Geld regiert die Welt – wer regiert das Geld?

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Geld regiert die Welt – wer regiert das Geld? Materialien für Gottesdienst und Gemeinde Sozialpolitischer Buß- und Bettag Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt Arbeitsgemeinschaft in der EKD

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Geld regiertdie Welt – wer regiert das Geld?Materialien für Gottesdienst und Gemeinde

Sozialpolitischer Buß- und Bettag

Kirchlicher Dienstin der ArbeitsweltArbeitsgemeinschaftin der EKD

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150 Prozent Rendite. Eine Offerte, die vor Kurzem einer Landeskirche gemacht wurde. Mitten in der weltweiten Finanzkrise. Wa-ren es solche Geschäftspraktiken, die die derzeitige Krise und die schwerste wirt-schaftliche Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg mit verursacht haben? Kurzarbeit, Insolvenzen, Entlassungen, zunächst bei den befristeten LeiharbeiterInnen, jetzt auch beim Stammpersonal, sogar bei Aus-zubildenden, und fehlende Berufsperspek-tiven für junge Menschen. Das sind die Folgen. Die Lage wird kritischer, für viele Menschen ohne Arbeit. „Lass das Geld arbeiten!“, lauten verlockende Aufforderun-gen und verführerische Versuchungen in einem System, das auf Habgier setzt, Arbeit zur Ware macht und Menschen zu billigen Arbeitskräften funktionalisiert.

Mit dem Tanz ums „Goldene Kalb“ mach-ten sich Investmentbanken, manch große Unternehmen und ganze Volkswirtschaften zu Freunden des „ungerechten Mammons“. Das Bankensystem wurde vor dem Zu-sammenbruch gerettet, eine Währungs-reform gerade noch verhindert. Retten und Umkehren, um der Menschen willen. Umkehren im Umgang mit Geld und Kapi-tal. Darin liegt die Chance. So banal es klingt: Geld kann gar nicht arbeiten. Es

Zu Beginn

Buß- und Bettag –

Heraus aus den Sackgassen! 3

Zum Thema

Das Geld regieren! – Geld und Gerechtigkeit 4

Wie gewonnen, so zerronnen –

Geld und Vertrauen 6

Gottesdienstbaukasten

„Lass ihn noch dies Jahr!“ – Predigtskizze 8

„Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.“

Zum Gleichnis vom reichen Kornbauern 10

Kurzbeschreibung biblischer Texte 12

Liturgie und Gebetsvorschläge 14

König Midas nach Ovid 17

Biblisch-sozialethische Texte

Crash der Weltwirtschaft? Thesen aus

biblischer und theologischer Sicht 18

Von alten Keksen und Blattgeld 20

„Du sollst keinerlei Zinsen nehmen“ 21

„Ihr könnt nicht Gott dienen und

dem Mammon“ 22

Nachhaltig, solidarisch mit Geld umgehen

Tausch statt Kauf 23

Regiogeld – Ein Baustein für Gemeinwohl-

orientiertes Wirtschaften 24

Und vergib uns unsere Schulden! 25

Pfarrer ohne Bezahlung? 26

Aktives Aktionärstum 27

Solidarische Ökonomie 27

In Menschen investieren – Oikocredit 28

Literatur zum Thema 29

Ein Blick ins Internet 30

Impressum 31

ist ein Tauschmittel oder auch ein Investi-tionsgut. Es muss aber zuerst von Men-schenhand erarbeitet werden. „Lasst euch genügen an dem, was da ist“, müsste das Leitmotiv sein für einen ethisch verant-wortlichen Umgang mit dem Geld und für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Die Arbeitshilfe des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) zum diesjährigen Buß- und Bettag gibt Anregungen und Im-pulse für eine theologisch-sozialethische Reflexion über die Rolle und die Relevanz des Geldes, für Gottesdienstgestaltung, Gemeindeveranstaltungen, für Diskussio-nen und Gespräche über die Hintergründe der Finanzkrise. Sie lädt ein, sich mit an-deren Formen des Umgangs mit Geld aus-einanderzusetzen und vor Ort Menschen zuzuhören und zu Wort kommen zu lassen, die existenziell mit den Auswirkungen der Krise zu kämpfen haben.

Peter JanowskiVorsitzender des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der EKD

Aus dem Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser,

Vorwort

� Sozialpolitischer Buß- und Bettag �009

+++ Zu einem kleinlichen Kerl passt es nicht recht, wenn er reich ist; und was soll Geld und Gut

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�Sozialpolitischer Buß- und Bettag �009

Geld regiert die Welt, so sagt man. Und wer regiert das Geld? Diese Frage stellt sich aktuell in ungewöhnlicher Schärfe. Eine bis heute gut dokumentierte Antwort auf diese Frage gaben die amerikani-schen Gründungsväter der Vereinigten Staaten. Auf den Dollarnoten bildeten sie ein Großsiegel ab, das die Quelle der bib-lischen Offenbarung interpretiert. Sie hat die Form einer unvollendeten Pyramide, ist mit einem Lichtdreieck gekrönt und mit dem Auge Gottes. Für die Schöpfer der Dollarwährung war das Vertrauen in dieses Papiergeld identisch mit dem Vertrauen auf Gott: In God we trust.

Angesichts der weltweiten Finanzkrise er-leben wir derzeit den massiven Verlust des Vertrauens in die ordnende Kraft des Gel-des. Die Entwicklung der Ereignisse im Gefolge der Finanzmarktkrise erschüttert und verunsichert viele Menschen, weil die direkten Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung noch längst nicht zu über-schauen sind.

Der Buß- und Bettag bietet sich an, um gemeinsam über Fehlentwicklungen nach-zudenken und Abstand zu nehmen von falschen Leitbildern. Immer schon war das der Sinn von Bußtagen, wie sie bereits im Römischen Reich von der Obrigkeit ver-ordnet wurden. Bis ins Mittelalter und in die Neuzeit hinein setzte sich diese Praxis fort. Im 19. Jahrhundert einigte man sich schließlich auf den Mittwoch vor dem letz-ten Sonntag im Kirchenjahr als nationalen Feiertag.

Wer regiert das Geld? Diese Frage soll beim Buß- und Bettag in diesem Jahr im

Vordergrund stehen. Geld prägt den Alltag der Menschen wie kaum etwas Anderes, weil Geld alles in einen messbaren Wert verwandelt: die menschliche Arbeitskraft ebenso wie die Zeit. Geld prägt unser Leben, egal ob wir wenig oder viel davon haben. Immer, wenn wir Geld ausgeben, verleihen, spenden oder ansparen, hat das Folgen für die Gesellschaft. Und je mehr Geld bewegt wird, desto spürbarer sind die Folgen.

In der Finanz- und Wirtschaftskrise traten die ungeheuren selbstzerstöre-rischen Kräfte zutage, die dem weitgehend unregulierten Finanzsystem innewohnen. Ohne die unglaublich hohen Geldbeträge, die von den Staaten in die Hand genom-men wurden, gäbe es wohl gar kein funkti-onsfähiges Finanzsystem mehr. So haben sich manche finanz- und wirtschaftspoli-tischen Wege als Sackgassen erwiesen, aus denen wir wieder heraus müssen.

Wir laden ein zu einem Buß- und Bet-tag, der seine gesellschafts- und sozial-politische Relevanz ernst nimmt und Umkehr als ganzheitlichen Vorgang ver-steht. Fehlentwicklungen können festge-stellt und falsche Entscheidungen korri-giert werden. Der Buß- und Bettag kann Teil eines konstruktiven Prozesses zur Neugestaltung unserer Gesellschaft wer-den. So können Orientierung, Mut und Hoffnung von ihm ausgehen.

Zu Beginn

Buß- und BettagHeraus aus den Sackgassen!

„Auch heute sind die USA wieder ein bankrot-tes Land. Wir haben riesige Schulden, mehr als jemals ein anderes Land hatte. Wenn irgendeines der (Gläubiger-) Länder sein Geld in einer ande-ren Währung als Dollar fordern würde, dann wären wir in großen Schwierigkeiten. Aber jetzt wollen alle ihr Geld in Dollar, weil Erdöl so ein wichtiges Produkt ist und man es nur in Dollar kaufen kann. Saddam Hussein drohte, Erdöl auch gegen eine andere Währung zu verkaufen. Kurz bevor er gestürzt wurde ... Hätte er nachgege-ben, würde er heute noch regieren. Wir würden ihm Flugzeuge und Panzer und sonst noch alles Mögliche verkaufen.“John Perkins, Economic Hit Man

Ein Zitat aus dem Film „Let’s make MONEY“ von Erwin Wagenhofer, Gewinner des Deutschen Dokumentarfilm-preises �009. Mehr Informationen dazu auf Seite �9 und �0. Weitere Zitate finden Sie auf den folgenden Seiten.

einem Geizkragen? Jesus Sirach 14,3 +++ Seid nicht geldgierig, und lasst euch genügen an dem,

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Das Geld regieren!Geld und Gerechtigkeit

Geld ist für viele Menschen zum ge-fühlten Risiko geworden. Nachdem als Teilursachen für die Geldmarktkrise Ver-suchungen und Verfehlungen ausge-macht worden sind, wird inzwischen die Frage nach einem wertegeleiteten Um-gang mit dem Geld wieder neu gestellt.

Die Funktionen des Geldes als Tausch- und Aufbewahrungsmittel, seine ökono-mische, politische und biografische Wirkungsmacht, aber auch seine Funktion für die soziale Bewertung von Leistung begegnen sich gegenwärtig in einem Streitgespräch, das durch die Sehnsucht nach sozial-ethischer und ordnungspoliti-scher Orientierung geprägt ist. Die bis vor Kurzem im Geiste der Agenda 2010 ge-führte Diskussion um Leistung und Teil-habe wurde durch eine volkswirtschaft-liche Systemdebatte abgelöst. Gefragt wird nach den moralisch-politischen Hebeln, mit denen die hysterischen und

sozial bindungslosen Dynamiken des Faktors Geld befriedet und nachhaltig sozial verpflichtet werden können.

Aus protestantischer Perspektive ist daran zu erinnern, dass die Wirtschaft ein souveränes Gegenüber braucht. Protestantinnen und Protestanten fragen danach, in welchen Beziehungsverhält-nissen sinnvoller Weise gewirtschaftet werden soll. Eine ökonomistische Teleo-logie, die sich beziehungslos dem „Geld-machen“ verpflichtet weiß, ist das Gegen-teil einer dem Sozialen verantwortlichen Ökonomie, deren Ziel es ist, Mangel zu mildern und Teilhabe zu ermöglichen. Eine sich allein auf das Geldmachen zu-rückziehende Ökonomie gebiert zudem strukturelle Gewalt. Sie zerstört auch Wahrhaftigkeit und Vertrauen und damit die wesentlichen Grundlagen für alle Formen gesellschaftlichen Miteinanders. Wo heute prekäre Arbeitsverhältnisse,

Zum Thema

was da ist. Hebräer 13,5a +++ Wohl dem Reichen, der untadelig geblieben ist und nicht das Geld

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ethischen Diskurs fernhalten zu können, ist an ihrer eigenen Ideologie gescheitert und gegenwärtig selbst auf der Suche nach tragfähigen Konzepten. Die Funktion des Instrumentes „Geld“ wurde gerade dort zerstört, wo man sich seiner ohne ethischen Bezugspunkt bedient hatte. Im Rahmen eines thematisch profilierten Buß- und Bettages könnte darüber nach-gedacht werden, dass der Umgang mit Geld ein vielfältig gekoppelter sozialer Pro-zess ist. Menschen müssen das Gespür dafür pflegen, dass er hysterische Poten-ziale in sich birgt, deren bedingungslose Entfesselung Schäden verursacht. Im Verhältnis von hysterischen Potenzialen und ethisch gepflegter und gottgeleiteter Souveränität hat die im ökonomischen Diskurs zeitgeistlich abgeschlagene ge-sinnungsgeleitete Verantwortung des Christ-Seins ihren Ort und ihre Chance. Christliche Ethik ist hier keine Sache alt-elitärer Moralkollektive, sondern eine durchaus systemrelevante Erinnerung an die gesellschaftliche Proportionenlehre im Miteinander von Geld, Leben, Kapital, Werten, Zukunft und Gerechtigkeit.

Insofern sollte die kommunikative Geste, die die Buß- und Bettagsgottes-dienste einnehmen, keine abstrafende und nachkartende, sondern eine auf- und ausblickende sein. Dies könnte dort be-sonders gelingen, wo die mit Geld be-fassten Berufsgruppen ausdrücklich zur Beteiligung ermuntert und eingeladen werden.

brüchige Erwerbsbiografien und Arbeits-losigkeit für immer mehr Menschen zu den sozialen Folgen ökonomistischer Programmatiken gehören, ist die Frage nach der Rolle des Geldes ein Teil der Gerechtigkeitsfrage.

