Geophysikalische Vorauserkundung von Verkarstungs- und Störungszonen bei der TVM-Auffahrung des...

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450 © 2008 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Geomechanik und Tunnelbau 1 (2008), Heft 5 Topics DOI: 10.1002/geot.200800049 Die maschinelle Auffahrung des Katzenbergtunnels (Deutsch- land) erforderte in beiden Röhren die Durchörterung eines etwa 520 m langen Gebirgsabschnitts im stark verkarstungsanfälligen Gestein des jurassischen Oxfordkalks (Weißjura). Die Erkennung von größeren offenen oder verfüllten Hohlräumen war für den Vortrieb und ist insbesondere für den späteren Betrieb des Tun- nels eine entscheidende Voraussetzung. Die modernen Verfahren der Bohrloch-Radar-Technologie sind geeignet, Verkarstungs- und Störungszonen im Tunnelvorfeld zu lokalisieren. Diese neue Technologie wurde ergänzend zur Sondierung mittels Bohrungen erstmalig bei einem maschinellen Vortrieb eingesetzt. Die in der Regel steilstehenden, N-S-streichenden und korrosiv aufgeweite- ten Karststrukturen konnten geophysikalisch mehrheitlich geor- tet, in ihrer Lage und Orientierung im Vollraum prognostiziert und anhand des Vergleichs mit den geologischen Ortsbrustkartierun- gen überprüft werden. Aus der Gegenüberstellung, Bewertung und Wichtung von angetroffenen und prognostizierten Strukturen konnten mittels Extrapolation dieser Ergebnisse verbesserte Aus- sagen zum Tunnelumfeld und zur Tunnelbettung gemacht werden. Der Artikel erläutert Einsatzmöglichkeiten, Nachweisgrenzen, Auflösung und Einsatzspektrum der Bohrloch-Radar-Technologie am Beispiel der abgeschlossenen Vorauserkundung im Katzen- bergtunnel. Geophysical investigations in advance of karstified structures and disturbance zones during the excavation of the Katzenberg Tunnel In the course of the construction of the Katzenberg Tunnel in Germany the tunnel boring machines (TBMs) in both tubes had to pass through an approximately 520 m long section of Jurassic Oxford limestone (White Jura) where karst formations are very common. The ability to detect larger cavities, whether hollow or filled, was therefore a key requirement both for the tunnel driving and, in particular, for later operation of the tunnel. Modern bore- hole radar technology can be used to locate karst zones and fault zones ahead of the TBM. This new technology was used for the first time in mechanized tunnelling parallel to localized karst de- tection by means of traditional advance drilling while driving through the White Jura rock. Most of the karst formations, gener- ally running steeply along a N-S axis and enlarged by corrosion, were located geophysically, their position and distribution within the solid rock were predicted, and they were checked by con- ducting a comparison with the geological mapping of the tunnel face. Based on the comparison, evaluation and weighting of structures encountered and predicted, it was possible to make more accurate statements regarding the area around the tunnel and the tunnel bedding by extrapolating these results. The article explains possible applications, exploration limits, resolution and range of use of borehole radar technology, illustrated by the ex- ample of the completed preliminary exploration in the Katzenberg Tunnel. 1 Einleitung Die geologische Vorauserkundung kann in die Bohrer- kundung und die geophysikalische Prospektionserkun- dung unterteilt werden. Erst eine gemeinsame interdiszip- linäre Interpretation der erzielten Ergebnisse führt zum maximal möglichen Informationsgewinn für das aufzufah- rende Tunnelbauwerk. Der nicht in jedem Fall obligatori- sche Einsatz der Geophysik gliedert sich dabei in die ober- flächengeophysikalischen Verfahren und in die Methoden der Bohrlochgeophysik. Eine gezielte Kopplung der Bohr- erkundung, aus der nur punktuelle Aussagen zum Bau- grund abgeleitet werden können, mit dem Einsatz bohr- lochgeophysikalischer Messverfahren ermöglicht zusätzli- che räumliche Strukturaussagen zum Baugrund. Dies führt unter schwierigen Baugrundbedingungen zu einem erheblichen Informationsgewinn. Er trägt zu einer höhe- ren Sicherheit des Vortriebs und des späteren Betriebs des Tunnels bei. Die geophysikalischen Messungen im Bohrloch kön- nen in die konventionellen Logging-Verfahren und die Bohrloch-Spezialverfahren (Gravimetrie, Seismik, Elek- trik, Elektromagnetik, Radar) untergliedert werden. Wäh- rend die Logging-Verfahren nur Aussagen zu Eigenschaf- ten der im Bohrloch aufgeschlossenen Gesteine bis zu ei- ner maximalen Erkundungstiefe von wenigen Dezimetern erlauben, sind mit den Bohrloch-Spezialverfahren räumli- che Strukturaussagen unterschiedlicher Auflösung und Tiefenreichweite möglich. Die Bohrloch-Radar-Technolo- gie nimmt infolge der erzielbaren hohen Auflösung und bedingt durch den hohen Messfortschritt eine Sonderstel- lung unter diesen Bohrloch-Spezialverfahren ein. Die vortriebsbegleitenden geophysikalischen Voraus- erkundungsmaßnahmen bei der Durchörterung der Schichten der jurassischen Oxfordkalke im Katzenberg- tunnel hatten folgende Ziele: – Ortung von Störungs- und Verkarstungszonen sowie von offenen Hohlräumen im Tunnelvor- und -umfeld, – Ortung offener Hohlräume im unmittelbaren Tunnel- vortriebsbereich, – Charakterisierung der Bettungsbedingungen im Liegen- den der Tunnelröhre. Geophysikalische Vorauserkundung von Verkarstungs- und Störungszonen bei der TVM-Auffahrung des Katzenbergtunnels Thomas Richter Samuel Boll Markus Weh

