GFZ Bericht 13 Tunnelbau

12
2000/2001 Zweijahresbericht GeoForschungsZentrum Potsdam

Transcript of GFZ Bericht 13 Tunnelbau

Page 1: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

2000

/200

1Zw

eija

hre

sber

ich

tG

eoFo

rsch

un

gsZ

entr

um

Po

tsd

am

Page 2: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

IMPRESSUM

Herausgeber:GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ)Stiftung des öffentlichen Rechts

Telegrafenberg 14473 Potsdam

Redaktion:Dr. Jörn LauterjungFranz Ossing

Layout:Otto Grabe (GFZ) & Druckerei Arnold

Druck:Druckerei ArnoldAm Wall 1514979 Großbeeren

GFZ Potsdam 2002

Das GFZ Potsdam ist Mitglied der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V.

Page 3: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

113

Seit März 2000 werden im Zugangsstollen Faido (ZSF)des Gotthard-Basis-Tunnels (GBT) in den SchweizerZentralalpen seismische Messungen unter Tage mit demam GFZ Potsdam entwickelten Integrierten SeismischenImaging System (ISIS) durchgeführt. Der Gotthard-Basis-Tunnel ist z.Zt. im Bau und wird mit zwei 57 kmlangen, parallelen Röhren und einer Gebirgsüber-lagerung von z.T. über 2000 m der längste und tiefsteEisenbahntunnel der Erde sein.

Ziel der Messungen ist die Untersuchung der seismi-schen Gebirgseigenschaften im jeweiligen Vortriebs-bereich des GBT. Von besonderer Bedeutung sind dieDetektion und Charakterisierung von Störungszonen,die für den Tunnelbau gefährlich sind. Gleichzeitigsollen die Hardware- und Softwarekomponenten desneuen tunnelseismischen Erkundungssystems auf ihreEinsetzbarkeit im Untertagebau getestet werden.

Integriertes seismisches Imaging System ISIS

Mit ISIS soll das bestehende Schweizer System TunnelSeismic Prediction (TSP) für die seismischeVorauserkundung beim Tunnelbau im Festgesteinverbessert werden. Die neue, zum Patent angemeldeteIdee besteht darin, die Tunnel-Ankerung zu verwenden,um damit ein Array von seismischen Empfängernantennenartig (Abb. 1) so zu installieren, dass einhochauflösendes seismisches Abbild des Gebirgesonline während der Auffahrung möglich wird (Borm etal., 1999, 2001). Felsanker sind Sicherungs-Elementezur Erhöhung der Stabilität der Tunnelwand durchVerstärkung des Zusammenhalts (Kohäsion) desGesteins. Diese Anker werden in bis zu mehrerenMeter tiefen Bohrlöchern verklebt und können radialnach außen oder in Richtung des Vortriebes gesetztwerden.

Seismische Tomographie-Messungen beim Tunnelbauunter Tage in den Schweizer Zentralalpen

Rüdiger Giese, Christian Klose, Peter Otto, Christian Selke und Günter Borm

Underground seismic investigations have been carried out in the Faido Access Tunnel (ZSF) of the Gotthard BaseTunnel, Switzerland, which is currently under construction. On its length of 2700 m, the ZSF cuts metamorphic rockformations mainly consisting of folded gneisses.

Parallel to the excavation works, seismic measurements were carried out every 200 m with the tunnel seismic pre-diction system ISIS (Integrated Seismic Imaging System) which ihas been developed by the GeoForschungsZentrum(GFZ). ISIS provides high resolution seismic images via an array of standard anchor rods. These contain 3D-geo-phones and can routinely be installed during the excavation process. The seismic source is a repetitive pneumaticalimpact hammer, developed by the GFZ Potsdam as well.

During each measurement, seismic energy was recorded from 30 to 60 source points which were distributed at inter-vals of 1.0 to 1.5 m along the tunnel wall. The shots were recorded with 8 to 10 three-component geophone anchorrods being installed in 2 m deep boreholes at intervals of 9 m.