In biblisch-jesuanischer Tradition ist nach den Zielen des Umgangs mit Geld zu fragen. Anonyme Gewinnerwartungen bilden die Gegenwart des den Menschen suchenden Gottes nicht ab. Christinnen und Christen setzen dieser zerstörerischen Art, mit Geld umzugehen, die biblischen sensibilitätsfördernden und Wahrnehmung weckenden Erzählungen von Schöpfung, Errettung, Gnade und Erlösung entgegen.

Auf die Kirche kommen damit wichtige Aufgaben zu. Nachhaltige Sozialcodes für den Umgang mit Geld ergeben sich nicht aus geldmarkttechnischen Erwägungen allein. Eine rein selbstbezüglich aufge-stellte internationale Ökonomie-Kaste, die in der Vergangenheit meinte, sich vom

„Ich glaube nicht, dass ein Investor verantwortlich ist für die Ethik, für die Verschmutzung oder das, was eine Firma verursacht, in die er investiert. Das ist nicht seine Aufgabe. Seine Aufgabe ist zu investieren und Geld für seine Klienten zu verdienen.“Dr. Mark Moebius, Präsident Templeton Emerging Markets

„Das erste Element bestand in einer Deregulierung der Finanzmärkte ... Der zweite Teil bestand in einer Liberalisierung der Handelsströme. In der Abschaffung von Handelsbarrieren, die sehr sorgfältig im Laufe vieler Jahrzehnte von Entwicklungsländern errichtet worden waren, um ihre eige-nen wachsenden Industrien zu schützen. Das dritte Element bestand in einer völ-ligen Abschaffung des Staates, um seine Interventionsmöglichkeiten zu reduzieren ... Und das vierte Element verlangte von den Staaten, ihre Industrien zu privatisieren. Dabei wurde mehr oder weniger sicherge-stellt, dass die Industrien unter ihrem Wert an fremde Kapitalanleger verkauft wurden. Dies sind die vier politischen Druckmittel, die vom Internationalen Währungsfond und der Weltbank angewandt werden und die Neoliberalismus genannt werden.“John Christensen, Finanzökonom

sucht. Jesus Sirach 31,8 +++ Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er

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Wie gewonnen, so zerronnenGeld und Vertrauen

Geld ist ein Instrument. Es dient der Vereinfachung und dem Werterhalt. Als Tauschmittel bietet es gegenüber Naturaltauschkonzepten Vorteile und ist ein nominelles Äquivalent für Realwerte.

Der Weg zur Entstofflichung des Geldes begann früh. Bereits im siebten Jahrhun-dert vor Christus treten Metallmünzen an die Stelle von Naturalgaben. Wenn Geld auf modernen Märkten durch Glasfaser-netze reist, entspricht dies dem modernen Status seiner Entstofflichung. Entstoff-lichtes Geld unterliegt jedoch immer der Gefahr der versehentlichen oder vorsätz-lichen Fehlbewertung. Die ethische Auf-gabe im Umgang mit dem Geld besteht deshalb in der Gewährleistung größtmög-licher Nähe von Symbol und Wirklichkeit. Aufgeblähte Symbolgeschäfte wie die viel zitierten Spekulationsblasen sind Aus-druck einer fehlerhaften Wahrnehmung und damit einer Beziehungsstörung. Solche Störungen weisen auf kollektives und individuelles Versagen hin. Sie rühren an den ethischen Anspruch der Wahrhaftigkeit.

In der Lehre Jesu weisen Gott und Geld („Mammon“) auf unterschiedliche Symbol-realitäten hin: „Ihr könnt nicht beiden die-nen, Gott und dem Mammon“ (Lukas 16,13). „Mammon“, der biblische Begriff für Geld, leitet sich ab vom aramäischen ´ämat – „worauf man vertraut“. Dem Mammon haftet damit eine Kraft an, die den Glau-benden vor die Entscheidung stellt.

Der funktionale Umgang mit Geld wird im Neuen Testament dennoch nicht ver-boten. Wo der Mensch bereit ist, die Funk-tion des Geldes an den Dienst für den Menschen zu binden, handelt er gut. „Machet euch Freunde mit dem ungerech-ten Mammon“, empfiehlt der Evangelist Lukas und organisiert Kollekten.

Weil die Funktion des Geldes von Be-wertung und Umgang abhängig ist, liegt die Herausforderung für Christinnen und Christen in ihren Umgangsstrategien mit dem Geld. Der Umgang mit Geld berührt die Kernsituation christlicher Existenz. Geld darf nicht zum Kernwert der Existenz oder gar zum Götzen werden, sondern ist dienlich und dienstbar zu machen. Der Wohlstand einer Gesellschaft ist ein höheres Gut als individueller Reichtum.

Zum Thema

„Privatisierung kommt von privare, ein lateinisches Wort mit der Bedeutung ‚berauben‘. Wenn nun eine Privatisierung stattfindet, dann werden Gemeinschaftsgüter von pri-vaten Interessenten aufgekauft – oder sogar verschenkt ... und das ist nichts anderes als eine Beraubung der Gemeinschaft.“Hermann Scheer, SPD-Bundes-tagsabgeordneter und Träger des alternativen Nobelpreises

zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten. Lukas 16,9 +++ Wenn du Geld verleihst

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Die Fragen, die sich in den aktuellen Diskussionen um das Verhältnis von Geld und Gott drehen, beschreiben keine neuen Aufgaben. Sie weisen auch nicht auf bisher unbekannte ethische Heraus-forderungen hin. Sie sollten deshalb auch nicht zum Anlass einer historisch analo-gielosen ökonomischen Szenerie ge-macht werden. Seit der Mensch mit dem Geld ein Symbol für wirtschaftliche Werte in den Händen hält, steht er vor ständigen Deutungs- und Bewertungsherausforde-rungen. Der wahrhaftigen Kongruenz von Realem und Symbolischem ist in diesem Zusammenhang größte Bedeutung bei-zumessen. Andernfalls wird den sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch unverzichtbaren Ressourcen Vertrauen und Wahrhaftigkeit Schaden zugefügt. In der Bewahrung von Vertrauen und Wahr-haftigkeit liegt ein Kern ethischer Program-matik im Umgang mit dem Geld.

– 1,6

Geballter Reichtum

Wie sich das Privatvermögen in Deutschland verteilt; Daten: 2007, Angaben in Prozent;Basis: Personen über 17 Jahre in Privathaushalten

0,0 0,0 0,4 1,22,8

6,0

11,1

19,0

61,1

ärmstes Zehntel

reichstes Zehntel

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Quelle: DIW

Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen 61,1 Prozent des gesamten privaten Vermögens. Die ärmsten zehn Prozent sind hingegen verschuldet.

Weder die Verteufelung des Geldes noch der Verfall an seine Faszination sind mit der Fülle eines gelingenden Lebens vereinbar. Im Fokus eines rationalen Umganges mit Geld steht die vom Apostel Paulus an der Schnittstelle von Heils-zusage und Gestaltungsauftrag angesie-delte „erneuerte Vernunft“ (Römerbrief 12,1ff.), die in der sachgerechten Wahl der handlungsleitenden Rationalitäten zum Medium des Guten und Gottwohl-gefälligen wird. Ethisches Verhalten im Lichte dieser Entscheidungssituation ist nicht zu haben als moralisches Granulat, das man dem „Gang der Welt“ einfach ins Getriebe werfen könnte. Erneuerte Rationalität im Sinne des Paulus ist ein neues Weltverhältnis. Es schöpft aus Gottes Reservoir des Guten und Voll-kommenen und arbeitet damit an der Proportionalität der realen und symbo-lischen Wirklichkeiten.

an einen aus meinem Volk, an einen Armen neben dir, so sollst du an ihm nicht wie ein Wucherer

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„Lass ihn noch dies Jahr!“Predigtskizze zu Lukas 13,1–9

„Es kamen aber zu der Zeit einige, die berichteten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit ihren Opfern vermischt hatte.Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer mehr gesündigt haben als alle anderen Galiläer, weil sie das erlitten haben?Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle anderen Menschen, die in Jerusalem wohnen?Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.Er sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine.Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum, und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft?Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge;Vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab.“(Lukas 13, 1–9)

Es war der Tag nach Pfingsten. Endlich Urlaub; ein Dorf in Südfrankreich; wir genießen die Sonne und den blauen Himmel. Da kommt die Nachbarin dazu und erzählt aufgeregt, ein Flugzeug der Air France sei abgestürzt auf dem Weg von Rio nach Paris; über 200 Menschen im Atlantik verschwunden. Und sie fügt hinzu: „Ob auch Deutsche dabei waren, wurde nicht gesagt.“

Der Absturz des Flugzeugs ist eine schlimme Katastrophe. Aber ist das Er-schrecken größer, wenn Landsleute unter den Opfern sind? Warum hat es diese Passagiere getroffen und nicht mich selbst bei meinem letzten Flug? Der Tod der einen ist immer die Bewah-rung anderer. Warum kamen einige aus Galiläa ums Leben, als Pilatus in Jeru-salem ein Blutbad anrichtete? Warum mussten achtzehn Menschen sterben, als der Turm in Siloah umstürzte? Immer wieder werden diese Fragen gestellt und wir wissen, dass es keine Antwort darauf gibt. Schon in unserem Predigttext lesen wir, dass die Opfer der Katastrophen nicht schuldiger waren als alle anderen. Auf die Frage, warum die einen sterben und die anderen bewahrt werden, kann es keine Antwort geben.

Und doch sagt Jesus zweimal: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.“ Buße tun! Was bedeutet das? Jesus erläutert es mit der Erzählung des anschließenden Gleichnisses vom Feigenbaum. Der Gärtner bittet um Zeit, um dem Baum Gelegenheit zu geben, Früchte zu bringen. Buße tun, das heißt: die uns geschenkte Zeit nutzen, um Früchte zu bringen. Allen Menschen ist eine Frist gesetzt. Und irgendwann läuft die Frist ab; wir wissen nicht wann. Die Zeit läuft; es ist an uns, sie zu nutzen.

Früchte haben einen Wert und die Gesell-schaft drückt den Wert in Geld aus: Was nichts kostet, ist auch meist nichts wert. Früchte heißen im Kapitalismus

Gottesdienstbaukasten

„Es gab einen berühmten Ausspruch, dass die beste Zeit zu kaufen ist, wenn das Blut auf den Straßen klebt. Ich füge hinzu: Auch wenn es dein eigenes ist. Denn wenn es Krieg, Revolution, politische Probleme und Wirtschaftsprobleme gibt, dann fallen die Preise von Aktien und jene Leute, die an diesem Tiefpunkt kauften, haben jede Menge Geld gemacht.“Dr. Mark Moebius, Präsident Templeton Emerging Markets

handeln; du sollst keinerlei Zinsen von ihm nehmen. 2. Mose 22,24 +++ Wer da hat, dem wird gegeben

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Zinsen, Renditen oder Profite. Ein Feigen-baum, der keine Früchte trägt, ist nichts wert; ein Unternehmen, das zu wenig Profit erwirtschaftet, muss man schließen. Nach dieser Logik funktionierte die Wirtschaft, wie wir sie kennen. Mit allen den Folgen, die wir auch kennen: Auslagerung von Arbeitsplätzen, Arbeitslosigkeit, Druck auf Löhne und Gehälter. Was keine Frucht bringt, wird abgehauen; so gnadenlos geht es zu in der Wirtschaft. Aber zum Glück gibt es da noch den Gärtner, der zugleich ein kluger Verwalter ist. Er bittet um ein Jahr der Beobachtung und der Pflege. Er entzieht sich der Hektik kurzfristiger Rendite-erwartungen; er denkt längerfristig. Der Zusammenbruch der weltweiten Kapital-märkte hat uns gezeigt, wie notwendig es ist, langfristig zu denken. Wir brauchen heute kluge Gärtner, die die Selbstzer-störung des Kapitalismus verhindern. Wir brauchen kluge Verwalter, die uns die

Zeit schenken, in der die Umkehr vom Weg der Zerstörung möglich ist.

Das ist die Botschaft des Buß- und Bet-tages: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.“ Dafür ist uns eine Frist gegeben. Der Feigenbaum bekam ein Jahr; wie lang unsere Frist dauert, wissen wir nicht. Noch sind wir nicht am Boden zerstört. Vielleicht ist die Klimazerstörung noch aufzuhalten. Noch hat die Spaltung unserer Welt nicht die Möglichkeit friedlicher Auswege völlig verbaut. Noch können wir handeln. Denn uns ist Zeit geschenkt; es ist an uns, diese knappe Zeit zu nutzen, damit Früchte wachsen, die allen gut tun. Der Buß- und Bettag fordert uns auf zur Umkehr, indem wir ein neues Zusam-menleben miteinander beginnen. Denn eine andere Welt ist möglich.

