Gesund & rüstig alt werden · Alter & Gesundheit, Kunsthaus Zürich 11. Februar 2019 Gesund &...

Alter & Gesundheit, Kunsthaus Zürich

11. Februar 2019

Gesund & rüstig alt werden –was sagt die Forschung?

Dr. med. Michael Gagesch

Oberarzt Geriatrie USZ

Das ewige Leben - Eos und Tithonos

Unknown artist – 18th century,

Museo e Gallerie Nazionali di Capodimonte, Napoli Dr. Michael Gagesch, 11. Februar 2019

Gebrechlichkeit – künstlerische Perspektive

Kasimir Malewitsch (1878-1935), russischer Maler

Schwarzes Quadrat 1915 Schwarzer Kreis 1924

Dr. Michael Gagesch, 11. Februar 2019

Wird leider die Ausnahme bleiben!

Bild: NY-Times online


Altern ist nicht gleichbedeutend mit Gebrechlichkeit

1. Gene 2. Umwelt 3. Verhalten

• Mobilität/Selbständigkeit

• Geistige Gesundheit

• Ernährungssituation

• Entstehung und Verlauf

chronischer und akuter

Erkrankungen

Die wichtigsten Einflussfaktoren auf den Alterungsprozess


Belsky D et al. Quantification of biological aging in young adults, PNAS 2015

Dunedin Longitudinal Study• Bevölkerungsstudie aus Neuseeland, Geburtenjahrgänge 1972–1973 • 1’037 Teilnehmer• Beobachtet bis zum 38. Geburtstag• 95% blieben dabei

Biologisches Alter ist nicht chronologisches Alter


/

Schwelle zur Gebrechlichkeit

Alter

Vit

alitä

t

38 Jahre

Verlauf?

Adaptiert nach Schietzel S 2015

Belsky D et al. Quantification of biological aging in young adults, PNAS 2015Dr. Michael Gagesch, 11. Februar 2019

CH

73.4

USA

69.2

Schweizer Senioren können viel erwarten


Flugbahnen der Selbständigkeit im Alter 80+

1994–2004, n=264, age 80+

Swiss Interdisciplinary Longitudinal Study on the Oldest Old

nach Gasser 2015,

basierend auf Lalive d’Epinay et Cavalli 2013


Bild: www.sawelt.de

Wie ist Gebrechlichkeit charakterisiert?


Fried LP, 2001

FrailtyMuskelschwäche

LangsamerGang

NiedrigesAktivitätsniveau

UngewollterGewichtsverlust

Risiko für Funktions-defizit und Behinderung

Risiko für Stürze

Risiko für Frakturen

Wiedereintritteund längereAufenthaltsdauer

Risiko fürPflegheimeintritt

Gebrechlichkeits-Phänotyp Negative Folgen

+62%

+25-56%

+24%

+150%

+65%

Risiko fürMortalität +15 - 83%

Risiko fürkognitiven Abbau +47%

+59%

GefühlteErschöpfung

Wird Healthy Aging mein Leben verlängern?


Eine gute Frage…

Sturz

Hüftbruch

Herzinfarkt

Gesunde Lebenserwartung

Diabetes

Schlaganfall

Gesunde Lebenserwartung

Gebrechlichkeit

70. Lebensjahr

70. Lebensjahr

WHO Konzept Gesundes Alter

1. Grundbedürfnisse

2. Autonomie

3. Mobilität

4. Beziehungen

5. Teilhabe

Healthy Aging = Die Entwicklung und Aufrechterhaltung der

Funktionsfähigkeit, die Wohlbefinden im Alter ermöglicht


Gesundheit ist dasjenige Mass an

Krankheit, das es mir noch erlaubt,

meinen wesentlichen Beschäftigungen

nachzugehen.

Friedrich Nietzsche

1844 - 1900

Das Alter ist eine Zumutung .

Loriot (Vicco v. Bülow )

1923 - 2011

Welche Einfluss-Faktoren sind belegt?


• Ernährung

• Bewegung

• Soziale Aktivitäten

• Klassische Prävention

Auf dem Weg zum gesunden und erfolgreichen Altern

Bild

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.com

Mediterrane Ernährung


Mediterrane Ernährung und Herz-Kreislaufrisiko

Estruch et al. 2018 PREDIMED-Studie, n=7447, Alter 67 Jahre

Primärprävention, Studiendauer 4.8 Jahre

-30%

Ereignisse

-10%

Todesfälle


Mediterrane Ernährung und Herz-Kreislaufrisiko

De Longeril et al. 1998, n=605, Alter 53 Jahre, Lyon Heart Study

Sekundärprävention, Studiendauer 5 Jahre:

-27%

Risiko

-30%

Risiko


Gebrechlichkeit und Mittelmeerküche

n=192, 83y, c-d, BMI 27.5, 15% = frail

Ad

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(MED

Sco

re)

4.4 (±1.9) 4.3 (±1.7) 3.5 (±1.8)

Bollwein J, J Gerontol., 2013


Schützt mediterrane Küche auch die Hirnfunktion?