The first arrival times of the compressional and shear waves were used for the tomographic inversions. The two-dimensional velocity models for the seismic wave velocities reveal a disturbed near field reaching 2 to 3m deep intothe rock mass. This zone is characterized by strong variations of 3500 to 5800 m/s for compressional wave velocityvp and 2000 to 3000 m/s for shear wave velocity vs. High velocity zones correspond to quartz inclusions, and lowvelocities indicate mainly networks of joints. The excavation of the tunnel increases their influence on the velocityfield. Beyond the disturbance zone, the variations in seismic velocities are less significantly marked.

The most remarkable reflector was a 4 m thick water bearing fault zone which crosses the tunnel nearly perpendicu-lar. Here, the tomograpic inversions revealed a significant decrease of vp and vs a few tenth of meters before rea-ching this fault zone. The ratio vp/vs increases with the approach to the fault zone due to higher content of pore waterin the vicinity of the fault.

The analysis of the tomographic inversions along the Faido access tunnel clearly shows the structures of two majorfault zones consisting of cataclastic cores surrounded by wide damage zones. This structural feature can be used forthe prediction of cataclastic zones ahead of the advancing tunnel face during construction of the Gotthard BaseTunnel.

Page 4: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

Revolutionierend ist das ISIS-Konzept in seiner tech-nisch einfach durchzuführenden Installation vor Ort, diekeinen zusätzlichen Aufwand an Arbeit und Kosten beider Einbringung erfordert. Gleichzeitig führt sie zueiner Risikoverminderung beim Tunnelvortrieb. AlsEmpfänger dienen miniaturisierte Geophone, die in dieSpitzen der Gebirgsanker in Form eines orthogonalenDreibeins implementiert werden. Gegenüber den beiTSP bisher verwendeten Messaufnehmern haben sie fol-gende Vorteile:

• 3D-Registrierung der einfallenden seismischenWellen zur Abbildung der Raumstellungen geologi-scher Störungsflächen

• geringere Außendurchmesser und höhere Robustheitder elektromagnetischen Sensoren

• automatische Einbringbarkeit mit Großgeräten ohneBehinderung des Baubetriebs

• Einbaumöglichkeit der Meßaufnehmer überall aufder Tunnelwand

Das Registriersystem zeichnet die Signale bis 4 kHz in3 Kanälen pro Anker dezentral direkt am Messort auf,wodurch die beim Baubetrieb sonst immer hinderlichenDatenübertragungsleitungen reduziert werden. DasSystem ist auch unter schwierigsten Umgebungsbedin-gungen des Tunnelvortriebs mit den hohen mechanis-

chen Beanspruchungen durch Drehbohren sowie beiStaub und Nässe zuverlässig einsetzbar.

Für die 3D-Visualisierung der Messgeometrie und derMessdaten wurden am GFZ Potsdam eigene Computer-Programme entwickelt. Als seismische Quellen kom-men pneumatische Impulsgeber oder magnetostriktiveVibratoren zum Einsatz. Zusammen mit diesenSignalquellen, die ebenfalls am GeoForschungsZentrumentwickelt werden und an eine Tunnelbohrmaschinemontiert werden können, existiert eine Komplettlösungfür das neue Integrated Seismic Imaging System (ISIS).

Sensorstäbe und seismischer Schlaghammer

Abb. 2 zeigt schematisch das Einbringen eines Gebirgs-ankers mit einem integrierten Dreikomponenten-Geophonkopf in ein mit Klebepatronen gefülltesBohrloch. Durch Drehen des Ankerstabes beimEinbringen wird der Kleber vermischt, der nach weni-gen Minuten ausgehärtet ist und eine sehr guteAnkopplung der Geophone an das Gestein bewirkt.Nach dem Setzen des Ankers kann die Orientierung desGeophonkopfes aus den Bohrdaten und an Hand einerRichtungsmarkierung am bohrlochseitigen Stabendeermittelt werden. Über einen Stecker am Stabende fin-det die Datenübertragung zum Aufzeichnungsgerät statt.Die Stablänge der im Zugangstollen Faido verwendetenGeophon-Ankerstangen betrug 2 m.