Jüdische Anekdote

„Ein kluger Mann wurde gefragt: „Warum ist es so, dass ein Armer eher freund-lich ist und hilft, wenn er kann, als ein Reicher? Der sieht einen nicht einmal an. Was ist das nur mit dem Geld?“Da antwortet ihm der Weise: „Tritt ans Fenster! Was siehst du?“ „Nun, ich sehe eine Frau mit einem Kind an der Hand. Ich sehe einen Wagen. Er fährt zum Markt. Ich sehe viele Leute unterwegs.“„Gut. Und jetzt tritt hier zum Spiegel. Was siehst du?“„Mich. Sonst nichts.“Darauf der Weise: „Siehst du, das Fenster ist aus Glas gemacht wie der Spiegel auch. Aber kaum legt man ein bisschen Silber hinter die Oberfläche, schon siehst du nur noch dich selbst.“

werden; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat. Lukas 19,26

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„Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.“

Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, des-sen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun. Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott. (Lukas 12,15–21)

Auf den internationalen Finanzmärkten ist seit einiger Zeit die Hölle los. Große Ban-ken sind ins Taumeln geraten. Tausende von Anlegern und Sparern stehen plötzlich vor großen Verlusten. Mancherorts bricht die blanke Wut aus. Und man sucht nach Erklärungen. Die Banker hätten selbst nicht mehr verstanden, was sie da eigentlich verkaufen. So lautet eine Erklärung. Das Wort, das jedoch am meisten genannt wird, um das globale Desaster zu erklären, ist die Gier. In kaum einem Artikel fehlt der Hinweis darauf. Auch kirchliche Stellung-nahmen verweisen auf die Gier in den Hirnen der Finanzjongleure. So nahm der Zusammenbruch der Märkte seinen Lauf.

Habgier gehörte im Mittelalter zu den Tod-sünden. Gier geht über normales Gewinn-streben hinaus. Gier nimmt keine Rück-sicht. Gier geht über Leichen. Hat die Gier in den Köpfen von einigen wenigen Akteu-ren tatsächlich die ganze Finanzwelt und die Weltwirtschaft an den Rand des Ab-grunds geführt? Zweifel sind angebracht.

Im Lukasevangelium wird uns das Gleichnis Jesu vom reichen Kornbauern erzählt. Dieser galiläische Großbauer ist sozusagen der Prototyp eines habgierigen Menschen. Lukas hat das Gleichnis ange-ordnet hinter dem Jesuswort „Hütet euch vor aller Habgier“. Das ist die Überschrift über diesem Gleichnis.

Doch wenn man das Gleichnis liest, kann eigentlich von Gier keine Rede sein. Der Mann hatte eine Rekordernte eingefahren und wusste nicht, wohin mit dem Weizen. Also beschloss er, größere Scheunen zu bauen. Eigentlich eine normale unter-nehmerische Entscheidung. Eine Ent-scheidung, die ein bequemes Leben auf Jahre hinaus sichern sollte. Nur eines hatte der Bauer nicht bedacht, nämlich, dass sein Leben begrenzt ist und er noch in der Nacht sterben würde. Aber ist das nicht ganz normal? Können wir überhaupt vernünftige Entscheidungen treffen, wenn wir uns jeweils vor Augen führen, dass wir vielleicht schon am nächsten Tage tot sind? Niemand würde doch noch ein Haus bauen oder ein Auto kaufen, nicht einmal ein Fahrrad.

Zum Gleichnis vom reichen Kornbauern

Gottesdienstbaukasten

+++ Verlier lieber dein Geld um deines Bruders und Freundes willen, und vergrabe es nicht unter

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„Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.“

Aber welche Alternative hätte der reiche Kornbauer gehabt? Ganz einfach: Er hätte sein Korn auf den Märkten ver-kaufen können. Genau dies hat er aber nicht getan und hier steckt das Problem. Weizen war das Hauptnahrungsmittel in neutestamentlicher Zeit und je nachdem wie die Ernten ausfielen, schwankte der Weizenpreis kräftig. Je knapper ein Gut am Markt, desto stärker steigt der Preis. Dieses Marktgesetz galt damals wie heute. Nach einer guten Ernte war mit geringen Preisen zu rechnen. Wenn der Kornbauer also sein Korn verkaufte, bekam er nur wenig Geld dafür. Die neuen Scheunen würden aber dafür sorgen, dass er auch im nächsten Jahr Weizen verkaufen konnte. Wenn dann vielleicht die Preise steigen, würde er ein gutes Geschäft machen. Das ist die Logik und der Mechanismus des Marktes. Und der Bau größerer Scheunen folgt der Marktlogik.

Heutzutage nennt man das ein Waren-termingeschäft. Dabei sind die Märkte heute natürlich komplexer geworden. Für die Nahrungsmittel bilden sich die Preise weltweit an entsprechenden Börsen. Da können auch schon mal die Preise so sehr nach unten rutschen, dass dabei viele Bauern pleite gehen.

Doch zurück zum biblischen Kornbauern. War er nun ein Narr, wie es uns Lukas er-zählt, oder war er ein schlauer Spekulant? Wahrscheinlich beides. Er traf eine ver-

nünftige marktkonforme Entscheidung und war trotzdem ein Narr, weil er sich be-reits über einen Gewinn freute, den er noch gar nicht erzielt hatte. Und vor allem: Er kümmerte sich nicht um die Folgen seines Tuns. Denn sein Korn in den Scheu-nen konnte niemanden satt machen. Er nahm einfach das wichtigste Nahrungs-mittel vom Markt, spekulierte damit und entzog es denen, die es brauchten. Denn das gehört auch zur Logik des Marktes: Er ist blind für die sozialen Folgen, die er anrichtet. So wie die Akteure an den in-ternationalen Finanzmärkten blind sind für die wirtschaftlichen und sozialen Folgen ihrer riskanten Zockerei.

Die Geschichte vom reichen Korn-bauern lehrt uns, dass eine ungebremste Ökonomie der freien Märkte das Leben der Menschen nicht sichern kann. Die zu-verlässige Versorgung mit lebenswichtigen Gütern hingegen muss das Ziel des Wirt-schaftens sein. Ein solches Wirtschaften im Dienst des Lebens braucht mehr als die Austreibung der Gier aus den Köpfen von Risikobankern und Anlegern. Das auch, aber viel mehr müssen die Menschen erkennen, dass sie nicht Güter für sich be-halten, die für das Leben aller Menschen da sind. Und darum endet das Gleichnis vom reichen Kornbauern mit dem Satz: „So geht es dem, der sich Schätze sam-melt und ist nicht reich bei Gott.“

„Diejenigen (Politiker), die wissen, was sie da anrichten, haben nur noch einen kurzen Karriere-zeitraum im Blick – nach mir die Sintflut. Und dieses radikale Kurzzeitdenken, nicht mehr das Denken in längerfristigen Verantwortungskate-gorien, ist typisch für das gesamte Neoliberale Zeitalter. Im Neoliberalen Zeitalter ist alles ver-kürzt ... auf die aktuelle Erzielung einer höchst-möglichen Rendite, koste es was es wolle.“Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter und Träger des alternativen Nobelpreises

einem Stein, wo es doch verrostet. Jesus Sirach 29,13 +++ Und Jesus ging in den Tempel hinein

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Kurzbeschreibung biblischer Texte Anregung für Lesungen und kurze Impulse

Die Gier der Mächtigen und die Gerechtigkeit Gottes (Nabots Weinberg, 1. Könige 21): Eine Geschichte, die den Landraub durch wirtschaftlich Mächtige und die Unbe-stechlichkeit eines Weinbergbesitzers darstellt, das Unrecht einer sozial gespal-tenen Gesellschaft offen legt und die Selbstauslieferung an die Habgier brand-markt. Gott erhebt Einspruch durch den Propheten Elia, indem er sein Recht gegen die Mächtigen durchsetzt, Konse-quenzen ansagt und kundtut, dass sich sein Wille und sein Handeln am Wohl der Entrechteten und an sozialer Gerech-tigkeit orientieren.

Solidarische (Er-)Lösung (Ruth 4,1–22):Eine der schönsten Novellen der Bibel, in der nicht Gott selbst, sondern das solida-rische Handeln der menschlichen Akteure im Vordergrund steht. In diesem Abschnitt wird die Schutzregelung des (Heraus-) „Lösens“ aus materieller und sozialer Notlage sowie die Übernahme gesell-schaftlich-familiärer Verantwortung doku-mentiert. Ein wirtschaftlich Starker enga-giert sich auf der Grundlage geltender Rechtsbestimmungen von ganzem Herzen für eine erlösend-befreiende Lebensperspektive zweier gesellschaft-licher „Outcasts“ (Ruth und Noomi).

Das Sabbat-Prinzip – Plädoyer für regelmäßige Neuanfänge (3. Mose 25 / 5. Mose 15):Der Grundgedanke der Arbeitsruhe am siebten Tag wird zum Anlass genommen, dem wirtschaftlichen Streben zu Lasten anderer Einhalt zu gebieten. Sozio- ökonomische Ungleichheiten wie Über-schuldung, Schuldversklavung und Verelendung sollen so ein Stück weit aus-geglichen werden. Indem der aus Not bedingte Verkauf von Besitz an den ur-sprünglichen Bewirtschafter zurückgege-ben wird, werden wirtschaftliche Neuan-fänge ermöglicht. Hintergrund ist die schöpfungstheologisch begründete

Vorstellung, dass die Erde Gott allein ge-hört. Alle Menschen sollen die Chance haben, in einer gesicherten Existenz die Fülle des Lebens haben zu können.

Wirtschaften im Dienste des Lebens (Jesaja 61,1ff / Lukas 4,18ff):Jedes 7. Jahr bzw. jedes 49. Jahr soll der Erlass von Schulden und die Befreiung aus Schuldsklaverei ermöglicht werden. Verarmte und verschuldete Menschen sollen im Gnadenjahr Gottes wieder eine neue Chance bekommen. Gott selbst setzt Maßstäbe, woran sich wirtschaft-liches Handeln zu orientieren hat. Eine Orientierung für die prophetische Wachsamkeit von Kirchen, vor allem im Blick auf eine kritische Reflexion einer Wirtschaftsordnung, die die soziale Spaltung nicht energisch auszugleichen versucht, sondern im Gegenteil immer weiter vertieft.

Wider die Ökonomisierung aller Lebensbereiche (die „Tempelreinigung“, Lukas 19,45–48):Jesu Ärger über die Ökonomisierung aller Lebensbereiche, also auch des Bereichs der Religion, ist durchaus nachvollzieh-bar. Höchste Zeit dem unbändigen dere-gulierten Wirtschaften eine Grenze zu set-zen. Manchmal sollte man nicht lange fa-ckeln, sondern handeln. Haben wir die Marktradikalisierung nicht viel zu lange ertragen und uns davon total durchdrin-gen lassen?

Wie auch wir vergeben unseren „Schuldnern“ (Matthäus 6,12)Statt das Kunstwort „Schuldigern“ zu ver-wenden, müsste es heißen „dass wir un-seren Schuldnern nicht vergeben können“ (Frank Crüsemann). Es geht um das ganz-heitliche Verständnis der menschlichen Existenz. Materielle und religiös-mora-lische Verschuldung sind nicht voneinan-der zu trennen. Schuldsklaverei ist eine Verarmungs- und Unterdrückungserfah-rung, sie ist der Ausdruck wirtschaftlicher

Gottesdienstbaukasten

und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um

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Machtstrukturen, die Ungleichheit bewir-ken und sich daran bereichern. Der Schul-denerlass ist Ausdruck einer theologisch begründeten Befreiungsoption. Mit einer wortgetreueren Wiedergabe der bekannten Vater-Unser-Bitte kommt so der wirtschaftliche Aspekt von Ver-schuldung in den Blick und damit sowohl die Menschen, die von Verschuldung betroffen sind, als auch alle jene, die – weltweit – auf Kosten der Verschuldung anderer leben.

„Lets make money“ (Matthäus 6,19–34)„Das worauf jemand vertraut, was zuver-lässig ist“ ist der Wortsinn des aramäi-schen Wortes „Mammon“. Wodurch lässt man sich in den Bann ziehen? Sind es ver-gängliche Schätze, sind es Götzen oder ist es das Reich Gottes und seine Gerech-tigkeit? Selten zuvor hat der Götze Mammon so seine menschen- und lebens-feindliche Fratze gezeigt, wie durch den Kollaps des ungezügelten Finanz- und Wirtschaftsgebarens. „Lets make money“ ist der Willen dieses Götzen. Der gleich-namige Film legt schonungslos offen, welche Folgen der Götzendienst der Hab-gier zeitigt, bei Tätern, Opfern und für die natürliche Umgebung.

Was wäre, wenn Gott Geld hätte

Ich frage mich oft

ich frage mich oftwas wäre, wenn Gott Geld hätte.

Würde er esunter dem Apfelbaum im Garten vergrabenoder es zur Bank tragenund für sich arbeiten lassen und sich zur Ruhe setzen, weil jetzt gesorgt ist für seine Zukunft?

Oder würde er nur das Notwendige ausgeben für sichund den Rest teilen mit Armenoder mit Menschenrechtsbewegungenund mit Kräften der Reform, um so mitzutragen an dem großen Ringenum Gerechtigkeit und Frieden?

