Energietore der Schultern

a) vordere Energietore b) hintere Energietore

Abbildung 8-16

167

Page 168: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

wird. Die Öffnung in diesem Bereich verbessert die Beweglichkeit der Arme auf

spektakuläre Weise.

Dieses Tor ist für Frauen sehr wichtig, weil es gemeinsam mit dem Energietor in

der Mitte der Brust das weibliche Hormonsystem und insbesondere die Brust-

funktion regelt. In China werden diese beiden Punkte üblicherweise bei Chi-

Gung-Behandlungen der Brust, einschließlich der Krebstherapie, genutzt.

Das Zentrum beider Schulterblätter (Abb. 8-3, Tor 4)

Hier befindet sich das Energietor tief im Körper, in der Mitte der Vorderseite jedes

Schulterblatts, das heißt auf der der Brust zugewandten Seite.

Die Arme Das Ellbogengelenk (Abb. 8-4, Tore 1)

Hier gibt es insgesamt zehn Nebentore hinten, in-

nen und an den Seiten sowie ein Haupttor.

Da das Ellbogengelenk, das Handgelenk, das Knie

und der Fußknöchel die am häufigsten benutzten

Gelenke des Körpers sind und sich in viele Rich-

tungen bewegen müssen, ist es wichtig, zuerst die

Nebentore im Umkreis dieser Gelenke zu entlas-

ten, bevor das Haupttor tief im Inneren jedes Ge-

lenks aufgelöst wird. Die Energietore am Ellbogen

liegen:

-auf der Rückseite: die zwei Grübchen direkt über

und die zwei direkt unter der Ellbogenspitze (vier

Nebentore);

- in der Armbeuge: je zwei Vertiefungen über und

unter der Armbeuge, beiderseits der Sehnen (vier

Nebentore);

- an den Seiten: in der Mitte auf beiden Seiten des

Ellbogengelenks (zwei Nebentore);

- in der Mitte: direkt in der Mitte des Ellbogenge-

lenks zwischen den Knochenenden von Ober- und

Unterarm (ein Haupttor).

Die Ellbogen und die

Handgelenke

a) Energietore auf der

Vorderseite und der

Innenseite

b) Energietore an der

Rückseite

a b Abbildung 6-5

168

Page 169: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Energietore des Körpers öffnen

Lösen Sie erst jedes Nebentor auf, also auf der Rückseite, in der Armbeuge und an

den Seiten, und dann das Haupttor in der Mitte tief im Inneren des Gelenks.

Das Handgelenk (Abb. 8-4, Tore 2)

Hier gibt es insgesamt zehn Nebentore hinten, innen und an den Seiten sowie

ein Haupttor.

Diese Energietore sind wie folgt lokalisiert:

- auf der Handrückenseite: zwei Vertiefungen über und zwei unter dem Gelenk,

zu beiden Seiten einer vorgestellten Linie, die vom Mittelfinger über den Hand-

rücken zum Ellbogen verläuft (vier Nebentore);

- auf der Innenseite: zwei Grübchen direkt über und unter der Gelenkfalte, zu

beiden Seiten der Sehnen (vier Nebentore);

- an den Seiten: in der Mitte auf beiden Seiten des Handgelenks (zwei Neben-

tore);

- in der Mitte: in der Mitte des Handgelenks zwischen den Knochenenden von

Unterarm und Handwurzel (ein Haupttor).

Die Handwurzel und die Mittelhand (ohne Abb.)

Lösen Sie alle Zwischenräume in den Gelenksverbindungen zwischen den klei-

nen Knochen in der Handfläche auf.

Die Mitte der Handfläche (Abb. 8-5, Tor 4)

Das Energiezentrum in der Mitte der Handfläche

wird gewöhnlich das „Auge der Hand" genannt.

Lösen Sie diesen Punkt und gleichzeitig auch das

entsprechende Energietor in der Mitte des Hand-

rückens auf. Das Tor auf dem Handrücken ist der

empfindlichste Punkt für alle, die mit ihren Hän-

den energetische Heilarbeit leisten. Noch ein Hin-

weis: Die Mitte der Handfläche lässt sich leichter

auflösen, wenn Sie auch die Blockaden zwi-

schen Handfläche und Daumenwurzel auflösen.

Die Finger (Abb. 8-5, Tore 5)

Achten Sie beim Auflösen der Blockaden beson-

ders auf die Mitte jedes Fingergelenks. Schließen

Energietore in den Fingern und

der Handfläche

Abbildung 8-16

169

Page 170: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Der Energiestreifen vom Mund

bis zum Solarplexus

Abbildung 8-6

Sie das Auflösen damit ab, dass Sie sich auf die

genaue Mitte der Fingerspitzen konzentrieren.

Der Rumpf

An der Vorderseite des Rumpfes (Abb. 8-6)

Dieser Bereich erstreckt sich in einem Streifen,

der so breit wie der Mund ist, von den Mundwin-

keln hinab über die Kehle und das Brustbein bis

zum Solarplexus, wobei dieser aber nicht dazu

gehört.

Den meisten Menschen bereitet es die allergröß-

te Mühe, in diesem Abschnitt, der dort beginnt,

wo die Zunge am Gaumendach anliegt, und über

die Kehle bis unmittelbar über den Solarplexus

reicht, für freien Chi-Fluss zu sorgen. Hier sind

die allermeisten blockiert, doch dieser Bereich muss für den Fortschritt in wei-

teren Chi-Gung-Übungen vollständig geöffnet werden.*

Noch ein besonderer Hinweis: Es gibt weitere sekundäre Energietore in den Ge-

lenken zwischen den Rippen und dem Brustbein, in den Rippenzwischenräumen

und in den Gelenken zwischen den Rippen und den

Brustwirbeln (siehe Abb. 8-10).

Die Mitte der (weiblichen) Brust (Abb. 8-7, Tor 2)

Die Energietore in den Brüsten spielen eine äußerst

wichtige Rolle bei der Regulierung des weiblichen

Hormonsystems. In China werden diese Energietore

üblicherweise zusammen mit denen am Schulternest

in Chi-Gung-Übungen zur Prävention und akuten Be-

handlung von Brustkrebs aktiviert. Die beiden Tore

befinden sich jeweils in der Brustmitte, direkt hinter

den Brustwarzen vor den Rippen.

Im Pranayama-Yoga wird beispielsweise das Kehlchakra benutzt, um diesen Bereich zu öffnen.

170

Das Energietor in der Mitte

der Brust

Abbildung 8-7

Page 171: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Energietore des Körpers öffnen

Zwischen den Schulterblättern

(Abb. 8-8, Tor 3)

In dem Bereich zwischen den Schulter-

blättern und der Wirbelsäule liegen be-

sonders viele sekundäre Energietore. Für

Sportler, Tänzer und Kampfkünstler ist es

außerordentlich wichtig, hieralleTore zu

öffnen. Die Stärke der Arme stammt größ-

tenteils von hier, während ihre Beweglich-

keit hauptsächlich aus dem Schulternest

kommt.

Der Solarplexus (Abb. 8-9, Tor 4)

Dieses Tor befindet sich genau unter der

Brustbeinspitze. Es ist die erste weiche

Stelle, die nachgibt, wenn Sie unterhalb

des Brustbeins auf den Bauch drücken.

Viele sekundäre Energietore sind in dem

Bereich zwischen den Schulterblättern

lokalisiert.

Abbildung 8-8

Unteres Tantien und Mingmen (Abb. 8-9, Tor 5 und Abb. 8-11)

Das untere Tantien liegt auf der senkrech-

ten Körperachse im Rumpf, etwa fünf bis

sieben Zentimeter unter dem Bauchnabel.

Der Mingmen, auch als „Tor des Lebens"

bezeichnet, befindet sich zwischen dem

unteren Tantien und unmittelbar vor der

Wirbelsäule.

Für die körperliche Gesundheit spielt das

Tantien als Einzeltor die wichtigste Rolle.

Durch die ungefähre Lage in der Körper-

mitte ist es mit allen für die Gesundheit

und das Wohlbefinden zuständigen Ener-

giebahnen verbunden, die hier durchflie-

ßen.

Der Migmen ist ein Energiepunkt, der

die Energie zwischen der Wirbelsäule

Die Energietore am Solarplexus (oben)

und am unteren Tantien (unten)

Abbildung 8-16

171

Page 172: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

und dem Tantien über einen Verbin-

dungskanal im Unterbauch transpor-

tiert. Er wird auch als „Rücken-Tan-

tien" bezeichnet.

Auf diesen energetisch zentralen Be-

reich richtet sich das Hauptaugen-

merk aller Praktiken des Chi Gung

und der taoistischen Alchemie.

Sämtliche taoistischen Methoden

gehen davon aus, dass körperliche

Gesundheit das unerlässliche Fun-

dament für die spirituelle Entwick-

lung ist. Im unteren Tantien w i rd

die gesamte, den physischen Kör-

per betreffende Energie bearbeitet,

gereinigt und erzeugt. Diese Ener-

gie kann später mit der Energie aus

dem mittleren und oberen Tantien

für die emotionale und spirituelle

Weiterentwicklung vereint werden.

Manche Kampfkünstler in China, die kein tieferes Verständnis vom Gebrauch

des unteren Tantien besaßen, um ihre gröberen Emotionen zu reinigen und zu

zügeln, entwickelten sich lediglich zu sehr erfolgreich kämpfenden Tieren.

Letztlich können viele gesundheitliche Schwierigkeiten, die durch eine verfrühte

Entwicklung der höheren psychischen Zentren entstehen, nur mit Methoden

gelindert werden, die das untere Tantien einschließen. Aus diesem Grunde wird

in den meisten Energie- und Meditationssystemen Ostasiens, von Zen über Chi

Gung bis zu den inneren Kampfkünsten, dem unteren Tantien auch besondere

Beachtung geschenkt.

Die Kultivierung der Energie in einem Tantien bedeutet nicht auch automatisch

die Entwicklung der anderen. Wir alle sind schon Menschen begegnet, die zwar

körperlich gesund waren, aber emotional, psychisch oder spirituell große Defizite

hatten. Es ist auch nichts Ungewöhnliches, dass Menschen auf der emotionalen,

psychischen oder spirituellen Ebene weit fortgeschritten sind und gleichzeitig

große gesundheitliche Probleme haben. Dies liegt häufig daran, dass von den

Der Brustkorb: Sekundäre Energietore liegen

an allen Stellen, wo die Rippen das Brustbein

berühren.

Abbildung 8-10

172

Page 173: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Energietore des Körpers öffnen

höheren Energiezentren ein größerer energetischer Druck ausgeht, als der Körper

verkraften kann.

Viele Zen-Übende beispielsweise bekommen durch die Meditation unvorstellbare

gesundheitliche Probleme. Sogar der erleuchtete japanische Zen-Meister Haku-

in musste einen Taoisten aufsuchen, um die durch langes Sitzen verursachten

Schäden beheben zu lassen. Der Chan-Buddhismus, der in China entstandene

Vorläufer des Zen, besaß in seinen Übungen eine sehr wirkungsvolle körperliche

Chi-Gung-Komponente, die allerdings verloren ging, als die Chan-Techniken von

China nach Japan gelangten.

Im tibetischen Buddhismus haben die 100 000 Niederwerfungen zu Anfang

bei den vorbereitenden Übungen des Ngöndro auch die Funktion, den Körper

des Praktizierenden ausreichend zu kräftigen, bevor er sich an die höheren

psychischen Aspekte der Lehre wagen kann. Yogis in Indien, Tibet und China

betreiben gewöhnlich spezielle physische oder energetische Übungen, um sich

ihre körperliche Gesundheit in den mehrjährigen Meditationsretreats zu erhalten;

andernfalls würden sie wohl irreversible körperliche Schäden riskieren.

Unteres Tantien, Mingmen und Dai Mai

Abbildung 8-11

173

Page 174: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Die Rückenmuskeln (ohne Abb.)

Lösen Sie alle Energieblockaden in den Rü-

ckenmuskeln auf, besonders im Nierenbe-

reich. Beginnen Sie an Hals und Schultern

und arbeiten Sie sich langsam nach unten

bis zum Gesäß.

Die Wirbelsäule (Abb. 8-12)

Beginnen Sie an der Schädelbasis und be-

freien Sie die gesamte Wirbelsäule von Blo-

ckaden, besonders zwischen den einzelnen

Wirbeln. Achten Sie vor allem auf die fol-

genden Stellen: das Hinterhauptbein (die

Stelle, wo die Wirbelsäule auf den Schädel

trifft); den großen Wirbel an der Halsbasis;

die Wirbel zwischen den Schulterblättern

und direkt unterhalb der Schulterblätter; den Wirbel auf der Höhe des Mingmen

und das Steißbein.

Haupttore der Wirbelsäule

Abbildung 8-12

Das Becken Der Beckengürtel (Abb. 8-13)

Lösen Sie die Energieblockaden in

den Knochen auf, die den Becken-

gürtel bilden. Das sind Darmbein,

Gesäßbein, Kreuzbein und das

Steißbein, besonders an den Stel-

len, wo sie verbunden sind.

Das Hüftgelenk (ohne Abb.)

In diesem Bereich beschäftigen

Sie sich mit der Hüftgelenkpfan-

ne (Acetabulum) und speziell mit

dem Spalt zwischen Oberschen-

kelkopf und der Gelenkpfanne.

Energietore des Beckens

Abbildung 8-13

174

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Die Energietore des Körpers öffnen

Das Beckeninnere (ohne Abb.)

Dieser Bereich im Innenraum des Beckens beginnt am Darmbeinkamm und

reicht bis hinunter zur Leistenfalte, dem Kwa.

Die Genitalien (ohne Abb.)

Frauen sollten die blockierte Energie in der gesamten Scheide bis zum Gebär-

mutterhals auflösen, aber nicht den Gebärmutterhals selbst. Dort besteht eine

energetische Barriere, welche die Gebärmutter von der Vagina trennt und nicht

aufgelöst werden darf.* Die natürliche Energieversiegelung darf nur bei der

Geburt gebrochen werden.

Männer sollten die blockierte Energie von der Prostata den Penisschaft hinunter

und von der Prostata zu den Hoden auflösen.

Der After und der Enddarm (ohne Abb.)

Lösen Sie die Blockaden so hoch im After auf, wie Sie diese spüren können, aber

im Allgemeinen nicht höher als ein paar Zentimeter. Hier befindet sich ein sehr

wichtiges Energietor, dessen energetische Auflösung zur Linderung von Verstop-

fung und Hämorrhoiden sowie zur Vorbeugung von Dickdarmkrebs besonders

zu empfehlen ist.

Das Perineum (ohne Abb.)

Zwischen den Genitalien und dem Anus liegt das Perineum; an dieser Stelle

vereinigt sich die Energie aus den Beinen mit der Energie aus dem Rumpf.

Die Beine Die Beine und das Gesäß tragen und stützen die Wirbelsäule sowohl physisch-

mechanisch als auch energetisch.

* Wenn Frauen das blockierte Chi im Bereich des Cebärmutterhalses zu stark auflösen, kann

dies die Fortpflanzungsenergie beeinträchtigen und in der Folge zu Menstruationsproblemen,

prämenstruellem Syndrom, Scheidenentzündungen und Unfruchtbarkeit führen. Diese natürliche

energetische Versiegelung sollte nur bei einer Geburt aufgebrochen werden. Es ist zwar möglich,

auch den Bereich der Gebärmutter energetisch aufzulösen, doch ist zu beachten, dass dies zu

erhöhter Fruchtbarkeit führen kann.

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Page 176: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 8

Das Kniegelenk (Abb. 8-14 und Abb. 8-15)

Hier liegen insgesamt zehn Nebentore vorne, hinten und an den Seiten sowie

ein Haupttor.

Die Energietore sind wie folgt lokalisiert:

- auf der Vorderseite: die „Augen des Knies", das heißt die zwei Grübchen direkt

unter und direkt über der Kniescheibe, jeweils zu beiden Seiten der Mittellinie

(vier Nebentore);

- auf der Rückseite: unter den Sehnen zu beiden Seiten über und unter der

Gelenkfalte (vier Nebentore);

- an den Seiten: in der Mitte auf jeder Seite des Knies (zwei Nebentore);

- in der Mitte: direkt in der Mitte im Inneren des Kniegelenks (ein Haupttor).

Das Fußgelenk (Abb. 8-16, Tore 2 und Abb. 8-17, Tore 2)

Hier liegen insgesamt acht Nebentore vorne, hinten und an den Seiten sowie

ein Haupttor.

Die Energietore sind wie folgt lokalisiert:

Energietore am Knie

a) vorne und an den Seiten

Energietore am Knie

b) hinten

Abbildung 8-15 Abbildung 8-14

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Die Energietore des Körpers öffnen

- auf der Vorderseite: direkt über und unter der Falte, die beim Hochziehen der

Fußspitze entsteht, zu beiden Seiten der senkrecht gedachten Verlängerung des

Schienbeins (vier Nebentore);

- auf der Rückseite: gleich über dem Ansatz der Achillessehne am Fersenbein,

auf beiden Seiten (zwei Nebentore);

- an den Seiten: in der Mitte des Gelenkknöchels auf beiden Seiten (zwei Ne-

bentore);

- in der Mitte: direkt in der Mitte im Inneren des Fußgelenks (ein Haupttor).

Die Fußwurzel und der Mittelfuß (ohne Abb.)

Lösen Sie alle Energieblockaden in den Zwischenräumen zwischen den kleinen

Fußknochen auf.

Die Fußzehen (Abb. 8-16, Tore 4)

Lösen Sie die Blockaden in allen Zehengelenken und besonders bis in die Ze-

henspitzen hinein auf.

Die Ferse (Abb. 8-17, Tor 5)

Das Energietor befindet sich auf der Mittellinie der Fußsohle, im Abstand von

etwa drei Zentimetern zu der hinteren Fußkante.

Energietore an den Knöcheln und den Zehen Haupttore auf der Fußsohle und an der

Abbildung 8-16 Rückseite des Fußgelenks

Abbildung 8-17

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Kapitel 10

Das Fußgewölbe (Abb. 8-17, Tor 6)

Das Energietor befindet sich im Zentrum des Gewölbes auf der Mittellinie der

Fußsohle.

Die Sprudelnde Quelle (Abb. 8-17, Tor 7)

Dieser Punkt befindet sich auf der Mittell inie der Fußsohle, etwa bei einem

Viertel der Entfernung zwischen Zehenansätzen und Ferse. Wenn Sie Ihre Zehen

strecken, entsteht dort im Fußballen eine Vertiefung.

Die Ausdehnung des Energiekörpers unter den Füßen und über dem Kopf Ihr Energiekörper erstreckt sich bis unter die Füße und reicht über den Kopf hinaus.

Im Unterschied zu Ihrem physischen Körper verändern sich seine Ausmaße unun-

terbrochen und in stetigem Wechsel. Er dehnt sich aus und zieht sich zusammen.

Mit zunehmender Zeit und Übung wird Ihr Energiekörper an Größe und Stärke

zunehmen, doch die stetigen Schwankungen werden weiter erhalten bleiben.

Fühlen Sie unter Ihren physischen Körper, bis Sie dort keine Energie mehr wahr-

nehmen. Hier liegt das natürliche untere Ende Ihres Energiekörpers. Lösen Sie die

Energieblockaden von den Fußsohlen nach unten bis zu diesem Endpunkt auf. Sie

sollten, egal an welchem Ort Sie sich auch befinden, immer bis an die Grenzen

Ihres Energiekörpers gehen.

Auf der gegenüberliegenden Seite endet Ihr Energiekörper oberhalb Ihres Kopfes.

(Manche Yoga-Traditionen sprechen auch vom achten und neunten Chakra, die

sich über dem Kopf befinden.) Fühlen Sie hinauf über Ihren Kopf, bis Sie auch dort

keine Energie mehr spüren (siehe auch Kapitel 7, „Der Ätherkörper und der Auflö-

sungsprozess"). Dort liegt der Punkt, von dem aus Sie ab jetzt die Auflösung von

Energieblockaden beginnen werden. Die vollständige Auflösung in der Standform

beginnt über dem Kopf, setzt sich durch den Körper fort und führt bis zur abschlie-

ßenden Auflösung der gesamten Energie unterhalb der Füße, also in die Wurzel.

Zum Abschluss der Standübung öffnen Sie langsam die Augen und achten darauf,

dass Sie das angenehm entspannte Gefühl, das Sie bei geschlossenen Augen hatten,

beibehalten.

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Die Energietore des Körpers öffnen

Ein Übungsplan für das Öffnen der Energietore Jeder Übungsabschnitt sollte mindestens drei Tage praktiziert werden oder so lange,

wie Sie brauchen, um ein bestimmtes Energietor oder auch mehrere Tore zu stabili-

sieren. Zu schnelles Vorangehen endet in Überforderung und Energieverlust - und

das entspräche nicht den gesetzten Zielen.

Zu Beginn jeder Übungseinheit lösen Sie alle vorher schon geöffneten Energietore

ohne Mühe noch einmal auf und verwenden dann die verbleibenden 80 Prozent

Ihrer Übungszeit auf die nächste Folge von tiefer gelegenen Energietoren. Auf jeden

Fall müssen Sie alle blockierte Energie oberhalb dieser neuen Tore bereits aufgelöst

haben. Das betrifft nicht nur die Blockaden in den Hauptenergietoren, sondern

schließt auch jede an anderen Stellen über den neuen Toren blockierte Energie ein.

Zum Beispiel sollten Sie, wenn Sie die Blockaden vom Scheitel zum Dritten Auge

auflösen, die Stirn nicht vernachlässigen, und wenn Sie von den Hüften zu den

Knien abwärts auflösen, dürfen Sie die Oberschenkel nicht vergessen.

Falls Sie den Eindruck haben, dass ein Übungsabschnitt zu viel Stoff enthält,

dann teilen Sie ihn einfach auf. Üben Sie in dem für Sie richtigen Tempo - diese

Übungen müssen nicht in irgendeiner vorgeschriebenen Zeit abgeschlossen werden.

Normalerweise sollten Sie mit mindestens vier bis zwölf Wochen rechnen, bis Sie

alle Energietore von oben nach unten durchgearbeitet haben.

Zum Abschluss jeder Übungseinheit lösen Sie durch den restlichen Körper bis zur

Erde hin auf. Nachstehend folgt ein Übungsvorschlag zum Öffnen der Energietore

(jede Ziffer stellt eine Übungseinheit dar):

1. Baihui, der Scheitelpunkt des Kopfes

2. das Dritte Auge, die Augen, die Ohrenmitte und die Schläfen sowie die vier

Tore am Unterkiefer

3. der Punkt, wo die Zunge das Gaumendach berührt, und die Kehlengrube

4. die Schädelbasis und die Zwischenräume der Halswirbel, abwärts bis zum

7. Halswirbel am Halsansatz

5. von dem Punkt, wo die Zunge das Gaumendach berührt, bis zur Brustbeinspit-

ze, auf einem senkrechten Streifen etwa in der Breite des Mundes abwärts

6. die vier Schulterpunkte

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Kapitel 10

7. die Ellbogengelenke

8. die Handgelenke

9. die Hände (alle Punkte)

10. die Gelenke zwischen den Rippen und dem Brustbein, die Zwischenräume

zwischen den Rippen, die Gelenke zwischen den Rippen und den Wirbeln,

der Bereich zwischen den Schulterblättern und der Wirbelsäule. - Außerdem

nur für Frauen: die Energietore in den Brüsten (direkt hinter den Brustwarzen)

11. der Solarplexus

12. der gesamte Bauch, angefangen an der Vorderseite durch die inneren Organen

bis nach hinten zur Wirbelsäule

13. unteres Tantien und Mingmen

14. alle Punkte entlang der Wirbelsäule, vom Scheitel bis zum Steißbein; achten

Sie besonders auf das Hinterhauptbein, den 7. Halswirbel, den Brustwirbel

in der Mitte der Schulterblätter, den Brustwirbel am unteren Ende der Schul-

terblätter, den Mingmen und das Steißbein

15. die Hüftgelenkpfanne, die Beckenknochen und das Kwa (der Bereich vor der

vorderen Beckenkante)

16. der Anus

17. die Genitalien

18. das Perineum

19. die Knie

20. die Knöchel

21. die Füße

22. die Ausdehnung unterhalb der Füße

23. die Ausdehnung oberhalb des Kopfes

Nachdem Sie diese Sequenz abgeschlossen haben, beginnen Sie alle weiteren Chi-

Gung-Standübungen, indem Sie stets oberhalb des Kopfes anfangen und dann den

Körper abwärts die Blockaden auf einer Ebene nach der anderen auflösen. Stellen

Sie sich vor, der Körper sei mit Wasser gefüllt, und dann werde das Wasser aus den

Fußsohlen ganz langsam herausgelassen. Während der Wasserspiegel sinkt, lösen

Sie auf jeder neuen Ebene alle Blockaden auf - vorn, hinten und an den Seiten.

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Die Energietore des Körpers öffnen

Wenn Sie den Scheitelpunkt von Blockaden befreien, dann lösen Sie auch alle

weiteren Blockaden auf dieser Ebene auf, das heißt, den gesamten oberen Kopf.

Wenn Sie zum nächsten Energietor, dem Dritten Auge, weitergehen, lösen Sie entlang

des Kopfes alles auf, so dass alle Seiten des Kopfes gleichzeitig von Energieblocka-

den befreit werden. Auch auf der Höhe des Solarplexus sollten Sie gleichzeitig an

allen Körperteilen arbeiten, die ungefähr auf derselben Höhe liegen, das heißt, die

unteren Rippen, die damit verbundenen Wirbel und auch die Ellbogen.

Leitlinien für die Praxis der Chi-Gung-Standform 1. Überanstrengen Sie Ihr Energiesystem nicht

Lösen Sie so viel wie möglich von der blockierten oder festsitzenden Energie ober-

halb des Tores auf, an dem Sie gerade arbeiten, und lassen Sie die unbewältigten

Reste zum nächsttieferen Energietor sinken. Fahren Sie auf diese Weise mit den

folgenden Ebenen fort, bis Sie im Boden unter den Füßen angelangt sind. Üben

Sie drei oder vier Tage mit jedem Energietor, bis sich Ihr bewusstes Gewahrsein

dort einigermaßen stabilisiert hat. Lassen Sie sich bei jedem Energietor oder bei

jeder Gruppe von Toren ausreichend Zeit. Lösen Sie oberhalb jedes neuen Tores

genügend Energie auf, so dass von dem neuen Tor selbst Blockaden gelöst werden

können, ohne den Organismus zu überfordern. Wenn Sie zu schnell vorgehen,

entsteht Anspannung, die Energie wird zerstreut und der erzielte Fortschritt ist

nur gering.

2. Lösen Sie die Blockaden von der Hautoberfläche nach innen auf

Im Allgemeinen beginnen Sie an der Körperoberfläche und dringen erst im Laufe

der nächsten Monate zunehmend tiefer nach innen, bis Sie schließlich die Kno-

chen direkt spüren können. Denken Sie auch daran, dass Sie sich während der

ersten Monate nicht tiefer als einen Zentimeter in das Gehirn hineinwagen sollten;

später können Sie den Auflösungsprozess auf das ganze Gehirn ausdehnen. Aber

auch dann sollten Sie das Chi der einzelnen Energietore innerhalb des Gehirns

nicht antasten, wie beispielsweise spezielle Verbindungen oder geometrische

Muster zwischen den Toren herstellen.

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Page 182: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

3. Nehmen Sie sich sechs Monate Zeit für die Stabilisierung von Tantien und

Mingmen

Für das Fortschreiten von den oberen Energietoren bis zum unteren Tantien

braucht man im Allgemeinen mindestens einen Monat, und es dauert noch

einmal rund einen Monat, um das Tantien zu stabilisieren, das heißt, seine Lage

zu fixieren. Dann müssen Sie noch einmal mit drei bis sechs Monaten rechnen,

ehe Sie Ihr bewusstes Gewahrsein vom Tantien (in der Körpermitte) bis zum

Mingmen (vor der Wirbelsäule) ausdehnen können. Schließlich kommen noch

weitere drei bis sechs Monate hinzu, in denen Sie lernen müssen, im Tantien

Energie zu speichern. Diese Prozesse können beschleunigt werden, wenn Sie

mit einem Meister üben, und werden vielleicht länger dauern, wenn Sie auf

sich gestellt sind.

4. Die Beine sind schwieriger zu öffnen als die Arme

Im Allgemeinen - und besonders bei westlichen Praktizierenden - lassen sich

die Beine schwieriger für den Chi-Fluss öffnen als die Arme. Das kommt daher,

weil wir im Westen dazu neigen, auf den Kopf und den Oberkörper fixiert zu

sein. Außerdem kennen wir nicht die Sitte, auf dem Boden zu sitzen oder zu

hocken. Da wir im Westen auch kaum daran gewöhnt sind, Chi in die Beine zu

lenken, werden diese für Energie zunehmend unempfindlicher.

5. Stehen Sie mindestens fünf Minuten, wenn Sie Resultate erzielen wollen

In der Regel sind täglich mindestens fünf Minuten nötig, um spürbare Resultate

zu erzielen. Das setzt voraus, dass Sie einen Zustand völliger Entspannung in-

nerhalb von 30 oder 40 Sekunden erreichen. Nach einigen Monaten Übung ist

dies ein durchaus realistisches Ziel. Am Anfang kann es aber etwa fünf Minuten

dauern, um einen akzeptablen Entspannungszustand zu erreichen. Wenn das

der Fall ist, müssen Sie diese fünf Minuten der Übungszeit noch hinzurechnen,

das heißt, Sie benötigen mindestens zehn Minuten, ehe sich ein wahrnehmbarer

Erfolg einstellt. An einem extrem anstrengenden Tag kann es Sie allein schon

fünfzehn Minuten kosten, nur um genügend zu entspannen, damit Sie mit der

Standform überhaupt beginnen können.

Die längste Übungszeit, die ich jemals beobachtet habe und von der die Betref-

fenden noch profitierten, betrug etwa sechs Stunden - wohlgemerkt ohne Unter-

brechung. Dabei handelt es sich in der Regel um Praktizierende unter oder über

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Page 183: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Energietore des Körpers öffnen

Zwanzig, die wenig Stress oder Arbeitszwänge haben. Für den Durchschnitts-

menschen ist die Standübung, die am Stück länger als eine Stunde dauert, in

der Regel nicht praktikabel. Daher kann eine Stunde als maximale Übungsdauer

betrachtet werden. Damit Sie diese Zeitspanne erreichen, verlängern Sie das

Pensum täglich, wöchentlich oder auch monatlich um zwei bis drei Minuten.

Wenn Sie während der Woche nur fünf, zehn oder fünfzehn Minuten praktizie-

ren können und am Wochenende dann ein oder zwei Stunden üben, könnten

sich Ihre Muskeln entzünden und schmerzen. Eine halbe Stunde, aber nicht viel

mehr sollte angebracht sein, bis Sie sich daran gewöhnt haben. Spannen Sie sich

innerlich niemals an. Langsames, beständiges, gleichmäßiges und moderates

Vorgehen sollten die wichtigsten Leitlinien für den Durchschnittsmenschen sein,

der seine Gesundheit, Beweglichkeit und sein Wohlergehen bewahren oder ver-

bessern möchte. Natürlich gelten diese Prinzipien auch für Kampfkünstler und

Leistungssportler, aber das, was für sie moderat ist, wäre für den durchschnittli-

chen Praktizierenden zweifellos übertrieben.

6. Die Standform für Praktizierende der Bewegungskünste

Da die Bewegungskünste wie klassisches Ballett, moderner Tanz usw. höchs-

te Beweglichkeit und Körperbeherrschung verlangen, sollten Künstler dieser

Richtungen jeweils mindestens zwanzig Minuten stehen; maximal wären zwei

Stunden oder mehr zu empfehlen. Die Übungszeit richtet sich danach, wie stark

sie ihre Energie entwickeln wollen und welches Maß an Körperbeherrschung

und Energiekontrolle sie anstreben. Das Üben in diesem Umfang bewirkt, dass

man weit über die normale körperliche Entfaltung hinaus zu allerhöchsten physi-

schen Fähigkeiten gelangt. Für die Jüngeren (unter 25) könnte die Übungszeit mit

ziemlicher Wahrscheinlichkeit verlängert werden, während die älteren Jahrgänge

(über 50) mit kürzeren Zeiten beginnen sollten.

Denken Sie immer daran, sich niemals zu überanstrengen, weil sich dadurch

innere Widerstände gegenüber der Praxis aufbauen können. Wenn Sie den Kör-

per oder Geist zu sehr in eine Richtung drängen, ist es ganz natürlich, dass er

ins Gegenteil verfällt. Beständiges Üben bringt Sie viel weiter als sporadische

Großeinsätze, die häufig anschließend nur in einer dramatischen Verringerung

der Übungszeit enden. Ein zweieinhalbstündiges Trainingsmarathon könnte Sie

innerlich so erschöpfen, dass der innere Widerstand gegenüber weiterer Erschöp-

fung für die nächste Woche oder länger alles weitere Üben verhindert.

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Kapitel 10

7. Die Standform für Kampfkünstler und Heiler

Den Kampfkünstlern sollte bewusst sein, dass die Standform in China schon seit

Tausenden von Jahren zur Entwicklung von innerer Kraft eingesetzt worden ist.

Auf fortgeschritteneren Stufen werden viele unterschiedliche Handpositionen

integriert, die alle Energiebahnen des Körpers öffnen und die willentliche De-

monstration von innerer Kraft aus jedem Körperteil ermöglichen. Zum Repertoire

sowohl der inneren Kampfkünste als auch der traditionellen chinesischen Heil-

und Körperarbeit, des Tuina, gehören ungefähr 200 verschiedene Handpositio-

nen (siehe Kapitel 15). Jede von ihnen besitzt spezifische geistige Komponenten,

die innere Kraft entwickeln und die durch Krankheit und Verletzung verursachte

Schädigung heilen können. Jede einzelne dieser Handstellungen hilft in klar

definierten Fällen, bei denen Energie nicht ungehindert durch das System fließt.

Durch die Praxis wird es ermöglicht, die Energie durch jede Blockade fließen

zu lassen, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um innere Organe, Nerven-

bahnen, Bindegewebe oder die Wirbelsäule handelt.

Früher habe ich ohne Unterbrechung sechs Stunden mit dem Ziel trainiert,

meine innere Kraft zu steigern. In jenen Jahren nahm ich aktiv an VolIkontakt-

Kämpfen teil, bei denen man sehr schnell schwer verletzt werden konnte.

Dies hat meine Trainingsmotivation beträchtlich verstärkt. Ohne ausreichend

intensive Übung hätte ich damit rechnen müssen, von meinem Gegner kran-

kenhausreifgeschlagen zu werden. Die meisten Menschen besitzen diese starke

Motivation nicht, und die Mehrzahl der Schüler in den inneren Kampfkünsten

sind auch keine Jugendlichen mehr. Deshalb würde ich sagen, dass eine tägliche

Übungszeit zwischen einer und drei Stunden für durchschnittlich motivierte

Kampfkünstler und Heiler die Obergrenze bedeutet.

8. Stehen Sie nicht zu lange

Es ist wichtig, beim Üben eine zeitliche Höchstgrenze im Auge zu behalten,

über die hinaus zusätzliches Training nicht zu spürbaren Verbesserungen führt.

Noch einmal möchte ich auf den Faktor der inneren Erschöpfung hinweisen:

Wenn Sie sich innerlich zu sehr verausgaben, können Sie tagelang nicht üben.

Stellen Sie also fest, wie Sie aus Ihrem Training das Optimum herausholen kön-

nen; denken Sie an die 70-Prozent-Regel und überschreiten Sie diese Grenze

nicht. Es ist ganz normal, durch schmerzhafte Erfahrungen zu lernen, wo die

eigenen Grenzen liegen. Innere Erschöpfung ist unendlich schwächender als

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Die Energietore des Körpers öffnen

Ermüdung durch äußere Überforderung, zum Beispiel ein Marathonlauf. Innere

Erschöpfung müssen Sie sich als Kombination von nervlicher und physischer

Überanstrengung vorstellen.

9. Lösen Sie Ihre Energieblockaden auf zunehmend tieferen Ebenen auf

Ein normaler täglicher Übungsblock beginnt mit der Phase des Eingewöhnens.

Darauf folgt eine Phase, in der sich alles zunächst fremd und unnatürlich

anfühlt. Konzentrieren Sie sich auf das schwächste Glied (die offensichtlich

stärkste Energieblockade) in dieser Kette. Wenn Sie dann das Gefühl haben,

dass Sie diese Blockade aufgelöst haben, stellt sich ein kaum beschreibbares

Gefühl befreiter Energie ein. Wenn dieses Gefühl wieder nachlässt, lassen es

die meisten Übenden damit genug sein.

Nach längerer Übung, nach Monaten oder Jahren, können Sie noch in derglei-

chen Übungsstunde ein zweites schwaches Glied finden, dieses auflösen und

eine weitere Erfahrung von befreiter Energie machen. Nur wirklich erfahrene

Praktizierende schaffen drei oder vier solcher Durchbrüche in einer Übungs-

einheit, und diese Fälle sind ausgesprochen selten.

Um es noch einmal zu wiederholen: Das Erfolgsgeheimnis liegt in bestän-

digem und maßvollem Üben. Wenn Sie sich daran halten, erreichen Sie als

Kampfkünstler oder Leistungssportler einen mühelosen und entspannten, ohne

Anstrengung einzusetzenden Kraftzuwachs, wie er durch noch so viel Körper-

training oder Gewichtheben nicht erzielt werden kann.

10. Beenden Sie die Übung stets unter Ihren Füßen am Ende Ihres

Energiekörpers.

Die Koordination des Atems mit den Chi-Gung-Bewegungen

Die bisherigen Kapitel haben detailliert die Standübungen behandelt und die Grund-

lagen der Langlebensatmung beschrieben. Die Kapitel 9 bis 14 werden die Bewe-

gungen des Chi Gung zum Öffnen der Energietore lehren.

Wenn die physischen Chi-Gung-Bewegungen mit der Atmung koordiniert werden,

wird dadurch Ihr Chi vermehrt. Diese Praxis kann gut oder schlecht sein, und sie

1 8 5

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Kapitel 10

wird nur von einigen Schulen des Chi Gung und des Tai Chi befürwortet. Nach der

klassischen taoistischen Einstellung ist es gut, den Atem unter allen Umständen zu

stärken, nicht aber die Ein- und Ausatmung auf den Anfangsstufen der Chi-Gung-

Praxis mit physischen Bewegungen zu koordinieren.

Das Chi, das Ihren Körper und Ihre Energiekanäle mit Energie versorgt, kann

gleichzeitig auch Ihre Emotionen aufladen. Wenn Ihre grundlegende Gefühlsverfas-

sung glücklich, positiv oder ruhig ist, wird mehr Chi Sie mit der Energie versorgen,

glücklicher, ruhiger und positiver zu sein. Wenn das Gegenteil der Fall ist, kann mehr

Chi Sie negativer machen und Ihre inneren Dämonen freilassen. Daher besteht die

Möglichkeit, dass man, je stärker man physisch wird, sich umso wahrscheinlicher

zu einem emotionalen Wrack entwickeln wird. Viele Menschen im Sport und in

den Kampfkünsten haben darunter gelitten, dass sie sich der physischen, aber nicht

der emotionalen oder psychischen Dimension des Chi bewusst geworden sind.

Der Atem und die Emotionen

Gedanken und Emotionen erschaffen „Wellen" im Geist. Die Art und Weise, wie

man atmet, kann diese Wellen erzeugen und den Geist dazu veranlassen, das Muster

der Gedankenwellen bestimmter Emotionen anzunehmen. Wenn Sie beispielsweise

wütend werden, steigt Ihr Atem von Ihrer Brust in kurzen kraftvollen Stößen bis zu

Ihrem Kopf. Wenn Sie umgekehrt damit anfangen, aus der Brust und dem Herzen

vorsätzlich mit kurzen kraftvollen Stößen zu atmen, werden Sie anfangen, Wut zu

empfinden. Wenn Sie sich andererseits deprimiert fühlen, was gewöhnlich eine

sehr flache Atmung zur Folge hat, und Sie bewusst anfangen, tief und regelmäßig

zu atmen, werden Sie sich weniger deprimiert fühlen. Sie können mit Ihrer Atmung

Ihre wahren Gefühle verändern oder zumindest verbergen.

Wenn Atem und Bewusstsein koordiniert sind, erfährt man gewöhnlich einfach

die Emotion. Wenn Sie jedoch die Chi-Gung-Technik praktizieren, den physischen

Atem mit bestimmten Körperbewegungen zu koordinieren, können Sie damit die

Unterdrückung von Emotionen hervorrufen. Sie werden sich vielleicht mehr des

Atems und der Bewegung und nicht Ihrer Emotionen bewusst sein. Das künstliche

Atemmuster überdeckt das Gewahrsein Ihrer tatsächlichen Emotionen, und gleich-

zeitig verstärken Sie diese unsichtbaren Emotionen durch Ihre Praxis. Die Koordi-

nation des Atems mit der Bewegung wird Ihre körperlichen Fähigkeiten steigern

und Ihr physisches Chi aufladen, doch sie kann auch die tieferen emotionalen und

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Die Energietore des Körpers öffnen

psychischen Schichten Ihres Wesens aufladen, wo die Emotionen ruhen, die ein

ganzes Leben lang verdrängt worden sind.

Es besteht auch die Möglichkeit, dass sich die Cefühlsenergie verstärkt, wenn

Sie Ihren Atem mit Bewegungen koordinieren. Wenn Sie beispielsweise bereits

wütend und deprimiert sind, ohne sich dessen bewusst zu sein, könnten Sie fest-

stellen, dass Sie äußerst reizbar oder noch deprimierter werden, ohne den Grund

dafür zu kennen.

Der Umgang mit negativen Emotionen Viele taoistische Energieübungen haben das Ziel, Ihnen negative Emotionen bewusst

zu machen und Ihnen die Hilfsmittel dafür zu geben, um sie aufzulösen. Wenn Sie

Ihre Atmung jedoch auf den Anfangsstufen mit Ihren Bewegungen koordinieren,

können Sie diese Emotionen tatsächlich verstärken und sie noch mehr einschließen.

Der bessere Weg für den Umgang mit negativen Emotionen ist der folgende: Wer-

den Sie sich beim Stehen Ihrer negativen Emotionen bewusst und stellen Sie fest,

wie sie sich anfühlen. Erkennen Sie, wie sie physische Spannung in Ihrem Körper

und Stimmungsveränderungen hervorrufen. Dann entspannen Sie und lassen die

Spannung mittels der in Kapitel 7 erklärten Auflösungstechniken bis zu dem Grade

frei, wie dies möglich ist. Unterdrücken Sie die aufkommenden Gefühle nicht.

Wiederholen Sieden gleichen Vorgang während der Bewegung. Koordinieren Sie

am Anfang das Ausstrecken und Zurückziehen von Armen und Beinen nicht bewusst

mit der Ein- und Ausatmung. Nachdem Sie Erfahrung darin haben zu erkennen, ob

und auf welche Weise Ihre Emotionen aktiviert sind, und Sie fähig sind, diese zu

entspannen, aufzulösen und loszulassen, können Siedann in Koordination mit Ihren

Bewegungen atmen und gleichzeitig Ihre Emotionen freilassen.

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Bruce Frantzis demonstriert die Endstellung der Wolkenhände.

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Kapitel 9

Die Wolkenhände

Erster Teil: Den Unterkörper verwurzeln

Die umfassendste und vollständigste Chi-Gung-Bewegung

Diese Übung der Wolkenhände enthält die gleichen grundlegenden Energieele-

mente, die Tai Chi Chuan zu dem heute überall bekannten und äußerst effektiven

Übungs- und Heilsystem gemacht haben. Wenn Sie nur eine einzige Bewegung für

Ihre Gesundheit praktizieren dürften, dann wären die Wolkenhände genau richtig.

Bei dieser Übung bewegen Sie Ihre Arme und Beine vorwärts und rückwärts, nach

oben und nach unten. Zu den Wolkenhänden gehören auch alle elementaren Tai-

Chi-Bewegungen, wie Schrauben, Drehen, Beugen und Strecken. Damit wird der

Prozess in Gang gesetzt, das Körpergewebe zu dehnen. Obgleich das Gewicht nicht

vor- und zurückverlagert wird, verschiebt es sich doch von einer Seite zur anderen.

Damit enthalten die Wolkenhände das maßgebliche Bewegungsprinzip der Verän-

derung von „leer zu voll", das heißt, ein Bein wird leer [von Gewicht], während das

andere voll wird. Die bei den Wolkenhänden erlernten inneren Prinzipien lassen

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Kapitel 13

sich auch aufTai Chi Chuan, Hsing-I, Ba Gua und die überwiegende Mehrzahl der

Chi-Gung- und Nei-Gung-Übungen anwenden.

In den verschiedenen Stilen des Tai Chi Chuan werden die Wolkenhände aller-

dings ganz unterschiedlich ausgeführt. Die hier beschriebene Version ist verhält-

nismäßig einfach und stammt aus einer ursprünglichen taoistischen Übung, die

alle inneren Prinzipien (wenn auch nicht unbedingt die spezielle Form) des Yang-,

Wu- und Chen-Stils sowie die Kombination aus Tai Chi Chuan, Hsing-I und Ba Gua

einschließt.

Von den Füßen bis hinauf zu den Händen wird diese Übung in einzelnen Stufen

vermittelt, von denen jede wichtige innere Prinzipien enthält.

Der Übergang von Stand und Auflösung zu den Wolkenhänden

Langsam die Augen öffnen

Wenn Sie mit geschlossenen Augen die Standhaltung

einnehmen und innere Energieblockaden auflösen, ist

es nicht ungewöhnlich, dass Sie dabei in einen leichten

Trancezustand geraten. Mit der Zeit verschwindet dieser

leichte Trancezustand wieder, während die innere Klar-

heit zunimmt. Am Anfang ist es jedoch völ l ig normal,

das Übungstempo zurückzunehmen und dadurch äußerst

entspannt zu werden.

Die Übung der Wolkenhände wird mit offenen Augen

ausgeführt. Zum Abschluss der Standform öffnen Sie be-

hutsam die Augen. Achten Sie darauf, dass die Rückkehr in

die Welt des Schauens allmählich und angenehm verläuft.

Öffnen Sie Ihre Augen mit genau derselben Geschwindig-

keit, die Sie zuvor mit geschlossenen Augen bei inneren

Vorgängen erfahren haben. Es geht um einen sanften Über-

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Die Standhaltung: Die

Füße stehen parallel und in

Schulterbreite auseinander.

Abbildung 10-2

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

gang vom inneren zum äußeren Bewusstsein, um damit einen ähnlichen Schock zu

vermeiden, den Sie erleben würden, wenn Sie aus einem stockdunklen Keller kom-

men und plötzlich in grelles Sonnenlicht blicken, oder wenn man Ihnen während des

Schlafens kaltes Wasser ins Gesicht schüttet. Bewahren Sie die Entspannung und das

innere Gefühl von Offenheit, die Sie beim Stehen empfunden haben, und nehmen

Sie diese Entspannung mit in die Bewegung hinein. Das hilft Ihnen, die Entspannung

weiter zu vertiefen und gleichzeitig noch mehr Energie zu entwickeln.

Ü B U N G 1: Den Unterkörper verwurzeln

I .S te l len Sie Ihre Füße parallel zueinander und schulterbreit auseinander

(Abb. 9-1).

2. Bei offenen Augen verlagern Sie Ihr gesamtes Gewicht (100 Prozent) auf Ihr

schwächeres Bein - nehmen wir das linke. Halten Sie dort das Gewicht und

strecken Sie das rechte Bein ein paar Zentimeter zur Seite aus; die Füße blei-

ben parallel (Abb. 9-2a). Das Gewicht ist gleichmäßig auf dem belasteten

Fuß verteilt, so dass kein Teil der Fußsohle mehr oder weniger belastet wi rd

als irgendein anderer.

3. Dann dehnen Sie Ihre Energie und Ihr Gewicht durch den Fuß bis zu der Stelle

im Boden aus, an der Ihr Energiekörper endet, das heißt bis zu Ihrer Wurzel.

Wenn es Ihnen gelingt, Ihr Chi in den Boden zu schicken, wird sich die Erd-

energie ganz von selbst mit Ihrer Körperenergie verbinden. Dann können Sie

wie ein Baum Energie aus der Erde in Ihren Körper ziehen und gleichzeitig

mit der Gewichtsverlagerung Chi von der linken in die rechte Körperhälfte

fließen lassen. Wenn Sie Ihr Gewicht wieder von der linken zur rechten Seite

verlagern, lassen Sie Ihr Chi von rechts nach links fließen.

Ü B U N G 2: Das Steißbein nach unten richten und langsam das Gewicht verlagern

Überprüfen Sie, dass Ihr Steißbein zum Boden weist und Ihre Wirbelsäule gerade

aufgerichtet ist.

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Kapitel 10

Das Gewicht ruht zu 7 00 Prozent auf dem rechten Bein,

a) Richtig: Die Hüften sind auf gleicher Höhe,

b) Falsch: Die Hüften sind gekippt.

Abbildung 9-2

1. Das Gewicht verlagern

Verlagern Sie nun Ihr Gewicht wieder zu 100 Prozent vom linken auf das rechte

und vom rechten auf das linke Bein, mehrere Male hin und her. Wenn Ihnen

nach einer Weile die Beine schmerzen, ist das ganz natürlich. Die Verlagerung

muss langsam, gleichmäßig und möglichst als fließende Bewegung ohne Zu-

ckungen oder Krämpfe verlaufen. Die Geschwindigkeit sollte während der Ge-

wichtsverlagerung konstant bleiben. Überprüfen Sie, ob die Hüften auf gleicher

Höhe und parallel zum Boden bleiben und bei den Bewegungen nicht auf- und

abschaukeln (Abb. 9-2a).

2. Die 70-Prozent-Regel (auf den Beinabstand angewendet)

Sehr häufig wird die Frage gestellt, wie weit die Beine bzw. die Füße auseinander

zu stellen sind. Damit kommen wir wieder zu einem Grundprinzip, nach dem

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

Die 70-Prozent-Regel: a) Der Beinabstand liegt bei 100 Prozent der Kapazität,

b) Der Beinabstand ist auf 70 Prozent der Kapazität reduziert worden.