114

Abb. 1: Prinzip einer Tunnelbohrmaschine (TBM) mit integriertem seismischen Vorauserkundungssystem (ISIS)Principle of a tunnel boring machine (TBM) with integrated seismic imaging system (ISIS)

Page 5: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

115

Abb. 3 zeigt die pneumatische seismische Quelle vonISIS (Otto, P. und Borm, G., 2000). Dieser Impaktham-mer ist in allen Raumrichtungen einsetzbar und zeichnetsich durch kurze Schlagintervalle im Bereich wenigerSekunden bei hoher Reproduzierbarkeit der erzeugtenSignale aus. Dies ermöglicht viele Schläge an einemMesspunkt und die nachfolgende Stapelung der Signalezur Verringerung des Rauschanteils in den Regis-trierungen. Im Vergleich zu Sprengungen inBohrlöchern entspricht die Schlagenergie des Hammersungefähr 15 g TNT. Die dynamische Kraft beträgt ca.5 kN. In Entwicklung ist z.Zt. eine tragbare magne-tostriktive Vibroseisquelle (Borm, G. und Otto, P, 2001)für ISIS, die über ein Frequenzband von 200 Hz bis

2 kHz eine dynamische Kraft bis zu 10 kN erzeugt.

Für die Messungen im Zugangstollen Faido wurde derHammer an das Messfahrzeug MobiLab des GFZPotsdam montiert (Abb. 4a). Abb. 4b zeigt in einerNahaufnahme den ausgefahrenen Hammer beimSchlagen auf die Felswand. An jedem Messpunkt wur-den 10 bis 15 Schläge ausgeführt. Die seismischenSignale wurden von 8 bis 10 Sensorstäben simultanaufgezeichnet. Der Messpunktabstand betrug 1,0 bis 1,5m, und die Entfernung zwischen den Sensorstäben war 9m. Ein auf der jeweils gegenüberliegenden Tunnelseitegesetzter Sensorstab ermöglichte die Registrierung desum den Tunnel geführten Wellenfeldes.

Abb. 2 : Setzen eines Messankers mit seismischem 3-Komponenten Sensorkopf. Der Anker wird schnelldrehend in dasmit Klebepatronen gefüllte Bohrloch getrieben. Diese werden dabei vermischt und verkleben den Messanker kraft-und formschlüssig mit dem Gebirge. Das Hodogramm in der rechten Ecke zeigt die Partikelbewegung eines ankom-menden seismischen Signals und den resultierenden Wellenfeldvektor in einem gegebenen Zeitintervall.Setting of the measuring anchor rod equipped with a 3 component seismic sensor head. The anchor is driven into theborehole with high revolution by which the epoxy glue is mixed and fixes the measuring anchor tightly to the rockmass. The hodograph in the lower right corner illustrates the particle motion of the incoming seismic signals and theresulting wave field vector in a given time window.

Abb. 3: Aufbau des pneumati-schen Impuls-Hammers für dasISIS-SystemDesign of the pneumaticalimpact hammer for the ISIS-System

Page 6: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

116

Die Gesamtlänge der Messauslagen im ZSF betrug 661m (Tab. 1). Dazu wurden 77 Sensorstäbe gesetzt, vondenen 72 mit jeweils 3 Geophonkomponenten voll ein-satzfähig waren; nur 5 Stäbe gingen durch das Testenverschiedener Design-Varianten des Geophonkopfesverloren. Die Anzahl der registrierten Schläge konnte

schrittweise von 200 auf über 800 erhöht werden. DieAnzahl der Messpunkte erhöhte sich von 13 auf 59innerhalb einer Messreihe. Insgesamt liegen jetzt von310 Messpunkten seismische Aufzeichnungen vor, dieeine Analyse von ca. 1700 laufenden Metern des Tunnelserlauben.

Abb. 4: ISIS-Testmessungen im Zugangsstollen Faido des Gotthard-Basistunnels. a) Blick auf das GFZ-MobiLab, b) der Impakt-Hammer im Einsatz an der Tunnelwand. (Fotos:R. Giese , GFZ)ISIS test measurements in the Faido Access Tunnel of the Gotthard Base Tunnel. a) view of the GFZ-MobiLab, b) impact hammer in operation at the tunnel wall.

