Fuiko Methodenvergleich Follow-Up Wien2 · Griffiths Entwicklungsskalen in fast allen...

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NEONATOLOGIE–NACHSORGE Entwicklungstests im Vergleich Ergebnisse und Erfahrungen aus der Frühgeborenen-Nachsorge Dr. Renate Fuiko Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Wien

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NEONATOLOGIE–NACHSORGEEntwicklungstests im Vergleich

Ergebnisse und Erfahrungen aus der Frühgeborenen-Nachsorge

Dr. Renate FuikoUniversitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Wien

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Wien – drei Abteilungen

Abteilung für Neonatologie angeborene Störungen und Intensivmedizin - PICU, NICU, IMC

Nachsorgeambulanz für sehr kleine Frühgeborene (Beginn 1994)

PATIENTENGUT

Stationen: 200-220 Frühgeborene pro Jahr (Geburtsgewicht unte r 1500 Gramm und/oder Gestationsalter unter 33 SSW)

Nachsorgeambulanz 60-90 VLBWI pro Jahr

Pool an circa 650 VLBWI zwischen 0 und 6 Jahren

VLBWI - 1994-2004 (n=679)

46 46

60

7377

57

8578

64 6370

0102030405060708090

100

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

ZIEL DER NACHSORGEAMBULANZ

Interdisziplinäre Nachbetreuung der Kinder und ihrer Familien von der

Entlassung bis zum 6. Lebensjahr des Kindes mit einem

entwicklungsdiagnostischen Schwerpunkt

E 3M* 6M* 9M* 12M* 18M* 24M* 40M 54M 66M

MEDIZINISCHE UNTERSUCHUNG

ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGISCHE UNTERSUCHUNG

PHYSIOTHERAPEUTISCHE UNTERSUCHUNG

ERGOTHERAPEUTISCHE UNTERSUCHUNG

LOGOPÄDISCHE UNTERSUCHUNG

SCHÄDELULTRASCHALL

HÖRSCREENING OA E

* = korrigiertweitere Untersuchungen nach Bedarf

NEONATOLOGISCHES NACHSORGEPROGRAMM für Frühgeborene < 1500g +/ < 32.SSW

WELCHES

ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGISCHE

VERFAHREN IST WISSENSCHAFTLICH

GUT FUNDIERT UND FÜR DIE KLINISCHE

PRAXIS EINSETZBAR?

ENTWICKLUNGSTESTS (0-6 Jahre)

Über 140 Beschreibungen von Entwicklungstests

� Neugeborenenskalen

� Allgemeine Entwicklungstests

� Screeningverfahren

� Spezielle EntwicklungstestsStandardisierter Testverfahren, das die Entwicklung eines Kindes in verschiedenen Funktions- und Fähigkeitsbereichen objektiv, reliabel und valide erfasst

� Griffiths Entwicklungsskalen (Griffiths 1954, Brandt 1983, 2001)

� Bayley Scales of Infant Development (Bayley 1969, 1993)

� Denver Entwicklungsskalen (Frankenburg et al. 1967, 1990, Flehmig 1973, 1991)

� Münchner Funktionelle Entwicklungsdiagnostik (Hellbrügge 1994)

� McCarthy Scales of Children´s Abilites (McCarthy 1972)

� (Wiener Entwicklungstest (Kastner-Koller und Deimann 1998, 2002))

� (Entwicklungstest 6-6 (Petermann und Stein 2000))

ENTWICKLUNGSTESTS

TESTNENNUNGEN LAUT MEDLINE, PSYCHLIT UND PSYNDEX 1989-1994

336Denver

109446Bayley

744Griffiths

Nennungen in Follow-up Studien

Nennungen gesamt

Verfahren

TESTVERGLEICH

Bayley II – GES – Denver II� theoretisch

� testtheoretisch (klassische und probabilistische

Modelle)

� empirisch

GRIFFITHS ENTWICKLUNGSSKALEN (GES)

Ruth Griffiths, 1954Dt. Bearbeitung: Ingeborg Brandt, 1983, 2001

1-24 Monate

Untersuchungs-bogen

DENVER IIFrankenburg and Dodds (1967, 1990

Dt. Version von I.J. Flehmig 1973, 1991)