MIND Ernährung

Mediterranean-DASH diet intervention

for neurodegenerative delay (MIND)

Memory & Aging Project, n=960, 4.7 years

Hintergrund:

1. Mediterrane Ernährung zeigte

schützenden Effekt für nachlassende

HirnfunktionenMartinez-Lapiseina EH 2013

2. Ernährung gegen Bluthochdruck

(DASH) zeigte schützenden Effekt für

nachlassende HirnfunktionenSmith PJ, 2010

Morris MC et al., Alz & Dem 2015


Hirnfunktionen und MIND Ernährung


MIND 9.5 (8.5-12.5)

MIND 7.5 (7.0-8.0)

MIND 6 (2.5-6.5)

Im Vergleich 7.5 Jahre “jüngere”

Gedächtnisleistung

(Top-Terzil vs. unterstes Terzil)


Die 15 Komponenten der MIND Ernährung


Bild: Bischoff-Ferrari, HA 2016

Grüne Blattgemüse

Gelbe Gemüse

Nüsse

Beeren

Vollkorngetreide

Bohnen

Fisch

Poulet

Olivenöl

Wein

10 x gesund

Rotes Fleisch

Butter, Margarine

Käse

Süssigkeiten

Frittiertes /Fast Food

5 x ungesund


Köperliches Training - Effektiv auch im Pflegeheim

Fiatarone M, NEJM 1994

• N=100

• Pflegeheim

• 87 Jahre

• 10 Wochen

• Kein

signifikanter

Effekt der

Nahrungs-

ergänzung

alleine

Orales

Nahrungs-

Supplement40ml=360kcal60% Carbs23% Lipids17% Proteins (Soy)

Fiatarone M, NEJM, 1994

Ve

rän

de

run

g d

er

Mu

ske

lkra

ft (

%)

TrainingTraining+ ONS

ONS Kontroll-Gruppe


Eiweissgehalt der Ernährung und Muskelverlust

N=2066, 70-79 Jahre, 3 Jahre beobachtet

Ab

nah

me d

er

Mu

skelm

asse (

kg

)

11%

Eiweiss

18%

Eiweiss

13%

Eiweiss14%

Eiweiss

16%

Eiweiss

Houston DK, Health ABC-Study 2008

1.1g Protein

pro kg KG

<0.8g Protein

pro kg KG


Ziel 65+ mind. 1g Protein pro

kg Köpergewicht pro Tag

Was bringen Proteinpulver?


PROVIDE Studie, n=380 selbständige Senioren 65+

Bauer J et al. JAMDA 2015;16:740-7.

• 170g Muskelzuwachs in 3 Monaten

• 1 sec besser in 5x Aufsteh-Test

Intervention:

20 g Molkenprotein (3g Leucin),

9 g Kohlenhydrate, 3 g Fett, 800 E Vitamin D

Kontrolle:

Iso-calorisches Kontrollpräparat (nur

Kohlenhydrate, Fette und Spurenelemente)

Bedeutung von Aktivität und körperlichem Training

Ausdauertraining*

< 3 Stunden / Tag vs. 6 Stunden

sitzen = Sterberisiko um 30%

Aktiver Lebensstil:

Täglich 20 Minuten rasch gehen

pro Tag senkt das Sterberisiko

um 20%

Kraft:

jede Treppe nutzen, die Arme

nicht vergessen

Gleichgewicht:

Einbeinstand/Tanzen

Grundlage eines aktiven Lebensstils 60+, median Aktivität 8 MET h/wk

Arem H et al. JAMA Intern Med. 2015

*Joggen, Radfahren, Schwimmen, Tennis, Tanzen

-30% Risiko

-20% Risiko

<20 20-40 40-60 60-120 120-210 >210Minuten moderates Training pro Woche

• Sechs Studien

• Über 300’000 Probanden

• 14 Jahre Beobachtungszeit


Belegtes Heimtrainingsprogramm

173 Patienten mit Hüftfraktur; Alter Ø 84 Jahre

Verglichen zu Standard Physiotherapie über 12 Monate:

signifikante Senkung Sturzrate um 25%

signifikante Zunahme Griffkraft um 37%

Signifikant verbesserte Mobilität um 39% (Timed Up & Go-Test) bei Personen,

die das Programm mind. 1x pro Woche durchgeführt haben

Ergebnisse aus der Zürcher Hüftbruchstudie

Bischoff-Ferrari HA et al.; Archives of Internal Medicine 2010Dr. Michael Gagesch, 11. Februar 2019

