Geschichten des Gelingens - Motivation für eine bessere Welt · Geschichten des Gelingens...

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Geschichten des Gelingens Motivation für eine bessere Welt Nr. 113 | 3·2019 Liebe Leserinnen, liebe Leser! Das Projekt „Jenseits von Morgen“ (im Original „Al- manaque del Futuro“) dokumentiert Erfahrungen aus Lateinamerika, die in der Gegenwart beginnen und in die Zukunft weisen. Es sind Hoffnung we- ckende Prozesse an der Basis, die Mut machen, die Gestaltung der Welt in die eigenen Hände zu neh- men. Denn der notwendige Kurswechsel – weg von der Wachstumsfixierung, der ökonomischen Konzen- tration und der Umweltzerstörung hin zu einer neuen Logik der Suffizienz und der wirklich huma- nen Entwicklung – wird nicht von den politischen und wirtschaftlichen Machtzentren ausgehen. Er wird nur dann stattfinden, wenn die Menschen selbst, jeder Einzelne und die verschiedenen gesell- schaftlichen Gruppen in Nord und Süd, ihre Routi- nen ändern. Die Komplexität der anstehenden Aufgaben führt dazu, dass sich immer mehr Jugendliche und Er- wachsene machtlos fühlen. In den Medien, in Appel- len für einen Politikwechsel und auch im Unterricht werden meist zunächst die Defizite und Problemla- gen benannt; dieser „negative Blick“ fördert bei vie- len Resignation und Passivität. Dabei gibt es greif- bare Alternativen, um mit Veränderungen im eige- nen Leben zu beginnen: bei der Mobilität, beim Kon- sum- und Ernährungsverhalten, bei der Müllvermei- dung, bei Formen des nachhaltigen Wirtschaftens und der sozialen Inklusion. Das Projekt „Jenseits von Morgen“ schöpft daraus seine Inspiration. Es zeigt an konkreten Beispielen, dass gemeinwohlorien- tierte Formen des Fortschritts möglich sind. Dieses Lehrerforum lädt Sie ein, die exemplarisch vorgestellten Geschichten und weitere, die Sie auf https://almanaquedelfuturo.wordpress.com/ (auf Spanisch, Deutsch, Englisch und Portugiesisch) finden, in Ihren Unterricht einzubinden. „Geschich- ten des Gelingens“ werden jedoch längst auch von engagierten Schülerinnen und Schülern, Lehrerin- nen und Lehrern in Deutschland geschrieben – da- von erzählen die Seiten 8 bis 11 in diesem Lehrerfo- rum. Für die Grundschule finden Sie auf Seite 12 ein Beispiel des Gelingens aus Kenia. Lassen Sie uns gern an Ihren Erfahrungen teilhaben! Petra Gaidetzka Jorge Krekeler „Eine andere Welt ist möglich“; Foto: Jorge Krekeler Grundschule: Sachunterricht, Religion Sekundarstufe I, II: Erdkunde, Politik, Religion, Fremdsprachenunterricht

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Geschichten des GelingensMotivation für eine bessere Welt

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Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Das Projekt „Jenseits von Morgen“ (im Original „Al-manaque del Futuro“) dokumentiert Erfahrungenaus Lateinamerika, die in der Gegenwart beginnenund in die Zukunft weisen. Es sind Hoffnung we-ckende Prozesse an der Basis, die Mut machen, dieGestaltung der Welt in die eigenen Hände zu neh-men. Denn der notwendige Kurswechsel – weg vonder Wachstumsfixierung, der ökonomischen Konzen-tration und der Umweltzerstörung hin zu einerneuen Logik der Suffizienz und der wirklich huma-nen Entwicklung – wird nicht von den politischenund wirtschaftlichen Machtzentren ausgehen. Erwird nur dann stattfinden, wenn die Menschenselbst, jeder Einzelne und die verschiedenen gesell-schaftlichen Gruppen in Nord und Süd, ihre Routi-nen ändern.

Die Komplexität der anstehenden Aufgaben führtdazu, dass sich immer mehr Jugendliche und Er-wachsene machtlos fühlen. In den Medien, in Appel-len für einen Politikwechsel und auch im Unterrichtwerden meist zunächst die Defizite und Problemla-gen benannt; dieser „negative Blick“ fördert bei vie-len Resignation und Passivität. Dabei gibt es greif-

bare Alternativen, um mit Veränderungen im eige-nen Leben zu beginnen: bei der Mobilität, beim Kon-sum- und Ernährungsverhalten, bei der Müllvermei-dung, bei Formen des nachhaltigen Wirtschaftensund der sozialen Inklusion. Das Projekt „Jenseits vonMorgen“ schöpft daraus seine Inspiration. Es zeigtan konkreten Beispielen, dass gemeinwohlorien-tierte Formen des Fortschritts möglich sind.

Dieses Lehrerforum lädt Sie ein, die exemplarischvorgestellten Geschichten und weitere, die Sie aufhttps://almanaquedelfuturo.wordpress.com/(auf Spanisch, Deutsch, Englisch und Portugiesisch)finden, in Ihren Unterricht einzubinden. „Geschich-ten des Gelingens“ werden jedoch längst auch vonengagierten Schülerinnen und Schülern, Lehrerin-nen und Lehrern in Deutschland geschrieben – da-von erzählen die Seiten 8 bis 11 in diesem Lehrerfo-rum. Für die Grundschule finden Sie auf Seite 12 einBeispiel des Gelingens aus Kenia.

Lassen Sie uns gern an Ihren Erfahrungen teilhaben!

Petra Gaidetzka Jorge Krekeler

„Eine andere Welt ist möglich“; Foto: Jorge Krekeler

Grundschule:

Sachunterricht

, Religion

Sekundarstufe

I, II:

Erdkunde, Poli

tik, Religion,

Fremdsprachen

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Lehrerforum Nr. 113 Sekundarstufe

Die Saatgutwächter

Vor 15 Jahren entstand in Ecuador das Netzwerk der„Guardianes de Semillas“, der Wächter autochthonen(einheimischen, traditionellen) Saatguts. Javier Car-rera war einer der Wegbereiter. Javier brach sein Jour-nalistikstudium ab, um sich mit Agrarökologie zu be-schäftigen. Schnell erwies es sich als sehr schwierig,an autochthones und genetisch vielfältiges Saatgut zukommen. Im November 2002 initiierte er mit drei wei-teren Gründungsmitgliedern das Netzwerk als sozialePlattform. Es soll Familien in Verbindung bringen, wel-che mit heimischem Saatgut arbeiten, agrarökolo-gisch produzieren und sich für einen zukunftsfähigenLebensstil entschieden haben. „Open door“ ist selbst-verständlich, will man doch andere für die ökologischePraxis und Biodiversität in der Landwirtschaft interes-sieren. Mittlerweile machen rund 100 Familien mit,zum harten Kern gehören etwa 40. „Eine Saatgutbankexistiert schon, aber anstelle einer zentralen Sammel-stelle sind es die Gärten und Felder unserer Mitstreite-rinnen und Mitstreiter, die das Saatgut nicht nur auf-bewahren, sondern auch reproduzieren. Es ist eineenorme Vielfalt zusammengekommen, über 3000 Sor-ten“, erzählt Fernanda Meneses, eine der Saatgut-wächterinnen. „Die Leute kennen normalerweise dreibis vier Maissorten. In unserem Netzwerk haben wirmittlerweile annähernd 50 autochthone Maissortenzusammen.“

Die Wiederentdeckung von heimischem Saatgut ver-schiedener Körnerfrüchte, Kräuter, Früchte, Gemüse,Bäume und Sträucher ist das Hauptanliegen des Netz-werks; Vorrang genießen Pflanzenspezies, die Gefahrlaufen zu verschwinden. Seitdem das Netzwerk exis-tiert, haben mehr als 15.000 registrierte Saatgutaus-tausche stattgefunden. Ziel ist es, mit autochthonemSaatgut die Versorgung Ecuadors zu sichern.

