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WACHSTUM ERLEBEN KAPITEL 4 GETRENNTE WEGE. DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND 1945–1968 113 K+S GRUPPE WACHSTUM ERLEBEN KAPITEL 4 GETRENNTE WEGE. DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND 1945–1968 Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die deutsche Kali- und Düngemittelindustrie in West- und Ostdeutschland getrennte Wege gehen. Ehemals zusammenhängende Unternehmen waren nun geteilt und mussten in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen neu beginnen. In Ost und West wurden stillgelegte Werke wieder in Betrieb genommen. Gleichzeitig verstärkte sich der internationale Wettbewerb. Vor allem in der Sowjetunion und in Kanada entstanden in den 1950er und 1960er Jahren mächtige neue Kali-Konkurrenten. Überkapazitäten waren die Folge. Die westdeutsche Kaliindustrie zog die Konsequenzen, rationalisierte und konzentrierte Kapazitäten. Kapitel 4 (1945–1968) GETRENNTE WEGE. DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND Teilung: Deutsche müssen getrennte Wege gehen Ausbau: Stillgelegte Werke gehen wieder in Produktion Neue Konkurrenten: Mit Kanada und der Sowjetunion treten neue Wettbewerber auf dem Weltkalimarkt auf Abrundung: Wintershall und Salzdetfurth engagieren sich auf dem Markt der Mehrnährstoffdünger und wagen den Schritt nach Nordamerika Rationalisierung: Die Kaliwerke in beiden deutschen Staaten rationalisieren grundlegend ihre Produktion

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

    Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die deutsche Kali- und Düngemittelindustrie in West-und Ostdeutschland getrennte Wege gehen. Ehemals zusammenhängende Unternehmenwaren nun geteilt und mussten in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen neu beginnen. In Ost und West wurden stillgelegte Werke wieder in Betrieb genommen. Gleichzeitig verstärkte sich der internationale Wettbewerb. Vor allem in der Sowjetunion und in Kanada entstanden in den 1950er und 1960er Jahren mächtige neue Kali-Konkurrenten.Überkapazitäten waren die Folge. Die westdeutsche Kaliindustrie zog die Konsequenzen, rationalisierte und konzentrierte Kapazitäten.

    Kapitel 4

    (1945–1968)

    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIEIM GETEILTEN DEUTSCHLAND

    Teilung: Deutsche müssen getrennte Wege gehen

    Ausbau: Stillgelegte Werke gehen wieder in Produktion

    Neue Konkurrenten: Mit Kanada und der Sowjetunion treten neue Wettbewerber auf dem Weltkalimarkt auf

    Abrundung: Wintershall und Salzdetfurth engagieren sich auf dem Markt der Mehrnährstoffdünger und wagen den Schritt nach Nordamerika

    Rationalisierung: Die Kaliwerke in beiden deutschen Staaten rationalisieren grundlegend ihre Produktion

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    Kriegsende

    Als die militärische Führung des DeutschenReiches am 8. Mai 1945 kapitulierte, war derKrieg in vielen Teilen Deutschlands bereits seiteinigen Wochen beendet. Die Voraussetzungenfür einen Neubeginn waren allerdings sehr unterschiedlich: Bestimmte Regionen warenfast völlig, andere dagegen wenig zerstört, unddie Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungs-zonen belastete den Neubeginn. Die Beseitigungder Kriegsschäden, die Versorgung mit Lebens-mitteln und mit Material für die Produktion, die Auseinandersetzung mit den Besatzungs-behörden – das waren die Herausforderungenund Sorgen des Alltags. Mangel,Tauschhandel

    Das Ende der Leichtmetallproduktion von Wintershall

    Die 1935 errichtete Leichtmetallfabrik im Werk Wintershall sollte auf Befehl eines deutschen Offiziers noch in den letztenKriegstagen zerstört werden. Der Steiger, der die Sprengungdurchführen sollte, zerstörte allerdings nur einen ohnehin stillgelegten Glühofen und entzündete Magnesiumpulver, um ein extremes Feuer vorzutäuschen. Die Anlage überstand daher den Krieg und nahm bereits im April 1945 den Betriebwieder auf, produzierte jetzt allerdings keine Flugzeugteilemehr, sondern Kochtöpfe. 1949 wurde die Fabrik demontiertund 1950 endgültig geschlossen. Die kurze, kriegsbedingte Ära der Leichtmetallproduktion bei Wintershall war damit nach 15 Jahren beendet.

    NEUBEGINN IN DER DEUTSCHEN KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE (1945–1955)

    und Improvisation prägten das Leben in dieserZeit. Vor allem in die Westzonen strömtenMillionen von Flüchtlingen und Vertriebenen.Auch in den Kali- und Düngemittelwerken war das Ausmaß der Kriegsschäden sehr unter-schiedlich. Während einige Fabriken noch letzte schwere Gefechte mit großen Zerstörun-gen erlitten, wurden die meisten Kaliwerke unversehrt von den alliierten Truppen besetztund konnten nach wenigen Wochen die Pro-duktion wieder aufnehmen.

    Im hessisch-thüringischen Kalirevierendete der Krieg bereits im Frühjahr 1945. Am31. März rückten US-amerikanische Truppen

    bis an die Werra vor. In Heringen stellten sichihnen SS-Einheiten entgegen, die trotz derhoffnungslosen Lage ihren sinnlosen Kampfweiterführen wollten. Bei den Kämpfen wurdeein voll beladener Munitionszug aus der Heeres-Munitionsanstalt Herfa-Neurode auf dem Bahn-hof Heringen getroffen und explodierte. Einnahe gelegener Kali-Lagerschuppen des WerkesWintershall geriet dabei in Brand. Nur mitgroßer Mühe konnte verhindert werden, dassdie gesamte Fabrik des Werkes niederbrannte.

    Die Amerikaner sprengten die beidenFördertürme der Schachtanlage Herfa-Neurode.Sie sperrten damit den Schacht und die Grube, in der sich die Munitionsfabrik samt Munitions-lager befunden hatte. Die Munitionsanlagen in den Reservewerken stellten in der ersten Zeit nach dem Krieg ein erhebliches Risiko dar,denn die Räumungsarbeiten erwiesen sich als äußerst gefährlich. In der Grube Riedel inHänigsen nordöstlich von Hannover etwa warenrund 11.000 Tonnen Sprengstoff gelagert wor-den – und zwar offensichtlich nicht nur in denKammern, sondern auch in den Strecken. Am18. Juni 1946 kam es zu mehreren Explosionen,bei denen 80 Menschen ihr Leben verloren.Ähnliches geschah bereits Ende September1945 auf der Schachtanlage Wittekind-Hildas-glück in Volpriehausen, einem Ortsteil von Uslar im Solling, und führte kurz danach zumVerlust des gesamten Bergwerks.

    von links nach rechtsAm 31. März 1945 explodierte im Bahnhof von Heringen ein Munitionszug.

    Amerikanischer Panzer im KaliwerkMerkers (vor Schacht 3)

    Gedenkstein für die Opfer derSprengstoff-Explosionen in der Grube Riedel im Jahr 1946

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    In Merkers war im Februar 1945 in der GrubeKaiseroda ein Teil der Gold- und Devisenreser-ven der Deutschen Reichsbank eingelagertworden. Am 4. April erreichte eine Infanterie-division der 3. US-Armee das Werk und ent-deckte den Raum mit seinem Goldschatz in420 Metern Tiefe. Eine Woche später, am 12. April, begutachtete der amerikanische Ober-befehlshaber Dwight D. Eisenhower, der späterePräsident der USA, die Grube und den spektaku-lären Fund. Am 16. April begannen die ameri-kanischen Soldaten, die unterirdischen Depotszu räumen, in denen auch zahlreiche Kunst-werke aus den Staatlichen Museen Berlins ein-gelagert waren. Während die meisten dieserKunstwerke später wieder an die Museen zurück-gegeben wurden, ist der Verbleib des Reichs-bankschatzes bis heute nicht ganz geklärt. Heuteerinnert der „Goldraum“ im Erlebnis BergwerkMerkers an diese Episode der Kaligeschichte.

    Das hessisch-thüringische Kalirevier hatte insgesamt nur wenige Kriegsschäden erlitten.Die aktiven Kaliwerke hatten bis März 1945produziert und standen nur für wenige Monatestill. Bereits im August 1945 förderte die Win-tershall AG in Heringen wieder Steinsalz undtauschte es gegen tschechoslowakische Stein-kohle. Die Gruben Hattorf und Wintershall lieferten ab Frühjahr 1946 wieder Kali. Ob-wohl die Werke in der NS-Zeit kaum investierenkonnten, verfügten sie zu dieser Zeit über ver-gleichsweise moderne Produktionsanlagen.

    Im niedersächsischen Kalirevier umHannover waren bei Kriegsende noch siebenSchächte in Betrieb. Das Werk Bergmannssegen-Hugo hatte durchgehend Kali gefördert und ab1943 auch wieder Steinsalz. Anfang April 1945besetzten die Amerikaner das Werk. Der gravie-rende Salzmangel in Deutschland überzeugtedie amerikanischen Besatzungsbehörden, dem

    oben Amerikanischer Soldat mit einemTeil der versteckten Geldreserven derReichsbank

    rechts General Eisenhower besichtigtden Goldschatz in Merkers.

    Werk bereits am 23. Mai 1945 eine Genehmi-gung für die Förderung von Steinsalz zu erteilen.Ende August 1945 durfte das zur Wintershall AGgehörende Werk auch wieder Kalisalze fördern.

    Die Werke Salzdetfurth und Hansa-Silber-berg der Salzdetfurth AG waren ebenso wenigzerstört worden wie die zum Burbach-Konzerngehörenden Werke Siegfried-Giesen, Niedersach-sen sowie die Standorte Friedrichshall undRonnenberg der Kali-Chemie AG. Das WerkSiegfried-Giesen wurde zwar im April 1945 besetzt, doch erteilte die britische Militärregie-rung bereits im Mai wieder die Produktions-genehmigung.

    Das Kaliwerk Bergmannssegen-Hugo wurde im Krieg kaum zerstört; Werksansicht Anfang der 1950er Jahre

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    worden. 65 Prozent der Fabrikgebäude und 55 Prozent der Maschinen waren zerstört oder beschädigt. Ab August 1945wurde aus Restbeständen von Kalksteinen und Koks Brandkalkhergestellt. Einige Monate später, im März 1946, konnte die Fabrik wieder die ersten Tonnen Ammonsulfat herstellen. Danach dauerte es noch bis zum Sommer 1948, bis auch dieProduktion von Superphosphat wieder anlaufen konnte. KAMP-Dünger, der seit 1940 nicht mehr angeboten worden war, weil die Fabrik kein Rohphosphat beziehen konnte, erzeugtedas Werk wieder von September 1948 an, und ab 1949 arbeiteteauch die Sodafabrik wieder. Vier Jahre brauchte es also, um beider CFK die gesamte Produktion wieder in Gang zu bringen.

    Das Werk Rauxel der Gewerkschaft Victor, an der dieWintershall AG beteiligt war, wurde im Krieg ebenfalls schwerbeschädigt, weil die Alliierten die 1935 dort errichtete erstegroßtechnische Anlage zur synthetischen Treibstofferzeugungin Deutschland zerstören wollten. Wegen dieser Anlage wurdedas Werk 1945 gemäß den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens geschlossen. Jedoch erhielt das Stickstoffwerk bereits im Herbst 1946 eine Betriebsgenehmigung, um Ammo-niaksalpeter zu produzieren.

    Die Ausgangslage war also im Jahr 1945 für die Kali-werke und Düngemittelproduzenten sehr unterschiedlich. Radikal veränderte sich die Lage aber vor allem durch die Tei-lung Deutschlands, die sich ab 1946 immer mehr verschärfte.

    Hannover

    Hamburg

    Rostock

    Berlin

    Potsdam

    Erfurt

    Leipzig

    Nürnberg

    München

    Frankfurt a.M.