Page 7: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

Geologie und Bautechnik

Der 2651 m lange Zugangstollen Faido (ZSF) desGotthard-Basistunnels liegt im Leventina-Gneiskom-plex der Penninischen Gneiszone. Abb. 5 zeigt das geo-logische Längsprofil des ZSF, der mit einem Gefälle von12,7 % konventionell, d.h. durch Bohren und Sprengen,vorgetrieben wird. In seinem tiefsten Bauabschnitt hat ereine Gebirgsüberlagerung von 1300 m.

Die Leventina-Gneise sind Streifengneise mit graniti-scher Zusammensetzung (51% Feldspat, 34% Quarz,14% Glimmer und 1% Akzessorien). Die verschiedenenstrukturellen Gneisvarietäten werden in quarzreiche,muskowitreiche, biotitreiche, serizitreiche und granat-führende Gneise untergliedert. Texturell findet manlagige, laminierte, augige, flasrige, porphyrische,

schiefrige und gefältelte Leventina-Gneise. Während dermehrfachen methamorphen Überprägungen bildetensich Biotit-, Amphibolit- und Quarzlinsen undQuarzbänder. Neben den methamorphen Überprä-gungsphasen wurde das Gestein auch tektonisch starkbeansprucht. Dadurch entstanden verschiedeneStörungszonen: Kataklasite, Mylonite und Kluftscharenunterschiedlicher Mächtigkeit und Ausprägung.

Die lithologischen und tektonischen Strukturelementebeeinflussen die Ausbreitung seismischer Wellen in denLeventina-Gneisen erheblich. Die geophysikalischeAuswertung und deren geologische Interpretation beieiner seismischen Vorauserkundung von bautechnischrelevanten Störungszonen stellen eine großeHerausforderung dar. Im ZSF waren zwei kataklastischeStörzonen bei Stollenmeter (SM) 973 und 2410 von

117Tab. 1: Bisherige seismische Messungen im Zugangsstollen Faido (2000 - 2001)Informations on the seismic measurements in the Faido-access tunnel (years 2000/2001)

( ) number of intact anchor rods after setting

Page 8: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

118

besonderem Interesse (vgl. Abb. 8): ein 4 m mächtigerKataklasit, der einen Stahlbetonausbau notwendigmachte, und eine 1 m breite Störzone, die durch einenSpritzbetonausbau mit erhöhter Ankerdichte gesichertwerden konnte.

Seismische Messungen und Tunneltomographie

Zur Charakterisierung der kataklastischen Störzonen inden Leventina-Gneisen werden seismische Tomogra-phien aus dem Tunnelnahbereich genutzt. Als Eingabedienen die Laufzeiten der direkten seismischen Wellen.In Abb. 6 sind die ersten 50 ms der aufgezeichnetenSeismogramme einer Horizontalkomponente aus dem

Messabschnitt von SM 890 bis SM 955 dargestellt. Diedirekten P-Wellen treten als Ersteinsatz im Zeitbereichzwischen 4 ms und 14 ms bei einem Offset von 16 mbzw. 72 m auf. Die Einsätze der direkten S-Wellen fol-gen in einem Zeitbereich von ca. 6 ms bis 26 ms.Aufgrund eines hohen Geschwindigkeitsgradienten imTunnelnahbereich dringen die direkten Wellen bis zu 10m in das Gestein ein, bevor sie zu den Empfängerngelangen. Die Tomographien bilden die Gebirgsstruk-turen des tunnelnahen Bereichs gut ab. Da dieser für geo-logische Aufnahmen direkt zugängig ist, können direkteVergleiche zwischen Geologie und Seismik durchgeführtwerden. Auch ist die Beobachtung von Trends imGeschwindigkeitsfeld um den Tunnel herum möglich.

Abb. 5: Geologisch-geotechnisches Profil des Zugangsstollens Faido. Rote Balken symbolisieren die Positionen derseismischen Messungen, und violette Balken markieren die kataklastischen Zonen bei SM 973 und SM 2410.Geological-geotechnical profile of the Faido Access Tunnel. Red bars symbolize the positions of the seismic mea-surements, and purple bars mark the position of cataclastic zones at SM 973 and SM 2410.