Der DENVER II ist ein Screeningverfahrenzur Erfassung altersentsprechender

Fähigkeiten bei Kindern von Geburt bis zum sechsten Lebensjahr

Untersuchungs-bogen

BAYLEY II (Nancy Bayley 1993)Bayley Scales of Infant Development, 2nd Revision

Standardisiertes Testverfahren zur Feststellung des momentanen Entwicklungsstandes eines Kindes

(1-42 Monate)

3 Skalen�Mentalskala Mental Development Index MDI

�Motorikskala Psychomotor Development Index PDI

�Skala zur Verhaltenseinschätzung Behavior Index

EntwicklungsalterKognitive Entwicklung, Sprache, soziale Entwicklung aus Mental ScaleGrob- und feinmotorische Entwicklung aus Psychomotor Scale

THEORETISCHER VERGLEICH

unauffällig, auffällig, untestbar(Delay, Caution)

Stufenleiter125 Items

InvarianzGrobmotorik, Sprache, Feinmotorik, Persönlich-sozial

1-72Denver II(1991)

Entwicklungs-Quotienten (MW, SD)

Stufenleiter240 Items

VariabilitätMotorik, Persönlich-sozial, Hören/Sprechen, Auge-Hand, Leistungen

1-24GES(1983)

Indizes-MDI, PDI(MW, SD)

Stufenleiter289 Items

VariabilitätMental (Kognition, Sprache, persönlich-sozial)Motorik (Fein- und Grobmotorik)

1-42Bayley II(1993)

ErgebniswerteTestformEntwicklungs-modell

DimensionenAltersbereich(Monate)

Test

TESTTHEORETISCHER VERGLEICH

nicht überprüfbar

ja 2096 Kinder

teilweiseteilweisejaDenver II(1991)

teilweiseja

1750 Testungen

(102 Kinder)

keine Angaben

keine Angaben

jaGES(1983)

teilweiseja (Amerika)

1700 Kinder

jajajaBayley II(1993)

Rasch-Modell

NormierungValiditätReliabilitätObjektivitätTest

ÜBERPRÜFUNG MITTELS RASCH-MODELL

2 Modelltests- Median (niederer vs. hoher Score)

- Gruppenzugehörigkeit (Frühgeborene vs. Reifgeborene)

30-50% der Items mussten ausgeschieden werden (zu leicht bzw. zu schwer) -> daher zum Teil keine Parameterschätzungen möglich

ERGEBNISSE AUS RASCH-MODELL

�Signifikante Ergebnisse Median für alle drei Verfahren Skalen – homogene Itemsätze zum Teil vorhanden

�Signifikante Modelltests für Bayley II und Griffiths Entwicklungsskalen in fast allen Gruppenvergleichen - Verfahren messen bei Frühgeborenen und Reifgeborenen dasselbe –Stichprobenunabhängigkeit der Skalen gegeben – hohe Fairness

ÜBEREINSTIMMUNG BEI DER ERKENNUNG AUFFÄLLIGER KINDER

�78 sehr kleine Frühgeborene (VLBWI)�80 reif geborene Kinder

1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre

GES GES -

Bayley II Bayley II Bayley II

Denver II Denver II Denver II

PROZENTSATZ AUFFÄLLIGER KINDER IN DER FRÜHGEBORENENGRUPPE

3840

36

45

29

42

2931

55

46

54

0

10

20

30

40

50

60

MDI PDI EQ-GES Denver II

1 Jahr

2 Jahre

3 Jahre

BAYLEY

%

PROZENTSATZ AUFFÄLLIGER KINDER IN DER REIFGEBORENENGRUPPE

3

7 7

12 12

16

4

8

19

22

12

0

5

10

15

20

25

MDI PDI EQ-GES Denver II

1 Jahr

2 Jahre

3 Jahre

BAYLEY

%

ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DER FRÜHGEBORENEN-GRUPPE MIT EINEM JAHR (n-auffällig=50)

0 4

14

3

0 9

20

Griffiths Bayley II: MDI/PDI

Denver II

ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DER FRÜHGEBORENEN-GRUPPE MIT ZWEI JAHREN (n-auffällig=38)

1 4

6

1

4 5

17

Griffiths Bayley II: MDI/PDI

Denver II

ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DER REIFGEBORENEN-GRUPPE MIT EINEM JAHR (n-auffällig=15)

0 2

6

0

2 4

1

Griffiths Bayley II: MDI/PDI

Denver II

ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DER REIFGEBORENEN-GRUPPE MIT ZWEI JAHREN (n-auffällig=21)