    Freiburg

    Ludwigs-hafen

    Köln

    US-amerikanischeBesatzungszone

    BritischeBesatzungszone

    Berlin unterViermächte-Verwaltung

    SowjetischeBesatzungszone

    FranzösischeBesatzungszone

    Kassel

    Kriegszerstörungen in den Düngerwerken

    In anderen Branchen war die Lage sehr viel schwieriger als inder Kaliindustrie. Viele Industriebetriebe waren stark beschädigtund kämpften weit länger mit den Kriegsfolgen. Die Guano-Werke AG hatte an ihren Standorten schwere Bombenschäden erlitten. 1943 waren die Hauptverwaltung in Hamburg und die Fabriken in Ludwigshafen und Harburg völlig zerstört worden.Das Werk in Krefeld-Linn meldete ebenfalls Schäden, war aller-dings von größeren Zerstörungen verschont geblieben. In denersten Wochen nach Kriegsende produzierte die Fabrik in ihrenTrockentrommeln synthetischen Gips, den sie wie damals üblichals Tauschmittel benutzte, weil das Geld nichts mehr wert war.Wie überall in Deutschland wurde improvisiert, getauscht undaufgeräumt. Die Herstellung von Phosphaten wurde bereits1945 wieder aufgenommen, und 1946 lieferten auch die Fabrikender Guano-Werke AG in Dänischburg und Vienenburg wiederSuperphosphat. Bald bot das Unternehmen auch Mehrnährstoff-dünger an, den es nach der Währungsreform 1948 gut absetzenkonnte.

    Die Guano-Werke AG stand allerdings noch bis 1952 unter besonderer alliierter Kontrolle. 1937 hatten die Westfälisch-Anhaltinischen Sprengstoffwerke (WASAG), einer der wichtigstenSprengstoff- und Munitionsproduzenten des „Dritten Reiches“,die Mehrheit am Unternehmen übernommen, das damit zugleichunter das Dach des IG-Farben-Konzerns gekommen war. Zusam-men mit dem Konzern wurden auch die Guano-Werke kontrolliert.

    Die Chemische Fabrik Kalk (CFK) in Köln war durch dieBombenangriffe zwischen 1941 und 1944 fast völlig zerstört

    Die Teilung der deutschen Kaliwirtschaftin Ost und West

    Anfang Juni 1945 teilten die vier alliiertenHauptmächte USA, Sowjetunion, Großbritan-nien und Frankreich das Gebiet des DeutschenReiches in vier Besatzungszonen. Auch Berlin,das von sowjetischen Truppen im April 1945besetzt worden war, wurde in vier Sektoren ge-teilt. Im Gegenzug rückten die amerikanischenund britischen Truppen aus Sachsen, Thüringenund Mecklenburg ab und die Regionen wurdender sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zugeord-net. Anfang Juli besetzte die sowjetische ArmeeThüringen, das plötzlich auf der anderen Seitejener Linie lag, die später zum „Eisernen Vor-hang“ wurde. Die Gebiete östlich von Oderund Neiße wurden endgültig abgetrennt unddie dort lebenden Deutschen vertrieben.

    Schon bald zeichnete sich eine Teilungin Ost- und Westdeutschland ab. Anfang 1947schlossen sich die britische und die amerikani-sche Zone zur Bizone zusammen und schufendamit ein gemeinsames Wirtschaftsgebiet.Kurz vor der Gründung der BundesrepublikDeutschland wurde die Bizone im April 1949um die französische Zone erweitert. Im Gegen-zug schirmte die Sowjetunion ihre Zone immerdichter ab. Der wachsende Ost-West-KonfliktDie Zonenaufteilung Deutschlands 1945

    links Kriegszerstörungen bei der CFK in Köln-Kalk und bei der Gewerkschaft Victor in Rauxel

    rechts Grenzanlagen an der Werra, um1965. Im Kalten Krieg machte die DDRmit Plakaten an der Grenze Propaganda gegen die Politik der BundesrepublikDeutschland.

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    mündete 1949 in der Gründung zweier deut-scher Staaten. Deutschland und damit seineUnternehmen und seine Bevölkerung warenjetzt – so musste man annehmen – endgültiggeteilt.

    Die deutschen Kaliproduzenten – 1945waren das vor allem die Wintershall AG, dieSalzdetfurth AG, die Burbach-Kaliwerke AG sowie die Kali-Chemie AG – hatten ihre Firmen-sitze bereits in Westdeutschland oder verlegtensie dorthin wie die Salzdetfurth AG, die 1947von Berlin nach Salzdetfurth und 1952 schließ-lich nach Hannover umsiedelte. Die Winters-hall AG hatte ihren Verwaltungssitz seit Beginnder 1920er Jahre in Kassel, die Kali-Chemie AGwar im niedersächsischen Sehnde angesiedeltund verlegte ihren Sitz 1951 nach Hannover.Der Burbach-Konzern verlagerte seinen Sitz vonMagdeburg nach Wolfenbüttel und kam nach1955 im Zuge der Vereinigung mit Wintershallnach Kassel.

    Die deutsch-deutsche Grenze zerschnittnun das Kalirevier an Werra und Ulster. DieSBZ schottete sich mehr und mehr gegenüberden Westzonen ab. Straßen und Stromleitungenendeten an der Grenze, zusammengehörendeGemeinden wurden auseinander gerissen, Eisenbahnlinien unterbrochen. Wirtschaftlichgesehen trennte die neue Grenze eine eng

    Reparationen und Enteignungen in der sowjetisch besetzten Zone/DDR

    Die SMAD stellte bereits mit ihren ersten Befehlen klar, dass ihre Besatzungspolitik darauf zielte, möglichst umfangreiche Repa-rationen für die enormen Verluste während des Krieges zu erhalten. Dazu betrieb sie nichtnur in großem Umfang Demontagen, sonderneignete sich auch die wichtigsten Industrie-

    Fernbreitenbach

    Marksuhl

    Berka

    Dippach

    Obersuhl

    Hönebach

    Heringen

    Frauensee

    Tiefenort

    Merkers

    Dorndorf

    Heimboldshausen

    Ransbach

    Mansbach

    Buttlar

    Sünna

    UnterbreizbachVacha

    Völkers-hausen

    Stadtlengsfeld

    WeilarGehaus

    Dankmars-hausen

    Kaliwerk Wintershall SchachtanlageHeiligenroda I

    FabrikHeiligenroda

    Kaliwerk Hattorf

    KaliwerkSachsen-Weimar

    SchachtanlageKaiseroda I

    Schachtanlage Merkers II / IIIKaliwerk Merkers

    Schachtanlage Menzengraben I/ II

    DoppelschachtanlageHerfa-Neurode*

    Kaliwerk Alexandershall*

    Philippsthal

    Schachtanlage Dietlas*

    DoppelschachtanlageHeimboldshausen/Ransbach*

    DoppelschachtanlageHeiligenroda II/III

    1945: Mitten durch das Werra-Revier verläuft die Zonengrenze

    Enteignete Kali- und Steinsalzwerke in Ostdeutschland

    Kaiseroda (Merkers)Sachsen-Weimar (Unterbreizbach)BleicherodeVolkenrodaHeiligenroda (Dorndorf/Springen)Bismarckshall (Bischofferode)RoßlebenSollstedtGlückauf-SondershausenKrügershall-Teutschenthal StaßfurtSolvayhallBernburg-GrönaAscherslebenAlexandershallGroßherzog v. Sachsen (Dietlas)Klein-Schierstedt

    Die neue Zentralwerkstatt der DDR in Dietlas

    Durch die Zonengrenze waren die Werra-Werke in Thüringen von der Wintershall-Zentralwerkstatt in Heringen und damit zugleich auch von dringenden Ersatzteilliefe-rungen abgeschnitten, da alle Hersteller vonBergbauausrüstungen in Westdeutschland ansässig waren. Während des Krieges hattedie Düsseldorfer Maschinenfabrik HasencleverAG ihre Anlagen in der Schachtanlage Dietlas(Großherzog von Sachsen I) in Sicherheit gebracht. Diese Anlage in Ostdeutschlandwar nun unerreichbar für Hasenclever. Da dieostdeutsche Kaliindustrie dringend Geräteund eine große Werkstatt brauchte, um ihreAnlagen in Stand halten zu können, über-

    nahm die Sowjetische Aktiengesellschaft daher im März 1948 die Maschinen und Aus-rüstungen in Dietlas. 1953 ging das Werk inder „VEB Bergwerksmaschinen Dietlas“ auf.Die DDR baute den Betrieb zu einem Ausrüsterfür ihre expandierende Kaliwirtschaft aus.

    betriebe und deren Produktionen an. Die 200größten Industriebetriebe der SBZ wurden in so genannten Sowjetischen Aktiengesellschaf-ten (SAG) zusammengeschlossen. Im Zuge dieser Politik enteignete die SMAD auch dieKaliwerke in Thüringen und Sachsen-Anhaltund ordnete sie der „Sowjetischen Aktien-gesellschaft für Kalidüngemittel in Deutsch-land“ zu. Damit waren die östlichen Werke der Wintershall AG und der Salzdetfurth AGenteignet.

    Salzdetfurth verlor durch die Enteignun-gen fast die Hälfte ihres gesamten Betriebsver-mögens. Wintershall besaß in Ostdeutschlandnicht nur Kaliwerke, sondern in Lützkendorfauch Ölraffinerien und chemische Fabriken zur Herstellung von synthetischem Treibstoff.Daher betrug ihr Verlust in Ostdeutschland sogar etwa 80 Prozent ihres Vermögens. Ins-gesamt lagen rund 60 Prozent der gesamtenKali-Förderkapazitäten Deutschlands in derSBZ. Dazu gehörte auch die große und damalssehr moderne Fabrik, die Wintershall erst 20 Jahre zuvor in Merkers errichtet hatte.

    miteinander verwobene Kaliregion, die bestehen-den Verbundstrukturen für Energie und Materialwurden aufgelöst. Nach einer Sondergenehmi-gung der Sowjetischen Militäradministrationfür Deutschland (SMAD) fuhr ab März 1946 immerhin die Kalibahn wieder eingeschränktvon Hessen durch Thüringen (Salzungen-Vacha-Heringen-Gerstungen) und beförderte Personensowie Kali. Diese Bahnlinie war in den folgen-den Jahrzehnten ein ständiger Streitpunkt zwischen DDR und Bundesrepublik, weil dieRegierung in Ostberlin die Strecke immer wiederfür den Transitverkehr sperrte.

    Kalibahn an der Werra in den 1950erJahren: Um die grenzüberschreitende Eisenbahnlinie von Hessen durch Thüringen kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen derDDR und der Bundesrepublik.

    Das Zeichen der Bergwerksmaschinen-fabrik Dietlas zeigt einen Schrapper alsSymbol der Fortschrittlichkeit.

    * nicht aktiv

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    Neue Verkaufsorganisationen in West und Ost

    Im Mai 1945 hob der Alliierte Kontrollrat dasKaligesetz von 1933 mit seinen Quotierungenauf: Das war das Ende des Kalisyndikats alszentraler Verkaufsorganisation. Sowohl in denWestzonen als auch in der sowjetisch besetztenZone wurden sofort neue zentrale Verkaufsorga-nisationen geschaffen. Bereits zwei Monate vorder Gründung der „Sowjetischen Aktiengesell-schaft für Kalidüngemittel“ hatte die SMADzum 1. Juli 1946 die Gründung der „DeutschenDüngerzentrale“ angeordnet, an die alle Kali-werke der SBZ ihre Produktion abliefern mus-sten. In Westdeutschland wurden noch 1945Kaliverkaufsstellen in der amerikanischen (inHersfeld, seit 1949 Bad Hersfeld) und in derbritischen Zone (in Elze, später in Hannover)eingerichtet, die den Absatz der westdeutschenKaliwerke koordinierten. 1953 wurden die Verkaufsstellen schließlich in Hannover in der Verkaufsgemeinschaft Deutscher Kaliwerke(VDK) zusammengelegt.

    Die Thüringer Werke produzierten inden ersten Nachkriegsjahren unter sowjetischerRegie vor allem für Reparationen. Dabei warensie oftmals gezwungen, zu Lasten der Anlagen-substanz zu wirtschaften. Zugleich prägte Personalmangel die Jahre unter sowjetischerBesatzung und in der jungen DDR. Die Sowje-tische Militäradministration versuchte, mitZwangsverpflichtungen die Produktion der Kaliwerke anzukurbeln. Wegen mangelnderKompetenz der unerfahrenen und häufig auchwenig motivierten Arbeitskräfte blieb aber derErfolg aus. Es fehlte vor allem an erfahrenenSteigern und Hauern, die einen gleich bleibendhohen K2O-Gehalt des Salzes sicherstellen

    2,25

    2,00

    1,75

    1,50

    1,25

    1,00

    0,75

    0,50

    0,25

    01938 1946 1950

    West44%

    Ost56%

    Kaliproduktion in Deutschland(Angaben in Millionen Tonnen K2O)

    konnten, besonders angesichts des politischenDrucks, so viel wie möglich zu fördern.