Abb. 6: Seismogramme einer Hori-zontalkomponente aus dem Messab-schnitt SM 890 – SM 955, Pfeilemarkieren die Ersteinsätze der P- undS-Wellen im Offsetbereich von 16 mbis 72 m.Seismic data of a horizontal compo-nent from the onsets between SM 890– SM 955, the first breaks of P- and S-waves in the offset range between 16 mand 72 m are marked by arrows.

Page 9: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

Abb. 7a zeigt das tomographische Modell für vp längsder in Vortriebsrichtung linken Tunnelwand des ZFS.Der Kernbereich der Auslage reicht von SM 890 bis SM955. Offene Kreise markieren die Quellpunkte an derTunnelwand, und schwarze Punkte geben die Positionder Geophone in 2 m Tiefe des Gesteins an. Dieschwarzen Rechtecke an der Tunnelwand symbolisierendie Abschlaglängen beim Sprengvortrieb. DieWellengeschwindigkeiten vp sind mit einem Farbinten-sitätswert kodiert, so dass Modellzonen mit geringererStrahlenüberdeckung undeutlicher erscheinen als Zonenmit höherer Strahlenüberdeckung. Die ersten 2 bis 3 mnahe der Tunneloberfläche bilden die Auflocke-rungszone. Hier fallen die vp-Werte von 5800 m/sec(Fernfeld) auf unter 3500 m/s (Ausbruchsrand) ab. Dielateralen Variationen sind nahe der Tunnelwand amgrößten und nehmen mit wachsendem Abstand von ihr ab.

Anhand der geologischen Kartierungen längs desTunnels können die Niedriggeschwindigkeitszonenzwischen SM 900 und SM 910 sowie zwischen SM 916und SM 937 mit den hier kreuzenden Störungszonenidentifiziert werden. Im tunnelnahen Bereich sind dieseZonen durch die Sprengungen und Spannungs-umlagerungen aufgeweitet. Die hohen Geschwin-digkeitswerte zwischen SM 940 und SM 947 werdendurch Quarzlinsen, die an der Tunnelwand ausstreichen,bewirkt. Ab ca. SM 920 nimmt vp in 3 bis 8 m Stoßtiefe(i.e. radialer Abstand von der Ausbruchswand) zur

kataklastischen Störzone hin ab, die bei SM 973 denTunnel quert. Das tomographische Modell in Abb. 7bliefert auch für die Scherwellen eine gute Übereinstim-mung bei der Verteilung von Niedrig- undHochgeschwindigkeitszonen im Nahfeld. Im Fernfeldnimmt vs mit Annäherung an die kataklastische Störzoneab. Der Vergleich der Farbwerte zeigt jedoch einestärkere Abnahme von vs als vp.

Abb. 7c zeigt die Tomographie des Verhältnisses vp/vs.Während ab ca. SM 935 ein erhöhter Wert von 1,9beobachtet wird, nimmt dieses Verhältnis in den ersten 2bis 3 m der Auflockerungszone niedrigere Werte zwi-schen 1,5 und 1,6 an. Das Verhältnis vp/vs korreliert mitder Querkontraktionszahl des Gesteins und ist ein guterIndikator für dessen Kompressibilität und damitAuflockerung.

Abb. 8 zeigt das aus geologischen Kartierungen erstellteModell der Störungszone bei SM 973. Wenige Meter vorder kataklastischen Zone kommt es zu einer Erhöhungder Klüftigkeit, die zu einer Verringerung von vp und vs

führt. Die Klüfte vor der kataklastischen Störung sindwasserführend. Das Wasser wirkt sich auf vp und vs

unterschiedlich aus, da Kompressionswellen aufPorenwasser sensibler reagieren als Scherungswellen.Eine Erhöhung des Porenwasseranteils führt zu einerVergrößerung des Verhältnisses vp/vs.