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450 © 2008 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Geomechanik und Tunnelbau 1 (2008), Heft 5

Topics

DOI: 10.1002/geot.200800049

Die maschinelle Auffahrung des Katzenbergtunnels (Deutsch-land) erforderte in beiden Röhren die Durchörterung eines etwa520 m langen Gebirgsabschnitts im stark verkarstungsanfälligenGestein des jurassischen Oxfordkalks (Weißjura). Die Erkennungvon größeren offenen oder verfüllten Hohlräumen war für denVortrieb und ist insbesondere für den späteren Betrieb des Tun-nels eine entscheidende Voraussetzung. Die modernen Verfahrender Bohrloch-Radar-Technologie sind geeignet, Verkarstungs-und Störungszonen im Tunnelvorfeld zu lokalisieren. Diese neueTechnologie wurde ergänzend zur Sondierung mittels Bohrungenerstmalig bei einem maschinellen Vortrieb eingesetzt. Die in derRegel steilstehenden, N-S-streichenden und korrosiv aufgeweite-ten Karststrukturen konnten geophysikalisch mehrheitlich geor-tet, in ihrer Lage und Orientierung im Vollraum prognostiziert undanhand des Vergleichs mit den geologischen Ortsbrustkartierun-gen überprüft werden. Aus der Gegenüberstellung, Bewertungund Wichtung von angetroffenen und prognostizierten Strukturenkonnten mittels Extrapolation dieser Ergebnisse verbesserte Aus-sagen zum Tunnelumfeld und zur Tunnelbettung gemacht werden.Der Artikel erläutert Einsatzmöglichkeiten, Nachweisgrenzen,Auflösung und Einsatzspektrum der Bohrloch-Radar-Technologieam Beispiel der abgeschlossenen Vorauserkundung im Katzen-bergtunnel.

Geophysical investigations in advance of karstified structuresand disturbance zones during the excavation of the KatzenbergTunnel In the course of the construction of the Katzenberg Tunnel inGermany the tunnel boring machines (TBMs) in both tubes had topass through an approximately 520 m long section of JurassicOxford limestone (White Jura) where karst formations are verycommon. The ability to detect larger cavities, whether hollow orfilled, was therefore a key requirement both for the tunnel drivingand, in particular, for later operation of the tunnel. Modern bore-hole radar technology can be used to locate karst zones and faultzones ahead of the TBM. This new technology was used for thefirst time in mechanized tunnelling parallel to localized karst de-tection by means of traditional advance drilling while drivingthrough the White Jura rock. Most of the karst formations, gener-ally running steeply along a N-S axis and enlarged by corrosion,were located geophysically, their position and distribution withinthe solid rock were predicted, and they were checked by con-ducting a comparison with the geological mapping of the tunnelface. Based on the comparison, evaluation and weighting ofstructures encountered and predicted, it was possible to makemore accurate statements regarding the area around the tunneland the tunnel bedding by extrapolating these results. The articleexplains possible applications, exploration limits, resolution and

range of use of borehole radar technology, illustrated by the ex-ample of the completed preliminary exploration in the KatzenbergTunnel.

1 Einleitung

Die geologische Vorauserkundung kann in die Bohrer-kundung und die geophysikalische Prospektionserkun-dung unterteilt werden. Erst eine gemeinsame interdiszip-linäre Interpretation der erzielten Ergebnisse führt zummaximal möglichen Informationsgewinn für das aufzufah-rende Tunnelbauwerk. Der nicht in jedem Fall obligatori-sche Einsatz der Geophysik gliedert sich dabei in die ober-flächengeophysikalischen Verfahren und in die Methodender Bohrlochgeophysik. Eine gezielte Kopplung der Bohr-erkundung, aus der nur punktuelle Aussagen zum Bau-grund abgeleitet werden können, mit dem Einsatz bohr-lochgeophysikalischer Messverfahren ermöglicht zusätzli-che räumliche Strukturaussagen zum Baugrund. Diesführt unter schwierigen Baugrundbedingungen zu einemerheblichen Informationsgewinn. Er trägt zu einer höhe-ren Sicherheit des Vortriebs und des späteren Betriebs desTunnels bei.

Die geophysikalischen Messungen im Bohrloch kön-nen in die konventionellen Logging-Verfahren und dieBohrloch-Spezialverfahren (Gravimetrie, Seismik, Elek-trik, Elektromagnetik, Radar) untergliedert werden. Wäh-rend die Logging-Verfahren nur Aussagen zu Eigenschaf-ten der im Bohrloch aufgeschlossenen Gesteine bis zu ei-ner maximalen Erkundungstiefe von wenigen Dezimeternerlauben, sind mit den Bohrloch-Spezialverfahren räumli-che Strukturaussagen unterschiedlicher Auflösung undTiefenreichweite möglich. Die Bohrloch-Radar-Technolo-gie nimmt infolge der erzielbaren hohen Auflösung undbedingt durch den hohen Messfortschritt eine Sonderstel-lung unter diesen Bohrloch-Spezialverfahren ein.

Die vortriebsbegleitenden geophysikalischen Voraus-erkundungsmaßnahmen bei der Durchörterung derSchichten der jurassischen Oxfordkalke im Katzenberg-tunnel hatten folgende Ziele: – Ortung von Störungs- und Verkarstungszonen sowie

von offenen Hohlräumen im Tunnelvor- und -umfeld,– Ortung offener Hohlräume im unmittelbaren Tunnel-

vortriebsbereich,– Charakterisierung der Bettungsbedingungen im Liegen-

den der Tunnelröhre.