    Anfang 1946 wurden die Quoten zu weniger als 50 Prozent erfüllt. Trotzdem über-traf die Kaliproduktion in der SBZ und der späteren DDR in den ersten Jahren die west-deutsche Produktion. Insgesamt erreichte dieProduktion in Ost und West aber nur einenBruchteil des letzten Vorkriegsjahres: 1938 hatte die deutsche Kaliindustrie rund 1,9 Mil-lionen Tonnen K2O produziert, 1946 waren es nur rund 780.000 Tonnen K2O.

    Ausbau der Förderkapazitäten in West- und Ostdeutschland

    Dennoch: Weil die deutschen Kaliproduzentenvon der nachhaltigen Bedeutung des Kalisüberzeugt waren, bauten sie in West und Ostihre Kapazitäten aus. Bis Mitte der 1950er Jahrewurden die vorhandenen Anlagen der Vorkriegs-und Kriegszeit durch Reparaturen, zahlreicheDetailverbesserungen und besonders durch die Qualifizierung des Personals immer bessergenutzt. Schon 1950 wurde mit rund 2,1 Mil-lionen Tonnen K2O die Produktionsleistungvon 1938 übertroffen. Die ostdeutschen Werkehatten zu diesem Zeitpunkt einen Anteil vonknapp 60 Prozent an der deutschen Kaliproduk-tion. Bis 1960 stieg die deutsche Erzeugung auf nahezu 3,6 Millionen Tonnen K2O.

    Um diese Steigerung zu erreichen, wur-den vor allem in Westdeutschland eine Reiheso genannter Reservewerke wieder in Betriebgenommen, die in den 1920er Jahren aufgrundder Schachtstilllegungs-Verordnung aufgegebenworden waren – unter anderem Sigmundshall(Februar 1949; Salzdetfurth AG), Niedersachsen-Riedel, Werksteil Riedel (Juli 1950; Burbach-

    Die Kali- und Steinsalzwerke der westdeutschen Kaliproduzenten um 1955/60

    Revier Hannover:Salzdetfurth Salzdetfurth AGHildesia-Mathildenhall Wintershall AG;

    Wiederinbetriebnahme 1950/51Siegfried-Giesen Burbach-Kaliwerke AG Glückauf-Sarstedt Kali-Chemie AG; ruhendes WerkFriedrichshall Kali-Chemie AG; ab 1958 SolvayBergmannssegen-Hugo Wintershall AGRonnenberg Kali-Chemie AG; ab 1958 SolvayHansa(-Silberberg) Salzdetfurth AGSigmundshall Salzdetfurth AG;

    Wiederinbetriebnahme Februar 1949Niedersachsen-Riedel Burbach-Kaliwerke AG;

    Wiederinbetriebnahme Riedel Juli 1950Mariaglück Salzdetfurth AGAdolfsglück-Hope Salzdetfurth AG

    Wiederinbetriebnahme 1964Asse Burbach-Kaliwerke AG

    Südharz-Revier:Königshall-Hindenburg Burbach-Kaliwerke AG;

    Wiederinbetriebnahme Dezember 1950

    Werra-Fulda-Revier:Hattorf Salzdetfurth AGWintershall Wintershall AGHerfa-Neurode Wintershall AG; Schachtanlage

    Wiederinbetriebnahme Oktober 1950Neuhof-Ellers Wintershall AG;

    Wiederinbetriebnahme Oktober 1954

    Oberrhein:Buggingen Preussag AG;

    ab 1965 mehrheitlich Wintershall AG

    links Bis heute kann man an dem früheren Gebäude der Kaliverkaufs-stelle in Bad Hersfeld das Zeichen der Verkaufsgemeinschaft Deutscher Kaliwerke (VDK) erkennen.

    rechts Absackanlage im Kaliwerk Wintershall. Die Säcke tragen das Zeichen der Kaliverkaufsstelle Hersfeld.

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    Die Lage in Westdeutschland: Düngemittelmangel und Hunger

    Für die Alliierten war die dramatisch schlechte Ernährungs-lage in Deutschland eines der dringendsten Probleme. Nochwährend des Krieges konnte die Bevölkerung mit rund 2.400Kalorien pro Kopf und Tag versorgt werden, ab 1945 sank dietägliche Kalorienzahl jedoch rapide. Die Alliierten legten zwareine Mindestversorgung mit 1.500 Kalorien fest, tatsächlich fieldie Zahl aber in manchen Regionen auf unter 1.000 Kalorien.Über Jahre herrschte Hunger in Deutschland, und das in einerZeit, als die Bevölkerungszahl durch Millionen Vertriebene undFlüchtlinge, Kriegsheimkehrer und Besatzungstruppen starkstieg. Vor allem die deutsche Landwirtschaft musste so schnellwie möglich wieder in Gang gebracht werden.

    Die Probleme waren allerdings erheblich: Viele Bauernwaren im Krieg gefallen oder galten als vermisst. Wer sein Landbestellen wollte, konnte kaum die nötigsten Betriebsmittel dafürbesorgen. Hinzu kamen extreme Wetterbedingungen: Der Winter1946/47 war sehr kalt und lang, und im darauf folgenden Som-mer beeinträchtigte eine lange Hitze- und Dürreperiode die Ernte erheblich. Über Jahre hinweg konnte die notdürftigsteVersorgung der Bevölkerung überhaupt nur mit englischen undamerikanischen Lebensmittelimporten gesichert werden.

    Die intensive Bewirtschaftung während des Krieges hattedie Böden besonders ausgelaugt und jetzt fehlte es an Dünge-mitteln, um den Nährstoffmangel zu beheben. Auf dem Gebietder Ende 1946 eingerichteten Bizone lag der Kalidüngerver-brauch 1946/47 um mehr als ein Drittel unter dem Verbrauchdes Jahres 1938. Immerhin hatten die Kaliwerke und die Produ-zenten von Phosphat-, Stickstoff- und NPK-Düngemitteln sehr

    Organisation der westdeutschen Salzindustrie nach 1945

    Aufgrund des Salzmangels im besetztenDeutschland hatten die Besatzungsbehördenbereits 1945 wieder Genehmigungen für die Förderung von Steinsalz erteilt. Bis 1950stieg die gesamte deutsche Produktion auf 4,1 Millionen Tonnen Natriumchlorid, 80 Pro-zent mehr als 1925. Gleichzeitig sank die Zahlder Salinen von 46 auf 31, während es unver-ändert 20 Salzbergwerke gab. Ähnlich wie beiKali wurde 1945 durch Kontrollratsbeschlussdas 1923 gegründete „Deutsche Steinsalzsyn-dikat“ aufgelöst. Die Salzhersteller im Westenbauten eigene Verkaufsorganisationen auf

    Die Kali- und Steinsalzwerke in der DDR um 1955

    Revier Saale/Nordharz:Klein-Schierstedt seit 1953 „Freundschaft“StaßfurtBernburg-Gröna SolvayhallTeutschenthal früher Krügershall, seit 1953 „Deutschland“

    Südharz-Revier:Sondershausen „Glückauf“Bleicherode „Karl Liebknecht“Sollstedt „Karl Marx“VolkenrodaBischofferode früher Bismarckshall, seit 1953 „Thomas Müntzer“Roßleben „Heinrich Rau“

    Werra-Revier:Unterbreizbach früher Sachsen-Weimar, seit 1953 „Marx-Engels“Merkers früher Kaiseroda, seit 1953 „Ernst Thälmann“Dorndorf früher Heiligenroda, seit 1953 „Einheit“,

    seit Ende 1966 „Wilhelm Pieck“

    und wickelten lediglich den Export über die gemeinsame „Steinsalz-Export GmbH“ in Hamburg ab. Der „Verein Deutscher Salinen“wurde 1948 von den Alliierten in Bayern alsKulturverein wieder zugelassen, wurde abererst 1961 bundesweit als Wirtschaftsverbandaktiv. 1972 siedelte der Verband nach Bonnüber und 1973 kam es nach mehr als 70 Jahrenwieder zur Vereinigung der westdeutschen Salinen und Steinsalzbergwerke: Aus dem Verein Deutscher Salinen wurde der „VereinDeutsche Salzindustrie e. V.“, der 1975 nochacht Salinen und zehn Salzbergwerke umfasste.

    Kaliwerke AG), Herfa-Neurode (Oktober 1950; Wintershall AG), Königshall-Hindenburg (Dezember 1950; Burbach-Kaliwerke AG),Hildesia-Mathildenhall (September 1950/Oktober 1951; Winters-hall AG) und Neuhof-Ellers (Oktober 1954; Wintershall AG).

    Meist konnten die Gruben rasch wieder in Betrieb genommen werden, denn viele von ihnen waren in der NS-Zeitals Munitionsanstalten genutzt und daher bergmännisch ge-sichert worden. Burbach musste allerdings kräftig in die Wieder-herstellung früherer Gruben investieren. Ab 1946 wurde mitgroßem Aufwand die im Jahr 1938 abgesoffene Grube Königs-hall-Hindenburg eröffnet, und in Riedel waren wegen der Ex-plosionen 1946 noch umfangreiche Bauarbeiten notwendig.

    Da in der DDR einige der größten deutschen Kaliwerkelagen, wurden dort weniger stillgelegte Werke wieder in Betriebgenommen. 1951 ging die Schachtanlage Sollstedt wieder in Betrieb, die 1932 stillgelegt worden war. Von 1957 bis 1965 förderte auch die zum Kaliwerk Sollstedt gehörende Schacht-anlage Gebra/Lohra Rohsalz. Kaiseroda I förderte ebenfalls wieder Kalisalz für die Fabrik in Merkers, nachdem dort seit1926 ausschließlich Steinsalz gefördert worden war.

    linke Seite Abfüllanlage im SteinsalzwerkAsse; Anfang der 1960er Jahre

    oben links und Mitte Nach dem Kriegherrschte Hunger in Deutschland. Lebensmittel waren oft nur auf demSchwarzmarkt oder bei Hamsterfahrtenauf’s Land zu bekommen.

    rechts Bis in die 1950er Jahre kommenimmer mehr Flüchtlinge und Kriegsheim-kehrer nach Westdeutschland.

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    schnell Betriebsgenehmigungen von den Besatzungsbehörden erhalten. Auf diese Weisesollte die Landwirtschaft in den westlichen Zonen rasch wieder in Gang gesetzt werden.

    Letztlich aber veränderte erst die Wäh-rungsreform die Versorgungslage der Bevölke-rung in Westdeutschland von Grund auf. Mitder D-Mark gehörte auch der Schwarzmarkt für Lebensmittel der Vergangenheit an. Im Jahr 1951 wurde in Westdeutschland wiederdie Kalorienmenge des Jahres 1939 erreicht.Bald griffen Produktion und Handel ineinan-der, und in den 1950er Jahren vollzog sich inder Landwirtschaft eine „Revolution“. NeueSaatsorten, Maschineneinsatz, Pflanzenschutzund ständig verbesserte Düngemittel steigertenden Ertrag erheblich.

    Kollektivierung der Landwirtschaft in Ostdeutschland

    In der SBZ entwickelten sich die Verhältnissenach Kriegsende völlig anders. Hier prägte dieBodenreform die Landwirtschaft ab Herbst1945 grundlegend. Durch sie wuchs die Zahlder Kleinbetriebe mit durchschnittlich achtHektar Wirtschaftsfläche drastisch an. Eine neu gegründete „Vereinigung der gegenseitigen

    Bauernhilfe“ richtete 1947 für diese Betriebe„Maschinenausleihstationen“ ein. StaatlicheErfassungs- und Aufkaufbetriebe garantiertendie Abnahme der landwirtschaftlichen Erzeug-nisse zu festen Preisen. Trotz dieser Maßnahmenwaren die Kleinbetriebe kaum überlebensfähig.

    Als die SED schließlich im Sommer 1952auf ihrem zweiten Parteitag den „planmäßigenAusbau des Sozialismus“ propagierte, führtedies auch in der Landwirtschaft zur Einführungdes staatlichen „Kollektivismus“. Die Bauernsollten mit ökonomischen Anreizen, aber auchmit Zwang, dazu gebracht werden, den neuenlandwirtschaftlichen Produktionsgenossen-schaften (LPG) beizutreten. Zu den Vergünsti-gungen für jene Betriebe, die einer LPG beitra-ten, gehörte etwa das Ausleihen der Maschinenzu günstigen Tarifen und die bevorzugte Belie-ferung mit Saatgut und mit Düngemitteln. Bis1960 war die „Kollektivierung“ der DDR-Land-wirtschaft abgeschlossen. Jetzt wurden mehrals 90 Prozent der landwirtschaftlichen Nutz-fläche von genossenschaftlichen oder volks-eigenen Betrieben bewirtschaftet. Die Erträgeder Landwirtschaft stiegen in diesem Zeitraumallerdings nicht plangemäß.