119

Abb. 7: Tomographische Inversion von (a) Kompressionswellengeschwindigkeit vp, (b) Scherwellengeschwindigkeitvs und (c) Verhältniss vp/vs in Richtung auf die kataklastische Störzone bei SM 973. Quell- und Empfängerpunktesind mit Kreisen und schwarzen Punkten markiert, und schwarze Balken markieren die Abschlaglängen beimSprengvortrieb.Tomographic Inversion of (a) compressional wave velocity vp, (b) shear wave velocity vs and (c) ratio vp/vs in the fore-front of the cataclastic zone at SM 973. Source and receiver points are symbolized by hollow and solid circles, andsolid bars mark tunnel advances per round.

Page 10: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

120

Die beobachteten Eigenschaften der kataklastischenStörungszone bei SM 973 stimmen gut mit Modellenvon Störungszonen im Bereich der spröd deformier-baren Oberkruste überein (z.B. Holliger K., 1996 ). DieStörungszone setzt sich aus einem stark lokalisiertenKernbereich und einer umgebenden, weiter ausgedehn-ten Störzone zusammen. In der Kernzone ist dasGestein durch Scherung zerstört. Der an die Kernzoneangrenzende gestörte Bereich kann Klüfte unter-schiedlicher Mächtigkeit und Ausprägung enthalten. ImVergleich zum ungestörten Gestein führen dieseStrukturen zu einer Erhöhung der Porosität undPermeabilität. Ein weiterer gestörter Bereich deutet aufmehrmalige tektonische Beanspruchung und Deforma-tionen hin.

Laufzeittomographien von 8 Messungen im Bereichvon SM 765 bis SM 2433 wurden berechnet, umgroßräumige Trends zu erkennen, die Rückschlüsse aufdie Struktur und Mächtigkeit der Störzonen zulassen.Abb. 9 zeigt die Werte von vp und vs in 3 m Entfernungvon der Tunnelwand. Markiert sind die kataklastischenZonen bei SM 973 und SM 2410. Bemerkenswert ist diesehr hohe Variabilität der Geschwindigkeit innerhalbder Messungen. Niedrigere Geschwindigkeiten tretenvor allem in Zonen mit hoher Kluftdichte auf. Diegroßen Geschwindigkeitsstreuungen in der Messung beiSM 1900 rühren von einer mit vielen Biotitlinsendurchsetzten Falte her. Trotz der großen Variabilität inden einzelnen Messungen lassen sich weiträumigeTrends deutlich erkennen. Ein Bereich niedrigererGeschwindigkeiten befindet sich um die kataklastischeZone bei SM 973. Von SM 1200 bis SM 1700 kommt eszu einer Zunahme der mittleren Geschwindigkeiten. AbSM 1900 nehmen die Geschwindigkeiten wieder stetigab und erreichen in der kataklastischen Kernzone beiSM 2410 erneut ein Minimum. Diese räumlichenTrends in der Geschwindigkeitsverteilung charakte-risieren das Bild der Verwerfungen, die aus kataklasti-schen Kernzonen und angrenzenden gestörtenBereichen bestehen.

Abb. 9: Seismische Wellengeschwindigkeit vp und vs dertomographischen Modelle des Zugangsstollen Faido in 3m Abstand von der Tunnelwand. Die kataklastischenZonen bei SM 973 und SM 2410 sind umgeben von wei-ten Zonen mit geringeren vp und vs, die die gestörtenBereiche des Leventina-Gneises charakterisieren.Seismic velocities vp and vs of the tomographic inver-sions in 3 m distance from the tunnel wall of the Faidoaccess tunnel. The cataclastic zones at SM 973 and SM2410 are surrounded by wider zones of decreasing wavevelocities which mark the disturbance zones in theLeventina-Gneiss.

Abb. 10: vp/vs -Verhältnisse im Zugangsstollen Faido in3 m Entfernung von der Tunnelwand. Niedrigere Wertekennzeichnen Bereiche verminderter Stabilität imBereiche der kataklastischen Zonen.vp/vs ratios in the Faido access tunnel in 3 m distance fromthe tunnel wall. A decrease of the values indicates regionsof lower stability located around the cataclastic zones.

