Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

98
“Ich spreche f¨ ur Menschen, die gewohnt sind eine Weisheit in einem fallenden Blatt, riesige Probleme in aufsteigendem Rauch, Theorien in den Schwingungen des Lichts, eine Idee in Marmorbl¨ ocken und die entsetzlichsten Bewegungen in der Regungslosigkeit zu erkennen. Ich stelle mich genau auf den Punkt, wo die Wissenschaft den Wahnsinn ber¨ uhrt: Gel¨ ander bringe ich keine an.” Honore de Balzac, Theorie des Gehens

Transcript of Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Page 1: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

“Ich spreche fur Menschen, die gewohnt sindeine Weisheit in einem fallenden Blatt,riesige Probleme in aufsteigendem Rauch,Theorien in den Schwingungen des Lichts,eine Idee in Marmorblockenund die entsetzlichsten Bewegungenin der Regungslosigkeit zu erkennen.Ich stelle mich genau auf den Punkt,wo die Wissenschaft den Wahnsinn beruhrt:Gelander bringe ich keine an.”

Honore de Balzac, Theorie des Gehens

Page 2: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Freie Universitat BerlinFachbereich Politik- und SozialwissenschaftenOtto-Suhr-Institut fur Politikwissenschaft

Diplomarbeitzur Erlangung des Grades eines Diplom-Politologen

Fuhrung als konzertierte AktionEine Anwendung des Begriffs der Gouvernementalitat von

Michel Foucault auf das Bund-Lander-Programm ‘Soziale Stadt’

vorgelegt von Henning Fuller

im Oktober 2004

Erstgutachter: Prof. Dr. Gerhard GohlerZweitgutachterin: Prof. Dr. Brigitte Wehland-Rauschenbach

Page 3: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 2

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens 72.1 Wahl des Untersuchungsgegenstandes: Programm ,Soziale Stadt‘ . . 8

2.1.1 Veranderungen im Bezug auf politische Steuerung . . . . . . 82.1.2 Programm ,Soziale Stadt‘ als modellhafte Reaktion . . . . . 16

2.2 Wahl des Analyseinstruments: Gouvernementalitat . . . . . . . . . 202.2.1 Der Begriff der ,Gouvernementalitat‘ bei Michel Foucault . . 212.2.2 Anwendung des Konzepts der ,Gouvernementalitat‘ . . . . . 272.2.3 Prazisierung des empirischen Zugangs . . . . . . . . . . . . . 31

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘ 363.1 Rationalitat veranderter Stadtentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 37

3.1.1 Fokussierung auf defizitare ,Communities‘ . . . . . . . . . . 383.1.2 Verknupfung von Wissen und Macht . . . . . . . . . . . . . 433.1.3 Fokus auf Prozessdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.1.4 Rationalitat des Programms und Gouvernementalitat . . . . 49

3.2 Instrumente veranderter Stadtentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 513.2.1 Veranderte Organisation politischer Steuerung . . . . . . . . 513.2.2 Steuerungsinstrument Quartiersmanagement . . . . . . . . . 593.2.3 Steuerungsinstrument der ,Community‘ . . . . . . . . . . . . 633.2.4 Konzertiertes Regieren der Stadtteile . . . . . . . . . . . . . 69

3.3 Regieren durch Beteiligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713.3.1 Aktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713.3.2 Verantwortungszuschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763.3.3 Selbstfuhrung als verantwortliches Subjekt . . . . . . . . . . 81

4 Fazit 83

Literaturverzeichnis 86

1

Page 4: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

1 Einleitung

”Das Verstandnis von Staat andert sich grundlegend. Die Deutschen nehmen Ab-

schied vom Obrigkeitsstaat“, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Freizeitfor-schungsinstituts unter Leitung von Prof. Dr. Opaschowski.

”Die Burger erkennen,

dass der Staat keine sozialen Wohltaten mehr zu verteilen hat. Fur den Schutzvor den Risiken des Lebens wie Krankheit, Alter und Pflegebedurftigkeit ist im-mer weniger der Staat und immer mehr der einzelne Burger selbst verantwortlich.Der Staat als Ausgabenmaschine hat ausgedient. Die aktive (Mit-)Beteiligung derBurger ist gefordert.“ (vgl. Opaschowski, 2004) Die umfassenden gesellschaftlichenVeranderungen unter den Schlagworten Globalisierung, Deindustrialisierung undTransnationalisierung fuhren zu einer Erosion des traditionellen Verhaltnisses vonStaat und Gesellschaft in westlichen Wohlfahrtskulturen. Der Nationalstaat agiertnicht mehr wie bisher als die zentrale Instanz gesellschaftlicher Steuerung. Ent-scheidungen werden in transnationalen Verhandlungsrunden, in der EuropaischenUnion oder der WTO gefallt. Gesellschaftliche Akteure wie beispielsweise NGOs er-halten dabei zunehmend Bedeutung. Lokale Kooperationen von offentlicher Handund privater Wirtschaft, sogenannte Public-Private-Partnerships, sind fur politi-sche Steuerung zunehmend richtungsweisend. Ebenso verandert sich die traditio-nelle Aufgabenteilung zwischen Staat und Gesellschaft im Bereich der Wohlfahrts-sicherung. Die Steuerung des Sozialen liegt nicht mehr allein in der Verantwortungzentralstaatlicher Institutionen, sondern wird zunehmend Aufgabe gesellschaftlicherAkteure, von Vereinen, Verbanden und den Burgern1 selbst. Das Leitbild ist nichtmehr der umfassend steuernde Obrigkeitsstaat, sondern der ,schlanke Staat‘, derdie Sicherung der sozialen Kohasion auf die Ebene der Zivilgesellschaft verlagert.Der Ruckzug des Staates, den die Burgern gemaß der zitierten Studie beobachten,scheint somit offensichtlich.

Was bedeutet diese Neubestimmung des Verhaltnisses von Staat und Gesellschaftaber nun fur die Einbindung der Individuen in Macht- und Herrschaftsbeziehungen?Geht der Ruckzug des Staates spiegelbildlich mit einer Verminderung der politischen

1 Die Verwendung der mannlichen Form hier und im Folgenden ist der besseren Lesbarkeitgeschuldet, und soll ausdrucklich keine geschlechtsspezifische Zuordnung implizieren. Das be-rechtigte Anliegen, Frauen gleichwertig in sprachlichen Ausdrucken zu reprasentieren soll da-mit nicht zuruckgewiesen werden. Die Beschrankung begrundet sich aber aus der Vermeidungvon Widerhaken im Lesefluss und der Tendenz, mit einer gleichberechtigten Verwendung denUmstand zu verdecken, dass Frauen als Akteure in der Gesellschaft, insbesondere in Macht-positionen, gerade nicht gleichberechtigt sind.

2

Page 5: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

1 Einleitung

Steuerung von Gesellschaft einher? Liegt in der offiziellen Rhetorik um individuelleSelbstverantwortung tatsachlich die Freiheit, selbst fur das eigene Leben Verant-wortung zu ubernehmen? Moglicherweise markieren die genannten Veranderungenviel eher das Auftauchen neuer Formen der Steuerung einer postdisziplinaren Ge-sellschaft, wie sie von Robert Castel skizziert wurde. Castel beschreibt als Merk-male dieser neuen Organisationsform gesellschaftlicher Einbindung die Etablierungveranderter sozialer Technologien mit dem Ziel der Minimierung unmittelbarer the-rapeutischer Eingriffe bei zunehmender praventiver behordlicher Verwaltung, sowiedie Forderung der unablassigen Arbeit an sich selbst zum Wohl eines effizienten undanpassungsfahigen Subjekts (vgl. Castel, 1981). Hinweise auf einen derartigen Wan-del werden im Kontext der jungeren Entwicklungen westlicher Wohlfahrtsstaatensichtbar. Die gegenwartig vorherrschende neoliberale Tendenz, moglichst viele ge-sellschaftliche Bereiche dem Steuerungsmodus der Marktkonkurrenz zu uberantwor-ten, kennzeichnet die Tendenz zum moglichst weitgehenden Verzicht auf therapeu-tische Eingriffe. Uber die Privatisierung, beispielsweise der Alterssicherung oder derGesundheitsvorsorge, soll die Aufgabenbewaltigung kosteneffizient und von staat-lichen Eingriffen unabhangig organisiert werden. Auch die Verwaltung selbst wirdim Zuge des New Public Managements (vgl. Pelizzaro, 2001) umgestellt auf das pri-vatwirtschaftliche Organisationsprinzip einer Auslagerung von Aufgabenbereichendurch die projektformige Vergabe an private Trager, hier zur Zeit beispielsweise dieAufgabe der Arbeitsvermittlung.

Neben dem ,schlanken Staat‘ geht das veranderte Staatsverstandnis in Richtungeines ,aktivierenden Staats‘. So bestimmt der Bundeskanzler Gerhard Schroder dieveranderte Aufgabe des gegenwartigen Staates in der Aktivierung der Selbstregie-rungsfahigkeit der Burger,

”ganz im Sinne des Goethe-Wortes, wonach diejenige

Regierung die Beste sei, ,die uns lehrt uns selbst zu regieren‘“ (Schroder, 2000,203). Hier findet sich ein Indiz fur das zweite Charakteristikum der postdisziplina-ren Gesellschaft: Forderung von selbstandig und effizient – im Sinne des Staates– handelnder Burger. Die Aufwertung der individuellen Selbstverantwortung wur-de zunachst im Bereich der Arbeitsverhaltnisse beobachtet. Der eigenstandig seineKrafte maximierende ,Arbeitskraftunternehmer‘ wird hier bereits als das moglicheneue Leitbild der Ware Arbeitskraft gehandelt. (vgl. Pongratz und Voß, 1998; vgl.Schoni, 2000; vgl. Moldaschl und Sauer, 2000). Nun sollen die Burger auch im Be-reich des Sozialen verstarkt zu Ehrenamt und Engagement aktiviert, und so derAbbau staatlicher Wohlfahrtsleistungen durch ,Gemeinwohl-Unternehmer‘ (Beck,2000, 49) aufgefangen werden.

Allerdings wachsen mit dem angestrebten ,Empowerment‘ zivilgesellschaftlicherKrafte auch die Anforderungen an die Subjekte. Als verantwortlicher ,Unternehmerseiner Selbst‘ hat der Einzelne auch starker als bisher Sorge zu tragen, sein Lebenim Sinne von Gesundheit, Anpassungsfahigkeit, Dynamik und Zielgerichtetheit zufuhren. Ein Entlassen in die Selbstsorge geht mit dem Aufburden eines strengenSelbstregiments einher (vgl. Reichert, 2002; vgl. Bogumil, 2002; vgl. Jann, 2004).

3

Page 6: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

1 Einleitung

Insgesamt scheint somit in gegenwartigen westlichen Gesellschaften, unbeein-druckt von der Rhetorik eines ,Ruckzug des Staates‘, ein veranderter Modus derSteuerung zum Vorschein zu kommen, so die von den genannten Indizien gestutzteHypothese. Mit der veranderten Rolle des Staates geht eine zunehmend indirekteArt der Steuerung von Individuen in Gesellschaft einher. Die Ziele gesellschaftli-cher Kohasion und Wohlfahrtsproduktion sollen nicht mehr durch therapeutischeIntervention des Staates, sondern eher durch ein aufeinander abgestimmtes Verhal-ten verschiedener Akteure erreicht werden. Fuhrung vollzieht sich in diesem Sinnescheinbar als ,konzertierte‘ Aktion.2

Dieser Vermutung soll in der folgenden Arbeit genauer nachgegangen werden.Dazu wird ein modellhaftes Fallbeispiel veranderter politischer Steuerung gewahltund auf die darin zum Vorschein kommenden Regierungstechnologien uberpruft.Als exemplarisches Beispiel fur diese Untersuchung fallt der fur die Bundesrepublikneuartige Politikansatz ins Auge, der im Rahmen eines Bund-Lander-Programms

”Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ seit 1999 in

der deutschen Stadtentwicklungspolitik unternommen wird. Die soziale Situationauf der lokalen Ebene der Stadt ist gegenwartig ein in besonderem Maße exponier-ter Bereich fur neue Formen der Steuerung. Die zunehmend verschuldeten kommu-nalen Haushalte sind nicht mehr in der Lage, die wachsende soziale Ungleichheit,die in den Stadten in besonderem Maße zum Ausdruck kommt, wie bisher durchindividuelle Zuwendungen finanziell abzufedern. Die ,Krise der sozialen Stadt‘ deu-tet seismografisch gesamtgesellschaftliche Konfliktpotenziale an. In Teilgebieten derStadt werden gesellschaftliche Krisenphanomene konzentriert sichtbar. Die politi-sche Steuerung des Sozialen auf der lokalen Ebene der Stadt hat insofern besondereBrisanz und Losungsansatze haben in gewisser Weise exemplarischen Charakter.Die im Rahmen des Bund-Lander-Programms versuchte Reaktion auf die Proble-matik der ,Sozialen Stadt‘ bietet sich damit als Untersuchungsgegenstand fur dieFrage nach veranderten Formen des Regierens an. Der neuartige Politikansatz voll-zieht sich in einem eng begrenzten Teilbereich der Stadtentwicklung und kann damitin seinen konkreten Auswirkungen hinreichend prazise nachvollzogen werden. Trotzder Untersuchung eines Einzelfalls lassen sich mit einiger Plausibilitat Ruckschlusseauf gesamtgesellschaftliche Tendenzen ziehen.

Als erkenntnisleitendes theoretisches Gerust bei der Frage nach moglichen neuar-tigen Formationen politischer Steuerung, die in dem Politikansatz des Programms,Soziale Stadt‘ zum Ausdruck kommen sollen, dient das Konzept der Gouverne-mentalitat von Michel Foucault. Das Konzept bietet einen spezifischen Zugang zum

2 Der Begriff konzertierte Aktion ist im Kontext der deutschen Politik als Bezeichnung einesGesprachsforums gepragt, das 1967 von dem damaligen Wirtschaftsminister Karl Schiller imRahmen des Stabilitats- und Wachstumsgesetzes einberufen wurde und zu dem Vertreter desStaates, der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, okonomischer Sachverstandigen und der Bun-desbank bis 1977 regelmaßig zusammenkamen. Zur Zeit existiert eine konzertierte Aktion imGesundheitswesen als Beratungsgremium der mit Gesundheitsversorgung betrauten Gruppen.

4

Page 7: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

1 Einleitung

Phanomen der Regierung, das als Zusammenspiel vielfaltiger Institutionen, Verfah-ren, Analysen und Taktiken begriffen wird. Dieser umfassende Regierungsbegriffermoglicht es, Machteffekte nicht nur in den direkten Maßnahmen staatlicher Insti-tutionen wahrzunehmen, sondern auch in der Art, wie gesellschaftliche Phanomenedurch Problematisierung ans Licht gebracht werden, sowie in den Formen, in denendie Individuen sich einer Selbstfuhrung unterziehen. Das aus dem Konzept der Gou-vernementalitat gewonnene Analyseinstrument versetzt in die Lage, Apparaturendes Regierens wahrzunehmen, die im Zuge von Deregulierung und Privatisierung,von Lokalisierung und Auslagerung der Staatstatigkeit neu entstehen.

In der folgenden Arbeit geht es somit darum zu prufen, ob in dem exemplarischenPolitikansatz des Bund-Lander-Programms ,Soziale Stadt‘ veranderte Technologiendes Regierens zum Vorschein kommen. Dazu ist anhand der konkreten empirischenAusgestaltung des Programms in Berlin das Zusammenwirken der Rationalitat desPolitikansatzes, der eingefuhrten Steuerungsverfahren und der propagierten Selbst-technologien in den Blick zu nehmen. Zu fragen ist, inwiefern die so sichtbar gewor-dene Konstellation als eine indirekte ,Fuhrung der Fuhrungen‘ wirksam ist. Kommtes auf der Ebene der Stadtteilentwicklung zu einer Fuhrung in Form konzertierterAktion?3 Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden.

Dazu ist anschließend zunachst der Ansatz der Untersuchung zu prazisieren. DieWahl des Untersuchungsgegenstand wie des theoretischen Analyseinstruments istzu begrunden, drittens ist ein empirischer Zugriff auf die Realitat des Programmsauszuwahlen.

Fur die Wahl eines Untersuchungsgegenstandes ist dabei zunachst knapp der ge-sellschaftliche Kontext zu skizzieren, vor dem sich gegenwartig die Regierungspro-blematik stellt. Es soll einerseits auf die strukturellen Veranderungen hingewiesenwerden, andererseits auf den vorherrschenden politischen Diskurs, die jeweils inRichtung der Verlagerung staatlicher Steuerung auf eine dezentrale Ebene hinzu-wirken scheinen. Eine weitere Beobachtung betrifft die Rolle der Stadt als raumlicheManifestation gesellschaftlicher Krisentendenzen. Vor diesem Hintergrund ist dasBund-Lander-Programm ,Soziale Stadt‘ moglicherweise als modellhafte Reaktionzu verstehen und bietet sich als konkreter Untersuchungsgegenstand fur vermuteteveranderte Technologien des Regierens an.

Bei der Wahl des analytischen Konzepts fur die hier verfolgte Fragestellung stelltsich Foucaults Konzeption der Gouvernementalitat als geeignete erkenntnisleiten-de Theorie heraus. Der Begriff soll kurz dargestellt und die bisherige Anwendungreflektiert werden.

3 Regierung wird hier verstanden als die Gesamtheit der Krafteverhaltnisse, die das gesellschaftli-che Zusammenleben gemaß einer bestimmten Rationalitat ordnen, systematisieren und in die-ser Weise auf Dauer zu stellen versuchen. Mit Fuhrung wird im Folgenden die Wirkungsweisedieser Regierung bezeichnet, namlich das Feld moglicher Handlungen und legitimer Denkwei-sen zu begrenzen.

5

Page 8: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

1 Einleitung

Anschließend an die Wahl des Untersuchungsgegenstandes und des begrifflichenInstruments ist schließlich ein geeigneter empirischer Zugriff auszuwahlen, der dieFragestellung nach einer veranderten Regierungsweise an das konkrete Programm,Soziale Stadt‘ ermoglicht. Neben der Auswahl des Materialkorpus bedarf es hiereiner kurzen methodischen Klarung der Untersuchungsweise.

Im Anschluss an diese Klarung des Untersuchungsansatzes ist die veranderteForm der Stadtteilentwicklung, die im Zuge des Bund-Lander-Programms ,SozialeStadt‘ in bestimmten defizitaren Teilgebieten der Stadt unternommen wird, im Hin-blick auf die Technologien des Regierens zu untersuchen, die darin zum Vorscheinkommen. Angeleitet durch den umfassenden ,gouvernementalen‘ Regierungsbegriffsoll nach markanten Veranderungen in der Problematisierung der Steuerung, denVerfahren der Steuerung und in der Anrufung der Bewohner als spezifische Subjek-te gesucht werden. Im Bezug auf das theoretische Konzept der Gouvernementalitatsind die Ergebnisse jeweils zu bewerten.

In einem abschließenden Fazit sollen die Ergebnisse noch einmal zusammenge-fasst werden. Es gilt ruckblickend zu beurteilen, inwiefern sich der verfolgte Ansatzund das theoretische Konzept bewahrt haben, welche Aspekte zu wenig Beruck-sichtigung fanden, und wo zukunftige Arbeiten ansetzen konnten. Die Bedeutungder Technologien gouvernementalen Regierens, die in der Arbeit aufgezeigt werdenkonnten, ist abschließend zu beurteilen.

6

Page 9: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse verandertenRegierens

Mit dem einleitend angedeuteten veranderten Verhaltnis von Staat und Gesellschaftscheinen auch im Bezug auf den Vorgang des Regierens Veranderungen vor sich zugehen, so die Annahme, die es im Folgenden zu prufen gilt. Dabei ist zunachst derkonkrete Ansatz der Untersuchung darzustellen und zu begrunden. Insbesonderebetrifft dies den gewahlten Untersuchungsgegenstand, das begrifflich-theoretischeInstrument und die empirische Methode.

Fur eine Analyse der Machteffekte, die als Regierung bezeichnet werden konnen,kommen grundsatzlich zwei unterschiedliche Herangehensweisen in Frage. Bei ei-ner eher deduktiven Untersuchung ware ein vorab theoretisch bestimmtes Wesenveranderten Regierens in den empirischen Phanomenen gegenwartiger Gesellschaftnachzuweisen. Die Geltung des abstrakt bestimmten Begriffs ist dann durch em-pirische Belege aus den vielfaltigen Bereichen gegenwartiger politischer Steuerungherauszustellen.

Die folgende Arbeit setzt allerdings anders an. Die Untersuchung beschrankt sichauf einen konkreten und uberschaubaren Politikansatz. Es wird nicht die gegen-wartige Regierungsweise im Allgemeinen untersucht, sondern es sollen fur einenexemplarischen Bereich bestimmte Muster und veranderte Formationen politischkoordinierter Machtwirkungen aufgezeigt werden. Das so eng gesteckte Untersu-chungsfeld ist – zumal aus forschungspragmatischen Grunden im Rahmen einerDiplomarbeit – empirisch praziser zu analysieren. Damit soll es moglich werden,die Ergebnisse anschaulicher zu fundieren.

Auch unter Vorgriff auf das verwendete analytische Konzept der Gouvernementa-litat ist ein solch induktiver Ansatz vorzuziehen, welcher an konkreten Formationenund Programmen ansetzt. Foucault wendet sich ausdrucklich gegen das Vorgehen,das Auftauchen von Technologien des Regierens aus den großen Formationen derOkonomie oder des Staates abzuleiten. Er formuliert statt dessen die erkenntnislei-tende Tendenz einer

”Gouvernementalisierung des Staates“ (Foucault, 2000a, 67),

schlagt fur die Analyse aber vor,”das Problem des Staates von den Praktiken der

Gouvernementalitat“ (Foucault, 2000b, 70) her zu erkunden. Er pladiert fur eineAnalyse der Form gegenwartigen Regierens

”ausgehend davon, wie sie sich jetzt

zurzeit in Programme umsetzt“ (ebd.). Es geht darum, an konkreten Ausdrucks-

7

Page 10: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

formen, an Verfahren und Maßnahmen, anzusetzen.1 Die vorliegende Untersuchungvon Veranderungen im Bereich des Regierens folgt diesem Vorschlag und richtetden Fokus dementsprechend auf ein konkretes Programm gegenwartigen Regierens.

2.1 Wahl des Untersuchungsgegenstandes:Programm ,Soziale Stadt‘

Fur die Relevanz der Untersuchungsergebnisse, bei der Beschrankung auf einenTeilbereich gesellschaftlicher Steuerung, ist nun ein bestimmter Bereich oder einkonkreter Politikansatz auszuwahlen, dem in gewisser Weise ein modellhafter Cha-rakter oder zentrale Bedeutung fur gegenwartiges Regieren zugesprochen werdenkann.

Als ein in diesem Sinne exemplarischer Politikansatz fallt dabei das Bund-Lander-Programm

”Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ ins

Auge. Im Folgenden sind die Grunde darzustellen, die diesen Politikansatz in derStadtteilentwicklung als konkreten Untersuchungsgegenstand fur die Frage nachveranderten Technologien des Regierens qualifizieren. Trotz des geringen finanziel-len Volumens und der beschrankten Reichweite des Programms selbst, haben dieanhand dieses Politikansatzes nachgewiesenen Veranderungen im Vorgang des Re-gierens in gewisser Weise exemplarischen Charakter. Diese Annahme soll im Fol-genden durch die Einordnung des Programms in ubergeordnete Veranderungen imBereich des Politischen gestutzt werden.

2.1.1 Veranderungen im Bezug auf politische Steuerung

Die Wahl eines adaquaten Untersuchungsgegenstandes soll unter Berucksichtigunggegenwartiger gesellschaftlicher Entwicklungen erfolgen. Es lassen sich Tendenzenin den drei Dimensionen des Politischen aufzeigen, die die Wahl des konkretenPolitikansatzes des Bund-Lander-Programms ,Soziale Stadt‘ als Untersuchungsge-genstand plausibel machen. Im Einzelnen sind es erstens gegenwartige Tendenzenbezuglich der strukturellen Verfasstheit politischer Steuerung, zum zweiten veran-derte Steuerungsverfahren, und drittens eine zunehmende Relevanz des bearbeite-

1 Vgl. dazu auch Rose/Miller: ”Das Verstandnis moderner Formen des Regierens erfordert unseresErachtens eine Untersuchung nicht allein der großen politischen Formation oder der wirtschaft-lichen Ambitionen, noch gar von Allgemeinplatzen wie z.B. »Staatskontrolle«, Verstaatlichung,freier Markt und ahnliche, sondern von anscheinend unscheinbaren und alltaglichen Mechanis-men, die das Regieren zu ermoglichen scheinen: Techniken der Prufung und Entscheidung; dieErfindung von Hilfsmitteln, wie z.B. Ubersichten und Prasentationsformen, wie z.B. Tabellen;die Standardisierung von Systemen fur Ausbildung und die Einubung von Gewohnheiten; dieEinfuhrung berufsmaßiger Spezialisierungen und Terminologien; Gebaudedesign und architek-tonische Formen - die Liste ist vielfaltig und im Prinzip unbegrenzt.“ (Miller und Rose, 1994,67)

8

Page 11: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

ten Politikbereichs, die den konkreten Politikansatz auszeichnen und als Untersu-chungsgegenstand pradestinieren.

Strukturelle Veranderungen in Richtung einer Lokalisierung

Zum ersten sind es Veranderungen des strukturellen Rahmens politischer Steue-rung, welche die Wahl eines Politikansatzes lokaler Reichweite plausibel machen.Die jungeren Veranderungen innerhalb des Wechselverhaltnisses von wirtschaftli-cher Entwicklung und staatlicher Regulierung – okonomisch beispielsweise eine zu-nehmende Integration des Weltmarkts, politisch die Zunahme von suprastaatlicherKooperation – sind mit dem Begriff der Globalisierung zum Allgemeingut gewor-den. Bei dem Versuch, den Begriff Globalisierung analytisch zu fundieren wurdenun schon fruh der prazisere Begriff der ,Glokalisierung‘ gepragt2 (vgl. Baumann,1996). Damit wird der doppelte Vorgang der Verlagerung von Entscheidungskom-petenz uber- und unterhalb der Ebene des Nationalstaats gefasst, der im Zuge derjungeren wirtschaftlichen und politischen Entwicklung vor sich geht. Die Aufwer-tung der lokalen Ebene im Kontext dieser ,Glokalisierung‘ ist zunachst ein Effektvon strukturellen Veranderungen okonomischer Wertschopfung und gewandelter po-litischer Steuerung.

Gegenwartige wirtschaftliche Entwicklungen fuhren zu einer zunehmenden Aus-differenzierung des bisher vornehmlich in Kategorien des Nationalstaats begriffe-nen Wirtschaftsraums. Es kommt zu einer Segmentierung der Flache in Regionenkonzentrierter Produktion sowie in Regionen dauerhaften Abschwungs. Auf dereinen Seite konnen regionale Produktionszusammenhange spezifische Innovations-und Kooperationsvorteile entfalten. Trotz der zunehmenden Moglichkeiten globa-ler Guter- und Informationsbeschaffung ist gerade der regionale Raum mit teilweisenur dort vorhandenen und kaum transferierbaren Kenntnissen, Fahigkeiten und Be-ziehungsformen ein wichtiger wirtschaftlicher Einflussfaktor (Pomrehn, 1998; Furst,2003). Die sich entwickelnden koharenten Teilokonomien sind krisenresistent undermoglichen die Ausnutzung lokaler Wertschopfungspotenziale.

Auf der anderen Seite steht der Niedergang bisheriger Industrieregionen und derAufstieg neuer Raume durch die Tertiarisierung. Die Vorstellung von konsistentenNationalokonomien, die noch im 19. Jahrhundert die Grundvoraussetzung fur dieBestimmung der Grenzen des Staatsterritoriums gewesen war, trifft nicht mehr zu.Es kommt zu einer Aufspaltung des Raums in eine Vielzahl differenzierter lokalerSegmente.

Die Territorien werden kleinteiliger gegliedert, wobei die unterschiedlichs-ten Nutzungen nebeneinander koexistieren und auf verschiedene raumliche

2 Der Begriff fasst neben der Bedeutungszunahme von erstens supranationalen Konstellationen(Globalisierung), sowie zweitens von lokalen, urbanen, regionale Konstellationen (Lokalisie-rung), drittens das Streben der Anleger nach einer globalen Lokalisierung der jeweils maß-stabssetzenden Produktionsweise (vgl. Swyngedouw, 2004, 37).

9

Page 12: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

Dimensionen bezogen werden. Die Flache wird segmentiert in ,diffuse Raum-lichkeiten‘. (Scheuplein, 1997, 2)

A global economy is emerging then, but it is not a global space of flows. Itis instead a complex meeting of new kinds of globalized flows and new kindsof territorial economies. (Le Gales, 2002, 172)

Diese Bedeutungszunahme kleinraumiger Sektoren lasst sich auch auf der Ebenepolitischer Steuerung feststellen. Der Nationalstaat ist nicht mehr in dem Maßedie zentrale Steuerungsinstanz von Markt und Gesellschaft.3 Politikwissenschaftli-che Forschung der letzten Jahre stellt die genannte Glokalisierung auch im Bezugauf politische Steuerung fest. Zum einen liegt das Augenmerk hier zunehmend aufjenen Fragen, die durch Prozesse der supranationalen Kooperation im Bezug auf Le-gitimation, Partizipation oder Evaluierung der Entscheidungsresultate aufgeworfenwerden.

Auf der anderen Seite fallen gegenwartig verstarkt regional eigenstandige Ent-scheidungsstrukturen und -prozesse in den Blick der Forschung. Es werden im Be-griff der Regional Governance lokale Verhandlungssysteme analysiert (vgl. Le Gales,2002; vgl. Furst, 2003) oder die gemeinsame Steuerungsleistung von Wirtschaft undPolitik in den Public-Private-Partnerships hervorgehoben (vgl. Strom, 2001; vgl.Haußermann und Simons, 2003). Entscheidungsprozesse werden einerseits auf Ent-scheidungsstrukturen außerhalb des institutionell-politischen Systems ubertragen,andererseits innerhalb des Nationalstaates raumlich-geographisch aufgefachert. Die-ser Befund einer zunehmenden Bedeutung von Steuerungssystemen unterhalb derEbene des Nationalstaats ist das ubereinstimmende Ergebnis einer Reihe unter-schiedlicher Erklarungsansatze. Die Heterogenitat komplexer Gesellschaft, die Bal-lung internationalen Kapitals und die postfordistische Produktionsweise sind Ursa-chen einer Bedeutungszunahme lokaler Einheiten fur politische Steuerung.

Ein Reihe von Arbeiten hebt bei der Beobachtung einer veranderten Bedeutungdes Nationalstaats ab auf das komplexe System gegenwartiger Gesellschaft (vgl.Scharpf, 1991; vgl. Mayntz, 1993; vgl. Voigt, 1995). In den gegenwartigen, hochdif-ferenzierten und arbeitsteilig organisierten Gesellschaften kann eine zentrale Steue-rung nicht existieren. Weder der Staat, noch eine andere Institution hat ausreichen-de Kontrollmoglichkeiten, die vielfaltigen Akteurskonstellationen einer einheitlichenSteuerung zu unterziehen (Beck, 1986, vgl.). Dieser polyzentrisch ausdifferenzierteCharakter moderner Gesellschaften bedingt notwendig ein Steuerungsversagen desStaates. Die Frage nach Herstellung verbindlicher Entscheidungen muss dezentralund im Modus der Selbststeuerung verhandelt werden. Es stellt sich die Frage,

”wie

3 Zum Bedeutungswandel des Nationalstaats vgl. Swyngedouw: ”During the 20th century, itwas undoubtly the national state that became the emblematic expression of the pre-eminentpolitical form of territorial organisation. In the present context a significant rescaling [. . . ]takes hold.“ (Swyngedouw, 2004, 32)

10

Page 13: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

in solchen polyzentristisch ausdifferenzierten Gesellschaften fur alle verbindlicheEntscheidungen noch zustande kommen konnen“ (Esser, 2002, 250).

Bei der Untersuchung der Art und Weise gegenwartiger Steuerung ist somit dieHerausbildung von dezentralen, regionalen Schauplatzen folgerichtig. Analog zu Ko-operationsvorteilen im Bereich der Wirtschaft, bietet die lokale Ebene gerade fureine ausdifferenzierte Gesellschaft Moglichkeiten effizienter Steuerungspotenziale.Dezentrale Institutionen auf lokaler Ebene haben gegenuber zentraler Steuerungeinen erweiterten Handlungsspielraum,

”insofern, als standardisierte Vorgaben zen-

tralstaatlicher Programme den zunehmend heterogenen Problemauspragungen so-wie den differenzierten gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsprozessen nichtmehr angemessen waren und deshalb einer dezentralen Ausfullung und Konkreti-sierung bedurften“ (Blanke und Benzler, 1991, 13).

Saskia Sassen (1998) beobachtet im Hinblick auf die Effekte der weltweiten politi-schen Deregulierung wirtschaftlicher Prozesse ein zunehmendes Auseinanderklaffendes geographischen Territoriums und der — wie sie es nennt — Territorialitat derNationalstaaten (vgl. Brenner, 1998; vgl. Sassen, 2002). Der raumliche Zustandig-keitsbereich des Nationalstaats, also sein Territorium, wird vom Abbau politischerRegulierung der Wirtschaft nicht tangiert. Allerdings wird die interne Regelungsfa-higkeit, die Territorialitat, nationalstaatlicher Institutionen sehr wohl beeinflusst.

Die Globalisierung, wahrend sie nationale Territorien grundsatzlich unveran-dert lasst, [hat] tiefgreifende Auswirkungen auf die exklusive Territorialitatdes Nationalstaates [. . . ]. Das heißt, ihre Effekte wirken sich nicht auf dasTerritorium selbst aus, sondern auf die institutionellen Rahmenbedingungendieses geographischen Gebildes. (Sassen, 1998, 347)

Bestimmte Metropolen (die sog. global cities) werden zu Zentralen der globalenWirtschaftsprozesse, und stehen zunehmend außerhalb der Regulierung von na-tionalstaatlichen Institutionen. Von diesen Knotenpunkten gehen vielmehr selbstImpulse bezuglich der Politikentscheidung aus. Der vorrangige politische Steue-rungsbereich wirtschaftlicher Prozesse ist nicht mehr die Nationalokonomie, sondernpartikulare Zonen – Regionen, Stadte, Gemeinden.

Aus regulationstheoretischer Sicht wird seit dem Ende der 1970er Jahre die Her-ausbildung einer postfordistischen Regulierung beobachtet (Hirsch und Roth, 1986).Kennzeichen des Fordismus war die Kopplung des Leitbildes eines tendenziell le-benslangen, meist industriellen, Normalarbeitsverhaltnisses mit einem keynesiani-schen Staatsinterventionismus. Die Gewahrleistung der gesellschaftlichen Repro-duktion der Arbeitskraft und die Beschrankung ihrer Ausnutzung war Aufgabezentraler nationalstaatlicher Steuerung. Nun hat sich aber eine dezentrale und fle-xible, zunehmend im tertiaren Sektor expandierende Wertschopfung mit entspre-chend ausdifferenziertem Steuerungsbedarf herausgebildet. Die politische Steuerungist dementsprechend nicht mehr in diesem Maße zentral gesteuert. Kennzeichender gegenwartigen postfordistischen Steuerungsweise ist die Aufspaltung politi-

11

Page 14: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

scher Regulierung in ein komplexes Netz halb offentlicher, halb privater Entschei-dungsstrukturen auf unterschiedlichen raumlichen Ebenen (Esser und Hirsch, 1987,vgl.; Mayer, 1991b, vgl.).

”Die Politik hat angesichts zunehmender transnationaler

Verflechtungen eine auf das Staatsgebiet als Ganzes bezogene Raumordnungspolitikaufgegeben.“ (vgl. Muller, 2004) Insbesondere auf der lokalen Ebene kommt es zurHerausbildung spezifischer Regime, in denen Steuerungsentscheidungen in Zusam-menarbeit von wirtschaftlichen und politischen Institutionen getroffen werden (vgl.Collinge und Hall, 1997).

Entscheidungen bezuglich Wirtschaftsforderung, Sozialpolitik und Arbeitsmarkt-regulierung werden von der Ebene des Nationalstaates an die zunehmend wichtigenregionalen Verhandlungssysteme abgegeben.

Mit der Globalisierung – so die Einschatzung in der wissenschaftlichen Litera-tur — wachst die Bedeutung von Stadten und stadtischen Regionen als Ent-scheidungszentren [. . . ]: Einerseits werden Teile der politischen Kompetenzender suprastaatlichen Ebene zugeordnet, andererseits fallen neue Gestaltungs-und Umsetzungsaufgaben aber auch der subnationalen Ebene zu. (Bahn, Potzund Rudolph, 2003, 7)

Strukturelle Veranderungen in Wirtschaft und Politik, die aus unterschiedlichenBlickrichtungen erkennbar werden, verweisen somit zusammenfassend auf eine Aus-differenzierung des Nationalstaates in kleinraumige Segmente, die fur politischeSteuerung zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Ansatze zur Dezentralisierung staatlicher Steuerung

Die beobachteten strukturellen Veranderungen nationalstaatlicher Steuerungsfahig-keit und die Bedeutungszunahme der kleinraumiger Steuerungseinheiten insgesamtkorrespondieren auf dem Gebiet der Sozialpolitik mit gegenwartigen Bestrebungenveranderter Steuerungsverfahren. Der zentrale Steuerungsmodus des Sozialen uberden nationalen Wohlfahrtsstaat soll zugunsten einer kleinteiligen Selbststeuerungsukzessive abgebaut werden. Belege dafur finden sich in dem gegenwartig dominan-ten Rekurs auf Gemeinwohlproduktion als zivilgesellschaftliche Aufgabe. In diesemZusammenhang steht auch das neue Leitbild des aktivierenden Staates.

Wahrend die mit der Glokalisierung gefassten strukturellen Veranderungen sichbereits mehr oder weniger deutlich durchgesetzt haben, existiert die hier fur denBereich der Sozialpolitik angedeutete Verschiebung in Richtung einer lokalen Selbst-steuerung bisher noch weitgehend auf der Ebene politischer Absichtserklarungen.So finden in der Debatte um die Zukunft des Wohlfahrtsstaats zunehmend Kon-zepte Gehor, die einen moglichen Ausweg aus der sich abzeichnenden Krise in derAktivierung lokaler Selbsthilfepotenziale sehen. Gegenwartig ist ein neoliberalerDiskurs vorherrschend, der die Rucknahme staatlicher Intervention und die Akti-vierung zivilgesellschaftlichen Potentials zur Abmilderung struktureller Krisenpha-

12

Page 15: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

nomene fordert. Der Weg aus der Vollbeschaftigungskrise soll im lokalen”Burgeren-

gagement“ (vgl. Beck, 2000) gesucht werden. Die von Anthony Giddens geforderte,Selbstverantwortung‘ (Giddens, 1998) hat in der neuen Sozialdemokratie politi-sche Weihen bekommen. So geht es in dem vom britischen Premierminister TonyBlair und dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schroder im Jahr 1999 gemeinsamverfassten Richtungspapier viel um das Eigenengagement der Burger.