Javier und andere Gründungsmitglieder stellen dasNetzwerk überall dort vor, wo Interesse seitens der lokalen Bevölkerung besteht, bei Indigenen und Bau-ernfamilien oder auch bei Städtern mit Gärten. Daneben bieten sie agrarökologische Kurse und Gele-genheiten zum Erfahrungsaustausch an. Das Netzwerkhat sich zu einem Katalysator von agrarökologischenProzessen gemausert. So gibt es zum Beispiel die Wie-deraufforstungsinitiative von Rogelio Simbaña, derseine Nachbarn davon überzeugen konnte, 200.000native Bäume anzupflanzen, oder die kleine Dorfschulevon Darío und Nicola Proaño in Rio Muchacho, die ei-nen Umdenkungsprozess in Sachen Landbau und sozia-lem Miteinander in Gang setzten. „Der Entstehungspro-zess unseres Netzwerks ähnelt eher einem mäandrie-renden Bach als einem geradlinigen Kanal; für den Baueines Kanals braucht es eine Planung, dagegen suchtsich ein Bach den eigenen Weg“, meint Javier. Auch dieStruktur des Netzwerks ist anders als gewöhnlich: hori-zontale Prozesse, keinerlei Hierarchie und statt Lei-tungsgremium nur ein Beirat. Es sind die wechselseiti-gen Besuche und der Erfahrungsaustausch, die demNetzwerk Leben einhauchen. Seit Kurzem erhält dasNetzwerk Unterstützung durch MISEREOR.

Diversität und Allianzen

José Paucar aus Tungurahua ist der Spezialist für diealte Kulturpflanze Quinoa und Karina aus Pifo für Ge-müse und Blumen. Jeder arbeitet von seinem Hof oderGarten aus und nimmt seinen Platz im Netzwerk ein.Paulina Lasso erdachte das Gemeinschaftsgarantiesys-tem „Flor de confianza“ („Blume des Vertrauens“). DieForm ist eine Blüte, die maximal acht Blätter hat; jedesBlatt steht für ein Kriterium der Nachhaltigkeit: autoch-thones Saatgut, Absage an Nanotechnologie und Gen-manipulation, saubere Produktion ohne synthetischeChemie, Verpackungsdiät, Vermarktung und Transportder kurzen Wege sowie faire Arbeitsbedingungen. Ser-bio Pachard ließ bereits in Vergessenheit geratenes

Nachhaltige Zukunft aus der Praxis

Von Jorge Krekeler

100 Familien gehören heutezum Netzwerk, 40 bilden denharten Kern. Auf ihren Feldernwachsen, wie 2010 bei einerInventarisierung festgestelltwurde, 3000 heimische Pflanzensorten. Foto: Red Guardianes de Semillas

Die ausführliche „Geschichte des Gelingens“ ist im Internet nachzulesen (im spanischen Original und auf Deutsch):www.almanaquedelfuturo.wordpress.com/espanol/ Producción y alimentación Un futuro sostenible desde la prácticawww.almanaquedelfuturo.wordpress.com/deutsch/ Produktion und Ernährung Nachhaltige Zukunft aus der Praxis.

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Lehrerforum Nr. 113Sekundarstufe

Saatgut einer einheimischen Reissorte auferstehen.Dank der Umstellung der Anbautechnik schaffte es Ser-bio, die Herbizide und Fungizide ganz wegzulassen.Aber der Reis wuchs ohne chemischen Dünger nur küm-merlich. Eine Internetrecherche ergab, dass ein japani-scher Reisbauer es geschafft hatte, den chemischenDünger auf seinen überfluteten Reisfeldern durch na-türliche Düngung in Form von Entenexkrementen zu er-setzen. Allerdings benutzte der Japaner Hybridsaatgut,weshalb er die Enten abziehen musste, sobald der Reisin Blüte trat; andernfalls hätten die Enten die zartenReiskörner weggefuttert. Dieses Problem hatte SerbiosReissorte nicht, da sie hochwüchsig ist: Die Enten kön-nen die Körner nicht erreichen! Die Story von Serbio hatetwas Charakteristisches: Anstatt zu resignieren, arbei-ten die Netzwerker hartnäckig daran, die Produktionvon A bis Z ökologisch zu gestalten.

Gesetze und Vorschriften

Im Juli 2016 wurde im Parlament über einen Gesetz-entwurf zum Thema „Saatgut“ debattiert. Die Netzwer-ker hatten zuvor Aufklärungsarbeit geleistet und die Zi-vilgesellschaft sensibilisiert. Insgesamt konnten dreifundamental wichtige Gesetzesänderungen erreichtwerden: Anerkennung von autochthonem Saatgut alsMenschheitserbe, freie Zirkulation von heimischemSaatgut im nationalen Territorium und Entbindung al-ler nichtindustriellen Saatgüter von der Zertifizierungs-pflicht. Dadurch steht nun dem freien Tausch, Kauf undVerkauf von Samen nichts mehr im Wege.

Doch es gibt weiteren Handlungsbedarf, denn auch inEcuador werden derzeit agrarökologische Produktionund Weiterverarbeitung eher abgestraft als gefördert.Zum Beispiel erschwert der Verzicht auf synthetischeGeschmacksstoffe die erforderliche Zertifizierung vonWurstwaren. Es ist noch ein Stück Weg, um für die Wei-

Mögliche Arbeitsaufträge

Das Netzwerk der „Saatgutwächter“ versteht sich als horizontale Plattform desAustauschs mit dem Ziel, heimisches Saatgut zu bewahren. Die Auswirkungenauf die landwirtschaftliche Produktion und mögliche zukunftsfähige Lebensfor-men sind vielfältig.

1. Skizziere den Weg von der Idee und Initiative einzelner (Javier Carreras u. a.)über die Entstehung des Netzwerks bis zur Lobbyarbeit in Verbindung mit einem neuen Saatgut-Gesetz in Ecuador.

2. Fasse in Stichworten zusammen, was das Netzwerk bisher bewirkt hat und wiedie Veränderungen zustande kamen.

3. Inwiefern findet ein sozial-ökologischer Wandel (Transformationsprozess) inRichtung nachhaltiger Lebensweisen statt?

4. Wie sichern die Saatgutnetzwerker die Zukunft und welches Verständnis von„Entwicklung“ liegt ihrer Arbeit zugrunde?

Bezüge zu den Lehr- und Bildungsplänen (Beispiele)Geographie: In der Sekundarstufe I werden imInhaltsfeld „Regionale und globale räumlicheDisparitäten“ Aspekte des lokalen und globa-len Handelns, u. a. im Kontext der Entwick-lungszusammenarbeit als Hilfe zur Selbsthilfe,behandelt. Dabei sind die unterschiedlicheRessourcenverfügbarkeit und das Ungleichge-wicht beim Austausch von Rohstoffen undProdukten wichtige Grundlagen für das Ver-ständnis von Entwicklungsunterschieden unddie Beurteilung von Entwicklungschancen.