Doch Gott hat jagar kein Geld: Er gab es dirund mir!Was tun wir damit?

Elvira Isabel Romero de Arcaute, Lehrerin, Mutter und Verlegerin, lebt in Buenos Aires /Argentinien.

und die Stände der Taubenhändler. Matthäus 21,12 +++ Gib das Geld für alles, woran dein Herz

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Kollektengebet

Unser Gott,viele sagen heute: „Geld regiert die Welt!“

Mutloser können wir kaum über deine Welt reden,kraftloser kann unser Glaube kaum werden.So leer dürfen unsere Herzen nicht bleiben.

Darum lassen wir dieses Wort so nicht stehen. Greifen es an,brechen es auf und fragen in deinem Namen: „Wer regiert das Geld?“

Wir fragen nach der Kraft deiner Gegenwart in einer Zeit, wo Menschen in unsichtbare Armut getrieben werden, in der die Wirtschaft Opfer schafft, statt Mangel beseitigt;in der das Geld sich selbst verzehrt, statt Auskommen zu ermöglichenund gute Arbeit zu oft keines guten Lohnes mehr wert scheint.

Wir bitten in diesem Buß- und Bettagsgottesdienst um den Mut, die Dinge in Frage zu stellen und nach deinem Weg zu suchen.

Du hast die ganze Welt heilsam durchdrungen,in deinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn und Heiland, mit ihm machen wir uns auf den Weg.

Amen

Liturgische Elemente Gebete, Texte und Lieder zum Thema

Gottesdienstbaukasten

Fürbittengebet

Bänder stehen stillKurzarbeit wird ausgeweitetAufträge fehlen.

Nach Monaten von zu viel Arbeit von Überstunden, Samstags- und Sonntagsschichtentut eine Verschnaufpause gut.

Aber jetzt kommen die Fragen:Was wird aus mir, wenn ich meine Arbeit ganz verliere?Was wird aus dem Jugendlichen, der nicht übernommen wird?Was wird aus dem Kollegen in Leiharbeit?Was wird aus dem Betrieb?

Gott wir bitten dich für alle, die sich um ihren Arbeitsplatz Sorgen machenfür alle, die ihre Arbeit verloren habenfür alle, die nicht wissen, wie es weitergehen sollfür die Jungen und die Alten, die Belastbaren und die Belasteten, sei du ihnen Schutz und Schirm in der Erfahrung von Ohnmachtlass deine aufrichtende Kraft in den Schwachen mächtig sein.

Gott wir bitten dichfür alle, die Verantwortung tragen in Betrieben für alle, die Interessen vertreten in Institutionenfür alle, die an den Rädern drehen in der Politikfür Grüne und Gelbe, Schwarze und Rote sei du ihnen Richtschnur und Kompass bei der Suche nach Lösungendenn auf dem Weg deiner Gerechtigkeit ist Leben.

Begleite uns und eröffne uns Zukunftgib deinen Geist, damit deine Schöpfung, die Welt um uns neu wird.

Amen

Lust hat! 5. Mose 14,26a +++ Wer Geld liebt, wird vom Geld niemals satt, und wer Reichtum liebt,

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Fürbitte

Unser Gott,Dein Wort und unsere Gedanken, dein Geist und unsere Gebete und Lieder sind der Anfang unseres gemeinsamen Weges.

Er führt uns zu den Menschen, die in Armut leben. Sie sind nicht mehr so weit weg,wie man es uns glauben machen will.Armut wohnt in der Nachbarschaft,wo Menschen sich schämen, weil sie nicht mithalten können,wo Kinder sich verstecken,weil sie die Blicke der Mitschüler fürchten,wo wir selbst merken,dass die Grenzen unserer Möglichkeiten bedrängender werden.Lass uns deinen Blick auf die Armut leben!Deinen Blick,der Menschen aufrichtet, Nachbarn Mut macht,konkrete Hilfe sucht und offen bleibt für das Wissen,dass Menschen nichts haben müssen,um liebenswert zu sein.

Dein Weg führt uns zu denen, die ganz auf Geld und Besitz gesetzt haben. Denen es heute an Visionen und Träumen,Humor und Leichtigkeit fehlt.

Lass uns diese Menschen mit zartem Band an deine Liebe heranführen. Dass sie sehen, wie wenig Haben gegenüber dem Sein ist,dass Gold selten so schwer wiegt, wie ein gutes Wort,wie stark Hoffnung gegen den Verlust wirkt.

Dein Weg führt uns zu denen,die Arbeit suchen.Es werden mehr werden in den nächsten Jahren.Es werden mehr werden, die vor der Frage stehen,wo sie gebraucht sind.Wir bitten um deinen Geist,damit Arbeit sich erschließt in ihrer ganzen Werthaftigkeit und Würde.Erwerbsarbeit, Freiwilligenarbeit, Ehrenamt, Geistesarbeit –Alle Formen der Arbeit sind offen für deine Gegenwart.Für die Gesellschaft bitten wir um das Gespür für diesen Wert.

Amen

Kurt Marti:Ein armer Teufel

ein armer teufel so sagen wir und haben vergessen dass

ein armer teufel einst jesus von nazareth hieß

ein armer teufel der nichts hinterließ als das kleid das er trug

ein armer teufel der nichts hinterließ als den aufstand der armen in ewigkeit amen

ein armer teufel so sagen wir denen wohlstand ihr gott ist und armut ein teufel

ein armer teufel so sagen wir von der verachtung der armen gestraft

ein armer teufel so sagen wir von reichen teufeln ist niemals die rede

ein armer teufel so sagen wir und wissen nicht was wir sagen

wird keinen Nutzen davon haben. Prediger 5,9 +++ Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er

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Aus: „Jahrbuch Gerechtigkeit I“ von Rainer Kessler

Gott, steh auf und hab Erbarmen

Gott, steh auf und hab Erbarmen, hebe deine Hand und sprich. Freund der Elenden und Armen,so viel Hoffnung kreist um dich. Hör das Seufzen und das Klagen deiner unerlösten Welt, brich die Macht des Götzen Geld, lass uns Schwache nicht verzagen: Sei nicht fern, Gott, in der Not, gib uns unser täglich Brot.

Gott, steh auf und mach ein Endeallem Hochmut, aller Gier. Halte schützend deine Händeüber Pflanzen, Mensch und Tier. Sieh, wir sind zu weit gegangen, wähnten uns auf deinem Thron, bitter schmeckt nun unser Lohn, denn wir sind in Schuld vergangen: Sei nicht fern, Gott, in der Not, gib uns unser täglich Brot.

Gott, steh auf, steh auf und richte, ahnde Stolz und Übermut. Wende gnädig die Geschichte, dass der Mensch doch Gutes tut. Lehre uns, dein Brot zu teilen, Trost zu spenden dem, der weint, lehr uns, wie man Feinde eint und Verletzungen zu heilen: Sei nicht fern, Gott, in der Not, gib uns unser täglich Brot.

Eugen Eckert

(kann nach der Melodie von „Sollt ich meinem Gott nicht singen“, Ev. Gesang-buch, Lied Nr. 325 gesungen werden)

Neide keinem Geld und Macht

Neide keinem Geld und Macht, oft hat er’s dahin gebracht, weil er Unrecht sah und tat – bleib du Teil der guten Saat: Gott steht dir bei.

Schiele nicht nach eitlem Glanz, wieg dich nicht im Wohlstandstanz, nur wer abgibt, wird besteh’n, bleibst du fromm, dann wirst du seh’n:Gott steht dir bei.

Schrei nicht jeden Modeschrei, was heut’ gilt, geht schnell vorbei. Nutze deine Lebenszeit!Tritt ein für Gerechtigkeit!Gott steht dir bei.

Zweifle an der Waffen Wert. Wer das Schwert nimmt, stirbt am Schwert, und nur wer für Frieden schafft, spürt den Segen, spürt die Kraft: Gott steht dir bei.

Wirf nie deine Hoffnung weg!Gut zu sein macht Sinn, hat Zweck. Setz auf Gottes Weggeleitund geh mutig durch die Zeit:Gott steht dir bei.

Eugen Eckert

(kann nach der Melodie von „Sonne derGerechtigkeit“, Ev. Gesangbuch,Lied Nr. 262 gesungen werden)

Seit der späten Perserzeit, also seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr., breitet sich im Gebiet von Juda und Samaria der Gebrauch von Münzgeld schnell aus. Ab der hellenistischen Epoche, seit dem 3. Jahrhundert, kann man von einer ausgeprägten Geldwirtschaft sprechen. Nicht mehr Sachen, sondern Geld bestimmt, was „Wert“ ist. Der Besitz von Geld aber ist seinem Wesen nach grenzenlos. Zielten schon die von Jesaja kritisierten Grundbesitzer darauf, alles in ihren Händen zu monopolisieren, so stießen sie doch auf eine natürliche Grenze dann, wenn sie alles Land besäßen. Geld aber kann im Prinzip unendlich vermehrt werden, es kennt keinen natürlichen Sättigungsgrad. Das sah

nicht erst Marx, das wussten bereits Aristoteles und viele andere antike Autoren*. Auch in Israel war diese Einsicht bekannt. Kohelet, als „Prediger Salomo“ überliefert, hinter dem sich aber wohl ein Jerusalemer Weisheitslehrer aus dem 3. Jahrhundert verbirgt, formuliert das so: „Wer Geld liebt, wird vom Geld nicht satt“ (Koh 5,9). Der neueste Ausleger kommentiert das damit, dass hier „die potenzielle Suchtstruktur des Strebens nach Reichtum“ aufgedeckt werde.

* vgl. die Nachweise bei Schottroff, Luise (1986): Die Befreiung vom Götzendienst der Habgier, in: dies./Schottroff, Willy (Hg.): Wer ist unser Gott? Beiträge zu einer Befreiungstheologie im Kontext der „ersten“ Welt, München, 137-152, bes. 141-143.

wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern

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Bacchus, der Weingott, zog mit seinem Gefolge in ausgelassener Freudenfeier durch die Länder und kam auch nach Kleinasien. Da bemerkte er, dass Silenus fehlte, der ihn einst erzogen hatte. Alter und Wein hatten ihm die Glieder schwer gemacht, und ein phrygischer* Gärtner hatte dem Taumelnden die Glieder mit Kränzen umwunden und ihn zu König Midas gebracht. Der gab dem seltenen Gast zu Ehren ein großes Fest. Zehn Tage dauerte es und zehn Nächte. Dann führte er den Silenus zu seinem Zögling zurück. Froh, seinen Pfleger wiederzuhaben, ge-währte der Gott dem Midas einen Wunsch. Er möge sich wählen, was ihm beliebte. „Gib“, sprach Midas, „dass alles, was ich mit meinem Leibe berühre, zu rotem Gold werde.“ Bacchus nickte und gewährte diese Gabe. Doch war es ihm leid, dass Midas sich nichts Besseres er-beten hatte.

Glücklich ging der König davon. Um die versprochene Gabe zu erproben, berührte er bald dies, bald das. Kaum konnte er sich selbst noch glauben. Er brach einen grünenden Zweig von einem niedrigen Baum: der Zweig wurde zu Gold. Er hob einen Stein vom Boden auf: der Stein glänzte golden. Er rührte eine Scholle an: es war ein Goldklumpen. Er pflückte tro-ckene Ähren: sie wurden zur goldenen Ernte. Hielt er einen Apfel in der Hand, der noch am Baume hing, so glaubte man, die Hesperiden** hätten ihn ihm geschenkt. Legte er den Finger an einen hohen Pfosten, schon sah man den Pfosten leuchten.

Kaum wusste er, was er sonst noch wün-schen sollte; alles sah er schon als Gold. Er war hoch erfreut. Da setzten die Diener einen Tisch vor ihn hin, der war mit Speisen reich beladen, und es fehlte auch nicht an gedörrten Früchten. – Aber er musste wohl mit der Rechten das Brot berührt haben, denn es erstarrte. Wollte er die Speisen kauen, so wurden sie röt-liches Erz, sobald sein Zahn sie berührte. Wenn er Wein mit reinem Wasser mischte, so sah man flüssiges Gold durch seine Kehle rinnen.

Entsetzt erkennt er das Unheil. Reich und elend zugleich, will er nun seinen Schät-zen entfliehen. Was er vor Kurzem ge-wünscht hat, hasst er jetzt. Die Speise steht in Fülle vor ihm, aber sie stillt seinen Hunger nicht; seine trockene Kehle brennt vor Durst. Mit Recht quält ihn das Gold, das er begehrt hat. Da hebt er die Hand und den schimmernden Arm zum Himmel empor. „Vater“, spricht er, „vergib mir, ich habe gesündigt. Erbarme dich und ent-reiße mich dem schönen Verhängnis!“. Die Götter sind milde. Bacchus hatte das Geschenk gegeben und so sein Verspre-chen gehalten; jetzt nimmt er es dem Armen wieder, der seine Schuld bekennt. „Um nicht mit Gold behaftet zu bleiben, das du gewünscht hast“, spricht er, „geh hin zum Flusse Paktol. Schreite flussauf-wärts bis zur Quelle und tauche dort Kopf und Leib in das sprudelnde Wasser, wo es am stärksten hervorquillt, und wasche so deine Schuld ab.“

Der König tauchte ins Wasser, wie der Gott ihm befohlen hatte, und die Kraft des Goldes entwich aus dem Menschenleib und färbte den Fluss. Deshalb glänzt heute noch der Sand des Paktol von Gold.