Wir haben Werte, die den Burgern wichtig sind — wie personliche Leistungund Unternehmergeist, Eigenverantwortung und Gemeinsinn — zu haufigzuruckgestellt hinter Sicherungsstreben. [. . . ] Aber die Verantwortung desEinzelnen in Familie, Nachbarschaft und Gesellschaft kann nicht an den Staatdelegiert werden. (Schroder und Blair, 1999, 890)

Schroder fordert bei seiner”Neubestimmung der Aufgaben von Staat und Gesell-

schaft“ ausdrucklich den Beitrag der Burgerinnen und Burger fur gesellschaftlicheProblemlosung.

Auf die politische Ebene ubertragen, heißt das fur mich [. . . ], den Beitrag desEinzelnen zur Gestaltung seines eigenen und des gesellschaftlichen Lebenseinzufordern. (Schroder, 2000, 203)

Diese Vorstellung, die Gemeinwohlprduktion nicht als staatliche Aufgabe, sondernals Auftrag an eine aktive Burgerschaft zu begreifen, hat insbesondere im angel-sachsischen Raum eine langere Tradition. Womoglich aufgrund einer dort historischausgepragteren Skepsis gegenuber zentraler staatlicher Steuerung, sowie dem ameri-kanischen Grundungsmythos einer selbstregierenden Burgergemeinschaft. (vgl. Et-zioni, 1995; vgl. Putnam, 1995; vgl. Gray, 1996).

Gegenwartig werden Bestrebungen in dieser Richtung zunehmend auch im poli-tischen Diskurs der Bundesrepublik sichtbar (vgl. Munkler und Bluhm, 2001). DieBundesregierung formuliert mit dem im Kabinettsbeschluss vom 01.12.1999 auf-gelegten Programm ,Moderner Staat – moderne Verwaltung‘ in Anknupfung andiesen Diskurs schließlich explizit das Leitbild eines aktivierenden Staates (vgl.BMI, 1999).4 Mit diesem Leitbild wird ein gewandeltes Verstandnis der Aufgabendes Staates propagiert, der zwar an einer umfassenden Verantwortung fur gesell-schaftliche Aufgaben festhalt, jedoch nicht alle Leistungen selbst erbringen muss.Aufgabe des Staates ist es vielmehr, die Gesellschaft einschließlich der Bedienste-ten im offentlichen Dienst zu aktivieren und sie aufzufordern, sich selbst als Pro-blemloser zu engagieren (vgl. Esser, 2002). Klassische Staatsaufgaben sollen aufden sogenannten Dritten Sektor, die Sphare der Zivilgesellschaft, verlagert werden.

4 Konkret soll in 15 Leitprojekten und 23 zusatzlichen Handlungsvorgaben eine Beschrankungauf Kernaufgaben und im Gegenzug die Forderung gesellschaftlicher Aktivitaten angeregt wer-de. Intern soll es zu einer klaren Rollenverteilung zwischen Politik (Aufgabenformulierung) undVerwaltung (Aufgabenumsetzung) kommen, die einzelnen Fachverwaltungen werden eigenver-antwortlich budgetiert (vgl. Brunner-Salten, 2003).

13

Page 16: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

”Die Zivilgesellschaft braucht einen besseren, einen aktiven und einen aktivierenden

Staat.“ (Schroder, 2000, 202)Dietrich Furst beobachtet gegenwartig europaweit einen Formwandel staatlicher

Interventionen vom regulativen zum kooperativen und moderierenden Ansatz. Die-ser Tendenz zur Veranderung staatlicher Einflussnahme in Richtung Aktivierungder Zivilgesellschaft liegt die

”Maßstabsverschiebung des Handelns zugunsten der

dezentralen Selbststeuerung“ (Furst, 2003, 258) zugrunde. Das gegenwartig pro-pagierte Staatsverstandnis eines ,aktivierenden Staates‘ beinhaltet die Aktivierunguber eine Dezentralisierung der Steuerung.

Zusammenfassend lassen sich im gegenwartigen politischen Diskurs und in derZielsetzung konkreter Politikentscheidungen eine Tendenz zum Wandel politischerSteuerungsverfahren beobachten. Insbesondere fur den Bereich der Sozialpolitik solldie ubergreifende zentrale Steuerung durch Aufwertung eines zivilgesellschaftlichenSelbststeuerungsmodus verandert werden.

,Soziale Stadt‘ als zunehmend relevanter Politikbereich

Schließlich bildet die soziale Lage in Teilgebieten der Stadt ein zunehmend wichti-ges Politikfeld. Strukturelle gesellschaftliche Konflikte artikulieren sich in besonde-rem Maße im stadtischen Raum. Die Stadt ist der Ort raumlicher Verdichtung desSozialen.5 Prozesse der Deindustrialisierung einerseits, staatliche und insbesonde-re kommunale Haushaltskrisen andererseits treten in den Stadten deutlich zutage.Zum einen bedeutet der Niedergang der beschaftigungsintensiven Industrien einenFunktionsverlust stadtischer Zentren, die bisher als raumliche und damit kosten-gunstige Konzentration von Arbeitskraften, Verwaltung und Unternehmen fungier-ten. Es lassen sich Suburbanisierungstendenzen und das Phanomen der shrinkingcities beobachten (vgl. Oswalt, 2004).6

Im Gegenzug kommt es aber wie gesehen zu einer Aufwertung neuer regiona-ler Produktions- und Innovationsmilieus. Transnationale Direktinvestitionen undeine internationale Arbeitsteilung differenzieren den nationalstaatlichen Raum inein hierarchisiertes stadtisch-regionales System. Es polarisieren sich Gebiete hoherProsperitat gegenuber aufgegebenen Regionen.7

Diese wirtschaftliche Polarisierung des Raums bis auf die innerstadtische Ebenewird von der soziologische Stadtforschung seit den achtziger Jahren im Bezug auf

5 Vielleicht mag bereits der Begriff Politik mit der darin enthaltenen polis als Indiz fur denhistorischen Zusammenhang Stadt — gesellschaftliche Evolution gelten.

6 So auch der gleichlautende Titel eines Forschungsprojekts, dessen Ergebnisse bis November2004 in einer Ausstellung in Berlin gezeigt werden. Im internationalen Vergleich wird hier dieTendenz der Bevolkerungsruckentwicklung in ehemals wichtigen Industriestadten (Manches-ter/Liverpool, Ivanova, Detroit, Halle/Leipzig) analysiert.

7 Birkholzer prognostiziert, ”dass bei Fortbestand der gegenwartigen technologischen und wirt-schaftlichen Tendenzen etwa 100.000 Orte bzw. Gemeinden in der Europaischen Union alsnicht mehr konkurrenzfahig aufgegeben werden mussten“ (Birkholzer, 2002, 6).

14

Page 17: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

die sozialraumliche Struktur der Stadte beobachtet. Im Fokus steht seitdem diezunehmende sozio-okonomische (bezuglich der quantitativen Hohe der Einkommensowie im Bezug auf die Sicherheit der Einkommenserwartung), raumliche (bezuglichder Qualitat des Wohnumfelds) und sozio-kulturelle (bezuglich der Lebensstile)Spaltung der Stadte (vgl. Haußermann und Siebel, 1987; vgl. Mayer, 1991a; vgl.Fainstein, Gordon und Harloe, 1992).

In der Bundesrepublik kommt es mit dem Ende des sozialen Wohnungsbaus An-fang der neunziger Jahre zu einem Erstarken dieser Segregationsprozesse (vgl. Fran-ke, Lohr und Sander, 2000, 246f). Es lasst sich verstarkt die Herausbildung voninnerstadtischen Gebieten annahernd homogener Bewohnerstruktur im Bezug aufEinkommen oder ethnische Herkunft feststellen. So spricht Kratke vom

”Prozess der

selektiven Konzentration von spezifischen Bevolkerungsgruppen in Teilgebieten derStadt“ (Kratke, 1995, 159). Die aus strukturellen Ursachen resultierenden innerge-sellschaftlichen Konfliktpotenziale kommen in bestimmten Teilen der Stadt massivzum Ausdruck. Kennzeichnend fur diese stadtischen Teilgebiete ist die Summierungsozialer Problemlagen: Sie werden als Orte des Ausschlusses begriffen, in denen Ar-beitslosigkeit, Sozialhilfebedurftigkeit, Krankheit8, Wohnungsnot sowie die Auflo-sung familiarer Bindungen und soziale Vereinzelung kulminieren (vgl. Haußermannund Siebel, 1987; vgl. Kratke, 1995; vgl. Krummacher, Kulbach und Waltz, 2003).Krisenphanomene werden in der baulichen und sozialen Erosion solcher Stadttei-le offenkundig, es bilden sich sogenannte

”uberforderte Nachbarschaften“ (Krings-

Heckemeier und Pfeiffer, 1998).Begreift man die Stadt als eine

”raumliche Manifestation sozialer Verhaltnisse“

(Dangschat, 1994, 339), und folgt man der These Armin Nassehis, der die Stadtals

”Laboratorien der Moderne“ bezeichnet, in denen sich die

”funktional ausdiffe-

renzierten Zentren der Gesellschaft — Okonomie, Politik, Recht, Religion, Bildung,Kunst und Wissenschaft — begegnen und aufeinander bezogen werden“ (Nassehi,2002, 247), so fungiert die Entwicklung in einzelnen Stadtteilen als gesellschaftlichesFruhwarnsystem.

Die Art und Weise der bestmoglichen Steuerung von lokaler Wirtschaft, sozia-ler Wohlfahrt und ortlichem Wohnumfeld wird in diesen Teilen der Stadte folglichzur drangenden Frage. Es besteht die Gefahr, dass sich okomomisch, kulturell undsozial ausgegrenzte Teilgebiete herausbilden, die von der gesamtgesellschaftlichenEntwicklung abgekoppelt sind. Eine Ausgrenzung, die durch die

”raumliche Kon-

zentration von Personen und Haushalten, die in ahnlicher Weise verarmt, diskri-miniert und benachteiligt sind, hervorgerufen, beschleunigt und verstarkt werdenkann“ (Haußermann, 2000, 16). Allerdings ist die Reaktion der kommunalen Steue-

8 Die aktuelle Version des Sozialstrukturatlas fur Berlin misst fur die Bewohner von Stadtteilenmit einer negativen Zuzugsbilanz eine deutlich geringere Lebenserwartung (vgl. Meinlschmidt,2004).

15

Page 18: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

rung auf diese drohende”Unregierbarkeit der Stadte“ (Alisch und Dangschat, 1993,

21) vor eine besondere Herausforderung gestellt.Die wachsenden Anforderungen an kommunale Problemlosung korrespondieren

mit einer Reduzierung der sozialstaatlichen Ausgaben seit Beginn der 1980er Jah-re. Der Handlungsspielraum auf kommunaler Ebene wird bei stagnierendem Wirt-schaftswachstum und steigendem sozialpolitischen Handlungsbedarf insgesamt klei-ner. Die kommunalen Haushalte haben gerade im sozialpolitischen Bereich wachsen-de Aufgaben zu erfullen, ihre finanziellen Handlungsressourcen nehmen jedoch ab.Kommunale Sozialpolitik ist heute gezwungen,

”Wachstum unter den Bedingungen

der Stagnation“ herzustellen (Haußermann und Siebel, 1987).Das Politikfeld der ,sozialen Stadt‘, als die Bereitstellung von Wohlfahrtsleistun-

gen und die Sicherung gesellschaftliche Kohasion auf der lokalen Ebene, wird vordem Hintergrund der zunehmend polarisierten Stadte zusammenfassend also be-sonders akut. Die Krise des Wohlfahrtsstaates artikuliert sich in Teilgebieten derStadt in besonderem Maße.

2.1.2 Programm ,Soziale Stadt‘ als modellhafte Reaktion

Vor diesem Hintergrund kommt der politischen Steuerung auf der Ebene der Stadt– insbesondere im Bereich der Sozialpolitik – eine besondere Relevanz zu. Tat-sachlich wird im drangenden Bereich kommunaler Sozialpolitik gegenwartig ein furdie Bundesrepublik neuartiger Politikansatz unternommen. Es handelt sich um das1999 aufgelegte Bund-Lander-Programm

”Stadtteile mit besonderem Entwicklungs-

bedarf – die Soziale Stadt“. Im Folgenden ist die Entstehung und gegenwartigeGestalt des Programms kurz zu skizzieren.

Skizzierung des Bund-Lander-Programms ,Soziale Stadt‘

Bisher bestanden Maßnahmen der Stadtentwicklung vornehmlich in Investitionenzur Aufwertung der baulich-physischen Substanz eines Gebietes. Sozialpolitik aufder anderen Seite verfolgte den Ansatz, individuelle Notlagen durch ein Versiche-rungssystem temporar zu vermeiden. Zunehmend beginnt sich Mitte der 1990erJahre eine veranderte Sichtweise durchzusetzen, verstarkt integrierte Problemlo-sungsstrategien zu entwickeln und zu fordern, die nicht nur investive Projektfi-nanzierungen ermoglichen, sondern vor allem Selbsthilfe und Eigeninitiativen derBetroffenen und damit wesentliche Entwicklungspotentiale vor Ort anregen und un-terstutzen sollen (vgl. Franke, Lohr und Sander, 2000). Erste Pilotprojekte dieserAusrichtung entstanden als kommunale Initiativen sowie in einzelnen Bundeslan-dern. So bestand seit 1993 in Nordrhein-Westfalen ein Landesprogramm

”Stadtteile

mit besonderem Entwicklungsbedarf“, in Hamburg gab es seit 1994 ein sogenanntes

”Pilotprojekt zur Armutsbekampfung“. Diese Erfahrungen fuhrten zunachst zu ei-

nem Aktionsprogramm auf Ministerebene, welches als Gemeinschaftsinitiative”So-

16

Page 19: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

ziale Stadt“ bei der ARGEBAU-Konferenz9 am 9.11.1996 beschlossen wurde. Mitder Aufnahme dieser Initiative in die Koalitionsvereinbarungen der rot-grunen Bun-desregierung 1998 wurde erstmals versucht, die verschiedenen daraus entstandenensozialraumlichen Ansatze zu einem nationalen Politikprogramm zu bundeln. ImJahr 1999 wurde dann schließlich das Bund-Lander-Programm

”Stadtteile mit be-

sonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ aufgelegt. Konkret wurde dieBereitstellung von Fordermitteln vereinbart, ein Leitfaden zur Verwendung dieserFordermittel beschlossen, und eine zentrale wissenschaftliche Programmbegleitungdurch das DIfU eingerichtet.10

Inhaltlich regt das Programm Veranderungen in den Dimensionen von Struktur,Prozess und Ziel der traditionellen Stadtentwicklung an. Im Hinblick auf die Struk-tur sollen verschiedene stadtentwicklungspolitisch relevante Politikfelder zu einemintegrativen Ansatz verknupft werden. Zudem bundelt der Ansatz sowohl investiveals auch nicht-investive Maßnahmen. Neuartig im Bezug auf die Prozessdimensionist der ausdruckliche Versuch, nicht-staatliche Akteure — Burger, Wirtschaft, Ver-bande —, in die Programmentwicklung- und Umsetzung einzubeziehen. Schließlichdefiniert das Bund-Lander-Programm das Ziel von sozialer Fursorge nicht mehr alsAbfederung individueller Problemlagen, sondern richtet den Fokus auf das Gebietals Sozialraum.

Als Maßnahmen zur Umsetzung dieses veranderten Poltikansatzes werden in demLeitfaden insbesondere die Einrichtung eines Quartiersmanagements (professionelleGebietsentwickler mit einem vor-Ort-Buro), die Einrichtung von institutionellen Be-teiligungsverfahren fur die Bewohner, sowie die Installierung ressortubergreifenderSteuerungsrunden auf Seiten der Verwaltung angeregt (vgl. ARGEBAU, 2000). DieGebiete, in denen in dieser veranderten Weise interveniert werden soll, sind insbe-sondere

”hochverdichtete, einwohnerstarke Stadtteile in stadtischen Raumen, die im

Hinblick auf ihre Sozialstruktur, den baulichen Bestand, das Arbeitsplatzangebot,das Ausbildungsniveau, die Ausstattung mit sozialer und stadtteilkultureller Infra-struktur, sowie die Qualitat der Wohnungen, des Wohnumfeldes und der Umwelterhebliche Defizite aufweisen“ (ARGEBAU, 2000, 2). Diese Gebiete sollen soweitmoglich aufgrund kleinraumiger statistischer Daten und begleitenden qualitativenErhebungen identifiziert werden.

Nach dem Start Ende 1999 beteiligten sich in einem ersten Durchgang alle 16Bundeslander mit insgesamt 161 Stadtquartieren in 123 Stadten an dem Programm.Gegenwartig gibt es 300

”Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“ in 214

Stadten und Gemeinden. Annahernd 2 Millionen Menschen sind somit Zielgruppedes Programms. (vgl. DIfU, 2003, 9) Vom Bund werden jahrlich 50 Millionen Euro

9 Konferenz der fur das Bau-, Wohnungs-und Siedlungswesen zustandigen Minister und Senato-ren der Lander.

10 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Programms: Dohne und Walter (1999), fur den Leitfadenzur Programmgestaltung siehe: DIfU (2000), fur den Endbericht zur Programmbegleitungsiehe: DIfU (2003).

17

Page 20: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

bereitgestellt, Lander und Gemeinden geben jeweils denselben Betrag dazu. SeitProgrammbeginn 1999 bis Ende 2002 sind zusammengefasst aus den drei Finanzie-rungsquellen und zusatzlichen Zuschussen der EU insgesamt rund 770 Mio. Euroin die Programmgebiete geflossen (vgl. DIfU, 2003, 149).

Formal stellt sich das Programm ,Soziale Stadt‘ als eine Verwaltungsvereinbarungim Rahmen des Artikel 104a Abs. 4 GG dar. Hier wird dem Bund der Eingriff in diegrundsatzliche Finanzhoheit der Lander zur Sicherstellung des gesamtwirtschaftli-chen Gleichgewichts erlaubt. Aus dieser formalrechtlichen Konstruktion ergibt sich,daß die Programmgrundlage als Leitfaden formuliert ist, die Ausgestaltung aberSache der Lander bleibt. Eine bundesweit einheitlichen Regelung stehen das grund-gesetzlich vorgegebene Prinzip der Kompetenverteilung nach Ressorts (Art. 65 GG)sowie die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Landern (Art. 83ff GG) entgegen(vgl. DIfU, 2003, 151f). Fur die Untersuchung der Technologien des Regierens, diemit dem Politikansatz verbunden sind, ist die Wahrnehmung der konkreten Praxisnotig, die aus den programmatischen Leitlinien folgt. Im Folgenden wird das Bund-Lander-Programm daher in seiner Umsetzung im Land Berlin untersucht, bedingtdurch die wohnortsbedingte Erleichterung der Datenerhebung.

In Berlin kam es, gestutzt auf eine konkrete sozialraumliche Untersuchung derzunehmenden Segregationstendenz (vgl. Haußermann und Kapphan, 1998) bereitsvor der bundesweiten Verwaltungsvereinbarungen zu Ansatzen einer verandertenStadtteilentwicklung. Im Marz 1999 erfolgte ein Senatsbeschluss zur Einrichtungeines Quartiersmanagement in 15 Gebieten der Stadt. Diese Gebiete wurden Ende1999 in das Bund-Lander-Programm aufgenommen, im Herbst 2001 verlangerte derSenat die Fortsetzung des Programms in Berlin fur weitere zwei Jahre und nahmzwei zusatzliche Gebiete in die Maßnahme auf. In jedem der Gebiete wird ein pri-vater Trager mit der Aufgabe der Gebietsentwicklung beauftragt. Dabei wird einvor-Ort-Buro eingerichtet, in dem ein Team von Quartiersmanagern ansassig ist, dasdurch direkte Kommunikation mit den Bewohnern mit der spezifischen Problema-tik des jeweiligen Gebietes vertraut wird. Die Quartiersmanager entwickeln selbst,oder geben den Anstoß, fur zielgerichtete investive und nicht-investive Projekte derWohnumfeldverbesserung und zur Forderung der nachbarschaftlichen Integrationin dem Gebiet.

Es wurde eine ressortubergreifende Steuerungsrunde auf der Ebene des Senats in-stitutionalisiert, die jahrlich Handlungsplane fur die Gebietsentwicklung formuliert,die als Grundlage fur die Arbeit der Quartiersmanager und zur Forcierung koordi-nierter Maßnahmen der unterschiedlichen Fachverwaltungen dient. In den einzelnenBezirksverwaltungen ist zudem ein Gebietsbeauftragter bestimmt worden, der furdie Koordination der Maßnahmen der Gebiete des jeweiligen Bezirk verantwortlichist.

Speziell in Berlin wurde im Rahmen des Bund-Lander-Programms zudem einInstrument zur institutionellen Bewohnerbeteiligung an der Stadtentwicklung ein-gefuhrt. Jedem Gebiet wurde ein sogenannter Quartiersfond in Hohe von 500.000

18

Page 21: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

Euro zugewiesen, uber dessen Vergabe eine per Zufallsprinzip zusammengesetzteBewohnerjury mitzuentscheiden hatte.

Relevanz des Programms als Untersuchungsgegenstand

Der auf der Ebene der Stadtteilentwicklung angestoßene veranderte Politikansatzin dem Bund-Lander-Programm ,Soziale Stadt‘ bietet sich in besonderer Weise alsmodellhaft fur die Frage nach Veranderungen des Regierens in der gegenwartigenSituation politischer und wirtschaftlicher Transformationen an.

Zum einen verlagert das Programm die Steuerungsaufgabe sozialer Stadtentwick-lung subsidiar auf die Ebene lokaler Gebiete und folgt damit der allgmeinen Tendenzeiner beobachteten Aufwertung des substaatlichen Handlungsrahmens fur politischeSteuerung.

Zum zweiten konkretisiert sich in dem Programm der vorherrschende Diskurs,dessen Kennzeichen der Ruckzug des Staates und die Aktivierung burgerschaftli-chen Engagements sind. Sozialpolitische Losungsperspektiven werden hier in ei-ner in diesem Sinn veranderten Steuerungsweise gesucht. In diesem neuen An-satz sozialer Stadtentwicklung

”verbinden sich sowohl Vorstellungen eines verander-

ten Selbstverstandnisses staatlicher Aufgabenwahrnehmung in Sozial-, Kommunal-,Stadtentwicklungs-, und Stadterneuerungspolitik als auch die Aufforderung an allebeteiligten Akteure und Betroffenen, Lernbereitschaft und ein neues Denken furveranderte Handlungs- und Verhaltensmuster zu entwickeln“ (Franke, Lohr undSander, 2000, 256).

Zum dritten tritt insbesondere auf der Ebene des kommunalen Sozialstaats dieProblematik wachsenden Handlungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender offentlicherHandlungsressourcen deutlich zutage. Eine in diesem Bereich versuchte Problem-losung hat somit in gewisser Weise exemplarischen Charakter fur Tendenzen derzukunftigen politischen Steuerung im Bereich der Sozialpolitik.11

Der auch international erkennbare Trend in ahnliche Richtung, sowie die hoheAufmerksamkeit, die diesem Politikansatz zukommt, sind schließlich weitere Hin-weise auf die Relevanz des Programms als Modell fur nachfolgende, umfassende-re Veranderungen. Der verfolgte Politikansatz steht im Kontext international be-reits fruher eingerichteter sozialraumlich orientierter, integrativer und aktivieren-der Ansatze der sozialen Gebietsentwicklung.12 So werden seit 1989 in Frankreichin sogenannten

”contrats de villes“ integrierte Handlungsplane fur einzelne Stad-

te festgelegt (Alisch, 2002, 66ff), in Großbritannien wird seit 1991 mit dem ,City

11 Vgl. hierzu den Endbericht des DIfU: ”Bundeskanzler Gerhard Schroder [sieht] Stadte undQuartiere als ,Laboratorien fur neue Formen der sozialen Integration‘ [. . . ] Klaus Selle cha-rakterisierte die Gebiete der Sozialen Stadt als ,Testfelder fur eine Stadtpolitik der Zukunft‘.“(DIfU, 2003, 73)

12 Fur eine Ubersicht uber Ansatze in Großbritannien, Frankreich und in den Niederlanden, sieheden Sammelband von Froessler et al. (1994)

19

Page 22: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

Challenge-Programm‘ versucht, privates Engagement mit sozialer Zielsetzung zuaktivieren (ebd.). Auch von der Europaischen Union wurde im Sinne

”Innovativer

Maßnahmen zur regionalen Entwicklung“ 1994 die Gemeinschaftsinitiative URBANgestartet. Ziel ist die Entwicklung benachteiligter stadtischer Gebiete unter beson-derer Berucksichtigung der Einbindung von Burgern und lokalen Akteuren (ebd.)

Zudem steht das Programm in der Bundesrepublik in besonderem Maße im Fokuswissenschaftlicher Beobachtung. Von der Bundesregierung wurde das DIFU mit derProgrammbegleitung beauftragt, die einzelnen Lander haben eigene Evaluationenin Auftrag gegeben. Aus der Perspektive geographischer Stadtforschung kam eszu einer Reihe von Untersuchungen. Es lasst sich ein gesteigertes Interesse an derUmsetzung und den Ergebnissen dieses neuen Ansatzes feststellen. Das Programmfungiert als Testballon angeschlossen an vielfaltige Messstationen.

Das Bund-Lander-Programm bietet sich zusammenfassend als exemplarisch furdie Untersuchung einer veranderten Regierungsweise an. Zum einen ist die von demProgramm angeregte kleinraumig strukturierte, auf dezentrale Steuerungsformenrekurrierende Intervention in den Bereich sozialer Stadtentwicklung vor dem Hin-tergrund allgemeiner gesellschaftlicher Tendenzen besonders relevant. Zum anderenmarkiert das Programm die vielbeachtete und international vorgangige Neukonzep-tion eines sozialpolitischen Instruments. Das Programm steht von daher im Fokusumfassender Evaluation und verfolgt nach Einschatzung des Deutschen Instituts furUrbanistik einen Politikansatz,

”der in seiner prozeduralen Bedeutung weit uber den

materiellen Gegenstandsbereich der Stadtteilentwicklung hinausweist“ (DIfU, 2003,18).

2.2 Wahl des Analyseinstruments:Gouvernementalitat

Mit dem Bund-Lander-Programm ,Soziale Stadt‘ als – fur die Bundesrepublik neu-artiger – Herangehensweise an die soziale Stadtentwicklung ist somit ein uberschau-barer und relevanter Untersuchungsgegenstand fur die hier verfolgte Fragestellungausgemacht worden.

Die zweite Voruberlegung betrifft nun das begriffliche Untersuchungsinstrument.Die drei einleitend genannten Indizien – die Krise des fordistischen Wohlfahrts-staates, die vordergrundige neoliberale Verminderung von Staatstatigkeit, der ge-sellschaftliche Diskurs um individuelle Selbstverantwortung – lassen vermuten, daßgegenwartige Technologien des Regierens auch jenseits der traditionellen Institutio-nen des Staates aufzufinden sind. Ein Verstandnis der komplexen Regierungsweise ingegenwartiger Gesellschaft

”umfasst jene Organisationen, Akteure, Verfahren und

Diskurse, die gesellschaftliche Ordnung institutionalisieren und legitimieren, alsohegemonial werden lassen“ citep[153]Sauer2003, so resumiert Barbara Sauer bei ih-

20

Page 23: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

rer Formulierung einer gegenwartig adaquaten Staatstheorie. Demnach ist fur dieAnalyse gegenwartiger Formen des Regierens notwendig, einen analytischen Begriffzu wahlen, der diese vielfaltigen Prozesse von Fuhrung der Individuen, wahrzuneh-men vermag.

Aus unterschiedlicher theoretischer Richtung besteht weitgehend Konsens, dasseine im Zuge der Globalisierung sich herausbildende ,veranderte Staatlichkeit‘ (Jes-sop, 1994, vgl.), eine ,neue Architektur des Staates‘ (Grande, 1993, vgl.), schwer miteinem eng gefassten Regierungsbegriff analysiert werden kann. Die Anatomie desPolitischen deckt sich wie auch oben gesehen immer weniger mit den staatlichen In-stitutionen allein. Beispielsweise erhalten – insbesondere auf der Ebene transnatio-naler Politikentscheidung – Nichtregierungsorganisationen zunehmend Bedeutung(vgl. Brand und Demirovic, 2001), auf lokaler Ebene nehmen die Kooperationen vonprivater Wirtschaft und staatlicher Verwaltung zu (Haußermann, 1991). Es scheintdaher sinnvoll, solche Akteure und Verfahren in die Analyse des Vorgangs gesell-schaftlicher Regulierung mit einzubeziehen.

”Politische Macht wird heute uber eine

Vielzahl von Tatigkeiten und Techniken ausgeubt, von denen einige nur lose mitden Beamten und Burokraten der formalen Staatsorgane verbunden sind.“ (Millerund Rose, 1994, 55)

Michel Foucault konzipiert mit dem Begriff der Gouvernementalitat einen An-satz, der einerseits ein umfassendes Verstandnis von Phanomenen des Regierensermoglicht, andererseits die theoretische Generalisierung vermeidet. Mit diesem spe-zifischen Zugang kann die Frage nach veranderten Technologien des Regierens inder gegenwartigen, von unterschiedlichen Veranderungen gekennzeichneten, Situa-tion womoglich prazise analysiert werden. Fur die Entscheidung, den Begriff derGouvernementalitat als analytisches Instrument zu verwenden, ist das Konzept zu-nachst naher darzustellen.

2.2.1 Der Begriff der ,Gouvernementalitat‘ bei Michel Foucault

Foucault fuhrt den Begriff der ,Gouvernementalitat‘ in den Vorlesungen zur”Ge-

nealogie des modernen Staates“ am College de France ein.13 Er gibt seinen Arbeitendamit in doppelter Hinsicht eine neue

”Forschungsrichtung“ (vgl. Lemke, Krasmann

und Brockling, 2000, 8f). Zum einen verschiebt er die Analytik der Macht zu einerAnalytik der Regierungsweise und ruckt damit den Bereich des Politischen ins Zen-

13 Zwischen 1970 und 1984 halt Foucault 13 Vorlesungen am College de France. Das Konzept derGouvernementalitat findet dabei in den Vorlesungsreihen ”Securite, territoire et population“sowie ”Naissance de la biopolitique“ der Studienjahre 1977/78 und 1978/79 Erwahnung. EineZusammenfassung ist in deutsch unter dem Titel ”Die Gouvernementalitat“ erschienen (vgl.Foucault, 2000a). Die Tonbandmittschnitte der Vorlesungen wurden von Thomas Lemke erst-mals fur ein deutschsprachiges Publikum zusammengefasst (vgl. Lemke, 1997). Abdrucke derVorlesungen finden sich in den gesammelten Schriften ”Dits et ecrits“, der betreffende dritteBand ist kurzlich erschienen (vgl. Foucault, 2003).

21

Page 24: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

trum der Untersuchungen. Zum anderen versucht er, die Aspekte seiner bisherigenMachtanlyse in einem Begriff aufeinander zu beziehen.

Mit dem Konzept der Gouvernementalitat beginnt Foucault das Augenmerk sei-ner Machtanalyse starker auf den Bereich des Politischen im engeren Sinne zu rich-ten. Es geht ihm nun darum, den

”große[n] historische[n] Prozess der Regierbarma-

chung der Gesellschaft“ (Foucault, 1994, 16f) nachzuzeichnen. Foucault ermitteltdabei einen historischen Bruch in der Funktionsbestimmung politischer Machtaus-ubung. War zuvor der Machterhalt des Fursten Ziel und Zweck politischer Macht,so gelangt das in der fruhen Neuzeit einsetzende Nachdenken uber die ,Regierungs-kunst‘ zu einer veranderten Zielbestimmung von Regierung. Gutes Regieren wirdnun ganz allgemein bestimmt als

”das richtige Verfugen uber die Dinge, deren man

sich annimmt, um sie dem angemessenen Zweck zuzufuhren“ (Foucault, 2000a, 50).Die Schriften zur Regierungskunst markieren einen genealogischen Bruch in der Ra-tionalitat politischer Steuerung. Von nun an ist das Ziel von Regierungshandeln dieSteigerung der Krafte der Bevolkerung, bei moglichst effizientem Mitteleinsatz14.

Diese Leitfigur rationeller Fuhrung der Bevolkerung liegt von nun an dem Prozessder Regierbarmachung der Gesellschaft zugrunde. Einerseits differenziert sich da-bei die Steuerung in unterschiedliche Verfahren und Technologien aus. Der Vorgangdes Regierens geschieht an den vielfaltigen Orten, an denen auf das Verhalten derMenschen Einfluss genommen wird. Regierung ist nicht mit staatlicher Steuerunggleichzusetzen, sondern umfasst

”die Gesamtheit der Institutionen und Praktiken,

mittels deren man die Menschen lenkt, von der Verwaltung bis zur Erziehung“ (Fou-cault, 1996, 118). Andererseits werden die vielfaltigen Steuerungsaktivitaten mehrund mehr vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Rationalitat koordiniert. Es gehteine bestandige

”Verstaatlichung“ (Foucault, 2000b, 69) der Praktiken und Hand-

lungsweisen vor sich. Hier wird Foucaults spezifisches Staatsverstandnis deutlich.Fur ihn ist der Staat nicht als Universalie mit einem eigenen Wesen zu begreifen,sondern als ein Effekt unterschiedlicher Praktiken. Insgesamt kommt es aus derPerspektive auf die Regierbarmachung der Gesellschaft allmahlich zur Vorrangstel-lung eines

”Machttypus, den man als ,Regierung‘ bezeichnen kann, gegenuber allen

anderen – Souveranitat, Disziplin“ (Foucault, 2000a, 65).Die Funktionsweise dieses neuen Machttypus der Regierung bestimmt dann die

weitere Forschungsrichtung in Foucaults spaten Arbeiten. Bei seinen bisherigen Un-tersuchungen ging es Foucault zunachst darum, die Verbundenheit von Wissen undMacht aufzuzeigen (vgl. Foucault, 1974). Zum zweiten versuchte er auf die ,Mi-krophysik‘ der Macht hinzuweisen, welche die Individuen in vielfaltigen Kraftever-haltnissen zurichtet wie auch produktiv macht (vgl. Foucault, 1976). Anschließend

14 Ahnlich definiert beispielsweise Hobbes zu dieser Zeit das Wesen einer guten Regierung: Als dieSorge um das allgemeine Wohlergehen der Untertanen. ”Salus populi suprema lex; by whichmust understood, not the mere preservation of their lives, but generally their benefit andgood.“ (Hobbes 1640, zit. nach Bohlender, 2001, 250)

22

Page 25: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

betonte er als einen dritten Machteffekt zudem die Unterworfenheit der Subjektemittels der Aufpragung bestimmter Selbstverhaltnisse (vgl. Foucault, 1983).

Mit dem Begriff der Gouvernementalitat bringt Foucault nun diese zuvor her-ausgearbeiteten Aspekte von Macht – diskursive Wahrheitseffekte, Disziplinierungund Subjektivierung – unter einer analytischen Klammer miteinander in Beziehung(vgl. Lemke, Krasmann und Brockling, 2000). Foucault erkennt bei seiner Fokussie-rung auf das Regierbarmachen der Gesellschaft den historisch zunehmend wirkungs-machtigen Machteffekte ausgehend von neuartigen

”Techniken“ und

”Taktiken“ des

Regierens (vgl. Foucault, 2000a, 66). Diese gouvernementalen Regierungstechnikenfunktionieren nicht vornehmlich durch Gebot und Befehl, Untersagung oder Zwang,sondern in der direkten und indirekten Einwirkung auf den Bereich der moglichenHandlungen der zu Regierenden.

Machtausubung besteht im Fuhren der Fuhrungen und in der Schaffung derWahrscheinlichkeit. [. . . ] Regieren heißt in diesem Sinne, das Feld eventuellenHandelns der anderen zu strukturieren. (Foucault, 1994, 255).

Foucault lenkt das Augenmerk damit auf eine Form der Steuerung, die sich dasMoglichkeitsfeld der Subjekte zum zentralen Gegenstand nimmt. Die Regierungder Individuen, die Strukturierung des Feldes ihrer moglichen Handlungen, vollziehtsich dabei unter Ausnutzung der von Foucault zuvor herausgestellten Aspekte vonMacht: Der Verbundenheit von Wissen und Macht, ihrem Charakter als produktiverVerhaltnismacht und ihrer Wirkung in Bezug auf eine Subjektivierung.

Zum einen konstituiert sich die spezifische Rationalitat, nach der die Moglich-keitsfelder der Individuen beschrankt werden sollen, in der Verbindung von Machtund Wissen. Richtung und Ziele politischer Machtausubung werden seit Ende des16. Jahrhunderts in veranderter Weise problematisiert. Wie angedeutet wird dasgute Regieren von nun an anhand der Struktur von wahrgenommenen Problemen(Dinge, deren man sich anzunehmen hat), erstrebenswerten Zielen (angemessenerZweck) und gangbaren Losungswegen (richtiges Verfugen) bestimmt. Dieses ,politi-sche Wissen‘ artikuliert sich, wie Foucault in seiner Machtanalyse gezeigt hat, nichtgemaß einer externen Wahrheit, sondern ist in seinen Kategorien und Problemati-sierungen eingebunden in den gesellschaftlichen Macht-Wissen-Komplex. Der Typvon Rationalitat, der einer Strukturierung des Moglichkeitsfelds zugrundeliegt, istsomit nicht als objektive Wahrheit zu begreifen, sondern eingeordnet in das Ver-haltnis von Wissen und Macht.

Dieses, als Beschrankung der Moglichkeiten sehr weit gefasste Regieren, funktio-niert nun nicht nur uber den Ausschluss von moglichen Handlungen in Verboten undGesetzen, sondern auch uber die mehr oder weniger dauerhafte Systematisierungder vielfaltigen, unkoordinierten gesellschaftlichen Krafteverhaltnisse.

”Government

refers to the more or less systematized, regulated and reflected modes of power [. . . ]that go beyond the spontaneous exercise of power over others.“ (Lemke, 2002, 53)Der Vorgang des Regierens vollzieht sich sowohl mittels der bereits fixierten und auf

23

Page 26: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

Dauer gestellten Herrschaftsverhaltnisse, als auch mittels der fluiden, strategischenMachtverhaltnisse. Den Effekt des Regierens, die Richtung in der eine Koordinie-rung der Krafteverhaltnisse erfolgt, kommt erst nach Eintritt der Programme undPlane in die komplexen gesellschaftlichen Machtbeziehungen zum Ausdruck. Ubertatsachliche Form und Richtung der Regierung entscheiden also nicht allein dieavisierten Ziele, sondern sie sind Ergebnis einander teils widerstrebender Machtver-haltnisse. Der Aspekt einer unkoordinierten, produktiven Verhaltnismacht spieltfur die Wirkung der so begriffenen Regierung daher eine bedeutsame Rolle.

Wahrend sowohl institutionalisierte Herrschaft als auch spontanes Zusammen-wirken von Krafteverhaltnisse von außen das Feld moglicher Handlungen der In-dividuen beschranken, ist die zentrale Idee des Konzepts der Gouvernementalitat,daß die Beschrankung des Moglichkeitsfeldes zum Teil von den Individuen selbstvorgenommen wird.15 Diese Beschrankung erfolgt damit sowohl als Resultat au-ßerer Machtstrategie als auch uber den Vorgang innerer Selbstanerkennung einerbestimmten Subjektivitat.