Religionslehre: Im Inhaltsfeld „Welt und Ver-antwortung“ lassen sich ökologische sowie(sozial-)ethische Fragestellungen aufeinanderbeziehen. So kann sowohl in der Sek. I als auchin der Sek. II der Auftrag zur Bewahrung derSchöpfung mit der Frage nach Gerechtigkeitverbunden werden.

terverarbeitung von sauberen Primärnahrungsmittelnin kleinem Stil annehmbare Spielregeln zu erreichen,und die Netzwerker müssen noch viel Informations- undAufklärungsarbeit leisten.

Quintessenzen in Richtung Zukunft

Die Pflege heimischen Saatguts fördert eine gesundeErnährung und erleichtert die agrarökologische Produk-tion sowie die lokale Vermarktung zu fairen Bedingun-gen für Produzenten und Verbraucher. Falschen Kom-promissen, etwa dem Einsatz von synthetischen Agrar-chemikalien oder überflüssigen Wegen und Verpackun-gen, soll es an den Kragen gehen.

Es werden Ideen und Vorhaben umgesetzt, die den Vor-urteilen und Ängsten – verursacht durch die obsoletenEntwicklungsparadigmen unserer Tage – trotzen. DieSaatgutnetzwerker, jeder in seinem Alltag, aber auchgemeinsam und in Synergie, retten und entwickeln, pro-bieren und multiplizieren eine Praxis, die mitten imHeute die Zukunft sprießen lässt.

Im Netzwerk machen Alte undJunge, Frauen und Männermit, Indigene, Kleinbauern-familien, Stadtbewohner mitGärten. Die interkulturelle Begegnung ist eine große Bereicherung.Foto: Red Guardianes de Semillas

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Lehrerforum Nr. 113 Sekundarstufe

Sammelwirtschaft versus konventionelle Agrarlogik

Vor Jahren wurde im Territorium nach Erdöl undErdgas gesucht. Der 92-jährige Dorfälteste, JustinoPeñalosa, erinnert sich: „Es hat fünf bis zehn Jahregedauert, bis sich die Fauna nach der Gasexplora-tion1 damals erholt hat.“ Noch heute kann man dievor 30 Jahren verursachten Schäden im Wald deut-lich ausmachen: Durch die unterirdischen seismi-schen Sprengungen sind Sümpfe entstanden, diedie Ursprungsvegetation absterben ließen, so auchdie Paranussbäume.

Und es gibt einen weiteren Konflikt: „Die Naturres-sourcennutzung in Form von Sammelwirtschaftpasst ganz und gar nicht in die konventionelle Logikder Agrarnutzung“, erklärt Alcides Vadillo, Mitarbei-ter der Nichtregierungsorganisation Tierra, welche,unterstützt durch MISEREOR, den Tacana beratendzur Seite steht, wenn es um die Wahrung ihrerRechte geht. „Für Großbauern, Agrarindustrie undAgrarbehörden stellt die Sammelwirtschaft keineagrarwirtschaftliche Nutzung dar. Für diese Grup-pen handelt es sich um brach liegendes Areal.“ Bis-her ist das Territorium nicht über Straßen erreichbar,sondern nur über das Flussnetz; es existieren jedochbereits staatliche Erschließungspläne. Der Druckauf das Territorium der Tacana wird also zunehmen.

2013 begann eine Odyssee für die Tacanafamilien,da der bolivianische Staat beschloss, die Suchenach Erdgas in der Region erneut aufzunehmen.Die Familien befürchten, dass die seismischen Un-tersuchungen ihre wirtschaftliche Existenzgrund-lage zerstören werden.

Unterschiedliche Fortschritts-visionen prallen aufeinander

Die Bewohner von Chive, einem kleinen Ort am an-deren Flussufer des Madre de Dios, wo die Tacana-familien ihre Einkäufe machen, sehen in der Gasex-ploration einen Schritt in Richtung Fortschritt. Diemit der Erdgassuche beauftragte chinesische Firmahat hier ihr Camp aufgeschlagen. Viele Menschenin Chive denken, dass der Widerstand der Tacanaein Entwicklungshindernis darstellt. Die Tacana

Sammelwirtschaft und Wohlstandin Amazonien

Es sind etwa 250 Familien des Tacanavolkes, die inder bolivianischen Amazonasregion leben und im Re-genwald Paranüsse sammeln. Sie wollen auch recht-lich über ihr Territorium verfügen, wie es das boliviani-sche Recht eigentlich vorsieht. Doch ihrem Antragwurde bisher trotz großer Anstrengungen nicht statt-gegeben. Die Interessen des Staates zielen darauf ab,freie Hand bei der Ausbeutung der Erdöl- und Erdgas-reserven zu haben.

Die Paranussernte beginnt im Dezember und dauertbis Ende April. Meist befinden sich die Sammelstellenin der Nähe eines Flusses, da die Wasserläufe die ein-zigen Transportwege im Amazonasgebiet darstellen.Das Sammeln der Nüsse ist eine harte Arbeit, da dieZeit der Ernte mit der Regenzeit zusammenfällt. Para-nussbäume werden nicht selten bis zu 50 Meter hoch,weshalb nur die heruntergefallenen Früchte aufgele-sen werden. Die Paranuss ähnelt einer Kokosnuss; dieharte Schale wird mit dem Buschmesser aufgeschla-gen. In jeder Frucht befinden sich mehrere Samen, dieihrerseits ebenfalls von einer harten Schale umgebensind. Bei einer normalen Ernte sammeln die Familien30 bis 50 Kilo pro Baum. Die Paranussbäume sindüber den Wald verteilt. Es macht viel Arbeit, die Nüssezum Sammelpunkt zu tragen. Die Ernte in flussfer-neren Zonen ist besonders beschwerlich. An der Sam-melstelle werden die Nüsse zunächst getrocknet, da-nach auf kleine Boote geladen und über den Madrede Dios, einen Zufluss des Amazonas, zu Weiterverar-beitungsbetrieben transportiert. Ein Großteil der Erntelandet auf europäischen Märkten. Man findet die Paranüsse auch bei uns in den Supermarktregalen.

Das Sammeln ist die traditionelle Wirtschaftsform derTacana. Sammelwirtschaft ist anstrengende Arbeitund verlangt Kapital für Verpflegung, Boot und Au-ßenbordmotor, Treibstoff und das Herrichten der Sam-melstelle. Doch die Familien erzielen bei einer norma-len Ernte ein gutes Einkommen. Außerhalb der Ernte-zeit betreiben sie Fischfang, Jagd sowie Landwirt-schaft, allerdings nur zur Selbstversorgung. Manachtet darauf, die Naturressourcen nicht übermäßigauszubeuten. Der Paranussbaum steht nach boliviani-schem Recht unter Naturschutz und die Tacanas se-hen in ihm ihre Existenzgrundlage.

Von welcher Entwicklung ist die Rede?

Von Jorge Krekeler

Die ausführliche „Geschichte des Gelingens“ ist im Internet nachzulesen (im spanischen Original und auf Deutsch):www.almanaquedelfuturo.wordpress.com/espanol/ Medioambiente y desarollo De qué desarrollo estamos hablando?www.almanaquedelfuturo.wordpress.com/deutsch/ Umwelt und Entwicklung Von welcher Entwicklung ist die Rede?Dort steht auch ein Video mit dem Titel „Bedrohte Ernte – Das Leben der Tacanas in Bolivien“ zur Verfügung.