    Die Probleme der Landwirtschaft in der DDR lassen sich indirekt auch an der Ent-wicklung der Kaliproduktion und ihres Ver-triebs ablesen. In den ersten Nachkriegsjahrenging der größte Teil der Kaliproduktion in dieSowjetunion, für die das Kali Teil der eingefor-derten Reparationsleistungen von Deutschlandwar. In den 1950er Jahren wurden die Repa-rationsforderungen jedoch immer geringer. 1956 produzierten die ostdeutschen Kaliwerkebereits rund 1,5 Millionen Tonnen K2O unddamit dreimal so viel wie im ersten Nachkriegs-jahr 1946. Allerdings gingen nur 460.000 Tonnen K2O in die eigene Landwirtschaft; der Löwenanteil wurde exportiert, und zwar zu gleichen Teilen in den Ostblock und inwestliche Staaten. Der Kaliexport diente derDDR schon damals zur Devisenbeschaffung.

    links Kampagne zur Bodenreform: „Junkerland in Bauernhand“

    rechts und rechte Seite Mit Maschinen-ausleihstationen, später Maschinen-Trak-toren-Stationen (MTS) wollte die DDR-Regierung nach der Bodenreform diezahlreichen Neubauern mit Maschinenversorgen.

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    KONZENTRATIONSPROZESSE UND WELTKALIMARKT

    Neue Namen für die sozialistischen Kaliwerke

    1953 wurden zahlreiche ostdeutsche Kaliwerke im sozialistischen Sinne um-benannt. Das Werk Kaiseroda in Merkers wurde zum VEB Kaliwerk „ErnstThälmann“, das Werk Sachsen-Weimar in Unterbreizbach zum VEB Kaliwerk„Marx-Engels“ und das Werk Heiligenroda in Dorndorf zum VEB Kaliwerk„Einheit“ (ab 1966 „Wilhelm Pieck“). Das Kaliwerk Alexandershall bei Berkawurde mit dem VEB „Einheit“ zusammengeschlossen. Außerdem wurden die Werke Bischofferode („Thomas Müntzer“), Bleicherode („Karl Liebknecht“),Sollstedt („Karl Marx“), Sondershausen („Glückauf“) und Roßleben („HeinrichRau“) umbenannt.

    Die Entwicklung sowohl der deutschen Kali-als auch der Düngemittelindustrie war seit Mitte der 1950er Jahre wesentlich vom wach-senden internationalen Wettbewerb geprägt.Rationalisierungen und die ständige Moder-nisierung der Betriebsanlagen waren die Folge(siehe Seite 142ff). Gleichzeitig setzte sich derKonzentrationsprozess in der Kaliindustrie fort, die außerdem ihr Engagement in der Düngemittelbranche verstärkte. In der Bundes-republik entstanden Strukturen mit größerenUnternehmen, die 1970 zur Gründung der Kali und Salz GmbH – der späteren Kali undSalz AG – unter dem Dach der BASF führten(siehe Seite 163). Unter völlig anderen Voraus-setzungen fand zur gleichen Zeit in der DDRein ähnlicher Konzentrationsprozess statt, der – ebenfalls 1970 – in die Bildung des VEBKombinates Kali mündete. Damit entstandenin West- und Ostdeutschland etwa gleichzeitigzwei große, international ausgerichtete Kali-und Düngemittelanbieter.

    In Westdeutschland: Wintershall über-nimmt die Burbach-Kaliwerke AG (1955)

    In der Bundesrepublik Deutschland fand seitden 1950er Jahren ein Konzentrationsprozessunter den verschiedenen Kaliproduzentenstatt. Bereits 1955 schloss die Burbach-Kali-

    Die Entwicklung in der DDR in den 1950er Jahren

    In der DDR war die gesamte Wirtschaftsent-wicklung von verschiedenen Phasen der Ver-staatlichung und schließlich der Bildung vonKombinaten geprägt. Nach der ersten Wieder-aufbauphase und im Rahmen der wachsendenEigenständigkeit der DDR wurden die Kali-werke 1952 aus der Sowjetischen Aktiengesell-schaft ausgegliedert. Sie kamen als „Volks-eigene Betriebe“ (VEB) in das Staatseigentumder DDR.

    Alle Werke unterstanden als volkseigeneBetriebe der „Hauptverwaltung Kali“ in Ost-Berlin, die 1956 ihren Sitz nach Erfurt verlegte.

    1958 entstand aus ihr die „Vereinigung Volks-eigener Betriebe (VVB) Kali“. Die ostdeutschenKaliwerke an der Werra wurden im selben Jahrzum „VEB Kalikombinat Werra“ mit Sitz inMerkers zusammengeschlossen. Bereits seit 1954 hatten die Werke eng zusammengearbei-tet. Durch diese „Fusion“ sollten Synergienzwischen den Werken genutzt werden. Auchdie übrigen ostdeutschen Kaliwerke wurden in „Volkseigenen Betrieben“ zusammenge-schlossen: Der VEB Kalibetrieb Südharz um-fasste die Werke in Sondershausen, Bleicherode,Sollstedt, Volkenroda, Bischofferode und Roß-leben, der VEB Kali- und Steinsalzbetrieb „Saale“die Werke in Schierstedt, Staßfurt, Bernburgund Teutschenthal.

    werke AG mit der Wintershall AG einen Organ-schaftsvertrag. Burbach wurde „ungeachtet seiner aktienrechtlichen Selbstständigkeit“wirtschaftlich, finanziell und organisatorischin die Wintershall AG eingegliedert. Der Organschaftsvertrag war mit einer Gewinn-abführungsverpflichtung verbunden.

    Die Aktien der Burbach-Kaliwerke AGwaren traditionell breit gestreut. Großaktionärmit 45,5 Prozent war die Wintershall, die 1934mit dem Kauf neuer Burbach-Aktien und einemDarlehen von 2,4 Millionen Reichsmark dem indie Krise geratenen Burbach-Konzern unter dieArme gegriffen hatte. 1955 wurde die Übernah-me schließlich erreicht, indem die WintershallAG den Gläubigern der Burbach-Kaliwerke AGdie Bankschulden abkaufte. Dadurch wurdeWintershall Großgläubiger von Burbach undkonnte die Gesellschaft mit ihren Aktienantei-len beherrschen. Trotz Kritik vor allem am Ab-findungsangebot für die Kleinaktionäre zeigtesich, dass die Übernahme durch Wintershallwirtschaftlich die beste Lösung war. Die Integra-tion der beiden Konzerne beanspruchte zwareinige Jahre, aber als Dr. Ernst Denzel, der spä-tere Vorstandsvorsitzende der Kali und Salz AG,1967 in den Vorstand der Wintershall eintrat,traf er dort auf eine ganze Reihe ehemaligerBurbach-Mitarbeiter unter seinem Führungs-personal (zu Denzel siehe Kapitel 5, Seite 167).Wintershall übernahm durch den Organschafts-vertrag die Kaliwerke Königshall-Hindenburg(1969 stillgelegt), Niedersachsen-Riedel (1996stillgelegt) und Siegfried-Giesen (1987 stillge-legt) sowie das Steinsalzwerk Asse (1964 still-gelegt) und konnte dadurch seine Kali- undSteinsalzproduktion erheblich ausweiten.

    Nach dem Organschaftsvertrag von1955 zwischen Wintershall und Burbach

    linke Seite Das ostdeutsche Kaliwerk Unterbreizbach wurde im Jahr 1953 zum VEB Kaliwerk „Marx-Engels“; im Bild: die Schachtanlage des Werkes in der Nähe des Ortes Sünna

    oben Briefkopf des Kaliwerkes Sachsen-Weimar (Unterbreizbach) vor seiner Umbenennung

    links Nach einem CO2-Ausbruch im Kaliwerk Unterbreizbach: Arbeitsbrigadean einer verschütteten Schrapper-Füllstelle; Anfang der 1960er Jahre

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

    130K+S GRUPPE

    Nachlass AugustRosterg (RTV)

    50,5%

    GewerkschaftPrinz Eugen

    Gewerkschaft Thea(5 Kuxe Eigenbesitz)

    Gewerkschaft Wintershall

    Wintershall AG

    50,0%

    83 Kuxe 12 Kuxe

    Gep

    lant

    er E

    rbga

    ng

    100%

    konzentrierte sich die westdeutsche Kaliindus-trie im Wesentlichen auf die beiden großenAnbieter Wintershall und Salzdetfurth. Zweikleinere Anbieter konnten sich auf dem schwie-rigen Markt daneben nicht lange behaupten.Die Preussag hatte 1933 die Mehrheitsanteileder Burbach-Gruppe an den GewerkschaftenBaden und Markgräfler erworben, die das Kali-werk Buggingen betrieben. 1965 verkaufte diePreussag diese Anteile an die Wintershall AG.Im April 1973 wurde das Werk Buggingen aberstillgelegt. Die Mehrheitsanteile an der Kali-Chemie AG hatte bereits 1958 Solvay übernom-men, deren Interesse sich vor allem auf die Geschäftsbereiche Soda, Wasserstoffperoxid undPersalze der Kali-Chemie AG richtete. Die Kali-Chemie AG betrieb die Kaliwerke Friedrichs-hall in Sehnde und Ronnenberg bei Hannover.Die Grube Ronnenberg soff 1975 nach einemWassereinbruch ab, und das Werk musste ge-schlossen werden. 1981 wurde das Werk Frie-drichshall stillgelegt und anschließend von derKali und Salz AG übernommen, die die Rohsalz-vorräte und Untertageanlagen bis 1994 vomNachbarwerk Bergmannssegen-Hugo aus nutzte.

    Wintershall und Salzdetfurth – zwei ungleiche Gesellschaften

    Wintershall befand sich mehrheitlich im Besitzder beiden Unternehmerfamilien Rosterg undQuandt. Die Familie Rosterg besaß 50 Prozentder Kuxe der Gewerkschaft Wintershall, die Familie Quandt rund 25 Prozent. Mit ihren Anteilen beherrschten sie die Gewerkschaft,die zugleich 50 Prozent der Anteile an der Wintershall AG hielt. Die schon sehr verschach-telte Struktur wurde durch eine ungewöhnlicheErbschaftsregelung von August Rosterg nochkomplexer (zu Rosterg siehe Kapitel 2, Seite 57).Der Nachlass des langjährigen Wintershall-Generaldirektors bestand vor allem aus einerbeherrschenden Beteiligung von 83 Prozent an der Gewerkschaft Thea, die gleichzeitigauch 50,5 Prozent der Kuxe der GewerkschaftWintershall besaß. Über diese Konstruktion beherrschte August Rosterg die Wintershall AG.Um den Fortbestand der Gesellschaft zu sichernund die Interessen seiner Familie zu wahren,hatte August Rosterg bereits 1941 seinen SohnHeinz Rosterg als Vorerben eingesetzt. Nach

    Ablauf des Erbvertrages im Jahr 1972 sollte die Wintershall AG als Nacherbin die Anteilean der Gewerkschaft Thea übernehmen. DasUnternehmen hätte sich danach selber gehörtund wäre weitgehend immun gegen Einflüssevon außen gewesen.

    Zur Verwaltung des Rosterg-Erbes warein Gremium eingesetzt worden (RostergscheTestamentsvollstreckung, RTV), in dem in den1960er Jahren unter Vorsitz von Otto Werth-mann, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Wintershall AG, u.a. Dr. Heinz Rosterg sowieder Vorstandsvorsitzende der Wintershall AG,Dr. Josef Rust, saßen. Als schließlich 1965 imZuge einer Änderung des Aktienrechts gegen-seitige oder wechselseitige Beteiligungenstimmrechtslos wurden, war der Erbschafts-vertrag von August Rosterg mit einem Mal hinfällig. Bis 1972 musste also entschiedenwerden, wie mit dem Rosterg-Erbe weiter verfahren werden sollte.