”,Fuhrung‘ ist zugleich eine Technik des Anfuhrens an-

derer [. . . ] und die Weise des Selbstverhaltens in einem mehr oder weniger offenenFeld von Moglichkeiten.“ (Foucault, 1994, 255) Zustimmung und Einverstandnisbedeuten in dieser Sichtweise nicht per se die Abwesenheit von Herrschaftseffekten.Sie sind zum Teil auch das Ergebnis einer gelungenen Fuhrung der Selbstfuhrung.Der von Foucault zuvor herausgearbeitete Vorgang der Subjektivierung bildet so-mit einen entscheidenden Aspekt ,gouvernementalen‘ Regierens. Mit dem Begriffder Regierung belegt Foucault schließlich den Vorgang des Zusammenwirkens vonFremd- und Selbstfuhrung.

”The contact point, where the individuals are driven

by others is tied to the way they conduct themselves, is what we call, I think,government.“ (Foucault, 1993, 203)

Foucault geht es insgesamt darum zu zeigen, dass das Moglichkeitsfeld der In-dividuen gegenwartig im Zusammenspiel von Wissensformen, Machttechniken undSubjektivierungsprozessen in doppelter Weise beschrankt wird.

”Foucaults umfassender Begriff von Regierung bezieht sich auf die Kunstder Menschenfuhrung und erfasst das Zusammenspiel von Wissensformen,Machtstrategien und Subjektivierungsmodi.“ (Lemke, 2001a, 25)

Mit dem Konzept der Gouvernementalitat stellt Foucault zusammenfassend dieVerbindung zwischen den beiden Polen seines Forschungsinteresses her. Zum einenuntersucht er den historischen Prozess, in dem sich das Mittel staatlicher Herr-schaft von einer souveranen uber die disziplinare zu dezentralen gouvernementalenMachtformen gewandelt hat. Zum anderen ging es ihm um die Frage des Subjekts.Ihn interessiert jener Aspekt von Macht, gemaß dem die Individuen ihr Handeln

15 Siehe dazur auch O’Malley et al: ”One of the most formative general principles underlyinggovernmentality writings has been [. . . ] the identification of programmes and practices of rulein micro-settings, including those ,within‘ the subject.“ (O’Malley, Weir und Shearing, 1997,501)

24

Page 27: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

durch Selbstfuhrung in einem offenen Feld von Moglichkeiten einschranken. DasKonzept der Gouvernementalitat lenkt den Blick nun auf die Beruhrungspunktedes modernen Staates und des machtunterworfenen Subjekts.

Foucault uses [governmentality] exactly to analyse the connections betweenwhat he called technologies of the self and technologies of domination, theconstitution of the subject and the formation of the state.“ (Lemke, 2002, 50)

Das effiziente Regieren der Bevolkerung geschieht zunehmend unter Einbezug derSelbsttechnologien der Individuen.

Dieser von Foucault im Konzept der Gouvernementalitat entwickelte Begriff derRegierung hat gegenuber alternativen Ansatzen zur Untersuchung des Phanomensder Regierung einige Vorzuge.

Zum einen gelingt es mit einer solchen Perspektive, die Wirkungsweise von Re-gierung auch jenseits der Dichotomie von offentlich und privat zum Gegenstand derAnalyse zu machen. Mit einer Perspektive die sowohl Fremd- als auch Selbstfuhrungzur Regierungsweise zahlt, wird das Private – oder der Bereich der Zivilgesellschaft– durchaus eine Sphare von Regierungstechnik. Eine Sphare, in der bestimmte In-strumente und Verfahren angesiedelt sind, um auf das Verhalten von Menscheneinzuwirken. Die Trennung von Staat und Zivilgesellschaft wird hier, anders alsin einem auf staatliche Institutionen beschrankten Regierungsverstandnis, nicht alsGrenze fur die Untersuchung von Regierung gefasst. Die Grenzziehung markiert ausder Perspektive einer Gouvernementalitat vielmehr den Ubergang direkter Fuhrungzu einer Fuhrung der Selbstfuhrungen der zivilgesellschaftlichen Akteure.

Der [. . . ] Gouvernementalitatsansatz Foucaults bietet fur die Analyse sozial-politischer Transformationsprozesse im 21. Jahrhundert eine analytische Dif-ferenzierung, indem er, anders als liberale Konzeptionen des Staates und derGesellschaft, eben gerade diese Grenzziehung zwischen dem, ,was offentlichist, und was privat ist‘ hinterfragt. Denn die Trennung dieser Spharen kannnun an sich als Instrument und Effekt von Regierungspraktiken analysiertwerden. (Wohl, 2003, 124)

Im Vergleich zu dem Konzept der Governance, wo die Form der Regierung als Ef-fekt eines komplexen Aushandlungsprozesses autonomer Subjekte analysiert wird,offnet der Gouvernementalitatsbegriff zudem den Blick fur die Achse der Subjekti-vierung. Der gouvernementale Regierungsbegriff ermoglicht die Problematisierungder Subjektivitat, und nimmt zur Kenntnis, dass

”Subjektivitat im politischen

Raum entsteht und geformt wird“ (Saar, 2003, 237).Schließlich vermeidet eine solche Perspektive auf die Rationalitat der Regierung

den umfassenden Anspruch ideologiekritischer Ansatze. Die Analyse setzt direktan den konkreten empirischen Praktiken an und versucht nicht, von theoretischabstrahierten Makrostrukturen auf die konkrete Empirie zu deduzieren. Foucault

25

Page 28: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

verweigert sich dem Bemuhen, verdeckte Ursachen von Macht und Herrschaft aufzu-spuren.16 Die Suche nach den verborgenen Tiefenstrukturen, die Macht, Herrschaftund Regierung in dieser Weise festlegen, homogenisiert die bruchhaften und wider-spruchlichen Wirkungsweisen von Regierung voreilig. Es geht nicht um die Fragenach dem ,Warum¿ von Herrschaft, Macht und Regierung, sondern es interessiertdas ,Wie¿ (vgl. Lemke, 2000, 44).17

Die gegenwartigen Technologien des Regierens lassen sich nur bedingt wahrneh-men, beginnt man die Analyse bei den Institutionen des Staates oder den okonomi-schen Strukturen. Gleichwohl mogen die im Staat und der Okonomie verfestigtenHerrschaftsverhaltnisse aber weiterhin Einfluss auf die Richtung der Machtwirkun-gen nehmen. Ausgehend von den großen Formationen Staat und Produktionsweisekonnen aber die spezifischen ,gouvernementalen‘ Formen nicht in den Blick geraten.

This is doubtless what people mean when they reproach me for not presentingan overall theory. But I believe precisely that the forms of totalization offeredby politics are always, in fact, very limited. (Foucault, 1984, 381)

So schließt Foucault keineswegs aus, daß bestimmte Erkenntnisse materialistischeroder funktionalistischer Analysen zutreffend sind. Er pladiert allerdings fur einentheoretisch moglichst unverstellten Zugang zu gegenwartigen Phanomenen:

Dabei geht es nicht darum, die Kategorien als solche in Frage zu stellen,sondern sich einer ungeduldigen Zuschreibung und Erklarung zu enthalten,die eine Funktionslogik erkennen und immer schon wissen will, wo das Zen-trum der Macht sich befindet und wo schließlich eine Befreiung von diesenHerrschaftsverhaltnissen ansetzen musste. (Foucault, 1999, 38f)

Insgesamt bietet das Konzept der Gouvernementalitat eine geeignetes analyti-sches Instrument fur die Frage nach Veranderungen im Bereich des Regierens. Ins-besondere vor dem Hintergrund der skizzierten Transformation des Verhaltnissesvon Staat und Gesellschaft ist der umfassende Regierungsbegriff hilfreich.18 Zudem

16 Vgl. Foucaults ,Staatsphobie‘: ”Jawohl, ich erspare mir eine Theorie des Staates, ich will undmuss mir eine Theorie des Staates ersparen - so wie man sich eine ungenießbare Mahlzeitersparen kann und muss.“ (Foucault, 2000b, 68f)

17 In ahnlicher Weise betont Engin Isin den Vorzug der Gouvernementalitatsstudien in der Vermei-dung genereller theoretischer Vorannahmen bezuglich des Warum des Regierens: ”The valueof studies on governmentality is precisely their refusal to start with general theories or a set ofnon-negotiable substantive theoretical principles. An analytics of government allows bracke-ting out of theoretical questions and focuses on questions of how different agents are assembledwith specific powers, how different domains are constituted as authoritative and powerful, andhow these regimes connect up with broader mentalities of rule.“ (Isin, 2000, 151)

18

”Foucault gilt nicht selten als Denker der Disziplinargesellschaften und ihrer prinzipiellen Tech-nik, der Einschließung [. . . ] aber in Wirklichkeit gehort er zu den ersten, die sagen, dass wirdabei sind, die Disziplinargesellschaften zu verlassen, dass das schon nicht mehr unsere Ge-genwart ist.“ (Deleuze, 1993, 250)

26

Page 29: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

kann das Phanomen des Regierens mit dem Konzept der Gouvernementalitat auseinem Blickwinkel betrachtet werden, der losgelost von der Fokussierung auf denStaat oder auf die materiellen Produktionsverhaltnisse die diversen Machteffektewahrzunehmen vermag.

2.2.2 Anwendung des Konzepts der ,Gouvernementalitat‘

In seiner theoretischen Breite und seiner speziellen Herangehensweise an die The-matik von Regierung stellt sich der Gouvernementalitatsansatz somit als ein geeig-netes Untersuchungsinstrument dar, um den Bereich gegenwartigen Regierens zuanalysieren. Allerdings stellt sich die Frage, wie dieser Ansatz fur konkrete Untersu-chungen anzuwenden ist, insbesondere da das Konzept von Foucault selbst, bedingtdurch seinen fruhen Tod, nicht mehr in eigenen empirischen Studien konkretisiertwurde (vgl. Lemke, 1997, 239). Foucault verwendete den Begriff in Vorlesungenund Interviews zunachst hauptsachlich als Leitfaden zur Analyse der Genealogiedes modernen Staates. Erst in den letzten Jahren kam es mit einem Anschwellender vielfaltigen Bezugnahmen auf das Konzept der Gouvernementalitat zum Ver-such, den Begriff zur Analyse der konkreten Gestalt gegenwartiger Regierungsweisefruchtbar zu machen. Unterschiedliche Teilbereiche moderner Gesellschaften sind soaus der Perspektive einer Gouvernementalitat analysiert worden.19 Im Gegensatzzu den diversen Anwendungsbeispielen hat eine Verstandigung uber Richtlinien fureine Bezugnahme und Probleme bei der Anwendung des abstrakten Konzepts bis-her allerdings kaum stattgefunden (O’Malley, Weir und Shearing, 1997, 514, Fn1; Osborne, 2001, 514, Fn 1). Verbindendes Element der Ansatze bleibt meist alleinihr Bezug auf Foucault.

Zumindest lassen sich aber methodologisch zwei Pole ausmachen. Auf der einenSeite formiert sich vorwiegend im angloamerikanischen Sprachraum, hier haupt-sachlich in Großbritannien, Kanada und Australien, die Richtung der sogenanntenGovernmentality Studies. Dieser noch sehr inhomogene Zusammenhang von Arbei-ten versucht das Konzept der Gouvernementalitat zur Studie der konkreten Formendes Regierens in neoliberalen Gesellschaften zu verwenden. Der Begriff soll eine neueRichtung soziologischer Regierungsstudien vorgeben (Dean, 1999, vgl.; Rose, 1999,vgl.). Konkret gelingt es den Studien dieser Richtung herauszuarbeiten, inwiefernRegieren im Zuge der umfassenden Deregulierung sowie der Verminderung direkterstaatlicher Eingriffe an Effizienz gewinnt (vgl. Miller und Rose, 1994; vgl. Dean,1999; vgl. Dean, 2002).

19 Untersuchungen mit Bezug auf das Konzept der Gouvernementalitat reichen von der Analyseder Versicherungstechnologie moderner Wohlfahrtsstaaten (Donzelot, 1994; Wohl, 2003) uberdie Rolle von Nichregierungsorganisationen in der internationalen Poltik (Bryant, 2002; Mer-lingen, 2003), dem Umgang mit indigener Bevolkerung (Neu und Heincke, 2004; Nuijten,2004), bis hin zu Subjektivierungsprozessen in Arbeitsverhaltnissen (Donzelot, 1991; Brockling,2000; Knights und McCabe, 2003).

27

Page 30: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

Allerdings besteht mit der auf diese Weise unternommenen Anwendung des Be-griffs der Gouvernementalitat die Tendenz zu methodologischen Ungenauigkeiten.Den Governmentality Studies gelingt es zwar, eine Reihe von Merkmalen gegenwar-tigen Regierens herauszuarbeiten. Im Bezug auf den implizit gestellten Ansprucheiner soziologischen Analyse der gegenwartigen Regierungsweise, sind die Unter-suchungen dieser Richtung allerdings problematisch. Der Gewinn aus FoucaultsAnsatz besteht gerade nicht darin, die Gegenwart auf eine bestimmte historischeoder soziologische Konfiguration zu reduzieren. Versuche der Bestimmung einer ko-harenten Regierungsweise widersprechen dem Ansatz Foucaults, der sich einer sol-chen Verallgemeinerung gerade zu enthalten bemuhte. In zwei Punkten werden dieSchranken einer Verwendung des Gouvernementalitatskonzepts als eine ,Soziologiedes Neoliberalismus‘ (vgl. Osborne, 2001) deutlich.

Durch das Ineinssetzen der untersuchten Rationalitat des Regierens mit der sozia-len Tatsache des Regierens kommt es vielfach zu einer Uberbewertung des Aspekts,politischer Rationalitat‘. In dieser Perspektive entsteht das abstrakte Programmquasi aus dem Nichts und wird mittels bestimmter Technologien in die sozialePraxis implementiert. Vor dem impliziten Anspruch einer soziologischen Analysegreift dies zu kurz. Die teils widerstrebenden, gegensatzlichen Akteurskonstellatio-nen und Krafteverhaltnisse, die bei der Formierung der tatsachlichen Gestalt derRegierungsweise eine Rolle spielen, werden nicht berucksichtig.

”This theoretical

silence in governmentality work persists despite abundant evidence that contesta-tions, resistances and social antagonisms shape rule through systematic provisionof alternatives.“ (O’Malley, Weir und Shearing, 1997, 510) Kritiker betonen diehomogenisierende Sicht auf eine ,neoliberale Regierungsmentalitat‘ die diese kon-zeptionelle Anwendung des Begriffs kennzeichnet. Es kommt zur Ausblendung ei-nerseits der ,irrationalen Momente‘ innerhalb einer spezifischen Rationalitat desRegierens.

”Der Blick richtet sich also ausschließlich auf Programme, nicht auf die

Effekte und Friktionen ihrer Implementierung.“ (Brockling, 2000, 135)20 Zudem ver-nachlassigen die Studien dieser Richtung die weiterhin zentrale Rolle des Staatesals wirkungsmachtigen Akteur. Bei der in den Studien dargestellten gouvernemen-talen Regierungsweise wird die Ausweitung direkter staatlicher Machtwirkungenbspw. im Bereich der Ordnungspolitik oder der inneren Sicherheit vielfach uberse-hen (Brockling, 2000; Brunnett und Grafe, 2004).

Der zweite Pol innerhalb der Gouvernementalitats-Literatur begreift das Kon-zept demgegenuber nicht als Handreichung fur eine soziologische Analyse der ge-genwartigen Regierungsweise, sondern beharrt auf der eigentumlichen und geradedadurch erkenntnisleitenden Stellung Foucaults Ansatzes quer zu den ublichen Zu-gangsweisen sozialwissenschaftlicher Forschung.21 Das Konzept dient hier mehr als

20 Kritik in dieser Stoßrichtung findet sich auch bei Thomas Lemke21 Beispielhaft fur diese Richtung: der Nachweis des Empowerment als Technologie des Regie-

rens bei Barbara Cruikshank (1999), oder die gouvernementalen Machteffekte der britischenWohnungsbaupolitik bei Murdoch (2004).

28

Page 31: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

”Ubung in der Geschichte des Denkens“ (Osborne, 2001, 14), mit der die im Prozess

der Regierbarmachung der Gesellschaft auftauchenden Technologien des Regierensausfindig gemacht werden konnen.

Es geht um ein spekulatives Denken uber die Regierung unserer Fahigkeitenund Vermogen und nicht um die Produktion lehrbuchhafter Aussagen uberdas Funktionieren von Gesellschaften im Allgemeinen. (Osborne, 2001, 13)

Bei dieser Anwendung des Gouvernementalitatsbegriffs soll keine gesetzmaßige Ge-neralisierung gegenwartigen Regierungsweise unternommen werden, vielmehr gehtes darum, die jeweiligen Apparaturen des Regierens aufzufinden. Das Konzept derGouvernementalitat bietet in diesem Sinn einen weit gefassten Blickwinkel auf dasArsenal unterschiedlicher Transmissionsriemen gesellschaftlicher Lenkung, die sichaus Denkweisen, Disziplinierungsverfahren und Subjektivierungsweisen zusammen-setzen. Es geht um die Feststellung des Vorhandenseins und der Richtung, wederum die Bemessung des tatsachlichen Effekts der Technologien auf die einzelnen In-dividuen, noch um die tatsachliche Anordnung dieser Technologien zu einer konsis-tenten Regierungsweise. Das Konzept der Gouvernementalitat bildet so verstandeneine Analysemethode mittlerer Reichweite zwischen einerseits empirischer Soziolo-gie und andererseits politischer Philosophie.

”Governmentality studies are an ana-

lytics, not a philosophical theory, nor an empirical sociology of social relations.“(O’Malley, Weir und Shearing, 1997, 504)22

Die Ebene, auf der die Untersuchungen Foucaults angesiedelt sind, betreffen dieSphare, in der sich die Menschen ihr eigenes Sein zu denken geben.23 Mit der Analyseder Gouvernementalitat verschiebt Foucault sein Forschungsinteresse auf das Auf-tauchen technologischer Ereignisse im Gefuge des Regierens. Im Anschluss daran istdie Untersuchung mit dem Konzept der Gouvernementalitat insofern theoretisch,als der Bezugsrahmen im Denken selbst bleibt. Nicht die empirische Tatsache undder tatsachliche Umfang des Regierens wird der Analyse zuganglich, sondern dieProblematisierung der Interventionsmittel, die im Zuge der Regierbarmachung derGesellschaft erfunden werden. Der Ansatz behandelt damit den charakteristischenGegenstand politischer Philosophie, wie Barry Allen ihn bestimmt, namlich die Artund Weise, das Wie des Regierens in Gesellschaft.

”What is political philosophy

about? [. . . ] It is about social government, about the activity of governing and theexperience of being governed.“ (Allen, 1998, 195, Herv. i.O.)

Gleichzeitig vermeidet eine Analyse mit dem Konzept der Gouvernementalitataber den Anspruch einer umfassenden Theorie. Die Analyse setzt an konkreten

22 Vgl. auch Brunnett/Grafe: ”Der Gewinn der Foucaultschen Instrumentarien [. . . ] liegt geradenicht in einer Gegenwartsdiagnose, sondern in einer ,Analytik der Gegenwart‘.“ (Brunnett undGrafe, 2004, 64)

23 So bezeichnete sich Foucault selbst am College de France als Historiker der Denksysteme (vgl.Osborne, 2001, 13).

29

Page 32: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

Phanomenen an, und ist insofern empirisch. Wie Foucault beschreibt, ist das Auf-tauchen bestimmter Technologien des Regierens ausgehend von konkreten empiri-schen Artefakten praziser wahrzunehmen, als vom Ausgangspunkt einer generellenTheorie.

I believe precisely that the forms of totalization offered by politics are always,in fact, very limited. I am attempting, to the contrary, apart from any totali-zation - which would be at once abstract and limiting - to open up problemsthat are as concrete and general as possible, problems that approach politicsfrom behind and cut across societies on the diagonal [. . . ].“ (Foucault, 1984,381)

Der Blick diagonal zur Gesellschaft setzt an konkret empirischen Mikropraktikenan, betrachtet die Kopplung, Systematisierung und Homogenisierung die zwischenihnen vor sich geht. Mit dem Ansatz an konkreten Programmen richtet sich dasForschungsinteresse unvermittelt auf die Technologien des Regierens und ihrer Wir-kung. Es werden nicht bereits im Vorfeld theoretische Funktionserfordernisse ge-setzt, welche die Analyse strukturieren. In diesem Sinne bezeichnet sich Foucaultselbst als Positivist.

If, by substituting the analysis of rarity for the search for totalities, the des-cription of relations of exteriority for the theme of transcendental foundation,the analysis of accumulations for the quest of origin, one is a positivst, thenI am quite happy to be one.“ (Foucault, 1972, 125)

In der folgenden Untersuchung mochte ich mich grundsatzlich dieser zweitenRichtung anschließen, das Konzept der Gouvernementalitat anzuwenden. Es solldie Verwendung als soziologisches Erklarungsmodell vermieden, und die Starke desAnsatzes als Erganzung des vorhandenen Repertoires sozialwissenschaftlicher For-schung betont werden. Das Konzept bietet ein diagnostisches Instrument zur Uber-prufung der Gegenwart, zur Befragung ihrer Gewissheiten und zur Anregung neuerDenkweisen. In diesem Sinn versteht sich die folgende Untersuchung als eine Ana-lytik, nicht als empirische oder philosophische Arbeit. Die Beobachtung soll sichinsoweit auf die Ebene konkreter Empirie erstrecken, nicht als eine soziologischeAnalyse, sondern im Sinne eines fundierten Positivismus, der darauf zielt,

”die Frage

der Macht gewissermaßen in ihrem eigenen Milieu zu stellen, dort, wo sie ausgeubtwird“ (Foucault, 1996, 96). Zu diesem Zweck fokussiert die folgende Untersuchungauf die konkrete Umsetzung des Bund-Lander-Programms ,Soziale Stadt‘ in Berlin.Der Politikansatz des Programms wird vor diesem Hintergrund als Artefakt begrif-fen, an dem veranderte Technologien des Regierens aufgefunden werden konnen.24

24 In diesem Sinne begreift Michael Hardt als die Gegenstande einer von Foucault beeinflusstenUntersuchung neben der Rationalitat des Regierens zum zweiten die Formationen auf derEbene sozialer Praxis: ”If we are to follow Foucault´s method, then, we should ask, first, what

30

Page 33: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

So geht es nicht um die Feststellung, in welchem tatsachlichen Umfang die Bewoh-ner bestimmter Stadtteile regiert werden, vielmehr interessiert welche Apparate mitdiesem Politikansatz bereitgestellt werden, das Feld ihrer moglichen Handlungen zustrukturieren. Die Grenze einer empirischen Studie nach dem Konzept der Gouve-nementalitat macht Marianne Pieper deutlich. ”Programmanalysen zielen nicht aufdie gelebte Erfahrungen materieller Realitaten, nicht auf Interkationen bzw. inter-personales Verhalten.”(Pieper, 2004, 155)

2.2.3 Prazisierung des empirischen Zugangs

Nach den Voruberlegungen zu Untersuchungsgebiet und dem erkenntnisleitendenBegriff von Regierung ist nun zu klaren, wie der empirische Gegenstand prazisegenug wahrgenommen werden kann, um die Frage der Macht, die Frage nach der indem Politikansatz des konkrete Programms ,Soziale Stadt‘ sichtbaren Regierungs-technologien, nachvollziehbar zu beantworten.25

Materialkorpus

Aus der Perspektive einer Gouvernementalitat interessieren dabei nicht die Inter-essen der Akteure, die zur Einfuhrung des Programms gefuhrt haben, und auchnicht in welchem Umfang konkrete stadtebauliche oder sozialraumliche Verande-rungen mit der Maßnahme erreicht werden. Vielmehr richtet sich der Blick vor demHintergrund eines weit gefassten Begriffs von Rgierung darauf, wie die Praktiken,Materialien, Akteure und Techniken des Programms in veranderten Technologiendes Regierens zusammenwirken. Zur Untersuchung des Politikansatzes des Bund-Lander-Programms ,Soziale Stadt‘ mit dem Konzept der Gouvernementalitat istdaher ein Materialkorpus auszuwahlen, der insbesondere die Problematisierungen,die Verfahrensweisen und die angeregten Selbsttechnologien im Kontext des Politi-kansatzes abbildet.

Fur die hier verfolgte Untersuchung interessieren zum einen die Problematisie-rungen, die im Kontext des Programms sichtbar werden. Welche Diagnose wird imKontext des Bund-Lander-Programms gestellt, welche Therapie wird empfohlen?Welche Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Handlungsweisen begleiten das Bund-Lander-Programm? Die Beantwortung dieser Fragen wird durch eine Beobachtung

are the diagrams that define the conditions of possibility in the societies of control? And then,in what kinds of social assemblages will these diagrammatic forces be consolidated, and how?“(Hardt, 2004, 4)

25 Zur Notwendigkeit methodischen Vorgehens auch bei einer interpretativen Untersuchung vgl.Altheide und Johnson: ”As long as we strive to base our claims and interpretations of sociallife on data of any kind, we must have a logic for assessing and communicating the interactiveprocess through which the investigator acquired the research experience and information.“(Altheide und Johnson, 1994, 485)

31

Page 34: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

zweiter Ordnung moglich. Es ist zu untersuchen, wie die Realitat interventionsbe-durftiger Stadtteile im Kontext des Programms beobachtet wird.

Als konkretes Material zur Beantwortung dieser Frage bietet sich zunachst dieoffizielle Beschlussfassung des Programms an. Als erste Quelle ist somit der schrift-lich fixierte

”Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative“ (ARGEBAU,

2000) heranzuziehen, im Zuge dessen das Bund-Lander-Programm regierungsoffi-ziell wurde. Da das Programm ,Soziale Stadt‘ in mehreren Bereichen lokaler Po-litikgestaltung Veranderungen einfuhrt, Entscheidungsstrukturen modifiziert, undein neues Leitbild der Stadtentwicklung propagiert, wurde das Programm zudemvon der Bundesregierung unter besondere Beobachtung gestellt. So wurde das Deut-sche Institut fur Urbanistik (DIfU) vom Bundesministeriums fur Verkehr, Bau- undWohnungswesen bis zum Jahr 2003 mit der Programmbegleitung beauftragt. DasDIfU soll als

”uberregionale Beratungs- Vermittlungs- und Informationsagentur“

(DIfU, 2003, 1) die Umsetzung des Programms begleiten und erleichtern. Nach Endeder Programmbegleitung legte das DIfU einen Endbericht bezuglich der Erfahrun-gen und Perspektiven vor (DIfU, 2003). Dem DIfU wurde somit explizit der Auftrageiner Beobachtung erster Ordnung zugewiesen. In dem vorgelegten Endbericht wirddie Rationalitat des Programms und seine Umsetzung umfassend dargestellt. DerBericht bietet sich daher fur die hier angestrebte Beobachtung zweiter Ordnungan. Eine Analyse der politischen Rationalitat des Bund-Lander-Programms ,Sozia-le Stadt‘ kann in diesem Endbericht, zusatzlich zu dem offiziellen Leitfaden zurProgrammgestaltung, eine fruchtbare Materialgrundlage finden.

Neben der programmatischen Rationalitat ist der Politikansatz zudem als Er-gebnis der Auseinandersetzung mit den beteiligten Akteuren in seinen konkretenVerfahren, den faktischen Maßnahmen wahrzunehmen. Die Gestalt der Regierungs-technologien, die es aufzufinden gilt, wird vollstandig erst nach der vollzogenen Ein-schreibung des Programms in soziale Wirklichkeit erkennbar. So sehen O’Malley etal. den Mangel verschiedener Anwendungen des Konzepts der Gouvernementalitatin der Beschrankung auf die ,ernsthaften Aussagen‘ (serious statements) in denoffiziellen Programmen. Es gilt mit dem Einbezug der Alltagsdiskurse (,everydaystatements‘ ) die Untersuchung von der Logik des Programms auf die empirischeWirklichkeit der Technologien des Regierens zu verlagern.

”A broader range of social institutions and actors needs to be accepted assources, together with increased sensitivity to their existence in the ongoingwork of elaborating and negotiating political rationalities.“ (O’Malley, Weirund Shearing, 1997, 511)

Erst in der Auseinandersetzung von programmatischen Zielen und Widerstandender sozialen Praxis konstituiert sich jenes

”Geflecht von Technologien“ (Krasmann,

2003, 175f), dem das Forschungsinteresse gilt. Die konkrete Umsetzung des Pro-gramms wird zum Teil in dem Endbericht der Evaluation durch das DIfU erkenn-bar. Hier sind die Bruche und Widerstande, Verschiebungen und Erganzungen, die

32

Page 35: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

das Programm bei seiner Umsetzung erfahrt, und die sich in den konkreten empi-rischen Situationen der einzelnen Stadtteile zeigen, allerdings bereits gemaß einerFragestellung aggregiert. Der Endbericht fragt nach der Effizienz des Politikansatzesund nach der gelungenen Zielerreichung und strukturiert die empirischen Ergebnis-se in diesem Sinn. Fur die Wahrnehmung der Wirkungsweise des Politikansatzes imBezug auf eine

”Fuhrung der Fuhrungen“ soll daher die konkrete Umsetzung des

Programms aus einem zusatzlichen Blickwinkel beleuchtet werden, der starker dieSubjekte als Objekte der Regierung beleuchtet.

Zusatzlich zu der schriftlichen Formulierung des Bund-Lander-Programms in demLeitfaden und der Evaluierung durch das DIfU soll daher in der folgenden Unter-suchung die Erfahrungen und Sichtweisen von beteiligten Akteuren berucksichtigtwerden. Dazu wurden eigene Daten in Form einer nicht-experimentellen Primarer-hebung mittels teilstrukturierter Interviews erhoben. Mit diesen Expertengespra-chen lasst sich nachzeichnen, was die Akteure wissen, sehen und verstehen, wiedie programmatische Konzeption in den Alltagspraxen autaucht.26 Die relevantenGesprachspartner wurden gemaß dem pragmatischen Expertenbegriff bei Micha-el Meuser und Ulrike Nagel ausgewahlt. Danach wird als Experte bestimmt

”wer

in irgendeiner Weise Verantwortung tragt fur den Entwurf, die Implementierungoder die Kontrolle einer Problemlosung, oder, wer uber einen privilegierten Zu-gang zu Informationen uber Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfugt“(Meuser und Nagel, 1991, 443). Dieses Kriterium erfullen im Bezug auf den zu un-tersuchenden Politikansatz insbesondere die professionellen Quartiersmanager, diedas zentrale

”Schlusselinstrument“ (DIfU, 2003, 170) des Programms darstellen. Zur

Absicherung dieser Ergebnisse wurde zusatzlich ein Experte auf der Ebene wissen-schaftlichen Begleitung und auf der Ebene der im Kontext des Politikansatz aktivenBurger ausgewahlt. Zur Durchfuhrung der Gesprache wurde im Vorfeld ein Leit-faden erarbeitet. Jedoch wurde in der Gesprachssituation selbst diesem Plan nichtzwingend gefolgt, um offen fur die spezifische Relevanzstruktur des Gegenubers zubleiben.27

Konkret wurden schließlich im Zeitraum vom 05. Juli – 27. Juli 2004 Gesprachemit den professionellen Gebietsentwicklern aus vier der siebzehn Programmgebietein Berlin gefuhrt: Boxhagener Platz, Magdeburger Platz, Wrangelkiez und SoldinerKiez. Zusatzlich fand ein Gesprach auf der Ebene der wissenschaftlichen Begleitung

26 Mit der Aufnahme des Wissens konkreter Akteure wird es moglich, die Technologien auf derMikroebene in den Blick zu nehmen. ”[It makes possible] directing attention to the nexusbetween broad political rationalities and [. . . ] micro-technologies of everyday life.“ (O’Malley,Weir und Shearing, 1997, 502)

27 Meuser/Nagel sehen selbst eine teilstandardisierte Befragung als unzureichend an, außer wennes um die Gewinnung reinen Faktenwissens geht. ”Wenn es aber um handlungsleitende Regelnjenseits von Verordnungen, um ungeschriebene Gesetze des Expertinnenhandelns, um tacitknowing und Relevanzaspekte geht, gibt es zu offenen ExpertInneninterviews keine Alternati-ve.“ (Meuser und Nagel, 1991, 449)

33

Page 36: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

durch das DIfU mit Frau Heidede Becker statt. schließlich wurde Frau Silke Kirchhofals Vorsitzende eines im Zuge des Programms installierten Quartiersbeirats befragt.Die Gesprache wurden aufgezeichnet und transkribiert. Der stichpunktartig Leitfa-den, der den Verlauf der Gesprache strukturieren half, sowie die Transkription derGesprache sind der Arbeit auf einem Datentrager beigefugt.28

Empirische Methode

Der Textkorpus, bestehend aus dem veroffentlichten Leitfaden zur Programmum-setzung, dem Endbericht der Programmbegleitung und den transkribierten Exper-tengesprachen mit konkreten Akteuren in Berlin, bildet so eine Materialgrundlage,die den Politikansatz fur die Analyse mit dem Konzept der Gouvernementalitatgenugend prazise abbildet, aber gleichzeitig vom Umfang bei begrenzten zeitlichenMitteln uberschaubar bleibt.

Wie oben dargestellt, begreife ich die Untersuchung als eine bestimmte Form derAnalyse mittlerer empirischer Reichweite, zwischen einer empirisch-soziologischenErhebung und der Klarung der politisch-theoretischen Implikationen. Der unter-suchte Politikansatz interessiert als Anhaltspunkt fur das Auftauchen technologi-scher Ereignisse im Rahmen der Regierbarmachung der Gesellschaft. Aus dieserPerspektive richtet sich der Blick auf die empirische Umsetzung des Programmsin Berlin. Der Fokus liegt nicht darauf, ob die Problematisierungen und Verfah-ren richtig und die Losungsvorschlage rational sind, sondern welche Rationalitat inder empirischen Einschreibung des Bund-Lander-Programms sichtbar wird.29 DieAnalyse des Textkorpus orientiert sich daher an dem Verfahren der Diskursanalyse.Diese Methode bietet einen textanalytischen Blickwinkel, der nicht auf die tatsachli-che Sinnhaftigkeit und Legitimitat der Aussagen eines Textes gerichtet ist, sondern

28 Anzumerken ist hier, daß das Gutekriterium der Validitat bei der eigenen Erhebung aus for-schungspragmatischen Grunden mit den begrenzten Mitteln einer Diplomarbeit nicht volligzufriedenstellend abgesichert werden kann. Problematisch ist hier zum einen die beschrankteFallzahl der Gesprache. Artefakte konnten zum anderen durch die nicht-zufallige Auswahl derGesprachspartner entstanden sein. Am 30.06. wurde eine Gesprachsanfrage an alle 17 BerlinerQuartiersmanagement-Buros per e-mail gesendet. Auf die ersten vier positiven Ruckmeldun-gen (von insgesamt sieben) hin, wurde jeweils ein Termin verabredet. Im Nachhinein fiel auf,dass insbesondere solche Quartiersmanager eine fruhe Ruckmeldung geschickt hatten, und soeine hohe Gesprachsbereitschaft zeigten, die soeben ihr Studium beendet hatten. So waren alleGesprachspartner um die 30 Jahre alt und der Studienabschluss lag niemals langer als zweiJahre zuruck. Die Ergebnisse sind damit moglicherweise tendenziell fachlich-theoretisch ver-zerrt. Ein Befund, der fur die hier verfolgte Beobachtung 2. Ordnung allerdings eher forderlichscheint, sollte er uberhaupt signifikant sein.

29 Vgl. dazu Foucault: ”The main problem when people try to rationalize something is not toinvestigate wether or not they confirm to principles of rationality, but to discover which kindof rationality they are using.“ (Foucault, 1988b, 59)

34

Page 37: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

2 Ansatz: Analyse veranderten Regierens

auf die von gesellschaftlichen Krafteverhaltnissen gepragte Kontur des Sagbarenfokussiert, die in der Struktur der Aussagen zum Vorschein kommt.30

Allerdings kann hier die genealogische Herleitung der Sinnkomplexe nicht erfol-gen, die Analyse bleibt weitgehend beschrankt auf die Primarquellen und entsprichtsomit im Grundsatz einer qualitativen Textanalyse. Die Textanalyse folgt weitge-hend dem von Philipp Mayring vorgeschlagenen Dreischritt der Interpretation, derZusammenfassung und der Strukturierung (vgl. Mayring, 2000, 53ff). Die Text-grundlage wird in die einzelnen Sinnabschnitte zerlegt, es werden theoriegeleitetund in Reflexion auf das Material Kategorien gebildet, die einzelnen Aussagen wer-den in diesem Kategoriensystem geordnet. Die so gebundelten Aussagenkomplexebilden schließlich die empirischen Belege fur Aussagen bezuglich der in dem Politi-kansatz sichtbaren Technologien des Regierens.

Insgesamt ist die Textanalyse des in den Experteninterviews gewonnenen Materi-als und der ausgesuchten Veroffentlichungen ein geeignetes methodisches Verfahren,um den Politikansatz in seiner Rationalitat, den empirischen Technologien und derEinwirkung auf die Subjekte, nachvollziehbar wahrzunehmen.

30 Zur Methode der Diskursanalyse siehe unter anderem: van Dijk (1997); Seier et al. (1999);Kerchner (2002).

35

Page 38: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,SozialeStadt‘

Mit dem Bund-Lander-Programm ,Soziale Stadt‘ ist ein exemplarisches Modell ge-funden, an dem sich veranderte Formen des Regierens aufzeigen lassen. Mit demBegriff der Gouvernementalitat steht ein erkenntnisleitendes Analyseinstrument zurVerfugung. Das Untersuchungsmaterial macht die Analyse auf der Ebene sozia-ler Praxis in Berlin moglich. Konkret gilt es im Folgenden, den Politikansatz desBund-Lander-Programms, wie er sich in Berlin darstellt, mit dem von Foucaultbereitgestellten Instrumentarium auf Formationen der Fuhrung von Individuen zuprufen. Die Analyse fragt somit nach den Uberzeugungen und Vorstellungen, nachden Verfahren und Techniken mit denen das

”richtige Verfugen uber die Dinge“ im

Kontext des Programms ,Soziale Stadt‘ zu gewahrleisten versucht wird. Der”große

historische Prozess der Regierbarmachung der Gesellschaft“ (Foucault, 1994, 16f)besteht nach Foucault, wie gesehen, in der zunehmenden Verwendung indirekter,,gouvernementaler‘ Machtformen, um dieses richtige Verfugen zu gewahrleisten.Regieren soll sich immer starker nicht mehr vornehmlich durch repressive Maßnah-men oder gesetzliche Richtlinien, sondern uber eine Strukturierung des Feldes derHandlungsmoglichkeiten vollziehen.1 Im Anschluss an Lemke et al. besteht die cha-rakteristische Wirkung der Regierungstechnologien, die mit der Analyse sichtbargemacht werden konnen, in der Herstellung von Moglichkeitsfeldern.