ParanussbaumFoto: Jorge Krekeler

1 Exploration: Erkundung vonLagerstätten

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Sekundarstufe Lehrerforum Nr. 113

sehen dies anders. Sie stellen sich nicht kategorischgegen die Gasförderung, kämpfen aber dafür, dassihre Rechte und ihre Existenzgrundlage respektiertwerden.

Die Tacanafamilien sind seit den Plänen der Regie-rung, Erdgas in ihrem Territorium zu fördern, nochnäher zusammengerückt. Ihre Organisation hat be-reits wichtige Zugeständnisse seitens des Staates er-reichen können. So dürfen keine seismischen Unter-suchungen im Umkreis von 40 Metern rund um dieParanussbäume stattfinden. Während der Paranuss-ernte müssen die Erkundungsarbeiten vollkommenruhen. Vertreter des Tacanavolkes sollen als Um-weltmonitor alle Aktivitäten der Erdgassuche imTerritorium begleiten. Leider hält die Regierung ihreVersprechungen oft nicht ein. Und es gibt strittigePunkte: Die Tacana fordern eine naturräumliche Be-standsaufnahme, die es ermöglicht, die durch dieExploration verursachten Schäden an der Natur aus-weisen zu können. So beeinflussen die Untersu-chungen den Wildtierbestand – die wichtigste Pro-teinquelle der Tacana. Die Verschmutzung der Was-serreservoirs bedroht die Trinkwasserversorgungund den Fischbestand. Unterirdische Sprengungenführen zu Bodenverhärtung und hydrologischenVeränderungen mit negativen Auswirkungen aufdie Vegetation. Dies sind Bedenken, welche die Ta-cana der Exploration und der Erdgasausbeutungentgegenbringen; schließlich steht ihre Existenz aufdem Spiel.

Widerstand und Dialog

Die Tacana sind heute skeptisch gegenüber allen Ver-sprechungen, die von Behörden und Unternehmen –meist im Namen des Fortschritts – gemacht werden.Die vielen Verhandlungstreffen mit Vertretern der Zen-tralregierung haben die Menschen müde werden las-sen und oft fehlt es den Besucher(inne)n an Sensibili-tät, um für alle Anwesenden verständlich zu sprechen.Dies gehört vermutlich zur Strategie, um die Menschenmürbe zu machen. Für viele der Verantwortlichen ausPolitik und Wirtschaft handelt es sich eben doch nurum einige indigene Gemeinden, die in Armut lebenund die Vorteile der Rohstoffgewinnung nicht verste-hen. Versuche, die Beharrlichkeit und den Widerstandder Tacana aufzuweichen oder Zwietracht zu säen, sindan der Tagesordnung. Es gibt auch Kompensations-angebote, doch ein Dorfbewohner bringt auf denPunkt, was die Mehrheit der Tacana denkt: „Wir wer-den nicht dabei helfen, unseren Wald zu zerstören.“

Quintessenzen in Richtung Zukunft

Den Betroffenen geht es nicht um attraktive Entschä-digungsleistungen, sondern darum, die wahrscheinli-chen Risiken und Schäden des Raubbaus zu reduzie-ren. Dabei rücken sie nicht von ihrem eigenen Fort-schrittsverständnis ab, suchen jedoch den Dialog, umihre Rechte einzufordern. Dass die Verständigung soschwierig ist, resultiert aus dem Unverständnis derFortschrittsgläubigen, wenn sie einem anderen Begriffvon „Entwicklung“ gegenüberstehen.

Mögliche Arbeitsaufträge

Die Sammelwirtschaft der indigenen Gemein-schaften passt nicht in die konventionelle Logikder Nutzung von Naturräumen. Großbauern,Agrarindustrie und Behörden sehen das Territo-rium der Tacana als „brach liegendes Areal“ an.Holzeinschlag und die Öl- und Gasexploration be-drohen die traditionelle Sammelwirtschaft sowiedas Wirtschaften in Harmonie mit der Natur.

1. Stelle die unterschiedlichen Lebensweisen undFortschrittsvisionen im Gebiet des Flusses Ma-dre de Dios einander gegenüber.

2. Beschreibe die Strategien der Tacana, ihre Le-bensgrundlage zu bewahren und die Risikenund schädlichen Folgen der Lagerstättener-kundung und der Rohstoffgewinnung zu be-grenzen.

3. Welchen Versuchungen und Wahlmöglichkei-ten sind die Tacana ausgesetzt, wenn sie mitden staatlichen Stellen verhandeln?

Paranussernte vor der Verschickung

Foto: Zander/MISEREOR

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Lehrerforum Nr. 113

Stadtkultur und Artistik als Lebensstil

Der belebte Santa-Clara-Park in Ate, einer Vorstadtvon Lima, ist abends der Treffpunkt von Jugendlichen,wo sie ihre artistischen Künste zeigen: Breakdance,Hip-Hop und afroperuanischen Tanz. Kalef, einer derBegründer der Szene, erinnert sich: „Früher ließ manuns nicht auf den öffentlichen Plätzen auftreten. Erstmit der Zeit bekamen wir von der Kommunalverwal-tung grünes Licht.“ Seine Leidenschaft für Breakdancebegann, als er 16 war, und heute, mit 34, hat sich da-ran nichts geändert. Vorbeigehende Personen bleibeneinen Moment lang stehen und schauen sich zu denRhythmen von Bongo und Cajón die Darbietung einesafroperuanischen Tanzes an. Die Tanzgruppe gehörtzu ONUBA, einer artistisch-kulturellen Vereinigung,die vor drei Jahren entstand. Inzwischen sind weitereJugendliche hinzugekommen, die mit ihren Auffüh-rungen das Kollektiv bereichern. Katy Murillo vonONUBA: „Wir wollen der Jugend ein Aktionsfeld bie-ten. Es geht aber nicht so sehr darum, zum Star in derTanz- und Musikwelt aufzusteigen, sondern sich selbstzu verwirklichen. Bis man soweit ist, sich hier in der Öf-fentlichkeit zu präsentieren, ist es ein gutes StückWeg. Dies setzt eine persönliche Entscheidung vorausund hilft enorm, in seiner Persönlichkeitsentwicklungweiterzukommen.“

Von Jung zu Jung

Cesar Huamán, Mitglied der Jugendinitiative KE-RIGMA, erklärt: „Jugendliche brauchen einen persönli-chen Bezug, sei es zu einem Thema oder eben zu einerLeitperson. Wenn diese Fixierung in Richtung Stadt-kultur und Artistik geht, begeistern sich junge Men-schen recht schnell. Das funktioniert aber nur, wennalles zwischen Jugendlichen selbst abläuft und keineErwachsenen involviert sind.“ KERIGMA und ONUBAsind offene Kollektive, bei denen die Tür für Jugendli-che, die sich von Breakdance, Hip-Hop, Tanz und Mu-sik angezogen fühlen, offen steht. Für einige ist es nurein kurzer Lebensabschnitt, in dem sich alles um Artis-tik und städtische Szenekultur dreht – wichtig, prä-gend, aber eben doch nur eine Phase. Für andere hatdie Artistik sich dagegen in eine Option fürs Leben