    Das Rosterg-Erbe

    links Untertägige Flotations-anlage im Steinsalzwerk Riedel (Burbach-Kaliwerke AG); 1956 wurde die Anlage wieder stillgelegt.

    rechts Flotationsanlage im Kaliwerk Sigmundshall (Salzdetfurth AG);um 1960

    Das August-Rosterg-Haus in den 1950er Jahren, Sitz der Wintershall AG

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    Anders als bei Wintershall bestimmten beiSalzdetfurth nicht Familien, sondern vor allemBanken die Geschäftspolitik. Allerdings besaßauch die Wintershall AG 15 Prozent Anteile ander Salzdetfurth AG. Während die WintershallAG eher zurückhaltend Dividenden ausschüt-tete und Gewinne zum Teil in eine hohe Eigen-kapitalquote verwandelte, erwarteten bei Salz-detfurth die beteiligten Banken nennenswerteRenditen für ihre Beteiligungen.

    Gemeinsame Interessen in gemeinsamenEinrichtungen

    Die beiden Unternehmen kooperierten auf denunterschiedlichsten Ebenen miteinander. IhreInteressen als Arbeitgeber vertraten sie gemein-sam im Kaliverein, und über die gemeinsamenKaliverkaufsstellen in Hannover und Bad Hers-feld setzten sie ihre Kaliprodukte ab. Im Kali-verein beteiligten sich Wintershall und Salzdet-furth, aber auch Burbach, die Kali-Chemie undPreussag am bergtechnischen Hauptausschussund den zahlreichen Arbeitsausschüssen, diedie Forschung auf bergtechnischem Gebiet vor-anbringen sollten. Die Ergebnisse dieser Arbei-ten trugen wesentlich zur Modernisierung undRationalisierung der Gruben bei.

    Beim Neuanfang der Kaliindustrienahm im Jahr 1948 die bereits 1919 gegründeteKaliforschungs-Anstalt (KAFA; siehe Kapitel 3,Seite 99) ihre Arbeit wieder auf. Auf Initiativevon Salzdetfurth, Kali-Chemie, Burbach undWintershall wurde zum 1. Januar 1949 die Kaliforschungsstelle gegründet. Die KAFA bliebaus patent- und steuerrechtlichen Gründen bestehen. 1957 wurde das Kaliforschungs-Institut (KAFI) gegründet. Was die Arbeit desbergtechnischen Hauptausschusses für die Gru-benmodernisierung leistete, brachte das KAFIfür die Verarbeitung des Kalisalzes. Ohne diesebeiden gemeinsamen Einrichtungen wären dienotwendigen grundlegenden Modernisierungender Kaliwerke nicht möglich gewesen.

    Mit der Verkaufsgemeinschaft DeutscherKaliwerke (VDK) entstand 1953 eine gemein-same Verkaufsstelle für die Produkte der west-deutschen Kaliproduzenten, nachdem die Alli-

    ierten 1945 das Kalisyndikat aufgelöst hattenund der Verkauf in den ersten Nachkriegs-jahren noch von zwei Büros aus koordiniertworden war. Gleichzeitig mit der Gründungder VDK beantragten die westdeutschen Kali-produzenten die Genehmigung eines neuenRationalisierungskartells mit dem Ziel, ihreProduktangebote abstimmen zu können undKostenvorteile etwa beim Transport zu errei-chen. Vor allem innerhalb Westdeutschlandswollten sich die Werke angesichts des internatio-nalen Wettbewerbs keine Konkurrenz machen.Nach Inkrafttreten des neuen Kartellgesetzesim Jahr 1957 wurde das Kartell „GemeinschaftDeutscher Kalierzeuger“ 1959 vom Bundeswirt-schaftsministerium genehmigt. Zum ausfüh-renden Organ des Kartells wurde die „Verkaufs-gemeinschaft Deutscher Kaliwerke“ bestimmt.

    Die VDK unterhielt wie schon das Kali-syndikat landwirtschaftliche Beratungsstellen,die den Landwirten die notwendigen Informa-tionen für eine optimale Düngung ihrer Felderlieferten. An die Verkaufsgemeinschaft ange-gliedert war der Büntehof (Hannover), der alslandwirtschaftliche Forschungsanstalt durchdie Verbreitung von Forschungsergebnissen zu den Pflanzennährstoffen Kali, Magnesium, Natrium und Schwefel wesentlich zur Umsatz-steigerung der deutschen Kali- und Dünge-mittelwirtschaft beitrug.

    Der Sitz des Kaliforschungs-Institutes(KAFI) in Hannover

    kam Rust 1959 zur Wintershall AG und wurde deren Vorstandsvorsitzender. Gleichzeitigwurde er Mitglied der Rostergschen Testa-mentsvollstreckung (RTV). Im April 1969 schiedRust aus dem Vorstand der Wintershall AGaus und übernahm bis 1978 den Vorsitz desAufsichtsrats. 1986 schied Rust aus dem Auf-sichtsrat der Wintershall AG aus.

    Um die Bedeutung von Wintershall für die BASF nach der Übernahme zu verdeut-lichen, wurde Rust 1969 in den Aufsichtsratder BASF gewählt. Von 1970 bis 1978 war er stellvertretender Vorsitzender des BASF-Aufsichtsrats und gleichzeitig Mitglied im Präsi-dium des Aufsichtsrats. Im gleichen Zeitraumgehörte er zudem dem Aufsichtsrat der Kaliund Salz an. Rust war derjenige, der die Zusammenführung der Kali-Interessen vonWintershall und Salzdetfurth in der Kali undSalz wesentlich mitgestaltete. Zu Rusts beson-deren unternehmerischen Leistungen gehörtedie Einbindung der Wintershall in den BASF-Konzern, für die er sich stark gemacht hatte(siehe Kapitel 5, Seite 156ff.).

    Dr. Josef Rust bestimmt die Entwicklung der Wintershall AG

    Dr. Josef Rust (1907–1997), seit 1959 Vorstands-vorsitzender der Wintershall AG, hatte von 1926bis 1929 Rechts- und Staatswissenschaften studiert. Nach der Promotion und der zweitenStaatsprüfung trat er als Assessor in das Reichs-wirtschaftsministerium ein, wo er zunächst in derRechtsabteilung, später als Referatsleiter in derKreditabteilung tätig war. Im Zweiten Weltkriegwar er Militärverwaltungsoberrat. Nach demKrieg arbeitete Rust zunächst auf einem Bauern-hof, später war er in Oldenburg als Rechtsanwalttätig. 1948 wurde er Oberregierungsrat im nieder-sächsischen Finanzministerium. 1949 holte ihnBundeskanzler Konrad Adenauer als Leiter derAbteilung Wirtschaft und Finanzen in das Bundes-kanzleramt. 1952 wechselte Rust als Ministerial-direktor in das Bundeswirtschaftsministerium, wo er die Montanabteilung leitete. Im Oktober1955 wurde er auf Vorschlag Adenauers Staats-sekretär im Bundesverteidigungsministerium unter Theodor Blank und später unter Franz-JosefStrauß. Am 1. September 1959 nahm Rust seinenAbschied aus dem Staatsdienst.

    Aufgrund seiner früheren Verbindungenzur deutschen Wirtschaft und zu den Banken

    Das Kaliwerk Wintershall bei Nacht; 1950er Jahre

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    Clemens von Velsen – Der Berg-assessor als Salzdetfurth-Chef

    Der gebürtige Berliner Clemens von Velsen(1905–1983), Diplom-Ingenieur und Berg-assessor, studierte in Heidelberg und Berlindas Bergfach und legte 1932 das Assessor-examen ab. Anschließend wurde er Prokuristder Steinkohlenzeche Carl-Alexander. BisKriegsende 1945 war er im Vorstand derPreussag und trat 1947 in die Geschäftsfüh-rung der Olex ein, einer Vorgängerin der BP.1956 wurde er in den Vorstand der Salzdet-furth AG berufen, deren Vorsitzender er von1961 bis 1971 war.

    Um die Salzdetfurth AG, die nur dasKali-Standbein hatte, abzusichern, suchte von Velsen nach Möglichkeiten der Diversi-fizierung. Darum verfolgte er den Kauf der CFK und der COMPO, forcierte aber auch einProjekt am Großen Salzsee in den USA, beidem gemeinsam mit einem amerikanischenPartner eine Anlage zur Salzgewinnung durchVerdunstung errichtet wurde. Nach demScheitern des Salzsee-Projektes versicherte er:„Wenn ich nicht so fest an die Zukunft desGroßen Salzsees geglaubt hätte, hätte ich

    Einstieg in die Produktion von Mehrnährstoffdünger

    In den 1950er Jahren stiegen die Kaliprodu-zenten Wintershall, Salzdetfurth und Kali-Chemie AG verstärkt in das Geschäft mitMehrnährstoffdüngern ein, um dadurch den Kaliabsatz zu sichern. Sie sahen in denNPK-Düngern eine wichtige Ergänzung ihrer Angebotspalette und wollten an diesem raschwachsenden Markt teilhaben. Außerdem fieldas für die Mehrnährstoffdünger produzierteKali nicht unter die Quotierung der VDK, mitden NPK-Düngern konnte also der Absatz dereinzelnen Werke erhöht werden.

    Salzdetfurth übernimmt CFK und COMPO

    Die Salzdetfurth AG erwarb 1952 eine 25-pro-zentige Beteiligung an der Chemischen FabrikKalk in Köln (CFK). 1957 stockte sie ihre Betei-ligung auf 75 Prozent auf und übernahm 1960das Werk zu 100 Prozent. Die CFK gehörte seit1930 mit ihrem Stickstoff-Phosphat-DüngerKAMP zu den Pionieren der Mehrnährstoff-düngerindustrie. Nach 1945 kam die Fabrikmit dem Mehrnährstoffdünger KAMPKA aufden Markt, der zusätzlich Kali enthielt. Damitwurde die CFK zu einem wichtigen Kunden der Kaliwerke. Nach der Übernahme durchSalzdetfurth baute die CFK die Palette der angebotenen Düngemittel immer weiter ausund bot darüber hinaus auch Phosphate für dieFuttermittelindustrie an. Allerdings arbeitetedie CFK wenig rentabel. Die Salzdetfurth AGmusste wiederholt Verluste ausgleichen.

    Einen anderen Weg beschritt die Salz-detfurth AG, als sie 1967 einen Anteil von 50 Prozent an der COMPO GmbH übernahm.Diese Gesellschaft war 1956 als „Holländisch-Deutsche Düngemittel-Gesellschaft Sprenger &Todenhagen KG“ gegründet worden und hatteihren Sitz in Münster. Das Unternehmen pro-duzierte und vertrieb „Original HolländischeBlumen-Kompost-Erde“ unter dem Marken-namen „COMPO Sana“. 1959 zog das Unter-

    es niemals gewagt, eine so optimistische Prognose zu stellen.“

    In ihrem Nachruf 1983 beschrieb dieFrankfurter Allgemeine Zeitung Clemens vonVelsen als eher leisen, zurückhaltenden Mannund als eine bedeutende Persönlichkeit derdeutschen Wirtschaft. Mit seinem Charismakonnte er die Mitarbeiter für das Unternehmenund für sein Ziel, mit Salzdetfurth zu wachsen,begeistern. Als typischer preußischer Berg-assessor „vom Scheitel bis zur Sohle“ hatte er jene umfassende Ausbildung genossen, die der preußische Staat bereits im 19. Jahr-hundert eingerichtet hatte, um Führungs-personal für seine Bergwerke zu gewinnen. Nach der Zusammenführung der westdeut-schen Kali- und Steinsalzwerke von Salzdet-furth und Wintershall in der neu gegründetenKali und Salz schied Clemens von Velsen 1972aus dem aktiven Geschäftsleben aus.

    nehmen auf das heutige Werksgelände in Münster-Handorf und nutzte seit 1964 dieCOMPO-Primel als Markenzeichen. Salzdetfurthstieg mit der COMPO in den wachsenden Marktder Gartendüngung und -pflege ein, der sich inden folgenden Jahren rasant entwickeln sollte.