Zeitgenossische Machtpraktiken operieren im Wesentlichen durch mittelbareFormen der Anleitung und Fuhrung. Sie wirken weniger auf die Menschenund ihr Verhalten selbst ein als auf die Situationen und Kontexte, in de-nen Menschen handeln. Zwar konnen sie auch unterdrucken, zwingen, ver-bieten und verhindern, doch die Steuerungsmechanismen eroffnen vor allem»Moglichkeitsfelder«. (Lemke, Krasmann und Brockling, 2004, 1)

Aus der Perspektive der Gouvernementalitat werden zudem bestimmte Mittel er-kennbar, in deren Zusammenwirken der Bereich moglicher Handlungen strukturiertwird: Denkweisen, Disziplinierungsverfahren, Selbsttechnologien. Es gilt von da-her zu untersuchen, welche so konstituierte Formationen in dem Politikansatz des

1

”Die der Macht eigene Verhaltnisweise ware somit weder auf Seiten der Gewalt und des Kamp-fes, noch auf Seiten des des Vertrages und der Willensbande (die allenfalls ihre Instrumentesein konnen) zu suchen, vielmehr auf Seiten dieser einzigartigen, weder kriegerischen nochjuridischen Weise des Handelns: des Gouvernement.“ (Foucault, 1994, 255)

36

Page 39: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Programms ,Soziale Stadt‘ zum Vorschein kommen, die dazu dienen, ,Moglichkeits-felder‘ der Individuen zu strukturieren.

Das von Foucault bereitgestellte Analysekonzept setzt zusammenfassend in drei-facher Weise erkenntnisleitende Orientierungspunkte fur die Analyse von Regierung.Zum einen wird eine grundsatzliche Entwicklungstendenz angedeutet: der Prozesseiner bestandigen ,Gouvernementalisierung‘. Zum zweiten wird der Blick auf diespezifische Wirkungsweise gerichtet: als die Beschrankung des Feldes moglicherHandlungen. Drittens werden machttheoretische Bestandteile differenziert: Tech-nologien der Regierung2 formieren sich als systematisierte Anordnung von Denk-weisen, Fremd- und Selbstfuhrungstechniken.

Im Folgenden wird die Untersuchung des konkreten Politikansatzes anhand derim dritten Punkt aufgefacherten Bestandteile strukturiert. Der Fokus liegt im Fol-genden auf jeweils einem der drei analytischen Bestandteile gouvernementaler Re-gierungstechnologien. Vor dem Hintergrund der angedeuteten Entwicklungstendenzund im Hinblick auf Implikationen fur eine Beschrankung des Feldes moglicherHandlungen, richtet sich die Untersuchung nacheinander auf die Struktur der Pro-blematisierungen, die Steuerungsverfahren und den Aspekt der Subjektivierung,wie sie im Kontext des Politikansatzes sichtbar werden.

Die Ergebnisse werden durch Zitate aus dem Textkorpus belegt. Wahrend dieVeroffentlichungen dabei regular zitiert werden, ist ein zitierter Abschnitt aus denInterviews mit einem Kurzel versehen, das auf die Stelle in dem auf dem Datentragerbeigefugten Transkript verweist.

3.1 Rationalitat veranderter Stadtentwicklung

Zunachst richtet sich der Blick also auf die im Kontext des Programms sichtba-re Problematisierung politischer Steuerung. Bei der Betrachtung der Rationalitatdes Bund-Lander-Programms ,Soziale Stadt‘ – wie sie aus den Veroffentlichungenund Interviews abgelesen werden kann – zeichnet sich dabei eine augenfallige Ver-schiebung ab, was das Steuerungsobjekt und den Modus der Steuerung betrifft.Das

”epistemische Feld des Regierens“ (Krasmann, 2003, 79) der Stadtteile wird im

Zuge des Bund-Lander-Programms neu strukturiert.Zum einen wird im Zuge des Programms ein neuartiger Bereich der Steuerung

problematisiert. Gemaß der zugrundeliegenden Rationalitat bildet weder die Gesell-

2 Dieser Aspekt des theoretischen Apparats der Gouvernementalitat laßt sich schwer auf einenBegriff bringen. In der Literatur changieren daher die Bezeichnungsweisen. So spricht Fou-cault selbst von ”Techniken“, ”Taktiken“ und ”Instrumenten“ (vgl. Foucault, 2000a)), im An-schluss an Foucault finden sich zudem die Begriffe ”Praktiken“ (vlg. Schwarz, 1994; vlg. Dean,1999; vlg. Marinetto, 2003), ”assemblages“ (Hardt, 2004, 4) ”Tyologien“ (Wohl, 2003, 140) und

”Technologien“ (Osborne, 2001, vgl.; Wohl, 2003, vgl.; Krasmann, 2003, vgl.). Hier verwendeich Technologie und Apparate um die Aspekte der Genese und komplexen Formierung zumAusdruck zu bringen.

37

Page 40: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

schaft als Ganzes, noch das einzelne Individuum den Gegenstand steuernder Ein-griffe. Politische Steuerung soll sich nun konzentrieren auf kleinteilige, teils kunstlichgeschaffene ,Communities‘.3 Die Bewohner sind als Bestandteile einer spezifischenproblematischen Teilgesellschaft wahrzunehmen. Das zu regierende ,Soziale‘ wirdaus der Sichtweise des Programms ,Soziale Stadt‘ als Addition lokaler Communi-ties mit besonderem Steuerungsbedarf begriffen.

Zum anderen liegt dem Bund-Lander-Programm eine veranderte Problematisie-rung des Ziels der Maßnahmen zugrunde. Der Fokus der veranderten Stadtentwick-lungspolitik richtet sich nicht mehr auf die strukturellen Defizite in den Stadtteilen,sondern ist bemuht, Prozesse der Selbststeuerung anzuregen.

3.1.1 Fokussierung auf defizitare ,Communities‘

Im Kontext des Programms ,Soziale Stadt‘ vollzieht sich die Problematisierungeines neuen Interventionsbereichs der lokalen ,Community‘ in zwei Teilschritten.Einerseits werden stadtische Problemlagen als Effekt zivilgesellschaftlich defizitarerNachbarschaften konzeptualisiert. Zum anderen wird ein ein Verfahren bestimmt,diese lokalen Problemgebiete aus dem Korper der Stadt herauszupraparieren. Durchdie dem Bund-Lander-Programm zugrundeliegende Rationalitat wird die Wirkungdes Wohnumfeldes als eine Bestimmungsgroße individueller Lebenswelt ins Zentrumgestellt. Der Charakter eines Gebietes wird als entscheidender Einflußfaktor auf diesoziale Situation des Einzelnen wahrgenommen und damit zum Objekt politischerSteuerung. Grundlage des Politikansatzes ist die veranderte Betrachtungsweise ei-nes Stadtteils nicht mehr als rein architektonisch-stadtebauliches Gebiet, sondernals ein soziales Quartier mit entscheidendem Einfluss auf die individuelle Lebens-wirklichkeit. Bisher traten einzelne Stadtteile fur gebietsbezogene Maßnahmen vor-nehmlich als stadtebauliche Gebietskulisse in Erscheinung. Sichtbare Probleme wa-ren Wohnungsleerstand, Verwahrlosung und der Verfall der baulichen Substanz. Dieadaquate Losungsstrategie war die bauliche Aufwertung durch investive Maßnah-men. Stadtteile erscheinen hier als

”Container“, Aufgabe der Stadtentwicklung war

die Sorge um den Zustand der baulichen”Hardware“.4

”Ja man kann sagen die traditionelle Stadtebauforderung war sehr stark –

der Haußermann hat das mal gesagt: Containerorientiert – also d.h. sehr stark

3 Im Folgenden verwende ich den englischen Begriff der Community, um den artifiziellen Cha-rakter dieser Steuerungseinheiten zu betonen. Der Begriff taugt diesbezuglich besser als dasdeutsche Wort Gemeinschaft, das eher auf tradierte Sozialbeziehungen verweist.

4 Vgl. dazu Monika Alisch: ”Obwohl spatestens in den 80er Jahren soziale Ziele der Stadter-neuerung formuliert und Begriffe wie ,behutsame Stadterneuerung‘ gepragt wurden, waren dieMoglichkeiten dieser Leitidee der Stadtentwicklung weitgehend auf die stadtebauliche Struk-turen des Quartieres begrenzt, in dem Glauben und der Hoffnung, durch ein verbessertesWohnumfeld, modernisierte Wohnungen und Angebote sozialer Infrastruktur auch die sozia-len Probleme benachteiligter Quartiere weitgehend in den Griff zu bekommen.“ (Alisch, 1997,346)

38

Page 41: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

baulich-stadtebaulich ausgerichtet, auf die Hardware der Stadt, wenn man sowill.“ (IntDifu8)

Soziale Probleme – Fragen der sozialen ,Software‘ – in den Stadtteilen lagen dem-gegenuber im Aufgabenbereich einerseits stadtischer oder bezirklicher Sozialpoli-tik, andererseits von sozialer Arbeit in den Gebieten. Hier stand die Hilfe zur Be-waltigung problematischer Einzelschicksale im Vordergrund, die Stadtteile warenals Gebiete kein maßgeblicher Bezugsrahmen fur sozialpolitische Maßnahmen. Derkommunale Sozialstaat versucht personenbezogen mit Hilfen zum Lebensunterhaltoder Wohn- und Heizkostenzuschussen, eine temporare Einkommens- oder Kon-sumschwache zu uberbrucken.5

Mit dem Bund-Lander-Programm wird der Gebietsbezug traditioneller Stadte-bauforderung nun in signifikanter Weise erweitert. Die Gebiete der Stadt werden nunzusatzlich in ihrer Funktion als Sozialraume begriffen. Grundsatzlich fungiert dasBund-Lander-Programm als Erganzungsprogramm zur Stadtebauforderung (vgl.DIfU, 2003, 15) und behalt die raumliche Orientierung auf ein Gebiet bei. DieBetrachtung problematischer Stadtteile soll nun aber tiefer eindringen, sozusagendie bisher opaken Gebaude durchleuchten und erstmals auch die Bewohner untersozialen Aspekten wie Gesundheit, Bildungsniveau oder gesellschaftlicher Integra-tion erfassen.

”Eine Betrachtung der Stadtteile nur nach siedlungsstrukturellen,

raumlich-funktionalen Aspekten reicht nicht mehr aus.“ (DIfU, 2003, 67) Mit dieserPerspektive wird der Stadtteil nicht mehr bloß als Buhne begriffen, auf der sichgesellschaftliche Entwicklungen artikulieren. Lokalisierbare ,Communities‘ bzw. ab-grenzbare Quartiere fuhren in gewissem Maße Regie uber den Horizont der Moglich-keiten ihrer Bewohner. Den Stadtteilen in ihrer Funktion als lokale Nachbarschaftenwird ein Einfluss auf Lebensweise, Perspektiven und Identitat der Bewohner zuge-sprochen.

”Die Dimension Raum wird insgesamt verstanden als Uberlagerung von phy-

sischen Bedingungen, Ort von Erfahrungen und Lernprozessen, als Raum mitOrientierungs-, Symbolisierungs-, Identifikations-, Aneignungs- und Nutzungs-funktionen und damit auch als ,Statusmerkmal und als Ort der sozialen Selbst-definition‘.“ (DIfU, 2003, 13)

In den Stadten uberlagern sich eine Lebenswelt alltaglicher Kommunikation undInteraktion sowie eine administrative stadtplanerische Systemwelt. Mit dem Pro-

5 Im Bereich der sozialen Arbeit tauchen gemeinwesenorientierte und sozialraumliche Ansatzezwar in der bundesdeutschen Debatte schon seit Beginn der 1970er Jahre auf (vgl. Mullerund Nimmermann, 1971). Gegenuber der autoritativen Planung ,von oben‘ wurden solcheAnsatze damals als Moglichkeit der Organisierung der Interessen ,von unten‘ diskutiert (vgl.Oelschlagel, 2000). Bis in die 1990er Jahre wurden diese Ansatze allerdings nicht relevant furdie politische Ausgestaltung sozialer Fursorge. Die interne fachliche Diskussion im Bereichder sozialen Arbeit wurde in den sozialpolitischen Ansatzen auf der Ebene der Stadt kaumaufgenommen.

39

Page 42: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

gramm wird der bisher von der Administration unberucksichtigte Bereich der Le-benswelt nun erstmals zum Objekt politischer Maßnahmen gemacht. Ziel ist es

”un-

mittelbar an Problemen und Potenzialen in der raumlichen Lebenswelt anzusetzen“(DIfU, 2003, 13) sowie

”zum Abbau des Konfliktpotenzials zwischen Lebenswelt

und Systemwelt“ (DIfU, 2003, 91f) beizutragen.Die Problematisierung eines Interventionsbedarfs auf der Ebene der lebenswelt-

lichen Nachbarschaft hat in zweierlei Hinsicht Konsequenzen fur die Art moglicherEingriffe.

Zum einen gelangen die Bewohner nicht mehr, wie bei der bisherigen an individu-ellen Problemlagen ausgerichteten Sozialarbeit, als konkrete Einzelfalle in den Blick.Das Objekt der Steuerung ist das Gebiet, nicht mehr die individuelle Fursorge anEinzelne.6 Es geht nicht um die Bereitstellung individueller Problembewaltigungs-strategien sondern um

”eine Bewegung ,vom Fall zum Feld‘“ (DIfU, 2003, 24).

”Und es stehen auch nicht vorrangig – also per se – die Bewohnerinteressen

im Vordergrund, sondern wir betrachten tatsachlich den urbanen Raum, also wirhaben hier eine ganz klare Gebietskulisse, und ganz viele Faktoren spielen eineRolle.“ (IntWrangel4)

Der Sozialraum als neuartiges Objekt der Stadtentwicklung stellt sich zum ande-ren als ein komplexes Gebilde, zusammengesetzt aus verschiedenen Faktoren, dar.Es wird ein lebensweltlicher Charakter eines Stadtteils ausgemacht, der durch dasZusammenwirken unterschiedlicher Einzelaspekte im Bezug auf die bauliche, okolo-gische, okonomische und soziale Situation des Gebietes bestimmt wird.7 BestimmteGebiete sind Kulminationspunkt von

”besonderen sozialen, wirtschaftlichen und

stadtebaulichen Problemen“ (ARGEBAU, 2000, 2).

”Es handelt sich dabei [,Soziale Stadt‘-Gebiete, H.F.] meist um hochverdich-

tete, einwohnerstarke Stadtteile in stadtischen Raumen, die im Hinblick auf ih-re Sozialstruktur, den baulichen Bestand, das Arbeitsplatzangebot, das Ausbil-dungsniveau, die Ausstattung mit sozialer und stadtteilkultureller Infrastruktur,sowie die Qualitat der Wohnungen, des Wohnumfeldes und der Umwelt erhebli-che Defizite aufweisen.“ (ARGEBAU, 2000, 2)

6 Die veranderte Ausrichtung der traditionellen Sozialarbeit, die mit dem von dem Bund-Lander-Programm eingerichteten Quartiersmanagement vor sich geht, betont auch Alisch: ”Zum einensteht das Stadtteilmanagement als Synonym fur die stadtteilbezogene Sozialarbeit, zum an-deren wird deutlich hervorgehoben, daß es sich um ein neues Instrument handeln muß, dassich von den rein betreuenden und fursorglichen Interventionsversuchen der gebietsbezogenenSozialarbeit abgrenzt.“ (Alisch, 1998, 12)

7 Diese Sichtweise kommt auch in der Außerung eines Quartiersmanagers zum Ausdruck: ”DieStadt besteht aus soundsoviel Layern oder Sektoren und ich denke in den meisten sind wirtatig.“ (IntSold19)

40

Page 43: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Diese”Gebiete mit besonderem Entwicklungsbedarf“ sind in ihrer Eigenschaft als

komplexer, benachteiligender Sozialraum verantwortlich fur die defizitare Lebens-situation der Bewohner und werden so als das primare Objekt politischer Gegen-steuerung dargestellt.

”Je mehr sich die problematische Situation in den Gebieten verfestigt, desto

starker wirken die Quartiere zugleich auch benachteiligend.“ (DIfU, 2003, 11)

”Also es sind benachteiligte Gebiete die gleichzeitig benachteiligen, [. . . ] dem

muß man weiter gegensteuern, sonst gibts glaub ich lauter nicht nur kleine Ka-tastrophen.“ (IntDifu26)

Das komplexe Zusammenwirken von Defiziten in dem nun sozialraumlich begrif-fenen Gebiets erfordert eine ahnlich komplexe Bearbeitung. Vor diesem Hintergrundsoll sich die politische Steuerung nicht mehr isoliert auf einzelne Defizite wie Ar-beitslosigkeit oder Integrationsprobleme richten, sondern die Aufwertung des Sozi-alraums als solchen zum Gegenstand eines integrierten Handlungsansatzes machen.

”Die Quartiere werden als soziale Raume und Lebenswelten und nicht als Felder

isolierter fachpolitischer Intervention gesehen.“ (DIfU, 2003, 7) Es soll erreicht wer-den,

”dass in gefahrdeten Stadtteilen starker als bisher stadtebauliche Maßnahmen

mit Maßnahmen anderer Politikfelder verknupft werden“ (DIfU, 2003, 12).Insgesamt steht diese veranderte Problematisierung des Steuerungsobjekts im

Kontext des Bund-Lander-Programms in der Entwicklungslinie, die aus der Sichtdes Konzepts der Gouvernementalitat den historischen Prozess der Regierbarma-chung der Gesellschaft kennzeichnet. Foucault zeichnet in seinen spaten Vorlesungenund Aufsatzen anhand der jeweiligen historischen Problematisierung des Regierens– der Frage des Wie und zu welchem Zweck des Regierens – eine grundlegendeTendenz fur die Entwicklung gesellschaftlicher Machtformen nach (vgl. Foucault,2000a).

Insbesondere beobachtet er dabei die Verschiebung des Gegenstands der Regie-rung. So waren gemaß der ,souveranen‘ Rationalitat des Regierens

”zum einen ein

Territorium und zum anderen die Leute, die dieses Territorium bewohnen“ (Fou-cault, 2000a, 50) Zielscheiben von Regierungshandeln. Die strukturelle Anordnungdes Regierungsobjekts als Flache einerseits und Individuen andererseits deckt sichmit der Rationalitat politischer Intervention in den Stadtteilen vor der Einfuhrungdes neuartigen Politikansatzes durch das Bund-Lander-Programms. Auf der einenSeite stand die stadtebauliche Gebietsentwicklung, die sich fur das Territorium desStadtteils und die Verbesserung seiner bauliche Struktur interessiert, auf der ande-ren Seite nahm die kommunale Sozialpolitik die einzelnen Bewohner als Individuenin den Fokus.

Foucault erkennt nun, beginnend mit dem Regierungsverstandnis in den Schrif-ten zur ,Regierungskunst‘, insbesondere in den mit Ende des 16. Jahrhunderts er-schienenen Furstenspiegeln, eine Verlagerung des Zielobjekts von Regierung. Die

41

Page 44: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Verschiebung beinhaltet eine Bewegungslinie,”welche die Bevolkerung als eine Ge-

gebenheit, als ein Interventionsfeld und als das Ziel der Regierungstechniken hervor-bringt“ (Foucault, 2000a, 64). Einen entscheidenden Schritt auf diesem Weg bildetdie Entdeckung ,des Sozialen‘ als eigenstandigen Bereich Ende des 18. Jahrhun-derts. Damals entsteht erstmals ein Bewußtsein fur jene eigene Sphare,

”in [der] die

Menschen nicht nach juridischen Regeln, sondern nach ihren eigenen naturlichenInteressen miteinander verkehren - und zwar auf eine Weise miteinander verkehren,daß daraus der Reichtum, die Macht und das Gluck der gesamten Nation hervor-gehen.“ (Bohlender, 1998, 498) Neben dem juridischen politischen System und derOkonomie kristallisiert sich also zum 19. Jahrhundert hin der Bereich der Gesell-schaft als mogliches und relevantes Interventionsfeld politischer Steuerung heraus.8

”,The Social‘ constituted a domain which could be purposively planned, regulated

and governed.“9 (Hyatt, 1994)Zum anderen geht mit dem Fokus auf die Bevolkerung ein Wandel in den Macht-

formen des Regierens. Es geht nun darum, die Krafte der Bevolkerung zu maxi-mieren, mittels einer Individualisierungs-Matrix”(Foucault, 1994, 249) Bezogen aufdie Individuen bedeutet die Fokussierung auf die Sphare der Gesellschaft oder derBevolkerung als Gegenstand des Regierens, eine spezifische Verbindung von tota-lisierender und individualisierender Machtwirkung, so beschreibt es Foucault. Inder Kategorie Bevolkerung wird einerseits totalisierend uber die je individuellen In-teressen hinweggesehen, die Bevolkerung erscheint als eigenstandiges

”Subjekt von

Bedurfnissen und Bestrebungen“ (Foucault, 2000a, 61). Zum anderen konstituierendie einzelnen Individuen und ihre Interessen uberhaupt das Phanomen Bevolke-rung. Fur eine prazise Steuerung dieser uberindividuellen Gesamtheit ist es folglichwichtig, die Einzelnen in ihrer Funktion als Bestandteile der Bevolkerung indivi-dualisierend zu erfassen.

Das Interesse als Bewusstsein jedes einzelnen der Individuen, aus denen sichdie Bevolkerung zusammensetzt, und das Interesse als Interesse der Bevolke-rung unabhangig von den individuellen Interessen und Bestrebungen derer,aus denen sie sich zusammensetzt, werden die Zielscheibe und das funda-mentale Instrument der Regierung der Bevolkerung sein. (Foucault, 2000a,61)

Das im Zuge der Rationalitat des Programms herausgestellte Objekt der Steue-rung – die aus vielen Faktoren bestimmte und lebensweltlich wirkungsmachtige

8 Das Soziale erfahrt im Folgenden auch daher eine besondere Beachtung, so Lemke (1997), daes als ”intermediare Instanz“ (ebd, 257) in der Lage sei, grundlegende Konflikte burgerlich-kapitalistischer Gesellschaften zu vermitteln. Die Konfliktpotentiale, die aus dem individuellerfahrenen Antagonismus zwischen einerseits den formalen Rechten als Staatsburger, und an-dererseits der faktischen Unterwerfung als kapitalistischer Lohnarbeiter erwachsen, konnen indem eigenen Feld ,des Sozialen‘ abgemildert werden (siehe auch: Donzelot, 1994).

9 Zur Fokussierung auf die Bevolkerung als ”Leitprinzip aller Regierungs- und Staatswissenschaf-ten“ Mitte des 18. Jahrhunderts siehe auch Bohlender (2001).

42

Page 45: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

lokale ,Community‘ – bildet eine solche Individualisierungs-Matrix auf der Ebeneder Stadt. Die Fokussierung auf den Charakter einer Gebietskulisse, auf ,Gebietemit besonderem Entwicklungsbedarf‘ wahrt die notige Distanz zu den einzelnenIndividuen, um ihre Anordnung im sozialen Raum wahrnehmen zu konnen, erfasstsie aber mit der bestmoglichen Differenziertheit, um die Richtung der notwendigenIntervention genau zu bestimmen. Die dem Bund-Lander-Programm zugrundelie-gende Problematisierung des Objekts der Stadtteilentwicklung richtet somit aufder Ebene einzelner Stadtteile solch einen individualisierenden und totalisierendenBezugsrahmen fur politische Steuerung ein, den Foucault mit der Kategorie derBevolkerung als Ausgangspunkt einer veranderten Regierungsweise auf der Ebenedes Nationalstaates beschreibt. Im Zuge des Programms wird in den Schaltplander relevanten Einflussgroßen fur die Problematik in einzelnen Stadtteilen ein neu-es, uberindividuelles Relais problematisiert und als Objekt fur Eingriffe herausge-stellt.10

3.1.2 Verknupfung von Wissen und Macht

Bei der Betrachtung der Rationalitat, die dem Politikansatz zugrundeliegt, lassensich zudem Verbindungen von Wissen und Macht deutlich machen, die mit der ver-anderten Problematisierung dieses Steuerungsobjekts zusammenhangen. Foucaultbeschreibt, wie die Fokussierung der Regierung auf die Bevolkerung erst durchdie Entwicklung eines prazisen Wissens um die Vorgange der Bevolkerung, ihrerRegelmaßigkeiten, ihrer sozialen und okonomischen Effekte, moglich wurde.

”Die

Bildung eines Regierungswissens laßt sich in keiner Weise von der Bildung einesWissens uber all die Vorgange trennen, die sich um die Bevolkerung im weiten Sin-ne drehen.“ (Foucault, 2000a, 62) Analog ist das prazise Wissen uber die StadtteileBedingung fur die veranderte Rationalitat des hier untersuchten Politikansatzes.

”Eine fundierte Auswahl der Programmgebiete erfordert detailliertes kleinraumiges

Bestandswissen bezuglich der gesamten Stadt.“ (DIfU, 2003, 59) Die Entstehungeiner veranderten politischen Rationalitat – der Intervention mittels integrativersozialraumorientierter Stadtteilentwicklung – ist eng an die Verfugbarkeit praziserempirischer Technologien gebunden. Die Entstehung des Programms ,Soziale Stadt‘wurde erst mit den Anfang der neunziger Jahre zunehmend eingefuhrten statisti-schen Messungen auf Ebene einzelner Gebiete der Stadt moglich. Als Reaktion aufdie zunehmende Segregation und Desintegration wurde zur Bereitstellung einer bes-

10 Susanne Krasmann beobachtet gegenwartig eine zu der hier festgestellten Problematisierung ei-nes lebensweltlichen Zusammenhangs als Einflussgroße weitgehend identische Verschiebung furden Bereich der Kriminologie. Waren ,Kriminelle‘ fruher formlich an bestimmten individuellenSymptomen zu erkennen, so ist es nun das Milieu, das ein kriminelles Gefardungspotentialbirgt. Nun ist das Risiko des Verbrechens Resultat eines allgemeinen Wahrscheinlichkeits-kalkuls, ”das auf eine Population zutrifft und einer konkreten Person gleichsam von außenzugeschrieben wird.“ (Krasmann, 2004, 42)

43

Page 46: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

seren Planungsgrundlage in verschiedenen Stadten begonnen, aus unterschiedlichenstatistischen Quellen gewonnene Daten auf kleinraumige Gebiete zu beziehen.11

Sozialraumanalysen dienen der Identifikation raumlicher sozialer Brennpunk-te [. . . ] mit Hilfe von sozialer Belastung anzeigenden Merkmalen (wie z. B. Ar-beitslosigkeit, Einkommenssituation, Sozialhilfebezug, Bildungsstruktur, Ge-sundheitszustand), sowie der Analyse ihrer wechselseitigen Abhangigkeitenin sozialraumlichen Bezugen. (Meinlschmidt, 2004, 7)

Insbesondere bei der Programmumsetzung in Berlin konnte sich in diesem Sinn aufeine im bundesweiten Vergleich uberdurchschnittliche Datenbasis gestutzt werden.Bereits 1998 wurde hier der

”problematische Wandel in Teilraumen“ (vgl Haußer-

mann und Kapphan, 1998, 28) untersucht.12 Der im Anschluss daran alle zwei Jahreherausgegebene Sozialstrukturatlas liefert ein prazises Bild kleinraumiger sozialerUnterschiede durch die Integration von 25 Variablen wie Arbeitslosigkeit, Sozial-hilfebezug oder Einkommenslage zu sogenannte Sozialindizes (vgl. Meinlschmidt,2004).

”In Berlin ist die Basis [fur die Gebietsauswahl] eine Sozialraumanalyse, auf-

grund derer man gewissermaßen im Vergleich der Gebiete bezogen auf die Ge-samtstadt gesagt hat, diese Gebiete sind die Gebiete wirklich mit dem ,besonde-ren Entwicklungsbedarf‘.“ (IntDifu12; vgl. auch: DIfU, 2003, 59)

Erst mit Instrument der Sozialraumanalyse wurde die Transformation des ,episte-mischen Feldes des Regierens‘ insofern moglich, als nun soziale Probleme auf dieEbene einzelner Gebiete der Stadt bezogen werden konnen.

”Also die sozialen Entmischungsprozesse die gabs naturlich schon immer, zu-

mindest aus meiner Sicht, allerdings hat man vorher halt nicht die entsprechendenstatistischen Daten gehabt, um das entsprechend rauszufinden. Die entsprechen-den Technologien hat man erst seit Mitte der 90er Jahre.“ (IntMagd3)

Das so bereitgestellte Wissen dient durch die Verwendung als legitimatorischeGrundlage fur den Politikansatz des Programms ,Soziale Stadt‘ auch als Macht-mittel. Mit der durch diese Erhebungen gestutzten Perspektive werden bestimmteGebiete der Stadt als

”Gebiete mit besonderem Entwicklungsbedarf“ klassifiziert.

Die so bestimmten Gebiete sind dann Objekt starkerer gesellschaftlicher Aufmerk-samkeit und politischer Steuerung. Die Realitat eines komplex defizitaren Stadtteils

11 Solche kleinteiligen sozialraumlichen Berichte lagen bei der Einrichtung des Programms ,So-ziale Stadt‘ 1999 zunachst fur 16% der Programmgebiete vor, die restlichen Gebiete wurdenentweder durch eigens eingerichtete Untersuchungen oder unter Verwendung regularer gesamt-stadtischer Statistiken bestimmt (vgl. DIfU, 2003, 59).

12 Die Senatsverwaltung fur Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie vergab 1997 an dasIFS unter Leitung von Prof. Dr. Haußermann den Auftrag, ”den sozialraumlichen Wandel in derStadt nach der Vereinigung zu analysieren und problematische Entwicklungen in Teilraumenzu identifizieren.“ (Haußermann und Kapphan, 1998, 28)

44

Page 47: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

wird aber durch das Programm erst hervorgehoben und festgeschrieben. Fur diekonkret untersuchten Gebiete in Berlin laßt sich zumindest eine Differenz zwischenden zugeschriebenen umfassenden Defiziten eines ,Gebietes mit besonderem Ent-wicklungsbedarf‘ in der Programmformulierung, und der konkreten Wahrnehmungder Akteure in den Gebieten feststellen. So begrundet der Leitfaden zur Programm-gestaltung einen Interventionsbedarf mit dem Mangel an Strukturen burgerschaftli-chen Engagements. Zentrales Anliegen der mit dem Programm verfolgten Stadtteil-entwicklung ist es,

”das eigenstandige Stadtteilleben wieder aufzubauen, den sozia-

len Verbund wieder herzustellen, alle vorhandenen ortlichen Potenziale zu starkenund die Bewohner zu motivieren, in Initiativen und Vereinen mitzuwirken und sichdauerhaft selbst zu organisieren.“ (ARGEBAU, 2000, 5) Die Gebiete mussen imZuge des Programms erst wieder zu

”selbstandig lebensfahigen Stadtteilen“ (AR-

GEBAU, 2000, 4) gemacht werden. Der Mangel an zivilgesellschaftlichen Strukturentrifft fur die in der Befragung erreichten Berliner Gebiete nach Einschatzung derprofessionellen Akteure allerdings nicht immer zu. Die in Berlin ausgewiesenen Ge-biete sind insbesondere in Bezug auf vorhandene Strukturen sozialen Engagementssehr unterschiedlich. So gibt es in dem traditionell sozial und politisch aktiven Ge-biet Wrangelkiez immer noch eine Vielzahl von Akteuren (vgl. IntWrangel5). ImGebiet Magdeburger Platz war es gerade ein langjahrig aktiver Stadtteilverein, derdurch seinen Einsatz erreichte, das Gebiet Magdeburger Platz uberhaupt in dasProgramm aufzunehmen (vgl. IntMagd7).

”Es gibt oftmals in solchen Gebieten, die soziale Stadt sind, sag ich mal, doch

auch – zumindest in West-Berlin – viele Gebiete wo auch sehr viele Initiativeneinfach bestehen. Selbsthilfegruppen usw., in Kreuzberg gibt es eine rege Ver-einstatigkeit auch, und trotzdem sind die QM-Gebiet geworden.“ (IntSold6)

In dem Gebiet Boxhagener Platz fanden Auseinandersetzungen mit der engagiertenBewohnerschaft statt,

”die das Ganze fur einen aufgesetzten Ansatz von oben hiel-

ten und zu wenig die Ansatze von unten berucksichtigt sahen“ (IntBox38). Auchim Endbericht des DIfU ist die Rede von einer

”hohen Integrationsleistung der

Programmgebiete, insbesondere hinsichtlich verschiedener Kulturen sowie abwei-chender Lebensformen und Verhaltensweisen“ (DIfU, 2003, 73).

Das Programm ,Soziale Stadt‘ konstruiert ein neuartiges Erklarungsmodell furdie Zementierung sozialer Probleme in bestimmten Stadtteilen, indem der lokalen,Community‘ eine eigene Relevanz zugesprochen wird. Mit den Mitteln der Sozial-raumanalyse und erganzenden Untersuchungen stehen legitimatorische Instrumen-te bereit, jene Gebiete zu lokalisieren, die neben soziostrukturellen Defiziten auchwenig Engagement und zivilgesellschaftliche Strukturen besitzen, und so doppeltbenachteiligt sind. Hier ist im Hinblick auf einen selbstverstarkenden positiven Ge-bietscharakter zu intervenieren. Bei der Umsetzung in Berlin wird allerdings sicht-bar, inwiefern diesem Muster Machteffekte innewohnen. Die mit praziser Opera-tionalisierung zu legitimieren versuchte Bestimmung von interventionsbedurftigen

45

Page 48: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Teilgebieten, richtet das komplexe soziale Gefuge der Stadt im Sinne eines uberge-ordneten ,Willens zum Regieren‘ zu und stimmt nicht immer mit der Lebensrealitatder Bewohner uberein. Die Konstruktion von Gemeinschaft und mit ihr implizierteWerte und Handlungsweisen bildet in diesem Sinn auch eine normativ-moralischeund normativ-faktische Setzung,

”da der Gemeinschaftsdiskurs sich nicht nur als

Losung von aktuellen Problemen anbietet, sondern sie gleichzeitig auch erst diagno-stiziert.“ (Wohl, 2003, 128) Diese Problematisierung defizitarer Gebiete als ,Comm-munity‘ erfolgt, gemaß der Aussage eines Quartiersmanagers, uber einer eigentlich

”technisch oder technokratisch geschaffenen Gebietskulisse“ (IntBox16). Die Be-

stimmung der Quartiere erfolgt uber die Kopfe der betroffenen Bewohner hinweg,und verordnet die Zugehorigkeit zu einer ,gefahrdeten Nachbarschaft‘.

”Es war eher so, daß man auf Politischer- und Verwaltungsseite gesehen hat,

wir mussen in diesen Gebieten was unternehmen, und wir wollen dort auch etwasunternehmnen und wir wollen neue Wege beschreiten, und wir wollen die Res-sourcen, die wir in der Verwaltung haben, bundeln, und wir nennen das GanzeQuartiersmanagement.“ (IntBox48)

3.1.3 Fokus auf Prozessdimension

Bei der Betrachtung des Bund-Lander-Programms im Hinblick auf die zugrunde-liegende Rationalitat wird zudem ein Wandel in den primaren Zielen deutlich, diemit politischer Intervention erreicht werden sollen. Dabei kommt es zu einer Ver-schiebung von der Orientierung an Ergebnissen zur Orientierung an Prozessen.Grundlage dafur ist die gewandelte Problematisierung der Ursachen der Defizitein den Gebieten. Aus der veranderten Betrachtungsweise werden nicht mehr dievielfaltigen Einzelprobleme gesondert wahrgenommen, sondern zu der Gestalt ei-ner komplexen ,Community‘ aggregiert. Als entscheidendes Defizit wird neben denunterschiedlichen strukturellen Problemen, die in den Gebieten kulminieren, daherder Mangel an ,weichen‘ Faktoren wie nachbarschaflicher Zusammenhalt und zi-vilgesellschaftliches Engagement angesehen. Aus dieser veranderten Sicht auf dieGebiete mit besonderem Entwicklungsbedarf wird die gesteuerte Aktivierung vonEigenaktivitaten der Bewohner nun zum praferierten Mittel der Problemlosung.

”Bei dieser Ausgangssituation wird es zum zentralen Anliegen der Stadtteil-

entwicklung, das eigenstandige Stadtteilleben wieder aufzubauen, den sozialenVerbund wieder herzustellen, alle vorhandenen ortlichen Potenziale zu starkenund die Bewohner zu motivieren, in Initiativen und Vereinen mitzuwirken undsich dauerhaft selbst zu organisieren.“ (ARGEBAU, 2000, 4)

Die zentrale Idee des Programms ,Soziale Stadt‘ liegt in der Nutzbarmachung vor-handener und bisher von politischem Zugriff unerreichter Potenziale in den Ge-bieten. Problemlosungen sollen nicht mehr von außen an das Gebiet herangetragen

46

Page 49: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

werden, sondern entstehen vorzugsweise aus den Gebieten selbst, durch umfassendeAktivierung der vorhandenen Ressourcen.

”Der Staat fuhrt nicht mehr Regie, sondern weckt, aktiviert, motiviert, sorgt

fur Kommunikation und Kooperation, moglichst auch fur Konsens, verlasst sichaber sonst auf die endogenen Potenziale der Gesellschaft.“ (DIfU, 2003, 17)

Der Fokus auf die endogenen Potenziale der Gesellschaft impliziert schließlich einegrundsatzlich veranderte Problematisierung der Zielperspektive politischer Steue-rung. Die Rationalitat des Programms markiert den Ubergang von einer Ergebnis-zur Prozesssteuerung der Stadtteilentwicklung. Wahrend die Steuerung der tra-ditionellen Stadtentwicklungs-, Bildungs-, oder Beschaftigungspolitik noch in derFormulierung von Maßnahmen zur Problemlosung in klar umrissenen Aufgabenbe-reichen bestand, wird gemaß der Rationalitat des Programms nun von vornhereinauf den Anspruch der Beseitigung der meist strukturellen Probleme verzichtet.

”Da

aber die eigentlichen Ursachen fur die Armut in der Stadt und die raumliche Kon-zentration der Armut uberwiegend auf gesamtgesellschaftlicher Ebene liegen, sindsie auch von der Kommune [. . . ] nur bedingt zu beeinflussen.“ (Alisch, 1997, 347)Diese Erkenntnis ist Konsens bei den Quartiersmanagern in Berlin und in der Pro-grammbegleitung durch das DIfU.