Abbildung 9-3

diese und alle anderen taoistischen Übungen auszuführen sind: die 70-Prozent-

Regel. In jeder Tai-Chi- oder Chi-Gung-Übung sollten Sie als Erstes abschätzen,

wo Ihre körperliche 10O-Prozent-Marke im Hinbl ick auf Ihren Bewegungsspiel-

raum oder die Übungszeit liegt. Das heißt in diesem Falle, w ie weit Sie Ihre

Glieder und Gelenke problemlos dehnen können und wie lange. Wenn Sie

diese Grenze ermittelt haben, bewegen Sie sich nur noch bis zu 70 Prozent Ihrer

Fähigkeiten (Abb. 9-3b) und üben nur 70 Prozent Ihrer maximalen Übungszeit.

Dieser Prozentwert muss nicht immer starr eingehalten werden, sondern kann,

je nach körperlicher Kondition, irgendwo zwischen 60 und 80 Prozent liegen.

Wenn die Menschen in jeder Hinsicht sensibel und sich ihrer inneren Beschrän-

kungen bewusst wären, bräuchte man wahrscheinlich nicht auf diese Regel

hinzuweisen. Die 70-Prozent-Regel basiert auf dem Grundsatz, dass Sie bei der

Entwicklung der Übung den schwächsten Faktor berücksichtigen müssen. Versu-

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Kapitel 10

chen Sie nicht, Höchstleistungen zu vollbringen. Ein solcher Versuch kann Ihre

Schwachstelle schädigen und dazu führen, dass sich der gesamte Organismus

verkrampft und anspannt.

3. Arbeiten Sie mit einem Übungspartner

Sie werden schnell feststellen, wie hilfreich es ist, die Bewegung der Gewichtsver-

lagerung mit einem oder zwei Partnern zu erlernen. In dieser speziellen Übung

kontrolliert der eine Partner, ob Ihre Lendenwirbelsäule gerade aufgerichtet ist.

Der andere passt auf, dass sich Ihre Hüften von einer Seite zur anderen bewegen,

ohne auf- und abzuschwingen. Ihr Partner muss auch darauf achten, dass sich

Ihr Körper während der Gewichtsverlagerung nicht hebt und senkt. Sie selbst

müssen dafür sorgen, dass beide Füße vollständig flach auf dem Boden bleiben

(natürlich mit Ausnahme des Fußgewölbes) und dass alle Teile der Fußsohle den

Boden mit gleichem Druck berühren. Das Gewicht sollte weder überwiegend

auf der inneren noch der äußeren Fußkante, auf dem vorderen Fußballen oder

auf der Ferse ruhen.

Wichtige Übungshinweise

1. Die Einstellung „Alles geben" kann gefährlich sein

Bleiben Sie im Rahmen Ihrer Kapazität von ungefähr 70 Prozent. Häufig ist es

so, dass Menschen, die versuchen, 100 Prozent zu geben, sich unabsichtlich auf

110 oder 120 Prozent ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit steigern. Das führt

schnell zu leichten Beschwerden, manchmal aber auch zu schweren Verletzun-

gen. Wir alle kennen die Geschichte von dem ungeübten Läufer, der sein erstes

Training beginnt und genau weiß, dass er sich aufwärmen muss. Er dehnt sich ein

wenig und rennt los. Seine 100-Prozent-Marke erreicht er, ohne es zu merken,

und als er beschließt, sein Tempo noch ein wenig zu steigern („Mehr ist bes-

ser!"), zerrter sich die Achillessehne. Drei Wochen später versucht er es wieder.

Vielleicht ist er etwas einsichtiger geworden, höchstwahrscheinlich aber nicht.

Noch ein weiterer Faktor kommt hier ins Spiel. Bei 70 Prozent Ihres festgestellten

Leistungsniveaus können Sie 100 Prozent Ihrer Energie und Bemühung in die

Entwicklung Ihrer Übung investieren. Wenn Sie dagegen an 100 Prozent Ihrer

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

körperlichen Leistungsfähigkeit herankommen, wird Ihr Körper aus Angst vor

einer möglichen Verletzung unbewusst reagieren. Diese Angst ist ein natürlicher

und notwendiger Überlebensmechanismus, und selbst ohne Ihr bewusstes Zutun

werden Körper und Geistsich als Reaktion darauf verspannen. Da nun zwei der

wichtigen Ziele der Chi-Gung-Elementarübungen darin bestehen, zu tiefer Ent-

spannung zu gelangen und den Stress im Körper zu reduzieren, ist diese Haltung,

zu 100 Prozent alles zu geben, ausgesprochen kontraproduktiv.

Viele Sportler überschreiten bei weitem ihr Trainingspensum, um einen Wett-

kampf zu gewinnen, und nehmen damit körperliche Dauerschäden in Kauf. Solch

ein Verhalten widerspricht den Übungsprinzipien des Öffnens der Energietore, die

darauf abzielen, Ihren Körper und Geist für den Rest Ihres Lebens entspannter,

leistungsfähiger und gesünder zu machen. Je mehr Sie üben, um so mehr Energie

werden Sie haben - wohlgemerkt, solange Sie die 70-Prozent-Regel einhalten.

Diese Regel bewahrt Sie davor, auf Kosten Ihrer Gesundheit und Ihres Körpers

unsinnige Heldentaten zu vollbringen.

2. Maßhalten schützt vor dem Wiederaufbrechen alter Verletzungen

Viele Leute mit schwachen Knien oder Knöcheln, Rückenproblemen oder alten

Verletzungen (von denen sie unter Umständen gar nichts wissen) werden feststel-

len, dass ihnen dieses Prinzip des Maßhaltens viele Schmerzen und körperliche

Schäden erspart - gleichgültig, ob sie Chi Gung oder andere Übungsformen

ausführen. Die meisten Menschen im Westen haben keinen geregelten Übungs-

plan und versuchen daher, alles in der ersten Woche oder sogar am ersten Tag

zu schaffen. Nun können Sportler oft nicht wissen, welche Verletzungen bis zum

nächsten Tag aufgetreten sein werden. Der Sinn der 70-Prozent-Regel besteht

darin, die Gefahr von Verletzungen schon im Voraus möglichst zu verhindern.

Aus meiner langjährigen Erfahrung als Lehrer mit Tausenden von Schülern weiß

ich, dass viele diese Sicherheitshinweise selbst nach mehreren Verletzungen nicht

beachten. Deshalb hoffe ich, dass Sie diesen Abschnitt über die 70-Prozent-Regel

mindestens drei- bis viermal lesen und auf die Signale Ihres Körpers achten, der

es vorzieht, wenn Sie ihm keinen Schaden zufügen.

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Kapitel 10

Die Mechanik der Gelenke

Die Grundstruktur eines Gelenks bilden Gelenkkopf und Gelenkpfanne. Kopf und

Pfanne verhalten sich zueinander wie Mörser und Stößel, und wie bei diesen geht es

darum, Druck auf das Mahlgut auszuüben und nicht den Behälter zu zerquetschen.

Die Gelenke unseres Körpers sind ebenfalls nicht so konzipiert, dass der Kopf

direkt auf der Pfanne mahlt. In den Gelenken befindet sich eine Substanz, die Ge-

lenkschmiere (Synovia), die ungeheurem Druck widerstehen kann. Diese Gleitmasse

wirkt zwischen Gelenkkopf und -pfanne wie ein Puffer und dehnt oder verdichtet

sich je nach dem auf sie ausgeübten Druck.

Eine wichtige Funktion der Muskeln besteht darin, die Ausrichtung der Knochen

in einem Gelenk stabil zu halten, so dass die natürliche Innenhydraulik des Gelenks

wirksam werden kann. Wenn Kopf und Pfanne sauber justiert sind, wird das Gelenk,

unabhängig von der jeweiligen Bewegung oder Haltung, durch Erschütterungen

nur minimal belastet.

Der menschliche Körper ist dafür eingerichtet, 70 bis 80 Jahre lang seine Beine

zu benutzen und mit seinen Armen im Laufe seines Lebens Mil l ionen Male Gegen-

stände zu bewegen. Die Gelenke werden sich in dieser Zeit nicht abnutzen, wenn

der Innendruck der Gelenkschmiere konstant bleibt und Gelenkkopf und -pfanne

präzise aufeinander abgestimmt sind. Wenn jedoch die korrekte Justierung verloren

geht, kann der Gelenkkopf die Gelenkpfanne langsam beschädigen oder umgekehrt.

Die stützenden Bänder, Muskeln und Sehnen werden dann überdehnt oder beschä-

digt, was zur weiteren Fehljustierung beiträgt. Dieser Teufelskreis führt zur völligen

Schwächung der Gelenke und zum Verlust ihrer natürlichen Funktionstüchtigkeit.

Schließlich kann der davon Betroffene Arthritis bekommen oder so schwach werden,

dass er nicht einmal mehr die einfachsten Verrichtungen bewältigen kann.

Die negativen Folgen von Gelenkproblemen Nach den Vorstellungen der chinesischen Medizin und der Wissenschaft von der

Kultivierung des Chi staut sich die Energie bei Gelenkproblemen und kann nicht in

den übrigen Organismus weiterfließen. Dieser Zustand verursacht eine Reihe äußerst

unliebsamer Folgen. Als Erstes verringert sich die lokale Blutzufuhr, was sich dann

auf den gesamten Kreislauf auswirkt. Zweitens reduziert sich bei Chi-Stagnation

in einem Gelenk auch die Energiezufuhr in die inneren Organe. Drittens mangelt

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

es dem Gelenk, trotz der vielen darin aufgestauten Energie, an guter konstruktiver

Energie, so dass es beginnt, aus gesundem Körpergewebe Energie abzuziehen,

wodurch dann auch dieses Gewebe geschwächt wird.

Die genaue Schrittfolge der energetischen Schwächung des Gewebes verläuft wie

folgt: Das von stagnierendem Chi belastete Gelenk zieht Energie aus benachbarten

Gelenken ab, dann von den inneren Organen, als Nächstes von der Wirbelsäule

und schließlich aus dem Gehirn. Demnach besteht eines der ersten Übungsziele des

Chi Gung darin, energetisch verstopfte Gelenke frei zu machen, damit Chi wieder

ungehindert durch den Organismus fließen kann.

Achten Sie bei der Standübung und bei der anfänglichen Gewichtsverlagerung von

der einen zur anderen Seite darauf, dass die gesamte Fußsohle (mit Ausnahme des

Fußgewölbes) gleichmäßig den Boden berührt. Wenn sich nur ein Teil Ihres Fußes

hebt oder senkt, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass das Fußgelenk nicht

korrekt ausgerichtet ist. Vergewissern Sie sich auch, dass Ihr Kniegelenk richtig

über dem Fußknöchel steht (Abb. 9-4 a und b). Das Schienbein verbindet Knie

und Fuß miteinander. Damit diese Verbindung solide und belastbar ist, muss bei

Die Ausrichtung der Knie:

a) und b) Richtig: Die Kniemitte steht senkrecht über der Fußmitte, c) Falsch: Die Knie sind

nach innen gesunken, d) Falsch: Die Knie sind nach vorn gesunken.

Abbildung 10-1

Die korrekte Ausrichtung des Kniegelenks

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Kapitel 10

leicht gebeugten Beinen die innere Linie zwischen den beiden Gelenken stabil sein

und im Winkel von 90° zum Boden stehen. Von vorn betrachtet sollte also eine

Senkrechte von der Mitte der Kniescheibe (Patella) direkt durch die Mitte des Fußes

verlaufen. Auf keinen Fall sollte bei einem Anfänger die Vorderseite des Knies über

die Zehenspitzen hinausreichen.

Das Knie ist e in Kraft über t ragendes,

ke in G e w i c h t t ragendes G e l e n k

Als Erweiterung der oben angestellten Betrachtung ergibt sich, dass bei einem ab-

wärts gerichteten Stoß oder Druck auf den seitlichen Beckenrand die Körperstatik

so ausgerichtet sein muss, dass der Druck direkt durch die Mitte des Fußgewölbes

verläuft. Im Kniegelenk dürfen Sie absolut keinen Druck verspüren, denn das Knie

soll Kraft übertragen, aber selbst kein Gewicht tragen.

Wenn das Kniegelenk korrekt ausgerichtet ist, ergibt sich ein Gefühl von außeror-

dentlich großer Elastizität oder federnder Kraft, etwa so, als wenn Sie eine Luftpumpe

benutzen oder auf die Bremse treten. Diese Elastizität entsteht nicht aus körperlicher

Anstrengung, sondern durch die korrekte Ausrichtung selbst.

Par tnerübung z u m Testen der Ausr ichtung

des Kniegelenks

Es gibt eine ganz einfache Übung, mit der Sie die Wahrnehmung eines korrekt

ausgerichteten Kniegelenks erwerben können. Lassen Sie einen Partner vorsichtig

auf Ihren Oberschenkel und in Ihr Knie Druck ausüben, während Sie das Gewicht

von einer Seite zur anderen verlagern. Dabei werden Sie entdecken, dass nur eine

oder zwei der vielen möglichen Positionen von Knie und Knöchel bequem und

stabil für Sie sind. Drücken Sie aber nicht mit so viel Kraft, dass Sie eine Verletzung

riskieren. Das Ziel bleibt einzig und allein, die optimal stabile und elastische Knie-

und Knöchelposition herauszufinden.

Üben Sie die Gewichtsverlagerung von einer zur anderen Seite mit einem Part-

ner, bis Sie beide die optimale Gelenkstellung wahrnehmen können. Denken Sie

daran und nehmen Sie diese automatisch bei allen inneren Energieübungen und

übrigens auch bei allen normalen sportlichen Betätigungen ein. Diese spezielle

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

Technik erweist sich besonders für Golfspieler, Gewichtheber, Skiläufer und alle

anderen Sportler, die enormem Druck auf Knie und Knöchel ausgesetzt sind, als

große Hilfe.

D i e Rückseite des Kniegelenks ö f fnen

Weitere, häufig auftretende Knieprobleme, mit denen sich viele Sportler, aber auch

Chi-Gung- undTai-Chi-Übende herumplagen, werden durch mangelhaftes Öffnen

der Rückseite des Kniegelenks verursacht. Die meisten Menschen beugen ihre Knie

so, dass die strukturell sehr schwache Vorderseite des Kniegelenks überproportional

belastet wird. Die Rückseite des Knies schließt sich, während sich die Vorderseite

öffnet; dadurch entsteht ein kleiner V-förmiger Spalt. Der Druck auf den vorderen

Bereich des Kniegelenks presst al lmählich die weicheren Gewebeteile (Bänder,

Muskeln, Sehnen) heraus und ruft die allgemein bekannten Knieprobleme hervor.

Man kann sich dies als einen selbst verursachten Kniehebel vorstellen, der ähnlich

wie ein Hebelgriff am Handgelenk oder am Ellbogen wirkt.

Rartnerübung z u m kor rek ten Ausr ichten v o n Knie- und

Fußknöchelgelenk

Hier möchte ich Ihnen eine weitere nützliche Übung vorstellen, mit der Sie die

Gelenke von Knie und Fußknöchel korrekt ausrichten können. Arbeiten Sie mit

einem Partner zusammen. Legen Sie sich auf den Boden und heben Sie ein Bein auf

Brusthöhe. Der Partner fasst Ferse und Ballen Ihres Fußes und drückt Sie von sich

weg (nicht sehr fest!). Sie müssen nun die ideale Ausrichtung von Knie, Knöchel

und Kwa erkennen, in welcher der natürliche Flüssigkeitsdruck der Gelenkschmiere

ausreicht, um den Druck des Partners mit nur minimalem Kraftaufwand zu erwidern

(Abb. 9-5a). Vertrauen Sie auf die Sprungkraft des Gelenks anstatt auf die Muskeln.

Wenn das Kniegelenk nicht ganz korrekt ausgerichtet ist, werden Sie in den Muskeln

Spannung und Unbehagen empfinden. Bei völliger Fehlstellung des Gelenks werden

Sie auch Schmerzen spüren. Bei korrekter Ausrichtung von Fußsohle, Knöchel, Knie

und Kwa gelingt es Ihnen dagegen mühelos, mehrere Personen mit Ihrem Bein von

sich wegzustoßen.

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Page 200: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Die Ausrichtung von Knie- und Fußgelenk:

a) Richtig: Hüfte, Knie und Fußgelenk befinden sich auf einer Linie, b) Falsch: Das Knie ist

nach innen gesunken, c) Falsch: Das Knie ist nach außen gedreht.

Abbildung 9-5

Alle, die schon einmal mit einer langwierigen Rücken-, Knie- oder Knöchelver-

letzung zu tun hatten, müssen bei diesen Übungen besonders vorsichtig sein. Sie

sollen ja nur den Unterschied zwischen der leichten, mühelosen Bewegung bei einer

korrekt ausgerichteten Gelenkstellung und die belastende und unbehagliche Erfah-

rung bei einer falschen Ausrichtung herausfinden. Von Unfällen oder genetischen

Problemen einmal abgesehen, ist der menschliche Körper so angelegt, dass er ohne

große Anstrengung große Entfernungen zurücklegen oder andere Dauerleistungen

vollbringen kann. Durch diese Übungen werden Sie sich einfach der natürlichen

Mechanismen bewusst, die Ihren Körper optimal arbeiten lassen.

Ü B U N G 3: Das Kwa öffnen und schließen

Was ist das Kwa? Das Gelenksystem, das die Chinesen als kwa bezeichnen, erstreckt sich vom Leis-

tenband durch den Innenraum des Beckens zum Darmbeinkamm. Zum Bereich

des Kwa gehören:

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

1. der linke und der rechte Energiekanal

2. das Becken und das Hüftgelenk

3. das Kreuzbein und die unteren Lendenwirbel

4. die Gruppe von Lenden- und Darmbeinmuskeln

5. die Adduktoren des Oberschenkels

6. der Beckenboden (dessen gesunder Zustand

wesentlich für die sexuelle Vitalität ist)

7. das letzte Drittel des Dünndarms und

8.der Enddarm.

Die Muskeln des Kwa (Abb. 9-6) verbinden die Beine mit der Wirbelsäule: Der

Lendendarmbeinmuskel verbindet die Lendenwirbel mit dem Becken und dem Ober-

schenkelknochen, die Adduktoren verbinden das Becken mit dem Oberschenkel.

Die Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Beine

hängt zu einem nicht geringen Teil von der Elasti-

zität der Lenden- und Darmbeinmuskeln ab. Viele

Probleme im unteren Rückenbereich entstehen

durch Versteifung, Verhärtung oder Verletzungs-

folgen in diesen beiden Muskelgruppen.

In der Leistengrube befindet sich die größte

Ansammlung von Lymphknoten. Die Lymphe,

ein entscheidender Faktor des Immunsystems,

wird im Unterschied zum Blut, welches das Herz

durch die Blutgefäße pumpt, hauptsächlich durch

Muskelkontraktionen weiterbewegt. Die Natur

hat es sehr weise geregelt, dass beim Laufen

oder bei jeder Bein- und Armbewegung große

Lymphgefäße (zum Beispiel die Lymphknoten in

der Leistengegend oder in den Achselhöhlen) ak-

tiviert werden und so die Lymphe in Bewegung

versetzen. Die chinesischen Nei-Gung-Übungen

intensivieren diesen natürlichen Mechanismus

und stärken dadurch die körpereigene Abwehr.

Die vermehrte Bewegung der inneren Elemente

Die tiefen Muskeln des Kwa:

a) Gruppe der Lendendarmbein-

muskeln (M. iliopsoas) b) Gruppe der

Adduktorenmuskeln

Abbildung 10-1

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Page 202: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

des Kwa ist w o h l e iner der w ich t igs ten und einzigar t igsten Beiträge zu den gesund-

he i t l i chen A u s w i r k u n g e n al ler das Ch i ste igernden Körperübungen.

1. N e h m e n Sie die Grundste l lung der Standform ein

Ach ten Sie auf d ie korrekte anatomische Ausr ich tung. Lenken Sie Ihre Achtsam-

keit besonders darauf , dass Knie und Knöche l r ich t ig stehen und d ie Fußsohlen

g l e i c h m ä ß i g den Boden berühren . Übe rp rü fen Sie d ie kor rekte Ausr ich tung,

i n d e m Sie d ie Hü f ten senken. Sie sol l ten je tz t spüren können, w i e dieser Druck

d i rek t an das Fußgewö lbe we i te rgegeben w i r d . Das gesamte G e w i c h t und al ler

D ruck sol l ten du rch Ihre Knie- und Knöche lge lenke in den Fuß wei tergele i tet

a) Nehmen Sie die Standhaltung ein, beide Füße stehen parallel zueinander (siehe Abb.

9-1). Der Partner hält den Unterarm und die Hand gegen Ihre beiden Knie. Während der

gesamten Übung darf er seinen Unterarm nicht bewegen. Ihre Knie müssen während der

gesamten Übung, beim Hoch- und Heruntergehen, mit seinem Unterarm in Berührung

bleiben, b) Pressen Sie das Kwa zusammen, um es zu schließen, und gehen Sie in die Hocke.

Die Wirbelsäule muss aufgerichtet bleiben und darf nicht gekrümmt sein. Die Arme werden

gerade vor den Oberkörper gehalten, wobei der Rumpf nach vorn geneigt werden darf, um

das Gleichgewicht besser halten zu können, c) Behalten Sie die Anweisungen von a) und b)

bei, pressen Sie das Kwa zusammen und gehen Sie noch tiefer in die Hocke. Wenn Sie dafür

zu steif oder verletzt sind, wenden Sie die 40- oder 50-Prozent-Regel an und akzeptieren

Sie, dass Sie vielleicht niemals so tief in die Hocke gehen können, wie dies in der Abbildung

gezeigt wird, d) Behalten Sie die Anweisungen von Abb. 9-7a weiterhin bei, öffnen Sie das

Kwa und richten Sie sich wieder auf. Achten Sie darauf, dass sich Ihre Knie nicht bewegen.

Die Kwa-Hocke:

Abbildung 11-2a-d

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

werden. Machen Sie kleine Sprünge aus den Hüften heraus, so dass Sie die

Sprungkraft in den Beinen spüren können.

Bei dieser Übung muss die Position der Knie unverändert bleiben. Sie dürfen

sich weder vorwärts noch rückwärts, nach oben oder nach unten bewegen. Sie

können das auf mehrere Arten überprüfen: Lassen Sie einen Partner seinen Arm

gegen Ihre Kniescheiben halten, oder verwenden Sie dafür einen Stuhl oder ein

Stück Schnur. Es ist wichtig, dass Sie, unabhängig von der Feedback-Methode,

keinen starren oder unbeweglichen Gegenstand verwenden, wie zum Beispiel

ein schweres Möbelstück oder gar die Wand. Sie wollen doch feststellen, ob

sich Ihre Kniescheiben im Raum bewegen oder nicht, aber Sie wollen keinen

Druck auf sie ausüben.

2. Aus dem Kwa in die Hocke gehen

Gehen Sie in die Hocke, indem Sie das Kwa sanft zusammenpressen und schlie-

ßen. Stehen Sie wieder auf, indem Sie das Kwa nach oben ausdehnen oder drü-

cken. Auf keinen Fall sollten Sie Ihre Knie dafür einsetzen, um für die Hockübung

Kraft zu gewinnen. Es muss eine direkte Drucklinie von Ihrem Kwa in das Fuß-

gewölbe verlaufen, ohne zusätzlichen, durch das Gewicht verursachten Druck

auf das Kniegelenk auszuüben. Damit vermeiden Sie eine mögliche Verletzung.

Die Wirbelsäule muss gerade aufgerichtet bleiben (ohne die Rückenmuskeln

anzuspannen). Sie kann auch leicht in einem Winkel nach vorn geneigt sein (so

minimal, wie Ihr Körper dies zulässt), aber Ihr Rücken darf nicht gekrümmt sein.

Achten Sie darauf, dass das Perineum offen bleibt und die Beine entspannt sind.

Das Zusammenpressen des Kwa fühlt sich so ähnlich an (ist aber nicht dasselbe)

wie das Pressen, um den Stuhlgang zurückzuhalten.

Sie werden am Anfang wahrscheinlich nur drei bis fünf Zentimeter in die Hocke

gehen können. Menschen mit schwachen, verhärteten oder traumatisch belas-

teten Lendenmuskeln werden erstaunt sein, wie wenig sie in die Hocke sinken

können. Machen Sie sich aber deswegen keine Sorgen! Mit der Zeit wird Ihr

Körper die gleiche Beweglichkeit zurückgewinnen, so tief wie ein Kind in die

Hocke gehen zu können.

Bitte denken Sie daran: Gehen Sie nur so weit in die Hocke, wie Ihnen dies

möglich ist, ohne Ihre Knie nach vorn zu bewegen. Die tiefste erwünschte und

erlaubte Stellung ist erreicht, wenn sich das Gesäß auf einer Höhe mit den Knien

befindet. Eine gute Übung besteht darin, aus dieser Kwa-Hocke heraus Gegen-

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Kapitel 10

stände vom Boden oder aus tiefen Regalen aufzuheben und schwere Gegenstände

hochzuheben oder abzusetzen.

Die Verbesserung der Beweglichkeit des Kwa ist unerlässlich für Nei Gung, taoisti-

sche Energie- und Meditationsübungen und alle inneren Kampfkünste, Tai Chi Chuan

eingeschlossen. Diese einfache Hockübung, die das Kwa beugt und dehnt, ist eine

hervorragende Methode, um die Muskeln des Kwa funktional zu dehnen und mit

der Entwicklung einer guten Elastizität und Spannkraft zu beginnen.

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Page 205: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Die Wolkenhände

Zweiter Teil: Die Spiralbewegung im Oberkörper

Die Wirbelsäule verbindet Arme und Beine

Eine der wichtigsten Aufgaben der Wolkenhand-Übung besteht darin, die Energie des

gesamten Körpers an Ihre Wirbelsäule anzuschließen. Dadurch stehen die Rücken-

marksnerven ohne Unterbrechung oder Funktionsstörung mit dem gesamten Körper

in direktem Kontakt. Dieses Verbindungsnetz wird in drei Schritten aufgebaut:

Zuerst werden die Beine energetisch an das Becken und dann an die Wirbelsäule

angeschlossen, wie Sie es in Kapitel 9 gelernt haben. Die Energie zur Unterstützung

der Wirbelsäule kommt aus der Erde und steigt durch die Beine nach oben.

Zweitens verbinden Sie die Arme energetisch mit der Wirbelsäule. Wie Sie dabei

vorgehen, werden Sie in diesem Kapitel lernen.

Drittens werden die Energien aus den Armen und den Beinen durch die Wir-

belsäule miteinander verbunden. Auf dieser Stufe ist es sehr wichtig, dass die Ver-

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Im Laufe der Zeit lernen Praktizierende der Wolkenhände, die Energie des gesamten

Körpers mit der Wirbelsäule zu verbinden. Die Ausrichtungen und Drehbewegungen der

Wolkenhände bilden die Grundlage für Tai Chi und andere innere Kampfkünste.

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

knüpfung von Himmels- und Erdenergie - also des gesamten Raumes, der oberhalb

Ihres Kopfes beginnt und bis in den Boden unterhalb Ihrer Füße reicht - während

der Wolkenhand-Bewegungen stabil bleibt.

Die Arme und Beine sind, von der Wirbelsäule aus betrachtet, im Wesentlichen

miteinander vergleichbar. Hüfte und Schulter, Ellbogen und Knie, Hand und Fuß

führen mehr oder weniger ähnliche horizontale und vertikale Bewegungen aus.

Die Koordination zwischen den Händen und Beinen ermöglicht die potentielle

multidirektionale Beweglichkeit. Die Beine sind mit der Erde und die Arme mit

dem Himmel verbunden.

Ü B U N G 1: Die Arme mit der Wirbelsäule verbinden

Zu dieser Technik gehört, die Schultern und die Ellbogen sinken zu lassen.

1. Die Arme heben

Beginnen Sie, indem Sie die Arme nach vorn bis auf Schulterhöhe anheben. Da-

bei sind die Handgelenke und Ellbogen gebeugt, die Hände und Finger stehen

parallel zum Boden. Die Handflächen weisen nach unten (Abb. 10-1). Linker

und rechter Arm verlaufen parallel zueinander. Zwischen Ober- und Unterarm

besteht kein V-förmiger Winkel - weder nach innen noch nach außen. Achten

Sie darauf, dass die Ellbogenspitzen genau nach unten zeigen. Das Ziel der kor-

rekten parallelen Armhaltung ist, die Arme von den Schultern bis zu den Fingern

Das Heben der Arme auf Schulterhöhe:

a) Richtig: Die Ellbogen sind gebeugt, b) Falsch: Die Arme sind gerade ausgestreckt,

c) Falsch: Der linke Arm wird zwar korrekt vor den seitlichen Energiekanal gehalten, doch der

rechte Arm ist nach außen gedreht, d) Falsch: Der linke Arm ist leicht, der rechte Arm extrem

nach außen gedreht.

Abbildung 10-1

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Kapitel 13

vor dem jeweiligen rechten oder linken Energiekanal zu halten (Abb. 10-2a und

10-5). Diese Energiebahnen verlaufen auf beiden Seiten des Köpers jeweils vom

Schulternest zum Kwa.

2. Die Schulterblätter öffnen

Als Nächstes entspannen Sie die Schultern und lassen diese nach unten sinken,

während Sie die Schulterblätter und den Rücken gleichzeitig so rund wie möglich

machen. Bei korrekter Ausführung sieht es so aus, als würden die Schulterblätter

scheinbar verschwinden.

3. Die Ellbogen leicht sinken lassen

Lassen Sie die Ellbogen leicht sinken, so als wären an ihnen schwere Gewichte

befestigt, die sie nach unten ziehen (Abb. 10-2). Dafür muss der Bereich, der

von den Chinesen als „Schulternest" (Abb. 10-5) bezeichnet wird, offen sein,

das heißt, eine Vertiefung zwischen der vorderen Schulterseite und den Rippen

bilden. Diese Stelle, die wir „Mohrenheim-Grube" nennen, wird mit der Zeit

äußerst nachgiebig und flexibel. Wenn sich diese Vertiefung bildet, sinken die

Schultern und die Ellbogen leicht und problemlos, ohne dass wir bewusst daran

denken müssen.

Das Senken der Ellbogen:

a)Richtig: Die Ellbogenspitzen weisen nach unten.

b) Falsch: Die Ellbogen sind nach außen gedreht.

Abbildung 10-2

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

Die genannten drei Schritte sind eng miteinander verknüpft. Sie haben haupt-

sächlich die Aufgabe, die Arme energetisch mit der Wirbelsäule zu verbinden,

und zwar etwa so, wie Äste aus einem Baumstamm herauswachsen und nicht

getrennt von ihm sind. Den meisten Menschen mangelt es an einem ausgepräg-

ten Gefühl für die energetische Verbindung zwischen der Wirbelsäule und den

Armen. Ohne eine solche Verbindung kann Chi von der Wirbelsäule nur mit

Schwierigkeiten weiter als über die Schulter hinaus fließen, was die erfolgreiche

Energiearbeit behindert und die Übungen allein auf oberflächliche Muskelbe-

wegungen beschränkt.

4. Praktizieren Sie den ersten Teil der Wolkenhände mit erhobenen Armen

Schließen Sie die Augen und verlagern Sie kontinuierlich das Gewicht von einer

Seite zur anderen, wie in Kapitel 9 beschrieben wird. Die Arme heben Sie, wie

in Schritt 1 angegeben. Sie werden wahrscheinlich nach ein paar Minuten fest-

stellen, dass sich Ihre Arme V-förmig auseinander bewegt haben. Wiederholen

Sie diese Übung mehrere Tage oder auch ein paar Wochen lang, bis Ihre Arme

parallel zueinander bleiben und sich nur noch gemeinsam mit dem Körper und

der Wirbelsäule bewegen, nicht unabhängig davon. Ohne regelmäßiges Üben

ist es fast unmöglich, die Arme in Koordination mit der Wirbelsäule zu bewe-

gen. Mit dieser Übung stabilisieren Sie den Chi-Fluss von der Wirbelsäule zu

den Armen.

Die Rartnerübung mit Feedback Während dieser Übung (und bei einigen anderen übrigens auch) ist es empfeh-

lenswert, wenn ein Partner feststellt, ob Sie auch wirklich das tun, was Sie zu tun

glauben. Mit einem Partner zu üben ist weitaus hilfreicher, als zur Kontrolle in einen

Spiegel zu schauen. Wenn jemand Sie korrigiert und Ihnen zur richtigen Haltung

verhilft, dann sollten Sie einmal das dadurch erworbene objektive Gefühl der richti-

gen Haltung mit Ihrem Eindruck vergleichen, wenn Sie nur annehmen, es richtig zu

machen. Ein Problem bei der Selbstbeobachtung im Spiegel ist, dass Sie eine Übung

nicht nur durchführen, sondern gleichzeitig auch betrachten; schon dadurch werden

Sie von der Erfahrung des Gefühls in Ihren Armen abgelenkt. Zweitens kommt es

ziemlich häufig vor, dass man im Spiegel lediglich das sieht, was man sehen wil l .

Den meisten Übenden steht im Allgemeinen ohnehin kein Spiegel zur Verfügung.

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Kapitel 13

Deshalb ist es viel wichtiger, ein inneres Gefühl für die richtige Bewegung und

Haltung zu erlangen. Finden Sie also möglichst jemanden, mit dem Sie bei diesen

Übungen zusammenarbeiten können.

Ü B U N G 2: Die Ellbogengelenke zur Aktivierung der Gehirn-Rückenmarks-Pumpe bewegen

Diese Übung soll das Öffnen und Schließen der Ellbogengelenke mit dem Öffnen

und Schließen des gesamten Gewebes zwischen Ellbogen und Wirbelsäule (Ober-

arm, Schulter und Schulterblatt) verbinden. Dabei wird die Gehirn-Rückenmarks-

Pumpe im Bereich von oberer Wirbelsäule und Hals aktiviert. Diese wird durch

das Vergrößern und Verringern der einzelnen Wirbelabstände angeregt: Wenn sich

die Arme vom Körper fortbewegen, nimmt der Abstand zu; wenn die Arme an den

Körper herangezogen werden, wird er kleiner.

Das Strecken der Ellbogen:

a) Richtig: Die Ellbogen sind von der Wirbelsäule nach vorn locker ausgestreckt,

b) Falsch: Die Muskeln sind überdehnt und die Ellbogen durchgedrückt.

Abbildung 11-2a-d

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

1. Die Ellbogen strecken

Während Sie die Schultern entspannt unten halten, strecken Sie die Ellbogen so

weit wie möglich nach vorn, so dass das gesamte Gewebe von der Wirbelsäule

über die Schulterblätter bis zum Schulternest möglichst weit gedehnt und geöffnet

wird (Abb. 10-3). Diese Dehnung darf im Verlauf der Übung zu keinem Zeitpunkt

geringer werden. Es darf keine Erschlaffung zwischen Ellbogen und Wirbelsäule

geben. Der Ellbogen bleibt in diesem Abstand ausgestreckt oder wird noch weiter

vom Körper weggestreckt, darf aber nicht näher herangezogen werden. Die Mus-

keln dürfen weder angespannt noch überdehnt sein. Wie ein Gummiband müssen

sie zwischen Wirbelsäule und Fingern so weit wie möglich ausgezogen werden,

nirgends darf ein lockerer oder schlaffer Abschnitt existieren. Sie dürfen aber

auch nicht so straff gespannt werden, dass das „Gummiband" zurückzuschnellen

droht und damit der Muskel gezerrt wird. Denken Sie an die 70-Prozent-Regel!

2. Die Ellbogengelenke öffnen und schließen, um die Gehirn-Rückenmarks-

Pumpe zu aktivieren

Jetzt beugen und strecken Sie die Arme, um die Gehirn- Rückenmarks-Pumpe zu

aktivieren und damit gleichzeitig auch die Wirbelabstände zu verändern. Denken

Sie dabei immer an das Limit der 70-Prozent-Regel! Wenn Sie die Wirkung dieser

Übung von der mittleren Brustwirbelsäule (zwischen den Schulterblättern) bis

hinauf zum oberen Nacken spüren, dann haben Sie das Lernziel erreicht. Diese

Technik ist ohne die Hilfe eines qualifizierten Lehrers äußerst schwer zu beherr-

schen, weil Sie auf einer sehr subtilem Ebene spüren müssen, was im Inneren

Ihres Körpers vorgeht. Der Lehrer muss normalerweise erst einmal die Arme des

Schülers zurechtrücken, bevor dieser die richtige Wahrnehmung haben kann.

Der innere Prozess ist außergewöhnlich intensiv, von außen aber nur für einen

gut geschulten Beobachter wahrnehmbar.

Ü B U N G 3: Die Wirbelsäule durch das Öffnen des Hüftgelenks drehen

1. Den Ober- und Unterkörper unter Beachtung der Mittellinie drehen

Nun sind Sie bereit für die Drehbewegungen, was bedeutet, dass Sie jetzt die

senkrechte Mittellinie auf der Vorderseite des Körpers in die Übung integrieren.

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Kapitel 10

Während der Körperdrehung die Mittellinie einhalten

a) Richtig: Nase, Solarplexus und Leistengegend befinden sich in einer Linie,

b) Falsch: Die Mittellinie ist nicht eingehalten.

Abbildung 10-4

Abbildung 10-4a zeigt die korrekte Körperausrichtung beim Drehen. Achten Sie

darauf, wie die Mittell inie erhalten bleibt. Abbildung 10-4b zeigt, wie sich die

meisten Menschen drehen: Sie unterbrechen die Mittellinie und trennen dadurch

den Oberkörper vom Unterkörper.

Halten Sie die Hände in gleichem Abstand von der Mittell inie und beginnen

Sie damit, sich von einer Seite zur anderen zu drehen. Denken Sie an alles, was

Sie bis jetzt gelernt haben: Die Lendenwirbelsäule ist aufgerichtet, Hüfte, Knie

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

und Fußknöchel sind aufeinander abgestimmt. Der Rücken ist gerade, die Brust

rund; die Schultern und die Ellbogen sind gesenkt, und die Füße stehen flach auf

dem Boden. Von nun an schließen alle neuen Techniken den bereits gelernten

Stoff immer mit ein.

2. Die Körperdrehung vom Kwa ausgehen lassen

Der Körper besitzt viele natürliche Scharniere. Die Fingergelenke ermöglichen es

Ihren Fingern, sich zu krümmen. Mit den Handgelenken können Sie die Hände

auf- und abbewegen, und das Ellbogengelenk ermöglicht die Beugung des Armes.

In der Hüfte erstreckt sich das entsprechende Scharnier im Bereich der Leisten-

beuge. Die Chinesen bezeichnen dieses komplexe Gelenksystem als Kwa.

Die meisten Menschen drehen sich zur Seite, indem sie die Muskeln zwischen

den Rippen und den Hüftknochen benutzen oder, was noch häufiger vorkommt,

indem sie die Schultern verdrehen. Aus der Sicht der Chi-Gung-Prinzipien,

welche die Wahrung der Einheit von Rumpf und Wirbelsäule verlangen, ist ein

solches Drehen fehlerhaft. Der Körper sollte tatsächlich aus der Leistengegend

heraus gedreht werden. Später, wenn sich dieser Mechanismus eingespielt hat,

können Sie weitere Muskeln aus dem Bereich bis zur Taille (chines. yao) inte-

grieren. Auf keinen Fall dürfen Sie die Hüften unter Zuhilfenahme der Schultern

drehen, denn das unterbricht die Energieverbindung zwischen den Armen und

der Wirbelsäule und verdreht diese außerdem.

3. Bei der Drehung aus dem Kwa auf die Ausrichtung der vier Punkte achten

Ebenso wie Sie die Arme energetisch nicht von der Wirbelsäule abkoppeln dür-

fen, sollten Sie die Wirbelsäule auch nicht von den Hüften, dem Taillenbereich

und der Brust trennen. Um sie miteinander in Verbindung zu halten, müssen die

Bewegungen vom Kwa ausgehen; dann kann sich dieTaille der Hüfte anschließen

und die Brust der Taille. Üben Sie dies, indem Sie die Arme, wie in Übung 1 be-

schrieben, nach vorn ausstrecken. Auf beiden Körperseiten müssen Schulternest

und Kwa auf einer senkrechten Verbindung liegen. Die betreffenden vier Punkte

müssen immer korrekt ausgerichtet bleiben, Dann ist die Wirbelsäule nicht ver-

dreht und auf alle inneren Organe wird gleichmäßiger Druck ausgeübt.

Beim Drehen neigen die einzelnen Körperteile dazu, sich wieder unabhängig

voneinander zu bewegen. Dann müssen die Beine noch einmal ausgerichtet und

die Arme wieder in ihre parallele Stellung gebracht werden.

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Kapitel 10

Selbst wenn diese Vorgehensweisen sehr einfach erscheinen, bleibt ein kom-

petenter Lehrer doch unersetzlich. Sie werden bald selbst merken, dass zwischen

dem, was man zu tun glaubt, und dem, was man tatsächlich tut, ein großer Un-

terschied besteht. Ein Lehrer kann Ihnen sehr dabei helfen, auf diese Diskrepanz

hinzuweisen.

a) Die Ausrichtung der vier Punkte - richtig: Die vier Punkte bilden ein Rechteck,

b) Die Ausrichtung der vier Punkte - falsch: Die oberen Punkte sind mehr als die unteren

gedreht.

Abbildung 10-5

4. Die Körperdrehung gibt den inneren Organen eine Massage

Die nächste wichtige Aufgabe der Drehbewegung (nachdem Sie gelernt haben,

den Rumpf, die Arme und die Beine als eine Bewegungseinheit zu koordinieren)

besteht darin, sanften Druck auf die inneren Organe auszuüben. Das innere Dre-

hen und Winden versetzt die Organe auf ganz ähnliche Weise in eine optimale

Verfassung wie ein geübter Masseur, der die Muskeln eines Patienten kräftig

durchknetet. Wenn die vier Punkte korrekt ausgerichtet bleiben, führt die hier

beschriebene Massage durch Körperdrehung dazu, dass sich Chi in den inneren

Organen sammelt und die Wirbelsäule mit den inneren Organen energetisch

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

verbindet. Die Drehbewegung aktiviert auch automatisch den Chi-Fluss in den

Gürtelgefäßen oder Nebenakupunkturbahnen, die horizontal um den Körper

herum verlaufen.

5. Das Gewicht von einem auf das andere Bein verlagern

Bei dieser Übung wird das Gewicht vollständig von einem zum anderen Bein

verlagert, während sich der Taillenbereich gleichzeitig von einer zur anderen

Seite dreht. In der Mittelposition ist das Gewicht gleichmäßig auf beide Füße

verteilt und der Taillenbereich weist nach vorn. Verlagern Sie das Gewicht zu

100 Prozent auf das linke Bein und drehen Sie die Taille nach links. Bewegen

Sie sich dann zurück durch die Mittelposition und drehen sich nach rechts, bis

das Gewicht zu 100 Prozent auf dem rechten Bein ruht. Wiederholen Sie diese

Sequenz. Achtung: Viele tendieren unbewusst zu einer gegenläufigen Bewegung:

Wenn sie sich nach rechts drehen, verlagern sie das Gewicht auf das linke Bein

und umgekehrt. Für Anfänger wird es zuerst leichter sein, wenn sie das Gewicht

zu 100 Prozent auf ein Bein verlagern, bevor sie sich drehen. Im Laufe der Zeit

sollten die Gewichtsverlagerung und das Drehen der Taille jedoch gleichzeitig

ausgeführt werden.

Ü B U N G 4: Eine Seite senken und die andere anheben

Die folgende Bewegung stellt eine einfache Pumpwirkung im Körper her, so dass

auf der einen Seite des Körpers Energie aufsteigt und auf der anderen nach unten

fließt.

1. Eine Hand senken, die andere aufsteigen fühlen

Zu Beginn befindet sich ein Arm auf Schulterhöhe und der andere noch an der

Körperseite. Die Handflächen weisen nach unten. Wenn Sie eine Hand senken,

steigt die andere gleichzeitig nach oben. Der sinkende Arm sollte ein Gefühl

hervorrufen, als ob Energie oder Blut im Bein auf der gleichen Seite hinab und

in den Boden fließt. Die nach unten absinkende Energie auf der einen Seite

sollte gleichzeitig die Empfindung erzeugen, als würde Energie auf der anderen

Körperseite aufsteigen und die Hand hochheben. Wenn Sie diese einem Flaschen-

zug ähnliche Bewegung üben, müssen Sie unbedingt darauf achten, dass die

sinkende Hand die andere Hand dazu bringt, sich zu heben - und nicht anders

herum. Energie, die im Körper herabsinkt, führt immer dazu, dass auch Energie

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Kapitel 10

aufsteigt. Dagegen kann aufsteigendes Chi Energie zwar zum Sinken bringen,

aber das muss nicht unbedingt so sein.

2. Arm und Bein auf derselben Körperseite zusammen sinken lassen

Als Nächstes verlagern Sie das Gewicht so von einer Seite zur anderen, dass sich

das Bein, welches das Gewicht aufnimmt, auf derselben Körperseite befindet wie

die sinkende Hand. Wenn die linke Hand sinkt, wird das Gewicht auf das linke

Bein verlagert und umgekehrt. Dieser Vorgang bewirkt, dass im ausgestreckten

Arm und im Bein auf der anderen Seite Energie nach oben steigt.

Ü B U N G 5: Das „Spinnen des Seidenfadens" mit den Armen und Beinen

1. Die spiralförmig fließende Energie schenkt natürliche Kraft

Bei richtiger Ausführung gehört die spiralförmige Bewegung zur Übung der Wol-

kenhände. Natürliche Gelenkbewegungen und der Energiefluss im menschlichen

Körper verlaufen in Spiralen, die dem Aufbau der DNA-Doppelhelix ähneln.

Die meisten Menschen bedienen sich solcher Spiralbewegungen nur selten,

gute Sportler schon öfter; Menschen mit überdurchschnittlichen körperlichen

Fähigkeiten und großer Beweglichkeit nutzen diese Spiralbewegungen nahezu

ausschließlich - und das bis ins hohe Alter.

Im Tai Chi Chuan bezeichnet man diese Aktivität als chan sz jing, „den Seiden-

faden aufwickeln". Diese Metapher stammt aus der Seidenherstellung, bei der

die Rohseide so vorsichtig von dem Kokon der Seidenspinnerpuppe abgewickelt

wird, dass der Faden nicht reißt. Die beiden anderen inneren Kampfkünste,

Hsing-I und Ba Gua, kennen dieses Prinzip unter dem Namen luo shuen jing,

„bohrende oder drehende Kraft". Dieser Begriff orientiert sich an der vorwärts-

drehenden Bewegung, mit der eine Schraube in die Wand versenkt wird. Die

drehende Bewegung der Muskeln, die dem natürlichen, spiralförmigen Ener-

gieverlauf im Körper folgt, kann schon bei Säuglingen beobachtet werden. Die

ersten Versuche von Babys, die Arme und Beine zu bewegen odersich herumzu-

wälzen und zu krabbeln, beruhen auf Spiralbewegungen, nicht auf geradlinigen

Muskelbewegungen.

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Die Wolkenhände - Zweiter Teil

2. Die spiralförmige Bewegung mit dem ganzen Arm praktizieren

Damit wir mit dieser spiralförmigen Bewegung vertraut werden, konzentrieren

wir uns am besten zunächst auf die Arme; später kommen die Taille und die

Beine hinzu. Senken Sie Ihre Hände neben die Hüften, die Fingerspitzen weisen

gerade nach vorn. Die Handgelenke sind so gebeugt, dass die Handflächen und

die Spitzen der Ellbogen zum Boden weisen und leicht nach unten drücken.

Beginnen Sie, Ihren schwächeren Arm langsam und gleichmäßig zu heben und

die Hand zu drehen, bis sie sich etwa auf Brust- oder Nasenhöhe befindet. Je

höher die Hand steigt, um so größer ist die Dehnung für den Rücken und die

Schulterblätter. Denken Sie an die 70-Prozent-Regel und steigern Sie die Höhe der

Hand nur in dem Maße, wie sich Ihr Rücken öffnen lässt. Die Hand erreicht ihre

Endstellung an der Mittellinie der vorderen Rumpfseite. Die Handfläche ist nach

oben gedreht und dem Gesicht zugewandt; der Unterarm weist etwa 45° nach

oben und der Ellbogen ist in einem stumpfen Winkel gebeugt. Dann kehrt der

Arm auf der gleichen kreisförmigen Bahn zu seiner Ausgangsstellung zurück.

Wie in allen taoistischen Körperübungen geht die Spiralbewegung des Arms

von dem Bereich zwischen Wirbelsäule und Schulterblatt aus, setzt sich durch

die Schulter, den Oberarm, den Ellbogen und den Unterarm fort und schließt

in den Fingern ab.

Die Kunstfertigkeit besteht darin, die Hand genau proportional zu der Geschwin-

digkeit zu drehen, mit der sie sich hebt oder senkt. Wenn die Hand 10 Prozent der

Entfernung von der Hüfte zur Nasenhöhe zurückgelegt hat, hat sie sich auch um

10 Prozent gedreht. Auf halbem Wege zwischen Anfangs- und Endpunkt stehen

die Handflächen senkrecht zueinander oder sind um 50 Prozent gedreht usw.

Während dieses Vorgangs ist es äußerst wichtig, dass die Achselhöhlen offen

bleiben und die Arme nicht die Rippen berühren. Frauen sollten darauf achten,

jederzeit mindestens eine Handbreit Abstand zwischen den Brüsten und den

Armen zu wahren. Außerdem müssen die Ellbogen immer gebeugt und nach

unten gesenkt sein, so dass zu jedem Zeitpunkt der Bewegung ein Ei oder eine

Mandarine in die Armbeuge passt. Die Schultern bleiben gesenkt, wenn sich

die Arme heben.

3. Die Armspirale mit der Drehung aus dem Kwa koordinieren

Das Steigen und Sinken und die Spiralbewegung des Arms werden im nächsten

Schritt mit der Drehung aus der Hüfte und der Gewichtsverlagerung verknüpft.

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Page 218: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Die Wolkenhand-Übung ist eine stetig fließende Bewegung.

