GIaktuell - HDI · dieser als begründet erwiese, weshalb nochein getrennter Haftpflichtprozess zu...

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Informationen für wirtschaftsprüfende, rechts- und steuerberatende Berufe Nr. 3 / Juni 2016 / 36. Jahrgang GI aktuell Inhalt Editorial 65 GI News 66 GI Entscheidungen 66 GI Literaturhinweis 96 GI Literatur-Ecke 96 Versicherungsrecht 66 Trennungsprinzip / Abtretung des Deckungsanspruchs (BGH, Urt. v. 20.4.2016 – IV ZR 531/14) Anwaltshaftung 68 Vorteilsausgleichung / Betreuungsunterhalt / Familienunterhalt (BGH, Urt. v. 16.3.2016 – XII ZR 148/14) Insolvenzverwalterhaftung 71 Verjährung des Schadenersatzanspruchs / Anspruch des Insolvenzschuldners / Ersatz des Gesamtschadens / Verkürzung der Insolvenzmasse / Verjährungsbeginn (BGH, Urt. v. 16.7.2015 – IX ZR 127/14) Steuerberaterhaftung 73 Schaden / Verschmelzung / Verlustvorträge / Entgangene Verlustvorträge (BGH, Beschl. v. 5.12.2013 – IX ZR 6/13) Steuerberaterhaftung 75 Abschlusserstellung / Plausibilitätsprüfung / Insolvenzreife / Hinweispflichten (OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.12.2015 – 1 U 13/12) Versicherungsschutz 83 Finanz- und Versicherungsmakler / Risikoausschlüsse / Vermittlung/Empfehlung von Geldgeschäften / Trennbare Beratungsteile / Wissentliche Pflichtverletzung / Kündigung der Lebensversicherung (OLG Köln, Urt. 24.7.2015 – 20 U 44/15) Anwaltsvertrag 86 Mandant: Bundesland / Dritthaftung gegenüber Minister- präsidenten? / Leistungsnähe / Spezifischer Risikozusammenhang / Drittschutz des GmbH-Geschäftsführers (LG Stuttgart, Urt. v. 24.2.2015 – 9 O 108/14) Versicherungsschutz 94 Honorarrückzahlungsanspruch / Rückforderungsanspruch in Form des Schadenersatzanspruchs / Verjährung gemäß § 12 VVG a.F. (LG Darmstadt, Urt. v. 4.3.2014 – 17 O 142/13)

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Informationen für wirtschaftsprüfende, rechts- und steuerberatende Berufe

Nr. 3 / Juni 2016 / 36. Jahrgang

GI aktuell

Inhalt

Editorial 65

GI News 66

GI Entscheidungen 66

GI Literaturhinweis 96

GI Literatur-Ecke 96

Versicherungsrecht 66Trennungsprinzip / Abtretung des Deckungsanspruchs(BGH, Urt. v. 20.4.2016 – IV ZR 531/14)

Anwaltshaftung 68Vorteilsausgleichung / Betreuungsunterhalt / Familienunterhalt(BGH, Urt. v. 16.3.2016 – XII ZR 148/14)

Insolvenzverwalterhaftung 71Verjährung des Schadenersatzanspruchs / Anspruch desInsolvenzschuldners / Ersatz des Gesamtschadens /Verkürzung der Insolvenzmasse / Verjährungsbeginn(BGH, Urt. v. 16.7.2015 – IX ZR 127/14)

Steuerberaterhaftung 73Schaden / Verschmelzung / Verlustvorträge / EntgangeneVerlustvorträge(BGH, Beschl. v. 5.12.2013 – IX ZR 6/13)

Steuerberaterhaftung 75Abschlusserstellung / Plausibilitätsprüfung / Insolvenzreife /Hinweispflichten(OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.12.2015 – 1 U 13/12)

Versicherungsschutz 83Finanz- und Versicherungsmakler / Risikoausschlüsse /Vermittlung/Empfehlung von Geldgeschäften / TrennbareBeratungsteile / Wissentliche Pflichtverletzung / Kündigungder Lebensversicherung(OLG Köln, Urt. 24.7.2015 – 20 U 44/15)

Anwaltsvertrag 86Mandant: Bundesland / Dritthaftung gegenüber Minister-präsidenten? / Leistungsnähe / Spezifischer Risikozusammenhang /Drittschutz des GmbH-Geschäftsführers(LG Stuttgart, Urt. v. 24.2.2015 – 9 O 108/14)

Versicherungsschutz 94Honorarrückzahlungsanspruch / Rückforderungsanspruch in Formdes Schadenersatzanspruchs / Verjährung gemäß § 12 VVG a.F.(LG Darmstadt, Urt. v. 4.3.2014 – 17 O 142/13)

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Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Der Geschädigte kann nach aktueller Klarstellung des BGHausnahmsweise eine Schadenersatzklage direkt gegen denBerufshaftpflichtversicherer eines insolventen Notars, Steuer-beraters oder Anwalts erheben, wenn ihm der Insolvenzver-walter den Versicherungsanspruch wirksam abgetreten hat.

Ein Insolvenzschuldner kann den Insolvenzverwalter aufSchadenersatz in Anspruch nehmen, wenn dieser versäumte,vor Verjährungseintritt, einen zur Insolvenzmasse gehören-den Anspruch geltend zu machen und dadurch die Masse ge-schädigt hat. Die Verjährung dieses Schadenersatzanspruchsbeginnt erst mit Rechtskraft des Beschlusses über die Auf-hebung des Insolvenzverfahrens.

Der BGH bestätigt, dass der nach den Grundsätzen desGesamtvermögensvergleichs zu ermittelnde Schaden sichallein auf den Steuerverlust beschränken kann. Im Entschei-dungsfall war eine Verschmelzung von 2 GmbH’s in der„falschen“ Richtung durchgeführt worden. Es verfiel der Ver-lustvortrag der verschmolzenen GmbH, da er auf die über-nehmende GmbH nicht überging. Durch Verschmelzung inder „richtigen“ Richtung wäre ein wirtschaftlich identischesUnternehmen entstanden. Hier bedarf es keines Vortrags zuVorteilen bei der Alternativgestaltung durch Kosteneinspa-rungen oder Synergieeffekten.

Den Steuerberater trifft im Rahmen eines steuerrechtlichenMandats bei der Bilanzerstellung ohne greifbare, ins Augespringende Anhaltspunkte keine Pflicht, den Geschäftsführereiner GmbH auf eine mögliche Insolvenzreife hinzuweisen.Das OLG Saarbrücken schließt sich in dieser Frage der Recht-sprechung des BGH an. Schadenersatzansprüche könnenaber entstehen, wenn er die Bilanz fehlerhaft erstellt unddeshalb ein falsches Bild der wirtschaftlichen Situation wie-dergegeben wurde.

Das LG Stuttgart hat die Feststellungsklage eines ehemaligenMinisterpräsidenten gegen einen Rechtsanwalt wegen Falsch-beratung des Landes zurückgewiesen. Es gebe keine Dritt-schutzwirkung des Anwaltsvertrages. Der Anwaltsvertrag mitdem Land diene nicht auch dem Schutz des Ministerpräsi-denten.

Ihr Dr. Jürgen Gräfe

Dr. Jürgen GräfeRechtsanwalt

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nem Recht – die beklagte Anwaltssozietät unter anderemwegen unnütz aufgewandter Prozesskosten bei der Verfol-gung von Schadenersatzansprüchen gegen einen Notar inAnspruch. Diese Ansprüche beruhen darauf, dass dem Notarbei der vertraglichen Gestaltung der Übertragung von ins-gesamt elf Grundstücken Fehler unterlaufen sind, die zumdoppelten Anfall der Grunderwerbsteuer bei den Erwerbernführten. Bei diesen Erwerbern handelt es sich um eine Gesell-schaft bürgerlichen Rechts, an der der Kläger zu 1) beteiligtist, die Klägerin zu 2) und einen Rechtsanwalt, der seineAnsprüche gegen die Beklagte an den Kläger zu 1) abge-treten hat (im Folgenden als Zedent bezeichnet).

Die Beklagte war von den Klägern und dem Zedenten mitder Geltendmachung dieser Ansprüche mandatiert worden,nachdem der Notar verstorben und Nachlassinsolvenz ange-ordnet worden war. Die Insolvenzverwalterin erkannte diezur Tabelle angemeldeten Schadenersatzansprüche gegenden Notar nicht an, trat jedoch die Freistellungsansprüchedes Notars aus seiner Berufshaftpflichtversicherung gegenden Versicherer an die Erwerber ab.

Die Beklagte erhob für den Zedenten zunächst bezüglich ei-nes von ihm erworbenen Grundstücks Klage gegen den Ver-sicherer auf Zahlung, hilfsweise Feststellung der Deckungs-pflicht. Hierbei sollte es sich nach Vorstellung der Beteiligtenum einen Musterprozess handeln. In erster Instanz wurdediese Klage zwar mit dem Hauptantrag abgewiesen, jedochstellte das LG auf den Hilfsantrag fest, dass der Versichererverpflichtet sei, Leistungen in Höhe von 36.040 EUR zu ge-währen.

Daraufhin erhob die Beklagte nunmehr für die Kläger Feststel-lungsklagen gegen den Versicherer auch bezüglich aller wei-teren Grundstücke. Diese Klagen wurden wegen fehlenderAktivlegitimation abgewiesen. Die Abtretung des Deckungs-anspruchs durch die Insolvenzverwalterin sei wegen des in§ 7 Ziff. 3 AHB der Haftpflichtversicherung des Notars ent-haltenen Abtretungsverbots mangels Zustimmung des Ver-sicherers unwirksam.

Parallel dazu wies das OLG im Berufungsverfahren des erstenProzesses darauf hin, dass auf den Hilfsantrag nur die Fest-stellung der Deckungspflicht, aber keine Entscheidung überden Haftpflichtanspruch möglich sei. Auf eine dahingehendeAntragsbeschränkung des dortigen Klägers erging (nur noch)ein Anerkenntnisurteil des Inhalts, dass die dortige Beklagteverpflichtet sei, Leistungen zu gewähren, soweit sich dervom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch „alsbegründet erweisen sollte“.

Anschließend machten die Erwerber den Haftpflichtanspruchgegen den Notar gerichtlich gegenüber der Insolvenzverwal-terin geltend.

Im vorliegenden Rechtsstreit nehmen die Kläger die Beklagteunter anderem auf Ersatz der unnütz aufgewandten Prozess-kosten in den wegen der fehlenden Aktivlegitimation erfolg-losen Prozessen gegen den Versicherer in Anspruch.

GI News

BFH: Steueransprüche verjähren nicht amWochenende

Fällt das Jahresende auf einen Sonntag, einen gesetzlichenFeiertag oder einen Samstag, endet die Festsetzungsfrist fürAnsprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erst mit Ablaufdes nächstfolgenden Werktags, wie der BFH mit Urteil vom20.1.2016 – VI R 14/15 entschieden hat.

Im Streitfall beantragte ein Arbeitnehmer für 2007 die sog.Antragsveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkom-mensteuergesetzes (EStG). Der Antrag ist innerhalb der sog.Festsetzungsfrist zu stellen. Diese Frist beginnt mit Ablaufdes Jahres der Steuerentstehung und beträgt vier Jahre. DerAntrag ging im konkreten Fall beim FA erst am 2.1.2012 ein.FA und FG sahen dies als verspätet an, da die Festsetzungs-frist bereits mit Ablauf des 31.12.2011 geendet habe.

Dem ist der BFH entgegengetreten. Der Kläger habe dengemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG erforderlichen Antragrechtzeitig gestellt. Zwar verjähre die Einkommensteuer 2007eigentlich mit Ablauf des Jahres 2011. Als Besonderheit seiaber zu berücksichtigen, dass das Jahresende 2011 auf einenSamstag gefallen sei. In einem solchen Fall trete Verjährungnicht mit Ablauf des 31.12., sondern nach § 108 Abs. 3 derAbgabenordnung erst mit Ablauf des nächsten Werktagesund damit am 2.1.2012 ein. Folglich sei der Kläger – ent-gegen der Auffassung von FA und FG – für 2007 zur Ein-kommensteuer zu veranlagen.

Die Entscheidung des BFH ist auch für die Verjährung zumJahresende 2016 von Bedeutung, da der 31.12.2016 aufeinen Samstag fällt.(BFH, Urt. v. 20.1.2016 – VI R 14/15)

Pressemitteilung des BFH v. 30.3.2016 •

Versicherungsrecht• Trennungsprinzip• Abtretung des Deckungsanspruchs(BGH, Urt. v. 20.4.2016 – IV ZR 531/14)

Leitsatz:Das Trennungsprinzip in der Haftpflichtversicherungsteht einer unmittelbaren Inanspruchnahme des Versi-cherers durch den Geschädigten auch ohne vorherigeFeststellung des Haftpflichtanspruchs nicht entgegen,wenn der Deckungsanspruch wirksam an den Geschä-digten abgetreten ist. •

Zum Sachverhalt:Die Kläger nehmen – teils aus eigenem, teils aus abgetrete-

Diese Kosten in Höhe von insgesamt 36.963,86 EUR hat dasLG den Klägern durch Teilurteil zuerkannt. Die dagegen ge-richtete Berufung der Beklagten hat das OLG zurückgewie-sen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. •

Aus den Gründen:Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisungder Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Prozesse gegenden Versicherer seien überflüssig gewesen, weil die entschei-dende Frage nach der Haftung des Notars im vorweggenom-menen Deckungsprozess wegen des in der Haftpflichtver-sicherung geltenden Trennungsprinzips nicht hätte geklärtwerden können.

Die Beklagte hätte hierfür den sichersten Weg, nämlich einVorgehen gegen die Insolvenzverwalterin, wählen müssen.Die Klagen gegen den Versicherer hätten nur verloren gehenoder eine wertlose Feststellung zum Deckungsanspruch her-beiführen können. Sie seien daher wirtschaftlich sinnlos ge-wesen. Darüber, dass die Leistungspflicht des Versicherersmit den erhobenen Klagen nicht zu klären gewesen sei, habedie Beklagte die Kläger und den Zedenten nicht genügendaufgeklärt.

Selbst wenn die Kläger die weitere Problematik des Abtre-tungsverbots hätten erkennen müssen, entlaste das die Be-klagte nicht von eigenen Informations- und Beratungspflich-ten. Es gebe keine ausreichenden Hinweise darauf, dass demZedenten die zentrale, sich aus dem Trennungsprinzip erge-bende Problematik bewusst gewesen sei, wonach allenfallsein Feststellungsurteil mit der Einschränkung habe erwirktwerden können, dass der Versicherer wegen des Schaden-ersatzanspruchs Deckung zu gewähren habe, soweit sichdieser als begründet erwiese, weshalb noch ein getrennterHaftpflichtprozess zu führen wäre.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dassbereits das in der Haftpflichtversicherung grundsätzlich gel-tende Trennungsprinzip einem Erfolg der Klagen gegen denVersicherer von vornherein entgegengestanden habe.

a) Dieses Trennungsprinzip besagt, dass grundsätzlich imHaftpflichtprozess zu entscheiden ist, ob und in welcherHöhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber haf-tet, und im Deckungsprozess geklärt wird, ob der Versichererdafür eintrittspflichtig ist (Senatsurt. v. 18.5.2011 – IV ZR168/09, VersR 2011, 1003 Rdnr. 16 m.w.N.; st. Rspr.).