    Salzdetfurth hatte mit der SalzdetfurthVerkaufskontor GmbH unter dem Marken-namen „Dr. Glück’s“ ein ähnliches Geschäftwie die COMPO angestoßen. In die Marktdurch-dringung hatte die Gesellschaft sehr viel Geld investiert, ohne dass sich der erwartete wirt-schaftliche Erfolg einstellte. Die entsprechendenBetriebsverluste sorgten für einige Unruhe beiden Hauptversammlungen, und die beteiligtenBanken drängten auf eine Veränderung. Dafügte es sich, dass der Gründer von COMPO,Konsul Sprenger, nach einer Nachfolgeregelungsuchte. Die COMPO war 1967, als die Salzdet-furth einstieg, ein erfolgreiches Unternehmenmit kleiner Verwaltung und Produktion, abermit einem hohen Handelsanteil. Die Salzdet-furth AG verzichtete daher auf ihre eigene Produktlinie „Dr. Glück’s“ und konzentrierteden Bereich der Spezialdünger bei COMPO.Das führte unter anderem dazu, dass COMPOab 1971 auch die Spezial- und Flüssigdüngerder CFK vertrieb.

    von links nach rechtsBlick auf die CFK um 1960

    Konsul Ernst Hindrik Sprenger,der Gründer der COMPO

    Erfolgreiches Markenzeichen: Die COMPO-Primel

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    Wintershall übernimmt die Guano-Werke AG

    Die Wintershall AG beteiligte sich 1961 imRahmen einer Kapitalerhöhung an der Guano-Werke AG. Die Wintershall und der bisherigeMehrheitsaktionär, die Wasag-Chemie AG inEssen, hielten nun zusammen rund 80 Prozentder Anteile an der Guano, die auf eine langeGeschichte zurückblickte (siehe Kapitel 2, Seite 20 und 42; Kapitel 3, Seite 96). 1956 hatte das Unternehmen mit der Superphos-phat-Fabrik AG in Nordenham fusioniert undbesaß danach Standorte in Krefeld, Hamburg,Vienenburg, Dänischburg sowie Nordenham.Sie produzierte Mehrnährstoffdünger aus Stick-stoff und Phosphat (NP-Dünger), deren einzelneKomponenten sie selber herstellte, sowie NPK-Dünger, für die sie das Kali zukaufte.

    Düngemittelverbrauch und landwirtschaftliche Produktion

    Zwischen 1960 und 1970 wuchs der land-wirtschaftliche Düngemittelverbrauch (N, P, K)weltweit auf mehr als das Doppelte, nämlichvon rund 30 Millionen Tonnen auf 69 Millio-nen Tonnen, der weltweite Kaliverbrauch inder Landwirtschaft verdoppelte sich in dieserZeit von 8,5 auf 16,4 Millionen Tonnen K2O.Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich auch in Westeuropa, wenngleich die Zuwächsedort geringer ausfielen.

    Die westdeutsche Landwirtschaft setzte 1970 je Hektar ungefähr doppelt soviel Kali- und Phosphatdüngemittel ein wienoch 1950, beim Stickstoff war es sogar

    dreimal so viel. Diese intensivere Düngungwurde von einer durchgreifenden Mechanisie-rung der Landwirtschaft begleitet. Traktorenersetzten nach und nach fast vollständig dieZugpferde, Saat- und Erntemaschinen löstendie traditionelle Handarbeit ab. Durch dieseModernisierungen stiegen seit den 1950erJahren die Hektarerträge bei Getreide, Kartof-feln, Gemüse und Obst. Lag der Hektarertragbei Getreide um 1950 noch bei rund 25 Dop-pelzentnern, erreichte er um 1970 etwa 50 Doppelzentner. Bei den Kartoffeln stieg er von rund 220 auf weit über 300 Doppel-zentner.

    Als sich Wintershall 1961 an der Guano-WerkeAG beteiligte, war das für beide Seiten einesinnvolle Ergänzung ihrer Geschäftsaktivitäten.Zwischen 1962 und 1967 wurden die Werke inKrefeld und Nordenham ausgebaut und 1967die „GUANO-Spezialdünger HandelsgesellschaftmbH & Co. KG“ in Bielefeld als eigene Handels-gesellschaft gegründet. 1968 übernahm Winters-hall die Anteile der Wasag-Chemie AG undwurde damit zum Mehrheitsaktionär bei derGuano-Werke AG. Da das Unternehmen mit derGewerkschaft Victor in Rauxel bereits an einemStickstofflieferanten beteiligt war, entwickeltesich die Wintershall AG mit ihren Tochter-gesellschaften schnell zu einem der bedeutends-ten deutschen Anbieter von Düngemitteln.

    Das Guano-Werk in Krefeld vom Hafenaus (im Bild links); 1965

    Dr. Glück’s, eine Produktserie der Salzdetfurth

  • Bundesrepublik 20%

    DDR 26%

    Frankreich 19%

    USA 25%

    Spanien 3%

    UdSSR 7%

    Sonstige 2%Bundesrepublik 13%

    DDR 14%

    Frankreich 10%

    USA 14%

    Kanada 18%

    UdSSR 23%

    Israel 3%

    Spanien 3%

    WACHSTUM ERLEBENKAPITEL 4

    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

    139K+S GRUPPE

    WACHSTUM ERLEBENKAPITEL 4

    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

    138K+S GRUPPE

    Neue Konkurrenten auf dem Weltkalimarkt

    Die Entwicklung der deutschen Kaliindustrie war seit Ende der1950er/Anfang der 1960er Jahre von grundlegenden Verände-rungen auf dem Weltkalimarkt geprägt. Kanada und die Sowjet-union traten mit neuen Werken als junge, stark expandierendeKonkurrenten am Weltkalimarkt auf. Sie brachten zusätzlicheMengen Kali auf den Markt, während auch die anderen Herstel-ler ihre Produktion ausweiteten. Insgesamt vervierfachte sich dieweltweite Kaliproduktion nahezu zwischen 1950 und 1970 vonrund 4,7 Millionen Tonnen auf 17,5 Millionen Tonnen K2O.Obwohl die beiden deutschen Staaten 1970 mit 4,7 MillionenTonnen K2O mehr als zweieinhalb Mal so viel Kali produziertenwie 1950, sank die Bedeutung der deutschen Produzenten amWeltmarkt kontinuierlich. Kamen 1950 noch rund 46 Prozentdes Kalis aus Deutschland, waren es 1970 nur noch 27 Prozent.Gleichzeitig verschärfte sich der internationale Wettbewerb.

    In dieser schwierigen Situation bewährte es sich, dassWintershall, Salzdetfurth, Burbach, Kali-Chemie sowie Preussagbereits seit den 1920er Jahren wegen des Kostendrucks weit reichende Rationalisierungen durchgeführt hatten. Die Kaliher-

    steller hatten sich angesichts des internationalen Wettbewerbsund der staatlich festgelegten Höchstpreise entschlossen, nurdie besten Lagerstätten abzubauen und die Betriebe technischauf den neuesten Stand zu bringen.

    Der Blick auf die gesamtdeutsche Kaliproduktion ver-deckt allerdings die unterschiedliche Entwicklung in West- undOstdeutschland nach 1945. Denn nach der Teilung verschobensich die Verhältnisse in der Kaliproduktion zwischen der Bundes-republik und der DDR. Die ostdeutschen Werke produzierten in den ersten Jahren mehr Kali als die westdeutschen Standorte.Die DDR profitierte dabei auch von den modernen Werken, dieihr auf den ergiebigen Kalilagerstätten an der Werra zugefallenwaren. Bis 1960 holten die westdeutschen Kalianbieter auf undüberboten in den nächsten Jahren die DDR-Werke in den Pro-duktionszahlen. Bis Ende der 1960er Jahre näherten sich dieProduktionsmengen an, so dass 1970 beide Staaten einen Anteilvon 13 bzw. 14 Prozent an der Weltproduktion hatten.

    Zu den Verlusten an Marktanteilen der deutschen Kali-industrie trug entscheidend die Sowjetunion bei, die seit 1956

    mit ihrem billigen Kali erhebliche Marktanteile gewann und zugleich die weltweite Kaliproduktion in die Höhe trieb. Von1950 bis 1970 steigerte die Sowjetunion ihre Kaliproduktionvon 300.000 Tonnen auf 4,1 Millionen Tonnen K2O, überholtedamit die USA und Kanada und stellte nun 23 Prozent der Weltkaliproduktion. Das sowjetische Kali stammte zum größtenTeil aus dem Ural und wurde dort von den beiden KombinatenSolikamsk und Beresniki gefördert. Sie verfügten über eines derreichsten Kalivorkommen der Welt. Solikamsk war vor dem Zwei-ten Weltkrieg das einzige Kaliwerk der Sowjetunion und konntenach dem Krieg den Kalibedarf der riesigen sowjetischen Land-wirtschaft nicht einmal ansatzweise decken. Daher wurde mitSolikamsk II ein weiteres Werk errichtet und beide Werke zu einem Kombinat zusammengeschlossen. Ein zweites, noch leistungsfähigeres Kombinat wurde in Beresniki errichtet, wei-tere Kalivorkommen bei Starobinsk in Weißrussland wurden1949 entdeckt und seit 1963 durch das Kombinat Soligorsk ausgebeutet.

    Etwa zur gleichen Zeit versuchten US-amerikanische Unternehmen in Kanada die Kalivorkommen in der ProvinzSaskatchewan zu erschließen. Die dortige Lagerstätte hat einegewaltige Ausdehnung und erstreckt sich über eine Länge von700 Kilometern und eine Breite von 300 Kilometern unter denProvinzen Saskatchewan und Manitoba. Das Kali war 1943 bei Bohrungen nach Erdöl entdeckt worden. Die Erschließung dieser Vorkommen gestaltete sich aber sehr schwierig, da sie in einer Tiefe von rund 1.100 Metern liegen und es schon beim

    Abteufen der Schächte große Probleme mit wasserführendenSchichten gab. Anfang 1958 ging bei Saskatoon ein erster Schachtin Betrieb, musste die Förderung aber bereits nach wenigen Monaten wegen starker Wasserzuflüsse wieder einstellen. West-deutschen Schachtbau-Fachleuten gelang es, den Schacht durcheinen Tübbingausbau zu sichern. 1962 konnte dann das erstekanadische Kalibergwerk (Schacht von Esterhazy) dauerhaft inBetrieb gehen. Seine geschätzte Jahresförderleistung lag nur knappunter der Gesamtleistung aller Salzdetfurth-Bergwerke. Kanadahatte sich damit als ein weiterer mächtiger Kalianbieter auf demMarkt etabliert. Bis 1970 erreichte das Land eine Produktion von3,2 Millionen Tonnen K2O, was einem Anteil von rund 18 Prozentan der weltweiten Kaliproduktion entsprach. Die kanadischenLager bestehen aus Sylvinit (Kaliumchlorid) sowie Natrium-chlorid und bieten damit nur die Rohstoffbasis für Standard-produkte. Außerdem liegen die Vorkommen etwa 2.000 Kilo-meter vom nächsten Hafen entfernt, so dass die Transportkostendie Kostenvorteile in der Produktion teilweise wieder aufzehren.

    Die deutschen Kaliproduzenten beobachteten diese Entwicklung sehr genau. Salzdetfurth äußerte sich zu der Inbetriebnahme des ersten kanadischen Schachtes in ihremGeschäftsbericht 1962 unter der Überschrift „Kanada trat alsneuer Konkurrent auf den Plan“: „Damit ist das lang erwarteteErscheinen des kanadischen Kalis auf dem Weltmarkt eine Tatsache geworden, die auch in den folgenden Jahren vonnachhaltiger Wirkung auf unsere Arbeit bleiben wird.“

    In Saskatoon/Kanada sichert 1962 erst der Tübbing-Ausbau (rechts) des SchachtesEsterhazy durch deutsche Ingenieure denErfolg. Links: Der Alwinsal-Schacht bei Lanigan nach Beginn des Abteufens 1965

    Weltkaliproduktion nach Ländern 1950 und 1970 (Angaben in Prozent)

    19504,7 Millionen Tonnen K2O

    197017,5 Millionen Tonnen K2O

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

    140K+S GRUPPE

    Salzdetfurth und Wintershall in Kanada und Salzdetfurth in den USA: Alwinsal und Großer Salzsee

    Der Vorstandsvorsitzende der Salzdetfurth AG,Clemens von Velsen (zu von Velsen siehe Seite 134), wollte für seine Gesellschaft neue Geschäftsfelder erschließen. Gemeinsam mit der Wintershall AG verfolgte Salzdetfurth daher selber ein großes Kaliprojekt in Kanada.Bereits 1956 hatten die beiden Konzerne eine„Gesellschaft für Kali-Interessen mbH“ (GKI)gegründet mit dem Ziel, gemeinsam mit derfranzösischen Kaliindustrie – alle französischenKaliwerke gehörten nach dem Zweiten Welt-krieg zur staatlichen MDPA (Mines de Potassed’Alsace), einer Tochter der EMC (Entreprise Minière et Chimique) – in Kanada aktiv zu wer-den. Am 19. März 1956 gründeten Salzdetfurthund Wintershall die „Winsal“, nach Beitritt derFranzösischen Kaliindustrie 1957 in „Alwinsal“umbenannt: „Alwinsal Potash of Canada Ltd.“.