Die hier dargestellten Positionen sind Durchgangsetappen, keine statischen Endpunkte,

a) Ausgangsstellung: Das Gewicht ruht zu 100 Prozent auf dem linken Bein, die Arme befinden

sich an den Seiten, b-e): Das Gewicht wird zu 100 Prozent auf das rechte Bein verlagert,

während sich der Körper nach rechts dreht. Gleichzeitig wird der linke Arm spiralförmig nach

oben bewegt.

Abbildung 10-6, a-e

Wenn sich der Taillenbereich dreht, wird der Arm rund und bildet einen Bogen,

um sich auf die Drehung einzustellen. In der unteren Position erreicht der Dau-

men seine seitliche Endstellung ungefähr auf Höhe der Leistengegend gegenüber

dem Hüftknochen auf der Mittellinie der Körperseite, und die Finger weisen in die

gleiche Richtung wie die Körperfront. Prinzipiell weisen der Lendenbereich, der

Solarplexus, die Nase (der Kopf), die Finger sowie die Verbindungslinien zwischen

den vier Punkten von Schulternest und Kwa stets in dieselbe Richtung. Die Seite,

auf der die Handfläche nach unten zeigt, ist die Seite, auf der das Gewicht ruht.

Wiederholen Sie diese Bewegung mit dem anderen Arm und der anderen Hand.

4. Die Beinmuskeln drehen

Die Oberschenkel- und Wadenmuskeln sollten sich in der gleichen Richtung

wie der Taillenbereich drehen, die Geschwindigkeit ist dabei auf die der Arme

abgestimmt. Das Drehen oder „Einwickeln" der Beinmuskeln erfüllt zwei Aufga-

ben: Erstens verhindert es eine Schädigung des Kniegelenks. Zweitens bewegt es

das Gewebe des Beines in Spiralen. Dadurch werden Sie auf fortgeschrittenere

Praktiken vorbereitet und lernen, die Energie spiralförmig durch den Körper

fließen zu lassen, wie in Kapitel 15 ausführlicher beschrieben wird.

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Page 219: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Wolkenhände - Zweiter Teil

f) Beginnen Sie damit, das Gewicht auf die linke Seite zu verlagern und den Körper nach links

zu drehen. Gleichzeitig beginnt sich der höhere (linke) Arm spiralförmig zu bewegen und

nach unten zu senken, während der tiefere (rechte) Arm sich spiralförmig nach oben bewegt.

g) Mittelstellung: Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt, der Körper gerade nach

vorn ausgerichtet. Die Handflächen befinden sich beiderseits der Mittellinie und sind einander

zugewandt, h-j) Fahren Sie damit fort, den Körper nach links zu drehen und das Gewicht zu

verlagern, bis dieses zu 100 Prozent auf dem linken Bein ruht und der Körper ganz nach links

gedreht ist. Bewegen Sie gleichzeitig die Arme in spiralförmigen Bewegungen: den linken Arm

abwärts, bis sich die nach unten gewandte Handfläche auf Hüfthöhe befindet, und den rechten

Arm aufwärts, bis sich die Hand gegenüber der Nase befindet.

Abbildung 10-6, f- j

5. Die vollständige Wolkenhand-Übung praktizieren

Der abschließende Schritt verlangt, dass sich beide Hände gleichzeitig bewegen.

Dadurch werden beide Gehirnhälften koordiniert.

Das Gewicht ruht am Anfang vollständig auf dem linken Bein, der Körper ist zur

linken Seite gedreht (Abb. 10-7a). Die linke Hand befindet sich vor der linken

Hüfte, die Handfläche weist nach unten. Die rechte Hand befindet sich etwa

auf Nasenhöhe, die Handfläche weist nach oben.

Verlagern Sie Ihr Gewicht langsam zur rechten Seite. Wenn Sie die Mittelposi-

tion erreicht haben, ist das Gewicht zu gleichen Teilen auf beide Körperseiten

verteilt und Sie sind genau nach vorn ausgerichtet (Abb. 10-7b). Beide Hände

befinden sich auf gleicher Höhe, die Handflächen stehen seitlich der Mittellinie

des Körpers und sind einander zugewandt. Zum Abschluss der Drehung nach

rechts ist die linke Hand mit der Handfläche nach oben etwa auf Nasenhöhe

gestiegen. Die rechte Hand wird, mit der Handfläche nach unten, senkrecht un-

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Page 220: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

ter der Achselhöhle seitlich von der rechten Hüfte stehen. Beide Hände drehen

sich in der Geschwindigkeit, die exakt der Geschwindigkeit entspricht, in der

sie steigen und sinken. Mit fortschreitender Übung sollten die Wolkenhände,

anstatt aus zwei separaten Teilbewegungen auf jeder Körperseite zu bestehen,

zu einer gleichmäßig fließenden Bewegung werden.

Zum Abschluss der Gewichtsverlagerung auf das jeweilige Bein ist es am besten,

nicht vollständig aufzuhören und statisch in dieser Position zu verharren - nicht

einmal für einen kurzen Augenblick. Im Idealfall sollten Ihre Hände am Ende

jeder Bewegung (Abb. 10-7a bzw. 10-7c) damit fortfahren, kleine kreisförmige

Bewegugen auszuführen. Dadurch bleibt die fließende Bewegung der Hände,

die ihre steigende und sinkende Position umkehren, stetig und flüssig, ohne dass

die Übung sprunghaft immer wieder neu begonnen und beendet wird. Auch die

Gewichtsverlagerung von dem einen Bein auf das andere sollte ebenso fließend

und stetig verlaufen.

Grundhaltungen der Wolkenhände

a) Zu Anfang ruht das Gewicht vollständig auf dem linken Bein,

b) Das Gewicht ist zu gleichen Teilen auf beide Seiten verteilt. Der Körper ist genau nach

vorn ausgerichtet und befindet sich in der Mittelposition zwischen der vollständigen

Gewichtsverlagerung auf den rechten oder linken Fuß. c) Bei der Drehung nach rechts ruht

das Gewicht vollständig auf dem rechten Bein.

Abbildung 11-2a-d

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Page 221: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Wolkenhände - Zweiter Teil

Obwohl diese Übung unter Umständen verhältnismäßig schwer zu erlernen ist,

kann sie dem Körper aber auch mehr Bewegungsfreiheit und ein intensiveres

Energiegefühl schenken, als er dies jemals zuvor erfahren hat.

6. Die Armbewegung durch das Drehen der Hüfte mit Energie versorgen

Bei den Wolkenhänden und den drei sich anschließenden Schwungübungen

müssen die Armbewegungen durch die Hüftdrehungen mit Energie versorgt

werden. Dadurch verstärkt sich im Laufe der Zeit der Chi-Fluss im gesamten

Körper. Je vollständiger die Energie zwischen den Beinen, dem Rumpf und der

Wirbelsäule fließt, desto leichter ist es, das Chi durch die Arme fließen und sie

dadurch höher steigen zu lassen. Der Zweck der Wolkenhände und der Schwung-

übungen besteht darin, dass sich die Energie kräftig in der Körpermitte bewegt.

Bevor dies erreicht ist, wird sie sich auch nicht in den Extremitäten der Arme

und Beine vollständig zeigen können.

Wenn Sie die Technik der folgenden drei Schwungübungen erlernen und den

vollen Nutzen daraus ziehen möchten, dann zwingen Sie Ihre Arme nicht dazu,

höher zu steigen. Lassen Sie die Arme sich stattdessen entspannen und aus eige-

nem Antrieb vom Körper weg und auf ihn zu bewegen oder schwingen. Zuerst

werden die Arme nicht sehr hoch steigen. Es wird vielleicht Monate dauern, ehe

sie die Höhe Ihres Bauchnabels erreichen, und vielleicht noch länger, ehe sie

sich bis zur Höhe Ihres Solarplexus bewegen.

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Page 222: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Bruce Frantzis demonstriert die erste Schwungübung.

Page 223: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 11

Die erste Schwungübung

Die Energiesteigerung in den inneren Organen und den Gelenken Die folgenden drei Übungen werden im Chinesischen swaishou, „Arme schwingen",

genannt. Bei uns werden sie im Allgemeinen als „Schwungübungen" bezeichnet. Sie

haben die Hauptaufgabe, die Organe im unteren, mittleren und oberen Rumpfdrittel

verstärkt mit Energie zu versorgen. Zusätzlich sollen sie die Gelenke in den Hüften,

Schultern, Ellbogen und Händen vollständig öffnen.

Die drei Tantien und die drei Jiao der chinesischen Medizin Im Rahmen der Chi-Gung-Übungen trifft man immer wieder auf die hauptsächlichen

Tantien oder „Zinnoberfelder", die jeweils unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen

haben.

(Zur Lokalisierung der drei Tantien siehe die Abbildung auf Seite 291.)

Das untere Tantien befindet sich knapp unterhalb des Bauchnabels. Dieses Haupt-

energiezentrum bildet die Lebensquelle im physischen Körper.

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Page 224: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Das mittlere Tantien liegt auf der Mitte des Brustbeins (das entspricht etwa der

Höhe des Herzens). Durch dieses Energiezentrum nimmt der Mensch Verbindung

zu anderen Personen und ihren Gefühlen auf und stellt Beziehungen her. Außer-

dem befindet sich hier die Quelle der Gedanken und der Absichten. Dem mittleren

Tantien entspringen Mitgefühl und Wohlwol len, und hier werden auch negative

Emotionen transformiert.

Das obere Tantien in Höhe des Dritten Auges ist für die Verbindung mit Zeit und

Raum, für Kontakte zu körperlosen Wesen, subtilen Gedankenformen und höheren

Dimensionen zuständig.

Als Chi-Gung-Anfänger beschäftigen wir uns hauptsächlich mit dem unteren

Tantien. Die beiden höheren Tantien stehen im Mittelpunkt fortgeschrittener Chi-

Gung-Methoden und der taoistischen Meditation.

Die drei Schwungübungen arbeiten auch mit den drei Jiao oder „Erwärmern"

des Körpers. Das untere Jiao beginnt unterhalb des unteren Tantien und dehnt sich

bis in den Boden aus. Es reguliert hauptsächlich die Funktion und Gesundheit der

Beine, des Urogenitaltrakts, des Dickdarms und der Nieren (letztere werden auch

vom mittleren Erwärmer beeinflusst).

Das mittlere Jiao erstreckt sich vom unteren Tantien bis zum Solarplexus. Es ist

verantwortlich für die Gesundheit der meisten inneren Organe: Dünndarm, Milz,

Bauchspeicheldrüse, Leber, Magen und Gallenblase.

Das obere Jiao reicht von der Brust bis zum Scheitelpunkt des Kopfes und schließt

auch die Arme ein. Es ist verantwortlich für die Gesundheit des Herzens, der Lunge,

des Gehirns und der Arme.

Jede der drei Schwungübungen versorgt einen bestimmten Erwärmer mit Energie.

Die erste Schwungübung öffnet vor allem den Chi-Fluss in den unteren inneren

Organen, des Urogenitaltrakts, des Magens und der Därme. Diese Übung eignet

sich besonders für Personen, die sich mit Verstopfung, sexuellen Störungen und

Nierenproblemen herumplagen - sowohl im Sinne der chinesischen als auch der

westlichen Medizin. Außerdem hilft diese Schwungübung gegen kalte oder feucht-

kalte Hände und Füße.

Ü B U N G 1: Die Bein- und Hüftbewegung Die Bein- und Hüftbewegung ist grundsätzlich dieselbe wie bei der Übung der

Wolkenhände.

224

Page 225: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

1. Sich aus dem Kwa drehen und das Gewicht verlagern

Die Gewichtsverlagerung, das Öffnen und Schließen der Beingelenke, die Dre-

hung des Taillenbereichs und die Beugung des Kwa sind im Wesentlichen die-

selben Übungsschritte, die Sie schon bei den Wolkenhänden gelernt haben

(siehe Kapitel 10).

2. Die Drehgeschwindigkeit erhöhen

Nun wird das Gewicht jedoch ziemlich schnell von einem Bein auf das andere

verlagert. Beginnen Sie die Bewegungsübung schneller als im Zeitlupentempo,

aber noch nicht so schnell, wie es Ihnen vielleicht möglich wäre. Es ist äußerst

wichtig, dass der Kopf auf der Mittelachse des Körpers ausgerichtet bleibt, und

mit ihm die Nase, das Brustbein, der Bauchnabel und die Leistengegend. Dazu

kommen noch die vier Punkte an Schulternest und Kwa, die unverändert korrekt

ausgerichtet bleiben müssen (Abb. 11-la).

Die Ausrichtung der Mittellinie beibehalten

a) Richtig: Nase, Solarplexus und Leistengegend befinden sich in einer senkrechten Linie,

b) Falsch: Schultern und Kopf sind stärker als die Hüften gedreht.

Abbildung 12-14

225

Page 226: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

3. Hüfte und Kniegelenk korrekt ausrichten

Obwohl die Bein- und Hüftbewegungen im Wesentlichen dieselben sind wie

bei der Wolkenhand-Übung, sollte noch einmal auf die wichtigen Punkte hin-

gewiesen werden:

• das Perineum bleibt offen

• der Körper wird durch Beugung des Kwa gedreht

• die Knie sind leicht gebeugt (das wird besonders schnell bei dem unbelasteten

Bein vergessen)

• die Knöchel und die Knie sind korrekt ausgerichtet

• die Oberschenkelmuskeln drehen sich in die gleiche Richtung wie der Taillen-

bereich, damit es im unteren Rücken oder in den Knien zu keiner Überlastung

kommt

Der zentrale Energiekanal

Der taoistischen Tradition zufolge ist der zentrale Energiekanal die wichtigste Ener-

giebahn im Körper (siehe auch die Abb. auf Seite 291 ). Er verläuft senkrecht direkt

durch die Rumpfmitte. Ein Schnitt entlang der zentralen Körperachse würde diesen

Energiekern der Länge nach halbieren. Die Hauptbahn verläuft von der Mitte des

Kopfes bis zum Perineum und weiter durch das Innere des Knochenmarks von Ar-

men und Beinen. Diese zentrale senkrechte Energiebahn bildet vom Zeitpunkt der

Empfängnis an die fundamentale Energiequelle zur Ausbildung des menschlichen

Körpers. Nach der taoistischen Chi-Gung-Tradition ist sie in der Bildung der Wirbel-

säule, der Arme und der Beine sichtbar. Wenn Sieden Körper drehen, sollten Sie Ihre

Aufmerksamkeit auf diesen zentralen Energiekanal richten und ihn als senkrechte

Drehachse benutzen. Konzentrieren Sie aber auch einen Teil Ihrer Aufmerksamkeit

auf das untere Tantien, so dass es ebenfalls zum Drehpunkt Ihrer Bewegung wird.

Es ist wichtig, dass Sie sich aus beiden Energiezentren gleichermaßen bewegen

und drehen, weil dies zum intensivsten Energieausstoß in alle angeschlossenen

Subsysteme des Körpers führt. Das trifft auch für die Übung der Wolkenhände zu.

Die gleichmäßige Bewegung aus beiden Zentren lässt sich jedoch bei den Schwung-

übungen leichter erlernen und dann zurück auf die Wolkenhände übertragen.

226

Page 227: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

Ü B U N G 2: Die Armbewegungen

1. Die Armbewegungen mit den Drehungen koordinieren

Blicken Sie nach vorn, wobei Ihre Füße parallel zueinander stehen und Ihre

Hände sich seitlich des Körpers befinden (Abb. I1-2a). Wenn Sie anfangen,

das Gewicht zu verlagern und sich nach links zu drehen, beginnen Ihre Hände

nach außen zu schwingen (Abb. 11-2b). Wenn Sie die Gewichtsverlagerung

abgeschlossen haben, wird der linke Arm leicht die Rückseite der oberen Hüfte

mit dem Handrücken berühren; der rechte Arm berührt leicht die Vorderseite des

Bauches oder Oberschenkels mit der Handfläche (Abb. 11-2c).

Wenn Sie anfangen, sich zurück zur Mitte zu drehen, beginnen Ihre Hände nach

außen zu schwingen (Abb. 11-2d). Während Ihr Gewicht sich zu gleichen Teilen

auf beide Füße verteilt und der Körper zur Mitte hin ausgerichtet ist, schwingen

die Hände in maximalem Abstand vom Körper nach außen (Abb. 11-2e). Wenn

Sie anfangen, sich nach rechts zu drehen, schwingen die Hände wieder nach

innen (Abb. 11-2f). Wenn Sie die Gewichtsverlagerung und die Drehung abge-

schlossen haben, wird der rechte Arm leicht die Rückseite des Oberschenkels

mit dem Handrücken berühren; der linke Arm berührt leicht die Vorderseite des

Bauches, der Hüfte oder des Oberschenkels mit der Handfläche (Abb. 11-2g).

2. Die schwingenden Arme müssen völlig leblos sein

Die Arme baumeln von den Schultern herab, wobei keine Muskelkontrolle aus-

geübt wird, um sie in irgendeine Richtung zu bewegen. Mit anderen Worten,

sie sollten wie leblos herabhängen. Arbeiten Sie dann bewusst daran, die Schul-

tern, Ellbogen, Handgelenke, Handflächen und Finger so weit wie möglich zu

entspannen. Versuchen Sie mit jedem Schwung, der die inneren Organe anregt,

die Arme immer noch weicher zu machen, bis sich die Armgelenke anfühlen,

als wären sie mit Wasser oder einer warmen Flüssigkeit gefüllt.

3. Die Schwungübung durch Zentrifugalkraft verstärken

Bei den Schwungübungen sollen sich die Arme nie separat bewegen. Sie werden

einfach passiv durch die Zentrifugalkräfte angetrieben, wenn der Körper nach

links und rechts schwingt. Durch die Drehung aus den Hüften wird die Kraft

erzeugt, die den Arm bewegt. Die Drehung nach rechts beugt den linken Arm

und führt ihn vor den Rumpf, während der rechte Arm nach hinten schwingt

(Abb. 11-3). Die Drehung nach links bewirkt genau das Gegenteil.

227

Page 228: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Wenn die Zentrifugalkraft die Arme vom Körper wegschwingt, öffnen sich die

Gelenke in den Armen und Schultern ganz von selbst, ohne sie vorsätzlich zu

bewegen. Wenn die Arme zum Körper hinschwingen, schließen sich die Gelenke

in den Armen und Schultern.

Alle diese Vorgänge müssen durch Fühlen von innen, nicht durch visuelle Kon-

trolle, durchgeführt werden. Zwischen dem intellektuellen Wissen darüber, was

die linke und rechte Seite tut, und der kinästhetischen Wahrnehmung, was die

linke und rechte Seite tut, besteht ein großer Unterschied. Auch hierbei emp-

fiehlt es sich wieder, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der Ihnen durch

Körperberührung hilft und Ihnen ein genaues Feedback gibt. Wenn Sie sich nur

auf einen Spiegel verlassen, wi rd Ihnen nur ein visuelles und intellektuelles

Verständnis der Bewegung vermittelt.

Es ist äußerst wichtig, dass Sie das bewusste Gewahrsein einsetzen lernen, um

den Arm und besonders das Ellbogengelenk zu entspannen und loszulassen.

Auf gar keinen Fall sollten Sie mit Hilfe der Armmuskeln die Gelenke beugen

Die erste Schwungühung ist eine stetig fließende Bewegung.

Die dargestellten Positionen sind Durchgangsetappen, keine statischen Endpunkte,

a) Ausgangsposition: Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt. Der Körper ist

gerade nach vorn ausgerichtet, die Arme befinden sich an den Seiten, b und c) Das Gewicht

wird zu 100 Prozent auf das linke Bein verlagert. Drehen Sie sich gleichzeitig nach links; die

Arme schwingen dabei nach innen und berühren schließlich den Körper.

Abbildung 11-2a-d

228

Page 229: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

und die Arme und Hände bewegen. Die Schultern müssen gesenkt und völl ig

entspannt bleiben.

4. Die Hände klopfen leicht auf die Nieren und den Bauch

Am Anfang werden sich Ihre gebeugten Arme bei der Seitwärtsdrehung wahr-

scheinlich nicht weiter als auf Oberschenkelhöhe schwingen lassen. Wenn die

Entspannung der Arme und Ellbogengelenke zunimmt und Ihr Chi weiter sinkt,

werden Ihre Arme der von der Taille ausgehenden Zentrifugalkraft immer weniger

Widerstand leisten.

Wenn dieses Stadium erreicht ist und die Drehung aus dem Taillenbereich noch

fließender geworden ist, nimmt die Beweglichkeit an den Ellbogen so weit zu,

bis die Unterarme schließlich parallel zum Boden stehen. In dieser Position

klopfen die Hände von vorn sanft gegen den Bauch und auf der Rückseite gegen

die Nieren. Gehen Sie behutsam mit dem Nierenbereich um und klopfen Sie

nur mit minimaler Kraft darauf. Mit übermäßiger Kraft auf die Nieren zu schla-

d und e) Beginnen Sie das Gewicht auf die rechte Seite zu verlagern und drehen Sie sich

gleichzeitig zur Mittelposition zurück; die Hände schwingen nach außen, f und g) Verlagern

Sie das Gewicht zu 100 Prozent nach rechts und drehen Sie sich gleichzeitig nach rechts; die

Hände schwingen nach innen und berühren schließlich den Körper.

Abbildung 11-2e-g

229

Page 230: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

gen wäre eine sichere Methode, sich selbst zu verletzen,

vielleicht sogar mit fatalen Folgen. Nierenschläge sind im

Boxsport nicht umsonst wegen ihrer gefährlichen Wirkung

verpönt. Es gibt zwar Chi-Cung-Methoden, um zu lernen,

wie man Nierenschläge auffängt, doch diese benötigen die

permanente Betreuung eines Meisters.

Bei den Schwungübungen ist es äußerst wichtig, dass der

Raum unter den Achseln offenbleibt und die Arme nicht

die Rippen berühren.

Im Laufe der Zeit und mit wachsendem Können werden

die Arme bei der Drehung nach innen gesundes Chi in

den Körper hineintragen und beim Wegschwingen vom

Körper verbrauchtes Chi herauslassen. In gewisser Weise

lässt sich dieser Prozess mit der Atmung vergleichen, bei der

Sauerstoff eingeatmet und Kohlendioxid ausgeatmet wird.

5. Lassen Sie den Kopf nicht hängen

Einer der häufigsten Fehler, der im Allgemeinen aber nicht

lange anhält, ist der, bei zunehmender Lockerung der Arme

und des Taillenbereichs den Kopf nach unten hängen zu

lassen. Je mehr sich die meisten entspannen können, umso

mehr tendiert der Kopf dazu, nach vorn zu fallen. Dabei

handelt es sich um einen elementaren neurologischen Reflex: Im Zustand der

kinästhetischen Körperempfindung besteht die Neigung, dass die Augen zu-

fallen, der Kopf herabsinkt und die Wirbelsäule zusammensackt. Bei den hier

vorgestellten Übungen ist es deshalb sehr wichtig, sich dieser Reflexe bewusst zu

sein und sie zu korrigieren, das heißt: den Kopf aufgerichtet und den Unterkiefer

parallel zum Boden zu halten. Dadurch bleibt der Körper innerlich entspannt,

sinkt aber nicht in sich zusammen.

6. Die Hände schlaff halten

Bei dieser Schwungübung sollten die Arme, und nur sie allein, schlaff wie ein

nasser Lappen sein. Das bringt uns zum letzten Detail: Vermeiden Sie es, die

Finger in irgendeiner Stellung zu krümmen. Lassen Sie die Handflächen ganz lo-

cker und geschmeidig. Der Spannungsgrad in der Hand deutet auf die Spannung

230

Die Drehung nach

rechts lässt den

rechten Arm bis

zum Rücken und

den linken bis zur

Vorderseite des

Körpers schwingen.

Abbildung 11-3

Page 231: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

in Ihrem übrigen Körper hin und beinflusst diese auch. Die Entspannung in den

Händen wird sich nach und nach in Ihrem gesamten Nervensystem ausbreiten.

Pärtnerübung zur Entspannung von Schultern und Ellbogen Besondere Aufmerksamkeit muss darauf verwendet werden, die Ellbogengelenke zu

entspannen und jede unangemessene Kraft dort zu vermeiden. Um zu lernen, wie

sich ein „kraftloser" Arm anfühlt, lassen Sie einen Partner Ihren Oberarm parallel zum

Boden halten; der Ellbogen ist so gebeugt, dass der Unterarm senkrecht nach oben

weist. Entspannen Sie den Arm vollständig. Der Partner lässt dann Ihren Arm los, der,

wenn der Ellbogen entspannt ist, durch die Schwerkraft heruntersinkt. Die bei den

meisten Menschen übliche Spannung in den Armen verhindert, dass der Arm sofort

nach unten sinkt, sondern erst mit einer kleinen Zeitverzögerung. Üben Sie dies

noch ein paarmal, bis der Arm leicht und locker herunterfällt. Das geschieht, wenn

Sie alle Kontrolle und unangemessene Kraft in Ihrem Arm losgelassen haben.

Als Nächstes heben Sie den ganzen Arm gerade nach oben über Ihren Kopf

und lassen ihn dann los. Wiederholen Sie das so lange, bis der ganze Arm völ l ig

entspannt nach unten fällt, ohne dass ihn irgendwelche Muskelkontraktionen in

dieser Abwärtsbewegung aufhalten. Entspannung, verbesserter Blutkreislauf, unge-

hinderter Fluss in den Nervenbahnen und eine Zunahme von Chi werden es nach

und nach ermöglichen, dass die Bewegungen bei dieser Übung immer leichter und

gleichmäßiger werden.

231

Page 232: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Bruce Frantzis demonstriert die zweite Schwungübung.

Page 233: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 12

Die zweite Schwungübung

Die Stärkung von Leber und Milz und die Auflösung von Stress

Die zweite Schwungübung soll die Organe des mittleren Rumpfabschnitts mit

Energie versorgen und stärken. Sie wirkt auf Milz, Leber und Magen sowie auf die

Bauchspeicheldrüse und die endokrinen Drüsen, wie beispielsweise die Nebennie-

ren. Die Beinarbeit ist bei der zweiten und dritten Schwungübung im Wesentlichen

identisch, unterscheidet sich aber von der Beinarbeit der ersten Schwungübung. Die

Armbewegungen der ersten und der zweiten Schwungübung sind gleich.

Die Herausforderung: Gewichtsverlagerung und Drehung aus dem Kwa Die Grundlage aller korrekten Bewegungen in den inneren Kampfkünsten bildet die

physische und energetische Verbindung der Beine mit dem Taillenbereich bei der

Gewichtsverlagerung. Das trifft auf alle Dreh- und Schrittbewegungen ebenso wie

auf Drehen und Ausweichen von einer Seite zur anderen zu. Die Aufgabe besteht

jetzt darin, die Drehungen der Beine und des Taillenbereichs durch Sinken und

233

Page 234: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Ausdehnen aus dem Kwa einzuleiten, und nicht durch Drehen aus dem Kniegelenk.

Drehbewegungen im Knie schädigen langsam, aber sicher den unteren Rücken

und die Beingelenke. Ein Hauptpunkt bei allen Bewegungsformen der taoistischen

inneren Kampfkünste besteht darin, die Gewichtsverlagerung und die Drehtechni-

ken korrekt zu erlernen, ob es nun um gesundheitliche Zwecke oder die Erzeugung

von Kraft geht. Poetischer hört sich das in einem Klassiker des Tai Chi an: „Wenn

es einen Fehler gibt, dann achte auf die Taille und die Beine."

Ü B U N G 1: Die Hüft- und Beinbewegungen

1. Das Gewicht vollständig auf den rechten Fuß

verlagern

a) Beginnen Sie mit gleichmäßig auf beide Beine ver-

teiltem Gewicht. Die Arme befinden sich an den Seiten,

Kopf und Füße sind nach vorn gerichtet (Abb. 12-1).

b) Schauen Sie weiterhin nach vorn und verlagern Sie

Ihr Gewicht zu 100 Prozent auf Ihren rechten Fuß (ohne

Abb.). Vorsicht: Wird das Gewicht nur zu 50 Prozent

verlagert, wenn Sie sich auf die Seite drehen, kann das

leicht zu einer Überlastung des Kniegelenks führen.

Alle Gewichtsverlagerungen müssen zu 100 Prozent

ausgeführt werden.

c) Wenn Sie die Gewichtsverlagerung abgeschlossen haben, heben Sie die lin-

ke Ferse hoch, so dass nur der Fußballen den Boden berührt (nicht sichtbar in

Abb. 12-1). Der Fuß, das Kniegelenk, das Schambein, die Leistengegend und die

vier Punkte an Schulternest und Kwa sollten alle in dieselbe Richtung weisen,

das heißt, gerade nach vorn. Die Füße sollten parallel zueinander stehen.

2. Den Körper nach links drehen

a) Legen Sie beide Hände auf den Bauch. Diese Position behalten Sie während

der restlichen Übung 1 bei. Es ist einfacher, sich auf das richtige Drehen zu

konzentrieren, wenn man nicht über die Handstellung nachdenken muss.

b) Bevor Sie mit der Drehung beginnen, vergewissern Sie sich, dass Ihr Gewicht

zu 100 Prozent auf Ihrem rechten Bein ruht.

234

Die Mittelposition

Abbildung 12-1

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Die zweite Schwungübung

c) Das Gewicht bleibt vollständig auf dem rechten Bein, und Sie beginnen, Ihren

Körper nach links zu drehen. Halten Sie Ihr rechtes Bein ruhig und drehen Sie

sich aus Ihrem rechten Kwa und Hüftgelenk. Lassen Sie das unbelastete linke

Bein, den Fuß und die Hüfte als eine Einheit in einem Kreisbogen schwingen

und folgen Sie dabei der Drehung der rechten Hüfte. Lassen Sie Ihren linken

Fußballen über den Boden gleiten. Das linke Bein und der linke Fuß bewegen

sich in demselben Grad, wie die rechte Hüfte gedreht wird (Abb. 12-2a und

b). Wenn sich die rechte Hüfte um 45 Grad dreht, bewegen sich auch das linke

Bein, die Ferse und die Zehen um 45 Grad.

d) Während der Drehung und besonders am Ende der Drehung sollten die fol-

genden Teile Ihres Körpers alle in dieselbe Richtung weisen:

• die Mittell inie des Rumpfes: Nase, Solarplexus, Nabel und Leistenbereich

sind alle in einer geraden Linie ausgerichtet

• die Mittellinie des unbelasteten Fußes: die Linie zwischen dem mittleren

Fußzeh, der Mitte des Fußballens und der Ferse

• der Hüftknochen

• die vier Punkte auf beiden Seiten des Rumpfes an Schulternest und Kwa

e) Während der Drehung wird das belastete rechte Bein weder weiter gebeugt

noch gestreckt.

235

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Kapitel 10

f) Beugen oder verdrehen Sie das Knie des belasteten Beines nicht, während Sie

den Körper drehen. Es ist wichtig, dass die Bewegung aus den Hüften kommt

und nicht aus einer Verdrehung des Knies. Entspannen Sie dabei die Oberschen-

kelmuskeln des belasteten Beines und lassen sie sich in derselben Richtung wie

die Hüften bewegen. Das wird verhindern, dass die von den Hüften erzeugte

Drehkraft das Knie des belasteten Beines in irgendeine Richtung zieht oder

verdreht.

g) Drehen Sie den Körper nur zu 70 Prozent Ihrer Kapazität nach links. Dadurch

können die unter Punkt d) angegebenen Ausrichtungen wesentlich leichter ein-

gehalten werden.

3. Den Körper aus der rechten Hüfte zurück zur Mitte drehen

a) Lassen Sie wieder das unbelastete linke Bein, den Fuß und die Hüfte der

Bewegung der rechten Hüfte zurück zur Mitte folgen. Das Bein selbst leitet die

Drehung nicht ein (Abb. 12-3a).

b) Wenn Sie die Drehung zurück zur Mitte abgeschlossen haben, setzen Sie Ihre

linke Ferse nach unten und verlagern Ihr Gewicht, so dass es wieder gleichmä-

ßig auf beide Füße verteilt ist. Ihr Rumpf ist nach vorn gewendet und Ihre Füße

stehen parallel zueinander (Abb. 12-3b).

a) Beginn der Drehbewegung zurück zur Mitte b) Ende der Drehbewegung

Die Drehung zurück zur Mitte

Abbildung 12-3

236

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Die zweite Schwungübung

a) Richtig: Die Füße stehen parallel zueinander, b) Falsch: Ein Fuß ist nach außen abgespreizt,

c) Falsch: Beide Füße sind nach außen abgespreizt, d) Falsch: Die Füße sind nach innen gedreht.

Abbildung 12-4

c) Achten Sie darauf, dass die Füße nicht nach außen abgespreizt sind. Sie

müssen parallel zueinander bleiben, wenn Sie sich zur Mitte zurückdrehen

(Abb. 12-4a).

4. Das Gewicht vollständig auf den linken Fuß

verlagern

a) Während Sie weiter nach vorn gewandt sind, verlagern

Sie Ihr Gewicht zu 100 Prozent auf Ihr linkes Bein (nicht

sichtbar in Abb. 12-5).

b) Heben Sie die rechte Ferse hoch, so dass nur der

Fußballen den Boden berührt (in der Abb. nicht dar-

gestellt). Behalten Sie die unter Punkt 2d) genannten

Ausrichtungen bei.

5. Den Körper nach rechts drehen

a) Während das Gewicht vollständig auf dem linken Fuß ruht, drehen Sie Ihren

Körper nach rechts (Abb. 12-6 a und b). Halten Sie Ihr linkes Bein ruhig und

drehen Sie sich aus Ihrem linken Kwa und Hüftgelenk. Lassen Sie das unbelas-

tete rechte Bein, den Fuß und die Hüfte als eine Einheit in einem Kreisbogen

schwingen und folgen Sie dabei der Drehung der linken Hüfte. Lassen Sie Ihren

rechten Fußballen über den Boden gleiten. Das rechte Bein und der rechte Fuß

bewegen sich in demselben Grad, wie die linke Hüfte gedreht wird. Wenn sich

die linke Hüfte um 45 Grad dreht, bewegen sich auch das rechte Bein, die Ferse

und die Zehen um 45 Grad.

b) Behalten Sie, während Sie sich drehen, die unter Punkt 2d) beschriebenen

Ausrichtungen bei.

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Kapitel 10

Drehpositionen

Abbildung 12-6

c) Das linke Bein wird weder weiter gebeugt noch gestreckt.

d) Drehen Sie den Körper nur zu 70 Prozent Ihrer Kapazität nach rechts.

6. Den Körper aus der linken Hüfte zurück zur Mitte drehen

a) Lassen Sie wieder das unbelastete rechte Bein, den Fuß und die Hüfte der

Bewegung der linken Hüfte zurück zur Mitte folgen. Das Bein selbst leitet die

Drehung nicht ein (Abb. 12-7a).

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Die zweite Schwungübung

b) Wenn Sie die Drehung zurück zur Mitte abgeschlossen haben (Abb. 12-7b),

setzen Sie Ihre rechte Ferse nach unten und verlagern Ihr Gewicht, so dass es

wieder gleichmäßig auf beide Füße verteilt ist. Ihr Rumpf ist nach vorn gewendet

und Ihre Füße stehen parallel zueinander.

7. Die Schritte 1 bis 6 wiederholen

Diese Übung sollte in Übungseinheiten von jeweils fünf Minuten durchgeführt

werden. Sie zielt darauf ab, dass das Bein des unbelasteten Fußes der Hüftdre-

hung des belasteten Beines folgt. Dies könnte mehrere Wochen oder länger

dauern. Gehen Sie nicht an Übung 2, bevor die Drehungen fließend sind und

Ihnen leicht fallen.

Wichtige Übungshinweise 1. Das Gewicht muss zu 100 Prozent auf das jeweilige Bein verlagert werden,

bevor die Drehung eingeleitet wird.

2. Drehen Sie bei der Hüftdrehung zur Seite nicht Ihre Knie mit.

3. Die unbelastete Hüfte, das Bein und der Fuß folgen der Hüftdrehung.

4. Wenn Sie den Körper zur Mitte zurück drehen, müssen Ihre Füße parallel zu-

einander stehen, bevor Sie das Gewicht auf den anderen Fuß verlagern. Achten

Sie darauf, dass die Füße nicht nach außen abgespreizt sind.

Ü B U N G 2: Den Fuß heben und senken

Bei dieser Übung ist die Drehung im Wesentlichen dieselbe wie bei Übung 1, jedoch

mit der folgenden Variante: Sie heben den unbelasteten Fuß ein wenig vom Boden

hoch; berühren Sie den Boden leicht mit dem Fußballen, wenn Sie eine Drehung

nach rechts oder links abgeschlossen haben; und heben Sie den Fuß wieder hoch,

wenn Sie den Körper zurück zur Mitte drehen. Es ist ideal, diese Technik bei allen

Beinbewegungen der zweiten und der dritten Schwungübung auszuführen. Bei

dieser Übung zeigen die Abbildungen nur die Hauptpositionen, nicht die einzelnen

Übergänge; diese werden bei Übung 1 sowie in der Abbildung 12-14 dargestellt.

Diese Übung hat zweierlei Nutzen: Zum einen lässt sie erheblich mehr Chi in

Ihren inneren Organen und zwischen Ihrer Wirbelsäule und den Beinen fließen;

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Page 240: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

zum anderen sorgt sie für eine weitaus stärkere Ausrichtung

und Verbindung der Beine mit den Hüften, dem Bauch und

der Wirbelsäule.

1. Das Gewicht vollständig auf das rechte Bein

verlagern

a) Legen Sie beide Hände auf den Bauch. Diese Position

behalten Sie während der restlichen Übung 2 bei.

b) Beginnen Sie damit, dass Ihr Gewicht gleichmäßig

auf beide Beine verteilt ist. Die Arme befinden sich an

den Seiten, Kopf und Füße sind nach vorn gerichtet

(Abb. 12-8).

c) Blicken Sie weiter nach vorn und verlagern Sie Ihr

Gewicht zu 100 Prozent auf Ihr rechtes Bein ((in der

Abb. nicht dargestellt).

d) Am Ende der Gewichtsverlagerung, wenn Sie damit

beginnen, zur Drehung überzugehen, heben Sie den

linken Fuß etwa 3 bis 5 cm vom Boden hoch (in der

Abb. nicht dargestellt).

2. Den Körper nach links drehen

a) Während das Gewicht weiter auf dem rechten Bein

ruht und der linke Fuß vom Boden entfernt ist, drehen

Sie den Körper nach links. Lassen Sie das linke Bein und

den linken Fuß in einem Kreisbogen und in demselben

Grad schwingen, wie sich die rechte Hüfte dreht. Behal-

ten Sie, während Sie den Körper drehen, die bei Übung

1 unter Punkt 2d) beschriebenen Ausrichtungen bei.

b) Drehen Sie den Körper nur zu 70 Prozent Ihrer Kapa-

zität nach links. Wenn Sie den Endpunkt der Drehung

auf der linken Seite erreichen, senken Sie Ihr Bein und

berühren den Boden leicht mit dem linken Fußballen

(Abb. 12-9).

Abbildung 12-8

Abbildung 12-9

Abbildung 11-2a-d

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Die zweite Schwungübung

3. Den Körper aus der rechten Hüfte zurück zur

Mitte drehen

a) Wenn Sie beginnen, den Körper zurück zur Mitte

zu drehen, heben Sie wieder den linken Fuß etwas

über den Boden (nicht dargestellt). Lassen Sie die

linke Hüfte, das Bein und den Fuß der Hüftbewe-

gung zurück zur Mitte folgen. Behalten Sie die bei

Übung 1 unter Punkt 2d) beschriebenen Ausrich-

tungen bei.

b) Wenn Sie die Drehung zurück zur Mitte abge-

schlossen haben, setzen Sie den Ballen und dann

fast sofort auch die Ferse des linken Fußes auf den

Boden und verlagern Ihr Gewicht, so dass es wieder

gleichmäßig auf beide Füße verteilt ist. Ihr Rumpf

ist nach vorn gerichtet und Ihre Füße stehen parallel

zueinander (AM). 12-11).

4. Das Gewicht vollständig auf das linke Bein

verlagern

a) Während Sie noch nach vorn gewandt sind, ver-

lagern Sie Ihr Gewicht zu 100 Prozent auf Ihr linkes

Bein (in der Abb. nicht dargestellt).

b) Heben Sie den rechten Fuß 3 bis 5 cm vom

Boden hoch, um zur Drehung überzugehen (in der

Abb. nicht dargestellt). •

5. Den Körper nach rechts drehen

a) Während das Gewicht noch auf dem linken Bein

ruht und der Fuß vom Boden hochgehoben ist, dre-

hen Sie den Körper nach rechts (in der Abb. nicht

dargestellt). Lassen Sie das rechte Bein und den

rechten Fuß in einem Kreisbogen und in demsel-

ben Grad schwingen, wie die linke Hüfte gedreht

wird.

241

Page 242: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

b) Drehen Sie den Körper nur zu 70 Prozent Ihrer Kapazität nach rechts. Wenn

Sie den Endpunkt der Drehung nach rechts erreichen, berühren Sie den Boden

leicht mit dem Ballen des rechten Fußes (Abb. 12-12).

6. Den Körper aus der linken Hüfte zurück zur Mitte drehen

a) Wenn Sie die Drehung zurück zur Mitte beginnen, heben Sie den rechten Fuß

etwas vom Boden hoch. Lassen Sie das rechte Bein wieder der Hüftbewegung

zurück zur Mitte folgen.

b) Wenn Sie die Drehung zurück zur Mitte abgeschlossen haben, setzen Sie

Ihren rechten Fuß auf den Boden und verlagern Ihr Gewicht, so dass es wieder

gleichmäßig auf beide Füße verteilt ist. Ihr Rumpf ist nach vorn gerichtet und

Ihre Füßen stehen parallel zueinander (Abb. 12-13).

7. Die Schritte 1 bis 6 wiederholen

Diese Übung sollte in Übungseinheiten von jeweils fünf Minuten durchgeführt

werden. Sie zielt darauf ab, dass das Bein des unbelasteten Fußes der Hüftdre-

hung des belasteten Beines folgt. Dies könnte mehrere Wochen oder länger

dauern. Gehen Sie nicht an Übung 3, bevor die Drehungen fließend sind und

Ihnen leicht fallen.

Ü B U N G 3: Die Armbewegungen in der zweiten Schwungübung

1. Die Hände steigen höher als bei der ersten Schwungübung

Anatomisch-mechanisch unterscheiden sich die Armbewegungen der zweiten

Schwungübung nicht von denen der ersten Schwungübung. Während Sie den

Körper drehen, schwingen die Arme nach außen (Abb. 12-15b, d, e, h und i).

Wenn Sie die Drehung abgeschlossen haben, berührt eine Handfläche die Vor-

derseite des Oberkörpers, während der Rücken der anderen Hand den Rücken

des Körpers berührt (Abb. 12-15 c und g).

Wenn Ihre Hüften lockerer werden und der von ihnen beschriebene Kreisbo-

gen größer wird, werden auch Ihre Hände höher nach oben schwingen, bis sie

schließlich den Rumpf zwischen Nabel und Solarplexus berühren; auf dieser

Höhe sind die eingangs genannten inneren Organe lokalisiert.

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Page 243: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

e) Ausrichtung zur Mitte

g) Ende der Drehung, Fußballen h) Beginn der Drehung i) Ausrichtung zur Mitte

auf dem Boden zur Mitte, Fuß vom Boden

hochgehoben

Die vollständigen Beinbewegungen der zweiten Schwungübung mit den Durchgangspositionen

Abbildung 12-14

a) Ausrichtung zur Mitte b) Beginn der Drehung, c) Ende der Drehung, Fußballen

Fuß vom Boden auf dem Boden

d) Beginn der Drehung

zur Mitte, Fuß vom Boden

hochgehoben

f) Beginn der Drehung,

Fuß vom Boden hochgehoben

hochgehoben

243

Page 244: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 10

Die zweite Schwungübung ist eine stetig fließende Bewegung.

Die dargestellten Positionen sind Durchgangsetappen, keine statischen Endpunkte.

a) Ausgangsposition: Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt. Der Körper ist

gerade nach vorn ausgerichtet, die Arme befinden sich an den Seiten.

b) Das Gewicht wird zu 100 Prozent auf das rechte Bein verlagert. Beginnen Sie mit der

Drehung nach links (lassen Sie das linke Bein in einem Kreisbogen schwingen); die Arme

schwingen dabei nach außen,

c) Fahren Sie mit der Drehung nach links fort (setzen Sie den Ballen des linken Fußes auf den

Boden); die Arme schwingen nach innen und berühren den Körper,

d) Beginnen Sie den Körper zurück zur Mitte zu drehen; die Arme schwingen nach außen,

e) Mittelposition: Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt. Der Körper ist gerade

nach vorn ausgerichtet; die Arme sind so weit wie möglich zur Seite gestreckt.

Abbildung 12-15 a-e

Denken Sie daran, die Armbewegungen aus der Drehbewegung der Hüften und

des Körpers zu verstärken (vgl. Kapitel 11, Übung 2/Schritt 3), aber zwingen Sie

die Arme nicht zum Schwingen.

2. Chi aus den Händen in die inneren Organe fließen lassen

Berühren Sie den Oberkörper anfänglich nur sanft. Lassen Sie Ihre Hände erst

langsam und mit zunehmender Übung fester auf den Körper klopfen, so dass

die Energie immer tiefer eindringen kann. Zu Beginn wird die von den Händen

ausgehende Wahrnehmung nur leicht und oberflächlich sein, doch mit der Zeit

wird sie bis in die tiefsten Schichten des Körpers spürbar sein.

Auf keinen Fall dürfen Sieden Körper mit Wucht an Stellen treffen, die durch die

Funktionsstörung eines inneren Organs oder aufgrund einer Verletzung schmer-

zen. Seien Sie vor allen Dingen vorsichtig in der Nierengegend. Beim geringsten

L.

244

Page 245: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

f) Verlagern Sie das Gewicht zu 100 Prozent auf das linke Bein und beginnen Sie mit der

Drehung nach rechts (lassen Sie das rechte Bein in einem Kreisbogen schwingen); die Arme

schwingen nach innen und berühren den Körper,

g) Fahren Sie mit der Drehung nach rechts fort (setzen Sie den Ballen des rechten Fußes auf

den Boden); die Arme schwingen nach innen und berühren den Körper,

h) Beginnen Sie den Körper zurück zur Mitte zu drehen; die Arme schwingen nach außen,

i) Mittelposition: Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt. Der Körper ist gerade

nach vorn ausgerichtet; die Arme sind so weit wie möglich zur Seite ausgestreckt.

Die zweite Schwungübung wird nun kontinuierlich wiederholt, beginnend bei Schritt 12-15b

(wobei die Arme nach innen schwingen) bis Schritt 12-15i.

Abbildung 12-15 f-i

Schmerzsignal sollten Sie entweder nur noch ganz behutsam klopfen oder die

Hände kurz vor dem Berühren des Körpers abbremsen.

3. Chi durch Spiralbewegungen der Arme zirkulieren lassen

Wenn die Arme vom Körper wegschwingen, lassen Sie die Muskeln und das

Bindegewebe der Arme sich ganz natürlich vom Rumpf weg nach außen drehen,

so dass die Energie vom Tantien hoch in die Wirbelsäule steigt, von dort in die

Fingerspitzen und schließlich aus dem Körper heraus in den Raum fließt. Beim

Zurückschwingen der Arme fließt die Energie aus der Luft durch die Hände in

den Körper hinein, während sich Ihre Arme auf den Rumpf zu nach innen drehen.

Das ist eine weitere Art der Energiezirkulation: vom Zentrum an die Peripherie

und von der Peripherie zum Zentrum. Nun ergänzen Sie auch Ihre Praxis der

ersten Schwungübung durch diese spiralförmige Armbewegung.

245

Page 246: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Bruce Frantzis demonstriert die dritte Schwungübung.

Page 247: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Die dritte Schwungübung

Die Stärkung von Chi im Oberkörper

Die dritte Schwungübung erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben. Vor allem wirkt sie auf

die oberen inneren Organe (Herz und Lungen) und versorgt das Gehirn mit Ener-

gie. Zweitens verbessert sie die Elastizität der Wirbelsäule, so dass sich die Wirbel

leichter öffnen und schließen. Drittens öffnet sie das Schultergelenk, wodurch sich

die Drehfähigkeit erhöht, und die Halswirbel, die direkt mit den Schulterbewe-

gungen verbunden sind. Viertens führt sie zur vollständigen Öffnung der Hüften

und des Kwa. Und schließlich vermittelt die dritte Schwungübung dem Körper die

Fähigkeit, auf Kommando augenblicklich zu entspannen und loszulassen. Wenn

Sie durch diese Chi-Gung-Übungen erst einmal das Verständnis für die Energie des

Körpers gewonnen haben, können Sie durch bewusste Aufmerksamkeit den Körper

so lenken, dass die Bewegungen natürlich und anstrengungslos fließen und nicht

forciert sind.

Ü B U N G 1: Die Bein- und Kwa-Bewegungen

Die Beinarbeit der dritten Schwungübung ist im Wesentlichen dieselbe wie bei der

zweiten Schwungübung; auch der unbelastete Fuß wird hochgehoben und dann

wieder auf den Boden gesetzt. Anders als bei der zweiten Schwungübung öffnen

247

Page 248: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 15

und schließen (beugen und strecken) sich jedoch das Kniegelenk und das Kwa

gemeinsam. Dadurch wird verstärkt Gelenkschmiere in das Hüftgelenk gepumpt,

wodurch ein sehr intensiver aufsteigender Chi-Fluss aus der Erde, den Füßen und

den Beinen ausgelöst wird; dieser wird in die inneren Organe und Gelenke des

oberen Rumpfdrittels sowie in das Gehirn gepumpt.

Leitlinien für das Erlernen der Beinschwünge

• Das Kwa öffnen und schließen

Versuchen Sie, beide Seiten des Kwa zu öffnen und zu schließen, während Ihr

gesamtes Gewicht nur auf einem Bein ruht (Abb. 13-1) und auch, wenn es

gleichmäßig auf beide Beine verteilt ist (Abb. 13-2). Um das Kwa zu schließen,

lassen Sie die Muskeln im Leistenbereich nach unten sinken und pressen sie

zusammen. Dadurch wird der Abstand zwischen den Lendenwirbeln verringert

(Abb. 13-la und 13-2a). Um das Kwa zu öffnen, drücken oder pumpen Sie die

Kwa-Muskeln nach oben. Dadurch vergrößert sich der Abstand zwischen den

Lendenwirbeln (Abb. 13-1 b und 13-2b).

a) Kwa geschlossen (das Gewicht ruht hier zu 100 Prozent auf dem rechten Bein),

b) Kwa geöffnet (das Gewicht ruht hier zu 100 Prozent auf dem rechten Bein).