”Gegen die Arbeitslosigkeit kann das Programm uberhaupt nichts machen.“

(IntDifu20)

”Es ist illusorisch zu erwarten, dass mit solch einem Programm oder Pilotpro-

jekt wie QM das Problem der Arbeitslosigkeit, des demographischen Wandels, derunzureichenden Integrationspolitik in der Bundesrepublik, gelost werden konnte.“(IntBox14)

”Das ist naturlich jetzt eine gesamtgesellschaftliche Diskussion [. . . ] Wir wer-

den die Welt nicht retten hier, das ist auch klar.“ (IntMagd23)

”Die Arbeit in den Quartieren kann nur an den Folgen struktureller Probleme

(Leerstand, Armut, Arbeitslosigkeit usw.) ansetzen, nicht (zumindest nicht inder Regel) aber die problemverursachenden Faktoren bearbeiten/beeinflussen.“(DIfU, 2003, 176)

Der Erfolg des Programms und des Quartiersmanagements vor Ort bemisst sich furfur die evaluierende Instanz des DIfU wie fur die Akteure der Programmumsetzungin Berlin also nicht an der Beseitigung der Problemursachen. Eine Verbesserungdes Gebiets gelingt wenn uberhaupt, dann

”aufgrund der Vertreibung unserer so-

zial schwachen Leute, [wenn die] negative Abwartsentwicklung [. . . ] in eine eigen-dynamische Aufwartsentwicklung umgekehrt worden ist“ (IntMagd22). Andernfallsbedurfen

”solche Gebiete wie die Soldiner Strasse, oder manche Gebiete im Wedding

oder Neukolln [. . . ] einer bestandig aktivierenden Institution.“ (IntSold14)Entweder gelingt die Verlagerung der Probleme oder es bedarf permanenter Akti-

vierung, eine tatsachliche Beseitigung der Probleme liegt in beiden Fallen außerhalb

47

Page 50: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

des Vorstellungshorizonts der befragten Quartiersmanager. Die Rationalitat des vondem Programm verfolgten Politikansatz richtet den Fokus der Steuerung nicht aufdie konkreten Probleme selbst, sondern auf eine Problemlosung zweiter Ordnung:auf die Aktivierung von Prozessen, die zu einer Problemlosung fuhren. Es geht umAnstoß, Integration und Moblisierung (und nicht etwa um Identifizierung von Pro-blemen, Formulierung von Bewaltigungsstrategien und deren Durchfuhrung).

”Mit

dem Programm Soziale Stadt sollen nun Revitalisierungs- und Entwicklungsprozes-se angestoßen, integrative Maßnahmenkonzepte erarbeitet und umgesetzt sowie dielokalen Selbstorganisationskrafte mobilisiert werden.“ (DIfU, 2003, 12) Grundsatz-lich wird im Endbericht des DIfU die

”Prozessorientierung der Programmphiloso-

phie“ (DIfU, 2003, 211) konstatiert.Insgesamt kennzeichnet also eine Verschiebung des Steuerungsziels den im Pro-

gramm ,Soziale Stadt‘ verfolgten Politikansatz. Sichtbar wird der Fokus auf dieBeteiligung unterschiedlicher Akteure, die Uberzeugung, Probleme gar nicht losenzu konnen, die Einrichtung projektformiger Finanzierungsinstrumente: Gemeinsa-me Grundlage dieser Denkfiguren ist das Bestreben, politische Steuerung nicht mehrauf konkrete Ergebnisse sondern auf die Aktivierung von Selbststeuerungsprozessenauszurichten und damit effizienter zu machen.

Aus der Perspektive des Konzepts der Gouvernementalitat ordnet sich die pra-ferierte Steuerungsweise durch Aktivierung in einen historischen Prozess der Ver-schiebung in Richtung einer ,lautlosen‘ Form des Regierens. Neben der Entdeckungder Bevolkerung als Objekt des Regierens und im direkten Zusammenhang damit,beobachtet Foucault bei seiner genealogischen Betrachtung der Regierungsweiseneinen zweiten grundsatzlichen Wandel in der Art, in der richtiges oder gutes Re-gieren begriffen wird. Foucault setzt im 18. Jahrhundert die Durchsetzung einerveranderten Rationalitat des Regierens an. Von da an bis in die Gegenwart bestehtder Zweck der Regierung

”in der Vervollkommnung, Maximierung oder Intensivie-

rung der von der Regierung geleiteten Vorgange“ (Foucault, 2000a, 54). Es nimmteine gouvernementale Regierungsweise ihren Ursprung, deren Bestreben eine Formder Fuhrung ist, die moglichst effizient und unaufwandig funktioniert,

”sodaß die

Dinge am besten gedeihen, in Ubereinstimmung mit der Vernunft des Regierens,und ohne Intervention.“ (Foucault, zit. nach Miller und Rose, 1994, 61). Ein Bei-spiel fur diesen von Foucault aufgezeigten Diskurs einer Skepsis gegenuber staatli-cher Intervention konkretisiert sich zu dieser Zeit in der nachfolgend einflussreichenVorstellung der ,unsichtbaren Hand‘, die nach Adam Smith eine von staatlicher In-tervention befreite gesellschaftliche Leben zum Wohle aller koordiniert.13 Fur denBereich der sozialen Situation in der Stadt weist Matthias Bohlender (1998) den

13 Siehe dazu Bohlender: ”Wie Smith die Vernunft eines Arztes kritisiert, der sich anmaßt, indie Natur des tierischen und menschlichen Korpers einzugreifen, obgleich er nicht einmal an-nahernd die Prinzipien organischen Lebens versteht, so kritisiert er auch die Staatsvernunft(government), die sich anmaßt, die Natur des gesellschaftlichen Korpers zu regieren, ohnedessen grundlegenden Gesetze zu kennen.“ (Bohlender, 1998, 507)

48

Page 51: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Ursprung der Idee einer effektiveren Selbssteuerung gesellschaftlicher Prozesse En-de des 19. Jahrhunderts nach. Zu dieser Zeit wird die Armut in der Stadt erstmalsals Gefahr problematisiert. In der Skepsis gegenuber der bis dato per Gesetz zentralgesteuerten Losung des Armutproblems kommt nun der Gedanke eines ,philantro-phischen Umgangs‘ mit dem Problem der Armut auf. Die staatliche Intervention indie Armutsproblematik durch gesetzlich verordnete Aussperrung in Armenhauserkann aus dieser Perspektive keine Losung mehr sein. Stattdessen liege die Losungdes Armutsproblems in der Aktivierung brachliegender Potenziale – so die histo-rische Tradition, in der die Rationalitat des Bund-Lander-Programms zu verortenist.

Die [. . . ] Linie, die ich die ,philantrophische‘ nennen mochte, setzt in ihremsozialreformerischen Eifer darauf, neue und auch alte Techniken zu erproben,um die Armut nicht etwa aus der zivilen Gesellschaft zu verbannen, sondernsie insgesamt fur die zivile Gesellschaft nutzbar zu machen. (Bohlender, 1998,512f)

3.1.4 Rationalitat des Programms und Gouvernementalitat

Mit der Hervorhebung der Bedeutung lokaler ,Communities‘, einmal als Subjektder weitreichenden Beeinflussung der Bewohner und damit folgerichtig als ein neuesObjekt der Steuerung, wird im Kontext des Bund-Lander-Programms eine Rationa-litat politischer Steuerung erkennbar, die der von Foucault beschriebenen Tendenzder Entwicklung moderner Machtformen entspricht. Wahrend Foucault aber dieseTendenz in seinen Schriften am Beispiel der Herausbildung des Regierungsobjektsder Bevolkerung beschreibt, differenziert der Politikansatz des Programms ,SozialeStadt‘ den Regierungsbereich noch weiter aus. Nicht die Bevolkerung der Stadt alsGanzes, sondern bestimmte Teilbereiche – lokale ,Communities‘ – stehen im Fokusder Steuerung. Diese Hervorhebung der Gemeinschaft als Regierungsobjekt, nichtmehr der reinen stadtebaulichen Kulisse oder bedurftiger Individuen, die im Zugedes Politikansatzes sichtbar wird, laßt sich aber als Verlangerung, oder Prazisierungdes von Foucault fur den Ubergang zur Regierung der Bevolkerung gezeigten Pro-zesses begreifen. Die Problematisierung defizitarer Nachbarschaften und ihre durchstatistische Methoden legitimierte Abgrenzung praparieren die soziale Welt in eineVielzahl uberschaubarer Regierungsobjekte, sogenannte Stadtteile mit besonderemEntwicklungsbedarf. Die Bewohner werden auf diese Weise in kunstlich errichtetenBezugssystemen in praziser Weise zugleich totalisierend und individualisierend er-fasst. Die Rationalitat des Politikansatzes, wie sie hier dargestellt wurde, ermoglichtpolitischer Steuerung diesen speziellen Zugriff auf die Individuen, den Barry Allenim Anschluss an Foucault beschreibt.

”It permits the calculation of the gasps between individuals, their distributionin a given ,population‘ and directing the exercise of power over useful new

49

Page 52: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

artificial collectives defined by scientific knowledge and political power whichrealizes the effective government of collectivities by an effective knowledge oftheir individual members.“ (Allen, 1998, 175)

Auch die zweite signifikante Veranderung, welche die Rationalitat des Programmskennzeichnet, die Losung der Probleme in den ,gefahrdeten Nachbarschaften‘ durchAktivierung von Prozessen, steht in der von Foucault beschriebenen Tendenz einerRegierbarmachung der Gesellschaft unter weitgehenden Vermeidung direkter staat-licher Steuerung. Die Rationalitat des Politikansatzes besteht in dem Verzicht aufdirekte Intervention und, wie noch zu sehen sein wird, in der Ausnutzung verschie-dener Taktiken – integrierte Handlungskonzepte, Beteiligungsverfahren, projektge-bundene Finanzierung, vor-Ort-Nahe der Quartiersmanager – fur eine effizientereZielerreichung. Die Logik des Programms ist nicht mehr darauf gerichtet, Maßnah-men zur direkten Bewaltigung von Problemen zu entwerfen, es sollen vielmehr un-terschiedliche Prozesse angeregt und damit die Problemlosung selbstandig in Ganggebracht werden. Nikolas Rose beschreibt im Zuge verschiedener Studien zu gegen-wartigen Technologien des Regierens ein allgemeines Muster unter dem Begriff des,advanced liberalism‘ (Rose, 1993, vgl.). Der Politikansatz des Programms fugt sichin die mit diesem Begriff gekennzeichnete Verschiebung von der direkten Interven-tion hin zur Aktivierung unterschiedlicher Akteure im Sinne des Regierungsziels.

”Whilst welfare sought to govern through society, advanced liberalism askswether it is possible to govern without governing society, that is to say, togovern through the regulated and accountable choices of autonomous agents- citizens, comsumers, parents, employees, investors.“ (Rose, 1993, 298)

Diese beiden grundlegenden Muster, die den Politikansatz charakterisieren, einverandertes Steuerungsobjekt und eines veranderten Modus der Steuerung, bildendie Folie, auf der bestimmte Apparaturen des Regierens angesetzt werden. DieseInstrumente sind im Folgenden naher zu untersuchen.

50

Page 53: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

3.2 Instrumente veranderter Stadtentwicklung

Im zweiten Schritt sollen nun die Instrumente untersucht werden, mit denen im Zugedes Programms ,Soziale Stadt‘ die Entwicklung in den ,Stadtteilen mit besonderemEntwicklungsbedarf‘ gesteuert werden soll. Gemaß den Problematisierungen einesveranderten Steuerungsbereichs und eines veranderten Steuerungsmodus werdendabei auch im Bezug auf die Mittel einer durch das Bund-Lander-Programm ange-stoßenen veranderten Stadtentwicklung signifikante Veranderungen sichtbar. Zumeinen lasst sich eine Neuausrichtung der Steuerungsinstrumente auf der Ebene derinstitutionellen Organisation der Akteure politischer Stadtentwicklung beobachten.Die kommunale Verwaltung soll intern besser koordiniert werden und einen Teilder Aufgabe der Politikgestaltung einem Netz zivilgesellschaftlicher und privatwirt-schaftlicher Akteure ubertragen. Insbesondere tritt im Zuge dieser vom Programmangeregten Dezentralisierung der stadtentwicklungspolitischen Aufgabe ein neuar-tiger Akteur auf den Plan. Das Quartiersmanagement als ein privatwirtschaftliches,aber eng an die Verwaltung gebundenes Instrument der Gebietsentwicklung.

Zum anderen reiht sich ein Gegenstand auf der Ebene der sozialen Beziehungender Bewohner in das Arsenal der Instrumente zur Stadtentwicklung. Ein Kern-bestandteil des Politikansatzes – hier lauft die veranderte Problematisierung vonSteuerungsbereich und Steuerungsmodus zusammen – ist die Verwendung der lo-kalen ,Community‘ als Instrument politischer Steuerung. Aufgabe der Quartiers-manager ist zum einen die Starkung der ,Communtiy‘: Bewohner werden vernetztund in ihrer gemeinsamen Identitat gestarkt, Interessen werden formuliert und ihreDurchsetzung wird unterstutzt. Andererseits dienen die so geschaffenen Bindungendem Quartiersmanagement aber als Zugseile fur eine Lenkung aus der Distanz.

3.2.1 Veranderte Organisation politischer Steuerung

Im Zusammenhang mit der veranderten Zielperspektive, die in der Rationalitat desProgramms sichtbar wird, kommt es im Kontext des Programms ,Soziale Stadt‘ zueiner signifikanten Veranderung bezuglich der Organisation der Steuerungsinstan-zen fur die Stadtteilentwicklung. Bisher folgte die Stadtentwicklung einem quasipaternalistischen Modell von durch externe Expertisen angeleiteter Steuerung po-litischer Entscheidungen. Auf der Ebene der Politik formulierte Ziele waren durchstrategische Interventionen unter Berucksichtigung des Expertenwissens einer aus-differenzierten Verwaltung zu erreichen. Mit dem neuen Politikansatz wird diesesModell in zweifacher Hinsicht umstrukturiert. Zum einen werden Entscheidungs-kompetenzen auf der Ebene der Verwaltung neu zugeteilt. Zum anderen werdenneue Akteure in die Aufgabe der Steuerung einbezogen.

51

Page 54: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Dezentralisierung der Steuerung

Die Experten des bisherigen, nach Fachressorts organisierten, Steuerungsmodellsverlieren im Zuge der Programmumsetzung an Kompetenz. Auf der Ebene derkommunalen Verwaltung wird mit dem Programm ein gewandeltes Anforderungs-profil gesetzt. Bisher war die Aufgabe der Gebietsentwicklung in der Verwaltungin weitgehend unabhangige Fachressorts verteilt. Gefordert wird nun eine starkereZusammenarbeit der einzelnen Ressorts. Ein zentrales Ziel des Programms ist dieEntwicklung integrativer Handlungsansatze unter Kooperation der einzelnen Ver-waltungsamter wie Bau-, Grunflachen-, oder Jugendamt. Instrumente, die diese zuetablierende, konzertierte Herangehensweise der Verwaltung forcieren sollen, sindbeispielsweise amterubergreifende Gebietsbeauftragte (vgl. DIfU, 2003, 178) und dieEinrichtung von regelmaßig tagenden, dezernatsubergreifenden Steuerungsgremien(DIfU, 2003, 181). Einer Empfehlung, der bei der Umsetzung des Programms in Ber-lin gefolgt wurde. Die Zielsetzung der Koordination auf der Ebene der Verwaltungwird als Evaluationsergebnis der Programmbegleitung vor Ort (PvO) besondersherausgestellt.14

”Die meisten PvO-Teams betonen, dass fur die Wirksamkeit von Quartier-

management die Uberwindung von Ressortgrenzen und der Aufbau kooperativerStrukturen auf der Verwaltungsebene von zentraler Bedeutung sind. Insoweit wirdallerdings vielfach noch Nachholbedarf konstatiert.“ (DIfU, 2003, 181)

Bei der konkreten Umsetzung stoßen diese Veranderungsbestrebungen allerdingsnoch auf betrachtliche Widerstande. Die Vorbehalte deuten dabei auf den grund-satzlichen Charakter der Veranderungen im Bezug auf die interne Organisation derkommunalen Verwaltungen hin. So wird im Endbericht der Programmbegleitungauf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung hingewiesen, die in den tradierten Vor-stellungen liegt, mit denen es zu brechen gilt.

”Eine Veranderung von Entscheidungsablaufen stoßt auf tradierte Denkweisen

und Arbeitsstrukturen. Die ressortspezifischen Sicht- und Handlungsweisen lassensich langsamer umwandeln als integrierte Konzepte es erfordern.“ (DIfU, 2003)

Neben dieser Kompetenzverschiebung innerhalb der Verwaltung durch die Ten-denz zur Bundelung der Maßnahmen und durch institutionalisierte Koordinati-onsprozesse impliziert der Politikansatz des Programms außerdem den Einbezugnicht-staatlicher Akteure in die Aufgabe der Stadtteilentwicklung. Die Aufgabe

14 Die Programmbegleitung vor Ort (PvO) bildet ein Instrument zur Begleitforschung der Imple-mentation des Programms auf der Ebene der Lander. Jedes Bundesland wahlte zum Jahres-beginn 2000 ein Modellgebiet der jeweiligen Programmumsetzung. Externe Beobachter doku-mentierten die durch das Programm angeregten Aktivitaten in dem Gebiet, die bundesweiteKoordination der Ergebnisse oblag dem DIfU (vgl. DIfU, 2003, 42ff).

52

Page 55: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

der Stadtteilentwicklung soll nicht mehr nur von offentlicher Hand wahrgenom-men werden, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Institutionen wird in dieSteuerungsaufgabe integriert.

”Als Folge des integrativ-integrierten Ansatzes engagieren sich fur das Pro-

gramm nicht nur bisherige ,Spezialisten‘ der Stadterneuerung und Stadtentwick-lung, sondern ein sehr weites Spektrum an Professionen und Institutionen: [. . . ]vertreten sind außerdem lokale Initiativen, Quartiermanagement, Verwaltung undPolitik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, Bundesverbande der FreienWohlfahrtspflege, Fachhochschulen und Universitaten.“ (DIfU, 2003, 14)

Die Bereitstellung einer ,sozialen Stadt‘ soll nun als gemeinsame Aufgabe vonprivaten, wirtschaftlichen und offentlichen Akteuren begriffen werden.

”Inhaltlich

[wird] eine neue, auf Kooperation und Konsensfindung basierende Steuerungsformim Akteursspektrum zwischen Verwaltung, Politik, Markt, Drittem Sektor und Zi-vilgesellschaft gefordert.“ (DIfU, 2003, 22) Auf diese Weise soll sichergestellt werden,daß der

”Stadtteilentwicklungsprozess mit moglichst viel Eigeninitiative“ (ARGE-

BAU, 2000, 12) vonstatten geht.”Diese Form des Miteinanders dient gleichzeitig

dazu, dass private wirtschaftliche Interessen und das Gemeinwohl sinnvoll und ef-fektiv abgestimmt werden.“ (ARGEBAU, 2000, 12) Das Gelingen dieser Ausweitungdes Akteursspektrums erfordert von der Verwaltung aber insbesondere die Abgabevon Kompetenzen.

”Voraussetzung dafur ist allerdings, dass Akteure aus Politik und

Verwaltung Kompetenzen in den Stadtteil abgeben.“ (DIfU, 2003, 190) Die zu er-reichende Aktivierung von Selbststeuerngspotenzialen bedingt die Abgabe direkterEntscheidungsgewalt.

”Die Kommunalpolitik – insbesondere in den großeren Stadten — steht damit

vor der Herausforderung, ein verandertes Rollenverstandnis zu entwickeln, mitdem sowohl traditionelle strategische Steuerung als auch — in weitaus starke-rem Maße als bisher – inhaltliche Arbeit sowie direkte Kooperation mit den amUmsetzungsprozess beteiligten Akteuren bewaltigt werden konnen.“ (DIfU, 2003,21)

Das zentrale Instrument dieser Dezentralisierung der Steuerungsaufgabe ist nundie Einrichtung privatwirtschaftlicher Gebietsentwickler mit der Aufgabe, Maßnah-men und Projekte eigenstandig zu entwickeln, und unterschiedliche Akteure imSinne der Programmziele einzubinden. Nach anfanglichem Zogern bei der Imple-mentierung in einzelnen Landern,

”gilt Quartiermanagement [inzwischen] als uner-

lasslicher Bestandteil der Programmumsetzung“ (DIfU, 2003, 179).15

15 Die konkrete Ausgestaltung des Programms liegt, wie gesehen, in der Verantwortung der Landerund von daher fallt im einzelnen Fall die Funktion der Gebietsentwickler leicht unterschied-lich aus. Entsprechend variiert auch die Bezeichnung. Die Rede ist teilweise auch von einemStadtteil-, Gebiets-, oder Quartiermanagement (vgl. DIfU, 2003, 171). Im Folgenden bezie-he ich mich auf die Ausgestaltung dieser Gebietsentwicklerfunktion im Land Berlin. Analog

53

Page 56: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Die Aufgabe der konkreten Politikgestaltung verlagert sich damit auf Akteureaußerhalb der kommunalstaatlichen Institutionen. Gleichzeitig behalt die staatlicheInstanz aber die Entscheidung uber die verfolgten Ziele. Es werden die Aktivitatender Quartiersmanager in monatlichen Steuerungsrunden uberpruft und halbjahrlichsind Handlungsplane der Verwaltung vorzulegen. Konkret besteht in jedem der 17Berliner Programmgebiete ein jahrlich zu erneuerndes Vertragsverhaltnis zwischender Senatsverwaltung und einem privatwirtschaftlichen Trager, der sich darin ver-pflichtet, die Stadtteilentwicklung in dem Gebiet gemaß den Zielen des Programmszu befordern. Die befragten Quartiersmanager sehen sich daher, auch bedingt durchdas kundbare Auftragsverhaltnis, in einer engen Bindung an die Verwaltung. Dieubergeordneten Vorgaben werden deutlich als bindend wahrgenommen.

”Also ich denke, dass wir da sicher nicht auf die Barrikaden gehen, das ist

nicht unsere Art der Herangehensweise an die Probleme. Da sind wir ganz klarzu sehr gebunden an Auftraggeber/Auftragnehmer Geschichten.“ (IntSold22)

”Wir konnen auch keine Aktivitaten realisieren, ohne Absprache mit der Se-

natsverwaltung und dem Bezirksamt, sonst wurden wir ja die Hoheit des Bezirksaushebeln, das geht ja gar nicht.“ (IntWrangel4)

”Wir sind rechenschaftspflichtig gegenuber Bezirk und Senat und IBB, das ist

vollig klar und ich denke es gibt da manchmal Sachzwange, die wir vertretenmussen, gegenuber den Burgern auf der anderen Seite, die einerseits die Burgernicht verstehen, andererseits find ich die zum Teil auch nicht gut.“ (IntSold20)

Auch hier stehen der von dem Politikansatz geforderten Veranderung der Kom-petenzstruktur auf der Ebene der Verwaltung aber tradierte Vorstellungen und derWille zum Machterhalt entgegen. So erachten die befragten Quartiersmanager uber-einstimmend das mangelnde Zugestandnis von Kompetenzen durch die Verwaltungals ein Problem fur das effektive Funktionieren des mit dem Programm verfolgtenPolitikansatz.

”Ich wurde mir wunschen, daß die Verwaltung den QM Teams mehr Kom-

petenzen einraumt, in der Projektausgestaltung, also was wir machen und wasnicht, und das wir jede 500 Euro durch Senat und Bezirk entscheiden lassenmussen und dadurch ein ganzes Stuck von Flexibilitat verlieren.“ (IntSold23)

”Der Bezirk [. . . ] fuhlt sich auch ein wenig in seinen Kompetenzen angegriffen.

[. . . ] Beispielsweie im Kulturbereich, da gibt es Richtlinien, wie die Kultur imBezirk auszusehen hat, aber ich seh das nicht als die Richtlinie fur die Kultur imSoldiner Kiez, da mochte ich eigentlich gern ein bisschen freier arbeiten konnen.“(IntSold22)

verwende ich entgegen der Verwendung im Endbericht (dort ist von Quartiermanagement dieRede) die Bezeichnung Quartiersmanagement, die sich in Berlin durchgesetzt hat (vgl. dieunterschiedlichen Internetauftritte der Berliner Gebiete (http://www.quartiersmanagement-berlin.de).

54

Page 57: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

”D.h. lange Zeit sind wir einfach behandelt worden als Quartiersmanager wie

ein x-beliebiger Antragssteller. Und da fehlt dann bei den zustandigen Sachbe-arbeitern die Erkenntnis, daß das jetzt jemand anderes ist. Also da gibt es einegewisse Entwicklung auch zu beobachten, aber die Ruckfalle gerade in diesemBereich sind immer ziemlich hoch.“ (IntMagd18)

Fur die konkrete Ausgestaltung sieht Frau Becker vom DIfU daher die Wirkun-gen des Programms noch vornehmlich auf der Ebene der Denkweisen, auf der sichallmahlich die veranderte Kompetenzaufteilung im Sinne des Programms durchzu-setzen beginnt, nich in der tatsachlichen Praxis vor Ort.

”Im Moment hat es die meisten Wirkungen im strategischen Bereich also erste

Veranderungen der Politik in Richtung Vor-Ort-Orientierung, in Richtung Koope-ration, in Richtung Integration. Aber in den Gebieten selbst, dazu ist die Laufzeit– insbesondere in den Landern, die kein Vorlaufprogramm hatten – noch zu kurz.“(IntDifu27)

Aus der Perspektive des Konzepts der Gouvernementalitat laßt sich die veran-derte Kompetenzstruktur, die mit dem Politikansatz in einer verwaltungsinternenIntegration und Koordination sowie in einer Abgabe von Kompetenzen an externeAkteure verfolgt wird, als eine Vervielfaltigung und Koordination der Schaltstellenpolitischer Machtausubung begreifen. Beginnend mit dem Umschlag des Ziels derRegierungskunst, von der Machterhaltung des Souverans zur Steigerung der Kraf-te der Bevolkerung, sieht Foucault eine Ausdifferenzierung der Regierungsfunktionin unterschiedliche Taktiken und Verfahren, die nicht mehr nur staatlichen Insti-tutionen zugeordnet sein mussen.

”Die Formen und Orte des ,Gouvernement‘ der

Menschen untereinander in einer Gesellschaft sind vielfaltig.“ (Foucault, 1994, 258)Die als gouvernementale Regierung begriffenen Machteffekte entspringen aus viel-faltigen Orten, an denen auf das Feld moglicher Handlungen der Individuen Einflussgenommen wird. Die so gefasste Regierung vollzieht sich zunehmend auch außerhalbstaatlicher Institutionen.

”Behind the modern state and the disciplinary society, and capable of survi-ving both, is a comprehensive trend towards more resourceful, more intense,more intractable, more fine-grained government; not merely the growth of thestate (though there has been too), but the growth of demands, mechanisms,agencies, and occasions for conducting behaviour, setting options, orderingthe field within which people have to choose and act.“ (Allen, 1998, 180)

Gleichzeitig mit dieser Ausdifferenzierung impliziert das theoretische Konzept eineallmahliche Koordination der Wirkungsweisen dieser Einsatzpunkte. Die vielfalti-gen Verfahren beginnen sich sukzessive gemaß einer umfassenden Rationalitat an-zuordnen und aufeinander zu beziehen. Die Herausbildung einer gouvernementalenRegierungsweise fasst den doppelten Prozess der Vervielfaltigung des Instrumentari-ums des Regierens und die Vereinheitlichung dieser Instrumente auf ein bestimmtes

55

Page 58: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Ziel. Es hat sich eine”stetige Etatisierung der Machtverhaltnisse ergeben“ (Fou-

cault, 1994, 259). In diesem Sinn beschreibt Gouvernementalitat den Prozess einerVerstaatlichung von Praktiken und Handlungsweisen.

”Das Problem der Verstaat-

lichung steht im Zentrum der Fragen, die ich zu stellen versucht habe.“ (Foucault,2000b, 69) Foucault geht es mit dem Konzept der Gouvernementalitat auch umdie Frage, wie sich das Phanomen der zunehmenden Ausweitung der zentralen Re-gierungsfunktion im Staat mit der Vervielfaltigung der Machteffekte, welchen dieIndividuen unterworfen sind, auf einen Begriff bringen lassen.

”His genealogy of modern political power is intended in part to show theinitially antagonistic relationship between the evolution of the state‘s cen-tralizing powers and the development of power techniques oriented towardsindividuals and intended to rule them in a continuous and permanent way.“(Brown, 1998, 44)

Mit der durch das Bund-Lander-Programms veranderten Kompetenzstrukturwird die Regierungsfunktion im Bereich der Stadtentwicklung gemaß des von Fou-cault beschriebenen Musters verandert. Auch wenn diese Veranderungen konkretnoch auf Widerstande stoßen, ist die strategische Ausrichtung im Sinne der der vonFoucault beschriebenen Vervielfaltigung bei gleichzeitiger zentralen Koordinationfestzuhalten. Auf der einen Seite sollen vielfaltige Akteure einbezogen werden, dievormals kommunale Aufgabe dezentralisiert werden. Gleichzeitig ist der Politikan-satz bestrebt, diese Akteure auf koordinierte Handlungsplane zu verpflichten. Dabeisoll intern auf der Ebene der Verwaltung eine bessere Abstimmung erfolgen. Stra-tegisches Ziel ist, mit der besseren internen Integration der einzelnen Ressorts, eineSystematisierung und Regulierung der Regierungsfunktion auf der Ebene staatli-cher Steuerung anzuregen. Aber auch die explizit vorgesehene Auslagerung vonSteuerungskompetenz an das neu geschaffene Instrument des Quartiersmanagementgeschieht unter Sicherstellung der engen Bindung an zentrale Zielvorgaben.

Effektivierung der Steuerung

Mit der durch das Programm neu geordneten Kompetenzen bezuglich des Regie-rens im Stadtteil geht, neben der Ausweitung der Regierungsfunktion, zudem dieEffektivierung des Regierens einher. Die dezentrale Steuerung und die interne Ko-ordination ermoglichen es, eine effizientere Verwendung der vorhandenen Mittelzu initiieren. Mit dem Programm angeregte

”neue Verwaltungs- und Management-

strukturen sollen dazu dienen, die vorhandenen Ressourcen fur eine umfassendeund integrierte Stadtteilentwicklung zu bundeln und den Mitteleinsatz zielgenau-er, effizienter und gleichzeitig auch flexibler zu gestalten“ (DIfU, 2003, 12). DieAbgabe von Kompetenz fur die Entwicklung von Maßnahmen an die Quartiers-manager, laßt sich als ein contracting out offentlicher Aufgaben im Bereich derStadtentwicklung begreifen. Durch die Abgabe der Umsetzungsverantwortung an

56

Page 59: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

private Akteure wird die Bewaltigung der Aufgabe sozialer Gebietsentwicklung di-rekt nach Effizienzkriterien bewertbar. Bei mangelnder Performance werden dieVertrage anderweitig vergeben, anders als bei einem verwaltungsinternen Fachres-sort, wo Leistungsbeurteilungen nicht in dieser direkten Weise Konsequenzen nachsich ziehen.16

Als ein weiteres Instrument der Effizienzsteigerung politischer Steuerung lasstsich die im Kontext des Programms ,Soziale Stadt‘ veranderte Logik offentlicherMittelvergabe betrachten. Hier kommt die Tendenz zum Ausdruck, die Entschei-dung uber die Mittelverwendung in einem festgelegten Budget auszulagern. Die Fi-nanzierungsstruktur des Programms erfolgt als Sozialraumbudget, der Rahmen derMoglichkeiten ist im Vorfeld gesetzt, anders als bei der bedarfsorientierten Finan-zierung aus einem kommunalen Gesamtetat. In diesem vorgegebenen Rahmen giltes nun, moglichst wirksame Maßnahmen anzustoßen, es kommt tendenziell zu einerzielgenaueren und sparsameren Mittelverwendung.17 Zudem richtet sich die Finan-zierung eher auf die Forderung von singularen Projekten, als auf die kontinuierlicheBereitstellung von Leistungen. Das Quartiersmanagement ist als temporares Ak-tivierungsinstrument angelegt, in Berlin endet die Forderung nach gegenwartigemStand im Jahr 2006. Die Forderung von Projekten mit langerfristigem Horizont istvon daher nicht vorgesehen. Die Logik der Projektforderung zeigt sich beispielsweiseauch in einem, im Zusammenhang mit dem Programm ,Soziale Stadt‘ eingefuhrtenUnterstutzungsprogramm, des BMFSFJ (Bundesministerium fur Familie, Senioren,Frauen und Jugend). Unter dem Titel ,Lokales Kapital fur soziale Zwecke (LOS)‘wurde hier begleitend ein Fordertopf im Sinne einer singularen Projektfinanzierungaufgelegt.18 Die in die soziale Gebietsentwicklung integrierten Akteure – Tragerder Jugendhilfe, Integrationsprojekte, Selbsthilfeeinrichtungen – konnen sich mitdiesem sich abzeichnenden Ubergang zu einer projektformigen und budgetiertenFinanzierung nicht mehr auf eine verlaßliche Planungsperspektive stutzen19, son-

16 So wurden in Berlin mehrmals die Vertrage mit den beauftragten Unternehmen nicht verlangert,zuletzt im Januar 2003, als dem Humanistischen Verband die Aufgabe der Gebietsentwicklungfur das Gebiet Reuterkiez entzogen wurde.

17 Dieser Trend laßt sich auch bei der mit dem sogenannten neuen Steuerungsmodell gegenwartigdurchgehend unternommenen Verwaltungsmodernisierung beobachten. Es wird den einzelnenFachbereichen zur Erbringung festgelegter Leistungen nun ein bestimmtes Budget zugeteilt,uber das weitgehend selbstandig zu verfugen ist (vgl. Kommunale Gemeinschaftsstelle furVerwaltungsvereinfachung, 1991).

18 Ausschliesslich Bewohner und Initiativen in den Gebieten des Programms ,Soziale Stadt‘ kon-nen hier die Forderung eines Mikroprojekts mit bis zu 10.000 Euro Fordersumme beantragen.Die Vergabe der Projektgelder erfolgt durch einen mit Vertretern der offentlichen Hand, desQuartiersmanagements und lokaler Initiativen besetzten Beirat. Die geforderten Projekte sollendie Starkung der lokalen Nachbarschaften, Integration und Beschaftigungsforderung zum Zielhaben. Die Finanzierung erfolgt aus dem Europaischen Sozialfond, insgesamt stehen im Zeit-raum von 2000 bis 2006 75 Millionen Euro zur Verfugung. (siehe: http://www.los-online.de).

19 Die Tendenz der Aufgabe staatlicher Verantwortung fur die kontinuierliche Sicherstellung ge-sellschaftlicher Teilhabemoglichkeit, die in der Logik des Programms zum Ausdruck kommt,

57

Page 60: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

dern mussen sich fur die Finanzierung aus den einzelnen bereitgestellten Budgetsjeweils neu qualifizieren. Ihre Arbeit steht damit direkter als zuvor unter okonomi-schen Bewertungsmaßstaben. Die Akteure selbst bewerten den Politikansatz daherubereinstimmend als okonomische Variante der Stadtentwicklung.

”Der zweite Punkt ist sicherlich eine Frage der Kosteneffizienz, dass dieses

Programm moglicherweise gunstiger ist als klassische Sanierungsinstrumente.“(IntMagd2)

”Ja, ich denke schon. Ich glaube, daß das eine preiswerte Variante ist, hier

bestimmten Stadtentwicklungsprozessen entgegenzuwirken. [. . . ] Ich glaube inZeiten knapper offentlicher Kassen, die nicht besser und nicht voller werden,wirds immer die Suche nach effizienten und preiswerten Instrumenten gesucht[geben].“ (IntMagd22)

Gleichzeitig setzt sich in im Zuge des Programms fur den Bereich der sozialenStadtentwicklung damit die gegenwartige Tendenz zur ,Okonomisierung des Sozia-len‘ (vgl. Lemke, 1997; vgl. Dean, 1999; vgl. Krasmann, 2003) fort. Damit wird derVorgang gefasst, die Regulierung des bisher der Marktlogik enthobenen Bereichsdes Sozialen nun nach der Maßgabe okonomischer Kriterien zu steuern. Die Mit-tel, die sich unter Bedingungen der Marktkonkurrenz als effizient erwiesen haben,werden nun auch fur den Bereich des Sozialen genutzt.20

”As social policy is reworked within economic rationalities, advanced libe-ral programmes extend the use of private-sector technologies, including con-tracts, competition, and conceptions of subjects as consumers, to previously,social‘ domains.“ (Flint, 2003, 613)

Der Tendenz des Politikansatzes, mit der Sozialraumbudgetierung und der Projekt-forderung Instrumente zur Sicherstellung okonomischer Rentabilitat zu nutzen stehtin der von Foucault beobachteten Tendenz einer

”Vervollkommnung, Maximierung

oder Intensivierung der von der Regierung geleiteten Vorgange [. . . ]“ (Foucault,2000a, 54).

Im einzelnen konnte so gezeigt werden, inwiefern die Ausgestaltung der Stadt-teilentwicklung, in der von Foucault beobachteten Tendenz einer Intensivierungund Ausweitung der Steuerung bei Verminderung direkter staatlicher Aktivitat

wird in diesem Sinn von einem befragten Akteur problematisiert: ”Und dann ist das Projektzuende, das geht ja auch nur...das ist ja auch genau die andere Definition, eine Sozialarbeitist unendlich, kontinuierlich. Und ein Projekt ist zuende. Und was dann. Das Problem ist janicht weg. Und das finde ich das problematische daran. “(IntReut8)

20 Diesen Trend der Marktformigkeit aller Lebensbereiche konstatiert auch Sighard Neckel: ”Tat-sachlich konnen wir feststellen, dass sich die Unterscheidung von Markt und Gesellschaft zu-nehmende aufzulosen beginnt. Die Imperative okonomischer Rentabilitat druchdringen gleich-maßiger denn je die verschiedenen »Wertspharen und Lebensordnungen« (Max Weber) derGesellschaft, so dass heute nicht ohne Berechtigung von der Wiederkehr der modernen Markt-gesellschaft zu sprechen ist.“ (Neckel, 2003, 8)

58

Page 61: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

entspricht. Zu untersuchen ist nun, inwiefern die Funktionsweise dieser Steuerungdem Aspekt einer

”Fuhrung der Fuhrungen“ also eines umfassenden Einbezugs der

zu Regierenden bei einer Beschrankung des Feldes ihrer Moglichkeiten entspricht.In diesem Sinne ist im Folgenden das neuartige Instrument des Quartiersmanage-ments, als intermediarem Relais zwischen der Verwaltung und den Bewohnern, inden Blick zu nehmen. Das

”Schlusselinstrument“ (DIfU, 2003, 12) des Bund-Lander-

Programms ist im Hinblick auf dessen Funktionsweise als Technologie des Regierensnaher zu untersuchen.

3.2.2 Steuerungsinstrument Quartiersmanagement

Das Instrument des Quartiersmanagements stellt sich dabei in mehrfacher Hinsichtals Exponat des gouvernementalen Charakters des von dem Politikansatz veran-derten Regierens im Stadtteil dar. Zum einen besteht die spezifische Funktionswei-se des Instruments in der Fahigkeit, Nahe zu den unterschiedlichen Akteuren imGebiet herzustellen und prazise die vorhandenen Ressourcen wahrzunehmen. DasQuartiersmanagement erganzt in diesem Sinne das Regierungswissen und liefertdie Grundlage fur eine Verschiebung des Regierungsobjekts von dem stadtebauli-chen Charakter zum lebensweltlichen Charakter der Stadtteile. Zum anderen setztsich in der Arbeit des Quartiersmanagements die oben angedeutete Vervielfalti-gung und Koordinierung der Krafteverhaltnisse in den Gebieten fort. Schließlich istder Auftrag an das Quartiersmanagement gleichlautend mit der von Foucault furdie Verschiebung zu gouvernementalen Formen des Regierens notwendig erachtetenInstanz, die eine gute Lebensfuhrung der zu Regierenden sicherstellt.