Das ist im Streitfall nicht deshalb anders, weil über den Nach-lass des haftpflichtigen Notars das Nachlassinsolvenzverfah-ren eröffnet worden ist. Ein Direktanspruch des Geschädig-ten, wie er heute in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG geregeltist, besteht nicht, weil die Pflichtverletzung des Notars imJahre 2001 geschah, der Versicherungsfall also vor demStichtag des Art. 1 Abs. 2 EGVVG eintrat und deshalb dasVersicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31.12.2007 gel-

GIaktuell Nr. 3/Juni 2016 67

tenden Fassung (im Folgenden VVG a.F.) anzuwenden ist.Den Klägern stand daher lediglich das Absonderungsrechtdes § 157 VVG a.F. zu (vgl. auch § 110 VVG 2008).

Zwar kann dieses Recht auf abgesonderte Befriedigung eben-falls dazu führen, dass der Geschädigte den Haftpflichtversi-cherer des Schädigers auch ohne Pfändung und Überweisungdes Deckungsanspruchs unmittelbar auf Zahlung in Anspruchnehmen kann. Dies gilt aber nur, wie der Senat mehrfachentschieden hat, unter der weiteren Voraussetzung, dass derHaftpflichtanspruch des Geschädigten gemäß § 154 Abs. 1Satz 1 VVG a.F. festgestellt worden ist, weil dieser durch§ 157 VVG a.F. keine weitergehende Rechtsstellung als derVersicherungsnehmer erlangt (Senatsurt. v. 17.3.2004 –IV ZR 268/03, VersR 2004, 634 unter II 2 juris Rdnr. 11; v.7.7.1993 – IV ZR 131/92, VersR 1993, 1222 unter 1b jurisRdnr. 7; v. 9.1.1991 – IV ZR 264/89, VersR 1991, 414 unter2 juris Rdnr. 16). An einer solchen Feststellung fehlte es hier.Insbesondere hatte die Insolvenzverwalterin den Anspruchnicht anerkannt.

b) Verkannt hat das Berufungsgericht aber, dass eine Aus-nahme vom Grundsatz der Notwendigkeit vorheriger Fest-stellung des Haftpflichtanspruchs im Falle einer wirksamenAbtretung des Deckungsanspruchs an den Geschädigten gilt,so dass sich Haftungs- und Deckungsanspruch in einer Handvereinigen, wie der Senat ebenfalls bereits in zwei Fällen ent-schieden hat (Senatsurt. v. 13.2.1980 – IV ZR 39/78, VersR1980, 522 unter I juris Rdnr. 10 und v. 12.3.1975 – IV ZR102/74, VersR 1975, 655 unter 1 b juris Rdnr. 13 f).

Diese Ausnahme gilt nicht nur für die dort entschiedenenSachverhalte einer Abtretung nach § 38 Abs. 3 KVO oder beiTransportverträgen, die dem Übereinkommen über den Be-förderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr(CMR) unterliegen. Vielmehr hat der Senat in der jüngerender beiden Entscheidungen ganz allgemein ausgesprochen,dass die Gründe, die gegen die Behandlung der Haftpflicht-frage und der Deckungsfrage in einem einheitlichen Prozesssprechen, dann nicht durchgreifen, wenn der Schädigerseine Deckungsansprüche wirksam an den Geschädigten ab-getreten hat (Senatsurt. v. 13.2.1980, a.a.O.).

Auch im vorherigen Urteil hat er bereits allgemein ausgeführt,dass das Trennungsprinzip in Fällen entwickelt worden ist,in denen Haftpflichtanspruch und Deckungsanspruch nicht ineiner Hand vereinigt waren (Senatsurt. v. 12.3.1975, a.a.O.,juris Rdnr. 13), dass der Haftpflichtgläubiger aber nach einerwirksamen Abtretung den Versicherer auch dann auf Zahlungin Anspruch nehmen könne, wenn die Haftpflichtfrage imHaftpflichtverhältnis noch nicht geklärt sei (ebenso OLGStuttgart, VersR 2000, 881 juris Rdnr. 27; a.A. KG VersR2007, 349 unter 1b juris Rdnr. 20). Der unmittelbare Zah-lungsanspruch in diesem Fall folge auch aus dem Umstand,dass Haftpflichtanspruch und Deckungsanspruch nunmehr ineiner Hand vereinigt seien; es sei nicht einzusehen, warumder Haftpflichtgläubiger, dem nach der Abtretung beideAnsprüche zustehen, in einem Deckungsprozess die Haft-pflichtfrage nicht zur Vorfrage machen dürfe (Senatsurt. v.12.3.1975, a.a.O., unter 1b juris Rdnr. 14).

Feststellungen getroffen wie zu der Frage, ob eine eventuellePflichtverletzung kausal für die Entscheidung der Kläger zurKlageerhebung gegen den Versicherer gewesen ist. DieSache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverwei-sen, um ihm die Nachholung dieser Feststellungen zu ermög-lichen. •

Anwaltshaftung• Vorteilsausgleichung• Betreuungsunterhalt• Familienunterhalt(BGH, Urt. v. 16.3.2016 – XII ZR 148/14)

Leitsatz:Schließt die Gläubigerin eines Anspruchs auf Betreu-ungsunterhalt aus § 1615I Abs. 2 Satz 2 BGB aufgrundeiner fehlerhaften Beratung durch ihren Rechtsanwaltüber den Fortbestand des Anspruchs bei Eheschließungdie Ehe mit einem neuen Partner, kann der Wegfalldes Anspruchs auf Betreuungsunterhalt durch den An-spruch auf Familienunterhalt kompensiert werden. •

Zum Sachverhalt:Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadenersatz wegenunrichtiger anwaltlicher Auskunft.

Die Klägerin ist Mutter einer im Oktober 2010 nichtehelichgeborenen Tochter. Sie beauftragte den Beklagten, derRechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht ist, mit derGeltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen denVater ihres Kindes.

In einer E-Mail vom 4.5.2011 teilte die Klägerin dem Beklag-ten mit, dass sie in einer neuen Partnerschaft lebe und eineHeirat sowie weitere Kinder plane. Auf den Unterhalt nach§ 1615I Abs. 2 Satz 2 BGB, der ihr bis zur Vollendung desdritten Lebensjahres zustehe, wolle sie einerseits nicht ver-zichten, andererseits aber auch nichts mehr mit dem Kindes-vater zu tun haben.

Sie regte daher an, sich mit diesem auf eine Hochrechnungihres Unterhalts für die drei Jahre zu einigen. Sollte dieserdaran kein Interesse haben, sei sie auch gern bereit, bis zumAblauf ihres Unterhaltsanspruchs in „wilder Ehe“ mit ge-trennten Wohnungen zu leben, um „voll zu kassieren“. Siebat den Beklagten um Rat für das weitere Vorgehen.

Der Beklagte antwortete mit E-Mail vom 17.5.2011, derUnterhaltsanspruch nach § 1615I Abs. 2 BGB bestehe min-destens für die dreijährige Regelbetreuung der Tochter unddauere auch fort, wenn die Klägerin heiraten oder in ande-rer „Lebenspartnerschaft“ leben sollte. Sie müsse nicht in„wilder Ehe“ leben. Die Eheschließung ändere grundsätzlichnichts am Unterhaltsanspruch gegen den Kindesvater.

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Anderes ergibt sich nicht aus dem Senatsurteil vom15.11.2000 (IV ZR 223/99, VersR 2001, 90). Diese Entschei-dung befasst sich nur mit dem dort hilfsweise verfolgtenDeckungsanspruch, nachdem die Revision wegen des abge-wiesenen Zahlungsanspruchs nicht angenommen wordenwar. Die Feststellung einer wirksamen Abtretung desDeckungsanspruchs liegt diesem Urteil nicht zugrunde.

Auch die herrschende Meinung in der Literatur ist bereits fürdas VVG a.F. davon ausgegangen, dass der Geschädigte,dem der Deckungsanspruch wirksam abgetreten ist, direkteZahlungsklage gegen den Versicherer erheben kann (Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 156 Rdnr. 11;Baumann, VersR 2010, 984, 985 f; Hösker, VersR 2013,952, 954; v. Rintelen in: Späte/Schimikowski, Haftpflichtver-sicherung 2. Aufl. 1 AHB Rdnr. 359).

c) Danach stand das Trennungsprinzip einem Klageerfolgnicht entgegen, sofern die Abtretung des Deckungsanspruchsauch ohne Zustimmung des Versicherers wirksam war bzw.der Versicherer sich auf seine fehlende Zustimmung wegenTreuwidrigkeit nicht berufen durfte. In diesem Fall wäre eineKlärung der Haftpflichtfrage bei richtiger Rechtsanwendungdurch die Gerichte gewährleistet gewesen und die erhobe-nen Klagen wären nicht von vornherein wirtschaftlich sinnlosgewesen, so dass die Beklagte jedenfalls die vom Berufungs-gericht angenommene Pflichtverletzung nicht begangen hat.

2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderenGründen als richtig (§ 561 ZPO); ob die Beklagte den Klägernanderweitig wegen Anwaltsverschuldens haftet, kann auf-grund der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteiltwerden.

Der Rechtsanwalt muss die Erfolgsaussichten des Begehrensseines Mandanten umfassend prüfen und den Mandantenhierüber belehren. Dazu hat er dem Auftraggeber densichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihnüber mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zueiner sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. Die mit derErhebung einer Klage verbundenen Risiken muss der Rechts-anwalt nicht nur benennen, sondern auch deren ungefähresAusmaß abschätzen (BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10,VersR 2013, 102 Rdnr. 22 m.w.N.; st. Rspr.).

Insoweit stellt sich die Frage, ob die Beklagte über das Risiko,dass die Abtretung an die Kläger möglicherweise unwirksamwar, ausreichend belehrt hat. Da die Wirksamkeit der Abtre-tung nach einer in den Versicherungsbedingungen enthalte-nen Klausel von der Zustimmung des Versicherers abhängensollte, konnten die Klagen nur Erfolg haben, wenn das Beru-fen des Versicherers auf die fehlende Zustimmung treuwidrigwar.

Ob insoweit eine zum Schadenersatz führende Pflichtverlet-zung der Beklagten auch unbeschadet des bei wirksamerAbtretung nicht eingreifenden Trennungsprinzips zu bejahenist, kann im gegenwärtigen Verfahrensstand nicht beurteiltwerden. Hierzu hat das Berufungsgericht – von seinemRechtsstandpunkt aus konsequent – bislang ebenso keine

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Die Klägerin heiratete daraufhin im August 2011. Ihr Ehe-mann ist leitender kaufmännischer Angestellter mit einemmonatlichen Bruttoeinkommen von 7.200 EUR. Die Klägerinverlangt Schadenersatz wegen entgangenen Unterhalts nach§ 1615I Abs. 2 Satz 2 BGB für die Zeit von der Eheschlie-ßung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindesin Höhe von 31.173 EUR.

Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. DasBerufungsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklag-ten abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revi-sion der Klägerin. •

Aus den Gründen:Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil inFamRZ 2015, 882 veröffentlicht ist, haftet der Beklagte ge-mäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Schlechterfüllung desanwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags dem Grundenach auf Ersatz des hierdurch verursachten Schadens. Dievom Beklagten erteilte Auskunft, der Unterhaltsanspruchbestehe auch bei Heirat fort, sei nicht korrekt und stelle eineschuldhafte Verletzung der anwaltlichen Beratungspflichtdar.

Der Beklagte habe darauf hinweisen müssen, dass der Unter-haltsanspruch der nichtehelichen Mutter nach der Recht-sprechung des BGH bei einer Verheiratung analog § 1586Abs. 1 BGB in Wegfall gerate. Im Hinblick auf die am1.1.2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsreform habeder Beklagte zudem auf die Problematik hinweisen müssen,ob eine Analogie zu § 1586 BGB noch möglich sei, weil derGesetzgeber dazu keine ausdrückliche Regelung getroffenhabe, und insoweit ein hohes Prozess- und Kostenrisiko be-standen habe.

Bei richtiger Auskunft hätte die Klägerin von einer Heirat ab-gesehen, um ihren Unterhaltsanspruch nicht zu gefährden,was sie schon bei ihrer Anfrage zum Ausdruck gebrachthabe. Der Willensentschluss beruhe psychisch kausal auf deranwaltlichen Fehlberatung.

Problematisch sei jedoch, ob überhaupt und, falls ja, in wel-cher Höhe der Klägerin ein Unterhaltsschaden entstandensei. Folge man der Ansicht, dass eine analoge Anwendungdes § 1586 BGB nicht mehr möglich sei, so bestünde derUnterhaltsanspruch der Klägerin nach § 1615I BGB fort.Letztlich bedürfe dies aber keiner abschließenden Entschei-dung, da die Klägerin den geltend gemachten Unterhalts-schaden nicht schlüssig vorgetragen und ein solcher jeden-falls durch die aus der Eheschließung erwachsenden Vorteilekompensiert worden sei (Vorteilsausgleich).

Die Klägerin habe zu ihrem Unterhaltsbedarf und zur Leis-tungsfähigkeit nur unvollständig vorgetragen, denn sie habesich nicht zu den Einkommensverhältnissen des Kindesvaterserklärt. Der Bedarf bestimme sich zwar nach der eigenenLebensstellung des betreuenden Elternteils, werde jedochdurch den Halbteilungsgrundsatz auf den Betrag begrenzt,

der sich in Folge einer (fiktiven) Heirat mit dem Kindesvaterals Quotenunterhalt ergeben würde. Dies erfordere die Dar-legung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen.

Unabhängig von der mangelnden Schlüssigkeit stehe demSchadenersatzbegehren der Grundsatz des schadenersatz-rechtlichen Vorteilsausgleichs entgegen. Die Klägerin habedurch die Heirat nicht nur ihren Unterhaltsanspruch nach§ 1615I BGB für die Dauer der Ehe verloren, sondern zu-gleich die Rechtsstellung als Ehepartnerin erlangt. Zu dieserRechtsstellung gehöre unter anderem der Anspruch aufFamilienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB. Vorteil undNachteil seien kongruent. Beide Ansprüche seien unterhalts-rechtlicher Natur und auf Bedarfsdeckung eines Berechtigtengerichtet.

Einer Anrechnung stünden auch Sinn und Zweck des Scha-denersatzes nicht entgegen, der nur darin bestehe, den tat-sächlichen Nachteil auszugleichen, nicht aber eine mehrfacheBedarfsdeckung zu ermöglichen. Die Anrechnung sei derKlägerin auch zumutbar. Der Gesetzgeber habe mit denRegelungen in §§ 1586, 1586a BGB die Subsidiarität desbisherigen Unterhaltsanspruchs im Fall der Eheschließungnormiert und sich damit gegen eine Kumulation oder An-spruchskonkurrenz entschieden. Dies dürfe nicht im Wegedes Schadenersatzes zu einer Anspruchshäufung modifiziertwerden. Der Beklagte werde dadurch auch nicht unange-messen entlastet.

II. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen,dass der Beklagte die Rechtsprechung des Senats zur ent-sprechenden Anwendung des § 1586 BGB auf den Unter-haltsanspruch nach § 1615I Abs. 2 Satz 2 BGB (Senatsurt.BGHZ 161, 124 = FamRZ 2005, 347) nicht berücksichtigthatte und daher dem Grunde nach wegen anwaltlicherFalschberatung gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadenersatzverpflichtet ist.

2. Ein möglicher ersatzfähiger Schaden liegt darin, dass dieKlägerin wegen der Falschberatung früher als von ihr unterdiesen Umständen vorgesehen geheiratet hat und demzufolgeihr Unterhaltsanspruch gegen den Vater ihres Kindes wegge-fallen ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats erlischt der Unter-haltsanspruch gemäß § 1615I Abs. 2 Satz 2 BGB analog§ 1586 BGB mit der Verheiratung des unterhaltsberechtigtenElternteils. Der Senat hat dies damit begründet, dass dasGesetz für den Unterhaltsanspruch nach § 1615I BGB – imGegensatz zum nachehelichen Unterhaltsanspruch nach§ 1570 BGB – keine ausdrückliche Regelung enthält, wie zuverfahren ist, wenn die unterhaltsberechtigte Mutter einenanderen Mann als den Vater ihres Kindes heiratet, und hatdarin eine unbewusste Regelungslücke gesehen.

Wenn der Gesetzgeber trotz der großen Nähe zu dem An-spruch aus § 1570 BGB von einer dem § 1586 Abs. 1 BGBentsprechenden Regelung abgesehen, dessen Anwendung

hat das OLG in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2014ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Beklagte die Leis-tungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen bestritten hat. Dieunterlassene Zurückweisung des diesbezüglichen Beklagten-vortrags als verspätet kann, worauf die Revisionserwiderungzutreffend hinweist, in der Revisionsinstanz nicht gerügtwerden (vgl. BGH, Urt. v. 13.2.2006 – II ZR 62/04, NJW-RR2006, 760 Rdnr. 14 m.w.N.). Ob der Beklagte die Leistungs-fähigkeit demnach vollständig oder nur teilweise bestrittenhat, kann offenbleiben, weil die Klägerin jedenfalls gehaltenwar, das bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigendeEinkommen des Unterhaltspflichtigen vorzutragen.

b) Auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, dassein – unterstellter – Unterhaltsschaden jedenfalls nach denGrundsätzen des Vorteilsausgleichs kompensiert worden ist,trägt die Abweisung der Klage. Denn durch die Heirat ist einAnspruch der Klägerin auf Familienunterhalt nach § 1360 BGBbegründet worden, der an die Stelle des Unterhaltsanspruchsnach §1615 1 Abs. 2 Satz 2 BGB getreten ist.

Der nach §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB zu leistende Scha-denersatz umfasst alle Nachteile, die der Geschädigte vergli-chen mit dem hypothetischen schadensfreien Verlauf erlittenhat. Bei der Bemessung des Schadenersatzes sind hingegennicht nur die dem Verletzten ungünstigen, sondern auch dieihm schadenbedingt günstigen Veränderungen zu berück-sichtigen. Dementsprechend dürfen schädliche und nützlicheFolgen des schädigenden Verhaltens nicht voneinander ge-trennt werden. Daher sind mit dem Schaden verbundene Vor-teile grundsätzlich auf den Schaden anzurechnen (Vorteilsaus-gleich; vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2009 – VII ZR 233/08, NJW2010, 675, 676; Staudinger/Schiemann BGB [2005], § 249Rdnr. 132; Palandt/Grüneberg BGB, 75. Aufl., Vorbem. § 249Rdnr. 67 ff m.w.N.).

Voraussetzung für eine solche Anrechnung ist, dass Schaden-eintritt und Vorteil im adäquaten Ursachenzusammenhangstehen. Das ist beim Verlust des Unterhaltsanspruchs nach§ 1615I Abs. 2 Satz 2 BGB und dem Entstehen des Anspruchsauf Familienunterhalt, die beide aus der Eheschließung re-sultieren, unzweifelhaft der Fall. Die außerdem erforderlicheKongruenz zwischen Vor- und Nachteil hat das Berufungs-gericht zutreffend unter Hinweis darauf bejaht, dass beideAnsprüche als Unterhaltsansprüche zur Deckung des Lebens-bedarfs der Klägerin bestimmt sind und den gesamtenLebensbedarf der (jeweils) nicht erwerbstätigen Klägerin ab-decken. Dass der Unterhalt nach § 1360 BGB – abgesehenvon Wirtschafts- und Taschengeld – nicht ohne Weiteres inGeld zu leisten ist, ändert nichts daran, dass er zur Deckungdes gesamten Lebensbedarfs bestimmt ist.

Schließlich stehen der Anrechnung des Familienunterhalts aufden durch die Falschberatung des Beklagten entstandenenUnterhaltsschaden auch keine mit der Zuerkennung des Scha-denersatzanspruchs verbundenen Wertungsgesichtspunkteentgegen. Die Revision weist allerdings zutreffend darauf hin,dass es sich beim Familienunterhalt um gegenseitige Pflich-ten der Ehegatten handelt und der Anspruch aus § 1360BGB sich insoweit von demjenigen aus § 1615I BGB unter-

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aber auch nicht ausgeschlossen hat, kann das nur auf einerunbeabsichtigten Regelungslücke beruhen. Daher ist schonzur Gleichbehandlung einer geschiedenen Mutter mit der Mut-ter eines nichtehelichen Kindes im Fall der (Wieder-)Heirateine entsprechende Anwendung von § 1586 BGB geboten(Senatsurt. BGHZ 161, 124 = FamRZ 2005, 347, 349 f).

An dieser Rechtsprechung ist auch nach Inkrafttreten desUnterhaltsrechtsreformgesetzes zum 1.1.2008 festzuhalten.Daraus, dass im Zuge der Reform keine § 1586 BGB ent-sprechende ausdrückliche Regelung in das Gesetz aufge-nommen wurde, kann entgegen den vom Berufungsgerichtgeäußerten Zweifeln (ebenso jurisPK-BGB/Viefhues [Stand:21.12.2015] § 1615I Rdnr. 7.1.) keine Änderung der Rechts-lage hergeleitet werden. Für den Gesetzgeber besteht regel-mäßig schon keine Veranlassung, mit einer gesetzlichen Neu-regelung zugleich die zu einem bestimmten Rechtsinstitutergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu kodifizierenund dabei in der Vergangenheit aufgetretene Gesetzes-lücken zu schließen. Erst recht kann aus einem entsprechen-den gesetzgeberischen Unterlassen nicht die Folgerung gezo-gen werden, dass dadurch die im Wege richterlicher Rechts-fortbildung ausgeformte Rechtslage geändert werden sollte.

b) Dass die Klägerin bei zutreffender Beratung die Heirat zu-rückgestellt hätte, ist vom Berufungsgericht beanstandungs-frei festgestellt worden. Auch wenn es sich bei der Heirat umeine höchstpersönliche Entscheidung handelt, steht dies derZurechnung eines damit verbundenen Schadens nicht ent-gegen.

3. Das Berufungsgericht hat einen Schadenersatzanspruchder Klägerin dennoch zutreffend verneint.

a) Es hat die Darlegungen der Klägerin zum Bedarf und zurLeistungsfähigkeit als nicht hinreichend angesehen, weil siedas Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht vorgetragenhabe, und daher einen Unterhaltsschaden als nicht schlüssigvorgetragen angesehen. Das hält den Rügen der Revisionstand.

Die von der Revision angeführten unterhaltsrechtlichenGrundsätze zur Darlegungs- und Beweislast finden beim aufden Unterhaltsschaden gerichteten Schadenersatzanspruchkeine Anwendung. Den Schadenersatzkläger trifft vielmehranders als den Unterhaltsgläubiger im Rahmen des Unter-haltsverfahrens die Darlegungs- und Beweislast auch für dieLeistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (BGH, Urt. v.23.4.1974 – VI ZR 188/72, NJW 1974, 1373 m.w.N.). Dem-nach kann auch offenbleiben, ob die Senatsrechtsprechungzur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1615I Abs. 2Satz 2 BGB im Wege des Halbteilungsgrundsatzes (Senats-urt. v. 15.12.2004 – XII ZR 121/03, FamRZ 2005, 442) zuüberprüfen ist und ob es sich hierbei um eine Frage desBedarfs oder der Leistungsfähigkeit handelt.

Die von der Revision insoweit erhobene Verfahrensrügegreift nicht durch. Die Revisionserwiderung führt hiergegenzutreffend an, dass die Leistungsfähigkeit des Unterhalts-pflichtigen jedenfalls nicht unstreitig gewesen ist. Vielmehr

vom 24.11.2006 erklärte der hierbei durch die frühere Be-klagte zu 1) (fortan: Rechtsanwältin B.) vertretene Beklagtedie Freigabe eines Anspruchs, der mit den Worten „Schmer-zensgeldanspruch ... aufgrund eines Unfalles, der sich am6.8.2003 ereignete“ beschrieben wurde.

Am 29.11.2006 erhob der anwaltlich vertretene KlägerKlage gegen den Unfallgegner, den Fahrzeughalter undgegen dessen Versicherung auf Zahlung von Schmerzensgeldund Schadenersatz. Am 22.7.2008 fand eine mündlicheVerhandlung statt, in welcher Rechtsanwältin B. als Zeuginvernommen wurde und erklärte, sie habe ausdrücklich undbewusst nur die Schmerzensgeldansprüche, nicht aber dieAnsprüche auf Ersatz des materiellen Schadens freigegeben.Durch Urteil vom 18.5.2010 wurde dem Kläger ein Schmer-zensgeld in Höhe von 4.000 EUR zugesprochen. Die aufErsatz materieller Schäden gerichtete Klage wurde mangelsFreigabe dieser Ansprüche wegen fehlender Aktivlegitima-tion des Klägers abgewiesen. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägerswurde durch Beschluss vom 11.4.2012 gemäß § 213 InsOmit Zustimmung der Gläubiger eingestellt.

Mit seiner am 30.12.2011 eingegangenen und am 1.11.2012zugestellten Klage hat der Kläger den Beklagten und Rechts-anwältin B. auf Schadenersatz in Höhe von 6.000 EUR sowieZahlung einer angemessenen monatlichen Rente von min-destens 800 EUR in Anspruch genommen. Die Beklagtenhaben unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben.Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mitseiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Klägerdie Ansprüche gegen den Beklagten weiter. •

Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Aufhebung des die Berufung des Klä-gers zurückweisenden Beschlusses, soweit er die Ansprüchegegen den Beklagten betrifft, und zur Zurückverweisung derSache an das Berufungsgericht.

I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Schadenersatz-anspruch aus § 60 InsO verjährt. Der in der Verjährung derSchadenersatzansprüche gegen den Unfallgegner, den Halterund dessen Versicherung liegende Schaden sei mit Ablaufdes 31.12.2006 eingetreten. Der Kläger habe Schaden undSchädiger gekannt. Er sei bereits im Jahre 2006 davon aus-gegangen, dass der Beklagte nicht tätig werden würde; dennandernfalls hätte er nicht selbst Klage auf Ersatz des mate-riellen Schadens erhoben.

Die Freigabeerklärung vom 24.11.2006 habe keinerlei Raumfür Interpretationen gelassen. Das mindestens grob fahr-lässige Verhalten seines Anwalts, der die Erklärung entwedernicht gelesen oder trotz ihres eindeutigen Wortlauts falschverstanden habe, müsse der Kläger sich zurechnen lassen.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfungnicht stand. Der Schadenersatzanspruch des Klägers gegenden Beklagten ist nicht verjährt.

scheidet. Dass es sich hierbei indessen nicht um einen aus-schlaggebenden Unterschied handeln kann, zeigt sich an dergesetzlichen Regelung in § 1586 BGB. Diese führt auch beimUnterhalt nach § 1570 BGB zum Erlöschen des Anspruchs,obwohl insoweit ähnliche Unterschiede zwischen Betreuungs-unterhalt und Familienunterhalt in der neuen Ehe bestehen.

Dementsprechend hat der BGH im Fall, dass bei Tötung einesim Gewerbebetrieb mitarbeitenden Ehegatten der dadurchgeschädigte überlebende Ehegatte wieder geheiratet hatund in der neuen Ehe der früheren Ehe vergleichbare Leis-tungen erhält, einen Vorteilsausgleich angenommen, ohnedarin eine ungerechtfertigte Besserstellung des Schädigers zuerblicken (BGH, Urt. v. 16.2.1970 – III ZR 183/68, NJW 1970,1127 zur Wiederverheiratung beim Anspruch aus § 845 BGB).Ob eine andere Betrachtung angebracht wäre, wenn derFamilienunterhalt etwa mangels Leistungsfähigkeit des Ehe-gatten keinen adäquaten Ersatz für den weggefallenen An-spruch aus § 1615I Abs. 2 Satz 2 BGB bildet (vgl. SchillingFS, Brudermüller S. 669 ff), kann hier offenbleiben. Denn derEhemann der Klägerin ist unstreitig hinreichend leistungs-fähig.

Das Berufungsgericht ist mithin zu Recht davon ausgegan-gen, dass der Klägerin eine Anrechnung des Vorteils zumut-bar ist und der Beklagte dadurch auch nicht in unangemes-sener Weise entlastet wird. •

Insolvenzverwalterhaftung• Verjährung des Schadenersatzanspruchs• Anspruch des Insolvenzschuldners• Ersatz des Gesamtschadens• Verkürzung der Insolvenzmasse• Verjährungsbeginn(BGH, Urt. v. 16.7.2015 – IX ZR 127/14)

Leitsatz:Die Verjährung eines Anspruchs des Insolvenzschuld-ners gegen den Insolvenzverwalter auf Ersatz einesGesamtschadens beginnt frühestens mit der Aufhebungoder Einstellung des Insolvenzverfahrens. •

Tatbestand:Der Kläger war selbständiger Fensterputzer. Am 6.8.2003erlitt er aufgrund Fremdverschuldens einen schweren Ver-kehrsunfall, in dessen Folge am 9.5.2006 das Insolvenzver-fahren über sein Vermögen eröffnet und der Beklagte zumInsolvenzverwalter bestellt wurde. In seinem Eigenantragvom 8.5.2006 hatte der Kläger verschiedene Ansprüche ausdem Verkehrsunfall in der Anlage „Schuldnerverzeichnis(Außenstände)“ aufgeführt.

Im weiteren Verlauf des Jahres 2006 verhandelten der Be-klagte und der anwaltlich vertretene Kläger über die Gel-tendmachung oder Freigabe dieser Ansprüche. Mit Schreiben

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1. Grundlage des Begehrens ist § 60 InsO. Nach dieser Be-stimmung ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zumSchadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichtenverletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. DerKläger wirft dem Beklagten vor, eine zur Insolvenzmassegehörende Forderung, nämlich den Anspruch auf Ersatz desihm, dem Kläger, aufgrund des Unfalls am 6.8.2003 ent-standenen materiellen Schadens, nicht vor Eintritt der Ver-jährung geltend gemacht und durchgesetzt zu haben.