Geophysikalische Vorauserkundung vonVerkarstungs- und Störungszonen bei derTVM-Auffahrung des Katzenbergtunnels

Thomas RichterSamuel BollMarkus Weh

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Für alle drei Erkundungszielstellungen ist die Bohrloch-Radar-Technologie optimal geeignet. Infolge der großengesteinsphysikalischen Kontraste zwischen einem unver-witterten Kalkstein und ihn durchziehenden Verkars-tungs- und Störungszonen können signifikante Messeffek-te registriert werden.

Bei der Auffahrung des Katzenbergtunnels wurdendie Verfahren der Bohrloch-Radar-Technologie weltweiterstmalig bei einem maschinellem Vortrieb eingesetzt. Pa-rallel zur Auffahrung des Lötschberg-Basistunnels kamenBohrloch-Radar-Reflexionsmessungen erstmalig im kon-ventionellen Vortrieb zur Karstvorauserkundung zum Ein-satz.

2 Tunnelbauprojekt Katzenbergtunnel

Im Rahmen des Projekts der Ausbau- und NeubaustreckeKarlsruhe-Basel durch die Deutsche Bahn AG wurde aufdem Planfeststellungsabschnitt 9.1 Schliengen-Eimeldin-gen zwischen Efringen-Kirchen im Süden und Bad Bellin-gen im Norden der Katzenbergtunnel gebaut. Der insge-samt 9,38 km lange, aus zwei Röhren bestehende Tunnelwurde bergmännisch auf einer Strecke von rund 8,95 kmvon Süden beginnend ab Juni 2005 mit zwei Tunnelvor-triebsmaschinen mit Erddruckschild (EPB-TVM) aufge-fahren. Der Durchschlag beider Röhren erfolgte bei BadBellingen und fand im September/Oktober 2007 statt.

3 Geologie und Karstbeschreibung im Tunnelabschnitt des Weißjura-Kalks (Oxfordkalk)

Der Bau des Katzenbergtunnels erfolgte in der tektonischgeprägten Region des Oberrheintalgrabens. Es handelt

sich um einen bedeutenden Grabenbruch, der eingeengtzwischen den Kristallmassiven des Schwarzwalds im Os-ten und der Vogesen im Westen liegt. Der Katzenbergtun-nel befindet sich an dessen Süd-Ostende.

Der geologische Schichtaufbau des bergmännischaufgefahrenen Tunnelbaugrunds wurde mittels Kernboh-rungen, Rammsondierungen, Bohrsondierungen undSchürfen erkundet. Es wurden Gesteine des Weißjuras(Oxfordkalk-Komplex) und des Alttertiärs, die von pleisto-zänen und holozänen Lockergesteinen überlagert werden,angetroffen. In Tabelle 1 sind die stratigrafische Gliede-rung und die lithologische Zusammensetzung der mit denTVMs aufgefahrenen Gesteine tabellarisch zusammen-gefasst [8]. Der liegende Oxfordkalk des Weißjuras[OxK] und die hangenden Schichten der Planorbenkalke[PK] bilden die Grenze zwischen dem Jura und demTertiär.

Da der aufgefahrene Abschnitt des Weißjuras eineehemalige Landoberfläche darstellt, unterlag dieser bioge-ne Kalkstein durch Umwelteinflüsse, insbesondere durchdas subtropische bis warm-gemäßigte Klima während desTertiärs, einer starken Erosion. Die Oberrheintalgraben-öffnung führte zusätzlich zur Entwicklung von Störungs-zonen und zur Ausbildung eines starken Oberflächenre-liefs. Beides begünstigte Erosions- und Verkarstungspro-zesse im Kalkstein.

Die tiefer liegenden, für den Tunnelvortrieb relevan-ten Verkarstungen entstanden im Wesentlichen als Folgevon Kalklösungsprozessen an Störungsflächen. Bild 1zeigt ein geologisches Längenprofil durch den Südab-schnitt der Oströhre des Katzenbergtunnels. Die Gesteinedes Weißjuras wurden zwischen den TM 744 und TM1268 aufgeschlossen.

Tabelle 1. Stratigraphische und lithologische Gliederung der angetroffenen GesteineTable 1. Stratigraphical and lithological structure of the excavated rocks

Stratigrafische Gliederung Lithologische Zusammensetzung

Tertiär, t Mittleres Oligozän Melettaschichten, MS Überwiegend Mergelsteine mit Einschaltungen vonmächtigen Sandsteinen und geringmächtigenMergelkalksteinen, selten Kalksandsteine

Fischschiefer, FS Tonsteine und z. T. Tonmergelsteine mit Einschaltungenvon dünnlagigen bis plattigen Mergelkalksteinen

Foraminiferenmergel, FF Mergelsteine

Unteres Oligozän Bunte Mergel, tBU Gipsmergelzone (GMZ): Mergelsteine mit eingeschaltetenSandsteinen und Gips in Lagen und Adern; nur lokalentwickelt

Konglomeratische Schichten (KGS): (Kalk-) Sandsteineund Konglomerate in Wechsellagerung mit Mergelsteinen

Streifige Mergel, tSM Mergelsteine bzw Ton(mergel)steine mit Einschaltungenvon Mergelkalksteinen, Kalk(sand)steinen, Sandsteinen,Konglomeraten