    Die beteiligten Gesellschaften erhieltenvon der kanadischen Regierung eine Konzes-sion für das Abteufen eines Schachts in derNähe des Ortes Lanigan in der Provinz Sas-

    katchewan. Ab 1960 fanden die notwendigengeologischen Untersuchungen statt und imSommer 1963 entschlossen sich Salzdetfurthund Wintershall, gemeinsam mit der EMC ein Kaliwerk mit einer Kapazität von 350.000 bis500.000 Tonnen K2O zu errichten. Im Sommer1964 begannen die Abteufarbeiten und im Oktober 1968 ging die Anlage in Betrieb. Das Werk hatte ein riesiges Potenzial. Das Grubenfeld erstreckte sich über eine Flächevon 160 Quadratkilometern und wurde mit einer Schachttiefe von rund 1.000 Metern erschlossen. Unter Tage konnte das Kali auf-grund der Lagerstättenverhältnisse schnei-dend, das heißt ohne das aufwändige Bohrenund Sprengen gewonnen werden. Das kana-dische Kali zeichnete sich vor allem durch seinen hohen K2O-Gehalt aus, der mehr als 20 Prozent betrug.

    Trotz der guten Voraussetzungen entwickelte sich das Engagement in Kanadaletztlich nicht zu einer Erfolgsgeschichte.

    1977 wurde die Alwinsal enteignet und ver-staatlicht sowie anschließend von der kana-dischen „Potash Corporation of Saskatchewan“(PCS) übernommen (siehe Kapitel 5, Seite 210).

    1964 hatte die Salzdetfurth AG gemein-sam mit einem US-Partner ein weiteres Aufsehenerregendes Engagement am Großen Salzsee inUtah gestartet. Zunächst sollte dort im Rahmeneines Forschungs- und Entwicklungsprogrammseine 5.000 Hektar große Anlage zur Mineral-salzgewinnung durch natürliche Verdunstungentstehen. Die Partner wollten nicht nur Salzgewinnen, sondern vor allem auch Kalium- undMagnesiumsulfat produzieren. Nach Unter-suchungen des Mineralgehaltes glaubte mandarüber hinaus, eine Reihe weiterer hochwer-tiger Mineralien, wie etwa Lithium, gewinnenzu können. 1967 gründeten die beiden PartnerSalzdetfurth und die „Lithium Corporation ofAmerica“ die gemeinsame Gesellschaft „GreatSalt Lake Minerals & Chemicals Corporation“.Die geplante Fabrik bei Ogden (Utah) sollte

    Ende 1970 die Produktion aufnehmen. Der Anteil der Salzdetfurth AG an der Gesellschaftbetrug 49 Prozent. Die Verantwortlichen beiSalzdetfurth versprachen sich von dem Projektdie Gewinnung wertvoller Salzmineralien ohnegroßen Aufwand an teurer Energie. Dafür gab es mit der Kaligewinnung Israels am TotenMeer bereits ein erfolgreiches Vorbild.

    Allerdings entwickelte sich das Projektam Großen Salzsee für die Salzdetfurth AG bald zu einem Fiasko. Der Salzgehalt des Seesschwankte stärker als anfangs gedacht und dieDeiche, die die riesigen Verdunstungsbeckeneingrenzten, mussten wegen starker Regenfälleund des Zuflusses von Schmelzwasser erhöhtwerden. 1973 endete das Engagement am Salzsee mit großen Verlusten (siehe Kapitel 5,Seite 165).

    Salzernte auf dem Großen Salzsee in Utah/USA.Nachdem das Salz mit dem Pflug aufgebrochenwurde (links), kann es mit Baggern abtranspor-tiert werden (rechts).

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

    142K+S GRUPPE

    Rationalisierung und Wettbewerbs-fähigkeit

    Auf die umwälzenden Entwicklungen auf demWeltmarkt musste die westdeutsche Kaliindus-trie reagieren. Die verschärfte Konkurrenz-situation erhöhte den Preisdruck. Zugleichmussten die Werke ihre Produktion ausweiten,um sich behaupten zu können. In der DDR waren es zusätzlich politische Vorgaben, diemehrfach die Rahmenbedingungen der Werkeänderten. Nach der langen Phase der Repara-tionsleistungen an die Sowjetunion wurde dieKaliindustrie hier als Devisenbringer immerwichtiger.

    Gemeinsamkeiten zwischen Ost undWest ergaben sich im Werra-Revier aus der vergleichbaren Ausgangssituation. Die Lager-stätte dort lieferte trotz eines relativ niedrigenK2O-Gehaltes ein außergewöhnlich reichhalti-ges Rohsalz mit einem Magnesiumsulfatgehaltvon bis zu 20 Prozent. Dieser Magnesiumsulfat-anteil machte die Lagerstätte weltweit einzig-artig und ermöglichte mit einer Reihe andererBestandteile die Herstellung einer überaus breiten Palette verschiedener Düngemittel-Spezialitäten. Die Kaliwerke an der Werrakonnten daher kali- und magnesiumhaltigeDünger in verschiedensten Zusammensetzun-gen produzieren. Dies sicherte vor allem denUnternehmen in der Bundesrepublik ihren bedeutenden Marktanteil.

    Unterschiede ergaben sich hingegen vor allem aus den betrieblichen Ausgangs-situationen. In der DDR hatte die Beschaffung westlicher Devisen höchste Priorität, die Kos-tenrechnung spielte – wenn überhaupt – eineuntergeordnete Rolle. Die Kaliwerke in derDDR konnten vor allem durch niedrige Preisebeim Export in westliche Länder und hohe Lieferungen in den Ostblock ihren Absatzsteigern. In der Bundesrepublik waren die An-bieter hingegen gezwungen, kostendeckendePreise für ihre Produkte zu erzielen und dabeizugleich wettbewerbsfähig zu bleiben. Die westdeutschen Unternehmen hatten somit ein großes Maß an Erfahrung mit Rationali-sierungen, Modernisierungen und Qualitäts-

    NEUE TECHNIKEN, BETRIEBE UND PRODUKTE

    steigerungen, die nötig waren, um die Produk-tivität zu erhöhen.

    In dieser Frage gingen die Werke in derBundesrepublik und in der DDR erst einmalunterschiedliche Wege. Da es in der DDR nureinen Betrieb für Bergwerksmaschinenbau gab und es zugleich notorisch an Material undDevisen fehlte, um den weiteren Maschinen-bedarf durch Importe zu decken, verzögertesich dort der Einsatz neuer Techniken zum Teilerheblich. Die Werke glichen diesen Rückstandvor allem dadurch aus, dass sie die Leistung derGrubenbetriebe durch verstärkten Personalein-satz und weitere Verbesserungen an den beste-henden Förderanlagen erhöhten.

    In Westdeutschland begann dagegen in den 1950er Jahren die Suche nach neuenAbbau-, Förder- und Aufbereitungsverfahren.Dabei gingen die Werke immer stärker von arbeitsintensiven zu kapitalintensiven Abbau-verfahren über, die deutlich kostengünstigerwaren.

    von links nach rechtsModernste Technik im Einsatz: Leitstandim Kaliwerk Bergmannssegen-Hugo; 1960er Jahre

    Einbau einer neuen Granulierpresse im Kaliwerk Salzdetfurth; 1960er Jahre

    Wegen Devisenmangel konnten die Kali-gruben in der DDR nicht in dem Maßemodernisiert werden wie die Werke inder Bundesrepublik. Im Bild: Bohrwagen,1960er Jahre

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    Mit dem Blick auf die Erfahrungen im nordameri-kanischen Bergbau bestand der erste Schritt derModernisierungen ab 1955 darin, mobile Schräm-maschinen und Sprengloch-Bohrwagen auf Reifen-fahrwerken einzusetzen. Bald konnte auch dergrößte Engpass des Kaliabbaus in gleicher Weisemodernisiert werden: der Schrapperbetrieb. Hierwaren die USA Vorreiter, wo die Schrapperförde-rung durch bewegliche Lademaschinen auf Raupen-fahrwerken ersetzt wurde, die das Rohsalz in Pendel-wagen luden. Diese Pendelwagen brachten dasFördergut zu einem Brecher, der einer zentralen Revierbandanlage vorgeschaltet war. Über dieseBandanlage wurde das Rohsalz schließlich zumSchacht transportiert. Die Ingenieure der westdeut-schen Werke kombinierten nach diesem Vorbildzunächst einmal die amerikanischen Schräm-, Bohr-und Pendelwagen mit in Deutschland entwickeltenLadern, Brechern und Stegketten-Förderern zu passenden Maschinensätzen, die gegenüber demSchrapper nahezu eine Verdopplung der Förder-leistung brachten. Beim Bohren der Sprenglöcherwurde in diesem Zusammenhang der Fächersatzvom Parallelbohrverfahren abgelöst. Über erste

    NEUE BERGBAU- UND AUFBEREITUNGSTECHNIKEN

    Erfahrungen mit dieser Mechanisierung im Werrawerk Wintershall berichtete die Zeitschrift„Kali und Steinsalz“ 1958.

    Der Bericht behandelte eine weitere Inno-vation: In Wintershall wurde der versatzlose Roh-salzabbau mit quadratischen Pfeilern getestet(Room and Pillar), der den auf Schrapperbetrieb zugeschnittenen Abbau mit Längspfeilern ersetzensollte. Dabei wurde der Abbauverlust bei der Gewinnung des Rohsalzes verringert, und es ent-standen mehr Arbeitspunkte als in den langenKammern. Dadurch konnten die neuen mobilenMaschinen flexibel eingesetzt werden, ohne dasssie sich gegenseitig behinderten. In den 1960erJahren setzten sich die neuen Großgeräte im Abbau endgültig durch. Das Bohren der Einbruch-und Sprenglöcher übernahmen eigens konstruierteBohrwagen, und der Sprengstoff wurde nicht mehr von den Bergleuten patroniert, sondern losein Spezialfahrzeugen vor Ort gebracht. Seit Beginnder 1960er Jahre wurde „Andex“ als neuer Spreng-stoff genutzt, der mit Druckluft lose in die Spreng-löcher geblasen werden konnte.

    Bohrwagen

    Spenglochbohrwagen

    Lader

    zum Schacht

    Brecher

    Room-and-Pillar-Verfahren

    von links nach rechtsModernisierungen in den westdeutschenGruben: Bohrwagen bereiten ab Ende der1950er Jahre die Sprenglöcher vor.

    Bis in die 1960er Jahre patronierten dieBergleute den Sprengstoff in den Bohr-löchern noch von Hand. Anschließendwurde der neue Sprengstoff „Andex“ mitDruckluft in die Sprenglöcher geblasen.

    Load, Hoal and Dump (LHD): Frontladertransportieren ab 1962 das Rohsalz direkt zu einem Brecher, der das Förder-gut an das Förderband übergibt.

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

    147K+S GRUPPE

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

    146K+S GRUPPE

    Zur gleichen Zeit wurden im Werra-Revier die Trans-portanlagen unter Tage auf die gleislose Bandför-derung umgestellt. Der Betrieb einer ersten Band-strecke im Werk Hattorf ab 1955 läutete das Endeder schienengebundenen Streckenförderung ein.Kilometerlange Förderbänder setzen sich immermehr durch und ersetzen nach und nach Ketten-bahnen, Seilbahnen und elektrische Fahrdraht-lokomotiven. Die Förderbänder steigerten dieTransportmengen und waren zugleich billiger alsder Gleisbau der alten Anlagen. Außerdem ließensich mit den Bändern Steigungen in den Streckenleichter überwinden. In der DDR wurde die Band-förderung erst später eingeführt. Das Werk in Merkers setzte sie erstmals 1961 ein.

    Auch in der steilen Lagerung der norddeut-schen Werke steigerten verbesserte Verfahren dieEffizienz. Die Streckenförderung wurde mit neuarti-gen Ladern mechanisiert, wobei der Transport zumSchacht noch einige Zeit schienengebunden blieb.Der bislang praktizierte Firstkammerbau wurde ab-gelöst durch den Strossentrichter- und Schrägbau.