Darin läge gegebenenfalls ein Verstoß gegen die Pflicht zurbestmöglichen Erhaltung und Verwertung der Insolvenzmasse.Diese Pflicht obliegt dem Verwalter nicht nur gegenüber denInsolvenzgläubigern, sondern auch und gerade gegenüberdem Schuldner (BGH, Urt. v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, WM2014, 1434 Rdnr. 10 f; vgl. auch BGH, Urt. v. 22.1.1985 –VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425; RGZ 152, 125, 127 [jew.zu § 82 KO]), der ein rechtlich geschütztes Interesse daranhat, den Umfang seiner Nachhaftung (vgl. § 201 Abs. 1 InsO)möglichst zu begrenzen oder sogar einen Überschuss ausge-zahlt zu erhalten (vgl. § 199 InsO).

2. Die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens, deraus einer Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters entstan-den ist, richtet sich gemäß § 62 Satz 1 InsO nach den Rege-lungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürger-lichen Gesetzbuch. Gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beträgtdie regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mitdem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden istund der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Um-ständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangtoder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

3. Der in der Verjährung des Schadenersatzanspruchs liegen-de Schaden ist mit Ablauf des 31.12.2006 eingetreten. Obder anwaltlich vertretene Kläger, wie das Berufungsgerichtangenommen hat, bereits aufgrund der Freigabeerklärungvom 24.11.2006 Kenntnis von Schaden und Schädiger hatteoder hätte haben müssen, bedarf jedoch keiner Entschei-dung. Der Anspruch aus § 60 InsO ist jedenfalls deshalbnicht verjährt, weil der Kläger bis zur Einstellung des Insol-venzverfahrens am 11.4.2012 aus Rechtsgründen an derGeltendmachung dieses Anspruchs gehindert war.

a) Der Schaden, welchen der Kläger geltend macht, bestehtin der pflichtwidrigen Verkürzung der Insolvenzmasse um denWert des Schadenersatzanspruchs, welchen der Beklagte nachder revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Darstellung desKlägers pflichtwidrig hat verjähren lassen. Es handelt sichalso um einen Gesamtschaden, der während der Dauer des In-solvenzverfahrens durch Zahlung an die Insolvenzmasse aus-zugleichen ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2014 – IX ZR 301/12,WM 2014, 2009 Rdnr. 11). Gemäß § 92 InsO können dieAnsprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines solchenSchadens während der Dauer des Insolvenzverfahrens nurvom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Richtensich die Ansprüche gegen den Verwalter, ist wegen des In-teressenkonfliktes ein neuer Insolvenzverwalter oder ein Son-derinsolvenzverwalter zu bestellen (HK-InsO/Kayser, 7. Aufl.,§ 92 Rdnr. 40; vgl. auch BGH, Urt. v. 22.4.2004 – IX ZR

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128/03, BGHZ 159, 25, 26 [zu § 82 KO]; v. 17.7.2014, a.a.O.,Rdnr. 11 [zu § 82 KO] m.w.N).

Gleiches gilt im Falle eines Insolvenzschuldners, der einen An-spruch auf Ersatz eines Gesamtschadens hat. Dies ergibt sichzwar nicht aus § 92 InsO, folgt jedoch unmittelbar aus § 80Abs. 1 InsO. Ansprüche des Schuldners, die dieser vor odernach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirbt, gehörengemäß § 35 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse und unterstehendamit der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insol-venzverwalters. Soweit sich der betreffende Anspruch gegenden Verwalter richtet, muss insoweit ein neuer Insolvenzver-walter oder ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden.

Bis zur Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 213 InsOam 11.4.2012 waren folglich sowohl die Insolvenzgläubigerals auch der Kläger aus Rechtsgründen gehindert, den Scha-denersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 60 InsO ein-zuklagen und so den Lauf der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1Nr. 1 BGB zu hemmen.

b) Grundsätzlich beginnen Verjährungsfristen dann zu lau-fen, wenn der betroffene Gläubiger die Möglichkeit hat, ver-jährungshemmende Maßnahmen (vgl. §§ 203 f BGB) einzu-leiten (BGH, Urt. v. 17.7.2014 – IX ZR 301/12, WM 2014,2009 Rdnr. 13). Die Vorschrift des § 206 BGB, nach welcherdie Verjährung gehemmt ist, solange der Gläubiger innerhalbder letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhereGewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist, bringt dieseWertung klar zum Ausdruck.

Der BGH nimmt folgerichtig in ständiger Rechtsprechung an,dass die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche derKonkurs- oder Insolvenzgläubiger, die von ihnen selbst nichtdurchgesetzt werden können, nicht früher als mit der Rechts-kraft des Beschlusses beginnt, mit welchem das Konkurs-oder Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt wird(vgl. BGH, Urt. v. 22.4.2004 – IX ZR 128/03, BGHZ 159, 25,28 [zu § 82 KO]; 29 f, InsO zu § 92, InsO m.w.N.; Münch-Komm-InsO/Brandes/Schoppmeyer, 3. Aufl., § 62 Rdnr. 4;Jaeger/Gerhardt, InsO, § 62 Rdnr. 8). Für den entsprechen-den Anspruch des Schuldners kann nichts anderes gelten.Grundsätzlich beginnt die Verjährungsfrist – das Vorliegender übrigen Voraussetzungen des § 199 BGB unterstellt –erst mit der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzver-fahrens.

c) Der BGH hat bisher offen gelassen, ob trotz fehlenderrechtlicher Befugnis zu verjährungsunterbrechenden Maß-nahmen dann auf die Kenntnis der Gläubiger abzustellen ist,wenn sämtliche Gläubiger sich über den Schaden und diePerson des Ersatzpflichtigen im Klaren waren, aber keiner vonihnen eine Sonderinsolvenzverwaltung oder die Ablösungdes schadenersatzpflichtigen und die Einsetzung eines neuenVerwalters beantragt hat (BGH, Urt. v. 22.4.2004, a.a.O.,S. 30). Auch der Schuldner kann entsprechende Maßnahmendes Insolvenzgerichts anregen oder sich um die Freigabe desAnspruchs bemühen. Gleichwohl bedarf die im Urteil vom22.4.2004 aufgeworfene Rechtsfrage im vorliegenden Fallkeiner Entscheidung. Sie stellt sich nur deshalb, weil die Gläu-

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biger in ihrer Gesamtheit durchaus Einfluss auf den Gang desInsolvenzverfahrens nehmen, insbesondere die Abberufungeines Verwalters oder die Bestellung eines Sonderinsolvenz-verwalters erzwingen können. Die verfahrensrechtlichen Be-fugnisse des Schuldners bleiben hingegen so weit hinter den-jenigen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zurück, dasses während des laufenden Verfahrens nicht auf seine Kenntnisankommen kann.

aa) Die Gläubigerversammlung, deren Einberufung gemäߧ 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4 InsO von einer qualifizierten Minder-heit der Insolvenzgläubiger verlangt werden kann, kann ge-mäß § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO bei Vorliegen eines wichtigenGrundes die Abberufung des Insolvenzverwalters beantra-gen. Auch der Gläubigerausschuss ist antragsberechtigt.Gegen die Ablehnung eines solchen Antrags steht dem Gläu-bigerausschuss und dann, wenn die Gläubigerversammlungden Antrag gestellt hat, jedem Insolvenzgläubiger die sofor-tige Beschwerde zu.

Die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters können dieeinzelnen Gläubiger zwar nur nach § 58 InsO anregen. EinAntragsrecht steht ihnen allein ebenso wenig zu wie dieBefugnis zur sofortigen Beschwerde, wenn ein Sonderinsol-venzverwalter nicht bestellt wird. Die Frage einer Sonder-insolvenzverwaltung ist jedoch zulässiger Beratungsgegen-stand einer Gläubigerversammlung. Diese hat das Recht, dieBestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu beantragenoder jedenfalls anzuregen. Zur Durchsetzung einer solchenEntscheidung kommt entsprechend § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2Satz 2 InsO ein Beschwerderecht jedes einzelnen Gläubigersin Betracht (BGH, Beschl. v. 30.9.2010 – IX ZB 280/09, NZI2010, 940 Rdnr. 5).

Ebenso ist die Gläubigerversammlung befugt, Stellung dazuzu nehmen, ob ein vom Sonderinsolvenzverwalter ermittelterSchadenersatzanspruch gegen den Verwalter durchgesetztwerden soll (BGH, Beschl. v. 23.4.2015 – IX ZB 29/13, WM2015, 1065 Rdnr. 10; vgl. auch BGH, Urt. v. 17.7.2014 –IX ZR 301/12, WM 2014, 2009 Rdnr. 15). Beschließt dieGläubigerversammlung, dass ein Sonderinsolvenzverwalterzur Prüfung und Durchsetzung eines Anspruchs gegen denInsolvenzverwalter eingesetzt werden soll, ist der Insolvenz-verwalter nicht berechtigt, die Aufhebung dieses Beschlusseszu beantragen (BGH, Beschl. v. 20.2.2014 – IX ZB 16/13,WM 2014, 571 Rdnr. 9 ff).

bb) Demgegenüber hat der Insolvenzschuldner nicht dasRecht, die Entlassung des Insolvenzverwalters zu beantragenund sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Entlas-sung einzulegen. Gleiches gilt hinsichtlich der Einsetzungeines Sonderinsolvenzverwalters (BGH, Beschl. v. 2.3.2006 –IX ZB 225/04, NZI 2006, 474 f; v. 18.6.2009 – IX ZA 13/09,NZI 2009, 517 Rdnr. 3). Ihm bleibt allein die Möglichkeit,Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts nach § 58 InsOanzuregen. Ob und inwieweit das Gericht daraufhin tätigwird, steht jedoch allein in seinem pflichtgemäßen Ermessen.Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts,nicht tätig zu werden, sieht die Insolvenzordnung nicht vor.Dafür gibt es gute Gründe. Die Insolvenzordnung will verhin-

dern, dass die Arbeit des Insolvenzverwalters durch Anträgedes Schuldners behindert und das Insolvenzverfahren durchRechtsmittel unnötig in die Länge gezogen wird. Dann kannman dem Schuldner jedoch nicht vorwerfen, keinen Einflussauf das seinen Einwirkungsmöglichkeiten weitgehend ent-zogene Verfahren genommen zu haben. Auf seine Kenntnisoder grob fahrlässige Unkenntnis von den tatsächlichenAnspruchsvoraussetzungen kann deshalb vor Abschluss desInsolvenzverfahrens nicht abgestellt werden.

cc) Der Kläger hätte noch die Möglichkeit gehabt, den Be-klagten um die Freigabe des Schadenersatzanspruchs aus§ 60 InsO zu bitten. Auch insoweit handelt es sich jedoch nurum eine Anregung, nicht um einen durchsetzbaren Anspruch.Der Beklagte behauptet selbst nicht, dass er zur Freigabe die-ses Anspruchs bereit gewesen wäre. Der Anspruch gehörtezur Insolvenzmasse und hätte vorrangig im Interesse derInsolvenzgläubiger geltend gemacht werden müssen. Auchinsoweit kommt eine Anknüpfung des Verjährungsbeginnsan die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Insol-venzschuldners nicht in Betracht. (…) •

Steuerberaterhaftung• Schaden• Verschmelzung• Verlustvorträge• Entgangene Verlustvorträge(BGH, Beschl. v. 5.12.2013 – IX ZR 6/13)

Leitsatz (d. Red.):Zum Schaden bei entgangenem Verlustvortrag. •

Aus den Gründen:I. Die Klägerin nimmt die beklagte Steuerberatergesellschaftwegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einerVerschmelzung zweier Gesellschaften, die zur G. Unterneh-mensgruppe gehörten, auf Schadenersatz in Anspruch.

Mit notariellem Vertrag vom 22.2.2007 beschlossen diedamalige T. GmbH und die M. GmbH ihre Verschmelzung,wobei die T. GmbH als übertragender Rechtsträger ihr Ver-mögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten im Wegeder Verschmelzung durch Aufnahme auf die M. GmbH über-trug. Im Rahmen einer zugleich vereinbarten Satzungsände-rung wurde der Name der übernehmenden Gesellschaft vonM. GmbH auf T. GmbH – jetzige Klägerin – geändert. DieÄnderungen wurden am 26.3.2007 (Umfirmierung) und am2.4.2007 (Verschmelzung) in das Handelsregister einge-tragen.

Zum 31.12.2006 bestanden für die ursprüngliche T. GmbHVerlustvorträge bei der Körperschaftsteuer in Höhe von1.194.785 EUR und bei der Gewerbesteuer in Höhe von487.310 EUR. Demgegenüber bestanden für die überneh-mende Gesellschaft bei der Körperschaftsteuer keine Ver-

– V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rdnr. 8; v. 6.2.2013 – I ZR22/12, TranspR 2013, 430 Rdnr. 10). Dies gilt auch dann,wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots daraufberuht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannteAnforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat.

Es verschließt sich in einem solchen Fall der Erkenntnis, dasseine Partei ihrer Darlegungslast schon dann genügt, wenn sieTatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatzgeeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Per-son entstanden erscheinen zu lassen. Eine solche nur schein-bar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stelltsich als Weigerung des Berufungsgerichts dar, in der nachArt. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zurKenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinander-zusetzen (BGH, Urt. v. 22.6.2009 – II ZR 143/08, NJW 2009,2598 Rdnr. 2).

b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgerichtdie Grundsätze über den Gesamtvermögensvergleich heran-gezogen. Danach ist im Rahmen der Schadendarlegung nichtauf Einzelpositionen (hier: einzelne Steuerverluste) abzustel-len, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen undder tatsächlichen Vermögenslage vorzunehmen (vgl. BGH,Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/01, WM 2006, 927 Rdnr. 33;v. 7.2.2008 – IX ZR 149/04, WM 2008, 946 Rdnr. 45; v.19.5.2009 – IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rdnr. 18; v.17.3.2011 – IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rdnr. 16).

bb) Den vom Berufungsgericht für maßgeblich angesehenenGesichtspunkten einer Kostenersparnis und weiterer Syner-gie-Effekte kommt hier keine eigenständige Bedeutung zu;weiterer Vortrag der Klägerin hierzu war nicht geboten. Hin-sichtlich des geltend gemachten Beratungsfehlers geht es aus-schließlich um die Frage, in welche Richtung die Verschmel-zung hätte vorgenommen werden müssen. Nach dem Sach-vortrag der Klägerin ist das verschmolzene Unternehmen nachjeder der beiden in Betracht kommenden Handlungsalternati-ven wirtschaftlich identisch mit dem nunmehr am Markt täti-gen Unternehmen. Unter diesen Umständen ist nach demSachvortrag der Klägerin auch kein Anhalt für die Berücksich-tigung weiterer Vorteilsausgleichungen in Form von Kosten-einsparungen und Synergie-Effekten gegeben. Diesen Kern-gehalt des klägerischen Vortrags hat das Berufungsgerichtverkannt. Aus seinen Erwägungen wird nicht deutlich, wasdie Klägerin noch hätte vortragen sollen, wenn die Verschmel-zung in die andere Richtung erfolgt wäre. Das Berufungs-gericht hat damit verfahrensfehlerhaft überspannte Anfor-derungen an die Vortragslast der Klägerin gestellt.