Eozän Lymnäenmergel/ Ton- und Mergelsteine, Kalksteine, Kalksandsteine und Lymnäenkalk, tLM,tLK Konglomerate

Planorbenkalk, PK Mergel- und Tonmergelsteine, Kalkmergel- und Kalksteine

Bohnerzformation, tBO Ton- und Tonmergelsteine mit Bohnerzeinlagerungen; nur lokal entwickelt

Jura Oxford Korallenkalkformation, oxK Kalksteine, im Hangenden verkarstet

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4 Vortriebsbegleitende Baugrundaufnahmen4.1 Geologische Kartierung der Ortsbrust

Vom Beginn des Vortriebs im Juni 2005 bis zum Durch-schlag im September/Oktober 2007 wurden geologischeKartierungen der Ortsbrust vorgenommen. Die Aufnahmenkonzentrierten sich auf die Beschreibung der an der Orts-brust anstehenden stratigrafischen Einheiten, deren Struk-tur, Schichtflächenausbildung, Verkarstung, Klüftung undOrientierung. Dokumentiert wurden der Wasserzufluss, dieAusbildung der Kluftflächen und derZustand der Ortsbrust.

Auf einer Vortriebsstrecke von rund 520 m im starkver-karstungsgefährdeten Oxfordkalk des Weißjuras sind jeTunnelröhre zwischen 150 und 160 geologische Ortsbrust-kartierungen erstellt worden. Bild 2 zeigt eine ausgewähltegeologische Ortsbrustaufnahme. Anhand dieservortriebspa-rallelen geologischen Kartierung wurde während der Auf-fahrung der Ist-Zustand der Oxfordkalkformation im Be-reich der Tunnelröhre dokumentiert. Aus den geologischenAufnahmen war bereits ersichtlich, dass es sich bei denKarsterscheinungen in der Regel um aufgeweitete Nord-Südstreichende, steil stehende Störungsflächen handelt.

Die Bilder 3 und 4 zeigen typische Karststrukturen,wie sie bei den Ortsbrustkartierungen während des Vor-triebs im Oxfordkalk aufgeschlossen wurden. In Bild 3 isteine offene Karststruktur mit einer Spaltbreite von etwa15 cm sichtbar. Die Innenflächen sind mit rötlicher Eisen-oxydkruste belegt. Bild 4 zeigt eine tonverfüllte Karst-struktur mit einer Breite von etwa 7 cm.

4.2 Vorauserkundungsbohrungen im Oxfordkalk

Es wurden Vorauserkundungsbohrungen ausgeführt, diesich in ihrer horizontalen Lage überlappten. Primäres Zieldieser Horizontalbohrungen war die direkte Karstvoraus-

Bild 1. Geologisches Längenprofil der Oströhre auf dem Südabschnitt des KatzenbergtunnelsFig. 1. Longitudinal geological section of the southern part of the Katzenbergtunnel

Bild 2. Beispiel einer geologischen Ortsbrustkartierungwährend des Vortriebs im Weißjura (Oxfordkalk)Fig. 2. Example of a geological survey of the tunnel faceduring tunnel driving in the White Jura (Oxford limestone)section

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erkundung des unmittelbar nächsten Vortriebsbereichs.Zugleich waren die Vorauserkundungsbohrungen aberVoraussetzung für die parallel durchgeführten Bohrloch-Radar-Messungen.

Für das Erstellen der Vorauserkundungsbohrungenstanden je TVM zwei Bohrlafetten mit maximal 100 mmBohrdurchmesser zur Verfügung. Die Bohrungen erfolg-ten durch den Maschinenschild über Stutzenöffnungenmit einer Neigung von 10o abweichend von der Tunnel-achse. Gebohrt wurde mit Tophammer- (76 mm) und Im-lochhammer-Technik (100 mm). Unter den erwähntenUmständen erwies sich die Imlochhammer-Technik als diegeeignetere Bohrmethode (höhere Leistung bei größeremDurchmesser, geringere Abweichungen von der Bohrach-se). Infolge der nicht garantierten Bohrlochstabilität inverkarsteten Gesteinen wurden die Bohrungen zumSchutz der Messsonden nach dem Rückbau des Bohrge-stänges vor jeder Messung mit PVC-Rohren (64 mmDurchmesser) ausgebaut.

5 Vortriebsbegleitende geophysikalische Vorauserkundung

Mit der vortriebsparallelen Kartierung der Ortsbrustkonnte die Verkarstungssituation im Bereich der aufgefah-renen Tunnelröhren geologisch exakt dokumentiert wer-den. Die parallel in das Vorfeld geteuften Erkundungs-bohrungen lieferten punktuelle Aussagen zur Verkarstungim Randbereich der Tunnelröhren vor der Auffahrung desjeweils nächsten Tunnelabschnitts. Aus diesen Informatio-nen waren nur Prognosen zur räumlichen Lage, zur Ent-wicklung der Öffnungsweiten und Orientierung von Ver-karstungsstrukturen im Vorfeld möglich. Die für den spä-teren Betrieb des Tunnels wichtigen Kenntnisse zur Bet-tung der Tunnelröhre können aus den beschriebenenkonventionellen geologischen Erkundungsmaßnahmennur eingeschränkt abgeleitet werden.

Mit den in den Bohrungen durchgeführten geophysi-kalischen Bohrloch-Radar-Messungen wurde diese punk-tuelle Vorauserkundung auf den Vollraum der beidenTunnelröhren sowie auf das den Tunnel umgebende Ge-stein ausgedehnt. Die Messungen dienten dem Ziel derräumlichen Ortung unbekannter Karst- oder Störungszo-nen.

