Gesetzliche Schuldverhältnisse - Schwarz / Wandt, … · Ungerechtfertigte Bereicherung Vertrages...

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Vahlen • Jura / Lehrbuch Gesetzliche Schuldverhältnisse Ein Lehrbuch für Studium und Examen von Prof. Günter Christian Schwarz, Prof. Manfred Wandt 4., neu bearbeitete Auflage Gesetzliche Schuldverhältnisse – Schwarz / Wandt schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Gesamtdarstellungen und Allgemeines Zivilrecht Verlag Franz Vahlen München 2011 Verlag Franz Vahlen im Internet: www.vahlen.de ISBN 978 3 8006 3872 7 Inhaltsverzeichnis: Gesetzliche Schuldverhältnisse – Schwarz / Wandt

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Vahlen • Jura / Lehrbuch

Gesetzliche Schuldverhältnisse

Ein Lehrbuch für Studium und Examen

vonProf. Günter Christian Schwarz, Prof. Manfred Wandt

4., neu bearbeitete Auflage

Gesetzliche Schuldverhältnisse – Schwarz / Wandt

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Thematische Gliederung:

Gesamtdarstellungen und Allgemeines – Zivilrecht

Verlag Franz Vahlen München 2011

Verlag Franz Vahlen im Internet:www.vahlen.de

ISBN 978 3 8006 3872 7

Inhaltsverzeichnis: Gesetzliche Schuldverhältnisse – Schwarz / Wandt

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§ 10. Leistungskondiktion 139

2. § 817 S. 2 analog – Nicht nur auf § 817 S. 1, sondern auf alle Leistungskondiktionen entspre-

chend anzuwenden – „Gleichfalls“ bei anderen LK als § 817 S. 1 ohne Bedeutung, d. h. Sitten-

oder Gesetzesverstoß nur des Leistenden genügt (§ 10 Rn. 35) – P: Bereicherungsrechtlicher Anspruch des Schwarzarbeiters (§ 10 Rn. 38)

B. § 813 – dauerhafte Einrede § 813 Abs. 1 S. 1 ist eine selbständige Anspruchsgrundlage. Sie setzt – abwei-

chend von dem Grundtatbestand der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1) – voraus, dass eine dauernde Einrede besteht. Insoweit erweitert die „Kondiktion wegen Bestehens einer dauernden Einrede“ die Leistungskondiktion, indem sie dem anfänglichen Fehlen des rechtlichen Grundes (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1) das Bestehen einer dauernden Einrede gleichstellt.84

I. Tatbestand

Erfasst werden nur dauernde (peremptorische) Einreden im Gegensatz zu vorüber-

gehenden (dilatorischen) Einreden.85 Nur eine Einrede, die die Durchsetzbarkeit eines bestehenden Anspruchs auf Dauer hindert, steht der Rechtsgrundlosigkeit gleich.

Beispiele für dauernde Einreden:

– Einrede der Nichtigkeit eines Vertrages,86 – Bereicherungseinrede (§ 821); – Einrede der unerlaubten Handlung (§ 853); – Einrede aus § 1166; – Einrede der Arglist oder aus § 242; – Erbrechtliche Einreden (§§ 1973, 1975, 1990 f., 2083, 2318 Abs. 1, 2345).

Wichtige Ausnahmen: Die Verjährungseinrede begründet keinen Bereicherungs-

anspruch, obwohl die Verjährungseinrede eine dauernde Einrede ist (§§ 813 Abs. 1 S. 2, 214 Abs. 2). Wird auf eine verjährte Forderung geleistet, so kann das Geleistete nicht zurückgefordert werden. Keine Anwendung findet § 813 auch bei der Sach-mängeleinrede (§ 433 Abs. 1 S. 2 oder § 633 Abs. 1 i. V. mit § 320),87 weil die §§ 434 ff. und 634 ff. für eine Rückabwicklung speziellere Vorschriften enthalten, die durch § 813 nicht umgangen werden sollen. Zur Sachmängeleinrede nach § 438 Abs. 4 S. 2 vgl. den folgenden Fall. _________________________________________________________________________________

84 Mugdan II, S. 465 (Motive): Bei erhobener Einrede sei die Forderung so anzusehen, als ob sie rechtlich nie bestanden hätte. Vgl. auch Bamberger/Roth/Wendehorst, § 813 Rn. 1; MünchKomm/ Schwab, § 813 Rn. 1.