Sekundarstufe

verwandelt. ONUBA schaffte es, vom Kultusministe-rium als Hotspot in Sachen lebendige Kultur einge-stuft zu werden. Dies hat den Weg geebnet, um Kurseanbieten zu können, bevorzugt in der städtischen Peri-pherie, in der es gerade für die jungen Leute fast keineKunst- und Kulturangebote gibt. Es sind kostenloseSchnupperkurse, wobei die Interessierten danach inlängere, auf zwei Jahre angelegte Workshops einstei-gen können. In den Workshops werden neben Körper-sprache, Tanz und Musik auch soziale Kompetenzen(Leadership) vermittelt. Ángela Nestarez von der ka-tholischen Diözese Chosica begleitet diese kulturell-ar-tistischen Initiativen von Jugendlichen und wird dabeidurch MISEREOR unterstützt. Sie erinnert sich an vieleJugendliche, „die durch die Artistik und Stadtkultur ihrLeben besser in den Griff bekamen“. Im Rahmen dervon der Metro Lima initiierten Kampagne „Kunst imQuartier“ tritt ONUBA in den Metrostationen auf. Umdie Kurse in den Stadtrandvierteln und das Funktio-nieren der eigenen Organisation finanziell stemmenzu können, tritt man mittlerweile auch an Unterneh-men heran und wirbt um Unterstützung.

Bei ATECREW ist mittlerweile die dritte Generationam Ruder. Miguel Roncal, einer der Gründer, studiertheute Sport in Arequipa im Süden Perus. Der Umzugdorthin fiel ihm leicht, da er die Gewissheit hatte, dassJüngere an seine Stelle treten würden. Was vor elf Jah-ren mit Miguel Roncal und anderen begann, gehtheute mit Diana Román und anderen weiter: „Wir or-ganisieren Hip-Hop-Brigaden, Festivals und Work-shops und unsere Bühne sind die öffentlichen Plätze.“KERIGMA startete als Jugendgruppe, um mit Kindernzu Literatur und Malerei zu arbeiten. Heutzutage ar-beitet KERIGMA mit den Kids zu emotionaler Affekti-vität, Identität, Kultur, Tanz und Theater; bald geht esdann auch um Batucada, einem Percussion-Trend.

Zu wissen, was es nicht ist

Auch Walter Mendoza, einer der Initiatoren vonONUBA, studiert mittlerweile an der Uni, aber lebtweiterhin seine Leidenschaft für die afroperuanischeMusik. Er hatte die Idee, das charakteristische Rhyth-musinstrument dieser Musikgenres, die Cajón (einekistenartigen Trommel mit großem Ressonanzkörper),zu bauen und mit dem Verkauf ONUBA Einkünfte zu

„Wir haben Bock drauf!“Von Jorge Krekeler

Die ausführliche „Geschichte des Gelingens“ ist im Internet nachzulesen (im spanischen Original und auf Deutsch):www.almanaquedelfuturo.wordpress.com/espanol/ Cultura y itentidad Arte Urbano Juvenil: estilo de vida y una forma diferente de pensar las cosaswww.almanaquedelfuturo.wordpress.com/deutsch/ Kultur und Identität Wir haben Bock drauf: Stadtkultur und Artistik als Lebensstil.

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verschaffen. Nicht allen Leuten aus Walters Clique imViertel ist es gut ergangen: Zwei sind ums Leben ge-kommen, einer ist auf dem Drogentrip und ein ande-rer sitzt derzeit in Haft. „Nur mit Selbstdisziplinschaffst du das ständige Training und kannst deine ar-tistische Körpersprache verbessern – und dies ist einguter Schutzschild gegen die verschiedenen Risiken,die dich umgeben.“ Aus einer Anfangsbegeisterungkann dann eine wirkliche Leidenschaft entstehen.Dies bemerken auch die Eltern (und die Gesellschaftschlechthin) und sie beginnen, die städtische Jugend-kultur und deren artistische Komponente anders undvor allem wertschätzender wahrzunehmen.

Politik und Korruption

Viele Jüngere empfinden die Gesellschaft und beson-ders die Politik als wenig anziehend. Korruption, leereVersprechungen und das oft anzutreffende Miss-trauen der Jugend gegenüber hat ein Negativimageentstehen lassen – auf beiden Seiten. Viele der Kollek-tive haben keine Lust, sich von den politischen Lokal-größen vor den Karren spannen zu lassen. So fandlange Zeit wenig bis gar kein Dialog mit der Kommu-nalverwaltung statt, teils suchte man sogar die Kon-frontation. Dies hat sich mittlerweile zumindest bei ei-nigen Gruppierungen geändert. In der Vorstadt Ateführte der Dialog schließlich zur Bildung eines Poolsvon kulturell-artistischen Initiativen. Es wurde schritt-weise erreicht, dass die Kommunalverwaltung nun lo-kale Festivals unterstützt und Kultur, Artistik und Ju-gendinitiativen stärker fördert. In Vitarte, einer weite-ren Kommune an der Peripherie von Lima, hat KE-RIGMA zusammen mit anderen Engagierten erreicht,dass Kultur, Artistik und Jugend nicht weiter außenvor bleiben. Mittlerweile gibt es dort ein Kulturzen-trum der Kommune, in dem verschiedenen Initiativendie Türen offen stehen. Die Kultur- und Artistikszeneder jungen Leute hat mehr bewegt, als man auf den

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ersten Blick meint – das Kultusministerium hat die na-tionalen Museen angewiesen, die Dynamik der Lokal-kultur aufzugreifen und zu stärken.

Auf unterschiedliche Weise versuchen die Initiativen,sich wirtschaftlich selbst zu tragen – nicht etwa zurpersönlichen Bereicherung, sondern um das Funktio-nieren des jeweiligen Kollektivs zu sichern: Gemein-wohlökonomie statt Profitorientierung. Warum dies al-les so funktioniert? Die Antwort kommt schnell: „Wirhaben Bock drauf!“

Quintessenzen in Richtung Zukunft

Jugendliche, viele von ihnen mit problematischem so-zialem Hintergrund, finden in der szenischen Kultur ih-ren Platz in der Gesellschaft. Leadership, Vertrauen indie eigene Person, aber auch gesellschaftliche Inte-gration sind dabei wichtige Elemente.

Innerhalb der facettenreichen urbanen Kultur sein eige-nes Ding zu machen, ist für viele junge Menschen eineMöglichkeit, aus dem Klischees auszubrechen, welchedie Gesellschaft der Erwachsenen ihnen zuschiebt.

„Eine andere Welt ist möglich“ (Graffito in einem Stadtrand-viertel)Foto: Jorge Krekeler

„Früher ließ man uns nicht aufden öffentlichen Plätzen auftre-ten. Erst mit der Zeit und nachvielen Gesprächen mit der Kom-munalverwaltung wurde unsgrünes Licht gegeben“, erzähltKalef. Mit Unterstützung vonMISEREOR begleitet die DiözeseChosica die kulturell-artistischenInitiativen von Jugendlichenund jungen Erwachsenen.Foto: Dignidad Humana DiócesisChosica

Mögliche Arbeitsaufträge

Aus der Leidenschaft für Breakdance, Hip-Hop und afroperuanische Musik ent-standen im öffentlichen städtischen Raum kulturelle Hotspots.

1. Beschreibe die Auswirkungen der Kulturarbeit auf die Persönlichkeitsentwick-lung der Jugendlichen, das Bild der Jugend in der Gesellschaft, soziales Lernenund politisches Engagement.