Zunachst ist die zentrale Aufgabe des Quartiersmanagements die Erganzungdes Apparats des Regierens im Stadtteil um den zusatzlichen Aspekt der prazi-sen Kenntnis der Vorgange in dem zu regierenden Gebiet. Auf die Frage nach denwichtigsten drei Fahigkeiten betonen die befragten Quartiersmanager ubereinstim-mend die Fahigkeit zur offenen Kommunikation mit unterschiedlichen Akteuren alsihre entscheidende Schlusselkompetenz.

”eine hohe soziale Kompetenz. Im Umgang mit den unterschiedlichen Men-

schen. Also auch im Hinblick auf eine Kommunikation aus verschiedenen Schich-ten.“ (IntWrangel8)

”Flexibilitat, absolut. Umschalten konnen von einer Sekunde auf die andere.

Und zwar in allen Bereichen, was Gesprachspartner angeht und auch Themen.Das ist unser Job.“ (IntSold1)

”Die drei Fahigkeiten: Kommunikationsfahigkeit, Geduld, und was noch, na

einen gewissen Sinn fur Burokratie.“ (IntMagd16)

”[. . . ] dann auch die Kommunikationsfahigkeit, Uberzeugungskraft, Leute da-

von zu uberzeugen, sich zu engagieren und vielleicht auch mal, in dem ein oderanderen Fall mit gutem Beispiel voranzugehen.“ (IntBox20)

59

Page 62: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Durch die raumliche Nahe in den vor-Ort-Buros sind die Quartiersmanager”sehr

nah dran“ (IntSold19), die Beschaftigung mit einem”uberschaubaren Gebiet“ (ebd.)

ermoglicht einerseits die”Ausweitung der Sicht“ (IntMagd17) und eine

”großere

Ubersicht uber die Gesamtentwicklung eines Gebietes“ (IntBox24), ihre Kommuni-kationskompetenz ermoglicht es andererseits,

”auf verschiedene Leute ein[zu]gehen“

(IntMagd16), Termine mit Einzelpersonen aktiv zu verabreden, und ein”direk-

ter Ansprechpartner“ (IntMagd11) zu sein. Die Quartiersmanager etablieren sichdurch diesen prazisen Einblick bei der Verwaltung

”als die Experten fur die lokalen

Rahmenbedingungen“ (IntWrangel11). Diese Funktion als praziser Sensor der Ver-waltung innerhalb der Gebiete wird begunstigt durch die ausbalancierte Stellungder professionellen Gebietsentwickler zwischen den lokalen Bewohnern und der Ver-waltung. Auf der einen Seite stehen die Quartiersmanager den Bewohnern naherals Akteure auf der Ebene der kommunalen Verwaltung. Die Quartiersmanager sind

”direkte Ansprechpartner“ (IntMagd11) und stehen in personlichem Kontakt mit

einer Vielzahl von Akteuren.

”Wir kennen jeden Verein und jeden irgendwas hier, das heißt wir haben eine

Riesen-Datei von Leuten, die engagiert sind, die weniger engagiert sind, die viel-leicht nicht engagiert sind. Wir kennen ganz ganz viele Leute aus allen Bereichen.“(IntSold27)

”Ich denke ne ganz wesentliche Ressource ist auf der einen Seite ein Vor-Ort-

Buro, um eben auch mitzukriegen, was sich im Gebiet verandert und entwickelt.“(IntBox28)

Auf der anderen Seite haben die Quartiersmanager aber eine entscheidende pro-fessionelle Distanz zu den Akteuren vor Ort und wahren eine

”gewisse Neutrali-

tat und Sachlichkeit“ (IntWrangel5). Es wird mit der Form privatwirtschaftlicherAuftragnehmer institutionell verhindert, dass eine zu starke Identifikation mit denInteressen der Bewohner stattfindet und die ubergeordneten Vorgaben durch eigeneInvolviertheit verzerrt oder in Frage gestellt werden.

Aber der Ansatz ist halt so, ich bin Hauptamtlich hier und was in den 80erJahren viel auf der Strasse und in den Kneipen organisiert wurde, das war eineSoziale Bewegung und die hatte auch einen Anspruch und die hatte auch ein Zielund das ist nicht der Fall hier.“ (IntWrangel10)

Die Funktion, um die der Politikansatz den Prozess der Stadtentwicklung mit demInstrument des Quartiersmanagements erganzt, besteht also in einem prazisen Sen-sor in den Gebieten. Mit der spezifischen Stellung des Quartiersmanagements vor-Ort, und in direkter Rechenschafts- und Kommunikationsbeziehung zur Verwaltung,scharft die Institution des Quartiersmanagement die Wahrnehmung und verlangertden Zugriff der offentlichen Hand.

In dieser charakteristischen Funktionsweise laßt sich das Quartiersmanagementals Bestandteil einer gouvernementalen Technologie des Regierens begreifen. Wie

60

Page 63: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

bereits gesehen markiert Foucault als Bedingung fur eine historisch veranderte Ra-tionalitat des Regierens auf der Ebene des Staates das prazise Wissen um die Be-volkerung als Objekt der Regierung. Vollzieht sich der Vorgang des Regierens nichtmehr als reine Untersagung oder Verbot, sondern als Prozess der Strukturierungder Krafteverhaltnisse, so bedingt dies ein prazises Wissen um die Aktivitaten,Interessen und Ressourcen der zu Regierenden. Dazu bedarf es der geeigneten In-strumente, die fur Foucault bei seiner Untersuchung auf der Ebene des Staates indem von der politischen Okonomie bereitgestellten Wissen sieht. Dieses neu ent-standene Wissen beschreibt einerseits die Regelmaßigkeiten und Vorgange auf derEbene der Bevolkerung. Außerdem richtet sich der Blick individualisierend auf denEinzelnen.

”Man wird die Einwohner, die Reichtumer und die Lebensfuhrung aller undjedes Einzelnen unter eine Form der Uberwachung und Kontrolle stellen, dienicht weniger aufmerksam ist, als die des Familienvaters uber die Hausge-meinschaft und ihre Guter.“ (Foucault, 2000a, 49)

Auf der Ebene des Regierens im Stadtteil wird mit dem Instrument des Quartiers-managements einerseits das Wissen um die Vorgange und Regelmaßigkeiten ausder kleinraumigen Sozialraumanalyse nun um das Wissen um die

”Lebensfuhrung

aller und jedes Einzelnen“ zu erweitern versucht. Das Quartiersmanagement stelltder zentralen Steuerungsinstanz in Gestalt der Verwaltung durch seine Nahe unddem prazisen Wissen eine Ubersicht uber die Gesamtheit der regierungsrelevantenAktivitaten bereit.

Zum zweiten besteht die Funktion des Quartiersmanagers, auch erleichtert durchdie prazise Nahe, in der Aktivierung der Bewohner und institutioneller Akteurewie Vereine und Initiativen vor Ort im Sinne der Gebietsentwicklung. Die Quar-tiersmanager stellen sich als professionelle Aktivierer dar, deren Rolle gemaß derzugrundeliegenden Rationalitat des Politikansatzes nicht mehr in der Entwicklungvon erfolgreichen Problemlosungen, sondern in der Anregung moglichst vielfalti-ger Prozesse besteht. Der Paradigmenwechsel im Modus politischer Steuerung dermit dem Programm vorangetrieben wird, besteht wie gesehen in der Betonung dererwarteten Selbststeuerungsfahigkeit als ein effizientes Problembewaltigungsverfah-ren sozialer Stadtentwicklung.

Wie beschrieben, wird der zivilgesellschaftlich defizitare Gebietscharakter als ent-scheidender Bestimmungsfaktor fur nichtvorhandene Chancen und manifeste Pro-blemlagen in den Vordergrund gestellt. Analog dazu ist das Gegenmittel in denGebieten bereits vorhandenen und bedarf bloß noch der Aktivierung. Die Haupt-funktion des eingesetzten Instruments professioneller Gebietsentwickler ist daherdiese Anreizung der Selbststeuerung. Die fur das Programm ,Soziale Stadt‘ zen-tralen Quartiersmanager sollen dementsprechend Experten bei der Wahrnehmungund Aktivierung von Potenzialen sein, nicht unbedingt fachliche Experten auf ei-

61

Page 64: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

nem bestimmten Gebiet. So reklamiert ein Mitglied des QM-Teams Wrangelstrassein einer Selbstbeschreibung den Status als Generalist:

”Fachliche Kompetenz heißt nicht, daß wir die Experten sind im Bezug auf

Bildung, also wir sind keine Lehrer, wir sind keine Sozialpadagogen, wir sindauch keine Wirtschaftsexperten, aber durchaus – und deswegen ist es in derRegel auch so, daß viele Stadtplaner in diesen QMs arbeiten, weil die so einbisschen als Generalisten schon durchs Studium so angelegt sind.“ (IntWrangel8)

”Aber wir sind ja keine Fachleute in dem Sinn, sondern wir versuchen Runde

Tische oder Arbeitsgruppen zu organisieren mit Interessierten, die entweder selberExperten sind, oder die sich fur das Thema interessieren und sich auch engagierenwollen.“ (IntWrangel4)

Das im Zuge des Programms eingefuhrte Instrument des Quartiersmanagementbildet in diesem Funktionsaspekt der Aktivierung eine Verlangerung des gouverne-mentalen Musters der Vervielfaltigung der Aktivitat des Regierens, sowie der Si-cherstellung der Zielrichtung gemaß einer ubergeordneten Rationalitat. Einerseitssoll das Quartiersmanagement den Umfang der Verfahren und Prozesse durch ge-zielte Aktivierung vervielfaltigen. Sie kennen

”ganz viele Leute aus allen Bereichen“

und konnen so gezielt mobilisieren. Andererseits fungieren die Quartiersmanager alsverlangerter Arm der Verwaltung, sie sind die

”Experten fur die lokalen Rahmen-

bedingungen“ des kommunalstaatlichen Apparats und kommunizieren die politi-schen Handlungsplane zu den lokalen Akteuren. Diese Rollenzuweisung durch dasProgramm entspricht der Rolle von Experten wie sie Rose/Miller als Instrumentegouvernementalen Regierens beschreiben:

”Experts would enter into a kind of double alliance. On the one hand, theywould ally themselves with politicial authorities, [. . . ] On the other hand, theywould seek to form alliances with individuals themselves, translating theirdaily worries and decisions [. . . ] and offering to teach them the techniques bywhich they might manage better, earn more, bring up healthier or happierchildren and much more besides.“ (Rose und Miller, 1992, 188)

Die Rolle der Quartiersmanager besteht schließlich ganz allgemein darin, Prozesseder Revitalisierung (vgl. DIfU, 2003, 12) anzustoßen, oder, wie es ein Quartiersma-nager ausdruckt,

”sehe ich schon ganz allgemein Verbesserungen der Lebensbedin-

gungen als Hauptziel“ (IntSold18) Das Quartiersmanagement ubernimmt damit auseiner sehr allgemeinen Perspektive genau die Funtion, die Foucault als die Aufgabedes modernen, in poliitische Form uberfuhrten Pastorats herausstellt: Die Polizei-aufgabe in einer gouvernementalen Regierung.21

”That people survive, that people

21

”Vergessen wir nicht, daß die Polizei im 18. Jahrhundert nicht nur dazu erfunden worden ist,um uber die Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung zu wachen und um den Regierungenim Kampf gegen deren Feinde zu helfen, sondern auch um die Versorgung der Stadte zugewahrleisten, Hygiene und Gesundheit zu schutzen und die Bedingungen zu gewahrleisten,die fur die Entwicklung des Handwerks und des Handels notwendig waren.“ (Foucault, 1994,249)

62

Page 65: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

live, that people do even better than just survive or live: That is exactly what thepolice have to insure.“ (Foucault, 1988a, 154)

Das mit dem Programm installierte Instrument des Quartiersmanagement erfulltzusammenfassend zum einen abstrakte Funktionserfordernisse – die Bereitstellungprazisen Regierungswissens und die Verstaatlichung von Handlungsweisen – zumanderen die Rolle konkreter Akteure, die nach der theoretischen Analyse Foucaultsden Prozess der Regierbarmachung der Gesellschaft unter dem Leitstern der Pas-toralmacht begleiten. Als ,Schlusselinstrument‘ des Politikansatzes herausgestelltliefert das derartig gestaltete Quartiersmanagement somit einen Beleg fur den gou-vernementalen Charakter der mit dem Bund-Lander-Programm eingerichteten Re-gierung im Quartier.

3.2.3 Steuerungsinstrument der ,Community‘

Neben des im Zuge der Reorganisation der Stadtentwicklung eingefuhrten Quar-tiersmanagements wird im Kontext des veranderten Politikansatzes noch ein wei-teres Instrument in den Prozess der Stadtteilentwicklung einbezogen. Das neueRegieren der Bewohner im Stadtteil erfolgt durch die Errichtung und Aktivierungeiner hier als ,Community‘ bezeichneten Instanz auf der Ebene der Lebenswelt derBewohner. Gemaß der beobachteten Rationalitat, die dem Politikansatz zugrundeliegt, verandert sich das Arsenal der Instrumente der Stadtteilentwicklung nichtallein auf der Ebene institutioneller Akteure, mit dem Politikansatz verlangert sichder Zugriff auch auf das vorher unberucksichtigte Terrain der Identitat der zu Regie-renden. Zugespitzt heißt dies: Das Leitbild ,soziale Stadt‘ signalisiert einen

”neuen

Typ von Sozialpolitik, den man als ,Identitatspolitik‘ bezeichnen konnte, im Ge-gensatz zu traditionellen Formen einer Umverteilungspolitik“ (Goschel, 2000, 125).Fur diesen Zugriff wird im Zuge des Programms ein nachbarschaftlicher Zusam-menhang konstruiert um dann als Instrument politischer Steuerung zu fungieren.Diese Prozesse sind nachfolgend naher darzustellen.

Herstellung einer lokalen ,Community‘

Durch die moglichst viele Aspekte integrierende Sozialraumanalyse sind, wie ge-sehen, bestimmte Gebiete mit besonderem Entwicklungsbedarf ausgesondert wor-den. Der neuartige identitatspolitische Ansatz des Programms besteht nun darin,die Grenzen dieser

”technokratisch geschaffenen Gebietskulisse“ (IntBox16) auf der

Ebene zivilgesellschaftlicher Interaktion zu verankern. Die Bewohner in den gemaßstatistischer Verfahren ausgewiesenen Gebiete sollen sich als Bestandteile lokaler,Communities‘ begreifen. Ziele des Programms sind die

”Entwicklung von Burger-

bewusstsein fur den Stadtteil“ und die”Schaffung stabiler nachbarschaftlicher sozia-

ler Netze“ (ARGEBAU, 2000, 4). Forciert durch die Arbeit der Quartiersmanagersoll die lokale ,Community‘ zu einer realen Bezugsgroße werden und als umfas-

63

Page 66: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

sende Klammer der vielfaltigen Einzelinteressen fungieren. Der Charakter dieserlokalen ,Community‘ als ein von außen installiertes und erst aktiv herzustellendesRegierungsinstrument tritt bei der Implementierung des Programms in den BerlinerGebieten deutlich zu Tage. Das Programm reagiert mit dem Augenmerk und derKompetenzverlagerung auf Strukturen vor Ort nicht auf vorhandene Bedurfnisse inden Gebieten. Der Einfuhrung der Beteiligungsverfahren und Finanzierungsmog-lichkeit lokaler Projekte wurde von Bewohnerseite statt dessen real eher mit Skepsisbegegnet.

”Es gab ja keine engagierte Bewohnerschaft die gesagt haben, wir wollen QM

Gebiet werden, und das trifft ja auch auf das gesamte Programm ,Soziale Stadt‘zu. Da war niemand in der gesamten Bundesrepublik, der gesagt hatte, wir wollenein ,Soziale Stadt‘-Gebiet werden, aus einzelnen Stadtteilen.“ (IntBox44)

Die lokale ,Community‘ ist ein Phanomen, das in Gebieten teilweise erst zur Exis-tenz gebracht werden muss und dann erst von den Bewohnern selbst als Bezugsgroßewahrgenommen wird. Eine zentrale Aufgabe bei dieser Identitatspolitik kommt denprofessionellen Akteuren in den vor-Ort-Buros zu. Ihre Aufgabe ist die Einbindungder Bewohner der jeweiligen Gebiete in ein Netz zivilgesellschaftlicher Interakti-on. Dabei geht es zunachst darum, uberhaupt eine gegenseitige Wahrnehmung zuinitiieren, nachbarschaftliche Kontakte zu ermoglichen, und so eine Vertrautheitzwischen den Bewohnern herzustellen.

”Bei der Programmumsetzung Soziale Stadt geht es darum, einen offenen Pro-

zess mit allen Beteiligten zu organisieren und zu moderieren, eine gemeinsameSprache und Verstandigungsebene zu finden, Vertrauen aufzubauen und Koope-ration in Gang zu setzen.“ (DIfU, 2003, 18)

”Daraus resultiert das Erfordernis, uber direkte Ansprache, das Angebot von

formellen und informellen Anlassen zu Begegnung und Nachfrage zwangloseKommunikationssituationen zu schaffen, die unverzichtbar fur Motivierung, Be-fahigung und Teilhabe sind.“ (DIfU, 2003, 20)

”Also was wir jetzt gerade anbieten, ist ein Lauf- und Walking-Training, wobei

da jetzt auch der kommunikative Aspekt wichtig ist, also daß sich da Nachbarnzusammentun, [. . . ] normalerweise wenn man lauft redet man ja auch sehr viel,zumindest vom Tempo her sollte man so laufen - und da das jetzt unmittelbarin der Nachbarschaft angeboten wird, [. . . ] hoffen wir naturlich, daß wir in derRichtung was tun konnen.“ (IntWrangel3)

Aber auch bereits bestehende Strukturen sind mit Hilfe des Quartiersmanagementszu vernetzen.

”Deshalb mussen bereits in der ersten Phase der Programmumsetzung die

in vielen Gebieten schon bestehenden Initiativen, Angebote, Vereine und enga-gierten Akteure in lokale Netzwerke eingebunden und das Kennenlernen, derAustausch und die gemeinsame Arbeit organisiert werden.“

64

Page 67: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Insgesamt dient das Instrument des Quartiersmanagement dazu, dauerhafte Struk-turen der Vernetzung und Kooperation zwischen den Bewohnern zu etablieren, undso das Steuerungsmedium der lokalen ,Community‘ zu starken.

”Die Zielrichtung ist, und das ist sicher richtig, wie es so schon heißt, nachhaltig

tragfahige Strukturen aufzubauen.“ (IntDifu18)

”Und zwar, es hat sich in 17 Sitzungen [der Burgerjury, H.F.] einfach eine sehr

starke Vertrautheit zwischen den Leuten herausgebildet. Die haben miteinandergesprochen und das waren schließlich Teilnehmer aus unterschiedlichen Gebietenund unterschiedlichen Fachbereichen. Und die haben wirklich diskutiert. Und essind wirklich Netzwerke entstanden. [. . . ] Und ein bisschen profitieren wir denkich immer noch davon.“ (IntSold26)

Eine hilfreiche Methode zu diesem Zweck ist die Einbindung der Bewohner in Ver-einsstrukturen.

”In den letzten Jahren ist die Rechtsform Verein als Potenzial zur

Organisation von Netzwerken und Selbsthilfe, besonders auch im Rahmen der Sozia-len Stadt, (wieder)entdeckt worden.“ (DIfU, 2003, 29) Allerdings wird dieses Mittelin den Berliner Quartieren unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite wird dieFunktion des Vereins als Moglichkeit gesehen, entstandene Kooperationen auf Dauerzu stellen. So wurde im Soldiner Kiez die Arbeit der Burgerjury durch einen Vereinfortgesetzt. Auf der anderen Seite wird aber auch die Sichtweise geaußert, Vereinss-trukturen konnen den diskontinuierlichen Interessen zu wenig gerecht werden undseien damit uberholt. Hier erweist sich der Vorzug des Quartiersmanagement, dasflexibel auf wechselnde Interessenlagen reagiert.

”Leute lassen sich nicht mehr so leicht in Vereinsstrukturen einbinden, also die

Vereine leiden unter einem kontinuierlichen Mitgliedermangel, diese Kontinuitatwird gar nicht mehr gewahrleistet. [. . . ] Weil diese alten Vereinsstrukturen greifennicht mehr und daraus ist das [vom QM initiierte Projekt H.F.] entstanden.“(IntWrangel4)

Neben der Vernetzung ist ein zweiter Aspekt der Arbeit der Quartiersmanager dieHerausstreichung der Zugehorigkeit zu einer lokalen Nachbarschaft. Bereits bei derGebietsauswahl spielt der Aspekt der zukunftig zu schaffenden Identifikation eineRolle. Nicht allein die unterdurchschnittlichen Gesamtperformance im Vergleichzur ganzen Stadt dient zur Bestimmung der Gebiete, wunschenswert ist auch einebereits in Ansatzen vorhandene gemeinsame Identitat.

”Die so genannten Identifikationseinheiten, Raume, von denen angenommen

wird, dass sie von der Mehrzahl der dort lebenden Menschen als ,mein Stadt-teil‘ bezeichnet werden, wurden als Begrundungshilfe fur die Abgrenzung desProgrammgebiets herangezogen.“ (DIfU, 2003, 60)

Darauf aufbauend ist es dann Aufgabe der Quartiersmanager, die Identitat desGebietes zu starken und so die Identifikation der Bewohner mit dem Gebiet zuerleichtern.

65

Page 68: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

”Also es gibt eine bestimmte Kiezidentitat und daruber hinaus kann man na-

turlich weitere Identitatsstiftende Maßnahmen fordern. Und dann ist es die Frage,will man die Innenwirkung oder die Aussenwirkung starken. Also wie ist der Blickder Berliner auf den Wrangelkiez oder wie sehen sich diejenigen, die hier wohnen.Also das sind zwei gleichberechtigte und wichtige Aspekte, die man also entspre-chend auch berucksichtigen muss, bei der Projektplanung.“ (IntWrangel7)

”Aber ich weiß, daß die Idee jetzt auch bei den Tatigen vom Beirat ist, dass

die Identitat gestarkt werden soll. Das ist sicherlich eine der Aufgaben, die derBeirat sich vorgenommen hat. Eine Identitat zu entwickeln, oder zu starken.“(IntReut4)

”Es gibt Zusammenarbeit, daß sich Unternehmen zusammenschließen und

Werbekampagnen fur ihren Standort und damit fur den Stadtteil insgesamt star-ten und damit zu einer Imageverbesserung beitragen.“ (IntBox56)

Die Bewohner werden gezielt vernetzt und es wird Sorge getragen, eine Identifizie-rung mit der lokalen Nachbarschaft anzuregen. Ein letzter Aspekt der Herstellungeiner tragfahigen Gemeinschaft ist schließlich die Wahrnehmung der vorhandenenInteressen. Durch Beteiligungsverfahren und die vor-Ort-Nahe der Gebietsentwick-ler gelingt es, politische Steuerungsmaßnahmen nicht mehr unvermittelt auf die Ge-biete zu ubertragen, sondern die Bewohner einzubeziehen. Die lokale ,Community‘erhalt durch den damit in Aussicht gestellten Kompetenzzuwachs eine Aufwertungfur die Bewohner. Die Berucksichtigung der Bewohnerinteressen ist eine zentraleAchse, uber die eine Einbindung in die lokale Nachbarschaft hergestellt werdenkann.

”Dabei wird mit den Bottom-up-Strategien die in der bisherigen Programmrea-

lisierung gewonnene Erkenntnis umgesetzt, dass integrierte Handlungskonzepte,um wirksam werden zu konnen, an den Interessen, Aktivitaten und Bedurfnisla-gen der Quartiersbevolkerung und der Stadtteilakteure anknupfen mussen.“ (DI-fU, 2003, 85)

”Die potenziell Beteiligten sollen entweder in ihren thematischen Interessen

oder in ihren situationsspezifischen Belangen angesprochen werden, und es sollgewahrleistet sein, dass eine Mitwirkung greifbare Ergebnisse verspricht.“ (DIfU,2003, 18f)

”Und man muss die Projekte auch so entwickeln, wie das Interesse auch da

ist. Also deswegen heißt das auch Ideen aufspuren. Das was gerade an Prozessoder Dynamik passiert. Ich brauch nicht im Winter mit der Bevolkerung uberVerschmutzung im offentlichen Raum sprechen. Weil das interessiert die nicht.Wohingegen im Fruhling, dann nervt die der Mull, aber es gibt auch wieder einenAnlass, um daruber zu sprechen.“ (IntWrangel14)

Der Politikansatz des Bund-Lander-Programms beruht in entscheidender Weise aufder Herstellung einer lokalen ,Community‘. Anhand der Programmumsetzung wirddeutlich, inwiefern das Programm die Zielsetzung verfolgt, und mit dem Quar-

66

Page 69: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

tiersmanagement ein Instrument bereitstellt, solche ,Communities‘ mit Hilfe vonVernetzungs-, Identiats- und Beteiligungsprozessen zu schaffen und zu starken.

Lokale ,Community‘ als Steuerungsinstrument

Mit den aktiv hergestellten lokalen ,Communities‘ ist so ein neuartiges Instrumentgeschaffen, die sozialen Belange in den Stadtteilen politisch zu steuern.

Mit der Einbindung der Bewohner eines als interventionsbedurftig ausgemachtenGebietes in eine vorgestellte Gemeinschaft, wird so aktiv ein Rahmen geschaffen,uber den politische Steuerung die defizitare Gebietsbevolkerung erreichen kann. Mo-nika Alisch spricht in diesem Zusammenhang von neuartigen Integrationsinstanzen,die fur die Bewohner Relevanz haben und sie so unter den Zugriff lokaler Steuerungstellen.

”Da die Stadte nur bedingt Einfluß auf ihren regionalen Arbeitsmarkt neh-men konnen, fehlt ihnen der Zugang zu der bislang wichtigsten gesellschaftli-chen Integrationsinstanz. Sie mussen sich deshalb solche Integrationsinstan-zen schaffen oder vorhandene starken, auf die sie selbst Einfluß haben odernehmen wollen. In dieser Hinsicht wenig beachtet wurde bisher das Wohn-quartier.“ (Alisch, 1998, 8)

Der veranderte Politikansatz richtet Steuerung auf einen, die spezifischen Einzelin-teressen etwa von Mietern, Eltern, Arbeitslosen oder Gewerbetreibenden integrie-renden Gebietscharakter. Die so auf eine gemeinsame Identitat und konsensuale In-teressen koordinierten Bewohner werden zu einem besser uberschau- und steuerba-ren Objekt fur das lokale Regieren. Diese Beobachtung entspricht dem Ergebnis, zudem auch Barbara Cruikshank bei ihrer Untersuchung des Empowerment-Diskursesin den USA gelangt.

”Associations artificially extended the reach of government into

ungoverned relations.“ (Cruikshank, 1999, 100)Hier hat die Institution des Quartiersmanagement eine Schlusselfunktion, die

lokalen ,Communities‘ politischer Steuerung zuganglich zu machen. Uber das In-strument des Quartiersmanagement werden beispielsweise Entscheidungen in denBeteiligungsverfahren ausgerichtet an den ubergeordneten Vorgaben der Verwal-tung. Die prazise Nahe, die mit dem intermediaren Quartiersmanagement erreichtwerden kann, ermoglicht eine neue Form der indirekten Lenkung.

”Da muss man naturlich dann im Vorfeld versuchen zu lenken, wobei man

sich dann immer fragen muss, wo ist die Grenze, also wo nehm ich jetzt zustark Einfluß und das darf naturlich auch nicht sein. Aber das QM hat naturlichschon Moglichkeiten diese Jury zu lenken, also allein schon wie man ein Projektprasentiert, wie man es im Vorfeld unterstutzt hat - denn die meisten Projektebrauchen enorm viel Unterstutzung wenn sie antragsreif werden wollen - wennman halt [. . . ] sagt bei bestimmten Projekten das macht keinen Sinn, das ma-chen wir eigentlich nicht, und nicht richtig unterstutzt, dann ist allein schon die

67

Page 70: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Antragsform so, daß die Jury das nicht versteht und auch nicht durchwinkt.“(IntMagd10)

Dieses Instrument der lokalen ,Community‘ fugt sich in die aus der Perspektiveder Gouvernementalitat angenommene Ausdifferenzierung staatlicher Einflussnah-me. Foucault beschreibt, wie mit dem Ubergang zur Regierung der Bevolkerung,der den Ausganspunkt gouvernementalen Regierens markiert, ein lokaler zivilge-sellschaftlicher Zusammenhang besondere Relevanz als Instrument des Regierensbekommt. Ende des 18. Jahrhunderts war diese lokale Gemeinschaft allerdings dieFamilie,

weil man, sobald man bei der Bevolkerung hinsichtlich des Sexualverhaltens,der Demografie, der Kinderzahl oder des Konsums etwas erreichen will, uberdie Familie vorgehen muss [. . . ] Sie dient als privilegiertes Instrument fur dieRegierung der Bevolkerung. (Foucault, 2000a, 60f)

Die zentrale Funktion der Familie hat sich historisch verandert, und fur gegen-wartiges gouvernementales Regieren mag die These von Nikolas Rose zutreffen,fur den inzwischen vielfaltige Communities lokaler oder virtueller Nahe diese vor-mals der Familie zugeschriebene Funktion eines gouvernementalen Regierungsin-struments ubernehmen konnen. Im Anschluss an Foucault beschreibt Nikolas Rosedie Tendenz gegenwartigen Regierens als ein

”Regieren durch Community“ (vgl.

Rose, 2000). Rose beobachtet, wie aufgrund einer Vielzahl von wissenschaftlicherDarstellungen, Forschungen und statistischer Untersuchungen

”bestimmte bereits

existierende oder zu schaffende lebensweltliche Zusammenhange, sognannte ,Com-munities‘, zu einer kalkulierbaren Große und damit zur Voraussetzung und zumGegenstand von Techniken des Regierens“ (Rose, 2000, 105) werden. Anders als beider zentralen wohlfahrtsstaatlichen Steuerung des Sozialen konnen durch das Re-gieren durch Community die

”individuellen Selbstregulierungspotenziale“ (ebd.) als

Instrumente politischer Steuerung genutzt werden – so Rose. Diese Technologie desRegierens ermoglicht somit einen Zugriff politischer Steuerung auf vorher ,private‘Bereiche.

Liberal doctrines [. . . ] were thus accompanied by the working out of a rangeof new technologies of government, not having the form of direct control byauthorities, that sought to administer [the] ,private‘ realms, and to program-me and shape them in desired directions. (Rose und Miller, 1992, 180)

Eine Beobachtung, die von einem der befragten Gebietsentwickler selbst bezuglichder Funktion des Quartiersmanagements geaußert wurde:

”Insofern kann man sich auch uberlegen, als politischer Ansatz, inwieweit Quar-

tiersmanagement ein Versuch des Staates ist, in Bereiche reinzukommen, in denener vorher nicht war... in denen er vorher nicht tatig war, oder nicht reingekommenist.“ (IntMagd24)

68

Page 71: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Um durch ,Community‘ zu regieren, bedarf es nach Rose schließlich verschiedenerStrategien, um

”die verschiedenen Dimensionen solidarischer Einbindung von In-

dividuen in Gemeinschaften sowohl zu ,erfinden‘, als auch zu instrumentalisieren,um sie zu regeln, verandern oder mobilisieren zu konnen.“ (Rose, 2000, 85) Zudiesem Zweck bildet sich

”ein neuer Bereich des Managements dieser Mikrosekto-

ren“ heraus,”der durch eine Fulle quasi-autonomer Einrichtungen markiert wird.“

(ebd., 103) Zentrale Aufgabe des”Schlusselinstruments“ Quartiersmanagement ist,

wie gesehen, diese strategische Einbindung der Individuen in den Rahmen einer neuabgesteckten Gemeinschaft. Der Politikansatz des Bund-Lander-Programms basiertin zentraler Weise auf dem von Rose beschriebenen ,Regieren durch Community‘.

3.2.4 Konzertiertes Regieren der Stadtteile

Im Hinblick auf eine gouvernementale Regierungsweise wurde im zweiten Schritt dieSteuerungsweise des von dem Programm ,Soziale Stadt‘ verfolgten Politikansatzesuntersucht. Gesucht wurde dabei nach veranderten Instrumenten, die gemaß der zu-grundeliegenden Rationaltat fur ein verandertes Regieren der Stadtteile eingefuhrtwerden. Das Instrumentarium setzt sich dabei aus einer in Richtung Dezentra-lisierung und Koordinierung veranderten kommunalpolitischen Verwaltung, sowieaus einem neuartigen institutionellen und einem neuartigen ,lebensweltlichen‘ Re-gierungsinstrument zusammen. In Zusammenspiel dieser Instrumente laßt sich derPolitikansatz des Bund-Lander-Programms als eine gouvernementale Technologiedes Regierens der Stadtteile begreifen. Die in der Dezentralisierung und Kompe-tenzabgabe der Verwaltung vordergrundige Verminderung staatlicher Verantwort-lichkeit und hoheitlichen Zugriffs stellt sich ganz im Gegensatz als eine Ausdiffe-renzierung und Verastelung des Regierungsapparats dar. Im Steuerungsmodell desBund-Lander-Programms wird die Tendenz erkennbar, die bisher zentral bei derVerwaltung angesiedelte Regierungsfunktion mit Hilfe eines abgestimmten Appa-rats auf die Ebene der Zivilgesellschaft auszuweiten. Die

”endogenen Potenziale der

Gesellschaft“ (DIfU, 2003, 17) werden als effizientes Mittel der Steuerung entdecktund unter koordinierender Aufsicht motiviert.

Diese Koordination wird erreicht durch das neu eingefuhrte Instrument des Quar-tiersmanagements, das als Gebietsentwickler vor-Ort in der Lage ist, die Gesamtheitder fur politische Steuerung relevanten Aktivitaten eines Gebietes wahrzunehmenund sie zu ,gouvernementalisieren‘, das heißt, sie

”in der Form oder unter dem

Schirm staatlicher Institutionen“ (Foucault, 1994, 259) auszuarbeiten, zu rationali-sieren und zu zentralisieren. Diese

”Etatisierung der Machtverhaltnisse“ (ebd.) die

von den Quartiersmanagern betrieben wird, funktioniert außerdem mit Hilfe der Er-richtung zivilgesellschaftlicher Bezugssysteme, mit denen die Bewohner unter einersie gemeinsam umfassenden Identitat angesprochen und indirekt koordiniert wer-den konnen. In der Ausweitung der politischen Steuerung auf die Lebenswelt derBewohner defizitarer Gebiete in einem ,Regieren durch Community‘, spiegelt sich

69

Page 72: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

der Charakterzug gouvernementalen Regierens, Steuerung auf moglichst vielfaltigeLebensbereiche der zu Regierenden auszuweiten.

”The presumption, that everything

can, should, must be managed, administered, regulated by authority“ (Allen, 1998,179) kennzeichnet die dem gouvernementalen Regieren zugrundeliegende Logik, wieBarry Allen im Anschluss an Foucault rekapituliert.

70

Page 73: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

3.3 Regieren durch Beteiligen

Bei der Betrachtung des neuartigen Politikansatzes des Bund-Lander-Programms,Soziale Stadt‘ sind im Hinblick auf die zugrundeliegende Rationalitat und die kon-kreten Verfahren jeweils Aspekte einer gouvernementalen Regierungsweise sichtbargeworden. Die Herausstellung der lokalen ,Community‘ als Bereich der Steuerungund die Einfuhrung der Quartiersmanager als Sinnbild der insgesamt verander-ten indirekten Steuerungsweise weisen auf einen Charakter des Politikansatzes, dernicht mehr in souveranen Eingriffen oder disziplinierenden Maßnahmen, sondern ineiner gouvernementalen Strukturierung des Handlungsbereichs besteht. Schließlichist im lezten Schritt zu untersuchen, in welcher Weise im Zuge des Programms dasMoglichkeitsfeld der Bewohner selbst zu strukturieren versucht wird. Zu klaren istdie Frage, wie die Individuen im Zusammenhang mit den Grundvorstellungen undVerfahren des Programms als Subjekte angerufen werden. Hier kennzeichnen zweimiteinander verbundene Muster der Subjektivierung den Politikansatz des Pro-gramms ,Soziale Stadt‘. Zum einen ist es das Ziel des Programms, die Bewohnerim Sinne nachbarschaftlicher Akteure zu formen. Zum anderen sollen die Bewohnerim Zuge der Beteiligungsdiskurse und -verfahren nicht bloß aktiv werden, sondernsich auch fur ihr Wohnumfeld verantwortlich fuhlen.

3.3.1 Aktivierung

Gemaß der Logik des Programms sind, wie oben gesehen, die Probleme der Stadt-teile mit besonderem Entwicklungsbedarf in besonderer Weise mit den Defiziten derzivilgesellschaftlichen Struktur in den Gebieten verbunden. In diesem Sinn werdennicht vorrangig gesamtgesellschaftliche Strukturen als Ursache fur Arbeitslosigkeit,Perspektivlosigkeit oder Segregationstendenzen in den Gebieten verantwortlich ge-macht. Die Probleme der sozialen Stadt resultieren im Endeffekt aus den spezifi-schen Mangeln der Bewohnern selbst. Es fehlt ihnen unter anderem an Ausbildung,sozialer Vernetzung und Kaufkraft.

”Die Erganzung der sozialen Infrastruktur hat fur den sozialen Ausgleich in

problembelasteten Gebieten besondere Bedeutung. Der Bedarf an Gemeinschafts-einrichtungen fur unterschiedliche Bevolkerungsgruppen ist dort besonders hoch,weil die Bewohnerinnen und Bewohner der Quartiere in Bezug auf Ausbildung,soziale Vernetzung, Arbeitsplatze, mit Beschaftigung ausgefullte Zeit, Gesund-heitsvorsorge, Kaufkraft und Mobilitat gegenuber anderen im Nachteil sind.“ (AR-GEBAU, 2000, 7)

”Wegen der mangelhaften Attraktivitat und der ausbleibenden Entwicklungsim-

pulse haben okonomisch aufstrebende, vor allem jungere Familien diese Quartierenach und nach verlassen. Haushalte mit sehr begrenzter okonomischer Leistungs-fahigkeit sowie geringem Integrationsvermogen sind nachgeruckt.“ (ARGEBAU,2000, 3)

71

Page 74: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Das entscheidende Problem der ,gefahrdeten Nachbarschaften‘ wird in der Logikdes Programms in den aufgrund der mangelnden Aktivitat der Bewohner fehlendenzivilgesellschaftlichen Strukturen, den zerrissenen sozialen Netzen, gesehen.