85 Vorübergehende Einreden sind: § 273, § 320, Stundung, Einrede des Bürgen aus § 770 Abs. 2. 86 BGHZ 174, 334 (nichtiger Kaufvertrag; bei einem Finanzierungskredit als verbundenem

Geschäft steht die Einrede wegen § 359 S. 1 (früher: § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG a. F.) auch dem An-spruch des Kreditgebers aus dem Finanzierungskredit entgegen; der Verbraucher kann daher geleis-tete Kreditraten vom Kreditgeber nach § 813 Abs. 1 S. 1 i. V. mit § 812 Abs. 1 S. 1 zurückverlan-gen). – Ein Rückforderungsdurchgriff nach § 813 Abs. 1 S. 1 gegenüber dem Kreditgeber scheidet dagegen aus, wenn es sich bei dem verbundenen finanzierten Geschäft um die Beteiligung an einem Fonds handelt, von der sich der Anleger nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft mit seinem Widerruf allenfalls für die Zukunft lösen kann, vgl. BGHZ 183, 112, 116.

87 Vgl. zur Mängeleinrede Lorenz/Riehm, Rn. 500 ff.

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140 3. Teil. Ungerechtfertigte Bereicherung

Fall: V liefert an K am 1. 4. 2002 eine mangelbehaftete Waschmaschine aus. K begleicht sofort den vereinbarten Kaufpreis. Zwar entdeckt K den Mangel sofort, lässt aber aufgrund man-gelnder Entschlussfreudigkeit die Sache zunächst auf sich beruhen. Erst später entschließt er sich zum Handeln und ruft am 2. 4. 2004 bei V an, erklärt den Rücktritt und verlangt Rückzahlung des Kaufpreises. V beruft sich auf „Zeitablauf“. Zu Recht? Lösung:

1. Anspruch aus §§ 433, 434 Abs. 1 S. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 (–)

Zwar liegt ein Rücktrittsgrund vor (§ 434 Abs. 1 S. 1). Der Rücktritt ist auch erklärt wor-den (§§ 133, 157). Der Rücktritt ist aber unwirksam (§§ 438 Abs. 4 S. 1, 218 Abs. 1 S. 1).88 Das Recht auf Nacherfüllung (§§ 434, 437 Nr. 1, 439 Abs. 1) ist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 verjährt. Es gilt die zweijährige Frist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 (in Abweichung von der allgemeinen Frist des § 195). Diese beginnt – in Abweichung von § 199 – mit der Abliefe-rung der Sache zu laufen (§ 438 Abs. 2), also am 2. 4. 2002, 0 Uhr (§ 187 Abs. 1: sog. Er-eignisfrist) und endet am 1. 4. 2004, 24 Uhr (§ 188 Abs. 2 Alt. 1). V hat sich auf Verjäh-rung berufen (§§ 133, 157).

2. Anspruch aus § 813 Abs. 1 S. 1?

a) V erlangt den Kaufpreis durch Leistung des K.

b) Es müsste aber eine dauerhafte Einrede bestehen. Infrage kommt die sog. Mängelein-rede (§ 438 Abs. 4 S. 2). Danach kann der Käufer trotz der Unwirksamkeit des Rück-tritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf-grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Voraussetzung des Rücktritts ist aber auch die Nachfristsetzung (§ 323 Abs. 1 und 2), die bisher nicht gesetzt worden ist.89

c) Unabhängig davon erfasst § 813 Abs. 1 die Sachmängeleinrede überhaupt nicht. Die kurze Verjährungsfrist (§ 438 Abs. 1) soll im Interesse der Rechtssicherheit bald mög-lichst klare Verhältnisse schaffen. Davon macht § 438 Abs. 4 S. 2 (und § 215) Aus-nahmen und gewährt eine Einrede gegen den Kaufpreisanspruch; ein darüber hinaus-gehender Anspruch aus § 813 würde dem Zweck des § 438 Abs. 1 widersprechen.90 Ob der bereits gezahlte Kaufpreis (z. B. Anzahlung) zurückgezahlt werden kann, ist auch in § 438 Abs. 4 S. 3 speziell geregelt: Nur wenn der Verkäufer zurücktritt, entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis (§§ 346 ff.), aufgrund dessen auch der Käufer seine Leistung zurückfordern kann. Ein Rückforderungsrecht des Käufers aus § 813 würde diese vorgehende Regelung, welche die Rückforderung vom Verhalten des Verkäufers abhängig macht, umgehen und scheidet deshalb aus.91

d) Der Anspruch aus § 813 Abs. 1 S. 1 ist unbegründet.