* Phrygien: Landschaft im nordwestlichen Kleinasien.

** Die Hesperiden waren Jungfrauen, die einen Baum mit goldenen Äpfeln hüteten.

König MidasNach Ovid

„Alle Liberalen dieser Welt sind der Meinung, dass Grenzen offen sein sollten für Güter, für Geld und für Dienstleistungen. Schwieriger wird es bei Menschen. Da muss man sich überlegen, ob man nicht eine Art Eintrittspreis verlangen müsste, so wie man eben in einem Club auch Eintrittspreis verlangt.“Gerhard Schwarz, Leiter der Wirtschaftsredaktion NZZ

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verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Matthäus 6,24 +++ Bleibe bei dem, was

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Biblisch-sozialethische Texte

Was vor zwei Jahren als Krise der US-amerikanischen Immobilienmärkte begann, hat sich mittlerweile zur größ-ten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ausgeweitet. Als im September 2008 die Insolvenz der Investmentbank Lehmann Brothers nicht verhindert wurde, geriet die gesamte Finanzwelt in Schieflage. Auch die Realwirtschaft wurde in den Strudel mangelnder Aufträge und fehlenden Geldes hineingezogen.

Die Krise hat Auswirkungen auf alle Berei-che des gesellschaftlichen Lebens. Auch die Kirchen sind gefordert, Orientierung zu bieten und Position zu beziehen. Im November 2008 hat das Zentrum Gesell-schaftliche Verantwortung der Evangeli-schen Kirche in Hessen und Nassau ein Impulspapier mit dem Titel „Leben in Fülle für alle“ veröffentlicht. Wir geben die Er-läuterungen – stark gekürzt – hier wieder:

Die Rechtfertigungsbotschaft ist ein Kern-stück reformatorischer Theologie – allein aus Gnade, allein aus Glauben lebt der Christ, die Christin. Diese Glaubensgewiss-heit hat ethische Folgen, weil die Befreiung

Crash der Weltwirtschaft?Thesen aus biblischer und theologischer Sicht

des Menschen von der Sorge um sich selbst Lebensenergien im Dienst am Nächs-ten freisetzt. Wer sich um sich selbst nicht vorrangig zu kümmern braucht, hat Blick und Hände frei für die Aufgaben, die sich wirklich stellen. Insofern könnten evange-lische Christinnen und Christen treibende Kräfte bei der Veränderung hin zu einer Wirtschaft im Dienst des Lebens sein.

Thesen

1. Wir sind Teil der globalisierten Wirt-schaft, ob wir es wollen oder nicht. Wir müssen uns zu dieser Wirtschaftsform und ihren Folgen verhalten – als Einzelne, als Gemeinde, als Kirche.

�. Eine theologische und ethische Be-urteilung der Krise an den internationalen Finanzmärkten muss in Kenntnis der Wir-kungszusammenhänge innerhalb des Systems erfolgen. Traditionelle evangeli-sche Ethik stellt häufig bewusste, zielori-entierte Handlungen von individuellen Akteuren in den Mittelpunkt. Ein solches Verfahren kann aber die unbeabsichtigten Auswirkungen von Handlungen nicht aus-reichend in den Blick nehmen.

„Wenn wir keine Baumwolle mehr machen können, dann wird jeder Afrikaner nach Europa auswandern. Wir haben keine andere Wahl. Wir werden bei Euch ein-fallen, mit Sicherheit. Wenn wir auswandern, können sie ruhig 10 Meter hohe Mauern bauen. Wir werden trotzdem nach Europa kommen.“Francis Cogolo, Leiter der halb-staatlichen Baumwollgesellschaft Sofi tex, Burkina Faso

dir anvertraut ist, und übe dich darin, und halt aus in deinem Beruf, und lass dich nicht davon beirren,

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�. Eine christliche Ethik bezieht sich auf theologisch reflektierte biblische Zusam-menhänge als ihre Grundlage. Auch Sozial- und Wirtschaftsethik muss im Grundsatz theologisch begründet werden.

�. Leben und alle Güter verdanken wir aus christlicher Perspektive nicht uns sel-ber, sondern der Fürsorge und Güte Gottes. So können wir die Güter dieser Erde nut-zen, um allen Menschen zu ermöglichen, am gesellschaftlichen Reichtum teilzuha-ben. Das daraus resultierende Wohlerge-hen können wir als Segen verstehen.

�. Der ethische Sinn des Wirtschaftens ist, die Mittel zum Leben im weitesten Sinn bereitzustellen. Wirtschaft soll dem Leben dienen – das heißt, sie steht im Dienst des Gemeinwohls und dient nicht allein den Interessen Einzelner. Als Kriterium, ob das gelingt, kann die Beantwortung der Frage gelten, ob die Wirtschaft gemäß der Option Gottes für die Armen auch den Armen nutzt.

�. In diesem Sinn nimmt christliche Sozial- und Wirtschaftsethik die Perspek-tive eines „Blickes von unten“ ein: Nicht nur die Handlungen von Akteuren im Wirt-schaftssystem werden betrachtet, sondern auch die systemischen Auswirkungen des Wirtschaftens auf Mensch und Natur.

�. Die internationalen Finanzmärkte bil-den einen Sonderfall der Funktionsweise des marktwirtschaftlichen Systems, insbe-sondere im Hinblick auf die Gerechtigkeits-frage und den Umgang mit Armut und Reichtum.

�. Bestimmte Teile internationaler Finanz-märkte haben sich weitgehend von ihren realwirtschaftlichen Funktionen entfernt und dienen zunehmend spekulativen Anlagemöglichkeiten von Geldbesitzern.

9. Die Liberalisierung und Deregulierung hat staatliche Eingriffsmöglichkeiten zu-rückgedrängt. Dafür tragen Politiker, Wirt-schaftsführer oder Medienvertreter durch-aus Verantwortung, die sich in den ver-gangenen Jahren für Liberalisierungen und Deregulierungen eingesetzt und die Rolle des Staates sukzessive und zielge-richtet zurückgedrängt hatten.

10. Die ökonomisch getriebene Globa-lisierung hat eine zutiefst spaltende Wir-kung: sehr viel für wenige, sehr wenig für sehr viele. Sie hat zu schier unermess-lichen Einkommen und Geldanhäufungen in einer Welt geführt, in der täglich 100.000 Menschen an Hunger und vermeidbaren Krankheiten sterben. Auch in Deutschland hat sich die Spaltung zwischen Reich und Arm seit Jahren verschärft.

11. Das Platzen von Spekulationsblasen hat in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach ganze Volkswirtschaften schwer getroffen. Die derzeitige Krise stellt die Funktionsfähigkeit der ganzen Weltwirtschaft in Frage.

1�. Wenn es gelingt, den Zusammen-bruch der Finanzsysteme zu verhindern, müssen anschließend die großen Zukunfts-aufgaben in Angriff genommen werden: Wie ist ein gutes Leben für alle Menschen möglich, ohne die Ressourcen der Erde, die Atmosphäre und das Klima zu überlas-ten? Ein möglicher erster Schritt könnte die Einführung einer Finanztransaktions-steuer sein.

1�. Schließlich müssen wir folgende Impulse diskutieren: n Ein Wirtschaftssystem, das grundsätz-

lich auf Egoismus baut in der Hoffnung, dadurch käme scheinbar auch das Beste für das Gemeinwohl heraus, ist nur dann zukunftsfähig, wenn es den Egoismus wirksam begrenzt.

n Die in der goldenen Regel zusammen-gefasste Erkenntnis ist, dass gelingen-des Leben über die Sorge für den Nächsten aufgebaut wird. Durch die Betonung eigennütziger Motive in der Wirtschaft wird sie außer Kraft gesetzt. Tägliches Einüben des Egoismus kann nicht folgenlos bleiben.

n Die Bewertung von Egoismen in der Wirtschaft und die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche bergen die Gefahr einer tief gehenden Verformung der menschlichen Persönlichkeit, die christlicher Ethik strikt zuwider läuft.

Vollständiger Text:http://www.zgv.info/download/pdf/081113_leben_in_fuelle.pdf

wie die Gottlosen zu Geld kommen. Jesus Sirach 11,20 +++ Den Reichen in dieser Welt gebiete,

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Biblisch-sozialethische Texte

�0 Sozialpolitischer Buß- und Bettag �009

Von alten Keksen und BlattgeldEin Gespräch mit Kindern zum Thema Geld

Anfang März hatten mich einige Kindergartenkinder eingeladen. Wir wollten über Geld sprechen. Die Kinder erzählten, dass der Kindergarten eine Zaubervorstellung geplant hat, für die Eintrittskarten verkauft werden sollen.

„Eine Zaubervorstellung? Ich komme auch. Und dann zahle ich mit meinen alten Weihnachtskeksen. Die könnt ihr dann ja wegzaubern.“Helle Empörung: „Alte Kekse?! – Pah – das geht ja gar nicht!“„Wieso nicht! Die sind von meiner Mutter selbst gebacken. Sehr wertvoll! Uraltes Familienrezept!“Nun schleichen sich doch Zweifel ein. Wertvolle Kekse? – Geht das vielleicht doch?Sara entscheidet: „Nein. Es geht nur Blattgeld!“.

O. k. – es geht also nur Blattgeld. Aber warum? Schließlich gibt es doch auch anderes Geld.Una und Dalia sind sich einig: „Nur Blattgeld, weil es sparsam ist.“ Ich brauche einen Augenblick: „Nur Blattgeld, weil es sparsam ist – das heißt: Es ist wertvoller?“ Alle nicken.„Blattgeld ist sparsam und nur Dagobert Duck schwimmt in Eurogeld.“

Una: „Dagobert hat 1000 Millionen Euro!“„Wenn ihr so viel Geld hättet, was würdet ihr kaufen?“Sarah: „Haarreifen, Haargummis, eine Kette und Klamotten.“Lukas: „LKWs!“„LKWs?“„Ja, ich bin schon mal mit meinem Vater mitgefahren.“„O. k. – LKWs. Noch etwas?“„Spiele für die Playstation.“

Leoni-Marie: „Ohne Geld gibt es nix zu essen. Da muss man verhungern.“„Kennt ihr jemanden, der hungern muss, weil er kein Geld hat?“Alle: „Nee!“ (lachen)Ich frage: „Wenn man Geld für das Essen braucht, ist Geld doch wichtig?“ Ein paar Kinder nicken stumm und nachdenklich. „Und woher bekommt man das Geld, das man braucht?“„Na, von der Bank!“

Nun finden die Kinder das Thema lang-weilig. Sie interessieren sich jetzt nur noch für meine Kamera und fotografieren sich gegenseitig. Ich bekomme es mit der Angst zu tun, weil sie so viel Blattgeld gekostet hat.

Für Una und Dalia ist Geld „sparsam“. Dagobert Duck schwimmt in „Eurogeld“.

Für Oktay und Tim-Felix ist es wichtig, dass Geld „von der Bank“ kommt und man Essen kaufen kann.

dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der

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„Du sollst keinerlei Zinsen nehmen“Zinsverbot und Zinskritik in der Bibel

Ohne Zins würde unsere Wirtschaft nicht funktionieren. Es würde kein Geld verliehen und damit den Märkten das notwendige Tauschmittel entzogen. Der Zins entscheidet im Wesentlichen über die Ausrichtung des wirtschaft-lichen Handelns des Einzelnen wie der Unternehmen. Gerade deswegen ist der Zins schon immer ein streitbarer Gegenstand.

Die Finanzkrise hat den Streit über das biblische Zinsverbot, das „Kernstück biblischen Wirtschaftsrechts“ (Frank Crüsemann) neu belebt. Das biblische Zinsverbot ist im Bundesbuch (2. Mose 22,24), im Heiligkeitsgesetz (3. Mose 25, 35–38) und in der sog. weiten Gesetzes-sammlung (5. Mose 23,20–21) zu finden. Im zweiten Buch Mose beschränkt sich das Zinsverbot auf Kredite an Verwandte und Nachbarn, im dritten und im fünften Buch wird es auf alle Angehörige des eigenen Volkes ausgeweitet.

Der Verzicht auf Zinsen wird beim Pro-pheten Hesekiel (Hes 18,8.13.17; 22,12) und in Psalm 15 als eine Verhaltensweise charakterisiert, die den rechtschaffenen und gläubigen Menschen ausmacht.