5.1 Verfahrensbeschreibung und Messprinzipien

Das Geo-Radar-Verfahren gehört zu den Impuls-Reflexi-onsverfahren (Bild 5). Über eine Sendeantenne werdenkurze elektromagnetische Impulse abgestrahlt. Diese brei-ten sich in den Gesteinen aus und werden an Schichtgren-zen von Gesteinspaketen, die sich in ihren dielektrischenEigenschaften (komplexe Dielektrizitätskonstante, elektri-sche Leitfähigkeit) unterscheiden, reflektiert. Die Reflexi-onssignale werden von einer Empfängerantenne erfasst.Aus der gemessenen Laufzeit zwischen Sende- und Emp-fangssignal kann bei bekannter Ausbreitungsgeschwindig-keit der elektromagnetischen Wellen im Untergrund aufdie Teufenlage nachgewiesener Reflektoren wie Schicht-grenzen, Klüfte, Hohlräume sowie Verkarstungs- und Ver-witterungszonen geschlossen werden. Die mit diesem Re-flexionsverfahren maximal erzielbaren Erkundungsreich-weiten im Gestein oder Sediment werden maßgeblich vomAnteil bindiger Sedimente und dem Auftreten von minera-lisierten und gut leitfähigen Wässern beeinflusst (Reduzie-rung der Erkundungsreichweite mit Erhöhung des Tonge-halts und der Leitfähigkeit des Wassers).

Bild 3. Während der Ortsbrustkartierung aufgeschlosseneKluftspalten im OxfordkalkFig. 3. Open fissures in the Oxford limestone found duringsurveying at the tunnel face

Bild 4. Während der Ortsbrustkartierung aufgeschlosseneKluftspalten im OxfordkalkFig. 4. Open fissures in the Oxford limestone found duringsurveying at the tunnel face

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Die Messverfahren können bei aktiven Tunnelvor-trieben entsprechend Bild 6 sowohl im Reflexionsmodusals auch in Form von Crosshole-Messungen beziehungs-weise tomographischen Aufnahmen eingesetzt werden.

5.2 Methodik und Messdurchführung

Die Einsatzbedingungen und -grenzen sind in entschei-dendem Maß von den gesteinsphysikalischen Parameterndes Baugrunds abhängig. Durch gezielte In-situ-Testmes-sungen im benachbarten Steinbruch „Kapf“ sowie durchergänzende Labormessungen der gesteinsphysikalischenParameter an Gesteinsproben des Oxfordkalks wurde dieEignung der Bohrloch-Radar-Technologie nachgewiesen.Die Erzielung einer mittleren Erkundungsreichweite vonetwa 15 bis 20 m um die zu vermessenden Bohrungenkonnte dadurch bereits abgeschätzt werden.

Die Methodik der Messdurchführung für die Voraus-erkundung der Tunnelröhre und ihres näheren Umfeldsim Bereich des Oxfordkalks umfasste eine Kombinationaus Reflexionsmessungen in einer oder in zwei geneigtenHorizontalbohrungen sowie Crosshole-Messungen zwi-schen zwei Bohrungen. Das Bild 7 zeigt eine schematischeAnsicht des TVM-Schilds in Vortriebsrichtung. Die für diegeophysikalischen Messungen genutzten Bohrungen wur-den alternierend auf den Positionen 13 und 19 Uhr sowie17 und 23 Uhr geteuft. Während die Ergebnisse der Refle-

Bild 5. Prinzipskizze von Geo-Radar-MessungenFig. 5. Principle sketch of Geo-Radar investigations

Bild 6. Messprinzipien von Bohrloch-Radar-Messungen, a) Reflexionsmessung, b) Crosshole-Messung, c) tomographischeMessungFig. 6. Measuring principles of borehole radar technology; a) reflection measurement, b) crosshole measurement, c) tomogra-phic measurement

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xionsmessungen in erster Linie räumliche Aussagen zurVerkarstungssituation im Bereich der späteren Tunnel-röhre und insbesondere im tunnelumgebenden Bettungs-gestein ermöglichten, geben Crosshole-Messungen zusätz-liche quantitative Informationen zum direkten Gebirgs-zustand des Gesteins in der durchstrahlten Ebene hin-sichtlich der Existenz von geschlossenen und offenenKarststrukturen im unmittelbaren Tunnelvortriebsbe-reich.

Der Zeitbedarf dieses beschriebenen Erkundungsum-fangs ohne Berücksichtigung der Bohrzeit lag für jedeMesskampagne unter einer Stunde. Die visuelle Sofort-bewertung der Rohdaten während der Messung und dieunmittelbar an die Messung anschließende geophysika-lisch-geologische Auswertung und Interpretation der Da-ten ermöglichte eine vortriebsparallele Erkundung desVorfelds mit einer Einschätzung des Verkarstungszustandsdes Tunnelbaugrunds innerhalb weniger Stunden nach derMessung. Der TVM-Vortrieb und die geophysikalischenBohrlochmessungen konnten aufeinander abgestimmtwerden. Der Bauablauf wurde in Zusammenarbeit zwi-schen Tunnelsachverständigen, ARGE-Mitarbeitern undBauüberwachung sowie den Geophysikern optimiert.