_________________________________________________________________________________

88 Das Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht verjährt nicht, da gem. § 194 nur Ansprüche der Ver-jährung unterliegen. Um eine einheitliche Abwicklung der Rechte aus § 437 zu ermöglichen, ver-weist § 438 Abs. 4 auf § 218. Nach dieser Norm ist der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertrags-gemäß erbrachter Leistung unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft.

89 Vgl. zum Meinungsstand Staudinger/Matusche-Beckmann, § 438 Rn. 134. Nach Lorenz/ Riehm, Rn. 560 soll der Käufer auch bei verjährtem Nacherfüllungsanspruch eine Nachfrist setzen müssen, wenn diese nicht entbehrlich ist (§§ 323 Abs. 2, 326 Abs. 5, 440); so auch v. Olshausen, JZ 2002, 385, 386 ff. Anders Bamberger/Roth/Faust, § 438 Rn. 53: Zum Schutz des Käufers genüge es, dass dieser nach Verfristung des Gestaltungsrechts zur Kaufpreiszahlung nur Zug um Zug gegen Nacherfüllung verurteilt werden könne.

90 Vgl. RGZ 144, 93, 95 f. zu §§ 478 f. a. F. 91 Vgl. auch Lorenz/Riehm, Rn. 560; Huber, in: Huber/Faust, § 13 Rn. 186 f.

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§ 10. Leistungskondiktion 141

II. Ausschlussgründe

Es gelten die Ausschlussgründe der allgemeinen Leistungskondiktion (§§ 814, 817

S. 2 analog). Ein Anspruch aus § 813 Abs. 1 S. 1 ist darüber hinaus ausgeschlossen, wenn eine gestundete Forderung vorzeitig erfüllt wird (§ 813 Abs. 2).

Fall: V spiegelt dem K vor, ein neuer dreibändiger BGB-Kommentar sei schon jetzt vollständig lieferbar. K bestellt und bezahlt den vergünstigten Kaufpreis im Voraus und erhält einen schon erschienenen Band. Bald darauf erfährt er, dass sich das Erscheinen der übrigen Bände noch über etliche Jahre hinziehen wird, unternimmt aber nichts. Nach zwei Jahren verlangt V von K, die nun erschienenen Kommentarbände abzunehmen. K lehnt dies „we-gen der Täuschung von vor zwei Jahren“ ab; V verweist auf die versäumte Anfechtungsfrist des § 124. K möchte wissen, ob er die Zahlung herausverlangen kann.

Lösung:

1. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 (Leistungskondiktion)? V erlangt den Kaufpreis, den K zum Zweck der Erfüllung des Kaufvertrages leistet. Der

Kauf ist zwar nach § 123 wegen arglistiger Täuschung anfechtbar. Da K nicht anficht und auch nicht mehr anfechten kann (wegen Versäumung der Anfechtungsfrist des § 124), ist und bleibt der Kauf als Rechtsgeschäft wirksam. K zahlt daher auf eine bestehende Ver-bindlichkeit, also mit Rechtsgrund. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 scheidet deshalb aus.

2. Anspruch aus § 813 Abs. 1 S. 1?

a) Voraussetzung ist, dass K auf eine Forderung zahlt, der eine dauernde Einrede entge-gensteht. K hätte die Kaufpreiszahlung (und die Abnahme) verweigern können, denn V erlangt seine Forderung durch unerlaubte Handlung gemäß § 823 Abs. 2 i. V. m. § 263 StGB (Betrug). Dies begründet die Arglisteinrede nach § 853. Die Vorschrift gilt zwar ausdrücklich nur für den Fall, dass „der Anspruch auf Aufhebung der Forderung ver-jährt ist“, gemeint ist die deliktisch erlangte Forderung. Die h. M. wendet die Vorschrift aber auch auf andere Fälle der Fristversäumung an, z. B. auf die Versäumung der An-fechtungsfrist nach § 124.92

b) Das bedeutet: Der Verbindlichkeit aus § 433 Abs. 2 steht die dauernde Einrede des § 853 entgegen. K kann also den Kaufpreis zurückfordern (gegen Rückgabe des schon gelieferten Kommentarbandes [§ 242]; vgl. unten § 10 Rn. 47).

c) Die Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 ist noch nicht abgelaufen.