Die biblische Zinskritik ist weitgehend theologisch motiviert, weil es um das Ideal einer solidarischen Gesellschaft geht, für die Gott einsteht. Dieses Ideal wird durch die Vermehrung des eigenen Reichtums missachtet. Beim Propheten Habakuk (2,6) und in den Sprüchen (28,8) wird darüber hinaus ökonomisch argu-mentiert. Hier wird das Zinsnehmen als eine „illegitime Form des Gewinns von Eigentum“ (Rainer Kessler) verstanden.

Das Neue Testament setzt die Be-stimmungen der Tora voraus und radika-lisiert das Zinsverbot. In Lukas 6,35 fordert Jesus dazu auf, selbst denen zu leihen, von denen nichts zurückzuerwar-ten ist. Das Zinsnehmen wird hier völlig ausgeschlossen.

Im Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25,14–30; Lukas 19, 12–27) wird dann im Widerspruch zu den Weisungen der Tora die Existenz von Banken und Zinsen vorausgesetzt – ein Widerspruch, der in der herrschenden Auslegung nicht reflektiert wird. Aus die-sem Gleichnis lässt sich ableiten, dass sich die Geldwirtschaft im Römischen Reich des ersten Jahrhunderts bereits weit ausgebreitet hat. Es legt so die ver-kehrten, widergöttlichen Verhältnisse offen.

Die biblischen Impulse zum Umgang mit dem Zins stellen eine sozialethische Maßgabe für die kritische Prüfung einer Finanzwirtschaft dar, die wesentlich auf dem Zinsnehmen beruht und sich daran exorbitant bereichert. Die Los-lösung der (Geld-)Wirtschaft von der Wertschöpfung durch menschliche Arbeit stellt einen Anlass für ein prophetisches „Wehe“ dar und macht Umkehr zu einem kontrollierten Wirtschaften notwendig, in dem das Geld eine rein dienende Funk-tion hat.

Staatsschulden von 2007 in Bund, Ländern und Gemeinden

Schulden je Einwohner in Euro:Bremen 21.568Berlin 16.634Hamburg 12.282Saarland 8.795Sachsen-Anhalt 8.269Schleswig-Holstein 7.772Thüringen 6.826Brandenburg 6.798Rheinland-Pfalz 6.598Nordrhein-Westfalen 6.335Niedersachsen 6.191Mecklenburg-Vorpom. 5.971Hessen 4.937Baden-Württemberg 3.881Sachsen 2.613Bayern 1.821

Alle Länder 5.867

Staatshaushalt: Summe in Mrd. EuroDer Bund 937,9Die Länder 482,6Die Gemeinden 81,4

Deutschland insgesamt 1.502

Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland

�1Sozialpolitischer Buß- und Bettag �009

uns alles reichlich darbietet, es zu genießen. 1. Timotheus 6,17 +++ Was soll dem Toren Geld in der

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„Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“Befreiung vom Götzendienst der Habgier

Habgier als eigensüchtiges Streben nach materiellen Gütern gilt von alters her als eine verwerfliche Untugend. Schon der griechische Philosoph Aristoteles übte Kritik daran, „ins Unbegrenzte hinein Ge-schäfte machen“ zu wollen. Diese Kritik wiederholt sich heute, fehlt doch in kaum einer Analyse über die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise der Verweis auf die Habgier der Verantwortlichen in den Investmentbanken und anderen auf Rendite fixierten Unternehmen.

In der Bibel wird Habgier durchgehend negativ bewertet. Die Propheten der hebräi-schen Bibel üben scharfe Kritik daran, Felder und Häuser an sich zu reißen und damit andere zu unterdrücken (Micha 2,1ff, Jesaja 5,8). Dem Habgierigen wird die Strafe Gottes angedroht, dem von der Hab-gier Befreiten wird Gottes Heil verheißen (Jesaja 33,15). Auch in den zehn Geboten wird die Habgier kritisiert. So heißt es im neunten und zehnten Gebot: „Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten ver-langen … oder nach irgend etwas, das deinem Nächsten gehört.“

In der Weisheitsliteratur, die bereits auf Erfahrungen mit dem im vierten vorchrist-lichen Jahrhundert eingeführten Geld zu-rückblicken kann, wird die Suchtstruktur der Habgier thematisiert: „Wer das Geld liebt, bekommt vom Geld nie genug“ (Pre-diger 5,9). Im Neuen Testament ist dann der reiche Kornbauer der Prototyp für ein

durch Habgier verfehltes Leben (Lukas 12,15–21). Im Wort vom ungerechten Mam-mon (Matthäus 6,19ff) schließt Jesus aus, dass man das Geld lieben und ihm dienen könne, weil das Geld sonst zum Selbst-zweck werden würde.

Für Paulus ist die Begierde gar der Inbe-griff von Sünde. „Die Sünde erregte in mir … Begierde aller Art“, schreibt er an die Römer (7,7f). Er benennt die Habgier im Zusammen-hang mit Unzucht und Räuberei (1. Korinther-brief 5,10; 6,9). Die Ansammlung mehrerer Formen des Fehlverhaltens sind für ihn Ausdruck einer pervertierten Lebensweise in einer sündigen Struktur. In der Schule des Paulus wird Habgier dann mit Götzen-dienst gleichgesetzt (Kolosserbrief 3,5). In den Pastoralbriefen gilt sie als die „Wurzel aller bösen Dinge“ (1. Timotheus 6,10).

Für Martin Luther ist das Streben nach immer mehr Geld eine Infragestellung Got-tes: „Es ist mancher, der meinet, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat … siehe der hat auch einen Gott, der heißet Mammon, das ist Geld und Gut, drauf er sein Herz setzet, welches auch der allgemeinest Abgott ist auf Erden.“ Mit der Habgier steht damit Gott auf dem Spiel. Sie ist jedoch der Antriebsmotor einer kapi-talistischen Ökonomie. Christenmenschen leben aus der Gewissheit, dass sie von den „gottlosen Bindungen dieser Welt befreit“ sind. Sie und die Kirche können daher zum Götzendienst der Habgier nur in einem „spannungsreichen kritischen Verhältnis“ (Luise Schottroff) stehen.

Biblisch-sozialethische Texte

Hand, Weisheit zu kaufen, wo er doch ohne Verstand ist? Sprüche Salomos 17,16 +++ Ein treuer

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��Sozialpolitischer Buß- und Bettag �009

Nachhaltig, solidarisch mit Geld umgehen

Tausch statt KaufWirtschaften ohne Geld

In den 90er-Jahren sind in vielen Städten Tauschringe gegründet worden. Einige haben zwar ihre Tätigkeit einge-stellt, viele arbeiten jedoch heute noch. Die Idee der Tauschringe, bargeldlos Dienstleistungen oder Waren unter den Mitgliedern zu tauschen, fasziniert noch heute viele Menschen.

Viele Menschen besitzen Fertigkeiten, die nicht eingesetzt werden, weil unser ge-sellschaftliches System sie nicht braucht. Angebot und Nachfrage nach mensch-licher Arbeit werden über die Gesetze des Marktes geregelt, was in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zu wachsendem Druck auf diejenigen führt, die Arbeit besitzen. Diejenigen, die der Arbeitsmarkt ver-drängt hat, werden jedoch gegen ihren Willen mit viel freier Zeit ausgestattet. Da sich die finanzielle Lage in vielen Haus-halten zuspitzt, können außerdem not-wendige Dienstleistungen oft nicht mehr bezahlt werden. Brachliegende Fähigkei-ten und Fertigkeiten sowie zunehmende ungenutzte Zeitreserven bei abnehmen-den finanziellen Spielräumen bilden den gesellschaftlichen Hintergrund der Tauschringe.

Die Funktionsweise eines Tauschrings verdeutlicht ein Beispiel: Die Rentnerin Lieselotte Müller würde gern babysitten und die Studentin Vera Schulz sucht öfter eine Betreuerin für

ihr Kind, um regelmäßig an ihren Vorlesun-gen teilnehmen zu können. Wenn beide an einem Tauschring teilnehmen, werden sie zueinander vermittelt. Für die Betreu-ung ihres Babys braucht Vera Schulz ihr Bankkonto nicht weiter zu überziehen, denn Frau Müller erhält für ihre Baby-sitting-Dienste kein Geld, sondern eine Gutschrift auf ihrem von der Tausch-zentrale geführten Tauschkonto. Ihr Guthaben kann Frau Müller dann bei-spielsweise dafür nutzen, sich von einem anderen Teilnehmer die Wohnung tape-zieren zu lassen. Die angehende Mathe-matikerin Vera Schulz kann ihr Tausch-konto zum Beispiel ausgleichen, indem sie Nachhilfe-Unterricht in Mathematik erteilt. Für die Zeit, in der ihr Konto über-zogen ist, braucht sie keine Zinsen zu bezahlen.

Ein Tauschring bietet Vorteile für viele Menschen. Der gesellschaftliche Trend zur Individualisierung sowie anonyme Wohnsituationen haben alte Traditionen der nachbarschaftlichen Hilfe vielerorts einschlafen lassen. Durch Tauschringe können solche Kontakte wieder aufleben. Dabei gehen die Möglichkeiten über eine lokal begrenzte Nachbarschaftshilfe weit hinaus. In Zeiten der weltweiten Finanz-marktkrise erweisen sie sich als robuste Zellen einer lokalen Ökonomie, weil sie abgekoppelt sind von der globalen Geld-Ökonomie.

Babysitten TapezierenNachhilfe-Unterricht

Tauschkonto Lieselotte Müller

Tauschkonto Vera Schulz

Konto ausgleichen:durch Erteilung von

Nachhilfe-Unterricht

Konto belasten: durch Inanspruchnahme

von Babysitting-Dienst

Guthaben ansparen: durch geleistete Babysitting-Dienste

Guthaben einsetzen: zum Beispiel für Tapezierarbeiten

Freund ist nicht mit Geld oder Gut zu bezahlen und sein Wert ist nicht hoch genug zu schätzen.

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Nachhaltig, solidarisch mit Geld umgehen

Ein Baustein für Gemeinwohl- orientiertes WirtschaftenRegiogeld

Regionalwährungen sind ein Versuch, dem zu begegnen, was derzeit die weltweite Finanzarchitektur prägt: Systemimma-nente Kurzfristorientierung, Wachstums-zwang, Umverteilung von Vermögen und Übernutzung der Ressourcen.

Regiogeld ist ein demokratisch vereinbar-tes, transparentes Zahlungsmittel, das meist zusätzlich zur offiziellen Währung in einer bestimmten Region verwendet wird. Regiogeld, kurz: „Regios“, fördert die regionale Wirtschaft, indem Kaufkraft an regionale Dienstleistungen und Produkte gebunden wird. Reduzierte Transportwege schonen die Umwelt. Angesichts der Globalisierungstendenzen stärken Regios die lebendige Vielfalt der Regionen.

In Deutschland funktionieren bereits rund 30 Regionalwährungen in verschie-denen Systemen: Bei Systemen mit Euro-deckung werden Regios für Euros ge-kauft, die Euros kommen als Deckung auf ein Konto. Ein Rücktausch in Euro ist mög-lich, die dann fällige Rücktauschgebühr kommt – etwa beim Chiemgauer – groß-

teils gemeinnützigen Organisationen vor Ort zugute.

Bei Systemen mit Kredit- oder Leis-tungsdeckung sind Regios gedeckt durch Leistungsversprechen der Teilnehmenden und die Verpflichtung der Unternehmen, Regios in bestimmtem Umfang als Zah-lungsmittel zu akzeptieren. Ein Rück-tausch in Euro ist nur bedingt möglich.

Daneben gibt es Mischformen, wenn etwa beim Umtausch von Euros in Regios ein Anteil an Leistungsdeckung akzeptiert wird, zum Beispiel in Form der Zeitwäh-rung von Tauschringen: Dies ermöglicht Menschen mit wenig Geld, ihre Fähigkei-ten und Bedürfnisse einzubringen.

Das Besondere: Die meisten Regios haben eine Umlaufsicherungsgebühr. Ein Wertverlust von im Schnitt zwei Prozent pro Quartal veranlasst dazu, Regios bald wieder in den Kreislauf einzuspeisen. So ein „negativer Zins“ relativiert den Wachstumszwang, den das derzeitige zinsbasierte Finanzsystem erzwingt. Er dämpft langfristig die Inflationsgefahr. Auch die Umverteilung von Arm zu Reich wird so gebremst: Schließlich werden jährlich allein in Deutschland ca. 400 Mil-liarden Euro zinsbedingt umverteilt, wobei achtzig Prozent der Bevölkerung bezahlen, was die reichsten zehn Prozent dazu gewinnen.

Weitere Informationen zum Thema siehe Seite 30 „Blick ins Internet“.