”In diesen Quartieren ist die Mitwirkung der Burger am politischen Leben oft

vollig zum Erliegen gekommen. Die Burger identifizieren sich nicht mehr mit demStadtteil, sie engagieren sich nicht mehr fur die Gemeinschaft. Nachbarschafts-bezogene soziale Netze sind zerrissen.“ (ARGEBAU, 2000, 4)

Gemaß dieser Problematisierung verlagert sich mit dem Politikansatz des Pro-gramms ,Soziale Stadt‘, wie oben gesehen, die adaquate Intervention auf die Akti-vierung von Prozessen. Bezogen auf die einzelnen Individuen bedeutet dieser Fokusauf die Prozessdimension nun, das Leitbild des ,Aktivburgers‘ bei den Bewohnernder Stadtteile zu verankern. Ein strategisches Ziel des Programms ,Soziale Stadt‘ist die Aktivierung und Beteiligung der Bewohner (vgl. DIfU, 2003, 193, insb. Kap.8). Die Individuuen sollen unter anderem alltagspraktische Kompetenzen erlangen,sowie besser fur den Arbeitsmarkt qualifiziert werden, insbesondere aber fur einenachbarschaftliche Aktivitat gewonnen werden.22

”Die Aktivierung der Burger gemaß § 137 BauGB und die Beteiligung und

Mitwirkung der offentlichen Aufgabentrager gemaß § 139 BauGB ist zielfuhrenderBestandteil der stadtebaulichen Erneuerung. Das gilt in verstarktem Maße fur diesoziale Stadterneuerung.“ (ARGEBAU, 2000, 14)

”Doch es geht schon darum, das Individuum fur eine allgemein (wie soll ich

formulieren), fur eine gemeinwesenorientiertere oder fur eine nachbarschaftsori-entiertere Aktivitat zu gewinnen.“ (IntWrangl14)

”Es [das Programm, H.F.] soll unter anderem dazu dienen, quartiersbezogene

Beteiligungsstrukturen aufzubauen, lokale Initiativen, Organisationen und Unter-nehmen zu vernetzen sowie individuelle Problemlosungskompetenzen auch bishernicht organisierter Burgerinnen und Burger zu starken (Empowerment).“ (DIfU,2003, 193)

Zur Vermittlung dieses Anspruchs an die konkreten Bewohner der Gebiete fungie-ren erneut die professionellen Gebietsentwickler als Schlusselinstrument. Die Quar-tiersmanager sind durch die Nahe zu den Bewohnern in der Lage, die

”Leute davon

zu uberzeugen, sich zu engagieren und vielleicht auch mal, in dem ein oder an-deren Fall mit gutem Beispiel voranzugehen.“ (IntBox20) Die Quartiersmanager

22 Die Ausrichtung des Programms entspricht damit einer Tendenz, die Esser/Hirsch bereits Endeder 1980er Jahre mit dem Endpunkt einer dezentralen Tatigkeitsgesellschaft prognostizieren:

”Der Abschied von der Massengesellschaft ist angesagt, der Aufstieg des neuen Individuumssteht auf der Tagesordnung. Gefordert ist der flexible, mobile, wagemutige, risikobereite, allzeittatige Arbeiter-Unternehmer. Mit seinesgleichen steht er in Betrieb, Familie, Nachbarschaft,Kommune, Region aktiv und tatig an seinem Platz, bildet zur Uberwindung von Schwierig-keiten kleine solidarische und opferbereite Gemeinschaften, hilft erst sich selbst, bevor er nachdem großeren Verband ruft. Am Ende steht die individualisierte, mittels dezentraler korpora-tiver Strukturen vernetzte Markt- und Tatigkeitsgesellschaft.“ (Esser und Hirsch, 1987, 50)

72

Page 75: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

bemuhen sich um eine”sinnvolle Freizeitgestaltung“ der Jugendlichen (IntSold18),

”spuren Ideen auf“ (IntWrangl4), bemuhen sich,

”die nachbarschaftlichen Kontakte

zu starken“ (IntBox60)

”Demnach kann Quartiermanagement generell als strategischer Ansatz zum

systematischen Aufbau von selbsttragenden sowie nachhaltig wirksamen perso-nellen und materiellen Strukturen im Quartier bezeichnet werden.“ (DIfU, 2003,176)

Eine Einwirkung auf die Selbstverhaltnisse der Individuen wird im Kontext desProgramms als ausdruckliche Zielsetzung formuliert und ist damit ein wichtigesKennzeichen fur den veranderten Politikansatz.23 Mit dem erkenntnisleitenden theo-retischen Gerust ist zu prufen, inwiefern diese Anrufung der Bewohner zu akti-ven Burgern als Aspekt gouvernementalen Regierens zu fassen ist. Ausgehend vonder theoretischen Bestimmung der Gouvernementalitat erscheinen Prozesse auf derEbene des einzelnen Subjekts als eine entscheidende Komponente der gegenwarti-gen Regierungsweise. Die Spezifik gegenwartiger Machtverhaltnisse laßt sich gemaßFoucault mit dem doppelten Bedeutungsgehalt des Begriffs der Fuhrung versinn-bildlichen.

Der Begriff verweist zum einen auf den Aspekt des Anfuhrens anderer, sowieauf das eigene richtige Verhalten, die selbstandige gute Fuhrung in einem offenenHandlungsfeld (vgl. Foucault, 1994, 255). Ahnlich begreift Foucault nun die Wir-kungsweise gegenwartiger Regierung, die als

”Fuhren der Fuhrungen“ respektive in

einer”Schaffung von Wahrscheinlichkeiten“ (ebd.) auf den Raum moglicher Hand-

lungen einwirkt. Gegenwartig erstrecken sich Machtwirkungen damit insbesondereauf die Subjekte und die Art ihrer Selbstfuhrung. Mittels der Anfuhrung zur ad-aquaten Selbstfuhrung wird das Moglichkeitsfeld der Individuen strukturiert, derAspekt der Selbstfuhrung ist in diesem Sinn ein Bestandteil gouvernementalen Re-gierens.

From the perspective of governmentality, government refers to a continuum,which extends from political government right through the forms of self-regulation, namely ,technologies of the self‘ as Foucault calls them.“ (Lemke,2001b, 201)

Im konkreten Fall des Programms ,Soziale Stadt‘ wird nun Sorge getragen, dassdie Individuen die Kategorie ,aktiver Burger‘ fur sich als relevant und handlungs-leitend annehmen. Mit der Problematisierung des fehlenden nachbarschaftlichen

23 Die hier deutlich gewordene Tendenz des Programms, Stadtteilentwicklung auch und mit beson-derem Fokus auf die Mobilisierung der Bewohner zu organisieren kennzeichnet fur Ulrich Beckdie Zukunft politischer Steuerung allgemein: ”Wenn Politik uberhaupt noch einen Kern hat,dann ist es die Mobilisierung von Zustimmung, beispielsweise durch aktives Einbeziehen derBurger. Eine Zustimmung, die unter den gegebenen Bedingungen, vorbehaltlich, wechselhaftund anspruchsvoll geworden ist.“ (Beck, 2000, 16)

73

Page 76: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Zusammenhalts legt der Politikansatz den Fokus auf die individuelle Selbststeue-rung als Ressource fur die Entwicklung problematischer Stadtteile. Gesucht wirdder charismatische Nachbar mit Visionen, der andere dazu anstiften kann, etwas zutun.24

Dieser veranderte Fokus auf die Individuen deckt sich mit den neuen Verfahreneiner gouvernementalen Steuerungsweise, wie sie von Robert Castel fur die gegen-wartige Regierung des Sozialen herausgearbeitet wurden.

Traditionelle Sozialpolitik war darauf gerichtet, mit einem einheitlichen Apparatund burokratischen Mitteln ein Maximum an Menschen zu erreichen. Allerdingswaren die Ansatze eher korrigierend und reparierend. Die Steuerung bezog sichauf die Milderung der Lebenssituation an den Randern des Sozialen, unabhangigaus welchen strukturellen oder personlichen Grunden die Individuen an diese Stellegelangt waren. Gegenwartig vollzieht sich – so Castel – ein Wandel in Richtungeiner praventiv lenkenden und zuschreibenden Art der Sozialpolitik. Nun wird nichtmehr reaktiv die sichtbare Polarisierung abzumildern versucht, sondern aktiv dieVision eines selbstandig funktionierenden gesellschaftlichen Raums entwickelt. DieIndividuen sind nicht mehr nachtraglich zu disziplinieren, zu therapieren oder vorunzumutbaren Harten zu schutzen, sondern sie sind praventiv in dieses Idealbildeinzufugen.

Instead of segregating and eliminating undesirable elements from the soci-al body, or reintegrating them more or less forcibly throught corrective ortherapeutic interventions, the emerging tendency is to assign different socialdestinies to individuals in line with their varying capacity to live up to therequirements of competitiveness and profitability.“ (Castel, 1991, 294)

Diese Verschiebung laßt sich an dem Politikansatz des Programms ,Soziale Stadt‘fur die gefahrdeten Nachbarschaften beobachten. Eine selbststeuernde aktive Nach-barschaft wird als Problemlosungsinstrument antizipiert, fur die Bewohner ist dabeidie Rolle als ,aktiver Burger‘ und ,Experten‘ fur die Probleme des Stadtteils vorge-sehen.

”Mit dem zentralen Ziel des Programms ,Aktivierung und Beteiligung‘ der

Bewohnerschaft wird die Aufmerksamkeit auf Bevolkerungsgruppen gelenkt, die

24 Mit dieser Formulierung beschreibt Ulrich Beck den Gemeinwohl-Unternehmer in seiner Zu-kunftsversion der Sozialpolitik, der als eine Mischung des Aktivburgers und des Quartiersmana-gers aus dem hier untersuchten Programm gelten mag: ”»Gesucht: Der charismatische Nachbarmit Visionen, Experimentierfreude und Pragmatismus, der andere dazu anstiften kann, etwaszu tun, auf das sie von selbst nie gekommen waren. Starthilfe und Grundfinanzierung werdenzur Verfugung gestellt. Gehalt ist Verhandlungssache.« So oder so ahnlich konnte die Stel-lenanzeige fur einen vollig neuen Managertyp aussehen: den »Gemeinwohl-Unternehmer«. Erspielt im Konzept der Burgerarbeit eine entscheidende Rolle. Unter seiner Regie soll freiwilli-ges soziales Engagement kanalisiert und mit den Bedurfnissen und Nachfragen von Kommunenabgestimmt werden.“ (Beck, 2000, 49)

74

Page 77: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

bisher eher ein Schattendasein in den gesellschaftlichen Entwicklungsprozessenund damit auch der offentlichen Wahrnehmung fuhrten, und denen nun mitder Aufforderung zu Meinungsaußerung und Mitgestaltung die Ubernahme einerExpertenrolle fur die Weiterentwicklung ihrer Quartiere angetragen wird.“ (DIfU,2003, 20)

Strategisches Ziel ist also nicht mehr die nachtragliche Intervention, sondern diepraventive Herstellung der adaquaten Subjekte.

Allerdings wird hier ein deutlicher Bruch zwischen den avisierten Zielen des Po-litikansatzes und der realen Umsetzung in der konkreten Praxis der Berliner Ge-biete deutlich. Die Anrufung aktiver und verantwortlicher Subjekte, die sich einerSelbstfuhrung im Sinne vorgegebener Ziele unterziehen, kann tatsachlich nur sehrbegrenzt erreicht werden. Die avisierte Form der Subjektivitat geht an der Lebens-realitat vieler Bewohner gerade in den defizitaren ,gefahrdeten Nachbarschaften‘vorbei. Einerseits bedarf es bestimmter Kapazitaten und Fahigkeiten, um sich derso geforderten Selbstfuhrung als Experte fur das lokale Wohnumfeld und aktiverBewohner uberhaupt unterziehen zu konnen. Diese Ressourcen sind insbesonderein den Programmgebieten strukturell weniger vorhanden.

”Allerdings ist ein Großteil der Bevolkerung mit der Bewaltigung des Alltags

bereits so stark gefordert, dass er kaum die Kraft aufbringt, den zusatzlichenemotionalen und zeitlichen Aufwand zu betreiben, der notig ist, um am Aufbauselbstorganisierter Unterstutzungsstrukturen mitzuwirken.“ (DIfU, 2003, 20)

”Also die amerikanischen Verhaltnisse, wo die Leute Geld haben und sich dann

auch Wohlfahrtsmaßig engagieren zum Feierabend, haben wir hier nicht.“ (Int-Magd12)

Zum anderen sind mit der Annahme der Verantwortung und dem Einbezug in dieGebietsentwicklung zuwenig finanzielle Anreize fur die Bewohner verbunden.

”Also, dadurch, daß wir halt Arbeitslosengeld und Sozialhilfe und all die staatli-

chen Transferleistungen haben, macht es das relativ schwierig, normale Bewohnerin Anfuhrungszeichen auch uber geringfugiges Honorar zu beteiligen, weil das hatunmittelbar Konsequenzen fur das Arbeitslosengeld, z.B.“ (IntWrangl2)

”Die Leute sehen das uberhaupt nicht ein, die wollen nicht umsonst arbeiten.“

(IntMagd12)

Das Programm erreicht von daher hauptsachlich einen Personenkreis, bei dem ei-nerseits die notigen Kapazitaten, andererseits die Bereitschaft zum Engagementbereits von vorneherein vorhanden ist.

”Ja, das kann man so sagen. Also das sind halt Leute, die sich artikulieren

konnen, das sind teilweise Antragsprofis - nenn ich sie mal - aus den Institutionen,aus den Vereinen hier vor Ort, aber auch Privatpersonen die sich artikulierenkonnen und die Ideen haben und die umsetzen mochten.“ (IntMagd15)

75

Page 78: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

”Also das sind uberwiegend Leute, die eh schon in einer Initiative sind.“ (In-

tReuter13)

Insgesamt bleibt die hier dargestellte Wirkung des Politikansatzes auf die Subjekteweitgehend ein programmatisches Ziel, die konkrete Reichweite in den Berliner Ge-bieten beschrankt sich auf eine kleine Gruppe, die ubrigen Bewohner nehmen dieExistenz des Programms meist gar nicht wahr.

”Also wie gesagt wir haben nicht mit allen 9000 Burgern Kontakt, sondern wir

haben einen festen Kreis von ich wurde mal sagen 250 Burgern, mit denen wirregelmaßig Kontakt haben und auch Projekte abwickeln.“ (IntMagd14)

”Also selbst in meinem naheren Bekanntenkreis ist es so, das viele gar nicht

wissen, daß es so ein QM gibt auch wenn sie hier wohnen. Und ich habe schonden Eindruck, daß sehr viele Mitstreiter, die hier mitmachen, uber Initiativenkommen. Also Bewohner die hier nur wohnen, die ihrem ganz normalen Alltagnachgehen und die nicht in irgendeiner Organisation tatig sind, oder in einemVerein, die wissen das oft nicht, daß es das gibt.“ (IntReut7)

Allerdings sind aus der Perspektive der Gouvernementalitat nicht die konkretenSubjekte Gegenstand des Interesses,

”sondern die Richtung, in der die Individuen

verandert werden und sich verandern sollen. Das hier produzierte Subjekt existiertnur als Gerundivum, als zu produzierendes und zu optimierendes.“ (Brockling, 2002,178f) Die Fluchtlinien der von dem Programm zentralen Kategorie des ,aktivenBurgers‘ fur eine Beschrankung des Feldes moglicher Handlungen sollen daher imFolgenden naher untersucht werden.

3.3.2 Verantwortungszuschreibung

Der veranderte Ansatz der Steuerung durch die Bereitstellung von musterhaftenSelbstverhaltnissen, kommt deutlicher zum Ausdruck, betrachtet man den zweitenAspekt, unter dem die Bewohner in den Gebieten des Programms ,Soziale Stadt“ an-gesprochen werden. Neben der bloßen Aktivierung der Burger zur Formulierung vonInteressen und zum zivilgesellschaftlicher Engagement ist ein zweites Ziel des Pro-gramms die konkrete Beteiligung der Bewohner an der Problemlosung im Stadtteil.Aktivierung und Beteiligung sind in allen am Programm teilnehmenden Landernunstrittig Ziele mit grundlegender Bedeutung (DIfU, 2003, 196). Allerdings variiertdie konkrete Ausgestaltung der Ansatze, Aktivierung und Beteiligung zu fordern.Der Aspekt der Beteiligung bedarf

”mehr oder weniger geplanter Verfahren [. . . ] und

konkreter Zielvorstellungen“ (DIfU, 2003, 197). Im Zuge der Programmumsetzungfallen darunter die Einrichtung von Stadtteil- oder Burgerforen, Zukunftswerkstat-ten, Burgergutachten und ahnliche beteiligungsorientierte Projekte (ebd., 198).

Ein Instrument, das modellhaft in Berlin eingefuhrt worden ist, und besondereBeachtung erfahren hat, soll im Folgenden naher untersucht werden. Die in den Leit-linien als Maßnahme vorgeschlagene

”Ausstattung der Stadtteilbeirate mit kleinen

76

Page 79: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Verfugungsfonds“ (ARGEBAU, 2000, 5) wurde in Berlin in einer besonders weitrei-chenden Form umgesetzt. Hier wurden fur jedes Quartier des Programms ein Fondvon 500.000 Euro eingerichtet, uber dessen Verwendung ein paritatisch aus zufal-lig aus dem Einwohnermelderegister ermittelten Bewohnern und Vertretern lokalerInitiativen besetzter Vergabeausschuss zu entscheiden hatte.

Auf der einen Seite konnte mit diesem Instrument der Burgerjury erreicht werden,die zufallig ausgewahlten Personen erstmals fur die Belange ihrer Nachbarschaft zuinteressieren.

”Und dort ist es eben gelungen diese Personengruppe einzubeziehen, die bisher

nicht aktiv waren und dazu beizutragen, daß sie sich auch weiterhin furs Gebietinteressiert und auch die Informationen weitertragt.“ (IntBox34)

Durch die formale Struktur monatlicher Sitzungen mit einer an konstante Beteili-gung geknupften Beschlussfahigkeit, sowie durch die hohe Summe des Fonds, dieden Entscheidungen der Jury zu einer relevanten und verantwortungsvollen Aufga-be macht, hat das Instrument die gewunschte Kommunikation unter den Bewohnerhergestellt.

”Da war ja sozusagen Erscheinungszwang, es mussten 85 Prozent anwesend

sein, damit wir stimmberechtigt waren, ist ja schon ein ziemlich hoher Prozent-satz, es gab immer Vertreter, aber es ist nur einmal ausgefallen, und es gab immerden Ansporn, du musst jetzt da sein, sonst fallt das Ding aus. Und das hat dazugefuhrt, das die Leute da waren. Dann gab es noch die 20 Euro Sitzungsgeld,das ist auch immer noch so ein kleiner Anreiz. Und so haben wir uns uber einengewissen Zeitraum regelmaßig gesehen.“ (IntReut12)

”Es hat sich in 17 Sitzungen einfach eine sehr starke Vertrautheit zwischen den

Leuten herausgebildet. Die haben miteinander gesprochen und das waren schließ-lich Teilnehmer aus unterschiedlichen Gebieten und unterschiedlichen Fachberei-chen. Und die haben wirklich diskutiert. Und es sind wirklich Netzwerke entstan-den.“ (IntSold23)

Gleichzeitig wurde erreicht, daß sich die Bewohner starker mit der Problematikihres Wohnumfeldes identifizieren, und das Bewußtsein fur eine Mitverantwortungfur die Problemlosung in den Gebieten der bisher passiven Bewohner konnte gewecktwerden.

”Vielleicht war das auch gar kein schlechter Anfang, zu sagen, die haben diese

passive Rolle gehabt, uber etwas entscheiden zu mussen, und haben das gemacht,und haben sich befahigt, in solchen Kategorien erstmal zu denken. Haben durchsolche Antrage dann auch mal eine Menge der Problematik hier im Kiez kennengelernt.“ (IntSold23)

Die Beteiligung der Bewohner durch das institutionalisierte Verfahren der Bur-gerjury kennzeichnet insofern die gelungene Ubertragung der Rationalitat des Po-litikansatzes in die soziale Praxis. Die zugewiesene Entscheidungskompetenz, die

77

Page 80: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Herstellung des Kontakts zwischen zufallig bestimmten Bewohnern und bereits inzivilgesellschaftliche Strukturen eingebundenen Akteuren fordert die von dem Pro-gramm avisierte nachbarschaftliche Struktur der lokalen ,Communities‘. Der zweiteEffekt, der mit diesem Verfahren auf der Ebene der individuellen Subjekte erreichtwird, ist zudem die Einbindung in die Verantwortung fur die Losung der Problemein dem Gebiet. Die Mitentscheidung uber die Problemlosung legt eine Mitverant-wortung fur das Gelingen der Problemlosung nahe.

Bei der konkreten Umsetzung in den Gebieten wird dieser Aspekt der Einbindungin Verantwortung unter anderem darin deutlich, daß mit der Beteiligung der Bewoh-ner ein besonders verantwortlicher und effizienter Umgang mit den Finanzmittelngewahrleistet werden konnte. Die fur Projekte der Stadtteilentwicklung notwendi-gen Summen liegen ausserhalb der gewohnten Summen, mit denen in der Lebens-welt insbesondere der sozial und meist auch finanziell benachteiligten Bewohnersonst umgegangen wird. Als Mitentscheider uber offentliche Gelder verlangen dieBewohner starker als die normalen Entscheidungswege der Verwaltung nach Ver-wendungsnachweisen und der Sicherstellung eines effizienten Einsatzes der Mittel.

”Weil bei 10.000 Euro einfach auch so eine Großenordnung eingesetzt hat, die

uber die unmittelbare Vorstellungskraft auch dann hinausgeht, weil 10.000 Eurofur den normalen Bewohner, sei er nun erwerbstatig oder sei er sogar arbeitslos,naturlich ne gewaltige Summe ist, und man dann gesagt hat: wir lassen unsda nochmal zusatzliche Informationen zuarbeiten, geht das nicht gunstiger, sinddie Honorarsatze angemessen, gibt es nicht schon vergleichbare Angebote. Alsoda schon sehr verantwortungsbewußt mit den offentlichen Gelder umgegangenworden ist.“ (IntBox36)

”Gerade diese Burgerjury die hatten ja am Anfang Schwierigkeiten auch uber

100.000 Euro zu entscheiden oder uber 50.000 und zu sagen ja. Da gehen dannauf einmal 70% Personalkosten und die sagen, ja wo ist das Geld, mein Gott.Aber das muss erst mal gelernt werden, dass bestimmte Sachen, bestimmteGelder kosten.“ (IntSold23)

”Aber erfahrungsgemaß ist das auch so, daß die Jurys recht verantwortlich mit

dem Geld umgehen und auch erkennen, wenn ein Projekt sinnlos ist, und ich habnoch - also von unserer Quartiersfondjury wurd ich sagen sind wirklich nur Pro-jekte auch dann durchgewunken worden, die eine Chance hatten zu funktionierenund sinnvoll gewesen sind.“ (IntMagd10)

Die Bewohner nehmen die zugewiesene Verantwortung, in die Entscheidungen be-zuglich ihres lokalen Nahbereichs eingebunden zu sein, wie hier sichtbar wird, sehrernst.

Insgesamt zielt das strategische Handlungsziel”Aktivierung und Beteiligung“ des

veranderten Politikansatzes im Kontext des Programms ,Soziale Stadt‘ auf eine be-stimmte Modellvorstellung aktiver und verantwortlicher Burger, die sich dauerhaftin selbsttragende Bewohnerorganisationen einbringen und die Stadtteile

”schritt-

weise wieder als selbstandige Gemeinwesen funktionieren“ (DIfU, 2003, 193) lassen.

78

Page 81: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

Mit instituionalisierten Beteiligungsverfahren und durch aktivierende Maßnahmeninsbesondere der Gebietsentwickler geht es in dem Programm darum, auf die all-tagliche Lebenswelt der Bewohner im Sinne der Gebietsentwicklung Einfluss zunehmen. Die Individuen werden als Bewohner angesprochen, die bestimmte Pflich-ten nachbarschaftlichen Zusammenhalts und eine Verantwortung fur ihren lokalenNahbereich haben.

Die Reaktion auf die sich verscharfende soziale Situation der Gesellschaft, die inbesonderer Weise in den Stadtteilen zum Ausdruck kommt, besteht dem verander-ten Politikansatz gemaß darin, die

”Burger als Koproduzenten“ (DIfU, 2003, 23),

”als Produzent, als aktive Person“ (IntDifu14) zum Handeln zu befahigen und zu

aktivieren.Allerdings geschieht diese Betonung der Selbstverantwortung vor dem Hinter-

grund einer weiterhin objektiv beschrankten Entscheidungsfahigkeit der Bewohner.Zum einen wird auch in dem sehr weitgehenden Verfahren der Burgerjury, wel-ches eine direkte Entscheidung uber die Mittel zu gewahrleisten scheint, keine realeVerlagerung von Entscheidungskompetenz auf die Ebene der Burger vorgenommen.Zum anderen sind die Bedingungen fur eine tatsachliche Verantwortungsubernahmestrukturell beschrankt.

Die institutionelle Beschrankung zeigt sich im Hinblick auf die konkrete Arbeitder Burgerjury in Berlin. So wurden die Projekte, die der Burgerjury zur Abstim-mung vorgelegt wurden jeweils im Vorfeld von Seiten der Verwaltung gepruft undim Zweifelsfall an dieser Stelle ausgesondert. Die Funktion der Burgerjury bestehtalso allein in einer Prioritatensetzung aus einem vorgegebenen Maßnahmenbundel.

”Es gab eine Geschaftsstelle Quartiersfond und der Mitarbeiter hat uberhaupt

erst gepruft, ob diese Antrage durchfuhrbar sind, ob die den entsprechendenRegelungen entsprechen, ob die mit dem Programm vereinbar sind. Und alles wasuns [der Burgerjury, H.F.] vorgelegt war, ware theoretisch durchfuhrbar gewesen,und das war in unserem Ermessen, zu entscheiden, ob wir die erforderlich hieltenfur das Quartier oder nicht.“ (IntReut3)

”Mein Hauptproblem, was ich immer hatte mit der Burgerjury war, dass sie

immer genau das nicht war, sie war nicht eine initiierende Institution, sondernsie war eine Institution die ein Stuck weit passiv war, und eigentlich nur Ent-scheiden musste uber Antrage, die an sie herangetragen worden sind. Die aktiveAntragsformulierung, die kam von ganz anderen.“ (IntSold25)

Hier wird deutlich, inwiefern die Beteiligung der Bewohner nicht als eine Wen-dung in Richtung Basisdemokratie zu verstehen ist. Fur die Klassifizierung als Formbasisdemokratischer Entscheidungsfindung ist der Rahmen, der einer Burgerbetei-ligung im Kontext des Programms zugewiesen wird, zu eng gesteckt. Hier geht eslediglich um die Beteiligung an der Entscheidung uber die bevorzugte Maßnahme,die in ihren Formen und Mitteln bereits weitgehend von außen vorgegeben sind.Zudem ist der Rahmen des Gebiets mit besonderem Entwicklungsbedarf, in dem

79

Page 82: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

die Maßnahmen wirksam werden, von außen gesetzt. Aufgrund dieser Beschrankun-gen sind aber die Bedingungen fur Basisdemokratie in einem anspruchsvollen Sinnnicht gegeben.

”Demokratie im anspruchsvollen Sinn wurde bedeuten, dass alle von den Ent-scheidungen Betroffenen sowohl uber sie wie uber die Verfahren der Entschei-dung entscheiden. Dies schließt Entscheidungen uber die raumliche, sozialeund zeitliche Reichweite ein.“ (Demirovic, 2001, 143)

Schon aus demokratietheoretischen Grunden kann in einer formal reprasentativverfassten Demokratie einem nicht demokratisch legitimierten Gremium keine realeEntscheidungskompetenz zukommen.

Der Politikansatz des Bund–Lander-Programms respektiert diese Grenzen derverfassungsmaßigen Ordnung des Grundgesetzes mit der engen Kompetenzsetzungder institutionalisierten Beteiligungsverfahren. Eingedenk dieser objektiven verfas-sungsmaßigen Beschrankung wird deutlich, inwiefern die Beteiligung der Bewohneran der Problemlosung keine tatsachliche Beteiligung an Entscheidungskompetenzbeinhaltet. In dem strategischen Handlungsziel Aktivierung und Beteiligung kommtdie im gegenwartigen politischen Diskurs zunehmend eingeforderte Integration zivil-gesellschaftlicher Akteure in die politische Steuerung und die Zielperspektive einerdeliberativen Demokratie zum Ausdruck. Im Anschluss an Barbara Sauer geht da-mit aber eher eine Demokratisierung der Entscheidungslosigkeit als eine Starkungbasisdemokratischen Entscheidens einher.

”Die Zivilgesellschaft debattiert und de-

liberiert, aber entschieden wird an anderen Orten.“ (Sauer, 2003, 172)Neben dieser in der Ausgestaltung des Programms selbst gesetzten Grenze fur

Beteiligung werden außerdem Bruche deutlich, die zwischen der den Bewohnernzugeschriebenen Verantwortung fur Problemlosung und ihren realen Moglichkeiten,diese Aufgabe zu bewaltigen, bestehen. Die Defizite der ,gefahrdeten Nachbarschaf-ten‘ wie Arbeitslosigkeit, mangelnde Bildung oder fehlende Ressourcen, haben zumgroßen Teil strukturelle gesellschaftliche Ursachen, was in der Formulierung desProgramms bereits klar erkannt wird. Der Problemlosungsort entspricht nicht demProblementstehungsort. Die reale Entscheidungsgewalt der in und fur ihre lokaleNachbarschaft aktiven Burger ist dadurch strukturell begrenzt.

”Beispielsweise gab es Kritik aus dem Modellgebiet Hamburg-Altona – Lurup

daran, dass Burger immer noch wahrgenommen werden als Leute, die man jetztin Krisenzeiten [. . . ] aktivieren soll, ohne dass man die grundsatzlichen Rahmen-bedingungen verandert. (DIfU, 2003, 20)

”Die Arbeit in den Quartieren kann nur an den Folgen struktureller Probleme

(Leerstand, Armut, Arbeitslosigkeit usw.) ansetzen, nicht (zumindest nicht inder Regel) aber die problemverursachenden Faktoren bearbeiten/beeinflussen.“(DIfU, 2003, 176)

”Der grundlegende Mangel des Programms Soziale Stadt ist bisher: Die Ten-

denzen, die zur Herausbildung von benachteiligten und benachteiligenden Quar-

80

Page 83: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

tieren fuhren, werden nicht zum Gegenstand der Politik fur eine sozial gerechteund sozial integrierte Stadt gemacht.

”(DIfU, 2003, 20)

Das Programm formuliert trotz des Bewußtseins um diese strukturell beding-te Entscheidungsunfahigkeit die Zielperspektive der Aktivierung und Beteiligung.Wie hier erkennbar wird, liegt der Rationalitat des Politikansatzes mit der Beto-nung des Aspekts des Empowerment keine reale basisdemokratische Zielsetzungzugrunde. Die Einbindung aktiver und verantwortlicher Burger soll keine reale Ent-scheidungsverlagerung, sondern eher die Wahrnehmung einer eigenen Verantwor-tung fur die strukturellen Probleme bewirken. Damit ordnet sich die Rationalitatdes Programms in die von Marianne Pieper beobachtete allgemeine Tendenz, dieEbene auf der Armut und Ausgrenzung bekampft werden, von der Makroperspek-tive der Konjunktursteuerung und Krisenpravention hin zu einer Perspektive aufdie Selbststeuerung der Einzelnen zu verlagern.

”Die Verantwortung fur die soziale

Sicherung verschiebt sich mehr und mehr auf das Subjekt und dessen Kapazitatenzur Selbststeuerung.“ (Pieper, 2004, 149) Analog erkennt auch Lemke die Tendenz,gesellschaftliche Probleme nicht mehr in strukturellen Kategorien wahrzunehmen,sondern sie verstarkt an individuelles Fehlverhalten zu knupfen.

”It is not social-

structural factors which determine wether unemployment, alcoholism, criminality,child abuse, ect., can be solved, but instead individual-subjective categories.“ (Lem-ke, 2001b, 202)

Auf diese Weise wird die Verantwortung fur gesellschaftliche Risiken wie Krank-heit, Arbeitslosigkeit oder Armut

”in den Zustandigkeitsbereich von kollektiven

und individuellen Subjekten (Individuum, Familien, Vereine, etc.)“ (Lemke, 2000,38) ubertragen und zu einem Problem der Selbstsorge gemacht. Der Politikansatzfolgt diesem Muster in dem angestrebeten Einbezug der Bewohner als Mittel derSelbstregulierung vor der Kulisse einer strukturell als unveranderbar gesetzten zu-nehmenden Prekaritat.

”Es zeichnet sich ab, das noch alles sehr viel harter wird also ich sag nur

Hartz 4, das wird das Ganze sicher auch nicht einfacher machen, also muß manda jetzt versuchen so gut es geht gegenzusteuern, und so gut es geht die Leuteinstandzusetzen selbst zu agieren.“ (IntDifu19)

3.3.3 Selbstfuhrung als verantwortliches Subjekt

Mit dem Konzept der Gouvernementalitat wird diese spezifische Weise, in der dasProgramm unter dem Handlungsziel

”Aktivierung und Beteiligung“ die Selbstver-

haltnisse der Bewohner in den Fokus nimmt, somit als Aspekt des Regierens fassbar.Wie gesehen fasst der Regierungsbegriff des Konzepts all jene Vorgange, mit de-nen die Selbstfuhrung der Individuen beeinflusst wird.

”Government then is the

regulation of conduct by the more or less rational application of the appropriate

81

Page 84: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

3 Regierungstechnologie ,Soziale Stadt‘

technical means.“ (Lemke, 2002, 53) Die konkrete Zielperspektive aktiver und betei-ligungsbereiter Burger, die der Politikansatz fur das Selbstverhaltnis der Bewohnervorsieht, erscheint vor diesem Hintergrund als eine spezifische Art der Steuerungdurch Selbstfuhrung, die von verschiedenen Autoren als Charakteristikum neolibe-raler Regierungsweise ausgemacht worden ist.

In unterschiedlichen Studien ist im Bezug auf das Konzept der Gouvernemen-talitat die Strategie einer Responsibilisierung als Technik gegenwartigen Regierensauf der Ebene der Subjekte herausgestellt worden (vgl. O’Malley, 1996; vgl. Greco,2000; vgl. Wohl, 2003). Es lassen sich gegenwartig eine Vielfalt von Verfahren undTechniken beobachten, deren

”gemeinsames Prinzip darin besteht, Individuen oder

auch Korperschaften, Institutionen usw. zu aktiven Subjekten zu machen und Kraf-te und Aktivitaten zu bundeln und zu mobilisieren, durch Verantwortlichmachen.“(Krasmann, 2003, 183) Aufgaben, die bisher in staatlicher Verantwortung lagen,konnen auf diese Weise neu definiert und umverteilt und Verwaltungsstrukturenund Institutionen restrukturiert werden.

Durch die Zuweisung von Verantwortung erfolgt aber gleichzeitig die Zuweisungeines bestimmten Handlungsrahmens, eine Anbindung der Individuen an bestimmteFormen und Richtungen der Selbstfuhrung.

”However, the price of this involvement is that they [the individuals, H.F.]must assume active responsibility for these activities, [. . . ] and in so doing,they are required to conduct themselves in accordance with the appropriate(or approved) model of action.“ (Burchell, 1996, 29)

Einerseits beinhaltet der so gefasste Vorgang also die Verlagerung von Verantwor-tung aus der staatlichen Aufgabenwahrnehmung, andererseits geht mit diesem Ein-bezug in die Verantwortung die Beschrankung des Feldes moglicher Handlungeneinher.

Diese Strategie der Responsibilisierung kennzeichnet den konkreten Politikan-satz des Bund-Lander-Programms. Die Bewohner sollen angeleitet durch die Be-teiligungsverfahren und die Aktivierung von Projekten durch das Quartiersma-nagement in die Gebietsentwicklung einbezogen werden. Zum anderen wird mitden vorstrukturierten Beteiligungsverfahren und der indirekten Lenkung durch dasQuartiersmanagment gemaß ubergeordneter Ziele, der Rahmen dieser Aktivitat be-grenzt. Mit den programmatischen aktiven und verantwortlichen Subjekten ist derPolitikansatz bestrebt, das Potenzial ,lautlos‘ im Sinne der ubergeordneten Zielehandelnder Bewohner fur die Gebietsentwicklung zu nutzen.

”Das ist mehr die Frage...oder das ist nicht die Frage, ob die Leute aktiv sind

und irgendwas machen, das ist nicht die Frage. Die sind ja aktiv und machenirgendwas. Aber meistens ist das eben nicht das, was der Staat sozusagen ha-ben will. Und deshalb versucht der Staat - aus meiner Sicht - die Aktivitat derBevolkerung auch teilweise fur sich zu nutzen.“ (IntMagd24)

82

Page 85: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

4 Fazit

Anliegen der vorliegenden Arbeit war es, den gegenwartig sich vollziehenden Trans-formationsprozess im Verhaltnis von Gesellschaft und Staat auf seine Implikationenfur die einzelnen Individuen zu analysieren. Im Hintergrund stand die grundsatz-liche Frage nach der Bedeutung des offensichtlichen Ruckzugs des Staates fur dasPhanomen der politischen Steuerung der Einzelnen. Unter den Bedingungen einerzunehmend in individuellen Lebensstilen ausdifferenzierten Gesellschaft, wachsen-der sozialer Polarisierung in Zeiten von Massenerwerbslosigkeit, Spaltung der Ge-sellschaft in prosperierende und aufgegebene Raume bis hinunter auf die Ebene derStadtteile, stellt sich die Frage nach effizienten Formen der Sicherung gesellschaft-licher Kohasion. Die genannten Desintegrationstendenzen artikulieren sich wie ge-sehen in besonders ausgepragter Form in bestimmten Teilen der Stadt. Der Bereichder sozialen Stadtentwicklung wurde hier von daher als ein Experimentierfeld be-griffen, auf dem Problemlosungsinstrumente erprobt werden, die in ihren Konturenauf mogliche zukunftige Entwicklungen verweisen. Vor diesem Hintergrund wur-de Das Bund-Lander-Programm

”Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf

– die soziale Stadt“ als eine exemplarische Reaktion politischer Steuerung fur dieUntersuchung herausgegriffen. Das Interesse richtete sich auf die Modelle, die dasProgramm im Hinblick auf das Problem der Regierung entwirft. Dazu wurde derBegriff der Regierung sehr weit gefasst, um auch solche Phanomene wahrzunehmen,die sich in außerstaatlichen Verfahren und bis hinunter auf die Ebene der einzel-nen Subjekte vollziehen. Hier bot der Begriff der Gouvenementalitat von MichelFoucault ein erkenntnisleitendes Instrument.

Es konnte somit an einem empirischen Politikansatz gezeigt werden, in welcherprogrammatischen Form sich in der gegenwartigen politischen Rationalitat eineneuartige Technologie des Regierens darstellt. Ausgehend von der an dem konkretenPolitikansatz des Bund-Lander-Programms aufgezeitgen Apparatur des Regierenssind Ruckschlusse auf die Konturen nachwohlfahrtsstaatlichen Regierens moglich.

Die grundlegende Wirkungsweise dieses veranderten Regierens ist der effektive-re Zugriff auf die Individuen mit Hilfe einer koordinierten Dezentralisierung derRegierungsfunktion, so das Ergebnis der vorliegenden Arbeit. Die raumliche Auf-splitterung der Regierungsfunktion bleibt unter der Koordination einer ubergeord-neten Instanz. Wie an dem konkreten Politikansatz gezeigt werden konnte, stelltsich diese Effektivierung des Zugriffs einerseits uber eine raumlich differenzierteRegierungsfunktion, andererseits durch den Ubergang von einem therapierenden zueinem aktivierenden Steuerungsmodell her. In beiden Fallen erfolgt damit eine Ver-

83

Page 86: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

4 Fazit

lagerung der Regierungsfunktion von der zentralen Instanz der offentlichen Handbei fortgesetzter Koordinierung der Steuerung.