3. Als weitere Anspruchsgrundlage kommt § 823 Abs. 2 i. V. m. § 263 StGB (Schutzgesetz) in Betracht.

Vertiefungshinweis: Rückabwicklung bei Arglisteinrede (§ 853) und gegenseitiger Vertrag In bestimmten Fallkonstellationen liegt ein gegenseitiger Vertrag vor, der entweder von bei-

den Vertragsparteien vollständig oder nur vom Verkäufer erfüllt worden ist. Stellt sich nach-träglich heraus, dass der Kaufvertrag durch eine unerlaubte Handlung des Verkäufers (z. B. Betrug) zustande gekommen ist, so kann der Geschädigte die Erfüllung seiner Verpflich-tung unter Berufung auf § 853 (Arglisteinrede) verweigern bzw. das Geleistete nach §§ 813 Abs. 1 S. 1, 853 zurückfordern.93 Das setzt voraus, dass der Geschädigte die Auflösung des _________________________________________________________________________________

92 BGHZ 42, 37, 42 = NJW 1964, 1797; RGZ 79, 194, 197; MünchKomm/Wagner, § 853 Rn. 4. 93 Dies betrifft Fälle, in denen eine Anfechtung wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist (§ 124) nicht

mehr in Betracht kommt. Solange Gestaltungsrechte (Anfechtung, Rücktritt) erhoben werden kön-nen und geltend gemacht werden, kommt eine Rückabwicklung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 oder S. 2 Alt. 1 oder nach Rücktrittsrecht in Frage.

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142 3. Teil. Ungerechtfertigte Bereicherung

Vertrages insgesamt begehrt; andernfalls verstößt der nach §§ 813 Abs. 1 S. 1, 853 zurückfor-dernde Geschädigte gegen Treu und Glauben, wenn er die Einrede dazu benutzt, sich seiner vertraglichen Verpflichtung zu entziehen, ohne seinerseits die Pflicht zur Rückgewähr des auf-grund des Vertrages bereits erlangten Vorteils anzuerkennen; dies würde die (Gegen-)Einrede der Arglist (§ 242) begründen.94 Es stellt sich die Frage, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der Geschädigte das seinerseits vom Schädiger Erhaltene diesem zurückgeben muss.

Nach RGZ 60, 294, 29695 braucht der Geschädigte sich nicht zur Rückgabe des Empfan-genen zu erbieten, sondern es ist Sache des Gegners, seine Leistung im Wege der Klage zu-rückzufordern. Ob dieser Ansicht beizupflichten ist, ist zweifelhaft. Folgt man dem RG kommt als Anspruchsgrundlage § 813 Abs. 1 S. 1 in Betracht; verlangt der Geschädigte Rück-gabe der eigenen Leistung, so widerspricht es Treu und Glauben, wenn er das seinerseits Er-langte nicht zurückgeben muss (§ 242); dies setzt aber ein entsprechendes Verhalten des Ge-schädigten voraus. Zu prüfen ist dann aber § 817 S. 2 (vgl. oben § 10 Rn. 34 ff.).

Denkbar ist eine Anwendung der Saldotheorie (vgl. unten § 12 Rn. 32 ff.). Der Geschädigte kann von vornherein nur den Saldo herausverlangen. Handelt es sich um ungleichartige Leis-tungen, so kann der Geschädigte das seinerseits Geleistete nur zurückfordern, wenn er von sich aus die Rückgewähr der ungleichartigen Leistung Zug um Zug gegen Zahlung anbietet (vgl. unten § 12 Rn. 35). Kommt die Saldotheorie ausnahmsweise nicht zur Anwendung, so ist nach der Zweikondiktionentheorie abzuwickeln (vgl. unten § 12 Rn. 31). Der Schädiger kann dann einen Anspruch aus § 813 Abs. 1 S. 1 haben (vgl. vorstehend).