III. Der angefochtene Beschluss beruht danach auf einer Ver-letzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör. Esist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einerfür die Klägerin günstigeren Entscheidung gelangt wäre,wenn es den als unsubstantiiert behandelten Sachvortrag derKlägerin in die Entscheidungsfindung einbezogen und gege-benenfalls hierzu erforderlichen Beweiserhebungen nach-gegangen wäre. •

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lustvorträge und bei der Gewerbesteuer Verlustvorträge vonlediglich 24.609 EUR. Nach § 12 Abs. 3, § 4 Abs. 2 UmwStGsind die Verlustvorträge der ursprünglichen T. GmbH nichtauf die übernehmende Gesellschaft übergegangen.

Die Klägerin macht diesen Verlust als Schaden geltend. DasLG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Be-rufung hat das OLG unter Bezugnahme auf seinen Hinweis-beschluss vom 11.10.2012 mit Beschluss vom 3.12.2012zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mitihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 3ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2,§ 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie hat auch in der SacheErfolg; sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Zulassung derRevision, Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zurZurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. DieNichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, das Berufungs-gericht habe das Verfahrensgrundrecht der Klägerin aufrechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei Geltendmachungeines Regressanspruches wegen fehlerhafter steuerlicher Bera-tung habe die Schadenberechnung des Mandanten auf derGrundlage der Differenztheorie durch einen Gesamtvermö-gensvergleich zu erfolgen. Der Geschädigte dürfe sich nichtdarauf beschränken, nur einzelne steuerliche Nachteile he-rauszugreifen. Diesen Anforderungen genüge der Sachvortragder Klägerin nicht. Zwar stütze sie ihre Schadenberechnungnicht nur auf einen einzigen Steuernachteil – die Körperschaft-steuer –, sondern habe auch den damit zusammenhängendenSolidaritätszuschlag und die Gewerbesteuer einbezogen. Siegehe aber selbst davon aus, dass es Ziel der Unternehmens-umgestaltung gewesen sei, durch die Konzentration undVereinheitlichung der Gesellschaften in einem Betriebsunter-nehmen Kosten zu sparen und Synergie-Effekte zu nutzen.

Diese Gesichtspunkte hätten in die Schadenberechnung ein-gestellt werden müssen. Bei der Verschmelzung einer Gesell-schaft auf eine andere handele es sich um einen komplexenVorgang. In einem solchen Fall genüge der Mandant, der sei-nen Berater auf Schadenersatz in Anspruch nehme, seinerVerpflichtung zum Schadennachweis nicht dadurch, dass ereinige nachteilige Steuerfolgen herausgreife. Vielmehr müss-ten sämtliche Vor- und Nachteile umfassend gegeneinanderabgewogen werden. Hierzu fehlten die notwendigen Aus-führungen der Klägerin.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde sieht mit Recht eine Ver-letzung des Verfahrensgrundrechts der Klägerin aus Art. 103Abs. 1 GG darin, dass das Berufungsgericht ihr Vorbringenzur jeweiligen Auswirkung der Verschmelzung nach den bei-den in Betracht kommenden Richtungen unberücksichtigtgelassen hat.

a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisange-bots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegenArt. 103 Abs. 1 GG (BGH, Beschl. v. 11.5.2010 – VIII ZR212/07, NJW-RR 2010, 1217 Rdnr. 10; Beschl. v. 19.1.2012

GIaktuell Nr. 3/Juni 2016 75

Steuerberaterhaftung• Abschlusserstellung• Plausibilitätsprüfung• Insolvenzreife• Hinweispflichten(OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.12.2015 – 1 U 13/12)

Leitsatz:Einen Steuerberater trifft im Rahmen eines ihm erteiltensteuerrechtlichen (Dauer)Mandats ohne greifbare, insAuge springende Anhaltspunkte bei Erstellung der Jah-resabschlussbilanz keine generelle Pflicht, den Geschäfts-führer einer GmbH auf eine mögliche Insolvenzreifehinzuweisen; seine Haftung für eine fehlerhaft erstellteBilanz bleibt allerdings hiervon unberührt (Anschluss anBGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12 und BGH, Urt. v.6.6.2013 – IX ZR 204/12). •

Aus den Gründen:A. Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem auf Eigenantragvom ... am ... eröffneten Insolvenzverfahren über das Ver-mögen der Unternehmer (im Folgenden als Schuldnerin be-zeichnet). Er nimmt die Beklagte aufgrund behaupteter feh-lerhafter Beratung über die Insolvenzreife der Schuldnerinauf Feststellung ihrer Schadenersatzverpflichtung in Anspruch.

Der Geschäftsführer der Schuldnerin beauftragte die Be-klagte u.a. mit der Erstellung des Jahresabschlusses zum ...Nach entsprechenden Abschlussarbeiten im Juli und Augusterstellte die Beklagte am 9.11. ihren „Bericht zur Erstellungdes Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr vom ... – ...“, dernach den Grundsätzen der Fortführung der Unternehmens-tätigkeit angefertigt wurde. Darin ist für das Geschäftsjahrein Jahresüberschuss von 50.600 EUR gegenüber einemJahresüberschuss von 81.000 EUR für ... ermittelt.

Nachdem der Kläger am ... zum vorläufigen Insolvenzverwal-ter mit Verfügungsbefugnis bestellt worden war, zeigte ermit Schreiben vom ... – beim Insolvenzgericht eingegangenam ... – Masseunzulänglichkeit an. Mit Schreiben vom ...teilte er der Beklagten mit, ihm seien Anhaltspunkte für An-sprüche gegen die Beklagte auf Ersatz von Insolvenzver-schleppungsschäden bekannt geworden; zudem erbat er eineErklärung zur Verjährungshemmung bis zum ... Die Beklagtewies mit Anwaltsschreiben vom ... Schadenersatzansprüchezurück und lehnte eine Verjährungsverzichtserklärung ab.

In dem gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin und an-dere geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaftwurde ein Gutachten der M.H. und P. erstellt, auf dessenInhalt Bezug genommen wird. ...

Durch Urteil der Wirtschaftsstrafkammer des LG Saarbrückenvom 4.3.2014 wurde der Geschäftsführer der Schuldnerinaufgrund seiner geständigen Einlassung wegen vorsätzlicherInsolvenzverschleppung, Bankrotts, Verletzung der Buch-führungspflicht und Betruges in 12 Fällen rechtskräftig zu

einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten mitBewährung verurteilt ... Nach den Urteilsfeststellungen hatteer spätestens im August von der Insolvenzreife der Schuld-nerin Kenntnis.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ein umfassen-des Dauermandat zur Betreuung der Schuldnerin gehabt.Entgegen dem Bericht der Beklagten sei die Schuldnerin am... insolvenzreif gewesen. Die Insolvenzreife der Schuldnerinhätte die Beklagte bei pflichtgemäßem Vorgehen erkennenkönnen und müssen. Nach dem Gutachten der GmbH Wirt-schaftsprüfungsgesellschaft vom ... hätten am ... die fälligenGesamtverbindlichkeiten der Schuldnerin in Höhe von3.046.102,03 EUR die verfügbaren Finanzmittel von1.428.584,91 EUR überstiegen, so dass eine innerhalb vondrei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von1.617.517,12 EUR vorgelegen habe.

Ferner sei die Schuldnerin am ... in Höhe eines nicht durchEigenkapital gedeckten Fehlbetrages von 2.157.874,24 EURverschuldet gewesen. In dem von der Beklagten erstelltenJahresabschluss für ... seien die in Ausführung befindlichenBauaufträge mit 6.012.509 EUR und damit in Höhe von1.444.984 EUR zu hoch bewertet worden. Außerdem sei indem Bericht der Beklagten vom 9.11. kein Rückstellungs-bedarf für verschiedene Bauvorhaben in Höhe von1.082.053 EUR ausgewiesen gewesen. Unter Berücksichti-gung von Steuererstattungsansprüchen für ... in Höhe von59.418,01 EUR‚ des Stammkapitals von 25.564,59 EUR undeines Gewinnvortrags von 233.551,31 EUR habe sich zum ...bei Ansatz von Liquidationswerten ein Fehlbetrag von2.157.874,24 EUR ergeben.

Die Überschuldung habe ununterbrochen bis zum Eigen-antrag vom 29.1., bei Gericht eingegangen am ..., fortbe-standen. Auf Grund eines Gesamtvermögensvergleichsergebe sich für den Zeitraum vom 22.9. bis zum 29.1. einersatzfähiger Insolvenzverschleppungsschaden der Schuld-nerin in Höhe von rund 4,5 Mio. EUR. Die Verbindlichkeitender Schuldnerin seien vom 1.9. bis zum Insolvenzantrag am29.1. von 4.899,862,91 EUR auf mindestens 5.977.768,91EUR gestiegen. Selbst wenn der Schuldnerin im Verhältniszur Beklagten ein Mitverschulden angerechnet werden sollte,verbleibe die Hälfte des Schadenersatzanspruchs, weil dieBeklagte vertragswidrig und grob fahrlässig den schadenur-sächlichen fehlerhaften Jahresabschluss für erstellt und ihreAufklärungs- bzw. Warnpflicht gegenüber dem Geschäfts-führer der Schuldnerin verletzt habe.

(Anträge: …)

Sie hat behauptet, ihr sei lediglich ein auf die Erstellung desJahresabschlusses zum ... beschränktes Mandat erteilt wor-den. Daneben habe es weitere Einzelaufträge gegeben, ausdenen sich klar ergebe, dass ein steuerliches Mandat imweiteren Sinne nicht bestanden habe. Auf Grund des Jahres-überschusses der Schuldnerin zum ... in Höhe von 50.600EUR habe die Beklagte nicht von einer bilanziellen Überschul-dung auf eine insolvenzrechtliche Überschuldung schließenund darüber Auskunft erteilen können.

Insbesondere habe sie pflichtgemäß die Fortführungswerteund nicht etwa die Liquidationswerte für die Erstellung desJahresabschlusses gewählt. Auch seien unfertige Leistungennicht überbewertet worden. Vielmehr habe sie eine ord-nungsgemäße und nicht überbewertete Aufstellung der inAusführung befindlichen Bauaufträge auf Grundlage der vonder Geschäftsleitung hierfür ermittelten Wertansätze erstellt.Darüber hinaus habe sie den Bedarf an Rückstellungen fürdie verschiedenen Bauvorhaben ausreichend berücksichtigt.Ihr seien auch keine Vorgänge bekannt geworden, vondenen sie auf eine Insolvenzreife der Schuldnerin zum 31.8.hätte schließen müssen. Im Übrigen sei die Geschäftsführungder Schuldnerin nicht aufklärungsbedürftig gewesen. Diesetreffe jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden, das sich imVerhältnis zum Kläger anspruchsmindernd auswirke.

Mit Urteil vom 28.11.2011 ..., auf dessen tatsächliche Fest-stellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genom-men wird, hat das LG der Feststellungsklage in vollem Um-fang stattgegeben. Zur Begründung hat das LG im Wesent-lichen ausgeführt, die Beklagte habe sich pflichtwidrigverhalten, indem sie im Rahmen der Erstellung des Jahres-abschlusses für das Geschäftsjahr die Voraussetzungen derInsolvenzantragspflicht fehlerhaft beurteilt und dargestellthabe, obwohl die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum... eingetreten und spätestens zum 31.3. erkennbar gewesensei. Die Beklagte hätte daher im Rahmen der Jahresabschluss-arbeiten im Juli und August die Insolvenzschuldnerin überdie Insolvenzreife aufklären müssen.

Dies stehe aufgrund des im Ermittlungsverfahren der Staats-anwaltschaft erstatteten und überzeugenden Gutachtens der… fest, das gemäß § 411a ZPO verwertbar sei. Die Zahlungs-unfähigkeit ergebe sich aus dem zum ... erstellten Liquidi-tätsstatus der Schuldnerin, wonach sich die bestehendeLiquiditätslücke stetig vergrößert habe. Die Hinweispflichtder Beklagten sei nicht durch eine Kenntnis des Geschäfts-führers der Schuldnerin ausgeschlossen. Es sei auch davonauszugehen, dass die Schuldnerin bei pflichtgemäßem Ver-halten der Beklagten bis spätestens zum 21.9. Insolvenz-antrag gestellt hätte. Infolgedessen sei der Schuldnerin in derZeit vom 22.9. bis zum 29.1. ein Insolvenzverschleppungs-schaden entstanden, da in diesem Zeitraum weitere Verbind-lichkeiten eingegangen worden seien.

Der Kläger habe durch das Gutachten der GmbH Wirtschafts-prüfungsgesellschaft vom ... nachvollziehbar dargelegt, dassdie am 1.9. vorhandenen Verbindlichkeiten in Höhe von4.899.862,91 EUR bis zum 29.1. auf einen Betrag von5.977.768,91 EUR angestiegen seien. Der dem Feststellungs-antrag zugrunde liegende Schadenersatzanspruch sei nichtaufgrund eines Mitverschuldens des Geschäftsführers derSchuldnerin zu kürzen, da dem Kläger jedenfalls kein gerin-gerer Anteil als die Hälfte des Schadenersatzanspruchs zuersetzen sei.

Gegen das Urteil des LG, das dem Prozessbevollmächtigtender Beklagten am 14.12.2011 zugestellt worden ist ..., hatdie Beklagte mit am 13.1.2012 eingegangenem Prozess-schriftsatz ... Berufung eingelegt und diese – nach Verlänge-

rung der Berufungsfrist – mit am 14.3.2012 eingegangenemSchriftsatz begründet. ...

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren Klageabwei-sungsantrag weiter.

Das LG habe die Vertragspflichten der Beklagten verkannt,denn sie sei nicht verpflichtet gewesen, auf die Insolvenzreifehinzuweisen. Die Prüfung der Überschuldung sei eine origi-näre und nicht delegierbare Verpflichtung des Geschäftsfüh-rers der Schuldnerin gewesen. Ihr habe lediglich eine Plausi-bilitätsprüfung der von der Geschäftsleitung der Schuldnerinermittelten Wertansätze oblegen, die sie fehlerfrei erbrachthabe. Danach sei die Insolvenzreife für sie nicht erkennbargewesen. Das Gutachten aus dem Strafverfahren sei für dieStreitentscheidung im vorliegenden Rechtsstreit untauglichund hätte nicht verwertet werden dürfen, da es nicht die-selbe Fragestellung wie im vorliegenden Verfahren betreffe.

Das LG hätte daher selbst Beweis erheben müssen, zumal dieEinholung eines Sachverständigengutachtens beantragt ge-wesen sei. Mit diesem Beweisangebot habe sich das LG nichtauseinandergesetzt. Infolgedessen liege auch ein Verstoßgegen § 286 ZPO vor, da das LG ein unverwertbares Gut-achten verwertet habe.

Die in dem Gutachten erwähnten Verbindlichkeiten in Höhevon 1.169.113,39 EUR hätten zum maßgeblichen Zeitpunktin Höhe von 312.535,43 EUR nicht mehr bestanden. Zudemseien Kreditoren in Höhe von 400.369,54 EUR nicht aner-kannt worden. Stille Reserven in Höhe von 100.000 EUR hät-ten ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Das Anlagever-mögen habe zum ... einen Restbuchwert und damit einenBilanzwert in Höhe von 554.844 EUR ausgewiesen. Der Be-klagten habe vor Erstellung des Jahresabschlusses eine vondem Geschäftsführer der Schuldnerin unterschriebene be-triebswirtschaftliche Auswertung vom 31.7. vorgelegen, diemit einem vorläufigen Gewinn in Höhe von 46.864,17 EURabgeschlossen habe. Darüber hinaus habe eine Liquiditäts-bescheinigung der Bank vorgelegen.