2. Bestimme die Faktoren, die für die Akzeptanz bei den Jugendlichen, für die Si-cherung der Kontinuität der Arbeit und für Erfolge im Dialog mit dem öffent-lichen Sektor grundlegend sind.

3. Welche Rolle spielen unternehmerische Initiativen (wie zum Beispiel der Ver-kauf von Cajónes)?

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Die Religionslehrerin Christine Wloszkiewicz berich-tet aus ihrem Projektkurs zur Befreiungstheologie:„Die Projektkursarbeiten, an denen die Schülerinnenzur Zeit arbeiten, sind in einigen Fällen nahe an derThematik des Hungertuches. So arbeitet eine Schü-lerin an einer Betrachtung der Modebranche: ‚Wirvernichten die Welt, ohne dabei zu merken, dass wiruns selbst vernichten‘. Eine arbeitet zu Oscar Ro-mero, eine zur Erweiterung der Befreiungstheologiedurch die Feministische Theologie […]. Das Hunger-tuch passt hervorragend in unseren Kurs.“ Jedochhätten sich die Schülerinnen teilweise eine stärkereinhaltliche Auseinandersetzung gewünscht, wäh-rend Uwe Appold den Fokus auf das künstlerischeGestalten legte. Dennoch gelang es ihm, alle Schü-lerinnen zum kreativen Arbeiten zu ermutigen. Sosind auch in Opladen bemerkenswerte Bilder ent-standen und die erläuternden Texte zeigen, dass dieSchülerinnen die Frage nach der Verantwortung desMenschen durchaus auf ihr eigenes (Er-)Leben bezo-gen haben: „Es ist überall auf der Welt und in jederSituation möglich aufzustehen, die Natur zu entde-cken und durch Liebe und Hoffnung eine andereRichtung einzuschlagen“ (Julia Pierzyna) – „DerMensch braucht Motivation, um aus diesem Tief he-rauszukommen, sein Leben endlich in die Hände zunehmen und den eigenen Weg zu beginnen“ (LauraBrosch) – „… es existiert die Möglichkeit, gemeinsamBrücken zu bauen“ (Paula Braun).

Ein Kunstraum voller Leben: Farbeimer, Paletten, Pin-sel, Skizzenblätter, Leinwände, ein großes Tafelbild.15 Schülerinnen und ein Schüler der Jahrgangsstufen11 und 12 des Krefelder Gymnasiums Marienschulearbeiten mit dem Künstler Uwe Appold zwei Tagelang zum Thema des MISEREOR-Hungertuches:„Mensch, wo bist du?“ Die Marienschule ist Partner-schule von MISEREOR.

Da Uwe Appold sein eigenes Werk mit Erde aus demGarten Getsemani gestaltet hat, sollten die Jugendli-chen Erde von einem für sie bedeutsamen Ort mitbrin-gen. Zu Beginn erzählten sie reihum ihre persönlichen„Buddelgeschichten“: Die Erde stammte häufig ausdem eigenen Garten, etwa vom Lieblingsplatz untereinem Feigenbaum oder aus dem Gemüsebeet, daseine Schülerin gemeinsam mit ihrem Vater angelegthat. Unter der Anleitung des Künstlers und begleitetvon ihrer Kunstlehrerin entwarfen die Teilnehmendeneigene Bildgestaltungen, zunächst in Form von DIN-A3-großen Bleistiftskizzen. Nachdem sie die zeichneri-schen Konzepte fertiggestellt hatten, brachten dieSchüler(innen) ihre persönliche Erde mit Leim auf die50 x 70 cm großen Leinwände auf.

Anschließend verfassten die jungen Künstlerinnenund Künstler erläuternde Texte zur Entstehungsge-schichte und Bedeutung ihrer Arbeiten. Die Bilderwurden am Informationstag der Schule in der Aulaausgestellt. Während der Fasten- und Osterzeit wa-ren sie in der MISEREOR-Geschäftsstelle in Aachenzu sehen.

Weitere Workshops mit dem Künstler des MISEREOR-Hungertuches

Im Vorfeld und während der Fastenzeit 2019 haben anverschiedenen Orten Kunst-Workshops mit Uwe Appoldstattgefunden, so auch in der Marienschule Leverkusen-Opladen, einer weiteren MISEREOR-Partnerschule.

Schülerinnen und Schüler arbeiten mit Uwe Appold künstlerisch zum Hungertuch

Der Künstler Uwe Appold imAtelier mit seinem Modell desHungertuches 2019/2020Foto: Härtl/MISEREOR

rechts: Plakat zur Ausstellungder Schülerarbeiten in derMarienschule Krefeld

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Lehrerforum Nr. 113 Sekundarstufe

Von Lena Egenbergerund Petra Gaidetzka

„Nach der Trocknungsphase ging es um den Bildinhalt, die Motiv- und Farb-wahl, den entsprechenden Farbauftrag und individuell auch um Schriftgestal-tung. In erstaunlich kurzer Zeit entstanden sehr beeindruckende Malereienund bildnerische Gestaltungen in intensiver individueller und symbolischerFarbigkeit und vor allem mit biografischem Bedeutungszusammenhang. DenAbschluss bildete am zweiten Tag ein intensives Dialoggespräch zwischenUwe Appold und den Schülerinnen und Schülern, bei dem alle 16 fertigen Bil-der im Kunstraum präsentiert wurden.“

(Bettina Kürschner, Kunstlehrerin)

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Lehrerforum Nr. 113

„Mensch, wo bist du?”von Sylvia Kalwa (Foto: Michael Mondry)

Die Natur ist voller Schönheit und Vielfalt.Sie nimmt ihren eigenen Lauf:Aus der Erde sprießt eine Blume,sie entfaltet ihre Blüten undnachdem sie verblüht ist,entsteht eine neue.Aus altem Leben entsteht neues Leben.Das ist ein natürlicher Kreislauf,in den der Mensch nicht eingreifen kann.Der Mensch sollte nicht derjenige sein,der die Natur zerstört und verfälscht,um sie für seine Zwecke zu nutzen.

Er sollte derjenige sein,der die Natur pflegt und ihre Schönheit sieht.

Sylvia Kalwa

„Lichtblick”von Charlotte Littgen (Foto: Michael Mondry)

Egal, wie sehr die Dunkelheit und Tiefe dichbedrängt, und egal, wie weit unten du dich am Grund der Einsamkeit befindest:

Es gibt immer einen Lichtblick.

Deine Hoffnung allein kann die noch so dickenWände, geformt aus Hass und Bosheit, durchbrechen und Lichtstrahlen in die tiefsten Höhlen deines Lebens fluten lassen. Dieverhasste Dunkelheit wird fliehen, wenn duweiter glaubst. Glaube, dass alles Schrecklicheein Ende hat, dass die Welt noch zu retten istund dass alles Böse nie gewinnen wird […]. Die Hoffnung zählt.

Charlotte Littgen

„Entscheide dich” von Christina Wloczyk (Foto: Christine Wloszkiewicz)Du stehst dort oben.Alle Wege stehen dir offen. Jeder von ihnen führt irgendwo anders hin. Jeder von ihnen verläuft anders.Der eine schmaler, der andere steiler.Eine wichtige Entscheidung.Aber warte nicht zu lange.Noch kannst du deinen Weg wählen.Noch kannst du selber entscheiden, wohin dein Weg führt.Aber nicht mehr lange.Je länger du wartest, desto mehr Wege werden verschwinden.Also geh das Risiko ein und entscheide dich. Solange du kannst.