III. Zusammenfassung

§ 813 – Kondiktion bei dauerhafter Einrede –

I. Tatbestand 1. Etwas erlangt 2. Durch Leistung auf eine bestehende Verbindlichkeit 3. Dauerhafte Einrede gegen die Verbindlichkeit a) Beispiele: § 821 (Bereicherungseinrede), § 853 (Einrede der unerlaub-

ten Handlung), § 242 (Arglisteinrede) b) Nicht erfasst sind: (1) Verjährungseinrede nach §§ 813 Abs. 1 S. 2, 214 Abs. 2 (2) Sachmängeleinreden nach § 320 i. V. m. § 433 Abs. 1 S. 2 bzw.

§ 633 Abs. 1 (§ 10 Rn. 44) II. Ausschlussgründe 1. § 813 Abs. 2 (Erfüllung einer gestundeten Forderung) 2. § 814 3. § 817 S. 2 entsprechend

C. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 – späterer Wegfall des Rechtsgrundes Die Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 (späterer Wegfall des

Rechtsgrundes – condictio ob causam finitam) erfasst Fälle, in denen der rechtliche Grund zur Zeit der Leistung zunächst vorhanden ist, aber später endgültig wegfällt. _________________________________________________________________________________

94 Vgl. RGZ 60, 294, 295 f.; 130, 215, 216. 95 Mit Verweis auf die auf Grundlage des gemeinen Rechts ergangene Entscheidung RGZ 26,

185, 187 f.

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§ 10. Leistungskondiktion 143

I. Tatbestand

Die condictio ob causam finitam (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1) unterscheidet sich vom

Grundtatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 nur dadurch, dass der Rechtsgrund bei Leistung besteht und erst nach der Leistung wegfällt.

Beispiele: Eintritt einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2); Eintritt eines Endtermins (§§ 163, 158

Abs. 2); einverständliche Vertragsaufhebung (§ 311); Kündigung (vgl. § 314); Anfechtung (§ 142; nur bei Zugrundelegung der Mindermeinung, vgl. oben § 10 Rn. 24).

Der Rechtsgrund kann später durch Parteivereinbarung in Form eines Aufhe-bungsvertrages oder einseitig durch Willenserklärung einer Partei wegfallen (z. B. Widerruf der Schenkung gemäß §§ 530 f.).96

Im Fall der Bedingung oder Befristung ist das Geleistete nach Bereicherungsrecht zurückzugewähren, wenn die Bedingung bzw. der Endtermin eintritt. Die Parteien können allerdings auch vertraglich die strengere Haftung nach den Rücktrittsvor-schriften der §§ 346 ff. vereinbaren; in diesem Fall ist nach §§ 346 ff. und nicht nach Bereicherungsrecht zurückabzuwickeln.97

II. Ausschlussgründe

Diese Leistungskondiktion wird nach § 817 S. 2 entsprechend ausgeschlossen

(vgl. oben § 10 Rn. 34 ff.). § 814 gilt dagegen nicht, weil die Kenntnis i. S. des § 814 sich auf das Fehlen des Rechtsgrundes im Zeitpunkt der Leistung bezieht, nicht aber auf einen späteren eventuellen Wegfall. Dieser Ausschlussgrund (§ 814) gilt nur für den Grundfall der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1) sowie dessen Er-weiterung durch § 813.98

III. Zusammenfassung

§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 – Kondiktion wegen Wegfalls des rechtlichen Grundes –

I. Tatbestand 1. Etwas erlangt 2. Durch Leistung 3. Zunächst vorhandener rechtlicher Grund fällt später weg – Beispiele: Auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2), Aufhebungsvertrag – P: Anfechtung (§ 142 Abs. 1) (§ 10 Rn. 24, 50) II. Ausschlussgründe 1. § 817 S. 2 entsprechend 2. Nicht jedoch § 814 (§ 10 Rn. 51) _________________________________________________________________________________

96 § 531 Abs. 2 ist ein Rechtsgrundverweis (Tatbestandsverweis) im Gegensatz zu § 527. 97 Der Wegfall des rechtlichen Grundes ist zu unterscheiden von dem Rücktritt gem. §§ 346 ff.