Abbildung 13-11 Abbildung 13-12

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Die zweite Schwungübung

• Nur bis zu 70 Prozent der körperlichen Belastbarkeit nach unten sinken

Wenn Sie auf diese Weise praktizieren und sich an die 70-Prozent-Regel halten,

werden Ihre Beine und Knie stärker, ohne dass Sie eine Schädigung riskieren.

Wenn Sie mehr als 70 Prozent nach unten gehen, können Sie sich überanstren-

gen und eine Verletzung zufügen. Lassen Sie sich Zeit, nach und nach wird Ihr

Körper biegsamer.

• Knieschmerzen sind ein Warnsignal

Jede Art von Schmerz in den Knien ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass eine

Fehlstellung vorliegt und korrigiert werden muss. Als Erstes sollten Sie versuchen,

höher zu stehen. Es kann sein, dass eine alte Verletzung wieder aufbricht, die Sie

nicht berücksichtigt hatten oder von der Sie bisher nichts wussten. Achten Sie

beim Sinken darauf, dass Ihre Knie und Knöchel korrekt zueinander ausgerichtet

sind und dass sich Ihre Oberschenkel zusammen mit der Taille drehen. Überprü-

fen Sie, ob die Lendenwirbelsäule gerade aufgerichtet ist, und vergewissern Sie

sich, dass die Kniekehlen beim Öffnen des Kniegelenks ebenfalls aufgehen.

a) Kwa geschlossen, das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt,

b) Kwa geöffnet, das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt.

Diese beidenübungsschritte werden auch als Beugen und Strecken des Kwa bezeichnet.

Abbildung 13-2

249

Page 250: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Die dritte Schwungübung ist eine stetig fließende Bewegung.

Die dargestellten Positionen sind Durchgangsetappen, keine statischen Endpunkte.

Schritt 1: Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt, der Körper nach vorn gewandt.

Öffnen Sie das Kwa und verlagern Sie das Gewicht zu 100 Prozent auf das rechte

Bein.

Schritt 2: a) Drehen Sie den Körper nach links, während Sie gleichzeitig nach unten sinken;

schließen Sie das Kwa, heben Sie den linken Fuß vom Boden hoch und lassen Sie die

linke Hüfte und das linke Bein schwingen. Zum Abschluss berührt der linke Fußballen

den Boden, b) Öffnen Sie das Kwa.

Schritt 3: a) Heben Sie den linken Fuß vom Boden hoch; drehen Sie sich zur Mittelposition

zurück; schließen Sie das Kwa, setzen Sie den Fuß auf den Boden und verlagern Sie

das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine, b) Strecken Sie die Beine und öffnen Sie

das Kwa.

Abbildung 13-3

• D i e spira l förmige Aufwär tsbewegung des Chi im Körper inneren spüren

Ach ten Sie darauf, dass d ie D r e h u n g in der dr i t ten S c h w u n g ü b u n g d ie inneren

Organe im unteren Rumpfdr i t te l m i t einschl ießt und d ie entstehende spiralförmige

Energie in der M i t t e des Rumpfes we i te r aufsteigt und in d ie Brust, d ie Lungen,

den Hals und auch d i rek t in das Geh i rn gelangt. Im Rahmen dieser Ü b u n g w i r d

das Geh i rn zu den oberen inneren O r g a n e n gezähl t .

2 5 0

Page 251: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

Kwa schließen Kwa öffnen Kwa schließen Kwa öffnen

Schritt 4: a) Verlagern Sie das Gewicht zu 100 Prozent auf das linke Bein. Drehen Sie den

Körper dann nach rechts, während Sie gleichzeitig nach unten sinken; schließen Sie

das Kwa, heben Sie den rechten Fuß vom Boden hoch und lassen Sie die rechte Hüfte

und das rechte Bein schwingen.Zum Abschluss berührt der rechte Fußballen den

Boden, b) Öffnen Sie das Kwa.

Schritt 5: a) Heben Sie den rechten Fuß vom Boden hoch; drehen Sie sich zur Mittelposition

zurück; schließen Sie das Kwa, setzen Sie den Fuß auf den Boden und verlagern Sie

das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine, b) Gehen Sie mit dem Körper in die Höhe,

während Sie die Beine strecken und das Kwa öffnen.

1. Die Ausgangsposition

Beginnen Sie in der Mittelposition. Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine

verteilt, die Knie sind leicht gebeugt. Die Füße stehen parallel und etwa schul-

terbreit auseinander (Abb. 13-3, Schritt 1). Halten Sie Ihre Arme entspant nach

unten. Fühlen Sie, wie Ihr Gewicht mühelos durch beide Beine von den Hüften

zu den Fußknöcheln nach unten in den Boden sinkt. Verlagern Sie Ihr Gewicht

zu 100 Prozent auf Ihr linkes Bein, während sich das Kwa und die Beine leicht

öffnen und strecken.

2. Das Gewicht vollständig auf das rechte Bein verlagern

Heben Sie Ihren linken Fuß vom Boden hoch und beginnen Sie den Körper nach

links zu drehen. Das ist wie bei der zweiten Schwungübung, aber gleichzeitig

Abbildung 13-3 (Fortsetzung)

Die Beinarbeit der dritten Schwungübung in fünf Schritten

251

Page 252: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

lassen Sie Ihren Körper auch nach unten sinken, indem Sie Ihr Kwa und Ihr rechtes

Knie schließen/beugen (Abb. 13-3, Schritt 2a). Wenn Sie die Drehung nach links

abschließen, berühren Sie den Boden mit dem Ballen Ihres linken Fußes und

öffnen dann das Kwa. Strecken Sie Ihr rechtes Bein nicht; es bleibt mehr oder

weniger in demselben Winkel gebeugt (Abb. 13-3, Schritt 2b). Achten Sie darauf,

dass das Pumpen des Kwa bewusst ausgeführt wird und deutlich zu spüren ist.

3. Die Drehung zurück zur Mittelposition

Heben Sie Ihren linken Fuß vom Boden hoch. Während Sie sich zurück zur

Mittelposition drehen, schließt sich das Kwa; beide Hüften sinken und die Füße

beugen sich leicht, während sich das Gewicht verlagert und gleichmäßig auf

beide Beine verteilt wird (Abb. 13-3, Schritt 3a). Öffnen Sie dann das Kwa

und die Knie, um die Beine und Hüften nach oben zu dehnen und zu strecken

(Abb. 13-3, Schritt 3b). Spüren Sie, wie die Energiebewegung von der Erde

zu den Füßen, zu den Hüften und in den Oberkörper fließt, während Sie sich

aufrichten. Die meisten vertikalen Aufwärtsbewegungen sollten von Ihrem sich

öffnenden Kwa, nicht von Ihren Knien ausgehen.

4. Das Gewicht vollständig auf das linke Bein verlagern

Wenn Sie das Öffnen abgeschlossen haben, verlagern Sie Ihr Gewicht zu 100

Prozent auf das linke Bein. Lassen Sie Ihr Körpergewicht nun mühelos durch

beide Beine von den Hüften zu den Fußknöcheln nach unten in den Boden sin-

ken. Schließen Sie Ihr Kwa und Ihr linkes Knie, und beginnen Sie damit, Ihren

Körper nach rechts zu drehen (Abb. 13-3, Schritt 4a). Wenn Sie die Drehung

nach rechts abschließen, berühren Sie mit dem Ballen Ihres rechten Fußes den

Boden und öffnen dann das Kwa (Abb. 13-3, Schritt 4b). Strecken Sie Ihr linkes

Bein nicht; es bleibt mehr oder weniger in demselben Winkel gebeugt.

5. Die Drehung zurück zur Mittelposition

Dies ist eine Wiederholung von Schritt 2 auf der anderen Seite des Körpers.

6. Den gesamten Übungszyklus wiederholen

Wiederholen Sie die gesamte Sequenz, bis sie mühelos ausgeführt werden kann

(Abb. 13-3, Schritt 1 bis 13-3, Schritt 5b). Es wird eine Weile dauern, bis diese

Bewegung fließend geworden ist, da das Becken bei den meisten Menschen

„eingerostet" und steif ist.

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Page 253: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

Ü B U N G 2: Vorbereitende Armübungen

Bei der dritten Schwungübung werden die Hände, Schultern und Schulterblätter

im Maximalbereich gedreht. Wie bei jeder Dehnübung benötigen Sie Zeit, um die

volle Ausdehnung zu erreichen. Deshalb beginnen wir mit einigen vorbereitenden

Übungen, ehe wir uns an die Schwungübung selbst heranwagen.

1. Rartnerübung zum Armtest

Strecken Sie Ihre Arme vor dem Körper aus. Ein Partner hält Ihre Arme an den

Handgelenken und den Unterarmen. Nun lassen Sie alle Spannung in Ihren

Armen los und Ihr Partner führt Ihre Arme auf der Seite nach unten. Die meisten

Menschen können die Kontrolle über ihre Arme nur mit großen Schwierigkeiten

aufgeben. Lassen Sie Ihren Partner daher Ihre Arme am Anfang nur jeweils drei

bis fünf Zentimeter bewegen. Vergrößern Sie dann nach und nach diese Strecke,

bis er Ihren Arm ungehindert und aufs Geratewohl in jede Richtung und Höhe

ohne Hilfe oder Widerstand von Ihrer Seite bewegen kann. Der ganze Arm sollte

völlig schlaff werden und sein Eigengewicht zeigen.

Wenn Sie diese Vorbereitungsübung beherrschen, sollten Sie in der Lage

dazu sein, Ihre Hände über den Kopf zu heben und völl ig entspannt bis zu den

Oberschenkeln herabfallen zu lassen. Manche brauchen vielleicht ein oder zwei

Stunden dafür, um das in die Praxis umzusetzen. Verspannung in den Muskeln

kann man sich leicht angewöhnen. Wenn diese sich erst einmal im Körper

angesammelt und abgelagert hat, wird man sie oft nur schwer wieder los. Nur

durch sorgfältiges und geduldiges Üben ist das zu erreichen. Integrieren Sie das

Fallenlassen der Arme in Schritt 3 dieser Vorbereitungsübungen.

2. Arm und Schulter kreisen lassen

Die Beinarbeit dieser Übung ist die gleiche wie für die zweite Schwungübung.

Das Gewicht ruht auf dem rechten Fuß, die Taille ist nach links gedreht. He-

ben Sie die rechte Hand vor dem Oberkörper bis etwa auf Schulterhöhe. Der

Daumen zeigt nach oben. Der Ellbogen ist gebeugt, die Ellbogenspitze weist

nach unten. Der Arm sollte entlang der Mittellinie des Rumpfes ausgestreckt

sein. Den linken Arm und die linke Hand halten Sie genauso wie den rechten

Arm etwa auf Schulterhöhe, Daumen nach oben, doch ist der Arm nach hinten

ausgestreckt (Abb. 13-4a).

253

Page 254: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 15

Drehen Sie die Taille so weit nach rechts, wie es noch angenehm für Sie ist

(achten Sie darauf, dass sich Kopf und Taille mit der Nase, dem Solarplexus, dem

Bauchnabel und der Leistengegend in einer Senkrechten befinden). Beginnen

Sie langsam, die Hände zu drehen. Bei gebeugten Ellbogen kreisen Sie mit den

Unterarmen so, dass die Daumen zuerst nach unten weisen. Anschließend drehen

Sie sie wieder in die Ausgangsstellung zurück.

Üben Sie diesen Schritt so lange, bis Sie ein deutliches Gefühl für die Drehbe-

wegungen der Unterarme und später auch der Oberarme haben und vor allen

Dingen auch für den nach oben zeigenden Daumen.

Wiederholen Sie diese Übung auch auf der anderen Körperseite mit entsprechend

umgekehrter Arm- und Beinhaltung.

3. Die Arme heben und frei fallen lassen

Heben Sie beide Arme, mit den Handflächen nach vorn, bis über den Kopf

(Abb. 13-5) und lassen Sie dann die Arme fallen. Während des Fallens werden

sie sich ganz von selbst drehen, so dass die Handflächen jetzt nach hinten weisen

(Abb. 13-6). Werfen oder drücken oder zwingen Sie die Arme nicht in irgendeiner

Abbildung 13-11 Abbildung 13-12

254

Page 255: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die dritte Schwungübung

Weise bewusst nach unten. Lassen Sie sie einfach vollständig los, so als wären

die Schnüre bei einer Marionette zerschnitten worden. Geben Sie alle Kontrolle

auf, und lassen Sie die Arme natürlich und wie von selbst nach unten fallen.

Ein Zeichen für die korrekte Ausführung ist die Wahrnehmung, dass die Arme ein

wenig aufprallen, wenn sie unten ankommen, und ganz von alleine wieder hoch-

schwingen. Am besten üben Sie diesen freien Fall der Arme zehn Minuten oder

länger, es sei denn, dass Sie sehr entspannt sind. Bei starker Anspannung müssen

Sie diese Übung vielleicht mehrere Stunden und in vielen Übungssitzungen

durchführen, bevor Sie mit dem nächsten Abschnitt weitermachen können.

Ü B U N G 3: Die dritte Schwungübung in fünf Schritten

1. Zur Mitte ausrichten, die Hände über den Kopf heben

Ihr Körper ist nach vorn ausgerichtet. Ihre Füße stehen parallel und schulterbreit

auseinander. Heben Sie beide Arme über den Kopf; die Handflächen zeigen

nach vorn und die Fingerspitzen nach oben. Die Knie und das Kwa sind geöffnet

(Abb. 13-5).

Abbildung 13-5 Abbildung 13-6

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Page 256: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

2. Die Arme fallen lassen, die Hüften nach links drehen, die Arme nach

oben schwingen

Verlagern Sie das Gewicht auf das rechte Bein und drehen Sie den Körper dann

nach links, wie Sie es in Übung 1 gelernt haben. Gleichzeitig schließen Sie Ihr

Kwa und lassen die Hände fallen, so als wären wie bei einer Marionette die

Schnüre, die sie gehalten hätten, plötzlich durchtrennt worden (Abb. 13-7).

Während der Ballen Ihres linken Fußes den Boden berührt und Ihre Arme nach

unten weisen, öffnen Sie Ihr Kwa, doch ohne Ihr Bein zu strecken (Abb. 13-8).

Nutzen Sie die durch das Herabfallen der Arme und das Öffnen des Kwa erzeugte

Energie, um die Arme zu heben.

Drehen Sie die Hände so, dass beide Daumen nach oben zeigen: die rechte Hand

vor der Körpermitte und die linke Hand auf der Rückseite. Je nachdem, wie viel

Spannung aus den Armen losgelassen worden ist, wie weit die Drehung aus den

Hüften geht und vor allem, wie sehr sich das Kwa öffnet, werden Ihre Hände

zu einer Höhe zwischen Bauchnabel und Scheitelhöhe nach oben schwingen.

Die von den Armen erreichte Höhe entspricht dem Pegel, zu dem die Energie

im Körper ansteigt. Bewegen Sie die Arme nicht mit Gewalt nach oben - das

würde nur den Chi-Fluss bremsen. Lassen Sie die Arme sich so weit heben, wie

sie dies von selbst ohne zusätzliche Bewegung tun.

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Page 257: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

Anfänger werden wahrscheinlich noch ziemlich verkrampft sein und die Arme

dementsprechend nur wenig nach oben gehen. Durch das Üben der Bewegung

und die zunehmende Entspannung dreht sich die Hüfte leichter, die Schultern

rotieren weiter, das Kwa öffnet sich mehr, und die Arme werden immer weiter

nach oben schwingen, bis sie fast senkrecht in der Luft stehen. Die Beine durch-

laufen eine vergleichbare Entwicklung: Anfangs sind sie nur leicht gebeugt, aber

nach und nach können Sie immer tiefer in die Hocke gehen.

Eine wichtige Sicherheitsregel: Stellen Sie fest, wenn Sie mit der Übung beginnen,

wie tief Sie in die Hocke gehen und wie weit Sie sich drehen können; üben Sie

nur etwa zur Hälfte Ihrer Möglichkeiten. Langsam und im Laufe von mehreren

Wochen steigern Sie bis auf 70 Prozent Ihrer Kapazität, aber gehen Sie nie darüber

hinaus. Da wir die Hocke im Westen nicht gewöhnt und die Bänder in unseren

Knien in der Regel nicht sehr elastisch sind, ist es äußerst wichtig, die Knie nur

allmählich und vorsichtig an höhere Belastungen zu gewöhnen. Auf gar keinen

Fall sollten Sie auch bei ganz gelockertem Körper über die empfohlenen 70 Pro-

zent hinausgehen. Diese Schwungübung enthält ein so starkes Drehmoment, wie

es in westlichen Übungen kaum vorkommt. Üben Sie also langsam, schrittweise

und behutsam, so dass Sie sich nicht durch übergroßen Ehrgeiz verletzen.

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Page 258: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 15

3. Die Arme fallen lassen, die Hüften zurück zur Mitte drehen, die Arme

nach oben schwingen

Bringen Sie die Beine zurück in die Ausgangsstellung (Füße parallel zueinander,

das Gewicht gleichmäßig auf beide Seiten verteilt), indem Sie das Kwa schließen

und die Hüften zurück zur Mitte drehen. Lassen Sie gleichzeitig die Arme nach

unten fallen (Abb. 13-9).

Öffnen Sie das Kwa und strecken Sie die Beine, damit Ihre Arme nach oben

schwingen (Abb. 13-10).

Die Drehung zur Mitte zurück erzeugt eine Zentrifugalkraft, die in Verbindung

mit dem Öffnen des Kwa und dem Strecken der Beine die Arme wieder in ihre

ursprüngliche Position steigen lässt. Noch einmal ist der Hinweis nötig, dass Sie

die Arme nicht mit Muskelkraft und willentlich heben sollen. Genauso wie die

Arme entspannt werden, um herabzufallen, werden sie auch lockergelassen, um

wieder hochzuschwingen.

Wenn sich der Körper wieder nach oben bewegt, strecken sich die Beine, das

Kwa dehnt sich weiter, die Wirbelsäule und der Hals richten sich gerade auf.

Die Arme drehen sich zur Ausgangsposition zurück, so dass die Hände zu dem

Zeitpunkt, wenn die Bewegung abgeschlossen wird, schulterbreit voneinander

getrennt sind. Dabei zeigen die Handflächen nach vorn und die Finger strecken

sich noch etwas mehr.

Abbildung 13-11 Abbildung 13-12

258

Page 259: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

4. Die Arme fallen lassen, die Hüften nach rechts drehen, die Arme nach

oben schwingen

Wiederholen Sie die Bewegungsfolge aus Schritt 2, während sich Ihre Hüften in

die andere Richtung drehen (Abb. 13-11 und 13-12).

5. Die Arme fallen lassen, die Hüften zur Mitte zurück drehen, die Arme

nach oben schwingen

Wiederholen Sie Schritt 3, wobei Sie sich von der entgegengesetzten Seite zu-

rückdrehen (siehe Abb. 13-9 und 13-10).

6. Praktizieren Sie die dritte Schwungübung als kontinuierliche Bewegung

(Abb. 13-13 1-5b).

Leitlinien für die dritte Schwungübung

1. Das Heben und Senken öffnet den Großen Energiekreislauf

Das Öffnen der Beine und des Kwa sowie das Heben der Arme wird ganz von

selbst dazu führen, dass die Wirbelsäule sich gerade aufrichtet und die Energie

und das Blut an der Innenseite der Beine und an der Rückseite von Rumpf,

Hals und Kopf nach oben steigen. Das Senken und Schließen der Arme, Beine

und Hüften bewirkt, dass die Energie und das Blut an der Vorderseite von Stirn,

Gesicht, Hals und Rumpf und an der Außenseite der Beine nach unten fließen.

Zusammen lassen diese beiden Vorgänge die Körperenergie in dem sogenannten

Großen Himmlischen Energiekreislauf kräftiger zirkulieren.

2. Die Hände schwingen durch Üben höher

Im Laufe der Zeit wird die Spannung zunehmend mehr aus Ihren Armen ent-

lassen und Sie werden Ihr Kwa stärker öffnen können. Dann werden auch Ihre

Arme schneller und müheloser loslassen und am Ende der Abwärtsbewegung

nach oben schwingen. Schließlich werden Sie eine starke Verbindung zwischen

dem Öffnen und Schließen Ihres Kwa und Ihren Armbewegungen spüren. Das

Schließen des Kwa zieht Ihre Hände nach unten und das Öffnen des Kwa drückt

sie nach oben.

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Page 260: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Die dritte Schwungübung ist eine stetig fließende Bewegung.

Die dargestellten Positionen sind Durchgangsetappen, keine statischen Endpunkte.

Schritt 1: Das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt, der Körper nach vorn gewandt.

Die Arme sind erhoben, wie in der Abbildung dargestellt.

Schritt 2: a) Verlagern Sie das Gewicht zu 100 Prozent auf das rechte Bein. Drehen Sie den Körper

dann nach links, während Sie gleichzeitig nach unten sinken; schließen Sie das Kwa,

heben Sie den linken Fuß vom Boden hoch; lassen Sie Ihre Arme nach unten fallen

und die linke Hüfte und das linke Bein schwingen. Zum Abschluss berührt der linke

Fußballen den Boden, b) Öffnen Sie das Kwa, damit die Arme nach oben schwingen,

wie in der Abbildung dargestellt.

Schritt 3: a) Heben Sie den linken Fuß vom Boden hoch und drehen Sie sich zur Mittelposition

zurück; schließen Sie das Kwa und lassen die Arme nach unten fallen; setzen Sie den

linken Fuß auf den Boden und verlagern das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine,

b) Strecken Sie die Beine und öffnen das Kwa, damit die Arme nach oben schwingen,

wie in der Abbildung dargestellt.

Abbildung 13-13

W e n n d ie H ä n d e e ine größere H ö h e er re ichen, w e r d e n verschiedene Organe

N u t z e n aus e iner besseren Energ ieversorgung z iehen . W e n n d ie H ä n d e bis

auf Herz - u n d L u n g e n h ö h e schw ingen , w e r d e n d iese be iden Organe davon

prof i t ie ren, und w e n n sie noch höher steigen, w i r d d ie Energie immer mehr ins

G e h i r n f l ießen.

3. Anstrengung bei den A r m s c h w ü n g e n erstickt den Chi-Fluss

W e n n Sie j e d o c h Ihre Muske lk ra f t dafür e insetzen, dam i t sich Ihre A r m e selb-

s tändig heben und senken, n i m m t der Energie- und Blutzuf luss in Wi rbe lsäu le ,

Herz , Lunge u n d Geh i rn nur ger ing füg ig zu. Eigent l ich prakt iz ieren Sie dann

2 6 0

Page 261: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die zweite Schwungübung

Schritt 4: a) Verlagern Sie das Gewicht zu 100 Prozent auf das linke Bein. Drehen Sie den Körper

dann nach rechts, während Sie gleichzeitig nach unten sinken; schließen Sie das Kwa,

heben Sie den rechten Fuß vom Boden hoch; lassen Sie Ihre Arme nach unten fallen

und die rechte Hüfte und das rechte Bein schwingen. Zum Abschluss berührt der rechte

Fußballen den Boden, b) Öffnen Sie das Kwa, damit die Arme nach oben schwingen,

wie in der Abbildung dargestellt.

Schritt 5: a) Heben Sie den rechten Fuß vom Boden hoch; drehen Sie sich zur Mittelposition

zurück; schließen Sie das Kwa, lassen Sie die Arme nach unten fallen; setzen Sie den

rechten Fuß auf den Boden und verlagern Sie das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine,

b) Strecken Sie die Beine und öffnen das Kwa, damit die Arme nach oben schwingen,

wie in der Abbildung dargestellt.

Abbildung 13-13 (Fortsetzung)

nur e i ne re in k ö r p e r l i c h e Ü b u n g , d i e n i c h t zu r d a u e r h a f t e n V e r m e h r u n g Ihres

Ch i bei t rägt .

4 . D e n Kopf le icht a n g e h o b e n ha l ten

Bei dieser Ü b u n g gesch ieh t es sehr le ich t , dass der Kopf nach v o r n s ink t . D a b e i

ve r k ramp fen s ich d i e M u s k e l n i n Ha ls u n d Schu l te rn , u n d zusä t z l i ch w e r d e n d i e

A r m s c h w ü n g e beh inde r t . D e n k e n Sie a lso b i t te daran , d e n Kopf l e i ch t v o n der

W i r b e l s ä u l e a n g e h o b e n z u ha l ten .

2 6 1

Page 262: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die Wirbelsäulendehnung ist eine Übung, die es nur im Taoismus gibt. Abgesehen davon,

dass sie die Wirbelsäule biegsamer macht, setzt sie auch den Prozess in Gang, das Chi in der

Wirbelsäule und im Gehirn vollständig zu aktivieren. Das ist eine wesentliche Voraussetzung

für alle fortgeschrittenen Chi-Gung- und anderen taoistischen Bewegungsübungen.

262

Page 263: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 14

Die taoistische Wirbelsäulendehnung

Eine biegsame Wirbelsäule ist das Rückgrat der Gesundheit Die taoistische Wirbelsäulendehnung ist wahrscheinlich in mehrfacher Hinsicht die

wichtigste Einzeltechnik in diesem Buch. Es werden jährlich Unsummen unseres Ge-

sundheitsbudgets für die Behandlung von Rückenschmerzen und Problemen mit der

Halswirbelsäule ausgegeben. Diese Leiden sind häufig auf eine lange sitzende Tätig-

keit und/oder starke geistig-seelische Anspannung zurückzuführen. Selbst wenn Sie

sich nicht an die anderen, in den vorigen Kapiteln dargestellten Chi-Gung-Elemen-

tarübungen heranwagen, können Sie großen Nutzen aus der taoistischen Wirbelsäu-

lendehnung ziehen. Sie ist dafür eingesetzt worden, um bei „unheilbaren" Rücken-

problemen zu helfen, und kann eigentlich von jedem ausgeführt werden, selbst von

Menschen, die sehr ernste Rückenprobleme haben oder an den Rollstuhl gefesselt sind.

Die Methodik der Wirbelsäulendehnung, die aus der klassischen taoistischen

Körperarbeit stammt und ein wesentlicher Bestandteil des Tai Chi Chuan sowie der

anderen inneren Kampfkünste ist, unterscheidet sich deutlich von den üblicherweise

bei uns angebotenen Rückenübungen der Krankengymnastik oder des Yoga. Die

konventionellen Rückendehnungen beruhen im Prinzip auf einer Drehbewegung

im Stand, wobei Kopf und Hals, dann die Brust, der mittlere und untere Rücken

zusammensinken, während der Oberkörper immer weiter vorgebeugt und dem Bo-

den genähert wird. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie bei der taoistischen

Wirbelsäulendehnung tun werden.

263

Page 264: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 15

Als Erstes werden Sie lernen, Ihre Wirbelsäule zu spüren und die Muskeln von

den eigentlichen Wirbeln zu unterscheiden. Die meisten Menschen können ihren

Rücken fast nicht spüren, es sei denn, sie haben Schmerzen. In der Tat können viele

nicht einmal ihre Rückenmuskeln spüren.

Als Nächstes werden Sie lernen, sich langsam aus dem Kwa heraus zu beugen,

wärend Sie Ihre Wirbelsäule und Ihren Kopf aufgerichtet halten.

Schließlich werden Sie lernen, zwischen den Wirbeln vorhandene Spannung

loszulassen,während Sie sich gleichzeitig beugen und strecken. Diese Übung wird

Ihre Beine und Hüften stärken, ohne dass sie irgendeinen Druck auf Ihren Rücken

ausübt.

Für diese Übung müssen Ihre Körperaus-

richtungen nicht perfekt sein. Menschen mit

starken Rückenproblemen sollten nur mit

sehr kleinen Bewegungen arbeiten. Sie soll-

ten vielleicht lernen, diese Dehnübung im

Sitzen auszuführen, besondere Aufmerksam-

keit auf die empfohlenen Aufwärmübungen

richten und die Wirbelsäule anfangs über-

haupt nicht beugen.

Fortgeschrittenere Techniken der Wirbel-

säulendehnung für diejenigen, die schon

mehr Erfahrung mit den in diesem Buch dar-

gestellten Elementarübungen oder anderen

taoistischen Energieübungen besitzen, wer-

den am Ende dieses Kapitels beschrieben.

Denken Sie daran, dass Sie bei allen Chi-

Gung-Übungen zuerst körperl iche Bewe-

gungen lernen und dann diejenigen Kom-

ponenten hinzufügen, die den Energiefluss

einbeziehen. Aus der Sicht der taoistischen

Meister wird das so ausgedrückt: „Wenn sie

richtig genährt werden, wachsen kleine Ei-

cheln im Laufe der Zeit zu großen Eichen-

bäumen heran."

Abbildung 13-11 Abbildung 13-12

264

Page 265: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die taoistische Wirbelsäulendehnung

Die hintere und die vordere Seite der Wirbelsäule Die hintere Seite der Wirbel ist im Körper nach hinten gewendet und wird zumeist als

identisch mit dem Rückgrat angesehen. Energetisch gesehen lenkt sie die Fähigkeit

der Wirbelsäule, sich zu beugen, ebenso wie die Fähigkeit der Beine, sich zu beugen

und hinzusetzen. Für die meisten von uns ist die Rückseite der Wirbelsäule relativ

leicht zu spüren, weil wir sie ständig gegen die Rückenlehne von Stühlen drücken

und immer darauf liegen. Die vordere Seite der Wirbel lenkt energetisch die Fähigkeit

der Wirbelsäule, sich aus einer liegenden oder sitzenden Position zu erheben und

eine Last hochzuheben und zu tragen. Den meisten fällt es verhältnismäßig schwer,

die vordere Seite der Wirbelsäule zu spüren und allein durch bewusstes Körperge-

wahrsein zu lokalisieren, da sie zu unserem Bauch hin gewendet und im Inneren des

Körpers verborgen ist. Für viele bedeutet es eine Herausforderung, die Vorderseite der

Wirbelsäule zu spüren, weil normalerweise nichts offensichtlich Druck auf sie ausübt;

außerdem findet sich kaum einmal der Hinweis darauf, dass wir sie spüren sollten.

Die vordere und die hintere Seite jedes Wirbels kann sich öffnen und schließen.

Stellen Sie sich zwei Bauklötze für Kinder vor, die übereinander liegen. Sie können

den Raum zwischen diesen beiden Klötzen entweder von der vorderen oder der

hinteren Seite aus öffnen und schließen. Dasselbe trifft auch auf Ihre Wirbel zu.

Außerdem kann sich jeder einzelne Wirbel unabhängig von irgendeinem anderen

Wirbel öffnen und schließen, ohne auf irgendeine Bewegung von außen angewie-

sen zu sein. Die Kontrolle über die Bewegungen der Wirbel und der von ihnen

erzeugten Energie zu gewinnen ist ein wesentlicher Bestandteil des Nei Gung (siehe

Kapitel 15). Aus der Sichtweise des Chi Gung ist die Wirbelsäule hauptsächlich

ein Leitsystem für die Energieübertragung und besteht nicht nur aus Knochen und

anderen Körperstrukturen, wie Körperflüssigkeiten, Nerven, Muskeln, Membranen

und Bindegewebe. Aus dieser Perspektive ist die Art und Weise, wie Sie die hintere

und vordere Seite der Wirbel nutzen, um Energie durch die Wirbelsäule fließen zu

lassen, genauso wichtig wie die Tatsache, dass Sie die Wirbelsäule auf der körper-

lichen Ebene dehnen.*

* Die Wirbelsäulendehnung ist eine Vorbereitung auf fortgeschrittenere Nei-Gung-Techniken

für die Wirbelsäule, die der Autor in seinem Chi-Gung-Programm Bend the Bow (Den Bogen

spannen) lehrt (siehe Anhang G).

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Page 266: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Aufwärmübungen für die Wirbelsäule

Aufwärmübung 1: Die Wirbelsäule spüren

Legen Sie sich mit angezogenen Knien so auf den Boden, dass der ganze Rücken

mehr oder weniger Kontakt zum Boden hat. Atmen Sie sehr tief ein und aus, bis Sie

das Gefühl haben, als würde sich Ihr Atem nach hinten zur Wirbelsäule, den sie

umgebenden Muskeln und bis zu den Nieren hinab ausdehnen. Nehmen Sie sich

ein paar Minuten Zeit, bis Sie mit Hilfe des Atems alle Wirbel an der hinteren Seite

Ihrer Wirbelsäule spüren können.

Worauf es uns hier ankommt, ist ein deutliches Gefühl für den Unterschied zwi-

schen Ihren Rückenmuskeln und den Wirbeln Ihres Rückgrates. Drücken Sie sich

mit den Beinen vom Boden ab und heben Sie das Gesäß hoch, oder ziehen Sie

Kopf, Hals und Schultern nach oben. In dieser Haltung können Sie jeden kleinen

Wirbelsäulenabschnitt getrennt mit dem Boden in Kontakt bringen und damit die

einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule deutlicher unterscheiden. Bei Rückenproble-

men sollten Sie auf einer Matte oder einem dicken Teppich üben, um die Wirbelsäule

zu schonen.

Aufwärmübung 2: Nur aus dem Kwa beugen

Diese Übung kann im Stehen ausgeführt werden oder während Sie auf einem Stuhl

sitzen. Im Laufe der Zeit werden Sie lieber im Stehen üben wollen.

Schauen Sie sich nochmals die Prinzipien und Körperausrichtungen bei der

Standform an (siehe Kapitel 6). Versuchen Sie nach Möglichkeit, dass Ihre Füße

parallel und schulterbreit auseinander stehen und Ihre Hände sich an den Seiten

befinden, ohne dass irgendwelche Gelenke geschlossen sind. Das Gesäß ist etwas

eingezogen, so dass Ihr unterer Rücken gerade aufgerichtet ist.

Durch diese Aufwärmübung sollen zum einen Ihre Beine und Hüften genügend

gekräftigt werden, um das Gewicht Ihres Rückens und Halses tragen zu können;

zum anderen sollen Ihre Füße dadurch die Fähigkeit erlangen, sich im Boden ver-

wurzeln zu können. Damit Sie Ihr Gleichgewicht stabilisieren, müssen Sie diese

Übung gewöhnlich 10- bis 20-mal pro Übungseinheit über mehrere Tage prakti-

zieren; sonst werden Sie viel Zeit und Energie bei dem Versuch verschwenden,

das Gleichgewicht während der komplizierteren Wirbelsäulendehnung selbst zu

266

Page 267: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die taoistische Wirbelsäulendehnung

bewahren. Eine halbe bis eine Stunde Zeit für diese vorbereitende Aufwärmübung

kann Ihnen viele Stunden des hilflosen Übens ersparen sowie auch eine Überlastung

des unteren Rückens verhindern.

1. Beugen Sie sich im Stand aus dem Kwa nach vorn, während Ihre Wirbelsäule

vollkommen gerade ist. Manche werden sich nur wenige Zentimeter vorbeugen

können, andere dagegen so weit, bis sie das Gefühl haben, dass ihre Wirbelsäule

parallel zum Boden steht. Neigen Sie sich nur so weit nach vorn, wie es für Sie

noch angenehm ist, und achten Sie auf die 70-Prozent-Regel. Der Rücken sollte

dabei nicht belastet werden, da Sie sich ja nur aus dem Kwa beugen.

• Achten Sie darauf, wenn Sie stehen, dass sich Ihr Steißbein nicht nach hinten

bewegt.

• Die Bewegung des Rumpfes muss aus dem Kwa kommen und nicht von Ihren

Rückenmuskeln, dem Kopf oder Hals ausgehen.

• Das Rückgrat darf in keiner Weise gebeugt oder gedreht werden. Eigentlich

sollten Sie die Wirbelsäule vom ersten Halswirbel bis zum letzten Steißbein-

wirbel wie eine elastische Stahlrute behandeln. Achten Sie darauf, dass Sie

die Rückenmuskeln während der Bewegung nicht anspannen.

• Während des Stehens bewegen sich die Füße nicht; die Schienbeine und

Oberschenkel bleiben parallel zueinander, das Perineum ist geöffnet. Wenn

Sie die Füße ruhig halten, wird dadurch die Möglichkeit reduziert, dass sich

die Knie nach innen oder außen biegen.

• Jedes Wackeln oder Gefühl, aus dem Gleichgewicht geraten zu sein, bedeutet,

dass Sie sich zu weit nach vorn beugen.

2. Richten Sie sich aus dem Kwa wieder auf, Halten Sie dabei den Rücken gerade

aufgerichtet und bewegen Sie das Steißbein nicht. Wenn Sie mit der Kwa-Beu-

gung vertraut sind, versuchen Sie, das Gewicht Ihres Rumpfes zu spüren, das

sich während des Beugens deutlich wahrnehmbar durch Ihre Beine nach unten

in Ihre Füße senkt. Versuchen Sie, wenn Sie sich aufrichten, die Kraft zu spüren,

die von Ihren Füßen durch Ihre Beine zu Ihrem Kwa aufsteigt. Nehmen Sie so

viel Druck wie möglich von Ihrem Rücken weg und lenken ihn in Ihr Kwa und

Ihre Beine.

Arbeiten Sie nach Möglichkeit mit einem Partner zusammen, der dafür sorgt, dass

Sie Ihren Rücken oder Hals nicht unkontrolliert wölben oder verdrehen. Auch

267

Page 268: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

hier hat man leicht selbst den Eindruck, dass man beispielsweise keinen runden

Rücken macht, während es tatsächlich so ist. Die Rückmeldung eines Partners

kann in dieser Situation ausgesprochen nützlich sein.

Ü B U N G 1: Die taoistische Wirbelsäulendehnung -erste Hälfte

Die entscheidende Komponente bei der ersten Hälfte der taoistischen Wirbelsäu-

lendehnung bezieht sich auf die Fähigkeit, dass Sie Ihr bewusstes Gewahrsein in

den Körper hineinlenken und jede überflüssige Kraft, Spannung oder Chi-Blockade

auflösen, während Sie wil lentl iche und kontrollierte Bewegungen der Rücken-

muskeln unterlassen, Mit anderen Worten: Sie sollen Ihre Aufmerksamkeit gezielt

auf einen Teil Ihres Körpers richten und alle dort kontrollierte oder festgehaltene

Energie, beispielsweise zwischen zwei Wirbeln, nach der Formel „Eis zu Wasser,

Wasser zu Gas" auflösen.

Konkret können Sie ein Gefühl für diese Technik bekommen, wenn Sie einmal

die Hand zur Faust ballen, ohne sie jedoch zusammenzupressen oder anzuspannen.

Dann lassen Sie mental alles los, was zur Bildung der Faust geführt hat, bis sie sich

öffnet, und schließlich lassen Sie noch jedes Gefühl von substantieller Körperlich-

keit nach außen entweichen. Den gleichen Vorgang können Sie auch üben, wenn

Sie die Augen schließen und durch Entspannung wieder öffnen usw. Werden Sie

sich der inneren Prozesse bewusst, welche diese Art der entspannenden Auflösung

ermöglichen. Üben Sie diese Technik nur an Körperstellen, die sich leicht öffnen

und schließen, und vermeiden Sie, zumindest am Anfang, chronisch verspannte

Stellen. Der Erfolg an problemloseren Stellen motiviert Sie dann für die Arbeit dort,

wo sie am nötigsten ist.

1. Spannung von der Rückseite der Lendenwirbel mental auflösen

Stellen Sie die Füße wieder hüft- oder schulterbreit auseinander, je nachdem,

was Sie als bequem empfinden. Halten Sie Ihre Arme und Hände entspannt

(Abb. 14-2a).

Beugen Sie sich als Nächstes aus dem Kwa so weit nach vorn, wie es angenehm

für Sie ist.

268

Page 269: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die taoistische Wirbelsäulendehnung

Die erste Hälfte der Wirbelsäulendehnung

a) Ausgangsposition: Die Füße stehen parallel zueinander, der Rücken ist gerade, der

Kopf angehoben, die Brust nach unten gesunken, der Bauch entspannt, die Schultern sind

gerundet, b-d) Lösen Sie alle Spannung nach und nach Wirbel für Wirbel von unten nach

oben auf und beugen Sie sich bei jeder einzelnen Auflösung etwas weiter nach vorn. Gehen

Sie dabei von der hinteren Seite der Wirbel aus.

Abbildung 14-2

2. Zuerst mit Wirbelgruppen, dann mit einzelnen Wirbeln arbeiten

Wenn Sie am Anfang für sich allein arbeiten, ist es ganz normal, wenn Sie nur

Wirbelgruppen und nicht jeden Wirbel einzeln spüren können. Manche werden

zum Beispiel zwei bis vier oder vier bis sechs Wirbel spüren. Halten Sie sich an

diese Anleitungen und öffnen und entspannen Sie zuerst diejenige Wirbelgruppe,

die Sie spüren können - ob es sich dabei nun um einen, zwei, vier oder selbst

acht Wirbel handeln mag.

Im Laufe der Zeit wird die Größe der Wirbelgruppe vielleicht abnehmen, und

nach einem Jahr Übungszeit sollte es Ihnen gelingen, einzelne Wirbel zu spüren,

a) Beginnen Sie aus der in Abb. 14-2a dargestellten Position damit, alle Span-

nung zwischen den ersten fünf Wirbeln über Ihrem Kreuzbein bis hoch zum

fünften Lendenwirbel an der hinteren Seite der Wirbelsäule aufzulösen (siehe

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Page 270: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Abb. 14-1). Lösen Sie noch keine Spannung oberhalb des fünften Wirbels auf,

sondern lassen Sie diese vorläufig unangetastet.

Der fünfte Lendenwirbel ist der hauptsächlich Gewicht tragende Wirbel des

Rückgrats. Er liegt dort, wo die Kurve im unteren Rückenbereich am ausgepräg-

testen ist. Dies ist auch die Stelle, wo wahrscheinlich am häufigsten Schmerzen

in der Lendenwirbelsäule auftreten.

b) Während Sie sich aus dem Kwa beugen, lassen Sie die Schwerkraft auf behut-

same und natürliche Weise diese erste Wirbelgruppe leicht auseinander ziehen.

Entscheiden Sie, wie viele Wirbel Sie entspannen wollen, und vergrößern Sie den

Abstand zwischen den einzelnen Bandscheiben (Zwischenwirbelscheiben), wo-

durch jede noch vorhandene Spannung aufgelöst wird (Abb. 14-2b). Ihr Körper

wird vielleicht derart verspannt und unbeweglich sein, dass es ein paar Wochen

dauert, ehe Ihnen eine deutlich wahrnehmbare Trennung der Wirbel gelingt. Sie

dürfen jedoch nicht nachlassen, mental an diesem Bereich zu arbeiten, bis die

erste Entspannung in den Nerven oder im Chi-Fluss spürbar ist.

Allmählich wird die Nervenentspannung bewirken, dass die Muskeln nachgeben

und ein leichtes Auseinanderrücken der Wirbel zulassen. Damit der Rumpf sich

überhaupt beugen kann, müssen die Wirbel in einem gewissen Maß entspannt

und voneinander getrennt werden, auch wenn dies für Sie fast nicht wahrnehmbar

sein kann. Unser Ziel ist, diese Dehnung nach und nach zu erweitern.

3. Die nächste Wirbelgruppe entspannen und dehnen

Gehen Sie dann mental zu der nächsten Gruppe von Wirbeln an der hinteren

Seite der Wirbelsäule weiter. Sie liegen genau über denjenigen, in denen Sie die

Spannung gerade aufgelöst haben (Abb. 14-2 c und d). Lösen Sie zuerst jede

Spannung mental auf, und lassen Sie dann wieder die Schwerkraft auf behutsame

Weise diese Wirbel öffnen. Oberhalb dieser Wirbel darf nichts bewegt, gebeugt

oder gedreht werden. Nur Ihre Wirbelsäule beugt sich leicht an der Stelle, wo

Sie Ihre Wirbel bereits entspannt haben. Gehen Sie dann auf Ihrer Wirbelsäule

weiter aufwärts - von Wirbelgruppe zu Wirbelgruppe. Im Laufe der Zeit werden

Sie feststellen, dass die Wirbelgruppe, die Sie spüren können, sechs bis vier

oder vier bis zwei Wirbel umfasst. Manchmal können Sie die Entspannung auch

nur in einem einzigen Wirbel spüren, bevor Sie mit einer neuen Wirbelgruppe

weitermachen. Schließlich werden Sie jeweils immer nur einen Wirbel separat

von Spannung befreien können.

270

Page 271: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die taoistische Wirbelsäulendehnung

Ein Übungspartner kann Ihnen wieder sehr helfen, wenn er seine(n) Finger auf

den Wirbel legt, den Sie gerade entspannen wollen. Damit kann er Ihre Aufmerk-

samkeit auf die richtige Stelle lenken.

Fahren Sie mit diesem Prozess fort und entspannen Sie jeweils einen Wirbel oder

eine Wirbelgruppe auf einmal. Jedes Mal, wenn Sie einen Wirbel entspannen,

können Sie die darunter liegenden Wirbel weiter entspannen. Die Wirbel, die

über dem einen Wirbel liegen, an dem Sie gerade arbeiten, dürfen jedoch nicht

bewegt werden. Wenn Sie sich dem Hals nähern, wird es immer schwieriger,

den Kopf davor zu bewahren, nach vorn zu fallen. Achten Sie auf diese Tendenz,

und lassen Sie sich wieder von einem Partner dabei helfen, diese Fehlstellung zu

korrigieren, indem er Ihnen seinen Arm vor die Nase hält. Damit wird Ihr Partner

Ihnen sofort signalisieren, wenn Sie Ihre obere Wirbelsäule und Ihren Hals zu

früh nach vorn gebeugt haben.

4. Die Spannung in den Schulter- und Armgelenken auflösen

Die Auflösung von Spannung im Bereich der Halswirbelsäule erweist sich für

die meisten Menschen als extrem schwierig. Wenn Sie die Wirbel vom un-

teren Ende des Halses (7. Halswirbel) bis zum Atlas an der Basis des Kopfes

(1. Halswirbel) energetisch entlasten, beginnen Sie zunehmend auch damit, die

Schulter-, Ellbogen- und Handgelenke, die Handflächen und Finger zu öffnen.

Zu dem Zeitpunkt, wenn die Spannung im Atlas aufgelöst ist, sollten auch Ihre

Fingergelenke vollständig von Spannung befreit sein. Dadurch wird sich der Ner-

ven* und Chi-Fluss zwischen Wirbelsäule, Armen und Fingerspitzen verbessern.

5. Die Spannung zwischen den Schädelplatten auflösen

Nachdem Sie den Atlas energetisch entspannt haben, beginnen Sie damit, die

Spannung zwischen den Schädelplatten aufzulösen. Der menschliche Schädel

besteht bekanntlich nicht nur aus einem Knochen, sondern aus mehreren Platten,

die durch Schädelnähte zusammengefügt sind. Die Spannung zwischen diesen

Platten kann durch bewusste Willensaktivität aufgelöst werden. Wenn sich die

Wirbelsäule, der Hals und die Schädelplatten entspannen, verbessert sich auch

die Leitfähigkeit in den Nervenbahnen, der Chi-Fluss nimmt zu und die Gehirn-

Rückenmarks-Pumpe arbeitet leistungsfähiger.

271

Page 272: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Ü B U N G 2: Die taoistische Wirbelsäulendehnung -zweite Hälfte

Die Wirbelsäule hat zwei Hauptfunktionen zu erfüllen. Die eine betrifft die im

ersten Teil dieser Übung beschriebene Beuge- und Biegebewegung; die zweite

Funktion besteht darin, dass wir uns aufrichten und aufrecht stehen können. Damit

beschäftigen wir uns im zweiten Teil der Wirbelsäulendehnung.

1. Die vordere Seite der Wirbel öffnen, aufrichten und dehnen

Zu Beginn stehen Ihre Füße weiterhin parallel und schulterbreit auseinander.

Wirbelsäule, Kopf und Arme sind völlig entspannt. Gehen Sie wieder von unten

nach oben vor und lassen Sie die Wirbel oberhalb der jeweiligen Übungsebene

unangetastet. Derselbe Vorgang sollte für jeden Wirbel (oder jede Wirbelgruppe)

wiederholt werden, bis Sie an Ihrem Hals angelangt sind (Abb. 14-3 a-d).

Bei der ersten Hälfte der Übung wird die hintere Seite der Wirbel besonders

gedehnt und von den darunter liegenden Wirbeln getrennt. Bei der zweiten

Hälfte konzentrieren Sie sich, wenn Sie sich wieder aufrichten, beim Dehnen

und Anheben vor allem auf die innere oder vordere Seite der Wirbel.

2. Die Wirbelsäule strecken und aufrichten

Gehen Sie mental zu den beiden nächsthöheren Wirbeln weiter. Verlängern Sie

diese dann physisch und heben sie an, so dass sie gerade aufgerichtet sind. Alle

Wirbelabschnitte, die oberhalb des dritten Wirbels bis zum Scheitelpunkt des

Kopfes liegen, bleiben weiterhin völlig entspannt und locker. Wieder empfiehlt

es sich, dass ein Übungspartner seine(n) Finger zwischen die beiden Wirbel legt,

an denen Sie gerade arbeiten, so dass Sie die betreffende Stelle deutlicher spüren

und mehr Aufmerksamkeit dorthin lenken können. Der Partner sollte die andere

Hand in Ihren Nacken legen, damit Ihr Hals und oberer Rücken locker bleiben

und sich nicht vorzeitig aufrichten. Diese Unterstützung ist vergleichbar mit der

aus der ersten Hälfte der Wirbelsäulendehnung, als der Partner eine Hand vor Ihre

Nase hielt, damit sich Ihr Hals und oberer Rücken nicht vorzeitig entspannten

und nach vorn beugten.

3. Den Hals nicht steif werden lassen

Wenn Sie die Mitte des oberen Rückens (Brustwirbelsäule) erreichen, werden

mit ziemlicher Sicherheit Probleme auftauchen: Der Hals wird dann sehr stark

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Page 273: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die taoistische Wirbelsäulendehnung

Die zweite Hälfte der Wirbelsäulendehnung

a) Die Körperhaltung nach Abschluss des ersten Übungsteils: Sie sind so weit wie möglich

nach vorn gebeugt, b-d) Richten Sie sich auf und öffnen Sie die vordere Seite der Wirbelsäule

von unten nach oben.Öffnen bedeutet, dass Sie jeden einzelnen Wirbel an der Vorderseite

anheben; die Rückseite ist bereits im ersten Teil der Dehnungsübung geöffnet worden.