Jesus Sirach 6,15 +++ Ein Arbeiter, der sich gern vollsäuft, der wird nicht reich; und wer mit wenigem

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Höhe des durchschnittlichen Vermögens nach Berufsgruppen 2007 in Euro (in Klammern der Anteil der Personen ohne jedes Vermögen in Prozent)

Quelle: DIW

In Ausbildung, Praktikant, Wehr-/Zivildienst

Un-/Angelernte Arbeiter, Angestellte ohne Ausbildung

Gelernte und Facharbeiter, Angestellte mit einfacher Tätigkeit

Vorarbeiter, Meister, Poliere, Angestellte mit qualifizierter Tätigkeit

Angestellte mit umfassenden Führungsaufgaben

Beamte, einfacher oder mittlerer Dienst

Selbstständige ohne Mitarbeiter

Selbstständige mit 1 bis 9 Mitarbeitern

Selbstständige mit 10 oder mehr Mitarbeitern

Nicht erwerbstätig, arbeitslos

Rentner/Pensionäre

Beamte, gehobener oder höherer Dienst

Insgesamt

10.876 (46,7)

34.418 (39,0)

45.891 (29,7)

71.535 (17,0)

118.856 (8,7)

63.118 (11,6)

140.334 (7,5)

177.194 (17,9)

345.614 (11,0)

1.111.103 (14,2)

51.113 (49,0)

113.594 (20,4)

88.034 (27,0)

Und vergib uns unsere Schulden!Überschuldung

Geld, das eigentlich nichts anderes als ein Tauschmittel ist, hat in unserer heu-tigen Zeit beinahe die Qualität des Heili-gen angenommen. Dies wird nirgends so deutlich wie beim Phänomen der Verschuldung. Die Aufnahme eines Kre-dites ist nichts weniger als ein Glaubens-akt – „Kredit“ kommt vom lateinischen Wort „credere“, was „glauben“ bedeutet. Der Darlehensgeber wird als Gläubiger, der Darlehensnehmer als Schuldner bezeichnet. Und wehe ihm, er bleibt einige Raten schuldig. Der Gläubiger wird den Kredit kündigen, sich bei Gericht einen Vollstreckungstitel besor-gen und den Gerichtsvollzieher beauf-tragen. Dieser darf dann die grundge-setzlich geschützte Privatsphäre des Schuldners betreten und nach verwert-baren Dingen suchen. Lässt sich nichts Verwertbares finden, wird er ihm den Offenbarungseid abnehmen.

Schuldig, Gläubiger, Offenbarung. So redet im 21. Jahrhundert kaum noch jemand. Außer, wenn es ums Geld geht. Entspre-chend groß ist der Druck auf Menschen, die ihre Schulden nicht mehr zurückzah-len können. Viele fühlen sich tatsächlich schuldig, als hätten sie ein schweres Ver-brechen begangen. Ehen, Familien und

Freundschaften zerbrechen, viele Über-schuldete verlieren ihren Arbeitsplatz oder fangen an zu trinken. Manch einer traut sich kaum mehr aus dem Haus vor Scham und der Briefkasten, in dem ohnehin nur noch Mahnbriefe und Vollstreckungs-ankündigungen landen, wird zum Feind.

Seit etwa zehn Jahren gibt es mit der Insolvenzordnung ein erfrischend pragma-tisches Gesetz, das Parallelen zum bibli-schen Sabbat-Prinzip (siehe Seite 12) hat und für überschuldete Menschen eine echte Chance für einen Neuanfang bietet. Wer überschuldet ist, kann seitdem in sechs Jahren seine Schulden loswerden. Voraussetzung ist, dass der Schuldner sein Vermögen – so er noch eines besitzt – abgibt und sich verpflichtet, den pfänd-baren Teil seines Einkommens zur Schul-dentilgung einzusetzen. Ein Alleinstehen-der etwa muss dann 70 Prozent seines 985,15 € übersteigenden Monatseinkom-mens abgeben. Wer arbeitslos ist, muss sich um eine „angemessene Erwerbstätig-keit“ bemühen, eine Erbschaft muss zur Hälfte herausgegeben werden. Wer einige weitere Pflichten erfüllt, bekommt dann nach sechs Jahren die Restschuldbefrei-ung und wird damit von den noch nicht beglichenen Schulden erlöst.

nicht haushält, der kommt bald zu Fall. Jesus Sirach 19,1 +++ Man hält Mahlzeiten, um zu lachen, und

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Nachhaltig, solidarisch mit Geld umgehen

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Pfarrer ohne Bezahlung?Geld, Sicherheit und die Kirche Jesu Christi

Matthias Burghardt war Gemeindepfarrer in einer deutschen Landeskirche, bis er sich entschloss, den kirchlichen Beamten-status aufzugeben. Seit 2006 arbeitet er

als Pfarrer für etwa 400 Euro monatlich in der deutschen Erlösergemeinde in Tallinn (Estland).

Herr Burghardt, was hat Sie veranlasst, alle Brücken hinter sich abzubrechen?In Deutschland war ich nicht wirklich glück-lich. Das lag weder an meiner Gemeinde noch an der Kirchenleitung. Es lag an dem System, in dem ich gezwungen war, zu arbeiten, demgegenüber ich mich ver-pflichtet fühlte, mit jeder Faser meines Seins Dankbarkeit zu empfinden, und an der scheinbar prinzipiellen Unreformierbar-keit dieses Systems. Das System heißt: Safety first. Als Pfarrer einer deutschen Landeskirche bin ich Kirchenbeamter, be-komme ein gutes Gehalt, habe eine große Gemeinde und viel Verantwortung für alles Mögliche. Meine Gemeindeglieder kenne ich nur zum Teil persönlich. Ich stehe auf der Kanzel und predige: „Sorget nicht“ und denke: „Die müssen ja denken: der hat gut reden! Der hat ausgesorgt!“ Ich bin in einer Kinder- oder Jugendgruppe und nähere mich der Existenzangst derer, die überhaupt kommen, in ohnmächtiger Weise. Ich habe Tausende Euro, über die ich zu befinden habe, aber ich kann kaum etwas Sinnvolles damit machen. Tantalosqualen. Aber was rede ich von mir!? Wie geht es der Gemeinde, den Aus-getretenen? Die Kirche ist eine Behörde, die, wie alle Behörden, versucht, sich zu „verschlanken“. Und bei Besuchen kom- me ich genau wie so ein Behördenvertre-ter rüber, ob ich will oder nicht. Corporate Identity, Gesprächstherapie, am Ende nach Hause und tun, was zu tun ist. Und wenn welche austreten? Sollte nicht pas-sieren, ist aber auch nicht so schlimm. Ich sorge nicht. Meine Performance war doch

nicht so schlecht. Safety first. An was Du Dein Herz hängst, das ist Dein Gott. Wer erhält mich denn? Gott oder mein Status, den die Behörde mir gab?

Und welche Erfahrungen machen Sie nun in Estland?In Estland habe ich gesehen, dass es auch anders geht. Pfarrer sind hier im Allgemei-nen arm. Jeder hat mehrere Nebenjobs, um zu überleben. Aber eins haben wir hier, auch bei denen, die nicht zur Kirche ge-hören: Glaubwürdigkeit. Und noch etwas haben die meisten: Ein engeres Verhältnis zu ihrer Gemeinde. Man teilt die Sorgen und Freuden intensiver. Bin ich gegen die Volkskirche? Im Gegenteil! Ich freue mich, wenn es gelingt, sie zu retten. Aber der Weg, der in Deutschland eingeschlagen wird, ist falsch. Nicht: Immer größere Ge-meinden, um den Pfarrer noch zu unter-halten, sondern: In jedes Dorf ein Pfarrer, um präsent zu sein. Die Gemeinden wer-den das honorieren und dem Pfarrer wächst Vertrauen und wahrscheinlich eine neuartige Aufgabe zu.

Aber woher kommt denn nun bei Ihnen das Geld, das Sie zum Leben brauchen?Ich werde u. a. von der EKD unterstützt und habe mehrere Nebenjobs. Meine Frau arbeitet auch. Wir haben noch Arbeit. Wir sind dankbar und es geht uns gut. Besser als vielen. Es wäre vermessen, mehr zu wollen. Auch bei uns in Estland ist nicht alles rosig: Die wirtschaftliche Not zer-bricht auch Pfarrer und Pfarrerinnen oder erstickt ihre Motivation. Es wäre falsch „Verdient weniger!“ als Heilmittel anzuprei-sen. Der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Es ist eher die Sicherheit des Systems in Deutschland, die ich problematisch finde. Mein Auftrag ist, meinen Teil dazu zu tun, dass die Kirche Jesu Christi wächst, an geistlicher Erfahrung und an der Zahl ihrer Glieder. Dafür würde ich noch viel mehr geben als das bisschen Sicherheit und Einkommen, auf das ich verzichtet habe.

der Wein erfreut das Leben, und das Geld muss alles zuwege bringen. Prediger Salomo 10,19 +++

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Aktives Aktionärstum

Eine Machbarkeitsstudie, die vom Institut für Markt und Gesellschaft und dem SÜDWIND-Institut für Ökonomie und Ökumene erstellt wurde, legt offen: Viele Führungskräfte bei Banken, Kirchen und Stiftungen halten eine Auseinander-setzung mit Unternehmen, deren Aktien sie besitzen, für dringend notwendig. Zwei protestantische Landeskirchen lassen ihre Stimmrechte bereits von einer britischen Fondsgesellschaft ausüben, die von Unternehmen mehr Engagement im Hinblick auf eine verantwortliche Unter-nehmensführung, Umweltschutz und soziale Fairness verlangen.In der Bundesrepublik Deutschland ist die Kultur des Aktiven Aktionärstums noch wenig ausgeprägt. Es gibt hierzulande so

Kirchliches Kapital nachhaltig und gerecht anlegen

„Die Kirchen können nicht Maßstäbe des wirtschaftlichen Handelns formulieren und öffentlich vertreten, ohne sie auch an sich selbst und das eigene wirtschaftliche Handeln anzulegen. Mit Recht wird dies als eine Frage der Glaubwürdigkeit angesehen.“

Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland 199�, Ziffer ���

gut wie keine Kultur der Auseinanderset-zung zwischen Aktionären und ihren Unternehmen. Die Studie will dies ändern und gerade Kirchen zu einer aktiven kons-truktiven Einflussnahme auf die Kapital-wirtschaft einladen. Sie zeigt beispielhaft auf, was mit aktivem Aktionärstum bereits erreicht wurde, aber auch welche Grenzen diese Form der Unternehmenskritik hat. Zwei Modelle werden entwickelt, wie sich institutionelle Investoren organisieren kön-nen, um gemeinsam als Aktionäre ihre Anliegen gegenüber bundesdeutschen Aktiengesellschaften vorzubringen.

Weitere Informationen zum SüDWIND-Institut siehe Seite 30 (Ein Blick ins Internet)

Solidarische Ökonomie

Ökonomisches Handeln sollte sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit, der Langfris-tigkeit, des Vorrangs der Arbeit vor dem Kapital und der globalen Fairness orientie-ren. In Genossenschaften werden diese Prinzipien umgesetzt. Dort hat der langfris-tige Bestand von Arbeitsplätzen Vorrang vor der maximalen Rendite. Arbeitende sind zugleich Eigentümer. Die Partizipation an Gewinnen und Entscheidungen ist sichergestellt. Im November 2008 wurde in Stuttgart die Genossenschaft „copino“ gegründet. Sie will biologische, regionale und faire Produkte und Dienstleistungen an Groß- und Endverbraucher vertreiben. Das Genossenschaftsprinzip schafft den

Das Prinzip der Genossenschaften

Rahmen für eine Ökonomie der Solidarität zwischen Erzeugern, Verbrauchern, Handel, Lieferanten, Beschäftigten und Geldgebern.Alle Kosten werden selbst erwirtschaftet, zunächst durch einen Laden, dann auch mit einem Handelszentrum. Die Grundaus-stattung des Ladens und die Bezahlung der ersten Mieten wurden über einen Kre-dit bei der GLS Bank finanziert. Der erste Laden wird voraussichtlich im Herbst 2009 in der Stuttgarter Innenstadt eröffnet wer-den. Weltläden, Bioläden, Tafelläden, Hof-läden werden hier zusammenarbeiten.

Weitere Informationen unter www.copino.de

Wer Geld lieb hat, der bleibt nicht ohne Sünde; und wer Gewinn sucht, der wird damit zugrunde gehen.

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Die Ökumenische Entwicklungsgenos-senschaft Oikocredit wurde 1975 vom Ökumenischen Rat der Kirchen gegrün-det, um mit Krediten die nachhaltige Entwicklung in armen Regionen der Welt zu fördern. Derzeit arbeitet Oikocredit mit 750 Projektpartnern in 70 Ländern zusammen. Rund 400 Millionen Euro sind als Darlehen vergeben oder in Beteiligungen investiert. Aufgebracht wird das Kapital von Kirchen, Kirchen-gemeinden und privaten Anleger/-innen, denen der soziale Ertrag wichtiger ist als die finanzielle Rendite. Sie begnü-gen sich seit Jahrzehnten mit einer bescheidenen, aber stabilen Dividende von 2 Prozent.