Der Rücktritt lässt den rechtlichen Grund nicht entfallen, sondern wandelt das Schuldverhältnis (z. B. Kaufvertrag, von dem zurückgetreten wird) in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Dieses re-gelt die Rückabwicklung speziell. Der Anspruch aus dem inzwischen aufgehobenen § 3 HWiG wur-de als besonders ausgestalteter Bereicherungsanspruch qualifiziert (BGHZ 131, 82), der als lex spe-cialis die Anwendung der §§ 812 ff. grundsätzlich ausschloss (BGH NJW 2007, 361).

98 § 815 ist auf die Kondiktion wegen Wegfalls des rechtlichen Grundes (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1) nicht entsprechend anwendbar, weil die Vorschrift Strafcharakter hat und deshalb eng auszulegen ist: so BGHZ 29, 171; BGH JZ 1968, 381 mit zust. Anm. Lorenz; a. A. Soergel/Mühl, § 815 Rn. 1.

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144 3. Teil. Ungerechtfertigte Bereicherung

D. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 – Zweckverfehlungskondiktion

I. Normzweck und Abgrenzung zur (allgemeinen) Leistungskondiktion

Die Zweckverfehlungskondiktion liegt vor, wenn der mit der Leistung nach dem

Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2).99 Diese Kondiktion wird auch condictio ob rem (= wegen eines Zwecks) oder condictio ob causam datorum genannt.100

Beispiele:

– Leistung zum Zweck der Verwendung als Mitgift; später kommt es nicht zur Heirat. – Erteilung eines Schuldscheines vor Erhalt der Zahlung; später bleibt die Zahlung aus.

Funktional ist die Zweckverfehlungskondiktion (condictio ob rem) der Regelung von Leistungsstörungen im gegenseitigen Vertrag vergleichbar.101

Es gibt zwei Anwendungsfälle der Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2): 1. Bewusste Leistung ohne Verpflichtung: Es wird bewusst geleistet, ohne dass über-

haupt eine Verpflichtung dazu besteht. Der Leistende bezweckt damit, dass der Leistungsempfänger etwas tut oder unterlässt, wozu er nicht verpflichtet ist.

2. Ein über die Erfüllung der Verbindlichkeit hinausgehender Zweck („Zweck- anstaffelung“, str.). Hier besteht – im Unterschied zur vorherigen Fallgruppe – eine Verpflichtung. Soll mit der Leistung auch eine Verbindlichkeit erfüllt wer- den, dann ist nach h. M. die Zweckverfehlungskondiktion nur dann anwendbar, wenn ein über die Erfüllung der Verbindlichkeit hinausgehender Zweck verfolgt wird.102 Im zweiten Anwendungsfall ist der Grundtatbestand der Leistungskondiktion

(§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1) tatbestandlich ausgeschlossen, weil (auch) auf eine Ver-bindlichkeit geleistet wird. Im ersten Anwendungsfall ist § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 durch § 814 ausgeschlossen. Die allgemeine Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1) und die Zweckverfehlungskondiktion schließen sich also gegeneinander aus.

II. Tatbestand

§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 setzt voraus, dass der mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäftes bezweckte Erfolg nicht eintritt. Es muss (1) ein besonderer Er-_________________________________________________________________________________

99 Die Zweckverfehlungskondiktion (condictio ob rem, § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2) gilt als historisches Überbleibsel vor allem aus der Behandlung der alten (römisch-rechtlichen) Innominatskontrakte, also Verträge, die nicht zu einem klagbaren Anspruch führten; vgl. v. Caemmerer, FS Rabel I (1954), S. 333, 346; Ellger, S. 189. Mit deren Wegfall habe diese condictio ihre wesentliche Bedeutung eingebüßt, ihre Bedeutung habe sie für das moderne Rechtsleben aber nicht ganz verloren, so die Protokolle (Mug-dan II, S. 1175 [Protokolle]). Zum römischrechtlichen Ursprung vgl. auch Giesen, Jura 1995, 169, 179.

100 Sie trägt – im Vulgärlatein der Spätantike – auch die Bezeichnung „condictio causa data causa non secuta“ (vgl. Reuter/Martinek, § 5 III 1 a, S. 147 m. w. N.). Vgl. zur Zweckverfehlungskondik-tion Welker, Bereicherungsausgleich wegen Zweckverfehlung?, 1974.