Christina Wloczyk

Sekundarstufe

Mehr zum Kunstprojekt mit Uwe Appold im MISEREOR-Blog: https://blog.misereor.de/2018/11/06/ein-workshop-zum-misereor-hungertuch-an-der-marienschule-krefeld/oder über www.hungertuch.de. Unter beiden Links kann ein Video zum Workshop abgerufen werden.

Uwe Appold bietet an, in Schulen und Gemeinden, in ökumenischen und multikulturellen Gruppenzum Hungertuch zu arbeiten. In der Auseinandersetzung mit dem Thema „Schöpfungsverantwor-tung“ und verschiedenen Materialien entstehen eigene Kunstwerke. Es ist noch möglich, Termine imSchuljahr 2019/20 zu buchen: Melden Sie sich bitte bei MISEREOR, [email protected].

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Am 7. März 2019 um 10:25 Uhr war es soweit: Unterdem Motto „Gut für mich und gut für andere“ starteteMISEREOR mit zehn Schulen des Erzbistums Köln indie Fastenaktion. Außer den Jugendlichen ausDeutschland stellten Gäste aus Jugendprojekten in ElSalvador bei diesem Event ihr soziales und ökologi-sches Engagement vor. Sie präsentierten ihre Projekteund Aktionen und sorgten dafür, dass die Veranstal-tung in der Kölner Philharmonie weit mehr wurde alsreines Unterhaltungsprogramm – durch die Jugendli-chen wurde sie zu einer Geschichte des Gelingens.

Eine Veranstaltung für Schülerinnen und Schüler? Nein, mit ihnen!

Mit der jährlichen Fastenaktion schlägt MISEREOR inder Bildungsarbeit die Brücke zwischen Nord undSüd. Mit dem Leitwort „Mach was draus: Sei Zu-kunft!“ richtete sie sich diesmal an Jugendliche inDeutschland und El Salvador. In diesem Zusammen-hang plante MISEREOR gemeinsam mit dem Erzbis-tum Köln eine musikalisch-kulturelle Großveranstal-tung in der Kölner Philharmonie für Schülerinnen undSchüler der Klassen 9 bis 11. Das Programm gestalte-ten zahlreiche Gruppen von Schülern und Schülerin-nen nach teilweise monatelanger Vorbereitung selbst.

Als ein besonderes Beispiel kann das Musikprojektder Bigband MusiCats der Liebfrauenschule Ratingenmit dem in El Salvador aufgewachsenen Sänger PabloRaimundo dienen. Gemeinsam spielten sie neben be-kannten lateinamerikanischen Liedern wie „Corazon

Eröffnung der Fastenaktion 2019mit 1500 Schülerinnen und Schülern in der Kölner Philharmonie

Espinado“ von Santana auch selbst geschriebeneSongs von Pablo Raimundo über die Lebensverhält-nisse und Herausforderungen in dem mittelamerika-nischen Staat. Für die Schulband war dies bislang ei-ner der größten Auftritte. Sowohl die Vorfreude alsauch die Anspannung waren im Vorfeld der Veran-staltung groß. Die Arbeitsweisen und Abläufe vonProfis kennenzulernen, war für die MusiCats einespannende Erfahrung. Am Donnerstag um 5:30 Uhraufstehen, ankommen, ein schneller Soundcheck,backstage warten und dann – schnell auf die Bühnefür den nächsten Song!

Mila (MusiCats): „Es war mit Abstand eines derbesten Konzerte, bei denen ich je gespielt habe[…]. Außerdem war die Erfahrung […] sehr wich-tig und bedeutungsvoll für mich, da es meingrößter Traum ist, Musikerin zu werden!“

Auch die Chöre anderer anwesender Schulen sangenLieder über kulturelle Vielfalt und darüber, die Zu-kunft selbst in die Hand zu nehmen. Gemeinsam mitdem „kölschen Jung“ Ramón Ademes heizte der Chorder KHS Großer Griechenmarkt aus Köln mit „Wir sinddie Zukunft“ dem Publikum ordentlich ein. Die Papst-Johannes-XXIII-Gesamtschule aus Stommeln stimmteden Hit „Bella Ciao“ an und mit „Schritt für Schritt“ein Lied, welches sich mit den Zukunftsgedanken vonJugendlichen auseinandersetzt. Die kölsche BandKuhl un de Gäng sorgte dann noch einmal für Gänse-hautstimmung auf den Rängen der Philharmonie. ImLichtermeer schunkelten die Schülerinnen und Schü-ler zur Musik.

Auftritt der MusiCats mit dem Sänger Pablo Raimundo (rechts)Fotos: Radtke/MISEREOR

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Lehrerforum Nr. 113 Sekundarstufe

Von Ole Joerss

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Neben den musikalischen Beiträgen setzte auch dieMarienschule Opladen mit ihrer Performance-Gruppe einen Höhepunkt. Im Vorfeld hatten sichdie Schülerinnen und Schüler intensiv mit der Fragebeschäftigt, weshalb kriminelle Banden eine solcheAnziehungskraft auf junge Menschen in El Salvadorausüben und welche Herausforderungen und Ge-fahren daraus in ihrem Alltag entstehen. Mithilfevon Masken und Farben zeigten sie in ihrer Perfor-mance ausdrucksstark diesen Zwiespalt, aber auch,dass man ihn überwinden kann. Daran knüpftendie Gäste aus El Salvador an und zeigten in Videosaus ihren Projekten von FUNDASAL und Caritas SanSalvador, wie sie Jugendliche unterstützen unddiese gemeinsam ihre Zukunft aufbauen.

Schülerinnen und Schüler zeigenihre Geschichten des Gelingens

Was aber auch deutlich wurde: Bei uns in Deutschlandläuft ebenfalls nicht alles rund. Auch hier machen sichdie Jugendlichen Gedanken über ihre Zukunft und dieihrer Mitmenschen … und sie sind aktiv!

In einminütigen Videos zeigten die Schülerinnen undSchüler ihre Aktionen und beeindruckten mit der Viel-falt ihres Engagements. Ein Musikvideo griff dasThema „Lebensmittelverschwendung“ auf. In weite-ren Clips ging es um das sozialverträgliche und um-weltschonende Recycling von Handys, Pfandflaschen-sammeln, Spendenläufe und viele andere Aktivitätenund soziale Projekte. Die 10a der KHS Großer Grie-chenmarkt zeigte, wie Jugendliche sich gegenseitigunterstützen und Solidarität zeigen. Die Schülerinnenund Schüler der Liebfrauenschule Bonn hoben ihre

Performance der Marienschule Opladen: In Schwarz die Gefahr von außen, die an den Jugendlichen „zerrt“.Foto: Radtke/MISEREOR

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Unterstützung von Geflüchteten in den internationa-len Vorbereitungsklassen hervor und nahmen die Er-fahrungen von Jugendlichen, die in Deutschland an-kommen, in den Blick.

Es zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler nichtnur Aktionen durchführen, sondern sich selbst intensivmit den Themen auseinandersetzen und etwas verän-dern möchten. Dass sie noch viel mehr machen, als siein einem kurzen Videoclip zeigen können, verdeutlich-ten die Rückmeldungen aus den Schulen und die Re-aktionen des Publikums. Sätze wie: „Das machen wirdoch auch!“ oder „Das hätten wir auch gerne nochmit reingenommen!“ waren häufig zu hören.