Abb. 8: GeologischesModell der kataklastischenZone bei SM 973 mitumgebendem Störungs-bereich und KluftscharenGeological model of thecataclastic region at SM973 with disturbance zoneand fracture sets

Page 11: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

121

Die aus den Daten von Abb. 9 ermittelten vp/vs -Verhältnisse sind in der Abb. 10 dargestellt. Steigt dasGeschwindigkeitsverhältnis, sinkt die Kompressibilitätdes Gesteins und umgekehrt. Im Bereich der kataklastis-chen Störung bei SM 973 liegt ein Minimum des vp/vs-Verhältnisses. Von SM 1900 bis SM 2410 nimmt diesesVerhältnis monoton ab. Die kataklastischen Kernzonenund die angrenzenden gestörten Bereiche sind Orteerhöhter Komprimierbarkeit und geringerer mechanisch-er Stabilität.

Zusammenfassung und Ausblick

Die seismischen Messungen bei den Vortriebsarbeitenim Zugangsstollen Faido des Gotthard-Basistunnelshaben bewiesen, dass ein zuverlässiger Einsatz derHardware-Komponenten von ISIS unter Baustellen-bedingungen möglich ist. Die Anzahl der gleichzeitigenMesspunkte konnte dank des Einsatzes des GFZ-Messfahrzeugs MobiLab als Träger für die mechanischeQuelle und durch eine auf den Sprengvortrieb speziellangepasste Messlogistik ständig gesteigert werden.

Eine wesentliche Erhöhung der Anzahl der Schlägesowie der Anregungspunkte können durch eineVerbesserung der Halterung des seismischen Hammerserzielt werden. Zu diesem Zweck soll der Hammer künf-tig an einen Kleinbagger montiert werden. ErsteVersuche mit dieser Kombination wurden am GFZPotsdam erfolgreich durchgeführt. Mit Hilfe desKleinbaggers läßt sich die Quelle wesentlich besser undschneller positionieren, so dass die Quellpunkte in unter-schiedlichen Höhen und auf der Tunnelsohle gesetztwerden können. Die Quell- und Empfänger-Arrays sindauf diese Weise sogar optimierbar.

Die seismischen Messungen im Tunnel haben gezeigt,dass eine Früherkennung der kataklastischen Störzonenim Leventina-Gneis über die Abnahme der seismischenGeschwindigkeiten möglich ist. Die Ausdehnung desgestörten Bereiches ist erheblich größer als die derkataklastischen Kernzone. Gleichbleibende oderzunehmende Geschwindigkeiten im Tunnelnahbereichschließen dagegen das Auftreten von kataklastischenZonen in Vortriebsrichtung für die nächsten 100 bis 200m mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Diese Informationist für den Tunnelbauer wesentlich.

Die im ZSF gemessenen seismischen Daten werdenauch zur Erstellung realistischer Modelle vonKataklasezonen genutzt. Die Modellierung soll denEinfluss des komplexen Tunnelnahfeldes auf das reflek-tierte Wellenfeld zeigen und die Reichweite derReflexionsseismik bei unterschiedlichem Heteroge-nitätsgrad des Gebirges ermitteln.

Literatur

Borm, G., Giese, R., Otto, P., Dickmann, Th., Amberg, F., 2001.Integrated Seismic Imaging System for geological prediction ahead inunderground construction. Rapid Excavation and TunnelingConference (RETC), June 11.-13., San Diego USA.

Borm, G., Giese R., Schmidt-Hattenberger, C., Bribach, J. 1999.Verankerungseinrichtung mit seismischem Sensor (Anchoring systemwith seismic sensor). German Patent Appl. 198 52 455.2; EuropeanPatent Appl. 99120626.9-2316; Japanese Patent Appl. HEI 11-322268.

Borm, G. und Otto, P. (2001): Vorrichtung zur Erzeugung mechanisch-er Schwingungen in einem festen Material. Deutsche Patentanmeldung101 41 518.4

Holliger, K. 1996. Fault scaling and 1/f noise scaling of seismic veloc-ity fluctuations in the upper crystalline crust. Geology. v. 24. no. 12, p.1103-1106.

Otto, P. und Borm, G. (2000): Pneumatischer Impulsgenerator fürUntertageseismik; Deutsche Patentanmeldung: 199 44 032.8

Page 12: GFZ Bericht 13 Tunnelbau

122