Soziale Kontakte - wirksam gegen Gebrechlichkeit

N = 80, Alter 83 Jahre, Beobachtet für 12 Wochen

-17%

-16%-25%

-23%

Luger, E., JAMDA 2016

2xWoche Freiwilligenbesuche «Buddies»: 6 Kraftübungen und Ernährungthemen

oder sozialer Kontakt und kognitives Training

© livewellmagazine.org

Ma

lnu

tritio

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Fra

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Zwischenfazit – Top 3 Botschaften

1. Eine ausgewogene (mediterrane) Ernährung enthält fast alle

Mineralstoffe in ausreichnder Dosierung

» Ausnahme: Vit. D, Jod, evtl. Calcium, evtl. Eisen/B12 (Vegetarier)

2. Eine körperliche Aktivität (20+ täglich) plus ausreichende

Eiweissaufnahme (1g/kg KG pro Tag) beugt Muskelschwund im Alter

effektiv vor

3. Ein normaler Vitamin D-Spiegel (ideal 21 bis 30 ng/ml) bedeutet ein

niedrigeres Risiko für Knochenbrüche und Stürze

» Einnahme von Vitamin D im Alter ab 60+ empfohlen (tgl. 800 IE,

wöchentlich 5’600 IE od. 24’000 IE monatlich), BAG 2012

Was ist belegt?


Europas grösste Altersstudie

VitaminD3-Omega3-Home Exercise-Healthy Ageing and Longevity Trial

Toulouse

Coimbra

Berlin

Genève

BaselZürich

Innsbruck

3 JahreErste Resultate erwartet 2019


Vitamin D – das Doppeltalent unter den Vitaminen


Vitamin D-Mangel im Alter bis 50%

• Im Winterhalbjahr reicht Sonnenschein für Bildung in der Haut i.d. CH nicht aus

Ausreichender Vitamin D-Spiegel

• Hüftbruch ↓ 30%, andere Brüche ↓ 14%, Stürze ↓34%

• 800IE Vitamin D tgl. oder 24’000IE monatlich empfohlen für Schweizer 60+ (BAG)

• gleicht Mangel in >97% älterer Erwachsener aus

Für starke Muskeln und Knochen

Bischoff-Ferrari HA, JAMA Intern Med.2016

Omega 3 –Fettsäuren – Herz-Kreislauf-Gesundheit


Bischoff-Ferrari HA, 2015

1Schwingshackl (2015); 2Cicero (2008); 3Schwingshackl (2014); 4Schwingshackl 2017; 5Valls-Pedret (2015); 6Psaltopoulou (2011); 7Latreille (2012)

Trainingsprogramm DO-HEALTH

• Basierend auf den Resultaten der Pilotstudien

• 3x 30 Minuten pro Woche

• vs. Stretching/Mobilität 3x 30 Minuten pro Woche

Bischoff-Ferrari HA et al.; Archives of Internal Medicine 2010Dr. Michael Gagesch, 11. Februar 2019

DO-HEALTH


• Drei Interventionen zur Verlängerung der gesunden Lebenserwartung:

• Vitamin D +/- Omega 3 Fette +/- Heimtrainingsprogramm

• Primärer Zielpunkte:

• Knochenbruchrisiko, Muskelfunktion

• Hirnleistung

• Infektrate

• Blutdruck

• alle wichtigen Organfunktionen plus Lebensstil, Ernährung & Bewegung

werden erfasst

• Bringt wichtige Referenzwerte für die Schweizer Bevölkerung 70+

VitaminD3-Omega3-Home Exercise-Healthy Ageing and Longevity Trial

Die 4 L (Laufen, Lernen, Lachen, Lieben) erforschen


© WHO 2018, https://www.youtube.com/watch?v=B1XSYq--9gA

Kondition

Muskelkraft und

gute Gelenke

Mobilität und

Aktivität

Seh- und

Hörvermögen

Geisteskraft und

Interesse

5 Dimensionen erfolgreichen Alterns, adressiert DO-HEALTH

Ernährung

Hinrfunktion

im AlterTraining

Kraft &

Mobilität

Soziale

Kontakte

Chronische

Erkrankungen


Gibt es den Jungbrunnen doch?

Lucas Cranach d.Ä., Der Jungbrunnen (1546)

Bild

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Laufende Studien am Zentrum Alter und Mobilität, Uni Zürich



[email protected]

@GER_USZ

13.02.2019Demenz und Atherosklerose, Gagesch, Aarau 6.4.16 39


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Multivitamin-Präparate sind Supplemente oder

Ergänzungen und dienen als “Versicherung”, sie können

eine vielfältige, gesunde Ernährung NICHT ersetzen!


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