Die Ergebnisse der Messungen jeder Messkampagnewurden in einem separaten Tagesbericht beschrieben, gra-fisch dokumentiert und dem Auftraggeber zeitnah überge-ben. Bild 8 zeigt eine grafische Darstellung der angetroffe-nen Reflektoren in einem Tunnelabschnitt. Im Bild 8a do-kumentiert als 3D-Darstellungskubus die innerhalb einerVorauserkundungsphase georteten Karststrukturen, diebei dem nachfolgend aufzufahrenden Tunnelbereich inder Ortsbrustgeologie zu erwarten sind. Bild 8b sind allegeorteten Karststrukturen, die innerhalb der Tunnelröhreund im umgebenden Karstgebirge liegen, für beide Erkun-dungsbohrungen des gleichen Vorerkundungsabschnittsin einer Draufsicht grafisch dargestellt.

Zusätzlich wurden die aus den Bohrloch-Radarmes-sungen interpretierten Karststrukturen mit dem Orts-brustbild verglichen. Bild 9 zeigt das Ergebnis. Dargestelltsind die geologischen Verhältnisse an der Ortsbrust bei ei-nem bestimmten Tunnelmeter. Zugelegt sind die Ergebnis-se der zeitlich vor dem Vortrieb erfolgten geophysikali-schen Strukturerkundung. Anhand dieses Beispiels ist er-sichtlich, dass durch die geophysikalische Vorauserkun-dung die bestehenden Karststrukturen messtechnischmehrheitlich erfasst werden konnten. Die im Anschlussder vortriebsbegleitenden Vorauserkundung zusätzlichvorgenommene geophysikalisch-geologische Komplex-

Bild 7. Schematische Ansicht des TVM-Schilds in Vortriebs-richtung (markierte Bohrpositionen: grün 1 (13) und 7 (19)Uhr, rot 5 (17) und 11 (23) Uhr)Fig. 7. Schematic overview of the TBM shield in the directi-on of the drive (marked positions: green –> 1 (13) and 7 (19)o’clock; red –> 5 (17) and 11 (23) o’clock)

Bild 8. Visualisierung der geophysikalisch georteten Verkarstungszonen; a) 3D-Darstellungskubus; b) DraufsichtFig. 8. Visualisation of the karstification zones located geophysically; a) 3D cube diagram, b) plan view

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auswertung der Karsterkundung ergab eine hohe Überein-stimmung der geophysikalisch georteten Karststrukturenmit den in der Ortsbrust aufgeschlossenen Karstelemen-ten.

5.3 Mess- und Fallbeispiele

Die Bilder 10, 11 und 12 zeigen drei ausgewählte Messbei-spiele der geophysikalischen Karstvorauserkundung imKatzenbergtunnel, die das Spektrum der Möglichkeitendieser modernen Erkundungsmethode für die Karst- undStörungserkundung umreißen sollen.

Bild 10 stellt das Ergebnis von Reflexionsmessungenin Horizontalbohrungen dar. Im Radargramm in Bild 10asind mehrere lateral aushaltende Reflexionsstrukturen er-kennbar. Aus der Signalanalyse dieses typischen Reflexi-onsbilds kann abgeleitet werden, dass es sich um kluftge-bundene, korrosiv aufgeweitete Störungsflächen im Dezi-meterbereich handelt, die weitestgehend durch tonig-bin-diges Material verfüllt sind. Da im Rahmen derKarstvorauserkundung im Katzenbergtunnel keine Refle-xionsstrukturen erfasst wurden, die als größere offeneKarsthohlräume interpretiert werden konnten, wird dasRadargramm in Bild 10b als Beispiel eines typischen Re-flexionsbildes für einen offenen und großdimensionalenKarsthohlraum herangezogen. Das Messbeispiel stammtaus einer Kalksteinlagerstättenerkundung. Dieser Karst-hohlraum wurde geophysikalisch nachgewiesen undnachfolgend aufgeschlossen. Erkennbar ist eine sehr mar-kante Reflexionsstruktur mit extrem großen Reflexions-amplituden, die auch in den darunter gezeigten Einzel-spurdarstellungen deutlich sichtbar sind. Des Weiteren

Bild 9. Korrelation einer Bohrloch-Radar-Reflexionsmes-sung in zwei Bohrungen (rote und blaue Kreise) mit dergeologischen Aufnahme der OrtsbrustFig. 9. Correlation of a borehole radar reflection measure-ment in two boreholes (red and blue circles) with the geolo-gical conditions at the tunnel face

Bild 10. Bohrloch-Radar-Reflexions-messung zur Karstvorauserkundungvon aktiven Tunnelvortrieben; a) Ra-dargramm einer tonverfüllten Karst-struktur, b) Radargramm und Einzel-spuren eines Kalksteins mit offenemKarsthohlraumFig. 10. Borehole radar reflection mea-surements for the exploration of karstformations ahead of the tunnel face; a)radargram of a karst formation filledwith clay, b) radargram and single tra-ces of a limestone with hollow karst ca-vity

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bildet sich das Signalbild einer offenen Karststruktur imRadargramm oft vielphasig und durch eine hohe Anzahlvon lokalen Beugungshyperbeln ab. Um die Zuordnungder mittels Bohrloch-Radar georteten Reflexionsstruktu-ren zu offenen oder geschlossenen Karststrukturen quali-tativ bewerten zu können, werden deshalb unter Einbezie-hung der Erfahrungen des auswertenden Geophysikersbei der Datenbearbeitung nicht nur die Laufzeit, sonderndas gesamte Signalbild (Amplitude und Signalphase sowiealle aufgezeichneten Signalspuren) komplex in die Aus-wertung und Interpretation einbezogen.