Die positive Fortführungsprognose ergebe sich auch aus demSchreiben der GmbH 2 vom 20.12. Das von dem LG heran-gezogene Gutachten der GmbH Wirtschaftsprüfungsgesell-schaft sei zu einem viel späteren Zeitpunkt erstellt worden.Die Kenntnis des Geschäftsführers der Schuldnerin sei vondem LG in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt wor-den, so dass schon kein Beratungsbedarf bestanden habe.Ebenso habe das LG zu Unrecht einen Schaden angenom-men und die Frage des Mitverschuldens unzutreffend beur-teilt. Es fehle auch an der Kausalität zwischen Pflichtverlet-zung und Schaden. Die Vermutung beratungsgerechtenVerhaltens greife nicht ein, da der Schuldnerin nachweislichdie Insolvenzreife bekannt gewesen sei.

(Anträge: …)

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt imWesentlichen vor, die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenz-schuldnerin sei für die Beklagte spätestens zum 31.3. erkenn-

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bar gewesen. Die Beklagte habe die wirtschaftliche Gesamt-situation der Insolvenzschuldnerin gekannt, da sie im Rah-men eines Dauermandats auch mit der unterjährigen Finanz-buchhaltung beauftragt gewesen sei. Der Bericht zur Erstel-lung des Jahresabschlusses erstrecke sich auch auf die Auf-gabe, ein Urteil über den Jahresabschluss abzugeben, mithindie Insolvenzreife zu prüfen. Das Gutachten aus dem Straf-verfahren sei im vorliegenden Prozess verwertbar.

Die Beklagte habe den Jahresabschluss pflichtwidrig nachden Grundsätzen der Fortführung der Unternehmenstätigkeiterstellt und eine falsche Schlusserklärung abgegeben, indemder unzutreffende Anschein eines wirtschaftlich gesundenUnternehmens erweckt worden sei. Zudem habe sie beiErstellung des Jahresabschlusses pflichtwidrig die unfertigenArbeiten fehlerhaft zu hoch bewertet und erforderliche Rück-stellungen nicht gebildet, weshalb die tatsächlich vorhan-dene Unterdeckung in der Bilanz nicht ausgewiesen werde.Der Geschäftsführer der Schuldnerin habe die Zahlungsun-fähigkeit nicht gekannt.

Das Sachverständigengutachten und auch das LG legteneinen zutreffenden Begriff der Zahlungsunfähigkeit zugrun-de. Die Einwände der Beklagten gegen die Fälligkeit derVerbindlichkeiten seien entweder unsubstantiiert oder ver-spätet und daher nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaussei die Schuldnerin auch überschuldet gewesen. Schließlichhabe das LG auf der Grundlage des Gutachtens der GmbHWirtschaftsprüfungsgesellschaft zutreffend einen Schadender Schuldnerin durch die Pflichtverletzung der Beklagtenangenommen. (…)

B. Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513,517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerechteingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

In der Sache hat sie auch Erfolg, denn dem Kläger als Insol-venzverwalter über das Vermögen der Unternehmer (§§ 80Abs. 1, 208 Abs. 3 InsO) steht kein Schadenersatzanspruchgemäß §§ 280, 281 BGB wegen fehlerhafter Erstellung desJahresabschlusses oder unterlassener Aufklärung des Ge-schäftsführers der GmbH über deren Insolvenzreife zum ...bzw. spätestens zum 31.8. zu. Pflichtverletzungen der Be-klagten bei Ausführung des ihr erteilten Auftrags zur Erstel-lung des Jahresabschlussberichts der Schuldnerin stehenschon nicht zur Überzeugung des Senats fest (I.).

Im Übrigen wären mögliche Pflichtverletzungen für den gel-tend gemachten Insolvenzverschleppungsschaden auch nichtursächlich gewesen (II.).

I. Ein Schadenersatzanspruch aus §§ 280, 281 BGB scheitertschon daran, dass die Beklagte hinsichtlich der möglichenInsolvenzreife der Schuldnerin gegenüber dieser keine Hin-weis- und Aufklärungspflichten trafen.

1. Art und Umfang der sich aus dem Steuerberatervertragergebenden Pflichten richten sich nach Inhalt und Umfangdes erteilten Mandats (MünchKomm-BGB/Heermann, 6. Aufl.2012, § 675 Rdnr. 42).

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Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrecht-lichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledi-gung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. Nur in denhierdurch gezogenen Grenzen des (Dauer-)Mandats hat erden Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbei-tung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren.

Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters ge-hört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242BGB) und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zu Tageliegen, hinzuweisen (BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12,WM 2013, 802 ff, juris Rdnr. 14 m.w.N.). Dabei gehören zuden vom Steuerberater zu erbringenden Arbeiten im Rahmeneines steuerberatenden Dauermandates auch die monatlicheAufstellung von betriebswirtschaftlichen Auswertungen, dieErledigung der Lohnabrechnung, Meldungen gegenüberdem FA und Sozialversicherungsträgern, die Erstellung vonJahresabschlüssen und Bilanzen sowie die Unterstützung beider Jahresabschlussprüfung (Kruth, SteuK 2014, 225, zitiertnach Beck-online).

Soweit der Steuerberater nicht ausdrücklich beauftragt ist,das Vorliegen von Insolvenzgründen zu prüfen, trifft ihn auchnicht aufgrund seines gesteigerten Fachwissens sowie derEinblicke in die Buchführung des Unternehmens generell eineHinweispflicht auf eine mögliche Insolvenzreife, um demGeschäftsführer die Möglichkeit zu eröffnen, persönlich oderdurch Dritte eine Überprüfung zu veranlassen (BGH, Urt. v.7.3.2013, a.a.O., Rdnr. 15; v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12,zitiert nach juris Rdnr. 12).

Denn die Überschuldungsprüfung im Sinne von § 19 InsO er-fordert die Beantwortung komplexer Rechtsfragen, derenkorrekte Behandlung nicht offen zu Tage tritt. Vielmehr sindweitere Untersuchungen erforderlich, da nicht ohne weiteresaus der Kenntnis der steuerlichen Situation des Unterneh-mens Rückschlüsse auf sämtliche Komponenten der Über-schuldungsprüfung möglich sind. Insbesondere das Vorliegeneiner positiven Fortführungsprognose, das Vorhandenseineines Fortführungswillens der Organe und Inhaber sowie dieTragfähigkeit des Unternehmenskonzepts lassen sich aus denBuchhaltungszahlen nicht ohne weiteres entwickeln. DerSteuerberater verfügt hier in der Regel auch nicht über einüberlegenes Wissen, vielmehr bleibt dieses meist hinter denKenntnissen der Geschäftsführung des Mandanten zurück.

Zudem lässt sich die Insolvenzreife sowohl im Bereich derZahlungsunfähigkeit als auch im Bereich der Überschuldungnur durch Zukunftsprognosen darstellen, während dersteuerliche Berater Buchhaltungszahlen über zurückliegendeZeiträume bearbeitet. Allerdings kommt eine insolvenzbezo-gene Haftung dann in Betracht, wenn der steuerliche BeraterBilanzen falsch aufgestellt hat mit der Folge, dass eine tat-sächlich bestehende Überschuldung dort nicht ausgewiesenwird (BGH, Urt. v. 7.3.2013, a.a.O., Rdnr. 22), oder wenn erüber die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Aussagenzu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung trifft (BGH, Urt.v. 6.6.2013, a.a.O, Rdnr. 13; Beschl. v. 6.2.2014 – IX ZR53/13, NJW-RR 2014, 827 f, juris Rdnr. 3, 4).

2. Hiervon ausgehend ist nicht bewiesen, dass die Beklagtedie aus dem ihr erteilten Mandat obliegenden Pflichten ver-letzt hat.

a. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Ver-handlungen ist der Senat mit dem Maßstab des § 286 ZPOüberzeugt davon, dass der Beklagten lediglich ein steuer-rechtliches Mandat erteilt war, das nicht den Auftrag zurPrüfung der Insolvenzreife der Schuldnerin umfasst hat.

Nach der Formulierung des ihr erteilten Auftrages in demBericht zur Erstellung des Jahresabschlusses der Schuldnerinfür das Geschäftsjahr ... – eine schriftliche Beauftragung istnicht erfolgt – traf die Beklagte die Verpflichtung, den Jah-resabschluss zum ... zu erstellen sowie die Buchführung, dieUnterlagen und die Wertansätze auf ihre Plausibilität zu prü-fen und ein Urteil über den Jahresabschluss abzugeben, dassich auf der Grundlage ihrer Arbeiten ergibt. Hierbei handeltes sich um reine steuerberatende Tätigkeiten i.S.d. § 33StBerG.

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der Ver-pflichtung zur Abgabe eines eigenen Urteils und der Schluss-erklärung nicht die Vertragspflicht, die Geschäfts- und Fi-nanzlage der Schuldnerin auf ihre Insolvenzreife hin zu über-prüfen. Geschuldet war vielmehr nur ein Urteil darüber, obdie von ihr dem erstellten Jahresabschluss zugrunde gelegtenUnterlagen nach der von ihr geschuldeten Plausibilitätsprü-fung ordnungsgemäß, vollständig und nachvollziehbar sind;auf in diesem Zusammenhang aufgetretene Mängel ist in derBeurteilung hinzuweisen.

Weitergehende Prüfpflichten bestanden dagegen nicht. Diesergibt sich klar aus dem Wortlaut des Auftrags, wie er vonder Beklagten auf S. 1 ihres Jahresabschlussberichts festge-halten ist. Denn die Beurteilung des Jahresabschlusses aufder Grundlage der durchgeführten Arbeiten kann aus demZusammenhang heraus nur einschränkend dahin verstandenwerden, dass die Beurteilung sich an dem erteilten Auftrags-umfang und den danach vorzunehmenden Prüfhandlungenorientiert und sich allein hierauf bezieht. Dem trägt auch dieFormulierung der Bescheinigung auf S. 8 des Jahresabschlus-ses Rechnung, die sich auf die Erstellung des Jahresabschlus-ses auf der Grundlage der vorgelegten Bücher und Bestands-nachweise sowie der erteilten Auskünfte der Schuldnerinbeschränkt.

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass das Inventarauf Plausibilität beurteilt wurde. Dabei seien keine Sachver-halte bekannt geworden, die gegen die Ordnungsmäßigkeitdes Jahresabschlusses sprechen. Auch daraus wird deutlich,dass sich die Beurteilung allein auf die Feststellungen imRahmen des erteilten Auftrags bezieht. Bestätigt wird diesesVerständnis auch von der Sachverständigen Dr. S. bei ihrerAnhörung durch den Senat. ... Sie hat hierauf angesprochenausgeführt, dass es sich um eine bei der Erstellung von Jah-resabschlüssen absolut übliche Auftragsbeschreibung hande-le, die sich lediglich auf den vereinbarten Auftragsumfangbeschränke, diesen aber nicht erweitere.

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Dass der Beklagten lediglich ein steuerrechtliches Mandat zurErstellung von Jahresabschlüssen erteilt war und sie danebennicht mit der laufenden Buchhaltung betraut war, habenauch die vom Senat vernommenen 2 Zeugen bestätigt.

Der Zeuge 1, der Geschäftsführer der Schuldnerin, hat be-kundet, dass zunächst Herr R. und später dann die neu ge-gründete Beklagte seit 1991 jeweils die Jahresabschlüsse fürdie Schuldnerin gefertigt haben. Weitergehende steuerlicheBeratungstätigkeit habe es daneben nur in Einzelfragen ge-geben. Insbesondere habe die Schuldnerin die Finanzbuch-haltung und die Buchhaltung in eigener Regie erstellt.

Die Finanzbuchhaltung sei über Programme des … gelaufen,die Buchhaltung habe der Zeuge 2 als Buchhalter gemacht.Aufgabe der Beklagten sei es lediglich gewesen, auf der Ba-sis der von der Schuldnerin zur Verfügung gestellten Arbeits-materialien die Jahresabschlüsse zu erstellen. Absprachenüber konkret vorzunehmende Prüfungshandlungen habe esdabei nicht gegeben, er gehe aber davon aus, dass dieBeklagte die gebotenen Prüfungen vorgenommen habe.

Bestätigt wird dies auch durch die Angaben des Zeugen 2.Dieser konnte zwar nichts zu dem der Beklagten erteiltenAuftragsumfang sagen, da er an entsprechenden Gesprä-chen nicht beteiligt war. Er hat aber ebenfalls angegeben,dass die laufende Buchhaltung von ihm und anderen Mit-arbeitern der Schuldnerin erledigt und die Umsatzsteuer-voranmeldungen und die Finanzbuchhaltung betriebsinterndurchgeführt wurden. Hiermit habe die Beklagte nur inso-weit zu tun gehabt, als ihr die Finanzbuchhaltung zumZwecke der Auswertung und Erstellung der Jahresabschlüssejeweils zur Verfügung gestellt worden sei.

Der persönlich von dem Senat angehörte F. der Beklagtenhat diesen sich aus der schriftlichen Formulierung im Jahres-abschlussbericht ergebenden Auftragsumfang ebenfalls be-stätigt. ... Insbesondere hat er ausgeführt, dass das danachabzugebende „Urteil“ lediglich bedeute, dass eine Plausibili-tätsbeurteilung in dem beschriebenen Umfang stattgefundenhat. Hierbei handele es sich um eine im Steuerberaterbereichübliche Bezeichnung, der keine weitergehende Bedeutungzukomme.

Auch die vom Kläger in Bezug genommenen Rechnungen ...belegen nicht die Beauftragung der Beklagten mit der Wahr-nehmung von anderen als steuerberatenden Tätigkeiten.Die vorgelegten Rechnungen betreffen im Wesentlichen dieAufstellung von Jahresabschlüssen und die damit zusammen-hängenden Abstimmungstätigkeiten. Darüber hinaus mages in Einzelfällen weitergehende Anfragen von Seiten derSchuldnerin gegeben haben, wofür beispielsweise die Rech-nungen vom 20.7. – steuerliche und wirtschaftliche Bera-tung, Abstimmung der Umsatzsteuer 2004, VorbereitungOffenlegung 2003, Geschäftsführeranstellungsvertrag –, vom9.2. – steuerliche und wirtschaftliche Beratungen –, vom30.9. – Sonstige betriebswirtschaftliche Beratung, RatingBank, Finanzierung – und vom 30.11. sprechen könnten.