Abbildung 14-3

dazu neigen, steif zu werden und sich aufzurichten oder nach hinten zu neigen.

Dies entspricht jener Phase in der ersten Hälfte der Übung, als Hals und oberer

Rücken sich vorzeitig entspannen und nach unten sinken wollten.

4. Den Hals aufrichten und die Schädelplatten dehnen

Zu den wichtigsten Punkten bei dieser Übung gehört das Öffnen und Aufrichten

der Wirbel von der Basis des Halses bis zur Schädelbasis sowie das Öffnen der

Schädel platten. Achten Sie besonders auf diese Bereiche, damit sich keine Energie

in der Wirbelsäule staut. Vom siebten Halswirbel an bis zu den Schädelplatten

richten Sie Ihren Hals und Ihren Kopf immer höher auf; gleichzeitig öffnen Sie

behutsam Ihre Armgelenke bis zu den Fingerspitzen, so wie Sie diese schon im

ersten Teil der Übung am Ende der Beugung nach unten entspannt haben.

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Page 274: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Leitlinien für die Praxis der taoistischen Wirbelsäulendehnung

1. Zuerst mit einem Partner üben

Die Hände eines Partners auf Ihrem Rücken helfen Ihnen, jeden Wirbel gesondert

und einzeln wahrzunehmen und zu spüren.

2. Lernen Sie zuerst Wirbelgruppen, dann einzelne Wirbel trennen

Wenn Sie alleine üben, ist es am Anfang ganz normal, dass Sie nur große Teilstü-

cke Ihres Rücken als Einheit spüren können. Für die meisten Menschen liegt die

wahrgenommene Einheit bei Gruppen von vier bis sechs Wirbeln, doch können

die meisten nach etwa einem Übungsjahr ihre Wirbel einzeln spüren. Lösen Sie

daher die Spannung und öffnen Sie den Bereich, den Sie wahrnehmen - ob es

sich dabei nun um einen, zwei, vier oder selbst acht Wirbel handelt.

3. Nicht mehr als drei Wirbelsäulendehnungen auf einmal üben

Auf keinen Fall sollten Sie pro Übungseinheit mehr als drei Wirbelsäulendeh-

nungen ausführen. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme gegen Überlastung und

Überdehnung. Außerdem verringert sich das Verhältnis von Zeitaufwand und

Nutzen bei mehr als drei Wirbelsäulendehnungen ganz beträchtlich. Falls Sie das

Gefühl haben, dass Ihr Rücken wirklich ein intensiveres Training braucht, dann

verwenden Sie mehr Zeit auf jede einzelne Wirbelsäulendehnung, anstatt die

Anzahl der Wiederholungen zu erhöhen. Sie können auch mehr als einmal pro

Tag üben, vorausgesetzt, Sie halten zwischen den Übungseinheiten eine Pause

von mindestens vier Stunden ein.

4. Plötzliche Steigerungen in der Übungszeit vermeiden

Wenn Sie gewohnt sind, diese Übungen täglich oder jeden zweiten Tag zu

praktizieren, was übrigens der vorteilhafteste Rhythmus ist, und Sie müssen aus

irgendwelchen Gründen für eine Woche oder länger damit aussetzen, dann

versuchen Sie nicht, den Zeitverlust wieder wettzumachen. Üben Sie zunächst

etwas weniger als vor der Unterbrechung. Steigern Sie das Pensum dann wieder

mit jeder Übungseinheit. Auf diese Weise werden Sie weder Ihr Nervensystem

erschöpfen noch Ihre Muskeln überanstrengen.

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Page 275: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die taoistische Wirbelsäulendehnung

5. Auf das Entspannen, nicht das Dehnen der Wirbel konzentrieren

Es muss Ihnen klar sein, dass es bei der taoistischen Wirbelsäulendehnung nicht

in erster Linie darum geht, sich sehr tief nach unten zu beugen. Es handelt sich

dabei nicht um eine Gymnastikübung aus dem Schulsport. Sie möchten vielmehr,

dass Ihre Wirbelsäule die weiche, natürliche Beweglichkeit wie bei einem Kind

wiedergewinnt. Dieser Prozess braucht jedoch Zeit und kann nicht überstürzt

angegangen werden. Anfangs kommt es nicht auf die Dehnung, sondern auf Ihre

Fähigkeit an, Ihr bewusstes Gewahrsein in diejenigen Wirbel zu lenken, die Sie

entspannen möchten. Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht überfordern; kämpfen

Sie nicht gegen Schmerzen oder eine Verletzung an. Gehen Sie langsam und mit

Geduld vor. Im Laufe der Zeit werden Sie Ihre Wirbelsäule zunehmend beherr-

schen und sie darin unterstützen können, wieder beweglicher zu werden.

Die taoistische Wirbelsäulendehnung im Sitzen Obwohl viele Chi-Gung-Übungen hauptsächlich in Bewegung ausgeführt werden,

können sie auch im Sitzen, Stehen, Liegen oder während solcher Aktivitäten wie im

Gespräch oder beim Sex praktiziert werden. Die taoistische Wirbelsäulendehnung

lässt sich auch im Sitzen ausführen, und sie ist für jeden nützlich, der längere Zeit

über sitzt, beispielsweise bei der Arbeit, in der Schule oder während der Meditation.

Die Grundmethode für die Wirbelsäulendehnung im Sitzen gleicht der Ausfüh-

rung im Stand. Vergewissern Sie sich, dass Sie die Vorgehensweise verstehen und

gehen Sie noch einmal die weiter oben gegebenen Anleitungen durch. Achten Sie

besonders darauf, auf welche Weise und warum sich die vordere und die hintere

Seite der einzelnen Wirbel oder der Wirbelgruppen voneinander trennen, bewegen

und dehnen, während Sie sich bei der ersten Hälfte der Dehnung nach vorn beugen

und bei der zweiten Hälfte strecken.

Aufwärmübungen für die Wirbelsäulendehnung im Sitzen Schauen Sie sich noch einmal die Aufwärmübung 2 in diesem Kapitel und die

Körperausrichtungen im Sitzen (siehe Kapitel 6) an. Machen Sie im Sitzen ein paar

275

Page 276: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

a) Ausgangsposition: Die Füße stehen parallel zueinander, der Rücken ist gerade, der

Kopf angehoben, die Brust nach unten gesunken, der Bauch entspannt, die Schultern sind

gerundet, b-d) Lösen Sie alle Spannung nach und nach Wirbel für Wirbel von unten nach

oben auf und beugen Sie sich nach jeder einzelnen Auflösung etwas weiter nach vorn. Gehen

Sie dabei von der hinteren Seite der Wirbel aus.

Abbildung 14-4

Beugungen aus dem Kwa zur Vorbereitung. Halten Sie Rumpf und Kopf aufrecht;

lassen Sie Ihren Körper sich nach vorn neigen und dann wieder in seine ursprüng-

liche Position zurückkehren.

Denken Sie daran, dass bei dieser Beugung die Bewegung des Rumpfes aus dem

Kwa entsteht und nicht von den Rückenmuskeln, dem Kopf oder dem Hals ausgeht.

Halten Sie Ihren unteren Rücken gerade, während Sie ausschließlich den Antrieb

Ihrer Beine und Ihres Kwa dafür nutzen, um sich nach vorn zu lehnen und um den

Rücken wieder aufzurichten. Halten Sie Ihre Füße fest im Boden verwurzelt, wenn

Sie sich beugen oder strecken. Achten Sie darauf, ob Sie deutlich spüren können,

wie das Gewicht Ihres Rumpfes durch Ihre Beine nach unten in Ihre Füße sinkt,

während Sie sich beugen; und versuchen Sie, wenn Sie sich wieder aufrichten, die

Kraft zu spüren, die von Ihren Füßen durch Ihre Beine zu Ihrem Kwa hochsteigt.

Nehmen Sie so viel Druck wie möglich aus Ihrem Rücken und lenken ihn in Ihr

Kwa und Ihre Beine.

Halten Sie sich an die 70-Prozent-Regel, um eine Überlastung Ihres Rückens zu

vermeiden. Achten Sie unbedingt darauf, dass die Kraft, die Sie für das Heben und

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Die taoistische Wirbelsäulendehnung

Die zweite Hälfte der Wirbelsäulendehnung im Sitzen

a) Die Körperhaltung nach Abschluss des ersten Übungsteils: Sie sind so weit wie möglich

nach vorn gebeugt, b-d) Richten Sie sich auf und öffnen Sie die vordere Seite der Wirbelsäule

von unten nach oben. Öffnen bedeutet, dass Sie jeden einzelnen Wirbel an der Vorderseite

anheben; die Rückseite ist bereits im ersten Teil der Dehnungsübung geöffnet worden.

Abbildung 14-5

Senken Ihres Rückens brauchen, aus dem Hochdrücken von Ihren Füßen, durch

die Beine und das Kwa zu Ihrer Wirbelsäule stammt, und nicht aus den Rücken-

muskeln.

Wenn Sie körperliche Probleme haben oder im Rollstuhl sitzen und Ihre Beine

nicht dazu nutzen können, um sich vom Boden hochzudrücken, dann setzen Sie

Ihr Kwa ein, anstatt in irgendeiner Weise auf Ihre Rückenmuskeln angewiesen zu

sein. Dadurch können Sie eine Belastung des Rückens verhindern helfen.

Die eigentliche Übung der Wirbelsäulendehnung im Sitzen 1. Beugen Sie Ihre Wirbelsäule leicht nach vorn. Gehen Sie zur Basis der Wirbelsäu-

le am Steißbein und lösen Sie zuerst mental die Spannung in den unteren Wirbeln

so weit wie möglich auf. Konzentrieren Sie sich dann darauf, die Schwerkraft

die hintere Seite Ihrer Wirbel entweder einzeln oder in kleinen Wirbelgruppen

entspannen und öffnen zu lassen. Beginnen Sie am Steißbein und fahren Sie

damit bis zum obersten Halswirbel fort (Abb. 14-4).

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Kapitel 13

2. Während Sie immer noch nach vorn gebeugt sind, beginnen Sie Ihre Wirbelsäule

zu strecken und aufzurichten. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach unten auf

die vordere Seite Ihrer Wirbel am Steißbein und am Kreuzbein. Entspannen und

öffnen Sie die vordere Seite der aufeinander folgenden Wirbel entweder einzeln

oder in kleinen Wirbelgruppen (Abb. 14-5).

3. Wenn eine Seite Ihres Körpers verspannter als die andere ist, dann legen Sie mehr

Nachdruck auf das Hochdrücken aus dem Kwa auf der verspannten Seite.

Die nächste Stufe der Wirbelsäulendehnung Sobald Sie mit den körperlichen Bewegungen der Wirbelsäulendehnung, sei es im

Stand oder im Sitzen, vertraut sind, ist der Zeitpunkt dafür gekommen, sich etwas

mit der Dynamik zu beschäftigen, um Energie von der Wirbelsäule nach unten zu

bewegen. Dafür müssen Sie die grundlegenden Techniken der Standform ausführen

können. Dazu gehören: Ihr Chi sinken lassen, Ihren Energiekörper durchscannen

und der äußere Auflösungsprozess von Chi (siehe Kapitel 7).

Obwohl das Sinkenlassen und Auflösen von Chi getrennt voneinander ange-

wendet werden kann, sollten im Idealfall beide Übungen miteinander verbunden

werden, um den Nutzen aus der Kwa-Beugung oder der Wirbelsäulendehnung zu

erhöhen. Die beste Vorgehensweise, um beide Methoden reibungslos zu integrie-

ren, besteht darin, zuerst Ihr Chi mindestens einen Monat oder so lange sinken zu

lassen, bis Sie sich nach Ihren eigenen Maßstäben zumindest etwas erfahren darin

fühlen, und erst dann das Auflösen hinzuzufügen.

Diese beiden Techniken werden Sie immer mehr in die Übung der Wirbelsäulen-

dehnung integrieren. Der Prozess des Sinkenlassens und Auflösens ist jedoch nicht

nur bei der taoistischen Wirbelsäulendehnung anzuwenden, sondern beides sollte

immer dann eingesetzt werden,

• wenn Sie spüren, dass sich eine Körperausrichtung nicht mühelos einnehmen

lässt

• wenn Sie irgendeinen anhaltenden Schmerz in Ihrem Körper erfahren

• wenn Sie auf eine Energieblockade oder Schmerzen stoßen, während Sie eine

Chi-Gung- oder andere Bewegung der taoistischen Energiekünste ausführen

• wenn Sie einen stärkeren Chi-Fluss in Ihrem Körper anregen wollen

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Die taoistische Wirbelsäulendehnung

Während dieser nächsten Übungsphase ist es wichtig, wie sehr Sie Ihre Nerven

entspannen und wie viel Chi Sie in der Wirbelsäule freisetzen können.

Fortgeschrittene Aufwärmübung 1: Die Wirbelsäule deutlicher spüren

Es ist wichtig, dass Sie lernen, mehr Sensibilität zu entwickeln, damit Sie die Wirbel

auf der hinteren und der vorderen Seite Ihrer Wirbelsäule genau spüren können.

Bei der Aufwärmübung 1 (siehe S. 266) haben Sie gelernt, Ihre Rückenmuskeln

von Ihrer Wirbelsäule zu unterscheiden. Wiederholen Sie diese Aufwärmübung nun

und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf, wie sich die hintere und die vordere

Seite jedes einzelnen Wirbels anfühlt.

Erweitern Sie dann diese innere Erforschung und richten Sie Ihr bewusstes Gewahr-

sein darauf, wiesich der gesamte Wirbel anfühlt-hinten, seitlich und vorne. Für diese

Aufgabe kann die Auflösung des gesamten Wirbelsein sehr kraftvolles Hilfsmittel sein.

Lassen Sie nun Ihr Gewahrsein erforschen, wie die vordere Seite jedes Wirbels,

den Sie gerade erspüren, sich auf irgendeine undefinierbare Weise anders als die

hintere Seite desselben Wirbels anfühlt. Dieser Unterschied kann sich vielleicht als

Stimmungsveränderung oder Druckgefühl zeigen. Haben Sie Geduld, machen Sie

weiter und versuchen Sie, dieses subtile Gefühl zu vertiefen.

Bleiben Sie entspannt und probieren Sie, alles im Inneren Ihres Bauches (Mus-

keln, Organe usw.) zu fühlen und zu bewegen, bis Sie entdecken können, dass sich

irgendein Teil der vorderen Seite der Rückenwirbel bewegt - und wenn es nur ein

bisschen ist. Das ist besonders bei denjenigen Wirbeln der Fall, die sich senkrecht

auf und ab bewegen, wenn sie sich näher zusammen und dann wieder auseinander

bewegen. Dehnen Sie diese Bewegung dann auf so viele Wirbel wie möglich aus,

doch sollten Sie nicht versuchen, Ihre Wirbel zur Seite zu bewegen.

Fortgeschrittene Aufwärmübung 2: Die nächste Stufe der Kwa-Beugung 1. Aus dem Kwa beugen

Beugen Sie sich langsam aus dem Kwa nach vorn. Lassen Sie dabei Ihr Chi

durch Ihre Beine sinken oder lösen Sie es auf. Denken Sie daran, Ihren Rücken

gerade zu halten.

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Kapitel 13

2. Aus den Beinen aufrichten

Beim Aufrichten drücken Sie behutsam von Ihren Füßen durch Ihre Beine nach

oben. Dadurch können Sie die natürliche Kraft Ihrer Beine dafür nutzen, um das

Kwa und das Gewicht Ihres Rumpfes hochzudrücken und anzuheben, ohne dass

Sie Ihre Knie belasten müssen. Die Beine werden dabei nur minimal gestreckt

und durchgedrückt. Durch größere Erfahrung damit, Chi sinken zu lassen und

durch die Beine aufzulösen, wird die Ausführung zunehmend wirksamer und

einfacher.

3. Die Energie sinken lassen

Als Nächstes beugen Sie sich langsam aus dem Kwa nach unten und lassen

die Energie aus Ihrer gesamten Wirbelsäule durch Ihre Beine in den Boden

sinken und/oder lösen sie auf. Spüren Sie jeden einzelnen Wirbel oder kleine

Wirbelgruppen und lösen Sie alle darin gestaute Energie durch Ihre Beine in

den Boden hinein auf. Weil die Energie in der Wirbelsäule und in den Beinen

derart eng miteinander verbunden ist, kann manchmal auch eine Verlangsamung

und Auflösung von Chi an der Stelle, wo es in Ihren Beinen festzusitzen scheint,

weitere in der Wirbelsäule gestaute Energie während der Kwa-Beugung oder bei

der Wirbelsäulendehnung selbst freisetzen.

Sinkenlassen und Auflösen während der Wirbelsäulendehnung

1. Zur Ruhe kommen

Vor der Beugung aus dem Kwa nehmen Sie sich ein paar Augenblicke Zeit, um

das Chi aus Ihrer gesamten Wirbelsäule durch Ihre Beine in den Boden sinken

zu lassen.

2. Chi sinken lassen und Wirbel für Wirbel einzeln auflösen

a) Beugen Sie sich aus dem Kwa nach vorn. Lassen Sie aus jedem einzelnen

Wirbel das Chi sinken, bis es Ihre Füße erreicht und Ihre Beine innerlich feucht

werden (siehe S. 148f.). Fahren Sie dann während der gesamten Übungsphasen

des Beugens und Streckens der Wirbelsäulendehnung damit fort, Ihr Chi durch

Ihre Beine sinken zu lassen. Das wird Ihnen dabei helfen, Ihre Beine mit Ihrer

Wirbelsäule zu verbinden, die Energie der Wirbelsäule zu erden und die Auflö-

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Page 281: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Die taoistische Wirbelsäulendehnung

sung von blockierter Energie in Ihren Wirbeln zu verbessern. Behalten Sie nach

Möglichkeit eine kontunierliche Abwärtsbewegung von sinkendem Chi während

der gesamten Wirbelsäulendehnung bei, ob Sie nun den Auflösungsprozess

hinzufügen oder nicht. Setzen Sie dies so lange fort, bis Sie Ihr Chi durch jeden

einzelnen Wirbel oder jede Wirbelgruppe, auf die Sie sich konzentrieren, sinken

lassen können. Jedes Mal, wenn Sie eine Dehnung ausführen, versuchen Sie, die

Freisetzung von gestauter Energie zu erhöhen.

b) Beim Strecken und Aufrichten fahren Sie damit fort, Ihr Chi so gut wie möglich

sinken zu lassen. Setzen Sie dies so lange fort, wie Ihr Körper dafür braucht, um

sich an diesen Prozess zu gewöhnen, ehe Sie zur nächsten Stufe weitergehen.

Das kann Tage, Wochen oder sogar noch länger dauern.

Darstellung der Vorderseite der Wirbelsäule in Beziehung zu den Rippen

und dem Beckenbereich

Abbildung 14-6

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Kapitel 13

3. Chi gleichzeitig sinken lassen und auflösen

Als Nächstes wenden Sie das Freisetzen von blockierter Energie, das Sinkenlassen

des Chi und die Auflösungstechniken so gut wie möglich zusammen an. Wenn

Sie nach unten gehen, lösen Sie zuerst die Wirbel, an denen Sie gerade arbeiten,

bis zur Grenze Ihres Ätherkörpers auf.

Lassen Sie dann das aufgelöste Chi aus den Wirbeln, an denen Sie gerade arbei-

ten, nach unten bis zu Ihren Füßen sinken, während Sie Ihr Kwa leicht beugen

und die hintere Seite der Wirbel strecken. Sie können dieses aus der Wirbelsäule

herabsinkende Chi auch immer dort auflösen, wo es in Ihren Beinen blockiert

wird, ehe Sie damit fortfahren, das Chi vollständig bis zu Ihren Füßen sinken

zu lassen.

Wenn Sie Ihre Wirbelsäule aufrichten, lösen Sie wieder dieselben Wirbel auf und

lassen ihr Chi bis zu Ihren Füßen sinken, bevor Sie physisch von Ihren Füßen

durch Ihre Beine nach oben drücken, um Ihr Kwa anzuheben und dadurch das

Anheben der Wirbel zu unterstützen. Ihre Beine sollten immer leicht gebeugt

bleiben, während Sie die Wirbelsäule aufrichten.

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Kapitel 15

Nei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

Die nächste Stufe des Chi Gung

Dieses Kapitel wird Praktizierenden jeder Form des Chi Gung oder Tai Chi aufzeigen,

wo sie in ihrer Übung noch Fortschritte machen könnten.

Bis vor wenigen Jahrzehnten war Chi Gung nur in China bekannt und wurde

nirgendwo sonst verstanden. Das Wissen um das Potential des umfassenden Chi-

Gung-Systems ist im Wesen auch heute immer noch unvollständig. Für viele im

Westen ist Chi Gung lediglich eine östliche Methode der Körperbewegung, eine Art

von Tanz- oder anmutige Bewegungstherapie oder auch eine geheimnisvolle und

kraftvolle Kampfkunst. In China ist dagegen das volle Potential des Chi Gung für

Körper, Geist und Seele durch die Praktiken des Nei Gung verwirklicht worden.

Intellektuelles und konkretes Wissen Es gibt zwei Arten von Wissen im Körper/Geist-Bereich: Die erste Art bringt nur mit

sich, dass Sie intellektuell das System verstehen, innerhalb dessen es existiert. Die

zweite Art von Wissen über Nei Gung verlangt, dass Sie es in Ihrem Körper erfahren.

Für die erste Art von Wissen braucht man keinen Lehrer. Die zweite Art erfordert

sowohl einen Lehrer als auch unterstützende Materialien, wie beispielsweise das

vorliegende Buch. Dementsprechend wendet sich dieses Kapitel an drei Gruppen

von Lesern:

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Page 284: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Bruce Frantzis demonstriert eine Chi-Cung-Standform

vor einem Tempel in Kunming, China.

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Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

• Bei der ersten Gruppe handelt es sich um intellektuell neugierige Leser, die

persönlich niemals Chi Gung geübt haben, aber gerne wissen möchten, worum

es dabei geht. Dieses weite Thema wird detailliert dargestellt, so dass ein zu-

sammenhängendes Bild von seiner Tiefe und Komplexität entsteht, wobei eine

Menge an Material bisher nicht in gedruckter Form vorgelegen hat. Es wi rd auf-

gezeigt, dass Chi Gung mehr als nur eine physische Bewegungsform ist, sondern

vielmehr eine wichtige Methode, um durch eine differenzierte Energietechnik

namens Nei Gung Zugang zu unserer inneren Ökologie zu erhalten.

• Die zweite Gruppe besteht aus Praktizierenden, die schon etwas Chi Gung

gelernt haben und sich weiterentwickeln möchten.

• Der dritte Leserkreis besteht aus bereits länger übenden und weiter fortgeschrit-

tenen Praktizierenden und Lehrern des Chi Gung. Diejenigen, die das Glück

hatten, genügend authentische Erfahrung bei qualifizierten Lehrern gesammelt

zu haben, können durchaus versuchen, einige der hier beschriebenen Metho-

den zu praktizieren, ohne dass sie dafür eine gründliche Überwachung oder

die schrittweisen Anleitungen wie in anderen Teilen dieses Buches benötigen.

Sie können sich auch dazu anregen lassen, sich umfassendere Kenntnisse über

Nei Gung zu verschaffen, so dass sie es tatsächlich verkörpern und an andere

weitergeben können.

Die nächste Stufe beim Öffnen der Energietore des Körpers Zur nächsten Stufe im Programm der Energietore gehört, differenziertere Aspekte

des Nei Gung zu erlernen. Dafür gibt es drei Wege:

• Sie können sich bestimmte Aspekte des Nei Gung aneignen, um sie in die Be-

wegungsformen aufzunehmen, die Sie bereits erlernt haben - die Standform,

die Wolkenhände, die drei Schwungübungen und die Wirbelsäulendehnung.

• Sie können differenziertere Standpositionen und tiefere Aspekte von bereits

geübten Bewegungsformen erlernen, w ie beispielsweise das Chi-Gung-Pro-

gramm des Spiral-Energiekörpers, das sich mit verschiedenen Komponenten

des Nei Gung beschäftigt.

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Page 286: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 15

• Sie können auch völ l ig neue Chi-Cung-Bewegungen erlernen, wodurch es

einfacher werden mag, bestimmte Komponenten des Nei Gung zu erlernen.

Einmal erlernt, kann jeder Aspekt des Nei Gung in allen taoistischen Systemen

genutzt werden und bietet die Möglichkeit, auch dem Gebrauch in anderen

Traditionen angepasst zu werden.

Standpositionen Das ursprüngliche taoistische Energiesystem besteht aus ungefähr 200 statischen

Standpositionen. Es war bereits während der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.), Chi-

nas Goldenem Zeitalter, wohlbekannt. Sämtliche inneren Energiebewegungen und

die Grundpositionen der inneren Kampfkünste des Tai Chi, Hsing-I, Ba Gua und die

acht Positionen des I Chuan leiten sich aus diesem System ab. Eine chinesische Denk-

richtung behauptet, dass das gesamte System des Chi Gung ausschließlich durch

die etwa 200 statischen Standpositionen erlernt werden könne. Die mehrheitliche

Meinung ist jedoch, dass, obwohl die Standform ungeheuer wertvoll ist, auch die

Bewegungsformen und die Übungen im Sitzen von wesentlicher Bedeutung für die

richtige Mischung sind.

W a s ist e ine Position?

Der chinesische Begr i f f s t , „Position", so wie er im Chi Gung

und Tai Chi benutzt wird, ist verwirrend, weil er zwei Vorstel-

lungen vermischt, die normalerweise getrennt sind. Aus der

Perspektive der Standform des Chi Gung ist die eingenommene

Haltung oder Stellung, wie bei der Standposition (Abb. 15-1)

dargestellt, statisch. In diesem Falle bedeutet der Begriff shr eine

Position, so wie wir sie verstehen.

Bei der Bewegungsform des Chi Gung wird die gesamte dy-

namische und kontinuierliche Bewegung ebenfalls als Position

bezeichnet. Diese Bewegungen werden jedoch nur nach ihren

statischen Endpositionen identifiziert und benannt. Die ver-

schiedenen Positionen innerhalb der Chi-Gung-Bewegungen,

die zu der Endposition führen, werden nicht benannt. Beispiels-

weise bestehen beide Wolkenhand-Übungen und jede der drei

Schwungübungen aus mehreren, miteinander verbundenen stati-

schen Positionen aus den ursprünglich etwa 200 Standformen.

Die Grundposition

der Standform

Abbildung 13-11 Abbildung 13-12

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Page 287: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

D i e Eigenschaften der Standposi t ionen

Wenn wir zur nächsten Stufe der Chi-Gung-Standform übergehen, müssen wir uns

zumindest mit einigen der 200 Positionen näher beschäftigen.

Bei der einfachsten und energetisch neutralsten Form des gesamten Systems stehen

Sie mit Ihren Füßen parallel zueinander und Ihren Armen an den Seiten des Körpers

(Abb. 15-1). Das ist die ideale Position, durch die Sie zuerst die Wissenschaft der

Standform des taoistischen Chi Gung erlernen können.

Bei der nächsten Position, die Sie wahrscheinlich erlernen, stehen Sie und hal-

ten beide Arme etwa auf Brusthöhe und gerundet, so als würden Sie einen Baum

umarmen (siehe Abb. S. 284).

Jede Position ist für Ihr Chi als Ganzes von Nutzen und hilft Ihnen bei jeder tao-

istischen Praxis, für die Sie sich entscheiden. Jede Position hat jedoch auch ihre

eigene klare Funktion, die spezielle wicht ige Chi-Kreisläufe aktiviert und Ihnen

bewusst macht. Jede veranlasst Ihren Körper dazu, sich auf eine bestimmte Weise

zu verändern. Jede kann dazu genutzt werden, um Ihre Energie auf die Hei lung

bestimmter Probleme zu lenken, besondere Formen von physischer Kraft zu entwi-

ckeln und innere Fähigkeiten freizusetzen.

Standformen und A r m h a l t u n g e n der Posit ionen

Die etwa 200 Positionen werden in drei verschiedenen Standformen ausgeführt:

• die in diesem Buch gelehrte Grundform

• im Wechsel w i rd das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilt und die

Hüften werden gedreht, so dass das Gewicht jeweils nur auf einem Bein ruht

• das Gewicht ist in in unterschiedlichem Verhältnis auf beide Beine verteilt; die

Füße stehen oft nicht parallel zueinander

Die Arm- und Handhaltungen bei den Positionen sind sehr variabel. Beide Arme

können sich spiegelbildlich zueinander bewegen, die Bewegung kann aber auch

unterschiedlich sein. Zu den Variationen gehören:

• die Höhe der Hände

• die Ausrichtung der Hände zur Mittel l inie des Rumpfes - die Hände sind der

Vorderfront, der Seite oder dem Rücken zugewandt

• die Ausrichtung der Handflächen und Finger

• die Entfernung der Hände vom Körper

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Page 288: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Heiler und Lehrer des Chi Gung können individuell angepasste Standpositionen

unterrichten, um ein bestimmtes energetisches Ungleichgewicht zu korrigieren oder

um potentielle Energien und Begabungen hervortreten zu lassen.

Das Chi Gung des Spiral-Energiekörpers Teil 2 beim Öffnen der Energietore des Körpers ist das Chi Gung des Spiral-Ener-

giekörpers. Es gehört zu den fortgeschrittenen Stufen des B. K. Frantzis Energy Arts

Programm (siehe Anhang G). Hier werden die Chi-Gung-Standform, die Wolken-

hände, die drei Schwungübungen und die Wirbelsäulendehnung dafür genutzt, um

nach und nach weitere Komponenten aus dem Nei-Gung-System zu integrieren.

Zu diesem Kurs gehören auch zusätzliche theoretische Grundinformationen und

spezielle innere Techniken. Andere Aspekte des Nei Gung lassen sich zu Anfang

leichter erlernen; dabei wi rd mit körperlichen Bewegungen gearbeitet, die sich von

denjenigen des Chi Gung der Energietore unterscheiden, wie beispielsweise im Chi

Gung „Die Götter spielen in den Wolken".

Die 16 Grundkomponenten des Nei-Gung-Systems

Das taoistische Wissen darüber, wie die Energie im menschlichen Körper fließt,

beruht auf den 16 Grundkomponenten des Nei Gung. Die Abbildungen 15-2 und

15-3 stellen die energetische Anatomie des Körpers dar.

Zu den 16 Grundkomponenten des Nei Gung gehören:

1. Atemmethoden, bei einfacheren angefangen bis hin zu komplexeren

2. Chi entlang der verschiedenen aufsteigenden, absteigenden und die Seiten

verbindenden Energiekanäle innerhalb des Körpers bewegen

3. Körperausrichtungen anpassen, die den Ch-Fluss behindern

4. Alle Energieblockaden aufspüren, freisetzen und auflösen

5. Chi durch alle Akupunkturbahnen, Energietore und Akupunkte lenken

6. Beugen und Dehnen des Bindegewebes von innen nach außen und von außen

nach innen entlang derYin- und Yang-Akupunkturbahnen

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Page 289: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

7. Öffnen und Schließen (Pulsieren)

8. Mit den Energien des Ätherkörpers oder der Aura arbeiten

9. Energiekreise und -Spiralen im Körper erzeugen

10. Chi aufnehmen und aussenden und es wil lentl ich in jeden Körperteil lenken

11. Alle Energien der Wirbelsäule aktivieren und steuern

12. Den linken und rechten Energiekanal aktivieren und nutzen

13. Den zentralen Energiekanal aktivieren und nutzen

14. Das untere Tantien entwickeln und nutzen

15. Das mittlere und obere Tantien entwickeln und nutzen

16. Jede der vorangehenden 15 Komponenten miteinander verbinden und zu einem

einheitlichen Prozess integrieren

Die Reihenfolge dieser 16 Grundkomponenten des Nei Gung ist weder festgelegt

noch linear, sondern nur beschreibend. Jede Komponente bildet das Segment eines

Kreises, und ebenso wie bei einem sich ständig drehenden Kreis weder ein Anfangs-

noch ein Endpunkt existiert, so hat auch Nei Gung weder Anfang noch Ende. Jede

Komponente wirkt als Katalysator und beeinflusst die anderen. Jedes Mal, wenn

Sie zu einer der Komponenten zurückkehren, ist es möglich, dass sie eine tiefere,

erfüllendere und nutzbringendere Ebene innerhalb der Komponente selbst wie

auch bei den ihr vorausgehenden und folgenden erreichen. Durch das Erlernen und

Integrieren von Aspekten des Nei Gung in Ihre Praxis wird Chi Gung zu einer sich

stetig weiter entfaltenden Kunst, die Sie während Ihres ganzen Lebens beschäftigen,

interessieren und inspirieren kann.

Das Wissenskontinuum des Nei Gung

Wissen hat verschiedene Ebenem. Sowohl unter wie innerhalb der mehr als hundert

verschiedenen Chi-Gung-Schulen in China werden diejenigen Meister mit höheren

oder höchsten Anforderungen und Maßstäben normalerweise als „echt" bezeichnet,

während diejenigen mit geringeren Ansprüchen als „gewöhnlich" oder unqualifiziert

angesehen werden. Der höchste Maßstab, der angelegt wird, ist im Allgemeinen der,

wie vollständig jede der 16 Grundkomponenten des Nei Gung gelehrt wird.

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Kapitel 13

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Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

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Kapitel 13

Je nach Ihrem Hintergrund und dem Grad an wirkl ichem Interesse kann das, was

als „echtes Nei Gung" von einem Lehrer oder auch in einem Chi-Gung-Buch ange-

boten wird, für manche eine Stufe zu hoch und für andere eine Stufe zu tief sein.

Echtes Nei Gung lernen Nei Gung wird am besten zusammen mit einem Ausbilder gelernt. Die Feinheiten

seiner physischen und energetischen Bewegungen sind in Büchern oder Videos nicht

leicht oder vollständig zu bemerken. Energiearbeit kann sowohl positive als auch

negative Zustände hervorrufen und starke Emotionen auslösen. Ein guter Lehrer weiß,

wie er Ihnen dabei helfen kann, dass Sie lernen, angemessen damit umzugehen.

Cheng Man Ching, ein berühmter Tai-Chi-Lehrer, der in New York lebte, formu-

lierte es auf die folgende Weise: „Drei Dinge sind erforderlich, um im Tai Chi oder

Chi Gung eine hohe Stufe des konkreten Erfolgs zu erreichen: 1. ein guter Lehrer;

2. Ausdauer und Übung; 3. natürliche Begabung. Doch das Wichtigste von den dreien

ist ein guter Lehrer." Ohne einen guten Lehrer können Sie nicht wissen, wie Sie Ihre

Ausdauer und natürliche Begabung am besten einsetzen und daher, selbst mit den

besten Absichten, vielleicht den falschen Weg einschlagen. Die meisten guten Lehrer

besitzen selbst eine gewisse Stufe von natürlicher Begabung; ihre Einsichten sind

wertvoll und können Ihnen dabei helfen, Ihr eigenes Talent hervortreten zu lassen.

Über Nei Gung lässt sich leichter schreiben und reden, als es zu lernen. Obwohl

das vollständige Nei-Gung-System zugänglich gemacht werden kann, werden die

meisten reichlich Übung und Wiederholung brauchen, um irgendeine einzelne

Komponente konkret umzusetzen. Viele täuschen sich selbst und glauben, wenn

sie sich nur eine Komponente des Nei Gung vorstellen, daran denken oder darüber

reden, dass diese damit schon Eingang in Ihren Körper gefunden hat - doch das ist

nicht der Fall.

Bei jeder Komponente gibt es allgemeine und spezielle Erwägungen, wie sie ein-

gesetzt und in jede der verschiedenen Übungen integriert werden kann. Je nachdem,

ob Sie ruhig dastehen, sich bewegen, sitzen, liegen oder mit zwischenmenschlichen

Aktivitäten beschäftigt sind, müssen unterschiedliche Kriterien berücksichtigt wer-

den. Jede Komponente wird getrennt und stufenweise gelehrt und dann sorgfältig

in jede Bewegung integriert.

Im Allgemeinen werden die Grundkomponenten des Nei Gung nicht nur neben-

bei gelehrt, besonders nicht bei Schülern der Anfangs- und Zwischenstufe. Diese

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Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

Techniken sollten bei einem erfahrenen Ausbilder erlernt werden; die Praxis des

Schülers sollte überwacht und sorgfältig geleitet werden.

Einer der Gründe, weshalb Nei Gung so lange vor der Öffentl ichkeit geheim

gehalten wurde, war der, dass die Lehrer unnötige Probleme (siehe Anhang C) ver-

meiden wollten. Diese können als Folge davon auftreten, dass dilletantische Schüler

oder auch Lehrer die Techniken falsch verstehen oder sie falsch anwenden.

Jede Komponente muss gründlich erlernt werden, bevor man zur nächsten wei-

tergeht. Das ist nicht viel anders als bei einem fortgeschrittenen Musik- oder Ge-

sangsstudium; bei manchen Stufen kann es jahrelang dauern, bis man sie sich

angeeignet hat.

Die Gefahr bei unvollständigem Lernen und mangelhaftem Wissen besteht darin,

dass Sie aus dem Gleichgewicht geraten können. Ihr Ausbilder hat die Aufgabe,

dafür zu sorgen, dass es dazu nicht kommt.

Der Ausbilder muss sein Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass

• die Energie des Schülers gleichmäßig fließend bleibt und nicht überaktiv w i rd

• der Schüler gefährliche Praktiken vermeidet

• der Schüler eine Abhängigkeit von übermäßiger Stimulation vermeidet

• der Schüler sich an die 70-Prozent-Regel hält

• der Schüler seine geistige Klarheit bewahrt

Chi direkt und indirekt erfahren Das bewusste Gewahrsein von Chi und die Fähigkeit, es nutzen zu können, sind

Ausdrucksformen des Wissens. Fast alle Schüler möchten wissen, wie lange es dauert,

bis sie verstehen, was Chi ist. Es ist schwer, auf diese Frage eine genaue Antwort

zu geben. Um Konfuzius zu paraphrasieren: Manche werden mit Wissen geboren,

einige erwerben es sich durch unablässige harte Arbeit, während wieder andere es

stehlen oder durch eine nicht vorhersehbare Seitentür darauf stoßen.

Chi kann direkt oder indirekt verstanden werden. Ist Ihr Wissen indirekt, dann

verstehen Sie es durch die Wahrnehmungen und Wirkungen, die es in Ihrem Körper

und Geist hervorruft. Ist Ihr Wissen direkt, dann erfahren oder fühlen Sie Chi als

deutlich spürbare, lebendige und konkrete Kraft.

Zuerst werden Sie nur indirekt auf Chi treffen. Im Laufe der Zeit besteht jedoch

die Möglichkeit, dass Sie Chi direkt erfahren und damit arbeiten. Die beiden ein-

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Kapitel 13

fachsten und verlässlichsten der 16 Grundkomponenten des Nei Gung, die Sie

anwenden können, um den Sprung von der indirekten zur direkten Erfahrung von

Chi zu machen, sind die erste (Atmung) und die siebte (Öffnen und Schließen). Die

übrigen Komponenten des Nei Gung sind schwierigere Zugangswege, um Chi direkt

zu erfahren, und werden daher nur kurz behandelt.

Die Komplexität des Nei Gung

Dieser Abschnitt vermittelt einen gewissen Einblick in die Komplexität jeder Kom-

ponente. Davon ausgenommen sind die Komponenten 12 bis 15, die über den

Themenbereich dieses Buches hinausgehen. Sobald Sie sich mit den Grundlagen

desjenigen Chi-Gung-Systems, das Sie studieren, vertraut gemacht haben, kann

Ihnen dann ein qualifizierter Lehrer dabei helfen, bestimmte Aspekte des Nei Gung

zu erlernen und diese in Ihre Praxis zu integrieren.

Die meisten der hier bereitgestellten Informationen beziehen sich auf die ers-

te Komponente des Nei Gung, die Atmung, weil diese zu Anfang der einfachste

Ausgangspunkt ist, von dem aus ein erfolgreicher Zugang zur Erfahrung von Chi

möglich ist. Weitere Informationen über Nei Gung sind in meinen anderen Büchern

zu finden; weitere Veröffentlichungen sind geplant.

N E I G U N G 1: Einfache bis komplexe Atemmethoden Die Atmung ist ein ausgezeichnetes Instrument, um Ihnen zu zeigen, wie Sie ins

Innere Ihres Körpers hineinspüren und alle Körpersysteme besser arbeiten lassen

können. Bei den Techniken der Langlebensatmung in Kapitel 5 haben Sie einiges

über die einfachsten Komponenten der Atmung gelernt. Im Nei Gung werden die

Atemmethoden komplexer. Wenn Sie einmal erlernt sind, können sie in jede innere

Energiepraxis aufgenommen werden.

Bei den Anfangsstufen der Langlebensatmung tränieren Sie Ihren Atemmechanis-

mus, bis jeder innere Teil Ihres Körpers vollständig und kraftvoll in die Atmung ein-

bezogen ist. Dazu gehört, dass Sie lernen, mit Ihrem Bauch und Unterleib zu atmen

und die Luft den ganzen Rücken hoch bis in den oberen Teil Ihrer Lungen zu lenken.

Bei der Zwischenstufe der Langlebensatmung werden Sie komplexere Metho-

den erlernen. Sie werden sich darauf konzentrieren, dass Ihre Atmung zunehmend

länger, weicher und ruhiger wird. Dabei werden sich die Zusammenziehungen

und Verspannungen in Ihrem Atemmechanismus allmählich lockern, und dieser

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Page 295: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

wird langsam anfangen, mit großer Beweglichkeit mühelos zu fließen. Irgendwann

einmal werden Sie einen starken, tiefen, ruhigen und mühelosen Atemrhythmus

haben, ohne darüber nachdenken zu müssen.

Sie lernen auch die Umkehratmung, wo sich alle Körperteile synchron mit Ihren

Ein- und Ausatmungen bewegen. Sie lernen, aus Ihrer Haut zu atmen und Ihren Atem

dafür zu nutzen, um Ihren Ätherkörper zu öffnen, zu stärken und zu stabilisieren.

Sie lernen die kreisförmige Atmung, bei der Sie Ihre oberen Lungen, die Wirbelsäule

und das untereTantien einsetzen, und wie Sie Ihre Atmung in jede Chi-Gung-Übung

integrieren können, wobei Sie weitere Komponenten des Nei Gung heranziehen.

Das Ziel besteht darin, Chi nach Belieben allein durch Ihre bewusste Absicht mit

jedem Körperteil ein- und auszuatmen.

Die Atmung in drei Stufen verlängern

Stufe 1

Im Laufe von Jahrtausenden haben dieTaoisten die Beobachtung gemacht, dass

ein Atemzug von 30 Sekunden das Minimum war, wozu ein Mensch mit durch-

schnittlichen Fähigkeiten in der Lage sein sollte, wenn er unter normalen Um-

ständen gut atmen wollte. Nach den heutigen niedrigen Maßstäben, wo eine

flache und kraftlose Atmung als normal angesehen wird, mag es sich schwierig

anhören, eine Atmung von 30 Sekunden Dauer mühelos erreichen zu können.

Da Sie jedoch vom heutigen Tag an noch unzählige Millionen Atemzüge in Ihrem

Leben machen werden, wird es Ihr Leben unermesslich verbessern, wenn Sie

sich dieser Herausforderung stellen.

Stufe 2

DieTaoisten haben auch beobachtet, dass der Körper eine positive und tiefe, das

Leben verändernde Wandlung erfuhr, wenn die Praktizierenden ihre Atmung auf

zwei Minuten ausdehnen konnten. Dies führt zu größeren Veränderungen im

Körper und stellt viele der energetischen Grundimpulse des Körpers auf positive

Weise wieder neu ein. Zum Beispiel wechseln das Kreislauf- und Nervensystem

zu einer anderen Leistungsebene, von der die meisten Menschen nicht einmal

wissen, dass sie existiert. Selbst wenn diese Fähigkeit nur für ein Jahr bewahrt

wird, ruft sie gewöhnlich eine heilsame Wirkung hervor, die Jahrzehnte anhält.

Diese Fähigkeit kann es dem Praktizierenden ermöglichen, regelmäßig Stress

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Kapitel 13

abzuschütteln, der ihn ansonsten überwältigen und seelisches Leiden und eine

schlechte Gesundheit hervorrufen würde.

Stufe 3

China war eine Nation, die traditionell die Weisheit alter Menschen verehrte

und folglich sehr daran interessiert war, das Leben zu verlängern. Die chinesi-

schen Taoisten waren berühmt für ihre Langlebenstechniken. Ein wesentlicher

Bestandteil ihrer äußerst erfolgreichen Langlebenspraxis war die Schildkrötenat-

mung. Man wusste, dass Riesenschildkröten Hunderte von Jahren lebten. Diese

Schildkröten waren allgemein dafür bekannt, dass sie untertauchen und ihren

Atem länger als fünf Minuten hintereinander anhalten konnten. Der Aspekt der

Schildkrötenatmung hat innerhalb der taoistischen Atemmethoden das Ziel,

Atemzüge von fünf bis acht Minuten hervorzubringen. Diese Praxis war für

ihre unübertroffene Eigenschaft bekannt, dass sie einen alten Körper und Geist

transformieren und erhalten konnte.

Zwerchfell, Bauch und innere Organe miteinander verbinden Geschmeidige, elastische Bänder verbinden Ihr Zwerchfell mit Ihren inneren Orga-

nen und helfen diesen dabei, auf die von der Natur für sie vorgesehene Weise zu

funktionieren und sich zu bewegen. Wenn Ihre Muskeln zum Beispiel an der Stelle

schlaff sind, wo Bänder sie mit der Leber verbinden, werden sowohl die Bänder als

auch die Leber selbst eine zunehmend schlechtere Bewegung haben oder sogar

blockiert sein und sich überhaupt kaum noch bewegen. Dies kann in einer Ketten-

reaktion auch die Bewegungen Ihrer anderen Organe beeinträchtigen.

Viele der Flüssigkeit pumpenden Mechanismen Ihres Körpers sind mit der Bewe-

gung Ihres Zwerchfells verbunden. Eine schwache oder unausgewogene Bewegung

Ihres Zwerchfells beeinträchtigt diese Ströme. Kräftige rhythmische Auf- und Abbe-

wegungen des Zwerchfells fördern und regulieren diese Pumpfunktionen.

Die Bauchatmung kräftigt Ihr Zwerchfell. Diese muss jedoch systematisch und

stufenweise erlernt werden und sollte nur unter der Aufsicht eines qualifizierten

Lehrers in progressiven Stufen geübt werden. Das ist deshalb notwendig, weil die

Verbindungen zwischen Zwerchfell und Herz, wenn sie übermäßig beansprucht

werden, überdehnt oder verschoben werden könnten.

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Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

Es gibt spezielle Übungen, um sicherzustellen, dass sich Ihr gesamter Zwerch-

fellmuskel während des Ein- und Ausatmens als Ganzes bewegt, ohne dass ein Teil

des Muskels erheblich stärker oder schwächer als ein anderer bewegt wird. Mi t

einer weiteren Übungsfolge werden Sie lernen, während des Ein- und Ausatmens

das Dehnen Ihres Zwerchfells zu verlängern. Weitere Übungen bringen Ihnen bei,

Ihr Zwerchfell während der Atmung deutlich und gleichmäßig zu spüren und nach

und nach Druck bei Ihren Ein- und Ausatmungen gleichmäßig zu verstärken und

aufzulösen.

Das ist aus folgendem Grund wichtig: Ebenso wie Atem und Chi miteinander

verbunden sind und sich direkt gegenseitig beeinflussen, so ist das auch bei Chi

und Blut der Fall. Nach der Traditionellen Chinesischen Mediz in und der Chi-

Gung-Therapie bewegt Chi - und nicht nur die physische Leistung von Herz und

Gefäßsystem - das Blut. Mi t zunehmender Praxis können Sie sich bei Ihrer Atmung

darauf konzentrieren, sowohl Ihr Chi sinken zu lassen als auch Chi und Blut bewusst

in jeden Teil Ihres Körpers zu lenken.

In das untere Tantien atmen Hier geht es darum, Ihr unteres Tantien aufzuwecken, damit Sie es deutlich spüren

können. Diese Atemmethode hat drei progressive Stufen:

Auf der ersten Stufe lernen Sie, ein sehr klares Gefühl dafür zu bekommen, direkt

in Ihr unteres Tantien, das Energiezentrum Ihres Körpers, hineinzuatmen.

Auf der nächsten Stufe lernen Sie zu spüren, ob der Druck Ihres Bauches, der

sich von Ihrem Tantien ausdehnt und zusammenzieht, unausgewogen sein könnte

und, falls ja, wie Sie ihn ausgleichen können. Die Praxis dieser Übungen w i rd Ihr

Gewahrsein erweitern, so dass Sie auch alle kleineren Abweichungen der Spannung

und Zusammenziehung, die während des Atmens auftreten, feststellen können.

Auf der dritten Stufe lernen Sie, auf unterschiedliche Weise aus Ihrem Tantien in

zwei oder mehr Richtungen gleichzeitig zu atmen.

Die Umkehratmung Bei der regulären Atmung dehnt sich Ihr Bauch aus, während Sie einatmen, und

zieht sich zusammen, wenn Sie ausatmen. Bei der Umkehratmung tun Sie genau

das Gegenteil - Sie ziehen Ihren Bauch beim Einatmen ein und dehnen ihn beim

Ausatmen aus. Die Umkehratmung wird manchmal auch als vorgeburtliche oder

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Kapitel 13

Mutterschoßatmung bezeichnet, weil Babys im Mutterschoß auf diese Weise Chi

ein- und ausatmen.

Zu den Zielen der Umkehratmung gehört, dass Sie der subtilen physischen und

energetischen Bewegungen Ihres Körpers gewahr werden und die Kontrolle darüber

bekommen, damit diese bewusst im Rhythmus mit Ihrer Atmung auftreten. Jeder

physische Teil und jede energetische Funktion innerhalb Ihres Körpers und Ihrer Aura

soll sich in Übereinstimmung mit den Ausdehnungen und Zusammenziehungen

Ihres Bauches bewegen.