2 3

7

0

3 4

2

Griffiths Bayley II: MDI/PDI

Denver II

1 Jahr2 Jahre3 Jahre

0.5/0.40.7/0.4

0.5/0.40.4/0.30.5/0.4

0.4/-0.5/0.20.3/0.5

0.7/0.30.4/0.0

0.6/-0.7/0.3

PMI

MDI

Denver II

GES

PMI

MDI Denver IIGES

Frühgeborene/Reifgeborene

KORRELATION ZWISCHEN DEN TESTSZU DEN DREI TESTZEITPUNKTEN

�Theoretisch und testtheoretisch sind alle drei Verfahren weitgehend fundiert

�Massiv entwicklungsbeeinträchtigteKinder fallen in allen drei Verfahren auf, ansonsten relativ große Unterschiede bei der Entdeckung auffälliger Kinder

�Denver II hat höchsten Prozentsatz auffälliger Kinder – geringe Spezifizität

ERGEBNISSE (1)

�Korrelationen zwischen den Testszwischen 0.1 und 0.7 – Kinder können in einem Test altersentsprechend sein, im anderen nicht – Achtung vor Testwechsel

�Griffiths Entwicklungsskalen nur für kurze Altersspanne einsetzbar – Follow up Untersuchungen mit Testwechsel verbunden

ERGEBNISSE (2)

�Bei Verdacht auf beeinträchtigten Entwicklungs-verlauf umfassende standardisierte Entwicklungs-beurteilung – Bayley II

�Erfahrener Testleiter und umfangreiche Testein-schulung bei Kleinkindern extrem wichtig

�Entwicklungsbeurteilung auf mehreren Ebenen notwenig (Entwicklungsneurologische Untersu-chung, Anamnese, funktionelle Untersuchungen)

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Testsituation bei Kleinindern

Motivation:„der Verhaltenszustand des Kindes ist einentscheidender Faktor für seineKooperationsbereitschaft“ (Prechtl, 1972)

Daher:- Herstellen einer entspannten Beziehung- Mitbeobachtung des Verhaltens während derUntersuchung

Testdurchführung�Setting:

- kindgerechter, freundlicher, warmer Untersuchungsraum

- Zeitplanung:- am Vormittag (9.00-11.00), nach Mittagsschlaf- Befriedigung der primären Bedürfnisse des Kindes

�Durchführung:- Kind zunächst Raum erkunden lassen- Sich zunächst mehr mit Bezugsperson beschäftigen- Mitarbeit des Kindes bekräftigen

�Dauer:- 30-60 Minuten maximal

NACHSORGEPROGRAMM MIT DEN BAYLEY II

E 3M* 6M* 9M* 12M* 18M* 24M* 40M 54M 66M

MEDIZINISCHE UNTERSUCHUNG

ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGISCHE UNTERSUCHUNG

PHYSIOTHERAPEUTISCHE UNTERSUCHUNG

ERGOTHERAPEUTISCHE UNTERSUCHUNG

LOGOPÄDISCHE UNTERSUCHUNG

SCHÄDELULTRASCHALL

HÖRSCREENING OA E

* = korrigiertweitere Untersuchungen nach Bedarf

NEONATOLOGISCHES NACHSORGEPROGRAMM für Frühgeborene < 1500g +/ < 32.SSW

FOLLOW UP UNTERSUCHUNGEN BEI VLBWI

PDMSKAB-C, VMI, SDQ, KINDL

NM66 Monate

SET-K, VMI, TSI, PDMS

NM54 Monate

Bayley II MDIBayley II PDI

NM40 Monate

Bayley II MDIBayley II PDI

NM24 Monate korr.

Bayley II MDIBayley II PDI

NM12 Monate korr.

Funktionelle Diagnostik

PsychologieMedizinZeitpunkte:

BASISDATEN DER KINDER (n=586)

Geschlecht (m/f): 51% / 49%Geburtsgewicht: 1076±337 (422-1500)Gestationsalter: 28±2 (22-32)Aufenthalt (Tage): 71±33 (7-259)

18

27

70

8691 91

104

7681

73

0

20

40

60

80

100

120

22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

VLBWI - 1994-2004 (vollendete SSW)

LANGFRISTIGE MEDIZINISCHE PROBLEME (n=586)