Diese allgemeinen Angaben auf den Rechnungen belegenaber noch nicht, dass die Beklagte mit Arbeiten betrautwurde, die ihr einen vollständigen Einblick in die wirtschaft-liche Situation der Schuldnerin ermöglicht haben. Vielmehrhaben die 2 Zeugen hierzu bekundet, dass die Schuldnerindie Beklagte im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit in Einzel-fällen wegen irgendwelcher steuerlich relevanten Geschäfts-vorgänge kontaktiert habe. Über die Abklärung konkretereinzelfallbezogener Fragen seien diese Beratungstätigkeitenaber nicht hinausgegangen.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass sich der Auf-tragsumfang aufgrund einer mündlichen Anfrage des Ge-schäftsführers der Schuldnerin auf die Prüfung der Insolvenz-reife erweitert hat. Hierzu hat der Zeuge 1 klar und entschie-den angegeben, dass weder eine schlechte wirtschaftlicheLage der Schuldnerin noch die Frage der Stellung eines Insol-venzantrages je ein Thema bei Gesprächen mit dem Ge-schäftsführer der Beklagten gewesen sei.

b. Ausgehend von diesem Auftragsumfang bestand für dieBeklagte keine Verpflichtung, den Jahresabschluss unterLiquidationsgesichtspunkten zu erstellen. Denn nach § 252Abs. 1 Nr. 2 HGB durfte sie von einer Fortführung der Ge-schäftstätigkeit ausgehen, da keine offensichtlichen Anzei-chen für eine drohende Insolvenz erkennbar waren.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es Aufgabe desGeschäftsführers einer GmbH ist, die wirtschaftliche Situa-tion der Gesellschaft zu prüfen und im Auge zu behalten, sodass letztlich er die Entscheidung über die Erstellung einerÜberschuldungsbilanz treffen und diese entsprechend beauf-tragen muss.

Es lagen für die Beklagte auch unter Berücksichtigung desUmstandes, dass sie schon seit vielen Jahren die jeweiligenJahresabschlüsse der Schuldnerin erstellt hat, im Zeitpunktder Aufstellung des Jahresabschlusses keine offensichtlichenAnhaltspunkte für eine sich aufdrängende abweichende Be-urteilung der wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin vor.

Die Sachverständige Dr. S. hat hierzu in ihrem schriftlichenGutachten ... ausgeführt, dass sich für die Beklagte bei Erstel-lung des Jahresabschlusses keine Hinweise darauf ergebenhaben, dass die Schuldnerin überschuldet oder zahlungs-unfähig sein könnte und deshalb die Fortführung des Unter-nehmens in Frage gestellt sein könnte. Der Jahresabschlussweise ein buchmäßiges Eigenkapital von 309.744,75 EURund flüssige Mittel (Bankguthaben und Kassenbestand) inHöhe von 528.005,33 EUR aus, was gegen eine Überschul-dung spreche.

Darüber hinaus seien mit Ausnahme der zum 10.12. fälligenUmsatzsteuervoranmeldungsvorauszahlung für Oktober keineoffenstehenden Verbindlichkeiten, insbesondere auch keinerückständigen Lohn- und Gehaltszahlungen vorhanden ge-wesen. Allein die offene Umsatzsteuervoranmeldungsvoraus-zahlung sei aber noch kein Hinweis für eine vorliegende oderdrohende Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft.

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Ebenso wenig hätten sich aus der Ergebnissituation derGesellschaft Hinweise auf eine drohende Insolvenz ergeben.Diese Ausführungen hat die Sachverständige bei ihrer münd-lichen Anhörung nochmals bekräftigt ... und hinzugefügt,dass die Beklagte nur dann, wenn sie – wovon nach demErgebnis der Beweisaufnahme aber nicht ausgegangen wer-den kann – mit der unterjährigen laufenden Buchführungbeauftragt gewesen wäre, einen intensiveren Einblick in dieGeschäftsvorgänge der Schuldnerin gehabt hätte, der ihrdann möglicherweise eine zuverlässigere Einschätzung dergeschäftlichen Situation erlaubt hätte. ...

Danach bestand für die Beklagte keine Veranlassung, denJahresabschluss unter Liquidationsgesichtspunkten zu erstel-len oder den Geschäftsführer der Schuldnerin jedenfalls da-rauf hinzuweisen, dass er eine Überprüfung vornehmen oderin Auftrag geben müsse, um die Insolvenzreife und eine mög-liche Pflicht zur Insolvenzantragstellung (§ 15a InsO) zu über-prüfen. Denn es ergaben sich zum Erstellungszeitpunkt keineoffensichtlichen Anhaltspunkte für die Beklagte, die auf eine(drohende) Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldungder Schuldnerin hingedeutet hätten.

Soweit das LG sich hier auf das im Strafverfahren eingeholteGutachten … vom 24.1.2011 ..., wonach zum ... eine Unter-deckung in Höhe von 469.133,79 EUR = 40,13% ... unddamit Zahlungsunfähigkeit bestanden habe, und der Klägersich darüber hinaus auf das von ihm eingeholte Gutachtender GmbH vom ... , das ebenfalls eine Zahlungsunfähigkeitder Schuldnerin zum ... bei negativer Fortbestehensprognosefeststellt, gestützt haben, verkennen sie, dass sich dieseWerte nur dann ergeben, wenn die Bilanz, wie in den vor-gelegten Gutachten, zur Überprüfung der Überschuldung zuLiquidationswerten aufgestellt wird.

Dabei werden nur die aktuell verfügbaren Mittel und diekurzfristig verwertbaren Vermögensbestandteile berücksich-tigt, während die Geschäftseinrichtung zwar für die Fragedes Vorhandenseins einer die Kosten des Insolvenzverfahrensdeckenden Masse (§ 26 Abs. 1 InsO) von Bedeutung seinmag, für die Frage der Zahlungsunfähigkeit jedoch keineRolle spielt (BGH, NZI, 579, 581).

Vielmehr findet sich auch in dem Gutachten … der Hinweis,dass eine bilanzielle Überschuldung zum Stichtag ... nichtvorlag. Aussagen dazu, ob der Steuerberater der Schuldnerindie Bilanz fehlerhaft erstellt hat, werden dort nicht getroffen.Ebenso wenig verhält sich das Gutachten … zu einer Erkenn-barkeit der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschul-dung für die Beklagte als Bilanzerstellerin, die allein den Auf-trag hatte, die Jahresbilanz zu erstellen. Vielmehr prüft dasGutachten … allein die Frage des Zeitpunkts des Eintritts derZahlungsunfähigkeit/Überschuldung der Schuldnerin unddessen Erkennbarkeit für die Geschäftsführung.

Die Erkennbarkeit der Insolvenzreife der Schuldnerin für dieBeklagte lässt sich hieraus deshalb nicht ableiten, da dieseohne einen entsprechenden Auftrag nicht zur Erstellungeiner Überschuldungsbilanz verpflichtet war und sich ihrnach dem im Juli vorhandenen Kenntnisstand auch keine

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nachhaltigen Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung aufdrängen mussten.

Entgegen der Auffassung des Klägers musste sich der Be-klagten auch aus der Veräußerung von Anlagevermögen imOktober und der deswegen notwendigen Rückmietung derKaufgegenstände die (drohende) Zahlungsunfähigkeit/Über-schuldung der Schuldnerin nicht aufdrängen. Wie die Sach-verständige Dr. S. bestätigt hat, handelt es sich hier um eineunternehmerische Entscheidung, die in der entsprechendenBranche nicht unüblich ist und für die es gute Gründe gebenkann. Hierbei ist vor allem zu bedenken, dass nicht nur dieMaschinen, sondern auch das dafür benötigte Personal mitentsprechenden Kosten ausgelagert wurde. Zudem, so dieSachverständige, werde damit auch das Risiko der Reparaturbzw. Ersatzanschaffung, das durchaus hoch sein könne, aus-gelagert. Nach den in der Jahresbilanz festgehaltenen Wertensehe sie jedenfalls keine offensichtlichen Anhaltspunkte füreine (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldungder Schuldnerin, die die Beklagte zu einem Hinweis an denGeschäftsführer der Schuldnerin hätten veranlassen müssen.

Danach bestand für die Beklagte keine Veranlassung, abwei-chend von dem Regelfall des § 252 Abs. 2 HGB die Jahres-bilanz unter Liquidationsgesichtspunkten aufzustellen. Man-gels offensichtlicher, sich aufdrängender Anhaltspunkte füreine Insolvenzreife bestanden auch keine Hinweis- oder Auf-klärungspflichten. Hier schließt sich der Senat der überzeu-genden Auffassung des BGH an, der eine solche Hinweispflichtdes mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH be-auftragten Beraters nicht einmal in dem Fall angenommenhat, in dem sich aus der Handelsbilanz eine Unterdeckungergab (BGH, Urt. v. 7.3.2003 – IX ZR 64/12, a.a.O., Rdnr. 15;BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – IX ZR 53/13, a.a.O., juris Rdnr. 3;OLG Dresden, Teilurt. v 18.2.2015 – 13 U 1963/13, ZInsO2015, 1507 ff, juris Rdnr. 34).

Im Streitfall, in dem allenfalls die einmalige Nichtzahlung derfälligen Umsatzsteuervoranmeldungsvorauszahlung und einemöglicherweise nicht sinnvolle unternehmerische Entschei-dung der Schuldnerin im Raum standen, fehlt es an offen-sichtlichen, ins Auge fallenden Indizien für eine möglicheInsolvenzreife der Schuldnerin, weshalb hier keine Hinweis-und Aufklärungspflichten der Beklagten bestanden.

c. Die Beklagte hat die ihr als steuerlicher Berater obliegen-den Pflichten auch nicht dadurch verletzt, dass sie den Jah-resabschluss fehlerhaft erstellt hat mit der Folge, dass einedrohende Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung derGmbH zum ... für den Geschäftsführer der Schuldnerin nichterkennbar war.

Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang im Wesent-lichen auf fehlende bzw. fehlerhafte Plausibilitätsprüfungen,die dazu geführt hätten, dass die Beklagte eine tatsächlichvorhandene Unterdeckung in der Bilanz nicht ausgewiesenund eine fehlerhafte Beurteilung abgegeben habe. Diesenihm obliegenden Beweis hat der Kläger nach dem Ergebnisder Beweisaufnahme und der Verhandlungen nicht mit demMaßstab des § 286 ZPO geführt.

Die Sachverständige Dr. S. hat bei ihrer Anhörung ausgeführt..., dass der Steuerberater nach dem hier vereinbarten Auf-tragsumfang – Erstellung des Jahresabschlusses mit Plausi-bilitätsbeurteilung, wobei die Führung der Bücher von derSchuldnerin selbst vorgenommen wurde – nicht bloß Erfül-lungsgehilfe des Geschäftsführers bei der Erstellung des Jah-resabschlusses sei, sondern dass er eigenständig und eigen-verantwortlich Plausibilitätsbeurteilungen vorzunehmen habe.Hierbei würden die Geschäftsleitung oder die mit der Finanz-buchhaltung beauftragten Personen zu dem vorgelegtenZahlenmaterial befragt, soweit Klärungsbedarf bestehe. DasErgebnis dieser Befragungen müsse dann analytisch auf seinePlausibilität untersucht werden. Hierbei werde geprüft, ob dieUnterlagen und Zahlen unter Berücksichtigung der Geschäfts-ergebnisse und Bilanzen der Vorjahre plausibel erscheinen.

Im Gegensatz zu einer von Wirtschaftsprüfern im Rahmenihres Auftrages geschuldeten tiefergehenden und eigenstän-digen Bewertung der einzelnen Buchhaltungspositionen, dieauch eine Verifizierung der vom Auftraggeber angegebenenWerte durch entsprechende Recherchen bei dessen Vertrags-partnern umfasse, beschränke sich der Prüfungsumfang desSteuerberaters auf eine reine Plausibilitätskontrolle anhanddes ihm zur Verfügung gestellten Materials. So würden bei-spielsweise Bankkonten mit dem letzten Kontoauszug abge-glichen oder die zutreffende Erfassung der Darlehen anhandder Verträge überprüft.

Solche Prüfungshandlungen hat die Beklagte im Streitfallvorgenommen. Der F. der Beklagten, der im Auftrag derSchuldnerin den Jahresabschluss gefertigt hat, hat bei seinerAnhörung vor dem Senat glaubhaft ausgeführt, dass er nichtjede aus den überreichten Unterlagen ersichtliche Positionnachgeprüft, sondern eine Plausibilitätsprüfung anhand be-stimmter Checklisten durchgeführt habe. In diesem Zusam-menhang bestätigt er, dass sich der Prüfungsumfang ausdem der HFA4 aus 1996 unter D) II) 2) als Anlage beigefüg-ten Maßnahmenkatalog zur Plausibilitätsbeurteilung ergebeund dass er die entsprechenden Prüfungen anhand einer vonder Steuerberaterkammer hinzu vorgeschlagenen Checklistevorgenommen habe.

In diesem Zusammenhang hat die Sachverständige Dr. S. be-stätigt, dass die von dem F. der Beklagten im Termin vorge-legte Checkliste korrekt sei. Sie enthalte im Verzeichnis sämt-liche prüfungsbedürftigen Bilanzpositionen und stelle nachden Eintragungen einen Maßnahmenkatalog zur Plausibili-tätsbeurteilung dar.

Der Geschäftsführer der Beklagten hat die von ihm vorge-nommene Plausibilitätsprüfung weiter erläutert und ausge-führt, dass beispielsweise eine Abstimmung der Kreditorenund Debitoren vorgenommen und geprüft werde, ob diesekongruent seien. Auch würden die zugehörigen Belege ge-prüft und untersucht, ob die Eintragungen in der Buchhal-tung bzw. Finanzbuchhaltung mit den Belegdaten überein-stimmten. Bei der Beurteilung der unfertigen Arbeiten habeer sich allerdings im Wesentlichen auf die Angaben der Auf-traggeberin verlassen müssen, da diese den Wert der ent-sprechenden Arbeiten unter Berücksichtigung der erbrachten

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und erhaltenen Zahlungen in der Regel besser beurteilenkönne als er, dem eine entsprechende Kenntnis fehle. Erhabe zwar einen Abgleich mit den übergebenen Baustellen-konten vorgenommen, sich auf deren Richtigkeit allerdingsauch verlassen müssen.

Eine Rücksprache mit dem jeweiligen Auftraggeber, ob dievon der Schuldnerin gemachten Angaben richtig seien, sei imRahmen der allein geschuldeten Plausibilitätsprüfung unüb-lich und von dem erteilten Auftrag nicht umfasst. Ähnlichverhalte es sich bei den Rückstellungen. Soweit diese sichnicht unmittelbar aus der Lohn- und Finanzbuchhaltung er-geben, könne er nur durch Rückfrage bei der Geschäftsfüh-rung prüfen, ob die in Ansatz gebrachten Beträge nachvoll-ziehbar seien. Die nach dem Auftrag geschuldete Plausibili-tätsprüfung habe er auch in Bezug auf die Buchführung, dieUnterlagen und die Wertansätze in der geschilderten Weisedurchgeführt.

Bestätigt wird dies durch die vorgelegten Rechnungen der Be-klagten vom 16.5. ... und vom 28.8. ..., die Beratungsleistun-gen von 78 Std. betreffend die Abgrenzung unfertige Bautenund Umsatzsteuer zum ..., Abstimmung FIBU und Anlagen-Zugänge, Protokolle Mietverträge und Anpassungen sowieweitere Leistungen betreffend die Abstimmung Finanzbuch-haltung, Abgrenzung Leistungen, Abstimmung Kreditorenund Debitoren zum Gegenstand haben. Dies belegt, dass inerheblichem Umfang Nachfragen zur Plausibilisierung der fürdie Erstellung des Jahresabschlusses übergebenen Unterla-gen und Belege erfolgt sind, die immerhin mit Beträgen von6.683,04 EUR und 3.295,11 EUR abgerechnet wurden.