Partner von Oikocredit sind Genossen-schaften, kleine und mittlere Unternehmen sowie Mikrofinanz-Institute, die mit ihren Kleinkrediten rund 15 Millionen Menschen erreichen. Die unterstützten Projekte müs-sen wirtschaftlich tragfähig sein, einen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Region leisten, Frauen an Entscheidungsprozessen beteiligen sowie ökologische Aspekte beachten.

Wo Geschäftsbanken keine Kredite vergeben, vertraut Oikocredit in die pro-duktiven Kräfte armer und benachteiligter Menschen. Diese haben sich als zuver-lässige Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner erwiesen, die erfolg-reich kleine und mittlere Unternehmen

führen können, wenn sie faire Kredite erhalten.

In der Finanzkrise wird deut-lich, was den Unterschied zu großen Geschäftsbanken aus-macht. Die Ökumenische Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit kennt ihre Kundinnen und Kunden. Sie bietet pass-genaue Finanzierungen mit lan-gen Laufzeiten an, häufig auch in lokaler Währung. Dank eines leistungsfähigen Risikomanage-ments konnte der Anteil aus-fallgefährdeter Kredite im vergangenen Jahr auf 1,5 Pro-zent reduziert werden. Endgül-tig abgeschrieben werden mussten lediglich 0,4 Prozent der vergebenen Kredite.

Die Arbeit von Oikocredit hat in Deutschland schon über 15.000 Anleger/-innen über-zeugt. Eine Beteiligung ist ab 200 Euro möglich. Günter Banzhaf

Kontakt: Oikocredit Geschäftsstelle Deutschland [email protected] www.oikocredit.org

Eine Kundin erhält in einer Dorfbank in Samayapuran/Indien einen Kleinstkredit. Ein Darlehen von Oikocredit an die Mikrofinanz-Institution ASA (Activists for Social Alternatives) macht viele solcher Mikrokredite möglich.

Nachhaltig, solidarisch mit Geld umgehen

Oikocredit

In Menschen investieren

Jesus Sirach 31,5 +++ Du sollst von deinem Bruder nicht Zinsen nehmen, weder für Geld noch für Speise

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Literaturhinweise

Literatur zum Thema

Ist der Markt noch zu retten? – Warum wir jetzt einen starken Staat brauchen:Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger zeigt, wie der Staat die zerstörerischen Kräfte des Marktes bannen kann. Ein Plädoyer für eine neue Balance von Staat und Markt zur langfristigen Sicherung der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft.Von: Peter Bofinger, Econ Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-430-30043-8

Geld: Unterrichtsentwürfe und Hintergrundinformationen. „entwurf“ – ReligionspädagogischeMitteilungen 3/2006, Bestell-Nr. 6811, www.entwurf-online.de

Geld – Aufwachsen in der Konsumge-sellschaft: Zum Umgang und Verhältnis von Kindern zu Konsum und Geld. „Schüler – Wissen für Lehrer“, Erhard-Friedrich-Verlag, Selze 2008, Bestell-Nr. 39014, ISSN 0949-2852, www.friedrich-verlag.de

Geld: Verschiedene Aufsätze über die Rolle des Geldes und den Umgang mit Geld vor dem Hintergrund der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise. Aus Politik und Zeitgeschichte 26/2009, 22.06.2009, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“

Geld und Gewissen. Tu Gutes und ver-diene daran: Ein Ratgeber für Menschen, die ihr Geld in Gerechtigkeit, Umwelt-schutz und Bildung investieren wollen. Von: Wolfgang Kessler / Antje Schneeweiß (Hg.), Verlag Publik-Forum, Oberursel 2004, Bestell-Nr. 2756, www.publik-forum.de

Geld und Gewissen. In eine humane Welt investieren: Acht Seiten, die aufzeigen, wie Geld die Welt falsch regiert – und wie Geld die Welt besser regieren könnte. Publik-Forum Dossier, Verlag Publik-Forum, Oberursel 2004, Bestell-Nr. 2782, www.publik-forum.de

Finanzmarkt mit menschlichem Gesicht –In Entwicklung investieren: Dossier von Oikocredit in Zusammenarbeit mit der Redaktion „welt-sichten“, 5/2009, www.welt-sichten.org

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Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus: Die 55 Beiträge geben einen Überblick über die verschiedenen Formen einer solidarischen Ökonomie – von der „alten“ Genossenschaftsbewe-gung bis hin zu den heutigen internationa-len Bewegungen selbstorganisierter öko-nomischer Alternativen.Von: Sven Giegold / Dagmar Embshoff (Hg.), VSA-Verlag, Hamburg 2008

Solidarische Ökonomie – Reader desWissenschaftlichen Beirates von Attac:Konkrete Alternativen werden exemplarisch vorgestellt: Selbstverwaltete Betriebe, Ge-nossenschaften und Kooperativen, land-wirtschaftliche Direktvermarktung, Wohn-projekte, Tauschringe, fairer Handel … Von: Elmar Altvater / Nicola Sekler (Hg.), VSA-Verlag, Hamburg 2006

Regionalwährungen – Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand: Ein Überblick über verschiedene Regionalwährungen und wie sie funktionieren.Von: Margrit Kennedy / Bernard A. Lietaer, Riemann Verlag, München 2004, ISBN 3-570-50052-7

Let’s make MONEY: Der Film zeigt ge-feierte Fondsmanager, die das Geld ihrer Kunden jeden Tag aufs Neue anlegen, und die Ebenen des Finanzsystems. Man erfährt auch, warum es auf dem Globus zu einer unglaublichen Geldvermehrung gekommen ist, und lernt die Zwischen-stationen der Geldvermehrungsreise wie die Schweiz, London oder Jersey kennen (vgl. auch www.letsmakemoney.at).

Let’s make money – Was macht die Bank mit unserem Geld? Das Buch von Caspar Dohmen liefert Hintergründe, Geschichten und Fakten zum Film und erläutert für alle verständlich die Grundlagen unseres Wirtschaftssystems.Von: Caspar Dohmen, Verlag orange press, Freiburg 2009, ISBN-13: 978-3-936086-41-6, www.orange.press.com

Wie ein Riss in hoher MauerWort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. EKD Texte 100, Juli 2009, Hrsg: Kirchen-amt der EKD, Hannover, www.ekd.de

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noch für alles, wofür man Zinsen nehmen kann. 5. Mose 23,20 +++ Mancher kauft zunächst viel für wenig

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Internetseiten

Ein Blick ins Internet

www.attac.de/aktuell/krisen undwww.attac.de/aktuell/krisen/alternativenDas globalisierungskritische Netzwerk weist auf seiner Website auf zahlreiche Kampagnen, Aktionen und Publikationen hin und fordert eine klare Umkehr vom Kasinokapitalismus. Auf weiteren Unter-seiten können Ausführungen zu einzelnen Forderungen nachgelesen werden, wie:– Wirksame Regulierung der Finanzmärkte – Die Schrumpfung der Finanzmärkte – Die Sicherung des Sozialen – Umverteilung von oben nach unten

weltweit– Die Abkehr von der Fixierung auf

Wirtschaftswachstum.

www.boeckler-boxen.deZu wichtigen Stichworten wie Finanz-märkte, Managergehälter, Niedriglohn, prekäre Beschäftigung bieten die Böckler-Boxen Forschungsergebnisse, Fakten und Schaubilder. Verständlicher und anschaulicher kann man diese Sachverhalte kaum darstellen.

www.copino.de Auf der Website der Stuttgarter Genossenschaft copino kann man die Fortschritte des Projektes nachlesen (siehe Seite 27).

www.ekhn.de/inhalt/download/ standpunkt/soz_pol/08_finanzkrise_ hintergrund_bibel_qzgv.pdfAuf der Website des Zentrums für gesell-schaftliche Verantwortung (ZGV) der EKHN in Mainz finden sich weitere Informationen und Artikel, darunter auch der auf Seite 18 f. stark gekürzt abge-druckte Text in seiner Originalfassung.

www.inapraetorius.ch/d/ der-besondere-text.phpWebsite der feministischen Theologin und Germanistin Ina Praetorius. Hier findet sich unter der Rubrik „Der besondere Text“ eine kurze Abhandlung unter dem Titel „Gier, Geschlecht und die Zukunft des Lebensraums Welt“.

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www.letsmakemoney.atWebsite zum gleichnamigen Film von Erich Wagenhofer. Dort finden sich Fakten, Informationen zum Regisseur, Originalzitate aus dem Film und ein Link zur Bestellung der im Juni erschienen DVD.

www.oikocredit.orgDie Website gibt detaillierten Aufschluss über die Aktivitäten in Nord und Süd und veröffentlicht Zahlen und Fakten von Oikocredit, einer der weltweit größten Refinanziers im Mikrofinanz-Sektor (siehe Seite 28).

www.regiogeld.de undwww.wikipedia.org/wiki/Regiogeld.deAusführliche Hintergrundinformationen und ständig aktuelle Nachrichten aus den Regionen, in denen Regiogeld (siehe Seite 24) eingeführt wurde, und Links zu weiteren Unterthemen und Medien sowie Hinweise auf Veranstaltungstermine.

www.solidarische-oekonomie.deSolidarische Ökonomie – ein neuer Begriff mit viel Vergangenheit und noch mehr Zukunft. Die Website stellt vor, welche Projekte es dazu vor allem auf der Südhalbkugel gibt, und regt an, entsprechende Initiativen auch im Norden zu starten.

www.suedwind-institut.deSeit 1991 arbeitet SÜDWIND zu sozial-verantwortlichen Geldanlagen. Wenn wir alle, die wir unser Geld Banken und Sparkassen anvertrauen, soziale und ökologische Kriterien einforderten, so müssten Unternehmen ihr Verhalten ändern. SÜDWIND berät seit seiner Gründung private und kirchliche Anleger zu sozial verantwortlichen Geldanlagen und hat die Machbarkeitsstudie zum „Aktiven Aktionärstum“ (siehe Seite 27) erstellt.

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Geld; aber nachher muss er`s siebenfach bezahlen. Jesus Sirach 20,12 +++ Wer sein Gut mehrt mit

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Impressum

Verantwortlich:Peter JanowskiBundesvorsitzender

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt

Blumhardtstraße 2

30625 Hannover

Fotos/Bilder: Titelbild: H. Giebeler (Composing)

Verwendete Bilder:

© Ray – Fotolia.com (Golf)

© itestro – Fotolia.com (Globus)

Seite 2: KDA

Seite 3: H. Giebeler

Seite 4: Vitare / photocase.com

Seite 6: misterQM / photocase.com

Seite 7: H. Giebeler (Grafik)

Seite 9: AndreasF. / photocase.com

Seite 10: Nick Butterworth / Mick Inkpen:

Von Schafen, Perlen und Häusern,

© SCM R. Brockhaus im

SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten,

6. Auflage 2008

Seite 11: Yaban / photocase.com

Seite 13: Thomas Plassmann

Seite 15: siehe Titelbild

Seite 18: elnineo / photocase.com

Seite 20: R. Adler

Seite 22: Thomas Plassmann

Seite 23: H. Giebeler; testfight / photocase.com

Seite 24: www.regiogeld.de

Seite 25: H. Giebeler (Grafik)

Seite 26: privat

Seite 28: Oikocredit

Seite 31: Dirk Meissner

Gestaltung und Realisation:Design, Layout, Bildauswahl: Holger Giebeler

www.giebelerdesign.net

Lektorat: Dr. Angelika Fallert-Müller

www.fallert-mueller.de

Druck: Direkt Druck- und Verlagsservice GmbH,

Darmstadt

Juli 2009

Im Auftrag des KDA-Bundesvorstandes erstellt von:

Rolf AdlerIndustriepastor

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt,

Ev.-luth. Landeskirche Hannover, Osnabrück Dr. Günter BanzhafPfarrer

Oikocredit, Reutlingen Dr. Brigitte Bertelmann,Referentin für Ökonomie und Sozial- und Familienpolitik

Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung

der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Mainz Dorothee ErnstPfarrerin

Esslingen / Berlin Angela HalberstadtBundesgeschäftsführerin

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, Hannover Martin HuhnIndustrie- und Sozialpfarrer

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt

Industrie- und Sozialpfarramt Nordbaden, Mannheim Jens JungingerWirtschafts- und Sozialpfarrer

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt Württemberg, Reutlingen Dr. Thomas PosernReferent für Ökumenische Sozialethik und

Wirtschaftraum Rheinhessen

Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung

der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Mainz Gabriele Walcher-QuastWirtschafts- und Sozialpfarrerin

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt Württemberg, Ulm Martin StaigerTheologe und Sozialarbeiter

Esslingen

Zinsen und Aufschlag, der sammelt es für den, der sich der Armen erbarmt. Sprüche Salomos 28,8 +++

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Evangelische Landeskirche Anhalts

Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

Referat Wirtschaft, Arbeit, Soziales

Kirchlicher Dienstin der ArbeitsweltArbeitsgemeinschaftin der EKD

KDA GeschäftsstelleBlumhardtstraße 230625 Hannover

Telefon: 0511 55474131

www.kda-ekd.de