Bild 11 zeigt das Ergebnis einer Durchstrahlungsmes-sung zwischen zwei leicht geneigten Bohrungen im unmit-telbaren Vorfeld der Tunnelröhre des Katzenbergtunnels.Die berechneten Radarwellengeschwindigkeiten liegenbetragsmäßig deutlich unter denen eines nicht verkarste-ten, kompakten Kalksteins (v ≈ 100 m/μs), was zunächstdarauf hinweist, dass der zwischen den Bohrungen liegen-

de Kalkstein verkarstet und verwittert sein muss. Da dieGeschwindigkeit durchgehend geringer als in einem kom-pakten, unverwitterten Kalkstein ist, wird mit dieser Mes-sung abgesichert, dass im Bereich der Tunnelröhre größe-re offene Hohlräume nicht zu erwarten sind. Anderenfallsläge die Radarwellengeschwindigkeit deutlich über demMittelwert von rund 100 m/μs eines unverwitterten Kalk-steins, da sich die Radarwellen in Luft deutlich schneller,nämlich mit Lichtgeschwindigkeit (300 m/μs), ausbreiten.Das deutliche lokale Minimum der Radarwellengeschwin-digkeit zwischen TM 1140 und 1145 weist auf eine Karst-struktur hin, die mit bindigen Sedimenten (Ton) gefüllt istund später an der Ortsbrust als tongefüllte Karsttasche an-getroffen wurde. Die Radarwellengeschwindigkeit ist indiesen tonigen Sedimenten mit etwa 80 bis 95 m/μs deut-lich niedriger als in einem unverwitterten Kalkstein.

Störungszonen, die sich als starke Verwitterungsbe-reiche des ansonsten intakten Kalkgebirges äußern und

Bild 11. Mess- und Interpretationsbeispiel einer Crosshole-Erkundung zum messtechnischen Nachweis der Hohlraumfrei-heit im Vortriebsbereich der TunnelröhreFig. 11. Measurement and interpretation example of a crosshole exploration as measured evidence of lack of hollow cavitiesin the tunnel driving area

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an lithologische Wechsel gebunden sind, können durchdie Bohrloch-Radar-Technologie erfasst werden. DasRadargramm in Bild 12 zeigt eine solche tektonische Stö-rung. Deutlich erkennbar ist, dass das Radarsignal im Be-reich der Störungszone fast vollständig zusammenbricht.Anfang und Ende der Störung werden durch markantsichtbare Linearreflektoren markiert. Durch Auswertungder Radardaten von beiden Horizontalerkundungsboh-rungen konnte bereits vor der Auffahrung die Position imTunnel und der Verlauf der Störung abgeschätzt werden.Durch den späteren Aufschluss an der Ortsbrust wurdedie Störung metergenau bestätigt.

Diese hier gezeigten Messbeispiele stehen repräsenta-tiv für die mit dieser Technologie zu erkundenden Struk-turelemente im Vortriebsfeld von Tunnelbauwerken inKarstgesteinen. Der messtechnische Nachweis ist anhandumfangreicher, vergleichbarer Messungen in verkarstungs-fähigen Gesteinen für die meisten Strukturen als gesichertanzusehen.

5.4 Nachweisgrenzen, Auflösung und Einsatzspektrum

Aus den Erkenntnissen der geophysikalischen Karstvo-rauserkundung im Katzenbergtunnel und der nachge-schalteten geophysikalisch-geologischen Auswertungkonnten folgende Ergebnisse zu den geologischen Ver-hältnissen des Baugrunds des Tunnelbauwerks abgeleitetwerden:– Es waren Sofortaussagen zum Verkarstungszustand des

Gebirges im Vorfeld des Vortriebs möglich.– Große, offene Karststrukturen konnten geophysikalisch

nicht nachgewiesen werden. – Es waren zusätzliche strukturelle Aussagen zur Verkars-

tungssituation des Gebirges um die Tunnelröhre bis et-wa 20 m (Fehlergrenze: ± 1 m) möglich.

– Anhand der geologisch-geophysikalischen Auswertungließen sich in der Ortsbrust kartierte Karststrukturen indas Tunnelumfeld weiter verfolgen.

– Infolge der guten Korrelation der Geophysik mit dengeologischen Verhältnissen im Ortsbrustbereich war derdeduktive Schluss möglich, dass große offene Karst-hohlräume auch im tunnelumgebenden Gestein mitgroßer Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden sind. Dies

stellte eine positive Aussage zur Bettung der Tunnelröh-re dar.

Unter Einbeziehung der allgemeinen und umfangreichenErfahrungen des Einsatzes der Bohrloch-Radar-Technolo-gie in verkarstungsfähigen und klüftigen Gesteinen kön-nen für diese Technologie folgende allgemeine Aussagenzu den Nachweisgrenzen und zur erzielbaren Auflösunggetroffen werden:– Nachweis und Auflösung von Kluft-, Störungs- und Ver-

karstungszonen ab einer Dimension im Dezimeterbe-reich,

– Quantitative Abschätzung und Bewertung von Kluft-und Karststrukturen (laterale Erstreckung, Teufe undEntfernung zur Bohrlochachse),

– Azimutale Lagezuordnung georteter Strukturen im Voll-raum durch Komplexauswertung von minimal zwei be-ziehungsweise optimal drei und mehr Bohrungen,

– Qualitative Abschätzung von Karststrukturen hinsicht-lich ihrer Karstfüllung (offen oder verfüllt),

– Erkundungsreichweite in Abhängigkeit von den ge-steinsphysikalischen Eigenschaften bis mehrere Deka-meter um die Tunnelröhre.