Die Umkehratmung öffnet, kräftigt und stabilisiert die Aura. Sie ist ein wesentlicher

Bestandteil für einen Aspekt, den Laotse als „Atmen aus den Fersen" bezeichnet

hat; dieser wird innerhalb des Taoismus als der einzig wirkl ich vollständige Atem-

vorgang angesehen.

Die Wirbelsäulenatmung Die Wirbelsäulenatmung öffnet und kräftigt Ihre Wirbelsäule und alle damit ver-

bundenen Energien. Auch die Wirbelsäulenatmung wird in verschiedenen Stufen

gelehrt:

Zur ersten Stufe gehört, dass Ihre Spinalnerven mit mehr Energie versorgt wer-

den und der Prozess in Gang gesetzt wird, die Energie Ihrer Wirbelsäule mit Ihrem

Gehirn und oberen Tantien zu verbinden.

Auf der nächsten Stufe nutzen Sie Ihren Atem dafür, um Chi zwischen Ihrer Wir-

belsäule und der Begrenzung Ihres Ätherkörpers fließen zu lassen.

Auf einer weiteren Stufe lernen Sie schließlich, die Gehirn-Rückenmarks-Flüs-

sigkeit und Energie ruhig und gleichmäßig in Ihrem Rückenmark und entlang Ihrer

Wirbelsäule nach oben und unten zu bewegen.

Die kreisförmige Atmung Die kreisförmige Atmung entspricht dem glatten und nahtlosen Chi-Fluss durch Ihr

Nervensystem während der Ein- und Ausatmungen und vor allem während des Über-

gangs zwischen ihnen. Ein wichtiges Merkmal der fortgeschritteneren taoistischen

Methoden besteht darin, Ihre Atmung mit körperlicher Bewegung und Energiefluss

zu verbinden. Ihre vollständigen Atemzüge, die sich aus Ein- und Ausatmung zu-

sammensetzen, sollten keinen deutlichen Anfang- oder Endpunkt haben.

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Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

Für die kreisförmige Atmung müssen Sie lernen, Ihren Atem mit Ihrem Chi und

Ihrem Nervensystem zu verbinden, so dass sie nahtlos zusammenarbeiten.

Eine erfolgreiche kreisförmige Atmung verlangt von Ihnen, dass Sie fünf Aufgaben

erfüllen:

1. Werden Sie während des Atmens der Ihrem Nervensystem zugrunde liegenden

Qualität oder des damit verbundenen Gefühls gewahr.

2. Konzentrieren Sie sich beim Ein- und Ausatmen auf die gemeinsame Qualität

Ihres Atems und Ihres Nervensystems.

3. Stellen Sie alle größeren Lücken in Ihrer Atmung fest, besonders beim Über-

gangspunkt zwischen Ein- und Ausatmungen.

4. Schulen Sie Ihr bewusstes Gewahrsein, damit es zunehmend feiner und sich auch

der sehr kleinen Unterbrechungen in Ihrer Atmung bewusst wird. Entspannen

Sie Ihre Atemzüge nach und nach ganz wie beim Sung (siehe S. 143 f.). Werden

Sie dabei der noch subtileren Lücken gewahr, die dazu führen, dass Ihr Nerven-

system während Ihrer Praxis für einen kurzen Augenblick aussetzt. Üben Sie so

lange, bis Ihr Nervensystem völ l ig glatt und nahtlos arbeitet und die Übergänge

zwischen Ein- und Ausatmung verschwinden.

5. Das Ziel bei der letzten Phase der kreisförmigen Atmung besteht darin, Ihr Chi

unmittelbar ausfindig zu machen. Eine übergangslose und geschmeidige Atmung

kann die Eingangstür dafür sein, dass Sie Ihr Chi finden; und ebenso kann Ihre

Atmung durch diese Entdeckung des Chi wirk l ich kreisförmig werden. Beide

sind wechselseitig verbunden und können nicht voneinander getrennt werden.

Ihre Aufgabe besteht nun darin, dass Siesich Ihres Chi nicht nur durch seine indirekte

Spiegelung in Ihrer Atmung, Ihrem Nervensystem und überhaupt in Ihrem Körper

bewusst sind; mit diesem Ziel hat sich der bisherige Teil dieses Buches beschäftigt.

Nun müssen Sie den Sprung schaffen, Chi als eines direkt und eigenständig gespür-

ten Etwas gewahr zu werden, das sämtlichen Bewegungen Ihrer inneren Systeme

Kraft verleiht.

Das Gewahrsein von subtilen Prozessen in Verbindung mit bewusster Absicht ist

ein wunderbares Werkzeug. Wenn dieses kraftvoller und verfeinerter wird, lässt es

Sie Ihre Energie auf eine Weise erkennen und lenken, die sonst unmöglich wäre.

Wenn Sie weiter praktizieren und Ihre Atmung nahtlos wird, lösen sich die Be-

schränkungen für das Gewahrsein des Chi auf. Nach und nach, mit immer mehr

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Page 300: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Atempraxis, lernt Ihr Gewahrsein, ganz in Ihr Nervensystem einzudringen und

äußerst vertraut damit zu werden. Dann werden die letzten Beschränkungen für

eine vollständig kreisförmige Atmung verschwinden.

Schließlich wird Ihr Gewahrsein die einzelnen grundlegenden Qualitäten der

Atmung, des Nervensystems und des Chi erkennen können. Sie werden sich der

subtilen Strömung bewusst, die alle drei miteinander verknüpft. Sie erfahren, wie

Ihr Chi die grundlegende Kraft, die Ihr Nervensystem und Ihre Atmung verbindet

und beherrscht, beeinflusst, von dieser beeinflusst wird und selbst diese allem zu-

grunde liegende Kraft ist.

Eines Tages, wenn Sie sich auf Ihre Atmung konzentrieren, wird sich die Luft, die

Sie durch die Nase ein- und ausatmen, scheinbar verlangsamen und dann zum Still-

stand kommen, während sich das Innere Ihres Bauches und Ihrer Lungen weiterhin

sehr kraftvoll bewegt. Selbst wenn Sie auf der physischen Ebene richtig atmen, hat

es den Anschein, als sei Ihr physischer Atem vollständig ruhig geworden und habe

aufgehört; auch Ihr Körper und Ihr Geist scheinen spontan zur Ruhe gekommen

zu sein. Eine unheimliche Stille und ein Gefühl von einem unglaublich weiten

und leeren Raum entsteht in Ihrem Körper und Ihrem Geist. Plötzlich werden Sie

feststellen, dass Sie lautlos Chi ein- und ausatmen.

Dann scheint sich auch das noch weiter zu verlangsamen und anzuhalten, bis Ihr

Körper und Ihr Geist während eines kreisförmigen Atemvorgangs spontan sogar in eine

noch größere Stille gelangen. Selbst wenn Sie auf der physischen Ebene richtig atmen,

scheint Ihr Atem gänzlich zur Ruhe gekommen und vollständig aufgehört zu haben.

In diesem offenen Raum ist Ihre Wahrnehmung von einer Luftbewegung ver-

schwunden, doch Ihre Organe beginnen wieder damit, sich zu öffnen und zu

schließen (Ausdehnen und Zusammenziehen), so als hätten sie ihren eigenen un-

abhängigen Wil len. Nun fließt nicht mehr Luft in Ihre Nase hinein und wieder aus

ihr heraus, sondern jede Ausdehnung und Zusammenziehung Ihrer inneren Organe

bringt etwas hinein und stößt es wieder aus. Dieses Etwas ist Chi.

Nach einer Weile haben Sie Erfahrung damit gesammelt und die Grundlage da-

für geschaffen, um nach und nach allein durch Ihre bewusste Absicht Chi in Ihrem

Körper überall hinlenken zu können. Dabei nutzen Sie alle 16 Grundkomponenten

des Nei Gung.

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Page 301: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

Die Kreisform des Nei Gung Wir wollen nun noch einmal zum kreisförmigen Prinzip der 16 Grundkomponenten

des Nei Gung zurückkehren.

• Während Ihres ersten Umlaufs um den Kreis des Nei Gung werden Sie Ihr Chi

indirekt erfahren und damit arbeiten.

• Im zweiten Umlauf um den Kreis des Nei Gung, der erst begonnen werden

kann, nachdem Sie die kreisförmige Atmung beherrschen, können Sie direkt

mit Chi arbeiten. Sie praktizieren die 16 Grundkomponenten des Nei Gung

nun in einer erheblich größeren Tiefe, bis Ihre Absicht und die Manifestation

von Chi genau und äußerst geübt werden.

• Beim dritten Umlauf werden Sie über Chi Gung hinaus und in den Bereich der

Meditation weitergehen. Im taoistischen Denken bestimmt Chi darüber, wie

gut der Mensch seine Funktion erfüllt und sein Potential erreicht. Außerdem

kommt hier noch etwas ins Spiel, das die Chinesen als Yuan Chi bezeichnen:

die universelle Energie, welche die riesigen Strukturen des Universums (Gala-

xien, Sterne, Planeten usw.) erschafft und bewegt. Im dritten Umlauf um den

Kreis des Nei Gung werden Sie die Aufgabe haben, dieses universellen Be-

wusstseins gewahr zu werden und damit zu arbeiten. Das ist der Weg des Tao.

N E I G U N G 2: Energie bewegen

Viele Methoden können Ihnen dabei helfen, Ihr Chi zu spüren, damit Sie es problem-

los überall dorthin lenken können, wo es am nützlichsten ist und am wirksamsten

arbeitet. Einige dieser Methoden beschäftigen sich damit, wie Sie die Energie auf

spezielle Weise in bestimmten Energiekanälen freisetzen, umwandeln und auflösen

können.

Mit einer Technik werden Sie lernen, Chi auf einer Seite Ihres Körpers nach unten

und entweder auf derselben oder der anderen Seite wieder nach oben fließen zu

lassen. Mittels anderer Techniken lenken Sie Chi horizontal um Ihren Rumpf und

aktivieren Ihre Seitenakupunkturbahnen, von denen der Dai Mai der wichtigste ist.

Bei einer weiteren Technik, die als „Einhüllen" bezeichnet wird, werden alle diese

Seitenmeridiane dadurch aktiviert, dass Chi durch das Bindegewebe zwischen der

Vorderseite Ihres Rumpfes und Ihrer Wirbelsäule gelenkt wird.

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Page 302: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

N E I G U N G 3: Körperausrichtungen

Das Thema der genauen Körperausrichtungen gewinnt nach und nach immer mehr

an Komplexität. In Kapitel 9 haben Sie die Crundausrichtungen für die Standform

erlernt. Auf den nächsten Stufen werden Sie lernen, allmählich eine größere Be-

wusstheit und Beherrschung spezieller Körperausrichtungen, ihrer Verbindung zu

anderen Ausrichtungen und ihrer physischen, emotionalen und mentalen Wirkungen

zu entwickeln.

Diese Körperausrichtungen sind außerordentlich genau. Sie kommen in allen

Teilen Ihres Körpers vor und sind oft nicht unmittelbar zu erkennen. Sie alle schaffen

den notwendigen Raum um Ihre Körperstrukturen und hindern diese daran, dass

sie in sich zusammenfallen oder zu fest zusammengepresst oder übermäßig locker

werden.

Verschiedene Ausrichtungen existieren in perfekt zueinander passenden Paaren,

von denen jeweils ein Teil das Gegenstück dazu veranlasst, Druck und Chi-Fluss in

Ihrem Körper ansteigen oder fallen zu lassen. Außerdem gibt es einige komplexe

und sehr feine Ausrichtungen in Ihrer Bauchhöhle.

Es gibt auch Methoden, um Ihr Chi in Ihren energetischen Kanälen, Punkten und

Zentren, in Ihrer Aura sowie auch mit Ihren Emotionen und Gedanken zu koordi-

nieren und auszurichten. In der taoistischen Meditation gehen die Ausrichtungen

noch weiter und beeinflussen den psychischen und karmischen Bereich.

Zu den speziellen Techniken, die Sie erlernen, gehören:

• die Rückseite Ihrer Knie- und Fußknöchelgelenke zu öffnen

• mehr Raum im Inneren Ihres Zwerchfells zu schaffen

• Ihren Kopf auf eine genau festgelegte Weise zu halten, um bestimmte Effekte

im Geist und in den Emotionen hervorzurufen

• die Bewegung des Blutes durch die Blutgefäße zu lenken

• das Steißbein, das Kreuzbein, die Wirbelsäule und die Hüften genau auszurich-

ten und durch kleine Bewegungen in diesen Ausrichtungen auf den Energiefluss

einzuwirken

• das Kwa und das Schulternest auf beiden Körperseiten zu öffnen. Dazu gehört,

sie physisch und energetisch miteinander zu verbinden, damit Sie Ihre inneren

Organe in die bestmögliche Position bringen und ihre Funktionsweise, die

Blutzirkulation und die in ihnen vorhandene Energie optimieren können.

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Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

N E I G U N G 4: Auflösen

Durch fortgeschrittene Techniken für den äußeren Auflösungsprozess erlernen Sie

spezielle Anpassungen, die dazu genutzt werden können, um Chi überall aufzulösen

- nicht nur bei sich selbst, sondern potentiell auch bei einem anderen Menschen. An-

dere Techniken zeigen Ihnen, wie Blockaden in Ihrem Ätherkörper aufzulösen sind.

Mit wieder anderen Methoden lernen Sie, von Ihrem unteren Tantien nach oben, zu

ihm hin und von ihm fort und in mehrere Richtungen gleichzeitig aufzulösen.

Der innere Auflösungsprozess der taoistischen Meditat ion versucht dasselbe

für Ihre Emotionen, Gedanken, psychischen Wahrnehmungen und das Karma zu

erreichen.

N E I G U N G 5: Die Haupt- und Neb enakupunkturb ahnen

Sie haben zwölf Haupt- und zwölf außergewöhnliche oder sekundäre Akupunktur-

bahnen sowie mehr als 700 Akupunkte (siehe Abb. 15-4). Diese Energiekanäle

sind in Ihrem Wei Chi lokalisiert; dabei handelt es sich um eine Chi-Schicht im

subkutanen Gewebe zwischen Ihrer Haut und Ihren Muskeln.

Bei dieser Komponente des Nei Gung lernen Sie, Energie bewusst durch jede

Akupukturbahn zu lenken und sie mit anderen zu verbinden. Sie lernen auch, wie

Energie durch jeden Kanal und Akupunkt aufzunehmen und freizusetzen ist, und

wie Sie Energie an verschiedenen Akupunkturbahnen und Akupunkten in unter-

schiedlichen Stellungen vibrieren lasen können.

Auf den weiter fortgeschrittenen Stufen lernen Sie, die Verbindungen zwischen

Ihren Akupunkturbahnen, dem rechten, linken und zentralen Energiekanal und den

Energien Ihres Ätherkörpers zu spüren und zu beherrschen.

N E I G U N G 6: Beugen und Dehnen

Zum Dehnen gehört der Versuch, Ihre Muskelfasern und Bindegewebe entweder

entlang der Muskeln oder, bei noch differenzierteren Techniken, an ihren Ansatz-

stellen zu verlängern - dort also, wo Muskeln, Bänder und Sehnen aneinander

befestigt sind. Bei der taoistischen Energiearbeit ist die Muskelstreckung lediglich

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Kapitel 13

von sekundärer Bedeutung. Zu den wichtigsten Aspekten beim Beugen und Dehnen

gehört, dass Sie Ihr weiches Körpergewebe und die Muskelfaszien in der Richtung

bewegen, wie Sie die Energie in Ihren Akupunkturmeridianen fließen lassen möch-

ten. Diese Komponente des Nei Gung aktiviert die Energieströme in Ihren Yin- und

Yang-Meridianen, denn sie bewirkt, dass sich alle Gewebe unter Ihrer Hautober-

fläche in einer bestimmten Richtung bewegen.

Im westlichen Körpertraining löst die Muskelstreckung in einer Richtung Kon-

traktionen in anderen Muskeln aus. Beim Nei Gung verursachen Bewegungen in

einer Richtung Passivität anstelle von Muskelkontraktionen in der entgegengesetzten

Richtung. Wenn Sie die Bewegung entlang eines bestimmten Akupunkturmeridians

oder Energiekanals aktivieren, werden sich die Muskeln und das Gewebe nur in

dieser Richtung bewegen. Sobald Sie lernen, Bewegungen in Ihrem Körper in einer

einzigen Richtung nur mit Ihrer Energie einzuleiten, wird keine Zusammenziehung

oder Anspannung von Muskeln mehr dafür erforderlich sein, um die Körperbewe-

gungen des Chi Gung und Tai Chi auszuführen.

N E I G U N G 7: Öffnen und Schließen

Die Aktivitäten des Öffnens und Schließens, auch als Pulsieren bezeichnet, treten

in jedem Teil Ihres physischen Körpers, Ihrer Energiekanäle und Ihres Ätherkörpers

auf. Dabei bedeutet Öffnen, auszudehnen, größer zu werden oder nach außen zu

fließen und auszustrahlen. Öffnen hat nicht die Nebenbedeutung von Spannung,

Zusammenziehung oder Kraftanstrengung in der Bewegung, sondern bezeichnet

nur den ständigen, nach innen gerichteten Fluss zu einem Ausgangspunkt.

Spezielle Techniken sollen Sie dazu befähigen, Zwischenräume zu öffnen und zu

schließen: in Ihren Gelenken und Ihrer Wirbelsäule, in und zwischen Ihren inneren

Organen, allen Körperflüssigkeiten, in Energiekanälen, Energiepunkten und -Zentren

innerhalb Ihres Körpers und in den mit Ihnen verbundenen Energiefeldern.

In diesem Teil des Nei-Gung-Systems lernen Sie, jedes Körperteils gewahr zu

werden, der das Potential zur Bewegung besitzt, und diesen dann willentlich zu

öffnen und zu schließen. Dieses Öffnen und Schließen ist von essentieller Bedeu-

tung und bildet die Basis dafür, um innerhalb des physischen Körpers verstehen zu

können, wie die Yin- und Yang-Energien funktionieren und wie Sie Ihr Chi direkt

erfahren können. Dies ist letztlich verantwortlich für die Veränderung der Yin- und

Yang-Funktionen sowohl in Ihnen selbst als auch im Universum.

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Page 305: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

Die Methoden des Öffnens und Schließens können unabhängig geübt oder in

einer den ganzen Körper einbeziehenden Weise gemeinsam mit der regulären oder

der Umkehratmung praktiziert werden.

N E I G U N G 8: Der Ätherkörper oder die Aura

Die Energie Ihres Ätherkörpers oder Ihrer Aura verbindet mit den Energien von Körper

und Geist sowie mit den psychischen und spirituellen Kräften des Universums. Zuerst

werden Sie lernen, diese Verbindungen in Ihrem Inneren bewusst wahrzunehmen

und sie zu steuern. Dann lernen Sie, der Energien im Universum gewahr zu werden

und schließlich, Ihre Energien dafür einzusetzen, damit Sie sich in Harmonie mit

dem Universum bewegen können. Wenn Sie die Kraft des Universums aufnehmen

und nutzen möchten, müssen Sie zuerst lernen, Ihre eigenen Energien damit zu

harmonisieren.

N E I G U N G 9: Die Spiralbewegung

Bei dieser Komponente geht es darum, der kreis- und spiralförmigen Bewegungen

des Chi in Ihrem Körper gewahr zu werden und diese zu steuern und weiter aus-

zudehnen.

Zu den physischen Techniken gehören:

• kreis- und spiralförmige Körperbewegungen

• Ihre weichen Körpergewebe verdrehen

• Ihre Muskeln an kritischen Verbindungsstellen des Körpers nach innen oder

nach außen wölben

• Ihre weichen Körpergewebe spiralförmig bewegen

Zu den energetischen Techniken gehören:

• bewusstes Gewahrsein in der Absicht einsetzen, um Energiekreise und -Spiralen

in Ihrem Körper und außerhalb von ihm zu erzeugen

• feinfühlig für Energiespiralen werden und sie nutzen

• spiralförmig gewundenes Chi aus Ihrem unteren Tantien aussenden und es über

spezielle Bahnen mit jeder beliebigen Körperstelle verbinden

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Page 306: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

N E I G U N G 10: Aufnehmen und Aussenden

Im Chi Gung ist es für die Selbstheilungskräfte, das Heilen durch Handauflegen und

die psychische Heilung, die Meditation und die inneren Kampfkünste von zentraler

Bedeutung, dass Sie lernen, Chi willentlich von jeder Stelle innerhalb oder außerhalb

Ihres Körpers aufnehmen und dorthin aussenden zu können.

Zu den Lernstufen dieser Komponente des Nei Gung gehören:

• Chi von Ihren drei Tantien aufnehmen und aussenden

• die Ausrichtung Ihrer bewussten Absicht klar beherrschen lernen

• Ihren Geist zur Ruhe bringen, damit er ganz dessen gewahr sein kann, was es be-

deutet, Chi unter verschiedenen Umständen aufzunehmen und auszusenden

N E I G U N G 11: Die Wirbelsäule

Es gibt vieleTechniken, um sämtliche Energien Ihres Wirbelsäulensystems und seiner

Beziehungen zu Ihren drei Tantien aufzuwecken und zu beherrschen. Ihr Wirbelsäu-

lensystem besteht aus den Rückenwirbeln, der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und

dem Rückenmark. Durch diese Techniken wird es Ihnen ermöglicht, Rücken- und

Nackenprobleme zu beheben und unter Umständen sogar Bandscheiben wieder

zu regenerieren.

Die in diesem Buch gelehrte Wirbelsäulendehnung ist eine vorbereitende Übung

für diese Komponente des Nei-Gung-Systems. Mittels anderer Techniken werden

Sie die folgenden Bewegungen genau kontrollieren lernen: die Bewegung jedes

Wirbels in allen Richtungen, unabhängig von der Muskelbewegung; die Bewegung

der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit; und die Bewegung der Gehirnplatten. Weitere

Techniken beschäftigen sich mit dem inneren Pumpen, um die Zwischenräume

zwischen Ihren Wirbeln zu vergrößern, zu verringern oder auf eine andere Weise

zu beeinflussen; dadurch können Sie Probleme in Verbindung mit verrutschten oder

degenerierten Bandscheiben lindern oder kurieren.

Mit fortgeschritteneren Techniken lernen Sie, direkt mit den Energien, die durch

die verschiedenen Schichten Ihres Rückenmarks laufen, zu arbeiten.

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Afei Gung: Das Herzstück der taoistischen Energieübungen

N E I G U N G 12 -15 : Der linke, rechte und zentrale Energiekanal und die drei Tantien

Aus taoistischer Sicht muss der Praktizierende, um die Nei-Gung-Komponenten 12

bis 15 wirkl ich erlernen und aktivieren zu können, eine stabile Grundlage in den

differenzierteren Aspekten der ersten 11 Komponenten besitzen und dazu in der

Lage sein, diese nahtlos zu einem Ganzen zu integrieren. Nur wenn das erreicht

ist, können sämtliche Komponenten des Nei Gung tatsächlich verbunden und mit

Ihrem rechten, linken und zentralen Energiekanal sowie den drei Tantien koordiniert

werden (Abb. 15-2 und 15-3). Dadurch kann sich die potentielle Kraft des Nei Gung

dann voll und ganz erweisen,

N E I G U N G 16: Integration

Sämtliche Komponenten des Nei-Gung-Systems müssen in Ihrer Praxis miteinander

integriert werden, bis eine einzige, vereinte Energie daraus entsteht. Das Ziel dieser

Integration ist, dass Sie die Kraft des Nei Gung mühelos für alle Aspekte Ihres Le-

bens nutzen können. Es ist vorteilhaft, wenn Sie erkennen, dass die Stabilisierung

der Energie in Ihnen etwas anderes ist, als lediglich vorübergehende energetische

Zustände oder Erfahrungen herbeizuführen.

Alle Komponenten des Nei Gung sind hilfreich für die Kampfkünste, die Medi-

tation, die Selbstheilung und die Heilung anderer.

Chi Gung ist die Grundlage für Shen Gung

In China wird der esoterische Aspekt des Chi Gung oder Nei Gung als Shen Gung,

„spirituelle Kraft", bezeichnet. Shen bedeutet höherer Geist (spirit) und Gung ist die

Kraft oder die Praxis, die Sie dazu befähigt, etwas zu tun. Shen Gung soll psychi-

sche und mystische Kräfte entwickeln, wie beispielsweise Hellsehen, die Fähigkeit,

durch Wände zu gehen, auf Wasser zu gehen und die Toten wieder zum Leben zu

erwecken usw.

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Page 308: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Kapitel 13

Viele religiöse Praktiken besitzen esoterische Überlieferungen mit Geschichten

und Mythen darüber, was ihren Praktizierenden möglich ist. In Indien und Tibet

werden diese übernatürlichen Kräfte als Früchte der Verwirklichung gesehen und

Siddhis genannt. In China werden die besonderen, durch die Praxis erlangten Fä-

higkeiten als te i gung neng bezeichnet. In der indischen Yoga-Tradition werden

psychische Kräfte durch Pranayama, Mantras und die innere Arbeit mit den Chakras

entwickelt, im tibetischen Buddhismus durch sa lung (Wind und Kanäle) und tumo

(Yoga der Inneren Hitze) und im Taoismus durch Shen Gung.

Alle östlichen Traditionen erklären, dass diese Kräfte oder spirituellen Gaben

dem Menschen innerlich zugehörig sind, doch noch durch tief gehende spirituelle

Praxis zugänglich werden und entwickelt und verwirklicht werden können. Die

Aufnahme des Nei Gung in das Chi Gung oder andere taoistische Energieübungen

bietet die Grundlage dafür, die zum Studium des Shen Gung führen kann - doch

nur dann, wenn ein Praktizierender einen authentischen Lehrer davon überzeugt,

dass er dazu bereit ist.

Diese esoterischen Praktiken, aus welcher Tradition sie auch stammen mögen,

werden selten erwähnt oder überhaupt gelehrt. Ihre Existenz ist ein höchst umstrit-

tenes und heiß diskutiertes Thema. Der Verfasser liefert keinen Nachweis, ob diese

Praktiken existieren oder nicht, und kann nur sagen, dass Shen Gung traditionell

als ein Teil der höheren Lehren des Nei Gung betrachtet wird.

Abbildung 15-4

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Page 309: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Nachwort

Eine reiche Mitgift an Chi ist unser Geburtsrecht In den asiatischen Kulturen sind im Laufe der Geschichte viele Methoden entwickelt

worden, die den Menschen eine weit über das Normale hinausreichende Vitalität

vermitteln. Die meisten dieser in China entstandenen Techniken hat man jahrhun-

dertelang geheim gehalten. Ich glaube aber, dass nun die Zeit dafür gekommen ist,

alle Menschen an diesem wertvollen, der Gesundheit dienenden Wissen teilhaben

zu lassen.

Aus der Sicht der alten Taoisten wird der überwiegenden Mehrheit der Menschen

bei der Geburt reichlich Lebensenergie mitgegeben. Irgendwann jedoch, wenn

man nicht immer vernünftig und gesund gelebt hat (was heute auch zunehmend

schwieriger wird), beginnt diese ansehnliche energetische Mitgift zu schwinden,

und es muss zusätzliche Energie erworben werden. Ein frischer Grashalm, ein junger

Baum und kleine Kinder sind weich und biegsam. Mit dem eintretenden Alter wird

das Gras hart und spröde, der Baum trocken und brüchig, und ältere Menschen

werden steif, bis sie sich kaum noch bewegen können.

Das Erfolgsrezept: Regelmäßiges Üben Wie schon die alten Taoisten beobachteten, fördert Beweglichkeit und Geschmei-

digkeit die Lebensenergie ganz entscheidend. Die Chi-Gung-Elementarübungen in

dem vorliegenden Buch schaffen die notwendige Grundlage, mit der Sie diese Qua-

litäten wiedergewinnen können, doch solch ein Weg erfordert Zeit und Ausdauer.

Während die theoretischen Informationen in diesem Buch an sich schon interessant

sein mögen, erschließt sich ihr wahrer Wert aber nur durch eine regelmäßige Praxis

dieser Übungen. Probieren geht über Studieren - und nur in der Praxis zeigt sich

die Bewährung.

Wer mit dem Gedanken spielt, Tai Chi Chuan oder eine innere Kampfkunst zu

erlernen, wird herausfinden, dass die hier dargestellten Elementarübungen des Chi

Gung den Lemfortschritt erheblich beschleunigen werden. Ich habe in den Verei-

nigten Staaten und in Europa Leute gesehen, die schon zehn oder fünfzehn Jahre

Tai Chi Chuan praktizierten und dennoch nicht mit den inneren Grundprinzipien

vertraut waren. Diese Prinzipien, die ein Teil der Elementarübungen sind, hätten sie

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bei authentischem Tai Chi schon im ersten Jahr von ihren Lehrern erfahren sollen.

Wenn Sie also daran denken, Tai Chi oder eine innere Kampfkunst zu erlernen, ist

dies die bestmögliche Grundlage dafür.

Für alle anderen, die sich nicht auf die komplizierten und übungsintensiven Be-

wegungen des Tai Chi einlassen, aber trotzdem einige seiner mentalen und körper-

lichen Vorteile nutzen wollen, sind diese Grundübungen zum Öffnen der Energietore

des Körpers wie geschaffen. Wenn diese Vorteile Sie später wirkl ich dazu anregen

sollten, Tai Chi, Hsing-I oder Ba Gua zu erlernen, besitzen Sie schon eine optimale

Grundlage und werden den meisten Anfängern weit voraus sein.

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Anhang

A. Leitlinien für die Praxis

Üben, bis sich die Gelenke wie gut geölt anfühlen

Häufig gelangt man bei der Standform an einen Punkt, wo man das Gefühl hat, jetzt

sei es genug - der Körper möchte sich nun bewegen. Dann ist es Zeit, mit den Wol-

kenhänden anzufangen. Üben Sie die Wolkenhände so lange, bis die Verspannung

und Steifheit des Körpers langsam verschwindet und die am stärksten von Immobilität

betroffenen Partien sich lockern. Stellen Sie sich vor, wie die ausgetrockneten Stellen

im Inneren des Körpers feucht und gleitfähig werden, insbesondere die Gelenke,

die Hüften, die Wirbelsäule und der Taillenbereich. Wenn der Körper sich dann wie

gut geölt anfühlt, gehen Sie zu der ersten Schwungübung weiter. Arbeiten Sie nach

diesem Prinzip bei allen Schwungübungen: Wenn es wie „geschmiert" läuft, kommt

die nächste Schwungübung. Wenn Sie mit diesen Übungen erst einmal vertraut sind

und sie beherrschen, reichen erfahrungsgemäß drei bis fünf Minuten Wolkenhände

und bis zu zwei Minuten pro Schwungübung aus. Je mehr Zeit (natürlich nur bis

zu einem gewissen Grade) Sie den Schwungübungen widmen, um so gleitfähiger

werden die Gelenke.

Bei Schmerzen langsamer und mit kleineren Bewegungen üben Wenn aufgrund von Überlastung Schmerzen auftreten, setzen Sie Ihre Übung ein-

fach mit der nächsten Schwungübung fort. Bei starkem Schmerz unterbrechen Sie,

ruhen sich aus und entscheiden, ob Sie für diesen Tag besser mit der Praxis aufhören

sollten. Für diese Übungen gilt als unbedingte Regel, Ihren Körper vor Schaden und

Verletzungen zu bewahren.

Nun erscheint es angebracht, zwischen natürlicher Beanspruchung durch eine

Bewegungs- oder Dehnübung und dem Schmerz durch Verletzung zu unterscheiden.

Schmerzen in einem Gelenk bedeuten, dass Sie sofort abbrechen und die Übungs-

beschreibung noch einmal sorgfältig studieren sollten. Wenn Sie trotz korrekter

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Ausführung in einem Gelenk Schmerz verspüren - gleichgültig, ob es sich um ein

Ellbogen-, Knie-, Schulter- oder Handgelenk handelt -, kann es sein, dass Sie sich

überanstrengt haben oder dass eine alte Verletzung wieder aufbricht. In beiden Fäl-

len sollten Sie Umfang und Tempo der Bewegungen verringern; wenn der Schmerz

trotzdem anhält, gehen Sie gleich zur nächsten Schwungübung weiter. Wenn die

Beschwerden auch dann noch zu spüren sind, reduzieren Sie den Bewegungsum-

fang so lange, bis der Schmerz endgültig verschwindet. Auf gar keinen Fall sollten

Sie versuchen, die Gelenkschmerzen gewaltsam durchzustehen. Die gleichen Vor-

sichtsregeln gelten auch für die Praxis von Tai Chi, Hsing-I, Ba Gua und überhaupt

für alle inneren Übungssysteme.

Das gesamte weiche Körpergewebe ist ein weiterer rücksichtsvoll zu behandeln-

der Faktor. Die subtilen Chi-Gung-Bewegungen können in den weichen Gewebs-

schichten unter Umständen brennende oder stechende Schmerzen hervorrufen. Wer

auf die harte Weise lernen wi l l , wird schnell merken, wann er zu weit gegangen ist.

Bei heftigen Schmerzen sollten Sie sofort aufhören, es sei denn, Sie hätten einen

erfahrenen Meister zur Seite. Al le Sportler müssen ihre Belastungsgrenzen ken-

nenlernen. Wenn Sie noch zu wenig Erfahrung haben, ist es auf jeden Fall besser,

übervorsichtig zu sein. Leichte Schmerzen im weichen Körpergewebe sind ganz

normal, starke Schmerzen sollten Sie aber am besten vermeiden.

Die meisten Menschen wissen nicht, wo ihre Grenzen liegen, und schießen

deshalb leicht übers Ziel hinaus. Das trifft besonders auf die sogenannten Sonntags-

sportler zu. Während eine kurzzeitige Überlastung von ein paar Sekunden kaum

nennenswerte Schäden verursacht, wird eine Überforderung über längere Zeiträu-

me deutliche Spuren hinterlassen. Natürlich sind die Schmerzgrenzen individuell

verschieden, da die Belastbarkeit von verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel

Alter, Gewicht, Konstitution und Trainingserfahrungen, abhängt.

Nicht die Kniegelenke überlasten! Die Überlastung von Muskeln endet im schlimmsten Fall mit einer Zerrung. Die

meisten Praktizierenden beenden die Übung aufgrund des damit verbundenen

Schmerzes rechtzeitig, bevor es dazu kommt. Ein verzerrter oder überanstrengter

Muskel erholt sich innerhalb weniger Tage, Wochen oder - schl immstenfal ls-Mo-

nate. Sehnen-, Bänder- und Gelenkschäden können dagegen ein Leben lang bleiben

und unter Umständen sogar operative Hilfe erfordern. Gehen Sie deshalb mit Ihren

Gelenken vorsichtig um. Muskeln wachsen nach, Gelenke sind unersetzlich.

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Für die meisten Menschen sind Schmerzen in den Knien oder Fußknöcheln ein

Hinweis darauf, dass sie etwas höher stehen müssen. Da wir in einer Kultur leben,

die den Oberkörper betont, haben wir ein eher unterentwickeltes Gefühl für die

Gelenke im Unterkörper. In den Kampfkünsten führt dieser Mangel allzu häufig zu

Knieproblemen. Die inneren Kampfkünste sind in China bekannt dafür, Rücken- und

Gelenkschäden reparieren zu können. Wenn Sie Ihre Gelenke jedoch überlasten,

können Drehbewegungen bereits angegriffenes Gewebe zusätzlich schwächen und

alte Verletzungen noch verschlimmern. Die Chi-Gung-Elementarübungen können

bei korrekter Ausführung ausgesprochen nutzbringend sein, aber auch - wie jede

andere Bewegungsübung - denjenigen schaden, die heldenhaft über ihre Grenzen

hinausgehen wollen.

Hinweis für Tanz- und Bewegungskünstler Gehen Sie bei Müdigkeit und Erschöpfung zur folgenden Schwungübung weiter.

In der Regel geben sich Tänzer und andere Bewegungskünstler nur mit maximalen

Übungszielen zufrieden. Dieser Ehrgeiz verleitet sie dazu, nicht nur so lange zu

üben, bis die Gelenke gut geölt scheinen, sondern bis sie das Gefühl haben, dass

diese sich scheinbar auflösen oder sogar ohne Knochen zu sein. Erst dann sind sie

bereit für die nächste Übung. Es ist sehr schwierig, hier Zeitangaben zu machen,

weil Sie die Wolkenhände oder jede der Schwungübungen möglicherweise eine

Stunde (oder auch mehrere Stunden) hintereinander praktizieren können. Das ist

individuell ganz unterschiedlich, und nur ein erfahrener Lehrer kann im direkten

Kontakt genaue Aussagen darüber machen. Grundsätzlich sollten Sie jedoch bei

den ersten Zeichen für Überanstrengung an einem Gelenk zur folgenden Übung

wechseln. Das Kunststück liegt darin, die durch den Organismus fließende Ener-

giemenge zu optimieren, ohne dabei die Grenze zur Erschöpfung zu überschreiten.

Das erreichen Sie nur durch Selbstbeobachtung während des Übens, was sowohl

zum direkten Verstehen und Erfahren Ihrer Grenzen als auch der Stärken und Mög-

lichkeiten Ihres Körpers und Geistes führt.

Hinweis für Kampfkünstler Visualisieren Sie bei den Chi-Gung-Elementarübungen keine Kampfanwendungen.

Die eben behandelten Probleme, Erschöpfung und Überlastung der Gelenke,

gelten ebenfalls für Kampfkünstler. Diese tendieren außerdem dazu, sich alle mögli-

chen Kampfanwendungen vorzustellen, die ja auch tatsächlich mit diesen Übungen

zusammenhängen. Damit laufen Sie aber Gefahr, sich - mit oder ohne Absicht - völ-

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lig in die kämpferisch orientierten Anwendungen hineinziehen zu lassen und Ihre

körperlichen Grenzen zu vergessen. Vermeiden Sie diesen Fehler, denn er führt nicht

nur zu einer Schädigung der Gelenke, sondern kann auch mentale Blockaden in

den Kampftechniken hervorrufen.

Die beste Übungszeit Die optimalen Übungszeiten werden von den meisten Menschen möglicherweise

nicht zu realisieren sein. Wie bei fast allen anderen Energieübungen beginnt die

beste Übungszeit für die Chi-Gung-Elementarübungen etwa zwei Stunden vor Ta-

gesanbruch. Dann ist die Erde am stillsten und die seelische Unruhe am geringsten.

Eine weitere gute Übungszeit ist der frühe Morgen, etwa bei Sonnenaufgang. Üben

Sie am Morgen am besten auf nüchternen Magen, so dass der Körper keine Energie

an die Verdauung abgeben muss. Frühstücken Sie erst nach dem Training.

Der frühe Abend bietet sich ebenfalls als passende Übungszeit an. Sie sollten aber

nicht unmittelbar vor dem Schlafengehen trainieren, weil diese Übungen Energie

erzeugen. Wenn Sie kurz vor dem Zubettgehen üben, beginnen Sie mit der ersten

Schwungübung, dann folgt die Wirbelsäulendehnung und dann noch einmal die

erste Schwungübung - jetzt aber so, als ob Sie auf Ihren Füßen fast einschlafen.

Lassen Sie alle verbliebene Spannung in den Boden sinken.

Für Nachteulen empfiehlt sich die Zeit zwischen Mitternacht und drei Uhr mor-

gens zum Üben, weil besonders die stadttypischen Belastungen und psychischen

Erregungen in dieser Nachtphase abflauen. In diesen Stunden beginnt die natürliche

Phase, in der sich der Körper mitYang-Chi auflädt; die Chi-Gung-Praxis zu dieser

Zeit verstärkt diesen Vorgang noch. Normalerweise verlieren die Nachteulen ihr

Yang-Chi, weil sie in diesem Zeitraum nicht schlafen, was aber durch die Chi-Gung-

Praxis abgemildert wird. Dies ist auch die perfekte Übungszeit für den Wechsel bei

den Schwungübungen.

Und vergessen Sie nicht: Es ist besser, zu jeder beliebigen Zeit zu üben, als

überhaupt nicht.

Die Übungshäufigkeit

1. Normale Praktizierende üben mindestens drei- bis fünfmal in der Woche

Die erste Frage, die gestellt wird, hat meistens damit zu tun, wie lange oder

wie oft diese Übungen praktiziert werden sollen. In den ersten drei Jahren ist es

empfehlenswert, die Chi-Gung-Elementarübungen wenigstens an drei oder vier

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Tagen pro Woche mindestens zehn bis zwanzig Minuten zu üben. Die tägliche

Übung wäre allerdings am besten.

2. Kampfkünstler üben täglich

Wenn Sie Tai Chi oder eine andere innere Kampfkunst praktizieren, sollten Sie

nach ungefähr drei Jahren so viel Erfahrung haben, dass Sie Ihre Übungszeiten

selbst bestimmen können. Im Idealfall sollten Sie jedoch täglich üben. Beginnen

Sie Ihr tägliches Programm mit allen Übungen der Energietore zum Aufwärmen

vor Ihrem Haupttraining, und schließen Sie die Übungseinheit als Ausklang mit

den Schwungübungen und der Wirbelsäulendehnung ab. In diesem Zusammen-

hang reichen etwa drei Minuten für die Schwungübungen.

3. Läufer und Leistungssportler üben zum Aufwärmen und zum Ausschwingen

Sportler wie Läufer oder Teil nehmer an anderen Wettkämpfen werden feststellen,

dass sie nach dem Wettkampf auftretende Spannungen und Energieblockaden am

effizientesten mit den Schwungübungen und der Wirbelsäulendehnung abbauen

können. Diese Übungen verkürzen die Regenerationsphase erheblich und un-

terstützen den Körper darin, vor der nächsten Aktivität locker und geschmeidig

zu werden.

4. Büroangestellte üben in den Mittagspausen und bei kurzen

Arbeitsunterbrechungen

Die Schwungübungen und die Wirbelsäulendehnung sind besonders empfehlens-

wert für Berufe mit extremer geistiger Anspannung. Üben Sie ein paar Minuten

in einer Kaffeepause, wenn der Stress schon zu spüren ist, aber bevor er sich

festsetzen konnte. Eine einzige Minute Stresslinderung in diesem Stadium hat

unschätzbaren Wert. Wenn Sie nur kurz Zeit haben, machen Sie wenigstens die

Schwungübungen.

Chi Gung zum Stressmanagement Wer hohen beruflichen Belastungen ausgesetzt ist, sollte genau verstehen, wie Stress

funktioniert. Zunächst wird das Nervensystem überreizt und dann arbeitet sich der

Stress tief in den Körper hinein. Man kann die Wirkungsweise von Stress mit Zement

vergleichen, der am Anfang sozusagen noch nass und flüssig ist und schon nach ver-

hältnismäßig kurzer Zeit hart zu werden beginnt; das heißt, die Zusammenziehung

und Verengung der Nerven und Organe hält an und setzt sich fest. Der Stress vom

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Morgen verfestigt sich etwa um die Mittagszeit; der danach angesammelte Stress

setzt sich am Abend bzw. am Ende des Arbeitstages ab.

Fünf Minuten für die Praxis der Schwungübungen oder der Wolkenhände während

einer Kaffeepause am Vormittag oder Nachmittag können den Stress eines ganzen

Arbeitstages in der Tat wegfegen und den „Zement" nass halten. Gut zehn Minuten

in der Mittagspause bringen die morgendliche Frische zurück. Wenn Sie nach der

Arbeit praktizieren, wird der ganze während des Tages angesammelte Stress beseitigt.

Bis jetzt haben wir uns nur damit beschäftigt, wie man den während des Tages

angesammelten Stress loswerden kann. Jede Übung, die über die aktuelle Stress-

verarbeitung hinausgeht, vergrößert Ihre zentralen Energiereserven, die Körper und

Geist in hohen Belastungs- und Krisenzeiten, in Notfällen, in der Rekonvaleszenz

nach einer Krankheit oder einem Unfall zur Verfügung stehen. Diese Chi-Reserven

entscheiden auch darüber, mit welcher Energiequalität Sie später im Leben rechnen

können.

Die Entgiftung des Körpers Sie müssen immer daran denken, dass diese Übungen in den frühen Stadien der

Praxis (in den ersten Monaten) den Körper dazu veranlassen können, große Mengen

von eingelagerten Giften und Schlackenstoffen auszuscheiden. Das führt zuweilen

zu Gefühlen von Müdigkeit, Unwohlsein und Abneigung gegenüber der Praxis. Die

Körpergifte werden mit dem Schweiß, Urin und Stuhl ausgeschieden. Besonders am

Anfang kann der Schweiß sehr unangenehm riechen. Das geht aber ziemlich rasch

vorüber und schon bald wird Ihr Schweiß relativ geruchlos sein.

Obwohl die Chi-Gung-Elementarübungen und allgemein die inneren Kampfküns-

te kein Ersatz für das Fasten oder vergleichbare Reinigungsmethoden sind, bewähren

sie sich doch als gute zusätzliche Entschlackungstherapien. Wenn erst einmal die

oberen Schichten von Giftstoffen und blockierter Energie befreit sind, spüren Sie

die energetischen Wirkungen dieser Übungen rund um die Uhr.

Besonderer Hinweis für Frauen Chi Gung regt die Blutzirkulation äußerst intensiv an. Deshalb besteht die Mög-

lichkeit, dass die Menstruationsblutung durch Chi Gung übermäßig stark werden

kann. Wenn sich die Blutung während der Chi-Gung-Praxis tatsächlich verstärkt,

wi rd aus Sicht der chinesischen Medizin empfohlen, die Übungszeit zu reduzieren

oder mit der Praxis ganz aufzuhören, bis die Regel vorbei ist.

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Besonderer Hinweis für Männer Wenn Sie nicht gelernt haben, den Chi-Fluss während des Geschlechtsverkehrs zu

regulieren und die Ejakulation zu kontrollieren, sollten Sie drei Stunden vor und nach

dem Geschlechtsverkehr alle Chi-Gung-Übungen unterlassen. Das hilft, unregelmä-

ßigen Chi-Fluss zu vermeiden und übermäßigem Energieverlust vorzubeugen.

B. Die Suche nach einem qualifizierten Lehrer

Es ist erheblich einfacher, einen guten Chi-Gung-Ausbilder als einen wirkl ichen

Nei-Gung-Lehrer zu finden. Es gibt nicht nur weitaus mehr Personen, die Chi Gung

und kein Nei Gung lehren, sondern es ist auch schwieriger, von einem Nei-Gung-

Lehrer als Schüler angenommen zu werden; das gilt besonders dann, wenn man

noch nicht viel Erfahrung in Nei Gung gesammelt hat.

Einen Chi-Gung-Lehrer finden Die Anleitungen zu allen Chi-Gung-Übungen müssen genau befolgt werden. Be-

sonders in der Anfangsphase ist der Kontakt zu einem kompetenten Lehrer wichtig,

damit in den wenigen Fällen, wo Probleme auftauchen, Abhilfe nicht weit ist. Die

Anleitungen in diesem Buch, die den Bewegungen von Chi (nicht den anatomisch-

mechanischen des Körpers) gelten, dürfen nicht allein nach dem gedruckten Text

erlernt werden. Sie sind dafür gedacht, das Verständnis vertiefen, während man

unter der Anleitung eines qualifizierten Lehrers übt.

Der Lehrer muss dazu in der Lage sein, seinen Schülern verbal, nonverbal und am

Beispiel seiner Lebensführung das zu demonstrieren, was die Schüler zu praktizie-

ren versuchen. Wenn das Chi des Lehrers nicht vollständig entwickelt ist und wenn

er sich nicht im hohen Maße entspannen kann, ist es ziemlich unwahrscheinlich,

dass seine Schüler ihr Chi voll entwickeln und sich wirkl ich entspannen können.

Chi Gung kann man sich nicht auf der intellektuellen Ebene informativ aneignen,

sondern es ist der Prozess, etwas zu werden. Die Person, die Sie sich als Vorbild

wählen, wird auch ihre Energie auf Sie übertragen. Die Qualität des Chi dieser

Person wird darüber entscheiden, was Sie aus dieser wechselseitigen Beziehung

empfangen.

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In China drückt man das ganz einfach so aus: „Diese Dinge kann man nur von

jemandem lernen, der es selbst kapiert hat." Viele sportliche oder intellektuelle

Techniken lassen sich von einem guten Trainer lernen, der selbst nur ein mittel-

mäßiger Praktizierender ist. Beim Chi Gung bestimmt dagegen die Verwirklichung

des Lehrers, auf welchem Niveau er seine Entwicklung von Chi an seine Schüler

weitergeben kann. Der ideale Chi-Gung-Lehrer erfüllt zwei Bedingungen: Sein

persönliches Chi ist hoch entwickelt, und dasselbe gilt auch für seine Fähigkeit,

dem Schüler dies zu vermitteln. Ein altes Sprichwort lautet: „Einige Leute sind gute

Lehrer, andere sind gute Praktizierende, und die, welche auf beiden Gebieten gut

sind, findet man sehr selten."

Lassen Sie sich nicht durch schöne Worte täuschen, denn über Chi-Entwicklung

lässt sich viel leichter reden, als tatsächlich daran zu arbeiten. Vergessen Sie auch

nicht, dass asiatische oder chinesische Herkunft allein noch keine Garantie für wirk-

liche Sachkenntnis ist. Nehmen Sie sich die Zeit, um die Lehrer in Ihrer Umgebung

zu testen. Lernen Sie Chi Gung nur bei jemandem, der vertrauenswürdig wirkt. Es

ist wahrscheinlich besser, einige Zeit zu warten, anstatt sich auf das Studium mit

jemandem einzulassen, bei dem Sie sich unsicher fühlen.

Gegenwärtig gibt es im Westen nur eine verschwindend kleine Zahl von Chi-

Gung-Lehrern, die nach traditionellen chinesischen Maßstäben als kompetent ange-

sehen würden. Diese Maßstäbe beruhen auf Erfahrungen und Fortschritten, die ein

paar tausend Jahre zurückreichen und mit hohem persönlichem Einsatz erworben

wurden. Obwohl diese Maßstäbe in der Regel keinen schnellen und mühelosen

Erfolg garantieren, können alle Schüler durch beharrliches und regelmäßiges Üben

an ihr Ziel gelangen.