Die Regierungsfunktion wird raumlich dabei in doppelter Hinsicht dezentralisiert.Zum einen richtet sich die Steuerung nicht mehr zentral auf die Gesamtgesellschaft,sondern nimmt durch statistische Verfahren besonders problematische Teilbereichein den Fokus. Im Sinne einer Effektivierung der Steuerung werden raumlich prazisedie Brandherde herausprapariert, in die besonders zu intervenieren ist. Zum anderenverlagert sich Steuerungskompetenz auf dezentrale Regierungsstellen innerhalb die-ser Teilraume. Die lokale Regierungsstelle kann praziser agieren und unmittelbarerreagieren. Die Regierung gewinnt an Effizienz. Gleichzeitig stehen diese Regierungs-stellen vor Ort aber in einer engen Bindung an ubergeordnete Richtlinien.

Zum zweiten kennzeichnet die koordinierte Dezentralisierung auch das nun zu-grundeliegende Steuerungsmodell. Der Fokus richtet sich auf den Einbezug der viel-faltigen gesellschaftlichen Krafteverhaltnisse in eine Verantwortung fur die zentralvorgegebene Zielerreichung. Zentrale Instrumente, um diese gelenkte Aktivierungzu erreichen, konnten in der Arbeit aufgezeigt werden.

So richtet sich der Fokus der Steuerung von einem problemlosenden zu einemidentiatspolitischen Ansatz. Es soll bei den Individuen das Bewußtsein fur die Zu-gehorigkeit zu einer lokalen Gemeinschaft gestarkt werden. Auf diese Weise solldas Verantwortungsgefuhl fur die Gemeinschaft bei den Individuen geweckt undihre Aktivitat im Sinne der Gemeinschaft erreicht werden. Dabei werden die Zu-gehorigkeiten zu dieser Gemeinschaft nach Maßgabe politischen Willens von außengesetzt. Durch intermediare Koordinatoren wird schließlich auf die Aktivitat derGemeinschaften Einfluß genommen. Dieses ,Regieren durch Community‘ bildet denMechanismus im Sinne der ausgemachten Tendenz einer koordinierten Dezentra-lisierung der Regierungsfunktion. Die so in vorbestimmter Richtung aktiven undverantwortlichen Subjekte werden zu einem sich-Verhalten in einem vorgegebenenHorizont der Moglichkeiten angeregt. Die Selbstfuhrung der Individuen wird so zurzentralen Technik der koordinierten Dezentralisierung der Regierungsfunktion.

Die Dezentralisierung und Effektivierung setzt sich schließlich auf der Ebene derFinanzierungsweise fort. Mittel werden in Form von singularer Projektforderungbereitgestellt. Auf diese Weise wird die Verantwortung fur die Entwicklung vonzielfuhrenden Maßnahmen auf die privaten Antragsteller verlagert. Die zentraleSteuerungseben bedient sich hier dem effizienten Verfahren des outsourcing.

Zusammenfassend verweist diese neue Technologie des Regierens somit auf einenFormwandel politischer Steuerung. Uber die Aktivierung der zivilgesellschaftlichenEbene und die Formierung lokaler Teilgemeinschaften vollzieht sich Regieren inForm dezentraler Kontextsteuerung. Das Untersuchungsergebnis ordnet sich damitin die eingangs beobachteten Transformationsprozesse ein. Die in unterschiedlicherPerspektive herausgearbeitete Tendenz einer ,Glokalisierung‘ auf der Ebene vonWirtschaft und Politik laßt einen zunehmenden Steuerungsbedarf unterhalb derEbene des Nationalstaates in kleinraumigen regionalen Zusammenhangen erwar-

84

Page 87: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

4 Fazit

ten. Das Leitbild des ,aktivierenden Staates‘ macht die zunehmende Verlagerungvon Kompetenzen auf eine zivilgesellschaftliche Selbststeuerung wahrscheinlich. Derdamit scheinbar zusammenhangende ,Ruckzug des Staates‘ konnte in eine Form derRegierung als ,konzertierter Aktion‘ lokaler Gemeinschaften ubergehen, eine ent-sprechende Technologie des Regierens findet gegenwartig im Bereich der sozialenStadtentwicklung Verwendung.

Der methodische Ansatz der Arbeit hat sich insofern bewahrt, als die strate-gische Richtung, die das Programm fur das Regieren im Stadtteil vorsieht, mitempirischem Material in seinen Verastelungen wahrgenommen werden konnte. DasKonzept der Gouvernementalitat war in diesem Sinne fruchtbar fur eine ”Kritik derpolitischen Anatomie”(Lemke, 2003, 273) gegenwartiger Gesellschaft. Die Bruche indenen sich die Individuen zu den programmatischen Anrufungen ins Verhaltnis set-zen und sich als empirische Subjekte konstituieren, konnten in der Arbeit allerdingsschließlich nur angedeutet werden. Hier setzte das analytische Konzept Grenzen, daes die Subjekte ausdrucklich als ßu produzierendeın den Blick nimmt. EmpirischeSubjekte entstehen demgegenuber in einer Vielzahl von sich uberlagernder unduberkreuzender, teils gegensatzlicher Identifikationen, die auch Fluchtlinien fur ei-ne Infragestellung oder Modifizierung der Art des Regierens beinhalten. Zumdemfokussierte der theoretische Begriff den Blick auf die ”Okonomie der Macht”, die”Macht der Okonomie”wird hingegen systematisch abgeblendet (vgl. Pieper, 2004,156). Fur ein umfassendes Verstandnis der konkreten Macht- und Herrschaftsver-haltnisse bedarf es daher der Einbindung der Analytik gegenwartiger Regierungs-technologie als Modul in eine politokonomisch und staatstheoretisch vernetzte Ana-lyse.

Fur sich genommen bietet das Konzept ein fruchtbares Instrument fur die kriti-sche Befragung der Gegenwart nach dem Problem der Regierung.

85

Page 88: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Alisch, Monika (1997): Soziale Stadtentwicklung - Leitlinien einer Politik furbenachteiligte Quartiere. Das Beispiel Hamburg. In: Hanesch, Walter (Hrsg.):Uberlebt die Soziale Stadt. Opladen: Leske + Budrich, 345–361. 38, 47

Alisch, Monika (1998): Stadtteilmanagement - Zwischen politischer Strategieund Beruhigungsmittel. In: dies. (Hrsg.): Stadtteilmanagement. Voraussetzun-gen und Chancen fur die soziale Stadt. Opladen: Leske + Budrich, 7–22. 40,67

Alisch, Monika (2002): Soziale Stadtentwicklung. Widerspruche, Kausalitatenund Losungen. Opladen: Leske + Budrich. 19

Alisch, Monika und Dangschat, Jens S. (1993): Die solidarische Stadt: Ur-sachen von Armut und Strategien fur einen sozialen Ausgleich. Darmstadt:Verlag fur wissenschaftliche Publikation. 16

Allen, Barry (1998): Foucault and Modern Political Philosophy. In: Moss, Jeremy(Hrsg.): The Later Foucault. London u.a.: Sage, 164–198. 29, 50, 55, 70

Altheide, David L. und Johnson, John M. (1994): Criteria for AssessingInterpretive Validity in Qualitative Research. In: Handbook of Qualitative Re-search. Thousand Oaks London New Delhi: Sage, 485–499. 31

ARGEBAU (2000): Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative ’So-ziale Stadt’. Zweite Fassung vom 01.03.2000. In: Urbanistik, Deutsches Insti-tut fur (Hrsg.): Programmgrundlagen, Arbeitspapiere zum Programm SozialeStadt. Band 3, Berlin: DIfU, 1–19. 17, 32, 40, 45, 46, 53, 63, 71, 72, 77

Bahn, Christoph, Potz, Petra und Rudolph, Hedwig (2003): Urbane Re-gime - Moglichkeiten und Grenzen des Ansatzes. in: wZB discussion paper,SP III 2003 - 201, 1–31. 12

Baumann, Zygmunt (1996): Glokalisierung oder was fur die einen Globalisie-rung ist fur die anderen Lokalisierung. in: Argument, 217, 653–664. 9

Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Frankfurt/M: Suhrkamp. 10

Beck, Ulrich (2000): Wohin fuhrt der Weg, der mit dem Ende der Vollbeschaf-tigungsgesellschaft beginnt? In: Beck, Ulrich (Hrsg.): Die Zukunft von Arbeitund Demokratie. Frankfurt/M: Suhrkamp, 7–66. 3, 13, 73, 74

Birkholzer, Karl (2002): Formen und Reichweite lokaler Okonomie. Dissertation,TU Berlin, Berlin. 14

86

Page 89: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Blanke, Bernhard und Benzler, Susanne (1991): Horizonte der lokalen Poli-tikforschung. In: dies. (Hrsg.): Staat und Stadt. Systematische, vergleichendeund problemorientierte Analysen ’dezentraler’ Politik. Opladen: Westdeut-scher Verlag, 9–32. 11

BMI (1999): Moderner Staat - moderne Verwaltung. Das Programm der Bun-desregierung. Berlin: Bundesministerium des Inneren, Stabsstelle ModernerStaat - Moderne Verwaltung. 13

Bogumil, Jorg (2002): Kooperative Demokratie - Formen, Potenziale, Grenzen.In: Haus, Michael (Hrsg.): Burgergesellschaft, Soziales Kapitel und LokalePolitik. Opladen: Leske + Budrich, 151–166. 3

Bohlender, Matthias (1998): Wie man die Armen regiert. Zur Genealogie libe-raler politischer Rationalitat. in: Leviathan, 26, Nr. 4, 497–521. 42, 48, 49

Bohlender, Matthias (2001): Metamorphosen des Gemeinwohls. Von der Herr-schaft guter polizey zur Regierung durch Freiheit und Sicherheit . In: Munkler,Herfried und Bluhm, Harald (Hrsg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn. Histori-sche Semantiken politischer Leitbegriffe. Band 1, Berlin: Akademie Verlag,247–274. 22, 42

Brand, Ulrich und Demirovic, Alex (2001): Nichtregierungsorganisationen inder Transformation des Staates. Munster: Westfalisches Dampfboot. 21

Brenner, Neil (1998): Global Cities, Glocal States: Global City Formation andState Territorial Restructuring in Contemporary Europe. in: Review of Inter-national Political Economy, 5, Nr. 2, 1–37. 11

Brockling, Ulrich (2000): Totale Mobilmachung. Menschenfuhrung imQualitats- und Selbstmanagement. In: Brockling, Ulrich, Krasmann, Susanneund Lemke, Thomas (Hrsg.): Gouvernementalitat der Gegenwart. Studien zurOkonomisierung des Sozialen. Frankfurt/M: Suhrkamp, 131–167. 27, 28

Brockling, Ulrich (2002): Das unternehmerische Selbst und seine Geschlechter.Gender Konstruktionen in Erfolgsratgebern. in: Leviathan, 30, Nr. 2, 175–194. 76

Brown, Wendy (1998): Genealogical Politics. In: Moss, Jeremy (Hrsg.): TheLater Foucault. London u.a.: Sage, 33–49. 56

Brunner-Salten (2003): Handbuch Public Change Management. Frankfurt/M:Peter Lang. 13

Brunnett, Regina und Grafe, Stefanie (2004): Gouvernementalitat und Anti-Terror-Gesetze. Kritische Fragen an ein analytisches Konzept. In: Pieper,Marianne und Rodrıguez, Encarncion Guiterrez (Hrsg.): Gouvernementalitat.Ein sozialwissenschaftliches Konzept in Anschluss an Foucault. Frankfurt/Mund New York: Campus, 50–67. 28, 29

Bryant, Raymond L. (2002): Non-governmental Organizations and Governmen-tality: ’Consuming’ Biodiversity and Indigenous People in the Philippines. in:Political Studies, 50, 268–292. 27

87

Page 90: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Burchell, Graham (1996): Liberal government and techniques of the self. In:Andrew, Barry, Osborne, Thomas und Rose, Nikolas (Hrsg.): Foucault andpolitical reason. Liberalism, neo-liberalism and responsibilities of government.Chicago: University of Chicago Press, 19–36. 82

Castel, Robert (1981): La Gestion des risques. Paris. 3

Castel, Robert (1991): From Dangerousness to Risk. In: Burchell, Graham, Gor-don, Colin und Miller, Peter (Hrsg.): The Foucault Effect. Studies in Gover-nmentality. Chicago: University of Chicago Press, 281–298. 74

Collinge, Chris und Hall, Stephen (1997): Hegemony and Regime in UrbanGovernance. Towards a theory of the locally networked state. In: Jewson, Nickund MacGregor, Susanne (Hrsg.): Transforming Cities. Contested Governanceand New Spatial Divisions. London, u.a.: Routledge, 129–141. 12

Cruikshank, Barbara (1999): The Will to Empower: Democratic Citizens andother Subjects. Ithaca London: Cornell University Press. 28, 67

Dangschat, Jens S. (1994): Segregation – Lebensstile im Konflikt, soziale Un-gleichheiten und raumliche Disparitaten. In: Dangschat, Jens S. und Blasius,J. (Hrsg.): Lebensstile in den Stadten. Konzepte und Methoden. Opladen:Leske + Budrich, 426–445. 15

Dean, Mitchell (1999): Governmentality. Power and Rule in Modern Society.London u.a: Sage. 27, 37, 58

Dean, Mitchell (2002): Liberal government and authoritarianism. in: Economyand Society, 31, Nr. 1, 37–61. 27

Deleuze, Gilles (1993): Unterhandlungen 1972–1990. Frankfurt/M: Suhr-kamp. 26

Demirovic, Alex (2001): NGO, Staat und Zivilgesellschaft. Zur Transformationvon Hegemonie. In: Brand, Ulrich und Demirovic, Alex (Hrsg.): Nichtregie-rungsorganisationen in der Transformation des Staates. Munster: Westfali-sches Dampfboot, 141–168. 80

DIfU (2000): Verwaltungsvereinbarung Stadtebauforderung 1999 vom 30. Juni1999/17. September 1999. In: DIfU, Deutsches Institut fur Urbanistik (Hrsg.):Programmgrundlagen, Arbeitspapiere zum Programm Soziale Stadt, Band 3.Band 38, Berlin: DIfU, 2. 17

DIfU (2003): Strategien fur die Soziale Stadt. Erfahrungen und Perspektive - Um-setzung des Bund-Lander-Programms ’Stadtteile mit besonderem Entwick-lungsbedarf - die soziale Stadt’. Berlin: DIfU. 17, 18, 19, 20, 32, 33, 39, 40,41, 43, 44, 45, 47, 48, 52, 53, 56, 59, 62, 64, 65, 66, 69, 72, 73, 75, 76, 78, 79,80, 81

Dijk, Teun van (1997): The Study of Discourse. In: Dij, Teun van (Hrsg.): Dis-course as Structure and Process. London u.a.: Sage, 1–34. 35

88

Page 91: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Dohne, Hans-Jochen und Walter, Kurt (1999): Aufgabe und Chance ei-ner neuen Stadtentwicklungspolitik. Ziele und Konzeption des Bund-Lander-Programms ’Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt’.in: Bundesbaublatt, 5, 24–29. 17

Donzelot, Jacques (1991): Pleasure in Work. In: Burchell, Graham, Gordon,Colin und Miller, Peter (Hrsg.): The Foucault Effect. Studies in Governmen-tality. Chicago: University of Chicago Press, 251–280. 27

Donzelot, Jacques (1994): Die Forderung des Sozialen. In: Schwarz, Richard(Hrsg.): Zur Genealogie der Regulation. Anschlusse an Michel Foucault.Mainz: Decaton, 109–160. 27, 42

Esser, Josef (2002): Polyzentrische Stadtpolitik - Chancen fur mehr Demokratieund soziale Gerechtigkeit? In: Low, Martina (Hrsg.): Differenzierungen desStadtischen. Opladen: Leske + Budrich, 247–264. 11, 13

Esser, Josef und Hirsch, Joachim (1987): Stadtsoziologie und Gesellschafts-theorie. Von der Fordismuskrise zur ’postfordistischen’ Regional- und Stadt-struktur. In: Die Materialitat des Stadtischen. Basel: Birkhauser, 31–56. 12,72

Etzioni, Amitai (1995): The Spirit of Community: Rights Responsibilities andthe Communitarian Agenda. London: Fonatan. 13

Fainstein, Susan S., Gordon, Ian und Harloe, Michael (1992): DividedCities. New York and London in Contemporary World. Oxford: Blackwell. 15

Flint, J. (2003): Housing and ethopolitics: constructing identities of active con-sumption and responsible community. in: Economy and Society, 32, Nr. 4,611–629. 58

Foucault, Michel (1972): The Archaeology of Knowledge. London und New York:Routledge. 30

Foucault, Michel (1974): Die Ordnung der Dinge. Frankfurt/M: Suhrkamp. 22

Foucault, Michel (1976): Uberwachen und Strafen. Frankfurt/M: Suhrkamp. 22

Foucault, Michel (1983): Der Wille zum Wissen. Sexualitat und Wahrheit Band1. Frankfurt/M: Suhrkamp. 23

Foucault, Michel (1984): Polemics, politics, and problemizations: an interviewwith Michel Foucault. In: The Foucault Reader. New York: Pantheon, 381–390. 26, 30

Foucault, Michel (1988a): The Political Technology of Individuals. In: Martin,Luther H. und Hutton, Patrick H. (Hrsg.): Technologies of the Self. A Seminarwith Michel Foucault. Amherst: Massachusetts University Press, 147–162. 63

Foucault, Michel (1988b): Politics and Reason. In: Politics, Philosophy, Culture.Interviews and other writings 1977-1984. London und New York: Routledge,57–85. 34

89

Page 92: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Foucault, Michel (1993): About the Beginning of the Hermeneutics of the Self:Two lectures at Dartmouth. in: Political Theory, 21, Nr. 2, 198–227. 24

Foucault, Michel (1994): Das Subjekt und die Macht. In: Dreyfus, Hubert L.und Rabinow, Paul (Hrsg.): Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismusund Hermeneutik. 2. Auflage. Weinheim: Beltz, 243–261. 22, 23, 24, 36, 42,55, 56, 62, 69, 73

Foucault, Michel (1996): Der Mensch ist ein Erfahrungstier. Gesprach mit DucioTrombadori. In: Ducio, Trombadori (Hrsg.): Der Mensch ist ein Erfahrungs-tier. Frankfurt/M: Suhrkamp, 23–122. 22, 30

Foucault, Michel (1999): Krieg und Macht. In: Ott (Hrsg.): In Verteidigung derGesellschaft. Vorlesungen am College de France. Frankfurt/M: Suhrkamp,31–51. 26

Foucault, Michel (2000a): Die ’Gouvernementalitat’. In: Brockling, Ulrich, Kras-mann, Susanne und Lemke, Thomas (Hrsg.): Gouvernementalitat der Gegen-wart. Studien zur Okonomisierung des Sozialen. Frankfurt/M: Suhrkamp,41–67. 7, 21, 22, 23, 37, 41, 42, 43, 48, 58, 61, 68

Foucault, Michel (2000b): Staatsphobie. In: Brockling, Ulrich, Krasmann, Su-sanne und Lemke, Thomas (Hrsg.): Gouvernementalitat der Gegenwart. Stu-dien zur Okonomisierung des Sozialen. Frankfurt/M: Suhrkamp, 68–71. 7,22, 26, 56

Foucault, Michel (2003): Dits et Ecrits. 1976 – 1979. Band 3. Frankfurt/M:Suhrkamp. 21

Franke, Thomas, Lohr, Rolf-Peter und Sander, Robert (2000): SozialeStadt - Stadterneuerungspolitik als Stadtpolitikerneuerung. in: Archiv furKommunalwissenschaften, 2, 2343–268. 15, 16, 19

Froessler, Rolf et al. (1994): Lokale Partnerschaften - Die Erneuerung benach-teiligter Quartiere in europaischen Stadten. Band Stadtforschung aktuell,Band 45, Basel u.a.: Birkhauser. 19

Furst, Dietrich (2003): Regional Governance zwischen Wohlfahrtsstaat undneoliberaler Marktwirtschaft. In: Katenhusen, Ines und Lamping, Wolfram(Hrsg.): Demokratien in Europa. Opladen: Leske + Budrich, 251–268. 9, 10,14

Giddens, Anthony (1998): The Third Way: The Renewal of Social Democracy.Cambridge: Polity Press. 13

Goschel, Albrecht (2000): Vom Disparitatenproblem zum Desintegrationspro-blem. in: Die alte stadt, 27, Nr. 2, 114–130. 63

Grande, Edgar (1993): Die neue Architektur des Staates. In: Czada, R. undSchmidt, M. G. (Hrsg.): Verhandlungsdemokratie, Interessenvermittlung, Re-gierbarkeit. Opladen: Westdeutscher Verlag, 51–71. 21

Gray, John (1996): After Social Democracy. Politics, Capitalism and the Com-mon Life. London: Demos. 13

90

Page 93: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Greco, Monica (2000): Homo Vacuus. Alxithymie und das neoliberale Gebot desSelbstseins. In: Brockling, Ulrich, Krasmann, Susanne und Lemke, Thomas(Hrsg.): Gouvernementalitat der Gegenwart. Studien zur Okonomisierung desSozialen. Frankfurt/M: Suhrkamp, 265–285. 82

Hardt, Michael (2004): The Withering of Civil Society. In: makeworld paper.Band 4, Munchen: Multitude, 3–5. 31, 37

Haußermann, Hartmut (1991): Die Bedeutung ’lokaler Politik’ - neue For-schung zu einem alten Thema. In: Blanke, Bernhard und Benzler, Susanne(Hrsg.): Staat und Stadt. Systematische, vergleichende und problemorientier-te Analysen ’dezentraler’ Politik. Opladen: Westdeutscher Verlag, 35–50. 21

Haußermann, Hartmut (2000): Die Krise der ’sozialen Stadt’. in: Aus Politikund Zeitgeschichte, 10/11, 13–21. 15

Haußermann, Hartmut und Kapphan, Andreas (1998): SozialorientierteStadtentwicklung. Gutachten im Auftrag der Senatsverwaltung fur Stadt-entwicklung, Umweltschutz und Technologie. Band Berlin StadtEntwicklung,Bd.18, Berlin: Kulturbuchverlag. 18, 44

Haußermann, Hartmut und Siebel, Walter (1987): Neue Urbanitat. Frank-furt/M: Suhrkamp. 15, 16

Haußermann, Hartmut und Simons, Katja (2003): Facing Fiscal Crisis: Ur-ban Flagship Projects in Berlin. In: Rodrıguez, Arantxa, Moulaert, Frank undSwyngedouw, Erik (Hrsg.): The Globalized City. Economic Restructuring andSocial Polarization in European Cities. Oxford u.a.: Oxford University Press,107–124. 10

Hirsch, Joachim und Roth, Roland (1986): Das neue Gesicht des Kapitalis-mus. Vom Fordismus zum Postfordismus. Hamburg: VSA. 11

Hyatt, Susan Brin (1994): Poverty in an ’post-welfare’ landscape. Tenant ma-nagement policies, self governance and the democratization of knowledge inGreat Britain. In: Shore, Chris und Wright, Susan (Hrsg.): Anthopology ofPolicy. Critical Perspectives on Governance and Power. London und NewYork: Routledge, 217–238. 42

Isin, Engin F. (2000): Governing cities without government. In: Democracy,Citizenship and Global City. London: Routledge, 148–168. 26

Jann, Olaf (2004): ’verandern - erziehen - disziplinieren’ Strukturwandel derOffentlichkeit und Verhaltensmodellierung im Postfordismus. Berlin. 3

Jessop, Bob (1994): Veranderte Staatlichkeit. In: Grimm, Dieter (Hrsg.): Staats-aufgaben. Baden-Baden: Nomos, 43–47. 21

Kerchner, Brigitte (2002): Politik als Diskurs: Diskurstheorien und Diskursbe-griffe in der Politikwissenschaft – Ein Uberblick. in: POLHIST, 14, 1–31. 35

Knights, David und McCabe, Darren (2003): Governing through Teamwork:Reconstituting Subjectivity in a Call Centre. in: Journal of Management Stu-dies, 40, Nr. 7, 15887–11619. 27

91

Page 94: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Krasmann, Susanne (2003): Die Kriminalitat der Gesellschaft. Zur Gouverne-mentalitat der Gegenwart. Konstanz: UVK. 32, 37, 58, 82

Krasmann, Susanne (2004): Gefahrdungsausweitung. Die Kriminologie undTransformation des Sozialen. In: Pieper, Marianne und Rodrıguez, En-carncion Guiterrez (Hrsg.): Gouvernementalitat. Ein sozialwissenschaftlichesKonzept in Anschluss an Foucault. Frankfurt/M und New York: Campus〈URL: http://www.campus.de〉, 39–49. 43

Kratke, Stefan (1995): Stadt Raum Okonomie: Einfuhrung in aktuelle Problem-felder der Stadtokonomie und Wirtschaftsgeographie. Basel: Birkhauser. 15

Krings-Heckemeier, Marie-Therese und Pfeiffer, Ulrich (1998): Uberfor-derte Nachbarschaften. Soziale und okonomische Erosion in Großsiedlungen.Band GdW Schriften 48, Bonn: Hammonia. 15

Krummacher, Michael, Kulbach, Roderich und Waltz, Viktoria (2003):Soziale Stadt - Sozialraumentwicklung - Quartiersmanagement. Herausfor-derungen fur Politik, Raumplanung und soziale Arbeit. Opladen: Leske +Budrich. 15

Le Gales, Patrick (2002): European Cities. Social conflicts and Governance.Oxford u.a.: Oxford University Press. 10

Lemke, Thomas (1997): Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analy-sen der modernen Gouvernementalitat. Hamburg: Argument. 21, 27, 42, 58

Lemke, Thomas (2000): Neoliberalismus, Staat und Selbsttechnologien. Ein kri-tischer Uberblick uber die ‘gouvernementality studies’. in: Politische Viertel-jahresschrift, 41, 31–47. 26, 28, 81

Lemke, Thomas (2001a): Governance, Gouvernementalitat und die Dezentrie-rung der Okonomie. in: Mitteilungen des Instituts fur Wissenschaft undKunst, Demokratie. Selbst. Arbeit. Analysen liberal-demokratischer Gesell-schaften im Anschluss an Michel Foucault, Vol. 56, 25–29. 24

Lemke, Thomas (2001b): ’The Birth of Biopolitics’ - Michel Foucault’s Lectureat the College de France on Neo-Liberal Governmentality. in: Economy andSociety, 30, Nr. 2, 190–207. 73, 81

Lemke, Thomas (2002): Foucault, Governmentality and Critique. in: RethinkingMarxism, 14, Nr. 3, 49–64. 23, 25, 82

Lemke, Thomas (2003): Andere Affirmationen. Gesellschaftsanalyse und Kritikim Postfordismus. In: Honneth, Axel und Saar, Martin (Hrsg.): Michel Fou-cault Zwischenbilanz einer Rezeption. Frankfurter Foucault-Konferenz 2001.Frankfurt/M: Suhrkamp, 259–274. 85

Lemke, Thomas, Krasmann, Susanne und Brockling, Ulrich (2000): Gou-vernementalitat, Neoliberalismus und Selbsttechnologien. Eine Einleitung. In:Gouvernementalitat der Gegenwart. Studien zur Okonomisierung des Sozia-len. Frankfurt/M: Suhrkamp, 7–40. 21, 23

92

Page 95: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Lemke, Thomas, Krasmann, Susanne und Brockling, Ulrich (2004): Einlei-tung. In: Lemke, Thomas, Krasmann, Susanne und Brockling, Ulrich (Hrsg.):Glossar der Gegenwart. Frankfurt/M: Suhrkamp, 1–7. 36

Marinetto, Michael (2003): Who Wants to be an Active Citizen? The Politicsand Practice of Community Involvement. in: Sociology, 37, Nr. 1, 103–120. 37

Mayer, Margit (1991a): Neue Trends in der Stadtpolitik - eine Herausforderungfur die lokale Politikforschung. In: Blanke, Bernhard und Benzler, Susanne(Hrsg.): Staat und Stadt. Systematische, vergleichende und problemorientierteAnalysen ’dezentraler’ Politik. Opladen: Westdeutscher Verlag, 9–32. 15

Mayer, Margit (1991b): ’Postfordismus’ und ’lokaler Staat’. In: Heinelt, H. undWollmann, H. (Hrsg.): Brennpunkt Stadt. Stadtpolitik und lokale Politikfor-schung in den 80er und 90er Jahren. Basel u.a.: Birkhauser, 31–51. 12

Mayntz, Renate (1993): Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssys-temen. in: Policy-Analyse. Kritik und Neuorientierung. PVS Sonderheft, 24,29–56. 10

Mayring, Philipp (2000): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techni-ken. Band 7. Auflage orig. 1983, Weinheim: Deutscher Studien Verlag. 35

Meinlschmidt, G. (Hrsg.) (2004): Sozialstrukturatlas Berlin. Berlin: Senatsverwal-tung fur Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz. 15, 44

Merlingen, Michael (2003): Governmentality. Towards a Foucauldian Frame-work for the Study of IGOs. in: Journal of the Nordic International StudiesAssociation, 38, Nr. 4, 361–384. 27

Meuser, Michael und Nagel, Ulrike (1991): ExpertInneninterviews - vielfacherprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Mehodendiskussion. In:Garz, Detlef und Kraimer, Klaus (Hrsg.): Qualitativ-empirische Sozialfor-schung. Konzepte, Methoden, Analysen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag,441–471. 33

Miller, Peter und Rose, Nikolas (1994): Das okonomische Leben regieren.In: Schwarz, Richard (Hrsg.): Zur Genealogie der Regulation. Anschlusse anMichel Foucault. Mainz: Decaton, 54–108. 8, 21, 27, 48

Moldaschl, Manfred und Sauer, Dieter (2000): Internalisierung des Marktes.Zur neuen Dialektik von Kooperation und Herrschaft. In: Minssen, Heiner(Hrsg.): Begrenzte Entgrenzungen. Wandlungen von Organisation und Arbeit.Berlin: edition sigma, 205–224. 3

Muller, Klaus (2004): Globale Geografie. In: Oswalt, Philipp (Hrsg.): Schrump-fende Stadte. Band Band 1, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 34–41. 12

Muller, Wolfgang C. und Nimmermann, Peter (1971): Stadtplanung undGemeinwesenarbeit. Texte und Dokumente. Munchen: Juventus. 39

Munkler, Herfried und Bluhm, Harald (Hrsg.) (2001): Gemeinwohl und Gemein-sinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe. Berlin: Akademie Ver-lag. 13

93

Page 96: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Murdoch, J. (2004): Putting discourse in its place: planning, sustainability andthe urban capacity study. in: Area, 36, Nr. 1, 50–58. 28

Nassehi, Armin (2002): Dichte Raume. Stadte als Synchronisations- und Inklu-sionsmaschinen. In: Low, Martina (Hrsg.): Differenzierungen des Stadtischen.Opladen: Leske + Budrich, 247–264. 15

Neckel, Sighard (2003): Die Marktgesellschaft als kultureller Kapitalismus. Zumneuen Synkretismus von Okonomie und Lebensform. in: Mitteilungen, 14, 7–21. 58

Neu, Dean und Heincke, Monica (2004): The subaltern speaks: financial relati-ons and the limits of governmentality. in: Critical Perspectives on Accounting,15, Nr. 1, 179–206. 27

Nuijten, Monique (2004): Between Fear and Fantasy: Governmentality and theWorking of Power in Mexico. in: Critique of Anthropology, 24, Nr. 2, 209–230. 27

Oelschlagel, Dieter (2000): Kritischer Ruckblick auf die Gemeinwesenarbeit(GWA) in der Bundesrepublik Deutschland. in: Zeitschrift fur Sozialreform,46, Nr. 7, 583–592. 39

O’Malley, Pat (1996): Risk and Responsibility. In: Barry, Andrew, Osborne,Thomas und Rose, Nikolas (Hrsg.): Foucault and political reason. Liberalism,neo-liberalism and responsibilities of government. Chicago: University of Chi-cago Press, 189–208. 82

O’Malley, Pat, Weir, Lorna und Shearing, Clifford (1997): Governmentality,Criticism, Politics. in: Economy and Society, 26, Nr. 4, 501–517. 24, 27, 28,29, 32, 33

Opaschowski, Horst W. (2004): ’Deutschland 2020’ – wie wir morgen leben.Prognosen der Wissenschaft. Wiesbaden: VS Verlag. 2

Osborne, Thomas (2001): Techniken und Subjekte: Von den ’GovernmentalityStudies’ zu den ’Studies of Governmentality’. in: Mitteilungen des Institutsfur Wissenschaft und Kunst, Demokratie. Selbst. Arbeit. Analysen liberal-demokratischer Gesellschaften im Anschluss an Michel Foucault, Vol. 56, 12–15. 27, 28, 29, 37

Oswalt, Philipp (Hrsg.) (2004): Schrumpfende Stadte. Internationale Untersu-chung. Band Band 1, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz. 14

Pelizzaro, Alessandro (2001): Die Okonomisierung des Politischen. New PublicManagement und der neoliberale Angriff auf die offentlichen Dienste. Kon-stanz: UVK. 3

Pieper, Marianne (2004): Regierung der Armen oder Regierung von Armutals Selbstsorge. In: Pieper, Marianne und Rodrıguez, Encarncion Guiterrez(Hrsg.): Gouvernementalitat. Ein sozialwissenschaftliches Konzept in An-schluss an Foucault. Hamburg: Campus, 136–160. 31, 81, 85

94

Page 97: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Pomrehn, Werner (1998): Wirtschaftspolitik zuruckholen. Lokale und regiona-le Okonomie zur Gewinnung sozialer Handlungsfahigkeit. In: Alisch, Monika(Hrsg.): Stadteilmanagement. Voraussetzungen und Chancen fur die sozialeStadt. Opladen: Leske + Budrich, 25–51. 9

Pongratz, Hans J. und Voß, Gunter (1998): Der Arbeitskraftunternehmer.Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft? in: Kolner Zeitschrift fur So-ziologie und Sozialpsychologie, 50, Nr. 1, 131–158. 3

Putnam, Robert (1995): Bowling alone: America’s declining social capital. in:Journal of Democracy, 6, Nr. 1, 65–78. 13

Reichert, Ramon (2002): Volunteering und ’Burgerarbeit’ in Gemeinwohlkon-zepten. Uberlegungen zur unbezahlten Arbeit. in: Arbeit, Heft 1, Jg 11, 33–47. 3

Rose, Nikolas (1993): Government, authority and expertise in advanced libera-lism. in: Economy and Society, 22, 283–299. 50

Rose, Nikolas (1999): Powers of Freedom: Refraiming Political Thought. Cam-bridge: Cambridge University Press. 27

Rose, Nikolas (2000): Tod des Sozialen? Eine Neubestimmung der Grenzen desRegierens. In: Lemke, Thomas, Krasmann, Susanne und Brockling, Ulrich(Hrsg.): Gouvernementalitat der Gegenwart. Studien zur Okonomisierung desSozialen. Frankfurt/M: Suhrkamp, 72–109. 68, 69

Rose, Nikolas und Miller, Peter (1992): Political power beyond the State:problematics of government. in: British Journal of Sociology, 43, 173–205. 62,68

Saar, Martin (2003): Einleitung: Analytik der Politik. In: Honneth, Axel undSaar, Martin (Hrsg.): Michel Foucault Zwischenbilanz einer Rezeption. Frank-furter Foucault-Konferenz 2001. Frankfurt/M: Suhrkamp, 233–238. 25

Sassen, Saskia (1998): Zur Einbettung des Globalisierungsprozesses: Der Natio-nalstaat vor neuen Aufgaben. in: Berliner Journal fur Soziologie, 8, Nr. 3,345–357. 11

Sassen, Saskia (2002): Introduction. Locating Cities on Global Circuits. In: dies.(Hrsg.): Global Networks, Linked Cities. London und New York: Routledge,1–39. 11

Sauer, Birgit (2003): Den Staat ver/handeln. Zum Zusammenhang von Staat,Demokratie und Herrschaft. In: Demirovic, Alex (Hrsg.): Modelle kritischerGesellschaftstheorie. Stuttgart und Weimar: Metzler, 152–175. 80

Scharpf, Fritz W. (1991): Die Handlungsfahigkeit des Staates am Ausgang deszwanzigsten Jahrhunderts. in: Politische Vierteljahresschrift, 32, Nr. 4, 621–634. 10

Scheuplein, Christoph (1997): Die Regulation des Raums. Raumstrukturen inder großindustriellen, fordistischen und postfordistischen Formation. in: Sup-plement der Zeitschrift Sozialismus, 3, 1–23. 10

95

Page 98: Führung als konzertierte Aktion. Eine Anwendung

Literaturverzeichnis

Schoni, Walter (2000): Die unternehmerische Arbeitskraft. Eine neue Leitfigurneoliberaler Wirtschaftspolitik. in: Widerspruch, 39, 5–12. 3

Schroder, Gerhard (2000): Die zivile Burgergesellschaft. Anregungen zu einerNeubestimmung der Aufgaben von Staat und Gesellschaft. in: Neue Gesell-schaft/Frankfurter Hefte, Nr. 4, 200–207. 3, 13, 14

Schroder, Gerhard und Blair, Tony (1999): Der Weg nach vorn fur EuropasSozialdemokraten. Ein Vorschlag von Gerhard Schroder und Tony Blair. in:Zeitschrift fur deutsche und internationale Politik, Heft 2, 887–896. 13

Schwarz, Richard (1994): Vorwort. In: Schwarz, Richard (Hrsg.): Zur Genealogieder Regulation. Anschlusse an Michel Foucault. Mainz: Decaton, 7–12. 37

Seier, Andrea et al. (1999): Diskursanalyse - (k)eine Methode? Eine Einleitung.In: Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults.Frankfurt/M: Suhrkamp, 10–21. 35

Strom, Elizabeth A. (2001): Building the New Berlin. The Politics of UrbanDevelopment in Germany’s Capial City. Lanham u.a.: Lexington. 10

Swyngedouw, Erik (2004): Globalisation or ’glocalisation’? Networks, territori-ties and rescaling. in: Cambridge Review of International Affairs, 17, Nr. 1,25–48. 9, 10

Verwaltungsvereinfachung, KGSt Kommunale Gemeinschaftsstel-le fur (1991): Dezentrale Ressourcenverantwortung: Uberlegungen zu einemneuen Steuerungsmodell. Band 12, Koln: KGSt-Bericht. 57

Voigt, Rudiger (1995): Der kooperative Staat. Auf der Suche nach einem Steue-rungsmodus. In: ders. (Hrsg.): Der kooperative Staat. Krisenbewaltigung durchVerhandlung? Baden-Baden: Nomos, 32–92. 10

Wohl, Stefanie (2003): Individualisierende Verantwortungszuschreibungen in derSozialpolitik. Perspektiven des Gouvernementalitatsansatzes von Michel Fou-cault. in: Mitteilungen des Instituts fur Sozialforschung,, Nr. 14, 120–146. 25,27, 37, 46, 82

96