22-25 26-29 30-32 gesamt

n= 98 316 172 586

BPD 42% 18% 3% 18%

IVH 3+4 8% 7% 8% 7%

PVL 17% 6% 3% 7%

NEC 19% 10% 4% 10%

ROP 3+4 10% 2% 0% 3%

SOZIALDATEN

Alter der Mutter: MW = 31 ± 6 (17-46)Alter des Vaters: MW = 34 ± 6 (18-58)

Nationalität: Geschwisterreihe71% Österreich 44% 1. Kind6% Türkei 33% 2. Kind

10% ehemaliges Yugoslawien 16% 3. Kind13% sonstiges 7% 4. Kind

Schulbildung: (Mutter / Vater)Pflichtschule/Lehre 40% / 49%AHS/BHS 39% / 27%Universität/Fachschule 21% / 24%

BAYLEY II - DATEN

MENTALE BEEINTRÄCHTIGUNG MDI 12 Monate korrigiert (n=560)

65

75

66

41

2316

23

34

12911

25

0

20

40

60

80

100

22-25 26-29 30-32 gesamt

keineleichtschwer

%

n=90 n=170n=288

MENTALE BEEINTRÄCHTIGUNG MDI 24 Monate korrigiert (n=430)

67

76

68

44

191619

26

14813

30

0

20

40

60

80

100

22-25 26-29 30-32 gesamt

keineleichtschwer

%

n=81 n=229 n=120

MENTALE BEEINTRÄCHTIGUNG MDI 40 Monate (n=347)

63

74

62

46

2219

222515716

29

0

20

40

60

80

100

22-25 26-29 30-32 gesamt

keineleichtschwer

%

n=57 n=191 n=99

PSYCHOMOTORISCHE BEEINTRÄCHTIGUNG PDI 12 Monate korrigiert (n=560)

55

65

55

34

2221222123

14

33

45

0

20

40

60

80

100

22-25 26-29 30-32 gesamt

keineleichtschwer

%

n=90 n=288 n=170

PSYCHOMOTORISCHE BEEINTRÄCHTIGUNG PDI 24 Monate korrigiert (n=430)

65

77

68

37

1912

18

34

161114

29

0

20

40

60

80

100

22-25 26-29 30-32 gesamt

keineleichtschwer

%

n=81 n=229 n=120

PSYCHOMOTORISCHE BEEINTRÄCHTIGUNG PDI 40 Monate (n=347)

62

78

62

35

2013

20

32

18918

33

0

20

40

60

80

100

22-25 26-29 30-32 gesamt

keineleichtschwer

%

n=57 n=99n=191

ENTWICKLUNG VON VLBWI

�Entwicklungsverlauf von VLBWI: 50-60% unauffällig, 20-25% leicht beeinträchtigt, 10-15% schwer beeinträchtigt

�Defizite bleiben über die Jahre ähnlich, motorische Defizite im ersten Jahr oft temporär

�Beeinträchtigungen betreffen vor allem kleine und multimorbide VLBWI

�Biologische Risikofaktoren in den ersten Jahren im Vordergrund:(Geburtsgewicht <750 Gramm, Gestationsalter <26 SSW, Beatmungstage >8d, Aufenthalt auf Intensivstation >60d, IVH 3+4)

ENTWICKLUNG VON VLBWI

�Medizinische Langzeitprobleme gering

�Neuromotorische/neurosensorische Beeinträchtigungen gering

�Mentale Defizite stellen Hauptanteil der längerfristigen Probleme dar - diese nehmen mit dem Alter zu -> Schuladaption zum Teil schwierig, soziale und emotionale Probleme kommen dazu

LITERATURHoekstra RE et al. (2004). Survival and long-term neurodevelopmental outcome of extremely premature infants born at 23-26 weeks´ gestational age at a tertiary center. Pediatrics 113 (1), 1-6Saigal S et al. (2003). School-age outcomes in children who were extremely low birth weight from four international population-based cohorts. Pediatrics 112 (4), 943-950Marlow N et al. (2005). Neurological and developmental disability at six years of age afterextremely preterm birth. New England Journal of Medicine 352, 9-19

SCHLUSSFOLGERUNGEN

�Erfassung der unterschiedlichen Aspekte der Entwicklung frühzeitig notwendig, um eine individuelle, bestmögliche Förderung und Unterstützung der Kinder und Familien zu erreichen

�Follow-up über längeren Zeitraum (zumindest bis zum Vorschulalter)

�Standardisiertes Vorgehen

�Aufklärung der Eltern über Möglichkeiten und Grenzen der Förderung

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!