Worauf bei einem guten Chi-Gung-Lehrer zu achten ist

Bei der Beurteilung eines Chi-Gung-Lehrers sollte Sie zuerst interessieren, ob er

das Chi-Gung-System, das er unterrichtet, selbst mindestens schon seit zehn Jah-

ren praktiziert. Stellen Sie fest, ob er die Tradition seines Meisters auch wirklich

beherrscht - vor allem, wenn dieser aus einem anderen Sprach- und Kulturbereich

stammt. Außerdem sollte der Lehrer ein ausgeglichenes Wesen haben. Wenn er

geistig aufgeschlossen, aufrichtig und tolerant erscheint, haben Sie sicher eine gute

Chance, korrekt behandelt zu werden. Ist das nicht so und Sie spüren, dass man

versucht, Informationen als Lockmittel einzusetzen, dann werden die charakterli-

chen Schwächen des Lehrers wahrscheinlich verhindern, dass er die reine Lehre

weitergibt. Achten Sie bei einem Lehrer unbedingt auf geistige Klarheit, seelische

Ausgeglichenheit und körperliche Fitness.

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Selbst wenn ein Chi-Gung-Lehrer die genannten Bedingungen erfüllt, kann es

leider immer noch vorkommen, dass er sein eigenes System nicht entsprechend an-

passen kann, wenn etwas damit nicht klappt. Suchen Sie nach einem grundehrlichen

und sorgfältig unterrichtenden Lehrer, der mehrere Chi-Gung-Systeme umfassend

studiert hat und auch weiß, wie sie sich zueinander verhalten. Zumindest sein eige-

nes System sollte er bis ins letzte Detail beherrschen, so dass er Ihnen bei Problemen

bereitwillig und kompetent zur Seite stehen kann. Viele Chinesen haben schon als

Kinder Chi Gung gelernt und unterrichten jetzt bei uns Erwachsene, ohne sich klar

darüber zu sein, dass der Lernprozess bei Kindern anders als bei Erwachsenen ist.

Unterhalten Sie sich mit den Schülern eines Lehrers und versuchen Sie, sich ein

Bild von ihrer Praxis zu machen. Finden Sie heraus, ob die Auskünfte mit Ihren

Vorstellungen und Erwartungen übereinstimmen. In den kommenden Jahren werden

immer mehr Menschen gutes Chi Gung lernen und ein fundiertes Urteil zu angebo-

tenen Chi-Gung-Systemen und Unterrichtsmethoden abgeben können.

Einen Nei-Gung-Lehrer finden Ich habe seit den 1960er-Jahren mit Chi gearbeitet, wozu auch über ein Jahrzehnt

der Ausbildung in China gehört. Die Entscheidung, ob ein Lehrer dazu qualifiziert

war, Nei Gung zu unterrichten, war weder eindeutig klar noch einfach. Gute und

authentische Lehrer sind besonders im Westen schwer zu finden; sie sind es aber

selbst dann wert, aufgesucht zu werden, wenn Sie dafür weit reisen müssen. Ein

Lehrer, der einiges oder alles aus dem Nei-Gung-System persönlich verkörpert, wird

genauso viel oder mehr an entsprechender Schulung und Erfahrung besitzen wie

jeder Akademiker in seinem speziellen Fachbereich.

Zwar gibt es in China ein Bewertungssystem für Lehrer der taoistischen Ener-

gieübugen, aber nicht im Westen. Das ist einer der Gründe, weshalb die Wissens-

übertragung des Nei Gung im Westen so heikel ist. Um geeignete Lehrer für Ihre

Lernstufe zu finden, ob im Westen oder in China, müssen Sie die folgenden Punkte

berücksichtigen:

• Es gibt weitaus mehr Lehrer, die eine bestimmte Kenntnis einiger Komponenten

des Nei Gung haben, als Lehrer mit einem Wissen auf höherer Ebene. Solche

Lehrer können Sie die Grundinformatioen lehren und dazu veranlassen, Lehrer

der höheren Stufe aufzusuchen.

• Lehrer, die Chi Gung und Tai Chi unterrichten, kennen und lehren vielleicht

wenige, einige oder auch alle 16 Nei-Gung-Komponenten. Aufgrund seiner

ethnischen Abstammung, seines möglichen Ruhms, seiner Vermarktung oder

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eines mit seinem Namen verbundenen Titels können Sie nicht beurteilen, wie

viel ein Lehrer weiß.

• Sicher, aber auch nicht immer eine „Garantie" sind ältere und möglicherweise

berühmte Meister, deren Geschick und Wert für Schüler sich durch die Zeit

und ihr Ansehen erwiesen hat. Das trifft besonders für diejenigen zu, die sehr

alte und fest etablierte Übermittlungslinien halten.

• Wirkl ich kenntnisreiche Nei-Gung-Meister mögen Nei Gung vielleicht nicht

gern vollständig lehren und lassen sich nicht leicht davon überzeugen, dies zu

tun oder einen neuen Schüler anzunehmen.

• Ein Lehrer, der weiß, wie Nei Gung bei der Nutzung von Chi anzuwenden ist,

wie beispielsweise bei der Selbstheilung, der persönlichen Gesundheitsvorsorge,

der Heilung von anderen, in den Kampfkünsten oder bei der Meditation, wird

vielleicht nicht wissen, wie Nei Gung in einem anderen Kontext anzuwenden

ist oder selbst keinerlei Schulung in diesen Anwendungsbereichen haben.

• Vielleicht müssen Sprachbarrieren zwischen der chinesischen und Ihrer Mut-

tersprache überwunden werden.

• Menschen, die Jahre damit verbracht haben, auf diesem Gebiet Nachforschun-

gen anzustellen, können Sie in die richtige Richtung weisen. Noch besser ist,

wenn Sie eine Person finden, die sich bei einem anerkannten Lehrer für Sie

einsetzen kann, der Sie als Schüler akzeptieren und nicht abweisen wird.

• Die Skala der Persönlichkeiten von Lehrern und Meistern des Nei Gung kann

von freundlich bis schroff, von bescheiden bis arrogant reichen. Lassen Sie

sich durch das, was Sie als negative Persönlichkeitszüge eines Lehrers wahr-

nehmen, nicht daran hindern, bei jemandem mit echtem und authentischem

Wissen zu lernen.

C. Die Wichtigkeit einer korrekten Chi-Gung-Praxis

Die überwiegende Mehrheit aller Chi-Gung-Systeme, einschließlich der in diesem

Buch enthaltenen, fördern die Gesundheit zuverlässig und ohne Nebenwirkungen.

Wie jedes andere kraftvolle Werkzeug auch kann Chi Gung jedoch bei inkorrekter

Verwendung Schaden herbeiführen. Es gibt buchstäblich Hunderte von Chi-Gung-

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Techniken, die ernste gesundheitliche Störungen hervorrufen können. Es wäre un-

möglich, jede einzeln hier zu erwähnen. Allerdings werde ich versuchen, Ihnen

einen gesunden Respekt für die Wirksamkeit der verschiedenen Chi-Gung-Techniken

zu vermitteln und einige Kriterien an die Hand zu geben, mit denen Sie die sicheren

und effizienten Methoden erkennen können.

Jeder Körper ist anders

Menschen reagieren unterschiedlich auf geistige, seelische und körperliche Belas-

tungen. Manche führen ein ausschweifendes Leben und erreichen bei guter Ge-

sundheit ein hohes Alter, während andere sich trotz einer möglichst vernünftigen

Lebensweise mit allen erdenklichen Gebrechen herumschlagen. Der Unterschied

lässt sich durch die Menge an Lebensenergie, mit der Menschen zur Welt kommen,

und die Stärke ihres Nervensystems erklären.

Aus Sicht der chinesischen Medizin hängt die Stressbelastbarkeit von der Ner-

venstärke ab. Wenn der Stress die Belastungsgrenze des zentralen Nervensystems

überschreitet, kommt es zum Nervenzusammenbruch. Die Folge davon sind allerlei

physische, emotionale und geistige Störungen, die möglicherweise für organische

Dysfunktionen und vorzeitigen Tod verantwortlich sind.

Chi fließt durch die Nervenbahnen

Da unterschiedliche Menschen Nervensysteme verschiedener Stärke besitzen,

kommt es darauf an, bei den Chi-Gung-Übungen diese individuellen Ungleichhei-

ten zu berücksichtigen. Genauso wie ein bestimmter Lebensstil den einen aufblühen

lässt und den anderen früh unter die Erde bringt, sind manche Chi-Gung-Systeme

für die einen hervorragend geeignet und für die anderen in der Tat ausgesprochen

gefährlich.

Die Nervenbahnen als Leitungssystem für Chi sind potentiell am stärksten durch

ungeeignete und falsch ausgeführte Chi-Gung-Übungen gefährdet. Während eine

richtige Chi-Gung-Praxis die Nerven stärkt, können sie durch fehlerhafte Praxis

überlastet werden, was zum Ausfall aller angeschlossenen Subsysteme des Körpers

führen kann.

Jede Botschaft vom Gehirn zum Körper oder in der Gegenrichtung durchläuft das

zentrale Nervensystem. Wenn Sie mit den Chi-Gung-Übungen das Zentralnerven-

system direkt beeinflussen, müssen Sie drei Sicherheitsvorkehrungen treffen:

1. Beim Üben müssen die natürlichen Grenzwerte eingehalten werden, andern-

falls riskieren Sie Nervenschäden.

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2. Die Öffnung neuer Bahnen und Verbindungen muss zu Gesundheit und Wohl-

befinden führen, nicht zu Schwäche oder Krankheit.

3. Dem Körper muss ausreichend Zeit gelassen werden, um sich auf diese ihm

zugeführten neuen Impulse einzustellen, so dass die Signale nicht durchei-

nander gebracht werden. Ein zu hohes Anfangstempo kann körperliche und

mentale Probleme verursachen und sogar zu Halluzinationen führen.

In China hat man durchweg nachweisen können, dass korrekt geübtes Chi Gung

Fehlfunktionen der inneren Organe rückgängig machen und Stressfolgen durch

die Stärkung der Nervenkraft aufheben kann. Wird es jedoch fehlerhaft praktiziert,

kann es stattdessen sogar Stress verstärken oder Organe schädigen - ähnlich wie

ein Mechaniker mit denselben Werkzeugen ein Auto ebenso beschädigen wie

vollständig reparieren kann.

Ein Sicherheitsvergleich zwischen Pranayama und Chi Gung

Das Sanskritwort Prana und der chinesische Begriff Chi können beide als „Lebens-

atem" übersetzt werden. Bei der Beschreibung des Pranayama (etwa als „Ener-

giebeherrschung" zu übersetzen) wird in den klassischen Yogatexten stets darauf

hingewiesen, dass die persönliche Aufsicht eines kompetenten Lehrers regelmäßig,

möglichst täglich unbedingt erforderlich ist. Diese Forderung beruht auf den fol-

genden Tatsachen:

• Pranayama ist seiner inneren Natur nach nicht ungefährlich

• Um Schäden zu vermeiden, muss korrekt geübt werden

• Falls aus irgendeinem Grund Probleme auftreten, muss der Lehrer schnell er-

reichbar sein, um einzugreifen, bevor es zu spät ist

• Probleme kündigen sich in so unauffälligen Vorzeichen an, dass sie ein Anfän-

ger kaum wahrnehmen kann. Schon subtilste Ausrichtungen können darüber

entscheiden, ob man richtig übt oder sich selbst Schaden zufügt

Pranayama beruht auf der Atmung und partieller Kompression Im Pranayama werden Techniken verwendet, die in einem Körperbereich Energie

stilllegen und in einem anderen aufbauen oder komprimieren. Diese Techniken

bestehen aus der Kombination von spezifischen Körperhaltungen und bewusstem

Einsatz des Atems.

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An sich ist Pranayama ein äußerst präzise funktionierendes System. Wie bei-

spielsweise in einem Atomreaktor das richtige Verhältnis von Energie und Druck

eingehalten werden muss, so gelten auch im Pranayama strenge Sicherheitsanfor-

derungen. Wenn diese beim Üben nicht beachtet werden, können die individuellen

Folgen verheerend sein.

Im Westen und auch in Indien gibt es viele Fälle, in denen Menschen wegen

fehlerhaften Übens an körperlichen und psychischen Problemen zu leiden haben.

Meistens lässt sich dies auf mangelnde Kompetenz des Lehrers zurückführen, obwohl

auch ein leichtfertiger Umgang mit seinen Anleitungen auf Seiten des Schülers zu

schädlichen Konsequenzen führen kann. Dazu kommt, dass besonders im Westen

viele nur aus Büchern lernen und deshalb nicht wissen, welche potentiellen Pro-

bleme es gibt, wann sie genug geübt haben und welche Übungen nur unter strikter

Aufsicht eines Lehrers erlernt werden dürfen.

Die Probleme, die bei den Pranayama-Übungen auftreten können, liegen nicht

in der Tatsache begründet, dass sie nicht wirksam sind, sondern dass sie vielmehr

allzu gut funktionieren. Wenn eine Technik die Kraft hat, dem Leben zu nützen,

dann entspricht dem manchmal auch ihr zerstörerisches Potential, wenn sie falsch

oder von einem Menschen mit unpassendem Konstitutionstyp geübt wird.

Das Vorteil-Risiko-Verhältnis im Chi Gung In den Pranayama-Systemen des Hatha-Yoga, die in den authentischen Kundalini-

Prozess einführen und bis zur Stufe der Selbstverwirklichung gehen können, werden

die Vorteile von den möglichen Risiken in etwa aufgewogen. Im Chi Gung ist das

Verhältnis von Nutzen und Schaden viel komplexer. Manche Systeme bieten geringe

Vorteile und hohe Risiken, bei anderen halten sich positive und negative Resultate

die Waage; einige, wie die in diesem Buch beschriebenen Elementarübungen,

bringen bei minimalem Risiko hohen Nutzen.

Chi Gung in China lernen

Selbst in China ist es sehr schwer, einen guten Chi-Gung-Lehrer zu finden. Die

meisten Lehrer geben nur ein System weiter und lehren es so, wie sie es gelernt

haben: rein mechanisch. Sie besitzen kein Grundverständnis, wie es funktioniert

und wie es in das Gesamtbild des Chi Gung hineinpasst.

Die Chinesen unterscheiden deutlich zwischen Menschen, die einige Chi-Gung-

Techniken kennen, und wirklichen Chi-Gung-Meistern. Das ist in etwa vergleichbar

mit dem Unterschied zwischen jemand, der einen Computer bedient, und jemand,

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Page 324: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

der Computerprogramme entwickelt. Der Erste weiß, wie er die Knöpfe drückt, damit

das System funktioniert; er weiß aber nicht, was zu tun ist, wenn ein Fehler auftritt,

oder wie sich das Sytem für spezielle Bedürfnisse verändern lässt. Der Programmie-

rer oder Computer-Meister andererseits weiß, wie die „Viren" und andere Pannen,

wenn sie auftreten sollten, aus dem System zu beseitigen sind und wie das Pro-

gramm für eine spezielle Anwendung oder einen bestimmten Nutzer einzurichten ist.

Nur selten einmal untersuchen Schüler verschiedene Chi-Gung-Systeme, bevor sie

sich für die Praxis von einem entscheiden; wenn sie mit Chi Gung dann unter einem

bestimmten Lehrer begonnen haben, wird es als illoyal angesehen, andere Lehrer

auch nur aufzusuchen. Das Wort ihres Lehrers wird dann zu einer Art Evangelium.

Dieses geistige Klima erschwert es chinesischen Schülern, in mehr als einem Zweig

des Chi Gung Erfahrungen zu sammeln.

Taoisten betonen den spirituellen Hintergrund des Chi Gung

China ist die älteste, kontinuierlich zivilisierte Kultur auf der Erde, und auf diese

Tatsache sind die Chinesen unglaublich stolz. In der Geschichte haben sie sich

selbst als die einzige zivilisierte Nation auf der Erde betrachtet. Wenn sich diese

Einstellung mit der Erinnerung daran verbindet, wie schlecht der Westen sie in der

Vergangenheit behandelt hat, dann ist es verständlich, dass viele Chi-Gung-Meister

nichts mit Ausländern zu tun haben möchten und insbesondere nicht dazu bereit

sind, eine der Perlen der chinesischen Zivilisation herauszurücken.

Obwohl viele chinesische Meister der Kampfkünste mir die wirkl ich wichtigen

Dinge nicht beibringen wollten oder mich sogar fehlerhaft unterrichteten, waren die

Taoisten über kulturelle und persönliche Unterschiede erhaben. Sie fanden es bewun-

dernswert, dass sich jemand aus dem Westen die Zeit nahm und die Mühe machte,

ihre Sprache zu lernen, um etwas (Chi Gung) studieren zu können, das sie selbst für

sehr wichtig hielten. Allgemein waren dieTaoisten in spiritueller Hinsicht hoch ent-

wickelt und vertraten die Ansicht, dass die Entwicklung des spirituellen Lebens über

Zeit, Raum und Kultur hinausgehen würde. Die meiste, in die Tiefe gehende Chi-

Gung-Arbeit, die ich gelernt habe, wurde mir von dieser Gruppe vermittelt; ohne sie

wäre es mir nicht möglich gewesen, aus diesem Thema überhaupt klug zu werden.

Ein Vergleich der Chi-Gung-Systeme

Im Verlauf meiner Studien erkannte ich sehr deutlich, dass bei etlichen Chi-Gung-

Systemen immer ein bestimmter Prozentsatz von Praktizierenden Probleme durch

die Übungen bekam, während andere Formen weder positiv noch negativ sonderlich

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Page 325: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

viel zu bewirken schienen. Ich bemerkte auch, dass einige Systeme einen weiten

Anwendungsbereich besaßen, so dass dieselben Techniken für viele unterschiedliche

Probleme mit Gewinn herangezogen werden konnten. Andere Techniken waren

dagegen sehr speziell. Ein paar Systeme vertrugen sich gut mit anderen Methoden,

manche dagegen überhaupt nicht.

Die folgenden Fallbeschreibungen veranschaulichen einige der Schwierigkeiten,

die aus fehlerhafter Chi-Gung-Praxis entstehen können. In jedem der Beispiele

habe ich den Betroffenen entweder persönlich gekannt oder das Problem ist bei mir

selbst aufgetreten. Ich hatte großes Glück, dass mein erster Lehrer, Wang Shu-Jin,

mich nur absolut sichere Methoden lehrte, aber später habe ich auch eine Reihe

von riskanten Techniken erlernt, von denen einige mich in große Schwierigkeiten

brachten. Ursprünglich hatte ich nicht glauben wollen, dass Chi Gung Probleme

verursachen könnte, doch durch schmerzliche Erfahrungen musste ich erkennen,

dass dies sehr wohl möglich ist.

Fehlerhafte Chi-Gung-Praxis kann Probleme verursachen

In seltenen Fällen kann fehlerhaft ausgeführtes Chi Gung Menschen krank machen

oder ihre geistige und physische Gesundheit verschlechtern. Die Chinesen nennen

dies dzuo huo lu mo, „das Feuer geht zum Teufel".

Fall 1: Ein Übermaß an Chi kann schmerzhaft sein

Mein Lehrer Liu Hung Chieh gab seine Übermittlung des Hsing-I und Ba Gua nur

noch an einen anderen Schüler außer mir weiter: Bai Hua. Dieser lehrte seiner-

zeit in Amoy (Xiamen, Provinz Kukien), und der folgende Fall betrifft einen seiner

Schüler.

Bai Hua lehrte diesen Schüler die elementare Hsing-I/Nei-Gung-Technik, Chi

in das untere Tantien sinken zu lassen. Nach etwa zweijähriger Praxis wurde der

Schüler außergewöhnlich stark. Zu diesem Zeitpunkt zog Bai Hua aus Amoy in

eine andere Stadt um. Sein Schüler suchte andere Hsing-I-Meister auf und woll te

von jedem geheime Techniken lernen. Er übte fleißig, denn er hatte bei der ersten

Technik erfahren, wie gut sie funktioniert hatte.

Leider hatte sein Ehrgeiz negative Konsequenzen. Nachdem er die neuen Tech-

niken, von denen eigentlich keine schädlich war, ein Jahr lang geübt hatte, ergaben

sich aus ihrer Kombination alle möglichen Probleme. In seinem Bemühen, das Chi

im unteren Tantien zu verstärken, zwang er seine Lebensenergie schließlich unter

dieses Tantien und in die Genitalien. Dadurch leerte er seinen mittleren Erwärmer

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(jiao), der für die inneren Organe zuständig ist, und füllte den unteren Erwärmer.

Das Aufbrechen der natürlichen Energieversiegelung zwischen dem mittleren und

dem unteren Erwärmer brachte das Chi seines mittleren Erwärmers in völlige Un-

ordnung. Daraus ergaben sich mentale und physische Probleme, einschließlich

Halluzinationen und unwillkürlichem Samenerguss. Er verlor seine Arbeit, und seine

kurz bevorstehende Heirat musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Es kostete einen Kräuterdoktor und Bai Hua drei Jahre, um den jungen Mann in

einen fast normalen Zustand zurückzuversetzen. Es braucht viel weniger Zeit, Ihr

Chi zu schädigen, als es wieder in Ordnung zu bringen. Stellen Sie sich vor, was es

bedeutet hätte, wenn dies im Westen passiert wäre: Die Chance, wirkliche Experten

für die Behandlung der Probleme dieses Schülers zu finden, wäre ausgesprochen

gering gewesen.

Fall 2: Die möglichen Gefahren von sexuellem Chi Gung

Viele Menschen sind heutzutage von den Chi-Cung-Techniken zur Steigerung der

sexuellen Kraft fasziniert. Es gibt zum Beispiel ein System, in dem solche Techniken

praktiziert werden, wie die Energie gewaltsam in Anus und Wirbelsäule hochzuzie-

hen oder immer schwerere Gewichte an Hoden und Penis zu hängen.

Etwa 1970 warnte mich mein erster Lehrer Wang Shu-Jin, ein Mann, der für seine

taoistischen Sexualpraktiken bekannt war, vor diesen Techniken. Als ich meinen

nächsten Lehrer, Hungl Hsiang, darauf ansprach, sagte mir auch dieser, es wäre eine

sehr schlechte Idee, solche Techniken zu praktizieren. In der Tat hielt er mir einen

einstündigen Vortrag und warnte mich davor, lächerliche Formen des esoterischen

sexuellen Chi Gung zu praktizieren.

Kleinere Probleme kommen dabei ausgesprochen häufig vor. Ich bin vielen Leuten

begegnet, die sich an solchen Techniken der sexuellen Kontrolle versucht und dabei

ihre Sexualorgane geschädigt haben. In diesen Fällen kommt es sehr schnell zu

einer Überforderung des Organismus, besonders dann, wenn die Sexualorgane von

Anfang an genetisch schwach sind. Zu einigen der verbreiteten Probleme gehören

Hodenschwel lungen und innere Blutungen. Während diese Techniken zu verlänger-

ter Erektionsfähigkeit verhelfen mögen, kann der verstärkte Druck das Bindegewebe

und die Gefäßwände schädigen. Auch Frauen können durch ungeeignete sexuelle

Chi-Gung-Methoden Schaden davontragen; so kann es zu Scheinschwangerschaft

und unregelmäßig einsetzenden Perioden kommen.

Eine andere Technik aus bestimmten Kampfkünsten und Chi-Gung-Systemen,

die Männer gesundheitlich gefährden kann, betrifft das Hochziehen der Hoderi in

die Leibeshöhle. In den Kampfkünsten wird diese Technik angewendet, um sich vor

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Schlägen in die Leistengegend zu schützen. Wang Shu-Jin riet mir, diese Technik

nicht zu praktizieren, weil ich oft auf Reisen war und er mich nicht gründlich genug

überwachen konnte. Er sagte auch, dass selbst im Falle einer genauen Überwachung

ein bestimmter Prozentsatz von Praktizierenden Schaden davontragen, wenn die

Praxis erst nach der Pubertät begonnen wird.

Die strenge Überwachung durch einen Meister gehört unbedingt zum Erlernen der

sexuellen Chi-Gung-Methoden. Das sollte besonders im Westen beherzigt werden,

wo sich eine wahre Workshop-Kultur entwickelt hat und die kompliziertesten Dinge

in ein oder zwei Tagen oder sogar nur Stunden angeboten werden, die früher in

mehreren Monaten vermittelt wurden.

ImTaoismus ist es Tradition, potentiell gefährliche Inhalte nicht ohne alle vorstellba-

ren Sicherheitsmaßnahmen zu unterrichten. In anderen Traditionen glaubt man, wenn

der Mehrheit geholfen wird und nur eine verschwindende Minderheit Schaden davon-

tragen mag, dass insgesamt mehr Nutzen als Schaden bewirkt wird. Jeder, der solche

Techniken studiert, sollte sich aber dessen bewusst sein, dass er zu jener Minderheit

zählen kann und dass er das unter Umständen erst erfährt, wenn es schon zu spät ist.

Ich möchte öffentlich nur solche Chi-Gung-Techniken lehren, die praktisch risiko-

los sind. Nur im privaten Rahmen, wo ich für die entsprechende Supervision sorgen

kann, möchte ich risikoreichere Techniken lehren, die potentiell zu schnelleren

Ergebnissen als die gänzlich sicheren Techniken führen. Der Unterschied zwischen

beiden besteht gewissermaßen darin, dass Sie Ihr Geld in einem Geldgeschäft mit

langsamem, beständigem und sicherem Wachstum anlegen oder dass Sie mit Ihrem

Geld auf dem Aktienmarkt oder in finanziellen Transaktionen leichtsinnig umgehen.

Fall 3: Die Kehrseite der Kompressionsatmung

Hung I Hsiangs Bruder praktizierte Weißer-Kranich-Chi-Gung. Eine gebräuchliche

Technik des Shaolin-Chi-Gung wie Weißer Kranich besteht darin, Energie in den

Körper hineinzuzwingen oder zu „packen" - vergleichbar mit dem Versuch, viele

Kleidungsstücke in einen Koffer hineinstopfen zu wollen. Zu dieser Technik gehö-

ren die Press- oder Kompressionsatmung, physische Kontraktionen und ein Gefühl

von körperlicher und energetischer Kraft. Durch übertriebenes Üben erlitt Hung I

Hsiangs Bruder eine Lungenblutung, an der er starb.

Im Westen habe ich die verschiedensten Arten dieser Energiekomprimierung beob-

achtet. Sie sind äußerst riskant, wenn sie nicht unter strikter Aufsicht geübt werden.

Die Kompressionsatmung kann potentiell innere Blutungen und eine Disharmonie

der gesamten Körperenergien verursachen, zu einer Schädigung des Lungengewebes

führen und für Atemwegserkrankungen empfänglich machen.

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Page 328: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Eine Karate-Praktizierende Ende vierzig suchte mich in Boston auf. Sie hatte die

Kompressionsatmung auf einem Workshop gelernt und danach praktiziert; seitdem

hatte sie schon im vierten Winter in Folge an Lungenentzündung gelitten. Die Tech-

nik, die sie übte, war äußerst kraftvoll. Bevor sie mit dieser Technik begonnen hatte,

war sie kerngesund gewesen. Es stellte sich heraus, dass sie die ganze Zeit sehr

fleißig, aber völ l ig falsch geübt hatte. Nachdem ich mit ihr gearneitet hatte, bekam

sie im nächsten Winter keine Lungenentzündung mehr. Glücklicherweise konnte

ich in diesem Fall eine Korrektur vornehmen, aber das klappt nicht immer.

Ein weiterer Hilfesuchender, der Lehrassistent eines sehr bekannten Kampfkunst-

meisters von der amerikanischen Ostküste, hatte den Kleinen Himmlischen Energie-

kreislauf auf eine die Energie stark anregende Weise erlernt. Dabei benutzteer auch

die Umkehratmung, um im unteren Tantien Hitze zu erzeugen, die dann weiter im

Körper bewegt wurde. Außerdem wurde er angewiesen, den Anus zusammenzu-

pressen und beim Atmen die Energie mit aller Macht die Wirbelsäule hochzuziehen.

Je länger er das übte, um so intensiver und stärker spürte er seine Energie. Wie

auch bei anderen Chi-Gung-Techniken wird die dadurch erzeugte Erfahrung um so

stärker, je mehr Kraft dafür eingesetzt wird. Zu allem Unglück brannte er innerlich

langsam aus, besonders seine Nieren- und Herzenergie schwand rapide. Als er erste

Symptome wie Frösteln, kalten Schweiß, unwil lkürl iche Schüttelanfälle, extreme

Empfindlichkeit auf Kälte und Vitalitätsverlust erlebte, wurde er angewiesen, mit der

Praxis fortzufahren, um „die Blockade zu verbrennen". Selbst als er die Übungen

einstellte, dauerte es noch mehr als fünf Jahre, um an dem Problem zu arbeiten und

die Symptome loszuwerden.

Die Tatsache, dass diese Symptome auftraten, ist an sich nicht bedenklich, weil

man sie in einem frühen Stadium hätte beheben können. Der Lehrer hatte jedoch

versäumt, die Warnsignale zu beachten; statt dessen vermittelte er seinem Schüler

das Gefühl, dass mit ihm etwas nicht stimmte! Wenn also bei der Chi-Gung-Praxis

große körperliche oder mentale Probleme auftreten, brechen Sie die Übungen sofort

ab. Der Fehler muss nicht unbedingt bei Ihnen liegen, sondern er kann auch auf

falsche oder missverständliche Anleitungen zurückzuführen sein.

Fall 4: Die unangenehmen Nebenwirkungen

der Vibrationstechnik

In vielen Chi-Gung-Systemen, besonders im Shaolin-Stil und in den Tierformen (wie

z.B. Weißer Kranich), gibt es eine Technik, mit der man Chi bewusst im Körper zum

Vibrieren bringen kann. Der Atem schwingt schnell und Chi vibriert im Inneren der

Knochen, des Bindegewebes, des Gehirns usw.

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Diese Übungsmethode kann mit einer Reihe unangenehmer Nebenwirkungen

verbunden sein. Die Betreffenden können völlig gleichgültig und nachlässig werden;

wenn die Vibrationen stärker werden, kann dies zu einer Art Größenwahn oder

anderen geistigen Störungen führen. Es können auch physische Halluzinationen

auftreten, bei denen die erwähnten Vibrationen, das Öffnen und Schließen nach

Beendigung der Praxis noch weiter anhalten. Wenn diese Praktiken lange genug

fortgesetzt werden, können sie Probleme in den inneren Organen hervorrufen. Die

Lunge und die Leber sind am stärksten gefährdet, doch auch andere Organe sind

dafür anfällig.

Oft fließt Chi bei diesen Praktiken unvollständig oder unregelmäßig durch den

Organismus, anstatt vollständig erweckt durch alle Bahnen zu strömen. Als ich diese

Vibrationspraktiken zum ersten Mal in Beijing beobachtete, wurde mir klar, dass

diese Art der wil lkürl ichen Chi-Bewegung den Effekt erzeugte, den man in Indien

als „unregelmäßig erweckte Kundalini" bezeichnet.

Meine Lehrerin für medizinisches Chi Gung in Beijing erklärte mir, dass diese

Vibrationstechniken traditionell in dem Ruf standen, viele Übende ins Unglück zu

stürzen. Sie hatte in ihrer Praxis mit Krebspatienten gearbeitet, die ihre Symptome

durch Chi Gung unter Kontrolle gebracht hatten. Dann hatten sie mit Vibrationstech-

niken begonnen, wodurch die Krebssymptome wieder auftraten und sie ins Kran-

kenhaus zurückkehrten, um dort zu sterben. Das intensive Energiegefühl macht die

Übenden süchtig, und wie bei Crack gibt es keine Chance mehr, wenn erst einmal

der Zusammenbruch kommt.

Als ich 21 Jahre alt war, lernte ich eine ähnliche „geheime" Technik. Es hieß,

dies sei das Chi Gung, das dem Tai Chi seine starke Kraft gebe. Ich übte jeden Tag

fleißig zwei Stunden, bis ich in der Lage war, Knochen mit einem leichten Schlag

nur durch die Vibration meiner Energie zu brechen. Zur gleichen Zeit stellte ich

aber auch ein unglaublich verführerisches Energiegefühl in meinem Kopf fest, und

mir wurde langsam klar, dass ich mich auf dem besten Wege zu einer Psychose be-

fand. Je stärker sich mein Chi entwickelte, um so sonderbarer wurde meine geistige

Verfassung und um so heißer fühlte sich mein Körper an.

Bei einem besonders gewalttätigen Kampf in Japan kam es so weit, dass ich nach

Belieben rechts und links von mir Knochen brechen konnte und kaum noch fähig

war, mich zu bremsen. Da erkannte ich, dass mich diese Technik zum Wahnsinn

führen würde und dass ich kein Mitgefühl mehr empfinden könnte. Augenblicklich

hörte ich damit auf. Ein paar Jahre später erfuhr ich in Taiwan, dass ich die Tsung-

He-Form aus dem Fukien-Weißer-Kranich-Stil gelernt hatte und dass etliche der

Übenden davon entweder versteckt oder offen geisteskrank geworden seien. Die

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meisten der äußerst bescheiden wirkenden Chi-Gung-Meister dieses Systems sind im

Grunde genommen äußerst gefährlich. Gewalt tritt an die Stelle von Menschlichkeit

und Mitgefühl. Obwohl sie ihre Kräfte zum Heilen nutzen könnten, würde es ihnen

nichts ausmachen, wenn dabei jemand zu Schaden käme.

Ein Tai-Chi-Schüler in San Diego (nennen wir ihn Mike) studierte bei einem

Lehrer, der eine Form unterrichtete, die Vibrationen von Geist, Körper und Atem

enthielt. Mike war noch nicht einmal zwanzig Jahre alt und hatte keine Erfahrung

in den Kampfkünsten. Er glaubte, traditionelles Tai Chi Chuan zu lernen. Im ersten

Jahr fühlte er sich gut und entspannt, aber dann wollte sein Lehrer das Tempo be-

schleunigen. Waffenformen und weitere Atemtechniken wurden hinzugefügt, um

die Vibrationen zu verstärken. Nach etwa zweieinhalb Jahren Training konnte er

schon Energie aussenden, allerdings noch etwas unkontrolliert. Er hatte das Gefühl,

tatsächlich gute Fortschritte zu machen. Leider begann er aber auch die folgenden

Nebeneffekte bei sich zu bemerken:

1. erschreckende Halluzinationen, bei denen sein Bewusstsein den Körper verließ

und unkontrollierbar davontrieb;

2. ein Gefühl, dass sich Gegenstände schneller bewegten, als sie es tatsächlich

taten (was besonders gefährlich beim Autofahren war);

3. das Gefühl, dass sein Körper innerlich zunehmend starr wurde;

4. es entstand Machthunger in ihm;

5. er fühlte sich permanent wie aufgedreht und konnte nicht zur Ruhe kommen;

6. sein Körper wurde von unwillkürl ichen Krämpfen geschüttelt.

Diese Probleme traten auch bei einem seiner Freunde auf, der zufällig in eine

meiner Unterrichtsgruppen gekommen war. Als ich sah, wie er sich buchstäblich

selbst zerfetzte, lehrte ich ihn, die Vibrationsenergie abfließen zu lassen und in eine

neue Form zu lenken. Er berichtete seinem Freund Mike davon, der mich ebenfalls

aufsuchte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Mike schon seit drei Jahren nicht mehr praktiziert.

Trotzdem hatten seine Symptome nicht nachgelassen, und er fürchtete buchstäblich

um seine geistige und körperliche Gesundheit. Ich stellte fest, dass er das Chi in

seinem Körper verdichtet hatte. Mit Hilfe verschiedener Methoden formte ich seine

Energie um und zeigte ihm, wie er diesen Heilungsprozess zu Hause fortsetzen

konnte. Um das zerstörerische Chi aus seinem Körper zu entfernen, lehrte ich ihn

auch Techniken, die den in diesem Buch beschriebenen sehr ähnlich sind. Nach

weiteren zwei Jahren waren seine Probleme fast überwunden.

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Page 331: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Das Ausstoßen von Energie Viele andere Chi-Gung-Techniken, wie zum Beispiel Energie auf Entfernung aus-

stoßen, sind ihrer Natur nach nicht gefährlich. Sie setzen aber eine solide Beherr-

schung der Erdungstechniken voraus, die in diesem Buch beschrieben sind. Die

meisten Probleme beim Chi Gung entstehen, wenn die Energie sich staut und

deshalb nicht mehr ungehindert durch den Organismus fließt. Das Wissen darüber,

wie man Energie in den Boden ableitet, kann sich als Rettung in der Not erweisen.

Ich sollte hinzufügen, dass bei solchen Chi-Gung-Übungen auf Distanz sehr viel

Kooperation unter den Teilnehmern erforderlich ist. Wenn dieses Thema diskutiert

oder demonstriert wird, kommt es leicht zu einer gewissen Übertreibung. Die Übun-

gen dienen dazu, die Sensibilität für Chi zu entwickeln. Es ist praktisch unmöglich,

einen Menschen mit ausgeprägter Willenskraft gegen seinen Wil len sich bewegen

oder springen zu lassen, indem man Chi über eine gewisse Distanz aussendet, ohne

dass es zu einem Körperkontakt kommt.

Die Gefahren von übereiltem und erzwungenem Üben Chi-Gung-Übungen, die Ihnen sehr schnell das Gefühl größerer körperlicher oder

psychischer Kraft vermitteln, überfordern bisweilen das Zentralnervensystem.

Übungssysteme mit dem Ziel einer ruhigen und gleichmäßig nach oben verlaufen-

den Kurve der Chi-Entwicklung sind sicherer und in der Regel eher eine Garantie

für langfristige Erfolge. Extrem kraftvolle Techniken sind durchweg mit negativen

Nebeneffekten verbunden. Wenn Sie sich an solche riskanten Techniken wagen,

sollten Sie regelmäßig einmal pro Woche einen Lehrer aufsuchen, der Ihre Chi-

Entwicklung korrigieren kann, so dass eine potentiell gefährliche Übung trotzdem

eine beherrschbare Übung bleibt. Besonders bei Shaolin-Techniken, die sich als

gefährlich erwiesen haben, brauchen Sie einen Lehrer, der allen fachlichen und

ethischen Ansprüchen genügt.

Wenn Sie feststellen, dass sich seltsam veränderte oder schmerzhafte körperliche,

geistige, emotionale oder psychische Wahrnehmungen einstellen, brechen Sie die

Übungen sofort ab, bis Sie den Grund dafür herausgefunden haben. Unabhängig von

Ihrer individuellen Kraft oder Leistungsfähigkeit müssen Chi-Gung-Übungen immer

als angenehm empfunden werden. Wenn Sie sich mit Gewalt über Ihre Grenzen

hinwegsetzen, riskieren Sie gewöhnlich Schäden an den Nerven, Drüsen, inneren

Organen und dem Gehirn. Übertreibung bei den inneren Energiepraktiken kann

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mit zu hoch gesteckten Trainingszielen bei Sportlern verglichen werden, die fast

immer zu körperlichen Schäden führen. Finden Sie vor allem einen integren und

kompetenten Lehrer, dem an Ihren persönlichen Interessen liegt.

Die meisten Chi-Gung-Übungen sind sicher Trotz der vorangegangenen Warnungen können Sie darauf vertrauen, dass die meis-

ten Chi-Gung-Systeme völl ig sicher und zuverlässig sind. Fürchten Sie sich nicht

davor, Chi Gung zu praktizieren, nur wei l einige Techniken zu Komplikationen

führen können. Wahrscheinlich enthalten alle wertvollen Methoden irgendwelche

gefahrvollen Aspekte. Der Zweck dieses Kapitels ist, Sie lediglich auf negative Seiten

von Chi Gung aufmerksam zu machen, die wir in unserer Faszination für seltsame

und fremdartige Dinge allzu gern übersehen. Lassen Sie mich noch einmal darauf

hinweisen, dass die in diesem Buch und meinen anderen Büchern dargestellten

Übungen die sichersten und wirkungsvollsten sind, denen ich in Jahrzehnten des

Suchens und Forschens in Asien wie im Westen begegnet bin.

D. Techniken zur Linderung von Spannung und Unbehagen beim Sitzen

Es folgen nun drei Techniken, wenn Sie bei der Chi-Gung-Praxis auf einem Stuhl

sitzen. Diese werden Ihnen dabei helfen, physische Spannung und Schmerz zu lin-

dern, damit Sie sich auf das Üben konzentrieren können und nicht unruhig hin- und

herrutschen oder von körperlichem Unbehagen abgelenkt werden. Diese Techniken

können genauso von Menschen, die Chi Gung im Sitzen und in der Meditation

praktizieren, angewendet werden wie von solchen, die im Büro und besonders am

Computer arbeiten. Die nachfolgenden Übungen sind aus Kapitel 3 meines Buches

Die Große Stille übernommen worden.

1. Wenn Sie auf einem Stuhl sitzen, stellen Sie beide Füße flach auf den Boden und

mit den Außenseiten nicht weiter auseinander als Schulterbreite. Lassen Sie Ihre

Handflächen nach Möglichkeit auf Ihren Kniescheiben ruhen, wobei die Fingerspit-

zen gerade nach vorn weisen. Ihre Ellbogen sollten gebeugt und locker, die Arme

nicht steif sein; halten Sie Ihre Ellbogenspitzen in sanfter Bewegung nach unten zu

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Ihren Oberschenkeln gerichtet. Wenn Sie Ihre Ellbogen heben, werden sich auch

Ihre Schultern heben, und dann wird Ihre Wirbelsäule rascher ermüden. Bewegen

Sie Ihre Ellbogen sanft zu den Seiten. Dadurch schaffen Sie Raum in Ihrem Körper,

in dem sich Ihre Wirbelsäule leichter aufrecht halten kann. Bei einer alternativen

Methode legen Sie Ihre Handflächen an die Mittell inie des Körpers direkt vor Ihr

unteres Tantien. Ihre Handflächen können sich dabei berühren, wobei die Hände

leicht aneinander gedrückt werden. Oder der Rücken der einen Hand ruht auf dem

Handteller der anderen, wobei die Handflächen nach oben weisen; die Hand, die

oben ist, kann während der Übung gewechselt werden. Berühren Sie nach Mög-

lichkeit nicht die Rückenlehne des Stuhls mit Ihrer Wirbelsäule. Ihr Körper sollte

sich wohl fühlen, besonders die Wirbelsäule sollte ganz entspannt und gerade sein.

Die korrekten Körperausrichtungen sind auf den Abbildungen 6-7 und 6-9 (siehe

S. 134/135) dargestellt.

2. Sie werden möglicherweise feststellen, dass all diese Positionen ohne Unterstüt-

zung allzu belastend oder schmerzhaft für Ihren Rücken oder Nacken sind. Wenn

dies der Fall ist, dann lehnen Sie sich auf dem Stuhl zurück, während Sie an der

Stuhllehne hinunter gleiten (Abb. 16-1a), und pressen Sie Ihre oberen Gesäßmuskeln

nach hinten und nach oben, um sich gegen die Rückenlehne des Stuhls anzuheben

(Abb. 76- la und 16-1b). Diese Bewegung ermöglicht es, dass sich Ihr Gesäß und

Ihre Rückenmuskeln lückenlos miteinander verbinden. Sie drückt Ihre Gesäßmuskeln

Das Gesäß stützt den unteren Rücken

Abbildung 16-1

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nach oben gegen die Stuhllehne (Abb. 16-lc) und bietet Ihrem unteren Rücken

dadurch eine stabilisierende Stütze. Wenn Ihre Gesäßmuskeln dagegen nach unten

auf den Stuhlsitz gedrückt werden, können auch die Muskeln in Ihrem unteren Rü-

ckenbereich nach unten gezogen werden. Eine abwärts gerichtete Muskelbewegung

verstärkt die Wölbung Ihres unteren Rückens, denn sie drückt Ihre Wirbel zusam-

men und belastet Ihre unteren Rückenmuskeln. Diese Aufeinanderfolge kann dann

Ihre Wirbel aus der Ausrichtung herausziehen. Halten Sie daher Ihre Wirbelsäule

ganz gerade, ohne dass sie sich irgendwie rundet oder zusammensackt. Halten Sie

Ihre Wirbelsäule davon ab, mit dem mittleren oder oberen Teil der Stuhllehne in

Berührung zu kommen (Abb. 16-ld). Nur Ihr Gesäß berührt die Stuhllehne, um

Ihre unteren Rückenmuskeln nach oben zu drücken und dadurch zur Stützung des

Rückens beizutragen.

3. Wenn Sie immer noch zu viel Belastung oder physische Schmerzen haben, dann

lassen Sie Ihren Rücken vollständig von der Rückenlehne des Stuhls gestützt werden.

Dies geschieht am besten in zwei Stufen: Zuerst sollten Sie beim Sitzen bewusst den

Druck des Stuhls gegen Ihren Rücken nutzen (Abb. 16-2a), um so viel Raum wie

möglich zwischen jedem Wirbel entlang der gesamten Wirbelsäule zu bewahren.

Sie können auch die Adhäsionskraft und Reibung der Faszien* Ihres Rückens dazu

* Bei den Faszien handelt es sich um die Bindegewebe, die Ihre Muskeln zusammenbinden, damit

sie arbeiten können, ohne übermäßig straff, locker oder schlaff zu sein.

Die Wirbelsäule wird durch die Stuhllehne gestützt

Abbildung 16-2

334

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nutzen, um an der Stuhllehne haften zu bleiben - ähnlich wie ein nasses T-Shirt

an Ihrer Haut festklebt. Zweitens, wenn Sie vollständig durch die Stuhllehne ge-

stützt werden, sollten Sie darauf achten, in regelmäßigen Abständen alle Teile der

Wirbelsäule gleichmäßig anzuheben und zu verlängern (Abb. 16-2b), damit das

Rückenmark leicht gedehnt und nicht zusammengepresst wird. Eine ungleichmäßige

Kompression des Rückenmarks wird möglicherweise dazu führen, dass der Rücken

an irgendeiner Stelle in sich zusammenfällt, die Muskeln überlastet werden oder

die Wirbel sich falsch ausrichten. Durch richtiges Sitzen werden diese Probleme

abgemildert. Während des Sitzens sollten Sie die Zeit für Ihre Arbeit oder innere

Meditationstechniken nutzen, anstatt unruhig hin- und herzurutschen oder sich

durch körperliches Unbehagen ablenken zu lassen.

E. Herkunft und Quellen des vorliegenden Materials

Das „Öffnen der Energietore des Körpers" ist meine eigene Methode, traditionelle

taoistische Praktiken zu lehren, die ich während einer mehr als zehnjährigen Schu-

lung in China umfassend studiert habe.

Im Jahre 1968 lernte ich die äußeren Formen - sozusagen das tragende Gerüst -

der meisten in diesem Buch gelehrten Übungen. Meine damaligen Lehrer waren

Wang Shu- Jin aus Taiwan und dessen Schüler Chang I Jung in Tokio. Anfangs übte

ich fünf Monate jeden Tag fünf Stunden lang. In den folgenden 18 Jahren erlernte

ich die inneren Komponenten bei verschiedenen anderen Lehrern und taoistischen

Meistern, unter ihnen Hung I Hsiang und Huang Hsi I.

Die Chi-Gung-Standform ist die elementarste Übungsposition im Chi Gung und

kommt in irgendeiner Form in allen Systemen und Traditionen vor. Es handelt sich

dabei um die taoistische Entsprechung zur Reiterstellung in den Kampfkünsten.

Die Wolkenhand-Übung ist die wichtigste Technik, um die Arme und Beine ener-

getisch mit der Wirbelsäule zu verbinden.

Die erste Schwungübung, welche die inneren Organe im unteren Drittel des

Rumpfes mit Energie versorgt, gibt es in fast allen Chi-Gung-Systemen. Die zweite

Schwungübung, welche die Beine an die Wirbelsäule anschließt und die inneren

Organe im mittleren Drittel des Rumpfes energetisiert, ist schon weniger verbreitet.

Die dritte Schwungübung, welche die inneren Organe des oberen Rumpfdrittels

und das Gehirn mit Energie versorgt, kommt noch seltener vor. Historisch gesehen

335

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sollten sie jedoch gemeinsam geübt werden. Eine Schwungübung alleine wirkt

unter Umständen nicht konzentriert genug, um ein ernstes Problem zu beheben.

Wenn Sie die drei Schwungübungen jedoch gemeinsam und in der angegebenen

Reihenfolge ausführen, können Sie mit einem Synergieeffekt rechnen.

Die Wirbelsäulendehnung war die einzige Übung, die ich nicht von Wang Shu-Jin

gelernt habe. Sie ist in den vergangenen 3000 Jahren jedoch von einigen Schulen in

diese Chi-Gung-Sequenz aufgenommen worden. Diese Übung ist die Anfangsbewe-

gung des traditionellen Wirbelsäulen-Chi-Gung. Das gesamte System des Wirbel-

säulen-Chi-Gung lehrt, die Energie die Wirbelsäule hochzulenken, die Wirbelsäule

mit dem restlichen Körper zu verbinden, die Wirbelbewegungen vollständig zu

kontrollieren und Einfluss auf die Gehirn-Rückenmarks-Pumpe zu nehmen.

Einige der inneren Komponenten der Chi-Gung-Elementarübungen sind in diesem

Band beschrieben, weitere Einzelheiten finden sich in meinen anderen Büchern. Ein

Teil der inneren Energiearbeit - darauf sollte hingewiesen werden - kann nur unter

Aufsicht eines Meisters sicher und gefahrlos erlernt werden. Ich habe hier nur das

beschrieben, was der Öffentlichkeit risikolos mitgeteilt werden kann.

Bei meinen Recherchen konnte ich auf die Unterstützung vieler Meister bauen,

von denen ich einige wegen der politischen Situation in China nicht namentlich

erwähnen kann. Andere kann ich deshalb nicht erwähnen, weil es ihr ausdrückli-

cher Wunsch war, aus dieser Welt zu scheiden, „ohne irgendwelche Fußspuren zu

hinterlassen". Ich hätte jedoch niemals ein Verständnis für das Gesamtbild bekom-

men können, wenn ich nicht von Liu Hung Chieh formell adoptiert und als direk-

ter Schüler angenommen worden wäre. Liu füllte nicht nur die Lücken in meiner

Ausbildung, sondern lehrte mich auch weitaus weniger bekanntes Material, das

aus seiner zehnjährigen Schulung bei taoistischen Adepten in den heiligen Bergen

Westchinas und nicht aus seiner Erfahrung in den Kampfkünsten stammte.