    Alle Modernisierungen seit Mitte der 1950erJahre erhöhten die Leistungsfähigkeit der Werke.Gleichzeitig wuchs jedoch der Wettbewerbsdruckdurch die neuen Anbieter Sowjetunion und Kanada.Ein entscheidender Schritt zur Verbesserung derWirtschaftlichkeit war daher nötig. Er gelang mitder Einführung der „Load, Hoal and Dump“-Technik(LHD). Dabei nehmen dieselbetriebene Schaufel-lader mit Gummibereifung das abgesprengte Roh-salz auf und werfen es direkt an der Bandübergabein den vorgeschalteten Brecher ab. Die ersten

    Flotationslauge Feingemahlenes Rohsalz

    Flotationsmittel

    Luftblasen

    Flotationslauge

    Konzentrat (KCI)Rückstand (NaCI)

    Filtern Filtern undTrocknen

    Maschinen dieser Art mit vier bis fünf Tonnen Nutz-last wurden 1962 eingesetzt. Innerhalb wenigerJahre konnte die neue Technik den Schrapperbetriebin den Werken völlig verdrängen.

    Verbesserungen der Verfahren gab es nichtnur unter Tage. Über Tage ergänzte bei der Aufbe-reitung das Flotationsverfahren das Heißlöseverfah-ren, bei dem der Energieverbrauch durch den stän-digen Wechsel von Erhitzen und Kühlen der Salz-lösungen sehr hoch war. Außerdem fielen bei die-sem Verfahren abhängig vom verarbeiteten Roh-salz Restlösungen an. Mit der Flotation konntendiese Probleme weitgehend umgangen werden, dahier die Trennung von Kaliumchlorid und Natrium-chlorid ohne Wärmezufuhr möglich war und zudemweniger Restlösungen entstanden. In Westdeutsch-land setzten die Werke Sigmundshall und Friedrichs-hall zu Beginn der 1950er Jahre erstmals das Flota-tionsverfahren ein, in der DDR folgte 1958 dasWerk Merkers.

    Ab Mitte der 1960er Jahre kam mit derGranulierung der Kaliprodukte ein neues Verfahrenzum Einsatz. Kalidünger ist in seiner stofflichen Zusammensetzung international weitgehend stan-dardisiert. Daher ist für den Landwirt neben demPreis vor allem die Handhabbarkeit der Düngemittelein wichtiges Auswahlkriterium. Der durch Granu-lierung gewonnene körnige und gut dosierbare Kali-dünger kam daher den Interessen der Anwenderbei dem Einsatz des damals neuartigen Schleuder-düngerstreuers entgegen. In der DDR wurden erstmals 1964 in Unterbreizbach Kalidüngemittelgranuliert.

    Seit Beginn der 1950er Jahre (Bundesrepublik) bzw. 1958 (DDR)wurde zur Trennung von Kaliumchlorid und Natriumchlorid das Flotationsverfahren eingesetzt.

    links Die Bandförderung löst ab 1955 den Gleisbetrieb ab (im Bild: Montage einer Bandanlage in Hattorf).

    rechts Modernisierungen über Tage: Die Flotation ergänzt das Heißlösever-fahren (im Bild: Flotationsanlage Anfangder 1960er Jahre).

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    Rationalisierungserfolge

    Mit den mobilen Maschinen, dem „Room and Pillar“-Abbauverfahren und vor allem den neuen Schaufelladern erreichten die west-deutschen Werke in den 1960er Jahren eine erhebliche Steigerung der Fördermengen. Mitte der 1950er Jahre lagen sie noch zwischen10 und 18 Tonnen je Mannschicht, bis Mitte der1970er Jahre stiegen sie auf mehr als 50 Tonnenje Mannschicht. Die Nutzlast der Frontlader wurde von 5 auf bis zu 12 Tonnen deutlich vergrößert. Heute erreicht sie bis zu 20 Tonnen.In der Summe brachten die eingeführten neuenVerfahren unter und über Tage eine erheblicheRationalisierung, die allerdings auch mit einemPersonalabbau verbunden war. Während dieGesamtproduktion der westdeutschen Kali-industrie zwischen 1955 und 1975 um rund 30 Prozent auf 2,2 Millionen Tonnen K2O proJahr stieg, sank die Zahl der Beschäftigten indieser Zeit von etwa 21.000 auf rund 10.000Mitarbeiter.

    Die DDR-Werke Bernburg und Zielitz

    In der Kaliindustrie der DDR stieg die Beleg-schaftsstärke dagegen auf über 30.000 Be-schäftigte. Ausschlaggebend waren politische Vorgaben der Staatsführung, aber auch diegroße Bedeutung von Kali als wichtigem Devisenbringer für die an chronischem Devi-senmangel leidende DDR. Den technischenRückstand kompensierten die Werke in derDDR mit einem hohen Personaleinsatz. Zudemerhöhten in der DDR gesellschaftliche Neben-funktionen der Werke wie beispielsweise dieEinrichtung von Kindergärten die Mitarbeiter-zahl, ohne dass diese Mitarbeiter zur Produk-tion beitrugen.

    Kali war inzwischen zu einem der wich-tigsten Exportgüter der DDR geworden. Parallelzur langsam voranschreitenden Modernisierungihrer Werke errichtete die DDR daher in den1960er Jahren einen neuen Betrieb, der mit derneuesten Technik ausgestattet wurde. 1966 bis1973 entstand in Zielitz bei Magdeburg derletzte Schacht, der im Kalibergbau in Deutsch-land geteuft, und das einzige Kalibergwerk, das nach dem Krieg bisher neu gebaut wurde.Die Schächte I und II entstanden bis 1969 undbegannen 1973 mit der kontinuierlichen Förde-rung. Später kamen die Schächte III und IV imNorden des Grubenfeldes dazu.

    Die Lagerstätte verläuft in einer Tiefevon 350 bis 1.400 Metern. Abgebaut wird dasFlöz Ronnenberg bis zu einer Tiefe von 1.200Metern mit einer durchschnittlichen Mächtig-keit von sieben Metern. In diesem neuen Werkmit einer „halbsteilen“ Lagerstätte wurden vonvornherein keine traditionellen Fördertechni-ken mehr eingesetzt. Trotz erheblicher Anlauf-schwierigkeiten erreichte das Werk Zielitz denweltweiten Stand der Abbau- und Fördertechnik.

    Daneben wurde Anfang der 1970er Jahre das Kali- und Steinsalzwerk in Bernburg ausschließlich auf seine Funktion als leistungs-fähiges Steinsalzwerk ausgerichtet. Es sollteden Steinsalzbedarf der gesamten DDR deckenund die sozialistischen Nachbarländer mit-versorgen.

    Seit Anfang der 1970er Jahre produzierte das DDR-Werk Bernburg ausschließlich Steinsalz.

    Am 28. März 1969 wird der erste KübelKali in Zielitz gefördert.

    Die Rundschuppen im neuen Kaliwerk Zielitz

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    GETRENNTE WEGE.DIE KALI- UND DÜNGEMITTELINDUSTRIE IM GETEILTEN DEUTSCHLAND1945–1968

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    Die deutsche Kaliindustrie Ende der 1960er Jahre

    In der Bundesrepublik Deutschland war dieZahl der Kaliunternehmen überschaubar geworden: Nachdem Wintershall 1955 denBurbach-Konzern übernommen hatte, warennur noch vier Firmen übrig: Das größte Unter-nehmen war Ende der 1960er Jahre die KasselerWintershall AG. Sie betrieb die Kaliwerke Wintershall an der Werra, Neuhof-Ellers beiFulda und Bergmannssegen-Hugo im RaumHannover. Hinzu kamen die Burbach-WerkeNiedersachsen-Riedel bei Celle, Siegfried-Giesenbei Hildesheim und Königshall-Hindenburg beiGöttingen sowie das Werk Buggingen in Süd-baden, das bis 1965 der Preussag gehört hatte.Der Konzern erzielte 1967 einen Umsatz von1,6 Milliarden Mark und erwirtschaftete 24,6Millionen Mark Gewinn. „Wintershall befandsich damals in einer hervorragenden Verfas-sung“, erinnerte sich das damalige Vorstands-mitglied Dr. Ernst Denzel. Das Unternehmenhatte dank konsequenter Thesaurierungspolitikfinanzielle Rücklagen. Es hatte solide gewirt-schaftet und ansehnliche Dividenden gezahlt,1967 waren es 14 Prozent auf das Grundkapital.Anders als die Konkurrenzunternehmen hatteWintershall drei Standbeine: Neben Kali undSteinsalz, auf die rund 25 Prozent des Umsatzesentfielen, trat das Mehrnährstoffdüngergeschäftsowie das zukunftsträchtige und sehr ertrag-reiche Geschäft mit Öl und Gas.

    Nummer zwei auf dem deutschen Kali-markt war die Salzdetfurth AG in Hannovermit den niedersächsischen Kaliwerken Salz-detfurth, Hansa(-Silberberg), Sigmundshall und Hope, dem hessischen Kaliwerk Hattorfsowie den Steinsalzwerken Braunschweig-Lüneburg in Grasleben und Mariaglück bei Eschede. Neben diesen beiden großen Unter-nehmen mit zusammen rund 11.000 Mitarbei-tern gab es noch die Kali-Chemie AG mit etwa1.200 Mitarbeitern, seit 1953/54 eine Tochter

    von Solvay, mit ihren Werken Friedrichshall in Sehnde und Ronnenberg bei Hannover.1968 betrieben Wintershall, Salzdetfurth undKali-Chemie insgesamt 16 Kali- und Steinsalz-werke in der Bundesrepublik.

    Gemeinsam betrieben die vier west-deutschen Kalianbieter die Verkaufsgemein-schaft Deutscher Kaliwerke (VDK) in Hanno-ver, die 1956 gegründete landwirtschaftlicheForschungsanstalt Büntehof, die 1919 gegrün-dete Kaliforschungs-Anstalt (KAFA) und die Kali-Transport Gesellschaft in Hamburg (KTG).Mit dem Kaliverein verfügten sie über eine gemeinsame Interessenvertretung. Wintershallund Salzdetfurth besaßen außerdem zusam-men mit der französischen EMC-Gruppe daskanadische Kaliunternehmen Alwinsal. Den-noch drängte die Entwicklung auf dem Welt-markt zu weiteren Konzentrationen. Die Initia-tive dazu kam von außen: Die BASF suchte nacheiner Erweiterung ihres Angebots, besonders imBereich der Endprodukte. Wintershall wiederumwar auf der Suche nach einem größeren Part-ner sowie nach Kapital für die Abfindung der Rosterg-Erben. Ende 1968 kam es deshalb zurÜbernahme der Wintershall durch die BASF.

    In der DDR war die Kaliindustrie in den vier volkseigenen Betrieben Südharz, Werra,Saale und Zielitz konzentriert, die insgesamt 13 Kali- und Steinsalzwerke betrieben: „Glück-auf“ Sondershausen, „Karl Marx“ Sollstedt,„Karl Liebknecht“ Bleicherode, „Heinrich Rau“Rossleben, „Thomas Müntzer“ Bischofferode,Volkenroda, „Ernst Thälmann“ Merkers, „Marx-Engels“ Unterbreizbach, „Wilhelm Pieck“Dorndorf, „Ernst Schneller“ Zielitz, Bernburg,Staßfurt und Teutschenthal. Auch die DDR-Werke erfuhren in diesen Jahren einen wesent-lichen Konzentrationsprozess, als sie 1970 im „VEB Kombinat KALI“ zusammengeführtwurden.

    Hamburg

    Kassel

    Köln

    Stuttgart

    MünchenFreiburg

    Frankfurt/M.

    Fulda

    12 3

    4

    7

    6

    89

    10

    12

    13

    5

    14

    15

    16

    Hannover11

    Rostock

    Berlin

    Magdeburg

    Halle

    Dresden

    Erfurt

    Nordhausen

    1

    2 3

    56 79

    810

    1112 13

    4

    Bundesrepublik Deutschland DDR

    Kali- und Steinsalzwerke der westdeutschen Kaliproduzentenin der Bundesrepublik Deutschland 1968

    Kali- und Steinsalzwerke in der DDR 1968

    1 Zielitz2 Staßfurt3 Bernburg4 Teutschenthal5 Bischofferode6 Bleicherode7 Sollstedt8 Sondershausen

    1 Sigmundshall2 Hansa(-Silberberg)3 Ronnenberg4 Hope5 Mariaglück6 Niedersachsen-Riedel7 Bergmannssegen-Hugo8 Friedrichshall

    9 Siegfried-Giesen10 Salzdetfurth11 Braunschweig-Lüneburg12 Königshall-Hindenburg13 Wintershall14 Hattorf15 Neuhof-Ellers16 Buggingen

    9 Volkenroda10 Roßleben11 Dorndorf12 Unterbreizbach13 Merkers