101 Kupisch, Ungerechtfertigte Bereicherung: Geschichtliche Entwicklungen, 1987, S. 36; Larenz/ Canaris, SR II/2, § 68 I 3 a, S. 151: Parallelvorschrift zu den §§ 323 Abs. 3, 325 Abs. 1 S. 3 a. F. (= §§ 323 ff.).

102 Medicus/Petersen, BR, Rn. 691; a. A. Brox/Walker, BS, § 37 Rn. 34.

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§ 10. Leistungskondiktion 145

folg vorliegen, der (2) nach dem Inhalt des Rechtsgeschäftes mit der Leistung be-zweckt war und (3) durch die Leistung nicht eingetreten ist.

Die Zweckverfehlungskondiktion ist eine Leistungskondiktion. Deshalb müssen auch die Merkmale „etwas erlangt“ (Bereicherungsgegenstand) und „durch Leis-tung“ wie bei den anderen Leistungskondiktionen geprüft werden.

1. Erfolg

Es muss ein besonderer Erfolg vorliegen, der mit der Leistung erreicht werden

soll. Die Erfüllung einer Verbindlichkeit als (Leistungs-)Erfolg ist nicht von dieser Zweckverfehlungskondiktion erfasst; denn die Erfüllung der Verbindlichkeit wird durch § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 geregelt. Die Zweckverfehlungskondiktion kann nur in den zwei oben (vgl. oben § 10 Rn. 55) genannten Fällen eingreifen, in denen ein anderer Zweck als die Erfüllung oder ein über die Erfüllung hinausgehender Zweck verfolgt wird.

a) 1. Fallgruppe: „Leistung ohne Verpflichtung“ (Vorleistungs- und Veranlassungs-

fälle)

In diesen Fällen besteht (noch) keine Verpflichtung zur Leistung und Gegenleis-tung. Es wird zu dem Zweck geleistet, den Empfänger der Leistung zu einem be-stimmten, rechtlich nicht erzwingbaren Verhalten und damit zu einer freiwilligen Gegenleistung zu veranlassen, zu der sich der Empfänger rechtlich nicht verpflichten kann oder will (Veranlassungsfälle). Oder es wird in der Erwartung geleistet, den Empfänger zum Abschluss eines Rechtsgeschäftes und zur Gegenleistung zu bewe-gen (Vorleistungsfälle).103

Beispiele:

– Der Käufer eines formnichtigen Grundstückskaufvertrages zahlt den Kaufpreis, um den Ver-käufer zur Erfüllung zu bewegen und damit die Heilungswirkung des § 311 b Abs. 1 S. 2 her-beizuführen (Veranlassungsfall).

– Geldzahlung, um den Empfänger von einer (später doch erstatteten) Strafanzeige abzuhalten (Veranlassungsfall).

– Der Käufer zahlt an den Verkäufer einen Teil des angedachten Kaufpreises, um diesen zum Abschluss des Kaufvertrages zu bewegen (Vorleistungsfall).

– Freistellung von der Arbeit und Übernahme der Fortbildungskosten eines Mitarbeiters (zum Steuerberater) zum Zweck einer gemeinsamen Sozietätsgründung (BGH NJW 2004, 512, 513).

Fall (nach Loewenheim, S. 59): Grundstückseigentümer E errichtet auf seinem Grundstück ein Wohnhaus. Er beabsichtigt, bestimmte Arbeiten dem Bauhandwerker B zu übertragen. Aufgrund der Vorbesprechungen beginnt B bereits mit der Ausführung der Arbeiten. Später kommt es aber nicht zum Ver-tragsschluss, weil E und B sich über Einzelheiten nicht einigen können. B verlangt Ersatz für die bereits ausgeführten Arbeiten.

Lösung:

1. Anspruch aus § 311 Abs. 2 i. V. m. § 280 Abs. 1 („cic“) (–), kein Anhalt im Sachverhalt (z. B. Veranlassung von Vertrauen auf Vertragsschluss).

2. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 ist tatbestandlich und wegen § 814 Alt. 1 ausgeschlossen. _________________________________________________________________________________

103 Typisierung nach Reuter/Martinek, § 5 III 1 c, S. 151 ff.

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Page 9: Gesetzliche Schuldverhältnisse - Schwarz / Wandt, … · Ungerechtfertigte Bereicherung Vertrages insgesamt begehrt; andernfalls verstößt der nach §§ 813 Abs. 1 S. 1, 853 zurückfor-dernde

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Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse (Vahlen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Revision, 14.06.2011

146 3. Teil. Ungerechtfertigte Bereicherung

3. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 (Zweckverfehlungskondiktion) greift ein. B beginnt mit seinen Leistungen (Ausführungen der Arbeiten) ohne eine bestehende Verpflichtung (Werkver-trag), und zwar in der dem E erkennbaren Erwartung, eine Gegenleistung zu erhalten, nämlich die Zahlung des (Werk-)Lohnes. Diese Zahlung ist aber noch nicht rechtlich er-zwingbar, weil ein Werkvertrag noch nicht besteht. B kann daher mit der Zweckverfeh-lungskondiktion in Verbindung mit § 818 Abs. 2 Wertersatz für die geleistete Arbeit ver-langen.

Hinweis: Dieser Fall zeigt zugleich, worin sich die Zweckverfehlungskondiktion von dem Grundtatbestand der Leistungskondiktion unterscheidet (vgl. § 10 Rn. 55). Bei der Leistungskondiktion geht der Leistende irrtümlich davon aus, dass für seine Leistung ein Rechtsgrund besteht (arg. § 814 Alt. 1). Falls er aber weiß, dass kein Rechtsgrund besteht, also bewusst rechtsgrundlos leistet, wird nach § 814 der Kondiktionsanspruch ausge-schlossen. Bei der Zweckverfehlungskondiktion befindet sich der Leistende hingegen nicht in einem Irrtum: B weiß, dass er zunächst ohne einen rechtlich erzwingbaren Anspruch auf die Gegenleistung seine Werkleistungen erbringt.

b) 2. Fallgruppe: Leistung mit Verpflichtung – Verfolgung eines über die Vertrags- erfüllung hinausgehenden Zwecks (sog. Zweckanstaffelung) Umstritten ist, die Anwendbarkeit des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 in den Fällen, in

denen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistet und mit der Leistung ein darüber hinausgehender Zweck (sog. „angestaffelter“ Zweck) verfolgt wird.104 Die Recht-sprechung und Teile der Literatur bejahen auch hier eine Zweckverfehlungskon-diktion.105 Für diese Ansicht kann geltend gemacht werden, dass in diesen Fällen eine vorrangige Rückabwicklung nach Vertragsrecht nicht in Betracht kommen kann, weil über diesen Zusatzzweck gerade keine vertragliche Vereinbarung erzielt wurde.106 Überschneidungen mit dem Rechtsinstitut der „Störung der Geschäfts-grundlage“ (§ 313) können nicht entstehen, weil beide tatbestandlich verschieden sind.

Die Problematik besteht darin, ob nicht die (Rück-)Abwicklung vorrangig durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157) oder durch das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313) gelöst werden muss.

Fall (vgl. BGH NJW 1965, 1224; BGHZ 41, 282; 53, 152; BAG NJW 1970, 1701): Die Haushälterin H leistet dem Witwer W 20 Jahre lang Dienste als Haushaltshilfe, ohne da-für – außer dem gewährten Unterhalt (Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld) – Lohn zu erhalten. Die Dienste werden von H in der dem W bekannten und von ihm akzeptierten Er-wartung geleistet, W werde die H entweder durch Erbeinsetzung, Vermächtnis oder durch eine anderweitige Vergütung noch besonders entschädigen. Kurz vor seinem Tode ändert W sein Testament und setzt seinen Neffen D zum Alleinerben ein; H bekommt nichts. H ver-langt von den Erben Zahlung. Zu Recht? Abwandlung: Wie ist zu entscheiden, wenn die Erbeinsetzung der H von W versprochen worden ist.

_________________________________________________________________________________ 104 Larenz/Canaris, SR II/2, § 68 I d, S. 153. 105 BGH NJW 1973, 612, 613; 1984, 233 (Zweckschenkung); vgl. auch BGH NJW 1992, 2690 f.

für die Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage. 106 Nach den Motiven (Mugdan II, S. 470 [Motive]) ist die condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 S. 2

Alt. 2) bei der Leistung aus einem gegenseitigen Vertrage nicht gänzlich ausgeschlossen. A. A. Brox/Walker, BS, § 37 Rn. 34.

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