Liu Hung Chiehs Ausbildung als taoistischer Meister Liu Hung Chieh begann im Alter von zwölf Jahren mit dem Studium der Kampfküns-

te. Nach dreijährigem Training im Shaolin-Kungfu wurde er als jüngster formeller

Schüler von der Ba-Gua-Schule in Beijing aufgenommen. Zu dieser Zeit lernte er

auch Hsing-I von Mitgliedern dieser Schule und anderen Lehrern. Im Jahre 1928

vertrat er die Ba-Gua-Schule bei Chinas erstem modernen Nationalen Wettbewerb

der Kampfkünste, der wegen zu vieler Verletzungen abgebrochen werden musste.

In der Mitte der 1930er-Jahre war Liu leitender Ausbilder am Zentralen Natio-

nalinstitut für Kampfkünste in Hunan. Zwei seiner Assistenzlehrer zu dieser Zeit

waren die Söhne von Wu Jien Chuan, von denen er den Wu-Stil des Tai Chi lernte.

336

Page 337: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Später wurde er selbst Wu Jien Chuans formeller Schüler und lebte in dessen Haus

in Hongkong. Weil Liu eine fundierte Basis in den inneren Kampfkünsten besaß,

konnte Wu ihn die tiefgründigsten Ebenen des Wu-Stils lehren.

Als Liu auf das chinesische Festland zurückkehrte, studierte er bei dem Abt Tan

Hsu Fa Shi und wurde nach den Lehren der buddhistischen Tientai-Schule formell

als erleuchtet erklärt. Er verbrachte weitere zehn Jahre des Studiums bei taoistischen

Meistern in der Provinz Szechuan in Westchina und vollendete damit die Praxis,

eins mit dem Tao zu werden.

Mit dem Aufstieg des Kommunismus in China kehrte er nach Beijing zurück,

wo er den Rest seines Lebens in Zurückgezogenheit verbrachte, nur ganz wenige

Schüler unterrichtete und seine Praxis vervollkommnete.

F. Zur Romanisierung der chinesischen Begriffe in diesem Buch

Jeder Versuch, die Laute von chinesischen Wörtern in einer westlichen Sprache

wiederzugeben, wird über kurz oder lang scheitern. Das kommt nicht nur daher,

weil das Chinesische Laute hat, die wir nicht kennen, sondern weil es außerdem ein

System von „Vokaltönen" benutzt, die es bei uns nicht gibt. Dasselbe gilt natürlich

auch umgekehrt. Wenn daher jemand aus dem Westen versucht, chinesische Wörter

auszusprechen, wird er häufig Laute aus seiner eigenen Sprache hinzufügen, welche

die chinesische Aussprache verzerren.

Keines der Hauptsysteme für die Romanisierung der chinesischen Wörter ist ganz

genau. Schriftchinesisch besteht aus Bildbegriffszeichen, von denen jedes einen

Begriff oder mehrere zusammengesetzte Begriffe vermitteln kann. In den verschie-

denen chinesischen Sprachen werden diese Schriftzeichen unterschiedlich ausge-

sprochen. Für das Ohr eines Ausländers können diese Sprachen sich manchmal so

unterschiedlich wie Deutsch und Französisch anhören. Zum Beispiel lautet das Wort

für „Familie" jia in Mandarin-Chinesisch, der hochchinesischen Nationalsprache;

aber es heißt gar in Kanton-Chinesisch, einem Regionaldialekt, der in der Provinz

Kanton [Guangzhou] und in Hongkong von über 60 Mil l ionen Menschen gespro-

chen wird. Es gibt noch weitere Regionalsprachen mit wieder anderen Lauten für

dasselbe Schriftzeichen, wie beispielsweise Szechuanesisch (das mehr Menschen

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Page 338: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

als Kantonesisch sprechen) und Minnanhua in der Provinz Fukien (das älter als

Kantonesisch ist). Um alles noch schlimmer zu machen, gibt es in jedem Haupt-

dialekt weitere Unterdialekte. Im Alten China konnten in manchen Fällen Menschen

aus derselben Provinz, die nur ein- oder zweihundert Meilen voneinander entfernt

lebten, sich kaum untereinander verständigen.

Diese Sprachverwirrung hat die Kommunikation in ganz China jahrtausendelang

blockiert, wobei die Schriftsprache (bei einer Nation von größtenteils Analphabeten)

das einzige gemeinsame Kommunikationsmittel war. Da im Alten China alle Macht

vom Kaiser und seinem Beamtenstaat ausging, wurde im Laufe der Zeit die in Beijing

gesprochene Sprache in ganz China zum gebräuchlichen Kommunikationsmittel für

die Gebildeten. Nach dem Sturz des Kaisers machten die nationalistische Regierung

und später die kommunistische Regierung die Sprache von Beijing, das immer noch

Regierungssitz war, zur Nationalsprache Chinas und nannten sie die Sprache des

gewöhnlichen Volkes. Wir verwenden dafür die Bezeichnung Mandarin-Chinesisch,

die noch aus der Kaiserzeit stammt. Mandarin, die offizielle Sprache von ganz

China, ist nun das, was wirkl ich Chinesisch genannt werden kann und was jeder

Chinese sprechen lernt. Alle in diesem Buch verwendeten chinesischen Begriffe

sind in Mandarin und nicht in einem der Regionaldialekte.

Jemand aus dem Westen, der keine Ahnung hat, wie er Chinesisch aussprechen

soll (und vermutlich kaum Interesse daran, es zu lernen), wird nun mit vielfälti-

gen Transkriptionssystemen für genau denselben Laut bombardiert, darunter das

Pinyin-System, das Wade-Giles-System und das Yale-System. Sowohl nach dem

Wade-Giles-System (das von deutschen Mönchen erfunden und früher von Über-

setzern verwendet wurde, die Chinesisch zumeist nur lesen, aber nicht sprechen

konnten, und das heute im nationalchinesischen Taiwan benutzt wird) als auch nach

dem Pinyin-System (das von den Chinesen für den Gebrauch innerhalb von China

entwickelt wurde, als die kommunistische Regierung den Versuch unternahm, das

Bildungsniveau in China zu erhöhen) haben viele Transkriptionen in phonetischer

Umschrift, wenn sie in einer westlichen Sprache ausgesprochen werden, keinerlei

Ähnlichkeit mit den chinesischen Lauten. Das einzige Romanisierungssystem, das

geschaffen wurde, um die chinesische Sprache so genau wie möglich nachzuah-

men und dazu das englische phonetische System benutzte, war das Yale-System; es

entstand an derYale-Universität und war speziell dafür gedacht, englischsprachigen

Menschen beizubringen, wie Chinesisch auszusprechen ist.

Chi Gung heißt zum Beispiel im Yale-System Chi Gung, im Pinyin Qi Gong und im

Wade-GilesChi Kung. Tatsächlich kommt ihm die chinesische Aussprache „Chi Gung"

am nächsten; weder das Qi des Pinyin noch das Kung nach Wade-Giles ist korrekt.

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Page 339: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Diese Sprachlektion mag einigen vielleicht akademisch erscheinen. Es gibt jedoch

über eine Milliarde Chinesen auf der Welt; durch eine missverständliche Kommuni-

kation kann eine Menge Zeit und Energie vergeudet werden. In diesem Buch werden

diejenigen Transkriptionen verwendet, die es dem englisch- und deutschsprachigen

Leseram besten ermöglichen, die chinesische Ausspracheso nachzuahmen, wie sie

sich tatsächlich anhört. Ich habe mich daher nicht streng an irgendein bestimmtes

vorgeschriebenes Transkriptionssystem gehalten.

G. Die LivingTaoism Collection und die B. K. Frantzis Energy Arts Lehren

Viele Traditionen, die sich auf alten Philosophien und Religionen gründen, haben

sich kraftvoll bis in die moderne Zeit erhalten. Weil sie sich auch heute noch in

unserem Leben manifestieren, werden sie als lebendige Traditionen bezeichnet.

Dazu gehören das Christentum, der Islam, das Judentum, der Buddhismus, der

Vedanta und derTaoismus. In den drei Letzteren werden aktiv Körperübungen und

Energiearbeit praktiziert.

Von den lebendigen Traditionen ist der Taoismus die am wenigsten bekannte.

Obwohl seine wichtigsten literarischen Werke-das I Ging, die Schriften von Chuang

Tseund das Taotekingvon LaoTse-sehr bekannt sind und in vielen Übersetzungen

vorliegen, sind die praktischen Methoden und Techniken für die Umsetzung der

taoistischen Philosophie in das Alltagsleben im Westen kaum dokumentiert.

Bei einem Zweig der lebendigen taoistischen Philosophie geht es darum, das

persönliche Chi oder die Energie der Lebenskraft zu entwickeln und zu nutzen,

um sich selbst und andere zu stärken und zu heilen. Dieser Zweig umfasst zwei

große Traditionen: die Wasser- und die Feuer-Methode. Die Wasser-Methode, die

auf dem philosophischen Gedankengut von Lao Tse beruht, betont das Bemühen

ohne Kraftanstrengung, die Entspannung und das Loslassen, so wie strömendes

Wasser langsam den Stein auswäscht. Die Feuer-Methode, die 1500 Jahre später

entwickelt wurde, betont die Kraftanstrengung, das Vorwärtsstoßen und das Durch-

brechen von Grenzen.

Die taoistischen Übermittlungslinien, die Bruce K. Frantzis hält, gehören zur

Wasser-Tradition, die im Westen wenig bekannt ist. Ein Teil dieser Übermittlung

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Page 340: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

beauftragt ihn damit, die in dieser Tradition begründeten Praktiken an westliche

Schüler weiterzugeben. Er hat die chinesische Sprache erlernt und sich während

seiner Schulung in China intensiv mit den dortigen Traditionen beschäftigt. Dies

hat ihn dazu befähigt, die Kluft zwischen chinesischer und westlicher Kultur zu

überbrücken und westlichen Menschen den lebendigen Taoismus auf eine Weise

zu vermitteln, dass sie ihn verstehen und lernen können.

Das B. K. Frantzis Energy Arts® Programm

Bruce K. Frantzis, der auf eine 16-jährige Ausbildung in Asien zurückgreifen kann,

hat ein praktisches und verständliches System von Übungsprogrammen entwickelt,

die Menschen aller Altersklassen und Qualifikationsstufen die Möglichkeit gibt, ihre

Grundenergie zu erhöhen und kraftvolle Gesundheit zu erlangen.

Die Chi-Gung-Elementarübungen

Das B. K. Frantzis Energy Arts Programm umfasst sechs Chi-Gung-Grundkurse, die

in Verbindung mit dem Programm der Langlebensatmung stufenweise und sicher

alle Aspekte des Nei Gung integrieren. Obwohl die Chi-Gung-Techniken sehr alt

sind, ist das System von Bruce K. Frantzis, sie zu lehren, einzigartig. Es ist speziell

auf westliche Menschen und die Erfordernisse des modernen Lebens zugeschnitten.

Ein guter Vergleich damit ist, dass Frantzis den Kelch - das B. K. Frantzis Energy

Arts Programm - dafür geschaffen hat, um den Wein - die alten taoistischen Übun-

gen - aufzunehmen.

Dieses Programm besteht aus den folgenden Elementarübungen:

Langlebensatmung

Drachen-und Tiger-Chi-Gung

Die Energietore des Körpers öffnen

Die Hochzeit von Himmel und Erde

Den Bogen spannen (Wirbelsäulen-Chi-Gung)

Der Spiral-Energiekörper

Die Götter spielen in den Wolken

Diese Chi-Gung-Elementarprogramme sind bewusst ausgewählt worden, weil es

sich bei ihnen um die ältesten, wirksamsten und am höchsten geschätzten taoisti-

schen Energiepraktiken handelt. Sie sind ideal dafür geeignet, um stufenweise die

Grundkomponenten des Nei Gung auf eine Art und Weise zu integrieren, die für

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Page 341: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

westliche Menschen zu begreifen und zu verstehen ist. Sie bieten dem Schüler die

notwendige Grundlage, um klar und systematisch zu lernen und Fortschritte in

seiner Praxis der taoistischen Energiekünste zu machen.

Die Langlebensatmung

In diesem Programm wird systematisch und stufenweise die authentische taoistische

Atmung gelehrt. Das Atmen mit dem ganzen Körper ist seit Jahrtausenden dazu

genutzt worden, um die Fähigkeit zu verstärken, Energieblockaden in Körper/Geist

zu klären und aufzulösen, wodurch sich das Wohlbefinden und spirituelles Ge-

wahrsein verbessern. Werden diese Atemmethoden in irgendeine andere taoisti-

sche Energiepraxis integriert, tragen sie dazu bei, dass diese ihr gesamtes Potential

entfalten kann.

Drachen- und Tiger-Chi-Gung

Dies ist eine der direktesten und am leichtesten zugänglichen schonenden Heilme-

thoden des Chi Gung, die China hervorgebracht hat. Diese 1500 Jahre alte Form des

medizinischen Chi Gung wirkt auf den menschlichen Körper auf ähnliche Weise wie

die Akupunktur ein. Diese aus sieben einfachen Bewegungen bestehende Übung

kann praktisch von jedem unabhängig von seiner gesundheitlichen Verfassung

ausgeführt werden.

Die Energietore des Körpers öffnen

Dieses Programm bietet eine Einführung in 3000 Jahre alte Chi-Gung-Techniken,

die wesentlich dafür sind, um in jeder Praxis der Energiekünste Fortschritte zu ma-

chen. Elementarübungen lehren die grundlegenden Körperausrichtungen. Man lernt

außerdem, wie das innere bewusste Gewahrsein des Chi im Körper zu erhöhen ist

und blockiertes Chi aufgelöst werden kann.

Die Hochzeit von Himmel und Erde

Diese Form des Chi Gung umfasst in China häufig genutzte Techniken, die dabei

helfen, Probleme mit Rücken, Nacken, Wirbelsäule und Gelenken zu beheben. Sie

ist besonders wirksam, um wiederholt auftretende Belastungsschäden und Proble-

me mit dem Karpaltunnelsyndrom zu lindern. In diesem Programm werden einige

wichtige Komponenten des Nei Gung gelehrt, darunter das Öffnen und Schließen

(Pulsieren), komplexere Atemtechniken und die Lenkung von Chi durch die Aku-

punkturmeridiane.

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Den Bogen spannen

Das Wirbelsäulen-Chi-Gung „Den Bogen spannen" setzt die Arbeit der Kräftigung

und Regeneration der Wirbelsäule fort, die beim Chi Gung„Die Hochzeit von Him-

mel und Erde" erlernt wird. Dieses Programm enthält Komponenten des Nei Cung,

um die Energien der Wirbelsäule erwecken und beherrschen zu lernen.

Der Spiral-Energiekörper

Dieses fortgeschrittene Programm lehrt, das Energieniveau im Körper erheblich zu

steigern und Energie in Kreis- und Spiralformen durch den ganzen Körper fließen

zu lassen. Es umfasst Komponenten des Nei Gung, um den aufwärts gerichteten

Energiefluss im Körper zu lenken; das Chi entlang spiralförmig gewundener Bahnen

zu senden; Energie wil lentl ich zu jeder beliebigen Körperstelle zu lenken oder von

dort auszusenden; den rechten, linken und zentralen Energiekanal des Körpers zu

öffnen und den Kleinen Energiekreislauf zu aktivieren.

Die Götter spielen in den Wolken

Dieses Chi Gung schließt einige der ältesten und kraftvollsten taoistischen Verjün-

gungsmethoden ein. Dieses Programm erweitert alle sich auf den Körper, die Atmung

und die Energie beziehenden Komponenten, die in früheren Chi-Gung-Programmen

erlernt wurden, und schließt den Prozess ab, sämtliche Komponenten des Nei Gung

zu integrieren. Es ist auch die abschließende Stufe, um zu lernen, wie die Energien

der dreiTantien, des zentralen Energiekanals und der Wirbelsäule zu stärken und zu

stabilisieren sind. Diese Form des Chi Gung dient als spirituelles Verbindungsglied

zur taoistischen Meditation.

Tai Chi und Ba Gua im Dienste der Gesundheit

Wenn Tai Chi und Ba Gua im Dienste der Gesundheit praktiziert werden, dann

verstärken sie den Nutzen aus den Chi-Gung-Elementarübungen.

Im Westen erlernen die meisten Tai Chi ausschließlich als eine der Gesund-

heit dienende Übung und nicht als Kampfkunst. Wie alle Chi-Gung-Programme

entspannt und reguliert Tai Chi das Zentralnervensystem, baut körperlichen und

emotionalen Stress ab und fördert das geistige und emotionale Wohlbefinden. Die

sanften und harmonischen Bewegungen des Tai Chi sind ideal für Menschen jeden

Alters und Körpertyps geeignet und können ihnen ein hohes Maß an Entspannung,

Gleichgewicht und physischer Koordination schenken.

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Ba Gua ist sogar noch älter als Tai Chi, denn seine Techniken von Schrittfolgen

im Kreis wurden bereits vor mehr 4000 Jahren in taoistischen Klöstern als eine der

Gesundheit und Meditation dienende Kunst entwickelt. Diese Methoden erschlie-

ßen die Möglichkeiten des Geistes, Stille und Klarheit zu erlangen; einen kräftigen,

gesunden und von Krankheit freien Körper zu entwickeln; und, was vielleicht noch

wichtiger ist, das innere Gleichgewicht zu bewahren, während sich entweder die

innere Welt oder das Geschehen in der äußeren Welt rasch verändert.

Andere heilen Ein Teil der taoistischen Schulung von B. K. Frantzis bestand darin, ein chinesischer

Arzt zu werden. Dafür nutzte er hauptsächlich die Chi-Gung-Techniken, die als

Chi-Gung-Tuina bezeichnet werden. Während dieser Ausbildungsphase arbeitete

er mit mehr als 10 000 Patienten. Heute arbeitet er jedoch weder privat noch in

Kliniken als Chi-Gung-Arzt, damit er die Zeit hat, Bücher zu schreiben, Seminare

und Retreats zu veranstalten und Lehrer auszubilden. Gelegentlich bietet er die

Ausbildung in therapeutischen Heilmethoden an.

Chi-Gung-Tuina

Chi-Gung-Tuina ist ein spezieller Zweig der chinesischen Medizin, der dazu be-

stimmt ist, Energieblockaden bei anderen aufzulösen und das Chi ins Gleichge-

wicht zu bringen. Sie lernen, Energie mit den Händen, der Stimme und den Augen

auszusenden, um die Heilung zu erleichtern. Sie lernen auch, wie Sie selbst ein

Burn-out-Syndrom aus Ihrer therapeutischen Praxis vermeiden. Um andere heilen

zu lernen, müssen Sie zuerst lernen, Ihr eigenes Chi von Blockaden zu befreien und

die besonderen Bahnen zu beherrschen, durch die es fließt. Deshalb ist es wichtig,

die elementaren und fortgeschrittenen Übungen nach dem B. K. Frantzis Energy

Arts Programm zu erlernen, bevor Sie Chi-Gung-Tuina studieren.

Chi-Gung-Therapie

Hier lernen Sie, spezielle Standpositionen sowie auch Chi-Gung-Übungen im Sit-

zen, Liegen und in der Bewegung dafür zu nutzen, um Energieströme umzulenken

oder Energieblockaden aufzulösen, die zu bestimmten physischen und emotionalen

Problemen beitragen.

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Innere Kampfkünste Durch die inneren Kampfkünste lernen Sie, Entspannung, Chi und geistige Stille dafür

zu nutzen, um das pragmatische Ziel zu erreichen, in einer heftigen Konfrontation

zu gewinnen, ohne Muskelanspannung oder Wut für die Kampfkraft einzusetzen.

Tai Chi Chuan

Tai Chi ist eine sehr wirksame Kampfkunst. Bruce K. Frantzis hat sich umfassend im

traditionellen Wu-, Yang- und Chen-Stil des Tai Chi Chuan geschult, darunter auch

in der Lang- und der Kurzform, „Push Hands", Selbstverteidigungstechniken und

traditionellen Waffenformen wie Stöcken und Schwertern.

Ba Gua

Ba Gua war dazu bestimmt, um gegen bis zu acht Angreifer gleichzeitig zu kämp-

fen. Praktisch kein anderes System der inneren oder äußeren Kampfkünste hat die

gesamten Kampfkunsttechniken so effektiv miteinander verbunden und nahtlos in

ein Ganzes integriert wie Ba Gua.

Ba Gua ist zuallererst eine Kunst der inneren Energiebewegung, in der sich die acht

Urenergien verkörpern, die in den achtTrigrammen des I Ging enthalten sind. Die

Grundschulung in dieser inneren Kraft besteht darin, acht verschiedene Handstel-

lungen zu erlernen und sie mit kreisförmigen Schrittfolgen, spiralförmig drehenden

Armbewegungen und ständigen Richtungsänderungen zu kombinieren.

Hsing-I

Im Hsing-I (auch xing yi) liegt die Betonung auf allen Aspekten des Geistes, um sei-

ne Formen und Kampfbewegungen hervorzubringen. Es ist eine ebenso wirksame

Heilübung, weil es die Menschen gesund und dann sehr kräftig macht.

Seine fünf Grundbewegungen sind mit den fünf Elementen oder Energiephasen

verbunden: Metall, Wasser, Holz, Feuer und Erde. Auf diesen basiert auch die chi-

nesische Medizin und alle sichtbaren Phänomene sind aus ihnen erschaffen. Die

Schulung in Hsing-I beruht auf einer sozusagen „militärischen" Vorgehensweise:

Man marschiert in geraden Linien, und eine starke Betonung am Ende jeder Technik

liegt darauf, einen Feind mental oder physisch zu überwältigen.

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Meditation

Bruce K. Frantzis lehrt die traditionelle Wasser-Methode der taoistischen Meditation,

die sich aus den Lehren von Lao Tse ableitet. Sich alle Mühe zu geben und doch

keine Kraft anzuwenden, damit Sie vermeiden, die tatsächlichen Grenzen von

Körper, Geist und Seele zu überschreiten, entspricht dem sanften Weg von Lao Tse,

einem der größten taoistischen Weisen.

Taoistische Meditat ion

In der taoistischen Meditationsüberlieferung bedeutet der Weg zur Spiritualität mehr,

als eine gute Gesundheit, Gemütsruhe und einen stabilen, friedvollen Gest zu haben.

Dies sind nur die notwendigen Voraussetzungen, die durch Chi Gung, die Langle-

bensatmung, Tai Chi und andere taoistische Übungssysteme erreicht werden.

Die Wasser-Methode der taoistischen Meditation setzt die Arbeit fort, Ihre inneren

Konflikte zu klären und aufzulösen. Dieser Prozess hat mit den äußeren Auflösungs-

methoden begonnen, die Sie beim „Öffnen der Energietore des Körpers" gelernt

haben, und geht damit weiter, einen inneren Auflösungsprozess zu erlernen. Dies

ist eine Hauptübung aus der Tradition von Lao Tse, die Ihnen dabei hilft, sich von

den übrig gebliebenen Konditionierungen, Spannungen und Blockaden, die Sie

binden und daran hindern, Ihr volles spirituelles Potential zu erreichen, gänzlich

zu befreien.

Wenn sich Ihre Praxis vertieft, kommt das 16-teilige Nei-Gung-Programm hinzu,

um den spirituellen Entwicklungsprozess zu beschleunigen.

Tai Chi als Meditation

Im Allgemeinen wird Tai Chi als eine Meditation in Bewegung bezeichnet. Seine

langsamen und anmutigen Bewegungen bieten einen zwanglosen Fokus, bringen

Ihren inneren Dialog zur Ruhe und erzeugen ein tiefes Gefühl von Entspannung,

das innere Spannungen abbauen hilft.

Nur wenige Tai-Chi-Meister wissen, wie die Praxis des Tai Chi in eine vollständige

taoistische Bewegungsmeditation umgewandelt werden kann. Liu HungChieh lehrte

B. K. Frantzis diese Tradition und ermächtigte ihn dazu, sie weiterzugeben.

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LivingTaoism™ Collection

Die Zielsetzung der LivingTaoism Collection von Bruce K, Frantzis liegt nicht darin,

alte Texte nachzudrucken oder zu interpretieren, sondern vielmehr zu zeigen, dass

die taoistischen Praktiken lebendig und von höchster Relevanz für das moderne

Leben sind. Als Übungssysteme für Ihre persönliche Gesundheit und Energie können

sie von großem Nutzen für Sie sein.

Bücher

Die Energietore des Körpers öffnen war Bruce K. Frantzis' erstes Buch, das ursprüng-

lich 1993 in den USA erschienen ist. Zu seinen weiteren Veröffentlichungen in

deutscher Sprache gehören:

Tao-Meditation

Vollkommen im Sein entspannen

Die Wasser-Methode der taoistischen Meditation - Buch I

Windpferd Verlag 2. Überarb. Auflage 2008

Die große Stille

Körperbewusstsein, Bewegungsmeditation und sexuelles Qi Gong

Die Wasser-Methode in der taoistischen Meditation - Buch 2

Windpferd Verlag 2007

Die Kraft der inneren Kampfkünste

Kampf- und Energietechniken im Ba Gua, Tai Chi und Hsing-I

Windpferd Verlag 2. Aufl. 2010

Die Chi-Revolution

Bauen Sie auf die Heilkraft Ihrer eigenen Lebensenergie!

Windpferd Verlag 2009

Als langjähriger Praktizierender der taoistischen Künste lehrt Bruce K. Frantzis und

schreibt seine Bücher mit großer Dankbarkeit gegenüber seinem Hauptlehrer, dem

verstorbenen taoistischen Meister und Linienhalter Liu HungChieh aus Beijing, der

ihm sein Wissen über dasTao so großzügig vermittelte.

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CDs, Videos und DVDs

DieThemen reichen von einer allgemeinen Einführung in die taoistischen Praktiken

bis zu speziellen Themen, wie „Öffnen der Energietore" Chi Cung, Selbstverteidi-

gungstechniken des Tai Chi und Langlebensatmung.

Seminar- und Ausbildungsangebote

Bruce K. Frantzis ist der Begründer von Energy Arts in Kalifornien. Energy Arts bietet

Schulungsprogramme für zertifizierte Ausbilder, Retreats, Seminare und Vorträge

(beides öffentlich und für Firmen) in Nordamerika und Europa an. B. K. Frantzis lehrt

laufende Kurse in Chi Cung, der Langlebensatmung, den inneren Kampfkünsten Ba

Gua, Hsing-I und Tai Chi, den Heilmethoden von Chi-Gung-Tuina und der Wasser-

Methode der taoistischen Meditation.

Für die meisten Ausbilderkurse ist die vorherige Schulung in den B. K. Frantzis

Energy Arts Programmen Vorbedingung. Der Zertifizierungsprozess ist streng, um zu

gewährleisten, dass die Ausbilder die in diesen Künsten enthaltenen authentischen

Traditionen unterrichten.

Kontakt/I nformation

Energy Arts, Inc.

P. O. Box 99

Fairfax, CA 94978-0099, USA

Tel. (001) 415-4545243, Fax (001) 415-4540907

Informationen in englischer Sprache über Veranstaltungen, Übungsmaterialien und

zertifizierte Ausbilder weltweit finden Sie aufwww.energyarts.com.

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Page 348: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Register A Ältere Menschen

- Anzahl von, 43

- und Chi Cung, 42

- in China, 45-46

- und die medizinische Krise

im Westen, 43-44

Aerobic, 47, 48, 83

Ätherkörper, 156, 305.

Siehe auch Energiekörper

Affengeist, 154

Aikido, 17, 18-19

Akupunktur

- und blockierte Energie, 60

Akupunkturbahnen, 67-68, 303, 308

Akupunkturpunkte (Akupunkte), 161, 163,

303, 308

Anatomie des Körpers, energetische, 290-291

Arme

- Energietore der, 168-170

- Öffnen der, 182

Arthritis, 44, 55

Asthma, 44

Atem

- Bedeutung des, 87

- physischer, 69

- subtiler, 69

-Verlängerung des, 295-296

Atmung. Siehe auch Langlebensatmung,

Schildkrötenatmung, Umkehratmung und

Wirbelsäulenatmung.

- Bedeutung der, 87-99

- und Chi sinken lassen, 147

- Chi-Gung-Bewegungen und, 120

- mit dem Bauch, 101 -102, 111 -114, 116

- und Emotionen, 104, 119, 186-187

- aus den Fersen, 298

- flache, 99, 104

- in die Genitalien, 110

- und innere Organfunktionen, 104, 109

- kreisförmige, 295, 298-300

- und Nei Gung, 294-300

- in die Nieren, 114-115

- in den Rücken, 114-118

- in das untere Tantien, 297

- taoistische, 101

- vorgeburtliche. Siehe Umkehratmung

- yogische. Siehe Pranayama

Auflösen, 154-160, 181, 185, 278, 280-282,

303. Siehe auch Energietore

Augen

- Energietore der, 165

- offen oder geschlossen, 127, 162, 190

Aura, 156, 305

Ausbildungsangebote, 347

B Ba bei, 130

Ba Gua

- Definition von, 15

- Geschichte von, 73

- für die Gesundheit, 342

- als Kampfkunst, 72-73, 344

Bänder

- Elastizität der, 56

-Vorbeugung von Verletzung der, 49-50

Bai Hua, 16, 28, 325-326

Baihui, 164

Bauchatmung, 101 -102, 111 -114, 116, 296

Becken, Energietore des, 174-175

Beine

- Energietore der, 175-178

- Öffnen der, 182

Bewegungskünstler, Empfehlungen für, 183,

313

Biomechanik, 85-87

Blut

- Chi und, 297

- Sauerstoffspiegel im, 102-103

Blutdruck, 44

Blutzirkulation, 53

Brüste, Energietore der, 170

Brustkorb, Ausrichtung des, 127-129

Buddhismus

- tantrischer, 69

348

Page 349: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

- tibetischer, 173

C

Chan-Buddhismus, 52, 139

Chang I Jung, 336

Cheng Man Ching, 292

Chi

- und Atem, 69-70

- auf- und absteigende Ströme des, 78-80

-Auflösen von, 154-160, 162, 277-282, 303

- Aufnehmen und Aussenden von, 306

- Bewegen von, 301

- Blut und, 297

- Definition von, 35

- direkte und indirekte Erfahrung von, 293-

294

- als einer der drei Schätze, 37

- und Emotionen, 186-187

- entspanntes, 154

- Erwecken von, 57-58

- als Geburtsrecht, 309

- und innere Übungen, 88

- und Körpersynergie, 74-75

- und Kompressionsatmung, 327-328

- langsame Kultivierung von, 62, 82, 331

- und Lenkung des Geistes, 40, 69

- als Mitgift, 309

- sinkendes, 141-151

- steigendes, 143

- Übermaß an, 325-326

- und Vibrationstechnik, 328-330

Chi-Fluss. 68, 308

Chi Gung (siehe auch unter den einzelnen

Systemen und Übungen)

- und Alter, 42

-und Atmung, 120, 185-186

- als Aufwärmübung, 89-90

- in China, 45-46, 89-90

- Crosstraining mit, 84, 90

- Definition von, 13, 36, 63

- drei Ebenen des, 74-77

- und Energieblockaden, 38-39

- fehlerhafte Praxis von, 325

- als Grundlage von Shen Gung, 307-308

- Grundprinzip von, 77

- Gruppenübung von, 41

- innere Mechanik von, 53-56

- als innere Übung, 68

- Praxis von, 81-82, 181 -185, 311 -317

- und Religion, 39-40

- für Schwerkranke, 49

- sexuelles, 326-327

- Sicherheit von, 41-42, 320-321, 322-323,

332

- und Spiritualität, 37-38, 87-88, 324

- Systeme des, 43, 66-67, 324-331

- und Umgang mit Stress, 315-316

- und Tai Chi, 40-41

- als vollständiges System der Energiearbeit,

39

- und Unterschiede zu Nei Gung, 66-71

-Vorteile von, 10-11, 32-33, 36-37, 47-52,

89-90

- im Westen, 31, 63, 66

- und Yoga, 84, 96-98, 322-323

Chi-Gung-Lehrer, 317-319

Chi-Gung-Tuina. Siehe Tuina

Chinesische Begriffe, Romanisierung der,

337-339

ChuangTse, 10, 339

Crosstraining, 84, 90-96

D Dai Mai, 173, 301

Depression, 44, 187

Ding, 126

Drachen- und Tiger-Chi-Gung, 84, 341

Drei Schätze, 37-38

Dritte Schwungübung, 34, 246-261

- Armbewegungen für die, 254-260

- Beinbewegungen für die, 247-252

- Herkunft der, 335

- Leitlinien für die, 259-261

- vorbereitende Armbewegungen für die,

253-255

- Ziel der, 247

Drittes Auge, 165

E Einhüllen, 301

Ellbogen

- Energietore der, 168-169

349

Page 350: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

- Entspannung von, 231

Emotionen

- Abbau von, 58-61

- u n d Atmung, 104-105, 119, 186-187

- Ausgleich von, 51

-und Chi, 150-151

- Freisetzung von, 58-61

- kathartisches Modell der, 59-60

- negative, 186-187

- als Sinnesempfindungen, 61

- und Stress, 51-52

Energie

- Ausstoßen von, auf Entfernung, 331

- und innere Übungen, 88

Energieblockaden, 38-39, 57, 79, 122, 146-

147, 151-160, 185

Energiekanal, linker

- Diagramm des, 290

- und Nei Gung, 307

Energiekanal, rechter

- Diagramm des, 290

- und Nei Gung, 307

Energiekanal, zentraler

- Definition des, 226

- Diagramm des, 291

- und Nei Gung, 307

- und Schwungübungen, 226

Energiekörper. Siehe auch Ätherkörper

- Ausdehnung und Zusammenziehung des,

159, 1 78

- und Körpergrenzen, 178

- und Nei Gung, 70

- Scannen des, 151-152, 153

Energiereserven, 76-77

Energieströme, von Himmel und Erde, 78-81

Energietore

- und Akupunkturpunkte, 161

- Definition von, 161

- Lokalisierung der, 161,163-178

-Öffnen der, 179-181

- Spüren der, 161, 163

Energy Arts Programm, 340-342

Entgiftung, 316

Entspannung

-und Atmung, 103-104

- der Muskeln, 47, 90-91

Erde (Di)

- und Chi-Ströme, 77-80

- als chinesisches Grundkonzept, 77

Erste Schwungübung, 222-231

- Armbewegungen für die, 227-231

- Bein- und Hüftbewegungen für die, 224-226

- Herkunft der, 335

- und zentraler Energiekanal, 226

- Ziel der, 223, 224

Erwärmer, drei. Siehe liao

F Finger, Energietore der, 169-170

Frauen, Hinweis für, 316

Füße, Energietore der, 176-178

Fukien Weißer Kranich, 329

Fußknöchel

-Ausrichtung der, 199-200

- Energietore der, 176-177

G Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, 55

Gehirn-Rückenmarks-Pumpe, 55

Geist

- Beziehung zwischen Körper und, 89

- und die Lenkung von Chi, 40. 69

-stabiler, 153-154

Gelber Kaiser, Medizinklassiker des, 149

Gelenke

- der Fußknöchel, 199-200

-der Knie, 197-200

- Mechanik der, 196

- Probleme in den, 196-197

- Schmerzen in den, 312-313

- Vorbeugung von Schäden in den, 49-50

Gelenkschmiere, 50

Genitalien

- Atmung in die, 110

- Energietore der, 175

Gesundheit

- in China, 45-46

- Verantwortung für die, 45

- im Westen, 43-44

Gleichgewicht, 49-50

Götter spielen in den Wolken (Chi Gung),

288, 342

350

Page 351: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Golf, 95

Großer (Himmlischer) Energiekreislauf, 261

Guru-Verehrung, 24

H Hände, Energietore der, 169-170

Hakuin, 173

Hals

- Energietore des, 164-165

- Haltung des, bei der Standform, 126-127

Handflächen, Energietore der, 169

Handgelenke, Energietore der, 169

Hatha-Yoga. Siehe Yoga

Heilung, von anderen, 343. Siehe auch

Selbstheilung

Herz

- Erkrankungen des, 44

- Massage des, 117

- Rolle des, in der chinesischen Medizin,

117

Herz-Lungen-Tätigkeit, 47-48

Himmel (Tien)

- und Chi-Ströme, 77-80

- als chinesisches Grundkonzept, 77

Hochzeit von Himmel und Erde (Chi Gung), 341

Hsing-I, 16, 20-21, 72, 73, 325, 344

Huang Hsi I, 335

Hung I Hsiang, 25, 326, 327, 335

I I Ging, 10, 15, 72, 87, 339

Innere Organe

- und Atmung, 104, 108-109, 296-297

- Lokalisierung von, 57

- Massage der, 129-130, 214

- Stärkung der, 47

Integration, 307

i Jan Juang, 123

Jiao, 223-224

Jing, 37

K Kampfkünste (siehe auch unter den einzelnen

Kampfkunstformen)

- äußere, 21

-innere, 21, 71-73, 344

- Kraft in den, 51

Kampfkünstler, Empfehlungen für, 184, 313-

314, 315

Karate, 19, 22

Katharsis, 59-60

Kehlengrube, 166

Kiefer, Energietore des, 166

Klarheit, geistige, 36

Kleiner (Himmlischer) Energiekreislauf, 132

Knie

- Ausrichtung der, 197-200

- Energietore der, 176

- Öffnen der Rückseite der, 199

-Schmerzen in den, 249. 312-313

Körper/Geist, Verbindung von, 89

Körperausrichtungen

- und Chi sinken lassen, 148

-von Knien und Fußgelenken, 197-200

- und Nei Gung, 302

- im Sitzen, 133-138

- i m Stand, 123-132

-Vorteile von, 121, 123

Kohlendioxid, Ausscheidung von, 103

Knochen, Schonung der, 49-50

Knochenmark, 56

Koordination, 89

Kopf

- Energietore des, 164-166, 181

- Haltung des, bei der Standform, 126-127

Kraft

- entspannte, 47

- in den Kampfkünsten, 51

Krafttraining, 94-95

Krankenversicherung, 44-45

Krankheiten, chronische, 44

Kriya, 59

Kundalini-Praxis, 59

Kungfu, 25

Kwa

- Anheben des, 137

- Beugen des, 266-268, 279-280

- Dehnen des, 137-138

- Drehen aus dem, 233-234

351

Page 352: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

- Komponenten des, 200-201

-Lokalisierung des, 133-135

- Öffnen und Schließen des, 200-204

L Langlebensatmung

-Anatomie der, 108-109

- Definition der, 101-102, 341

- Leitlinien für die, 107, 109-111,118-119

- Markierungspunkte für die, 107-108

- Phasen der, 294-295

- Übungen für die, 111-118

-Zie le der, 102-105

LaoTse, 10, 87, 298, 339

Lebensenergie. Siehe Chi

Lebensenergie-Kapital, Bewahren des, 75-76

Leerheit, 37, 38

Lehrer

- Bedeutung von, 292

- in China, 323-324

-f inden, 317-320

- und Sprachbarrieren, 65

- zertifizierte, 347

Lin Du Ying, 28

Liu Hung Chieh, 12, 14, 15-1 7, 27-30, 325,

336-337

LivingTaoism Collection, 339, 346

Loslassen, 144

Lymphe, 53, 55, 201

M Männer, Hinweis für, 317

Mäßigung, Regel der. Siehe 70-Prozent-Regel

Mantras, 22, 23

Meditation

- und Atmung, 104-105

- und Chi Gung, 52

- und Tai Chi, 345

- taoistische, 25, 29, 38, 104-105, 345

- im Zen, 17

Medizin, Krise der

- in China, 45-46

- im Westen, 43-45

Menstruation, 316

Mingmen, 171-172, 182

Mudras, 22, 23

Muskeln

- Anspannen der, 90-91

- und Chi sinken lassen, 148

- Dehnung der, 303-304

- Elastizität der, 55-56

- Entspannung der, 47, 90-91

- des Kwa, 201

Mutterschoßatmung. Siehe Umkehratmung

N Nackenschmerzen, 263

Nei Gung

- und Ätherkörper, 305

- und Atmung, 305

- Aufnehmen und Aussenden im, 306

- Beugen und Dehnen im, 303-304

- und Chi Gung, 66-70, 88

- und Energiekörper, 70

- Erlernen von, 286, 292-293

- Grundkomponenten des, 288-308

- und Integration, 307

- Kreisform des, 301

- und Körperausrichtungen, 302

- und die Lenkung von Chi, 301

- und linker, rechter und zentraler

Energiekanal, 307

- Öffnen und Schließen im, 304-305

- und Shen Gung, 307-308

- Spiralbewegungen im, 305

- und dieTantien, 307

-Vorteile von, 70-71, 88

- und die Wirbelsäule, 306

-Wissen über, 283, 289

Nei-Gung-Lehrer, 319-320

Nerven

- und Chi, 48, 321

- Stärkung der, 48

- und Stress, 321

Nieren

- Atmung in die, 114-115

- Rolle der, in der chinesischen Medizin,

114

O Öffnen, 304-305

Ohren, Energietore der, 165

352

Page 353: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Om-Tirth, Curu Shiv, 23

Operationen, Beschleunigung der

Regeneration von, 50

p Ratanjali, 87

Pinyin-System, 338

Position

- Definition von, 286

- im Sitzen, 133-138

- im Stand, 64, 123-137, 190, 286-288, 335

Pranayama-Yoga, 105-106, 322-323

Praxis

- Bedeutung der, 309-310

- beste Übungszeit für die, 314

-Häufigkeit der, 314-315

- Leitlinien für die Praxis, 81 -82, 311-317

- Schmerzen während der, 311-312

Psychische Kräfte, 308

Psychotherapie, westliche, 59. 61

R Religion, 39-40

Rücken

- Atmung in den, 114-118

- Energietore des, 174

Rückenschmerzen, 263

Rumpf, Energietore des, 170-174

S Sauerstoffspiegel, 102-103

Sawai, Kenichi, 21

Scannen, 151-152, 153

Schädelbasis, 165

Schädelplatten, 271

Schildkrötenatmung, 296

Schließen, 304

Schmerzen

- in den Fußknöcheln, 312-313

- in den Knien, 249, 312-313

- während der Praxis, 311-312

- in Rücken und Nacken, 263

- beim Sitzen, 332-335

Schultern

- Energietore der, 167-168

- Entspannung der, 231

Sehnen, 56

Selbstheilung, 27-28, 36

Sexuelles Chi Cung, 326-327

Shaolin-Chi-Gung, 327, 328

Shen, 37

Shen Gung, 307-308

Shiatsu, 17

Shr, 286

Sicherheitsfragen, 43, 332

Sicherheitsvorkehrungen, 320-322

70-Prozent-Regel, 41-42, 50, 110, 193-194,

257

Sinkenlassen, von Chi, 141, 143, 145-150,

155-156, 278, 280-282

Sitzen

- Ausrichtungen für das, 133-138

- Spannung und Schmerzen vom, 332-335

Sitzende Tätigkeit, 52

Solarplexus, 171

Spiral-Energiekörper (Chi Gung), 288, 343

Spiralbewegung, 216-221

Spiritualität, 37-38, 87-88, 324

Sprachbarrieren, 65

Sprudelnde Quelle, 178

Stärke, Gefühle von, 151-152, 154

Standform

- Komponenten der, 77-81

- Leitlinien für die, 181-185

- Positionen der, 64, 123-132, 190, 284,

286-288, 335

-zur Ruhe kommen in der, 139-140

- Techniken der, 141 -160

Stress

-Abbauen von, 51-52, 315-316

- und Emotionen, 51-52

- und Nerven, 321

- und Übungen, 93-94

Sung, 143-144, 146-147, 148, 150-151

Synergie, 74-75

T Tai Chi

- und Chi Gung, 40, 41

- in China, 45-46

- Definition von, 13

353

Page 354: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

- als der Gesundheit dienende Kunst, 71, 342

- als Kampfkunst, 344

- als Meditation, 345

- Push Hands, 15, 26

- Wu-Stil, 15

- Yang-Stil, 28, 29

- und Yoga, 22, 23

Tan Hsu Fa Shi, 337

Tantien

- Atmung in das untere, 297

- Entwicklung von Energie im, 1 71 -1 73, 182

- Lokalisierung des, 171, 223-224, 290-291

- und Nei Gung, 307

Tantrische Kundalini-Meditation, 23

Taoismus

-und Chi Gung, 10-11,37-38

- drei Schätze des, 37

- Feuer-Methode des, 339

- literarische Werke des, 339

- praktische Seite des, 10

- Wasser-Methode des, 339-340

Taoistische Meditation, 25, 28-29, 38-39, 345

Taoistische Meister, 24

Taoistische Wirbelsäulendehnung, 262-281

- Aufwärmübungen für die, 266-268, 275-

276

- Bedeutung der, 263

- erste Hälfte der, 268-271, 276

- fortgeschrittene, 277, 279-280

- Herkunft der, 336

- Leitlinien für die, 274-275

- im Sitzen, 275-277

- zweite Hälfte der, 272-273, 277

Taoistischer Yoga, 97

- und Hatha-Yoga, 97-98

Taoteking, 339

Tien Jau Ling, 28

Tigermaul, 132

Tor des Lebens. Siehe Mingmen

Tuina, 18, 21, 22, 184, 343

U Ueshiba, Morihei, 18-19

Übungen

- äußere, 83

- innere, 85-89

- und Stress, 93-94

Umkehratmung, 295, 297-298

V Verletzungen

- und Atmung, 119

- Beschleunigung der Regeneration

von, 50

- Schutz von alten, 195

- Vorbeugung von, 49-50, 185

Vipassana, 69

Vorgeburtliche Atmung. Siehe Umkehratmung

W

Wade-Giles-System, 338

Wang Shu-Jin, 19-22, 325, 326-327, 335

Weißer Kranich (Chi Gung), 327, 328

Wirbelsäule. Siehe auch Taoistische

Wirbelsäulendehnung

-Aufrichten der, 130-131

- Aufwärmübungen für die, 266-268

- Energietore der, 172, 174

- Funktionen der, 272

- Haltung der, bei der Standform, 125-126

- hintere und vordere Seite der, 265

- Komponenten der, 306

- und Nei Gung, 306

- Spüren der, 266, 279

Wirbelsäulenatmung, 298

Wirbelsäulendehnung. Siehe Taoistische

Wirbelsäulendehnung

Wissen

- intellektuelles, 383

- konkretes, 383

Wolkenhände, 188-221

- und Auflösung, 190

- Augen offen für die, 190

- Bedeutung der, 189-190, 206

- Endstellung der, 188

- Funktion der, 201

- Grundhaltungen der, 216-217

- Herkunft der, 335

- und Oberkörper, 205-209

- und Unterkörper, 191-204

-vollständige Bewegung für die, 216-221

Wu, 37

354

Page 355: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Wu Hui Chuan, 28

Wuj ien Chuan, 15,336

Wut, 58, 186-187

Y Yale-System, 338

Yang Lu-Chan, 28

Yang Ban Hou, 28

Yang Shao Jung, 28

Yin und Yang, 91-93, 304

Yoga. Siehe auch Pranayama-Yoga und

Taoistischer Yoga

- und Atmung, 105-106

- und Chi Gung, 84, 96-98. 322-323

- und psychische Kräfte, 308

- Sicherheit von, 322-323

- und Spiritualität, 87-88

- und Tai Chi, 23

Yoga-Sutras, 87

Yuan Chi, 301

Yun Chi, 148

Z Zen-Buddhismus, 17, 52

Zirkulation

- und Chi Gung, 53

- Verbesserung der, 49

Zunge, Position der, 127

Zweite Schwungübung, 232-245

- Armbewegungen für die, 242-245

- Herkunft der, 335-336

- Hüft- und Beinbewegungen für die, 234-

243

- Körperausrichtungen der, 54

- Ziel der, 233

Zwerchfell, 108-109, 119, 296-297

Page 356: Frantzis, Bruce - Die Energietore des Körpers öffnen - Chi Gung für lebenslange Gesundheit (2013, 357 S., Text)

Bruce Frantzis

Die Kraft der inneren Kampfkünste und des Chi Kampf- und Energietechniken im Ba Gua, Tai Chi und Hsing-I

Dieses Buch ist ein Klassiker der Kampfkünste . Es zeigt, wie die inneren Kampf-

künste - Ba Gua, Tai Chi und Hsing-I - mittels Strategie und Chi-Verstärkung

deutliche Vorteile gegenüber den äußeren Kampftechniken wie Judo, Taekwondo,

Karate und Kung-Fu zeigen. Niemals zuvor hat ein Linienhalter der inneren Kampf-

künste so weitgehende Informat ionen über das hoch entwickelte taoistische System

des Nei G u n g veröffentlicht. Das Buch zeigt, wie Chi-Energie Schnelligkeit, Ausdauer und Stärke in

den Kampfküns ten fördert, die Gesundhei t aktiviert und Stress vermindert . Geschichten von großen

Meistern der inneren u n d äußeren Kampfkünste , mit welchen Bruce Frantzis trainieren konnte, geben

hautnahen Einblick in die faszinierende Welt der Chi-Künste.

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Bruce Frantzis

Tao-Meditation Vollkommen im Sein entspannen Die Wasser-Methode der taoistischen Meditation — Buch 1 —

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nach Lao Tses Schule der Wasser-Methode. Diese wird hier erstmals von einem

Linienhalter der Tradition in einer Form zugänglich gemacht, die es ermöglicht, die

Grundlagen fiir eine effektive u n d erfolgreiche Meditationsarbeit zu entwickeln. Dieser Band gibt eine

umfassende Or ien t ie rung über das Themengebiet u n d präsentiert die Wasser-Methode im historischen

Kontext sowie in Beziehung zu den Feuer-Methoden. Im Mit te lpunkt steht der innere Auflösungspro-

zess u n d die dieser Technik zugrunde liegende taoistische Theorie der acht Energiekörper. Übungen

im Sitzen wie in Bewegung bilden das Fundament fü r aufbauende Techniken wie das Auflösen von

Traumen und inneren Konflikten, die es ermöglichen, das individuelle Sein zu akzeptieren und zu

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Technik der Wasser-Methode ist der innere Auflösungsprozess: das Lösen psychischer Hindernisse und

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Vertrautheit, Ha rmon ie u n d Zufr iedenhei t in Beziehungen. Körperbewusstsein, Bewegungsmeditation

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