Die Zukunft ist in guten Händen

Im Finale wurde noch einmal alles aus der Akustikder Philharmonie herausgeholt. Zwei Chöre, eineBigband und 40 Programmbeteiligte – insgesamt100 Personen – spielten und sangen „We are theWorld“ auf der Bühne und der ganze Saal machtemit. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler zücktenihre Smartphones, um Selfies zu machen, sondernauch die Gäste aus El Salvador und MISEREOR-Ge-schäftsführer Pirmin Spiegel. Und so ging im Lich-termeer für alle ein ganz besonderer Vormittag zuEnde, der wohl noch lange in Erinnerung bleibenwird. Was aber auch bleibt, ist die Gewissheit, dasssich hier und in El Salvador junge Menschen schonjetzt für eine Perspektive für sich selbst und ihre Mit-menschen einsetzen.

Wir brauchen diese Geschichten des Gelingens undwir brauchen diese Momente, in denen wir feststel-len: Wir sind nicht allein mit dem, was wir tun. Wirnehmen unsere Zukunft in die Hand. Und somöchte MISEREOR allen engagierten Lehrerinnenund Lehrern und Schülerinnen und Schülern nocheinmal ganz herzlich danken und sie dazu ermuti-gen, weiterzumachen!

Melina (MusiCats): „Bei ‚We are the World’ kammir die Gänsehaut […]. Alle haben gesungen –und das ist doch das, was wir mit Musik bewir-ken können und wollen: Dass sich alle verbun-den fühlen und den Ernst des Lebens für einpaar Minuten vergessen.“

Lehrerforum Nr. 113Sekundarstufe

Die beiden Chöre und weitereBeteiligte beim Abschluss-Song„We are the World“

Lichtermeer in der Kölner PhilharmonieFotos: Radtke/MISEREOR

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MISEREOR LehrerforumDas Lehrerforum informiertüber Themen des GlobalenLernens und erscheintviermal im Jahr kostenlos.Sie können es im Internet herunterladen:www.misereor.de/mitmachen/schule-und-unterricht/lehrerforumWeitere Unterrichts-materialien unterwww.misereor.de/unterrichtsbausteine

Bestellungen der MISEREOR SchulmaterialienMVG Medien E-Mail: [email protected] Tel.: 0241 47986-100Fax: 0241 47986-745www.misereor-medien.de

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Impressum:Herausgeber: Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e.V., Mozartstr. 9, 52064 Aachen, www.misereor.deHerstellung und Vertrieb: MVG Medienproduktion undVertriebsgesellschaft mbH, Boxgraben 73,52064 AachenAutor(inn)en dieser Ausgabe: Jorge Krekeler, Lena Egenberger, Petra Gaidetzka, Ole JoerssRedaktion: Rüdiger Horn, Lektorats- u. Redaktionsbüro, OlpeGestaltung: Yvonne Schröder, Graphik- u. Werbedesign, B-EupenErscheinungsweise: Viermal jährlich, Bezug kostenlos

Lehrerforum Nr. 113

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G 46263

Autor(inn)en dieses Lehrerforums

Jorge Krekeler berät als Fachkraft der AGEH (Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V.)MISEREOR-Partner in Lateinamerika und betreutdas Projekt „Jenseits von Morgen“ (www.almanaquedelfuturo.wordpress.com).

Lena Egenberger, Petra Gaidetzka und Ole Joerss arbeiten in der Inlandsabteilung von MISEREOR.

Akeya und der Kalebassenbaum

„Wasser schenkt Leben“: Die gleichnamigen Mate-rialien für den Sachunterricht und Projekttage la-den Grundschulkinder zu einer Wasser-Weltreiseein. Die Kinder erfahren, wie die Menschen in un-terschiedlichen Regionen – in Ostafrika, Thailandund Nordostbrasilien – mit Wassermangel undWasserüberfluss, unkalkulierbaren Niederschlä-gen und Wetterextremen, den Begleiterschei-nungen des Klimawandels, fertig werden.

Akeya (8) lebt in Kenia, nicht weit vom Victo-riasee: Er erzählt von abgeholzten Wäldern,Trocken- und Regenzeiten und den Bemühungen,die Wasserversorgung zu sichern. In seiner Heimat, imDistrikt Süd-Nyanza, fallen 2500 mm Niederschlag imJahr, daher kann das ganze Jahr über intensiv Land-wirtschaft betrieben werden – nur dort nicht, wo durchAbholzung der Boden abgetragen und zerstört wurde.

„Mein Opa hat mir erzählt, dass es hier früherganz viele Bäume und Sträucher gab. Aber dieMenschen haben fast alle Bäume gefällt. Alsdann Regen fiel, wurde das Erdreich wegge-spült. Heute sieht man an manchen Orten nurnoch hartes Gestein, auf dem nichts wächst.Wenn sich nichts ändert, wird man in unsererGegend bald nicht mehr leben können. Es gibtnur eine Lösung: Es müssen wieder Bäume ge-pflanzt werden“, stellt Akeya fest.

Akeyas Vater hat in einemLandwirtschaftsprojekt vielüber die Nutzung von Regen-wasser und angepasste An-baumethoden gelernt. Auf sei-nen Feldern probiert er eineneue, umweltverträgliche Land-wirtschaft aus. Er berät andere

Bauern und Bäuerinnen und hilft den Schulkindern,Schulgärten anzulegen. Auch Akeyas Lehrer weiß,wie wichtig Bäume sind. Jedes Kind aus der Klassebekam deshalb einen Kalebassensetzling. Morgens,vor dem Unterricht, holt Akeya Wasser vom Brunnen,weil es bei ihm zu Hause keinen Wasseranschlussgibt. Wenn er danach zur Schule geht, nimmt er ei-nen Wasservorrat mit, um davon zu trinken und denKalebassenbaum zu gießen, den er im ersten Schul-jahr gepflanzt hat.

Spielerisch lernen die Kinder mit dieser Geschichte,dass das Lebensgut Wasser eine begrenzte Res-source ist. Das Beispiel zeigt, wie Aufforstung undökologisch-nachhaltige Landwirtschaft die Überle-benschancen der Menschen in einem stark von Ero-sion betroffenen Gebiet verbessern.

Eine Geschichte des Gelingens für die Grundschule

Aktion: Wir ziehen Kalebassenpflanzen Kalebassen sind Gefäße, die aus den Früchten des Flaschenkürbisses oder des Kalebassenbaumes her-gestellt werden. Samen (meist vom Flaschenkürbis) gibt es in der Samenhandlung. Benötigt werdenaußerdem: für jeden Samen ein Blumentopf, Pflanzerde, Dünger, ein Rankstab.Der April ist die richtige Jahreszeit, um die Samen in Blumentöpfe mit Erde zu setzen. Die Töpfe wer-den an einen sonnigen Platz gestellt. Nach zwei Wochen wächst ein kleines Pflänzchen aus der Erde.Jetzt kommt der Blumentopf ins Freie. Wenn die Pflanze immer fleißig gewässert und ab und zu ge-düngt wird, können die Kinder im Herbst die rundlichen oder flaschenförmigen Früchte ernten.

Ausgetrocknetes Flussbettin Nordkenia

Foto: Singhal/MISEREOR

Die Materialien „Wasser schenkt Leben“ (4 Bausteine) stehen zum kostenlosen Download bereit, das Modul „Akeya und der Kalebassenbaum“ ist auch einzeln verfügbar: www.misereor.de/unterrichtsbausteine → Für die Grundschule.