Bohrloch-Radar-Messungen können somit sowohl imkonventionellen Tunnelvortrieb als auch gleichwertig beimaschinellen Vortrieben eingesetzt werden. Damit kannbereits vor der bergmännischen Auffahrung eine fundierteAnsprache des Gesteinsverbands hinsichtlich möglicherGefährdungen durch Verkarstungen, Störungen und gro-ße Kluftsysteme gegeben werden. Das Restrisiko eventuellnicht erkannter offener Hohlräume im Liegenden derTunnelsohle kann durch den zusätzlichen Einsatz der Mi-krogravimetrie im Rahmen von Messungen nach Ab-schluss des Tunnelvortriebs weiter verringert werden. DieKombination dieser beiden Verfahren wurde bei der Auf-fahrung des Katzenbergtunnels ebenfalls erstmals erfolg-reich eingesetzt.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Weltweit erstmalig konnten die modernen Verfahren derBohrloch-Radar-Technologie für die Karstvorauserkun-

Bild 12. Nachweis einer Störungszone aus den Daten einer Bohrloch-Radar-ReflexionsmessungFig. 12. Evidence of a fault zone furnished by data supplied by the borehole radar reflection measurement

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dung bei der maschinellen Auffahrung des Katzenbergtun-nels erfolgreich eingesetzt werden. Sowohl organisatorischals auch fachlich in enger Kooperation mit dem techni-schen und geologischen Fachpersonal der ARGE und BÜKatzenbergtunnel wurde diese Technologie den Praxisan-forderungen an eine Vorauserkundung der Geologie desTunnelbauwerks gerecht. Sie stellt neben den im Tunnel-bau bereits bewährten seismischen Vorauserkundungsver-fahren eine in verkarstungsfähigem Gebirge geeignete Me-thode dar, die Gefahren durch unbekannte Verkarstungs-strukturen im Tunnelvor- und -umfeld durch ihre mess-technische Erfassung und Lokalisierung zu minimieren.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass diese moder-ne geophysikalische Bohrloch-Radar-Messtechnik auch inkristallinen Gesteinen und für adäquate strukturgeolo-gisch-geotechnische Vorauserkundungszielstellungen imBergbau und Altbergbau, in der Steine- und Erdenindus-trie, im Ingenieur- und Spezialtiefbau, in der Hydrogeolo-gie und im Umweltsektor eingesetzt werden kann.

Quellennachweis

[1] Corin, L., Dethy, B., Halleux, L. und Richter, T.: Bohrloch-radar – Grundlagen und Anwendung im Festgestein. Felsbau13 (1995), Nr. 5, S. 285–290.

[2] Corin, L., Halleux, L., Richter, T. und Dethy, B.: Boreholeradar survey applied to a High-Speed-Train tunnel investiga-tion in Soumagne, Belgium. European Journal of Environ-mental and Engineering Geophysics 1 (1996), Nr. 2,S. 161–169.

[3] Fechner, T., Börner; F., Richter, T., Yaramancy, U. und Weih-nacht, B.: Lithological interpretation of the spectral dielectricproperties of limestone. Near Surface Geophysics 2 (2004),Nr. 3, S. 150–159.

[4] Maurer, H., Löw, S. und Lützenkirchen, V.: Möglichkeitenund Grenzen der geophysikalischen Bohrlochtomographiezur Vorauserkundung. Felsbau 18 (2000), Nr. 5, S. 134–140.

[5] Olsson, O., Falk, L., Forslund, O. and Sandberg, E.: Bore-hole radar applied to the characterization of hydraulicallyconductive zones in crystalline rocks. Geophysical Prospect-ing 40 (1992), Nr. 2, S. 109–142.

[6] Richter, T. und Pippig, U.: Einsatz der Bohrloch-Radartech-nologie zur Strukturvorfelderkundung. Mitteilung des Insti-tuts für Grundbau und Bodenmechanik, Technische Univer-sität Braunschweig, Heft Nr. 77 (2004), S. 215–233.

[7] Schmitt, J., Gattermann, J. und Stahlmann, J.: Hohlraumer-kundung im Tunnelbau. Mitteilung des Instituts für Grund-bau und Bodenmechanik, Technische Universität Braun-schweig, Heft Nr. 77 (2004), S. 173–200.

[8] GEON: Ingenieurgeologisches und hydrogeologisches Gut-achten. 4. Erkundungsprogramm (EKB) zur Ausführungspla-nung Katzenbergtunnel. 2002.

Danksagung

Für die Unterstützung der erstmaligen Umsetzung dieser neuengeophysikalischen Erkundungstechnik bei einem maschinellenVortrieb sei der DB Projektbau herzlich gedankt. In diesenDank einzuschließen sind der Tunnelsachverständige, Prof.Kirschke, und der verantwortliche Geologe der Bauüberwa-chung, Dr. Jäkel, die durch ihre fachliche Unterstützung undkonstruktive Diskussionsbereitschaft maßgeblichen Anteil amErfolg des Projekts hatten. Für die fachliche Kompetenz undpermanente Einsatzbereitschaft bei der Bewältigung der hohenAnforderungen gilt ein besonderer Dank allen an dem Projektbeteiligten Mitarbeitern und Firmen.

Marti Tunnelbau AGFreiburgstrasse 133CH-3000 Bern 5Schweiz

Dr. rer. nat. Dipl.-Geol. Markus [email protected]

Dipl. Geol. Samuel Boll [email protected]

Dr. rer.nat., Dipl. Geophysiker Thomas RichterBo-Ra-tec GmbHDamaschkestraße 19 aD-99425 [email protected]

Günther SpelsbergGmbH + Co. KGIm Gewerbepark 1D-58579 SchalksmühleTelefon: 0 23 55 / 8 92-0Telefax: 0 23 55 / 8 92-299e-mail: [email protected]

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