Letztlich haben auch die 2 Zeugen auf Vorhalt dieser Rech-nungen bestätigt, dass hier Abstimmungs- und Klärungsleis-tungen im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss abge-rechnet wurden. Der Zeuge 2 hat darüber hinaus bestätigt,dass der Beklagten die Summen- und Saldenlisten sowie dieKreditoren und Debitoren zur steuerlichen Auswertung beiErstellung des Jahresabschlusses überlassen worden seien.Inwieweit hier allerdings Prüfungshandlungen der Beklagtenerfolgt seien, konnte der Zeuge nicht angeben.

Der Zeuge 1 hat weiter bekundet ..., dass er nach Rückspra-che mit dem Zeugen 2 die endgültige Aufstellung der unfer-tigen Arbeiten und des erforderlichen Rückstellungsbedarfsgefertigt und der Beklagten zur Erstellung des Jahresabschlus-ses zugeleitet habe. Hierzu habe es mitunter Rückfragen derBeklagten gegeben. Die Bewertung der halbfertigen Arbeitensei nicht unproblematisch, er habe sich aber bemüht, dieserealistisch abzubilden. Zu diesem Zweck habe er Kostenstel-lenrechnungen erstellt, die dann in den der Beklagten zurVerfügung gestellten Unterlagen abgebildet gewesen seien.Es könne sein, dass es hierzu von der Beklagten die eine oderandere Rückfrage gegeben habe, dies könne er heute abernicht mehr konkret angeben. Auch diese Angaben belegen,dass die Beklagte im Rahmen des Jahresabschlusses erforder-liche Plausibilitätsprüfungen vorgenommen hat.

Dass der Beklagten hierbei insbesondere in Bezug auf dieBewertung der unfertigen Arbeiten und die erforderlichen

Rückstellungen vorwerfbare Fehler unterlaufen sind, stehtnach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest.

Zur Bewertung der unfertigen Arbeiten hat die Sachverstän-dige nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass dieAngaben, die die Geschäftsleitung zur Erstellung der Bilanzmacht, durch den Steuerberater nur teilweise überprüf- undkontrollierbar sind, da diese Bewertung allein in der Verant-wortung der Geschäftsleitung liegt. Auf Plausibilität lassensich diese Angaben für den Steuerberater nur insoweit über-prüfen, als der Fertigstellungsgrad und die vereinbarte Ver-gütung ins Verhältnis gesetzt und mit der Kostenstellenrech-nung verglichen und auf Nachvollziehbarkeit untersuchtwerden. Dabei könne der Steuerberater aber die ihm von derGeschäftsleitung zum Fertigstellungsgrad gemachten Anga-ben schon mangels eigener Sachkenntnis nicht im Einzelnenüberprüfen.

Hiervon ausgehend musste die Beklagte die in dem Gutach-ten vom ... festgestellte fehlerhaft zu hoch erfolgte Bewer-tung der halbfertigen Arbeiten und den fehlenden Ansatz derDrohverlustrückstellungen ... nicht erkennen. Die Sachver-ständige Dr. S. hat hierzu in ihrem schriftlichen Gutachtenüberzeugend ausgeführt ..., dass diese Feststellungen in demGutachten vom ... aufgrund einer umfassenden Analyse derZahlungsfristigkeiten der Forderungen und Verbindlichkeitender Gesellschaft sowie einer Analyse der Kostenrechnung fürdie Bewertung der unfertigen Leistungen einerseits und desBedarfs zur Bildung von Drohverlustrückstellungen anderer-seits getroffen wurden. Hierbei handele es sich, so die Sach-verständige, um eingehende Prüfungshandlungen, zu derenVornahme ein Wirtschaftsprüfer bei Berücksichtigung derdamals gültigen Grundsätze des Instituts der Wirtschafts-prüfer bei Erstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet sei.

Diese seien viel weitreichender als die von einem Steuerbera-ter bei Erstellung von Jahresabschlüssen geschuldeten Plausi-bilitätsbeurteilungen, aufgrund derer die fehlerhafte Bewer-tung der unfertigen Arbeiten durch die Geschäftsleitung fürdie Beklagte nicht erkennbar gewesen sei. Dass in dem Gut-achten vom ... tatsächlich, wie von der Sachverständigen dar-gelegt, der Maßstab für Wirtschaftsprüfer angelegt wurde,ergibt sich aus den Ausführungen in dem Gutachten, das dieBilanzerstellung von einem „Wirtschaftsprüfer“ zugrundelegt und auf die Grundsätze des Instituts der Wirtschafts-prüfer (IDW) verweist. Bei ihrer Anhörung hat die Sachver-ständige Dr. S. ihre schriftlichen Ausführungen noch vertie-fend dahin erläutert ..., dass der Gutachter F. in seinem sehrausführlichen Gutachten vom ... jedes einzelne Projekt imNachhinein mit dem im Jahr 2010 vorhandenen Kenntnisstandkostenmäßig detailliert durchgerechnet habe und danach zudem Ergebnis der Überbewertung gelangt sei.

Prüfungsmaßnahmen dieses Umfangs seien nach dem Umfangdes der Beklagten erteilten Auftrags nicht geschuldet undwürden im Rahmen von Jahresabschlüssen üblicherweise inder Form auch nicht durchgeführt. Ausgehend von dem auf-grund des erteilten steuerlichen Mandates geschuldeten Um-fang der Plausibilitätsprüfung sei die von dem Gutachter F.ermittelte Überbewertung der unfertigen Leistungen durch

die Geschäftsführung der Schuldnerin für die Beklagte nichtfeststellbar gewesen. Diese Ausführungen der Sachverstän-digen Dr. S. sind nachvollziehbar, in sich schlüssig und über-zeugend.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht bei Zugrundelegung derAussage des Zeugen G. zu dem Projekt … . Dieser hat zwarausgeführt, dass der ursprüngliche Auftragsumfang für dieim Auftrag des … durchgeführten Kanalarbeiten bei ca. 1,9Mio. EUR lag, der Auftrag aber schließlich mit prüffähigerSchlussrechnung im Mai/Juni mit 5,4 Mio. EUR abgerechnetworden sei. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Schlussrech-nung habe noch ein Betrag von 2,2 Mio. EUR offen gestan-den, auf den der … noch etwa 500.000 EUR gezahlt habe.Nach längerem Hin und Her sei die Schlussrechnung gegenJanuar endfällig geworden, eine Abschlusszahlung sei abernur noch in Höhe von 703 EUR erfolgt. Danach ergab sicheine im Jahr noch offene Forderung in Bezug auf das Projekt… in Höhe von ca. 1,7 Mio. EUR, die zwischen … undSchuldnerin auch umstritten war.

Dass und wie diese unfertigen Arbeiten in die Kostenbewer-tungen der Geschäftsführung eingeflossen sind, dass derenAngaben unrichtig und deren mangelnde Plausibilität für dieBeklagte zu erkennen war, ist jedoch nicht dargelegt. Auchaus dem von dem Kläger in Bezug genommenen Gutachtender … ergibt sich hierzu nichts, denn dort ist bei der Bewer-tung der halbfertigen Arbeiten ... ein Projekt … nicht aufge-führt. Es lässt sich deshalb nicht feststellen, welche Bewer-tungen die Geschäftsführung der Schuldnerin insoweit vor-genommen hat und ob diese bei einer Plausibilitätsprüfungfür die Beklagte erkennbar unrichtig waren.

Ebenso wenig musste die im Jahr enorm gestiegene Geräte-miete für die Beklagte Anlass sein, auf eine möglicherweisedrohende Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung hinzuweisen.Die Sachverständige hat zwar eingeräumt, dass ein solch auf-fälliger Posten zu hinterfragen sei. Eine solche Rückfrage istnach Aussage des Geschäftsführers F. der Beklagten aucherfolgt. ... Er hat hierzu ausgeführt, dass im Jahr nicht nur derFuhrpark, sondern auch das Betriebspersonal auf eine andereGesellschaft ausgelagert worden sei, was dazu geführt habe,dass statt Abschreibungen, Zinsen und Personalkosten ent-sprechende Mietzahlungen angefallen seien.

Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich grundsätz-lich um eine unternehmerische Entscheidung der Geschäfts-führung handelt, ob und welche Risiken sie auslagern will,zumal bei einer Auslagerung auch das Risiko der Reparaturund der Ersatzbeschaffung verlagert werden. Ob es sich inso-weit um eine sinnvolle Entscheidung handelt, etwa weil derFuhrpark zwischenzeitlich überaltert und reparaturanfällig ist,kann und muss der Steuerberater nicht beurteilen. Es bestehtdeshalb auch keine Veranlassung für ihn, sie im Rahmenseiner Plausibilitätsbeurteilung zu beanstanden.

Nach alledem kann eine fehlerhafte Erstellung des Jahresab-schlusses durch die Beklagte, die zur Abgabe in einer unrich-tigen Schlusserklärung mit Bescheinigung geführt hat, nichtfestgestellt werden. (…)

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II. Selbst wenn man entgegen dem Ergebnis der vom Senatdurchgeführten Beweisaufnahme davon ausgehen würde,dass die Beklagte die Schlusserklärung pflichtwidrig fehler-haft abgegeben hätte, weil sie nicht auf eine ihr bei der Plau-sibilitätsprüfung erkennbar gewordene fehlerhafte Bewer-tung der unfertigen Leistungen oder der Drohrückstellungenhingewiesen hat, wäre diese Pflichtverletzung für den Eintrittdes vom Kläger geltend gemachten Insolvenzverschleppungs-schadens nicht kausal, da nach dem Ergebnis der Beweisauf-nahme nicht mit dem Beweismaß des § 287 ZPO feststeht, dassder Geschäftsführer G. der Schuldnerin diese Erklärungen zumAnlass genommen hätte, bereits im September Insolvenz-antrag zu stellen.

Der für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverlet-zung und Schadeneintritt darlegungs- und beweispflichtigeKläger kann sich im Streitfall nicht auf einen Anscheinsbe-weis für das bei entsprechendem Hinweis auf Plausibilitäts-bedenken – hier gegen die Bewertung der unfertigen Leis-tungen und der Drohrückstellungen in der Schlusserklärung– veranlasste Verhalten des Geschäftsführers der Schuldnerinberufen, denn vom Standpunkt eines vernünftigen Betrach-ters waren zum damaligen Zeitpunkt mehrere Entscheidungendes Geschäftsführers denkbar (BGH, Urt. v. 16.10.2003 –IX ZR 167/02, NJW-RR 2004, 1210, 1211).

Der Hinweis auf eine unzutreffende Bewertung der unfer-tigen Leistungen und der Drohrückstellungen sowie hierananknüpfend die Möglichkeit des Bestehens einer bilanziellenUnterdeckung musste den Geschäftsführer der Schuldnerinnicht ohne weiteres zur Insolvenzantragstellung veranlassen,zumal dieser seine im Strafverfahren eingeräumte spätestensab August vorhandene Kenntnis von der Insolvenzreife derSchuldnerin im Grundsatz bestätigt hat.

Selbst wenn eine dadurch veranlasste Prüfung die Insolvenz-reife der Schuldnerin ergeben hätte, hätte er bei wirtschaftli-cher Betrachtungsweise weitere Möglichkeit zur Sanierunggehabt (BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, juris Rdnr. 16)und nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenenPersönlichkeitseindruck und den im Strafverfahren getroffe-nen Feststellungen von einer Insolvenzantragstellung zudiesem Zeitpunkt mit überwiegender Wahrscheinlichkeitabgesehen.

Allerdings gehört die Frage des Ursachenzusammenhangszwischen Pflichtverletzung und Schadeneintritt zur haftungs-ausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis die Beweiser-leichterungen des § 287 ZPO Anwendung finden (BGH, Urt. v.6.6.2013 – IX ZR 204/12, juris Rdnr. 17; v. 16.10.2003,IX ZR 167/02, a.a.O.).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und insbesondereden Angaben des Zeugen G., des Geschäftsführers derSchuldnerin, hält der Senat es nicht für überwiegend wahr-scheinlich, dass dieser einen entsprechenden Hinweis in derSchlusserklärung der Beklagten zum Anlass für die Überprü-fung der Insolvenzreife der Schuldnerin und zur Insolvenz-antragstellung genommen hätte. Denn danach kannte derZeuge 1 die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin im

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Sommer genau, hat aber im Vertrauen darauf, dass der …die fällige Forderung in Höhe von 1,7 Mio. EUR zumindestteilweise begleichen werde und damit eine Insolvenzreife derSchuldnerin vermieden werden kann, von einer Insolvenz-antragstellung abgesehen.

Der Zeuge S. hat bei seiner Vernehmung angegeben, dassder Zeuge 1 sich in der ersten Januarwoche mit ihm inVerbindung gesetzt habe, weil eine Zahlung des … über800.000 EUR, die dieser gegen Stellung einer Bankbürg-schaft geleistet habe, von der Bank nicht freigegeben werde,weil diese ihrerseits Sicherheiten für die Bürgschaft verlangthabe, die die Schuldnerin nicht habe stellen können.

Da die Schuldnerin nach Angabe des Zeugen G. auf das Geldangewiesen gewesen sei, um die Gehälter ihrer Mitarbeiterfür Dezember und andere laufende Verbindlichkeiten zahlenzu können, habe er im Auftrag des Zeugen G. am 29.1.Insolvenzantrag gestellt. Seiner Erinnerung nach habe sichder Zeuge 1 dahin eingelassen, dass der … wegen seinerWeigerung, die offene Forderung zu begleichen, letztlichSchuld an der Insolvenz der Schuldnerin sei. Nach seinemEindruck sei der Insolvenzantrag auch nur wegen Ausfallsdieser Zahlung gestellt worden.

Der Zeuge 1 hat glaubhaft bestätigt, dass er entsprechendseinen Angaben im Strafverfahren spätestens im AugustKenntnis von der Insolvenzreife der Schuldnerin gehabt habe.Es sei auch richtig, dass er in Kenntnis der Insolvenzreifenach diesem Zeitpunkt Firmenfahrzeuge deutlich unter Wertan seine Ehefrau und Anlagevermögen deutlich unter Wertan die von seiner Ehefrau geführte Firma veräußert habe.

Aus diesen Angaben folgt klar und eindeutig, dass derZeuge 1 den wirtschaftlichen Zustand der Schuldnerin imAugust kannte, er vorhandenes Gesellschaftsvermögen zumeigenen Vorteil und dem der Ehefrau unter Wert verkaufteund er keines Hinweises durch die Beklagte mehr bedurfte,um den Ernst der Lage zu erkennen.

Dass er dennoch erst im Januar Insolvenzantrag gestellt hat,hat er damit erklärt, dass er zum damaligen Zeitpunkt immernoch die Hoffnung gehabt habe, dass der … die offene Rest-forderung begleicht und die Schuldnerin zahlungsfähig bleibt.Erst als sich die durch den Forderungsausfall bewirkten er-heblichen Liquiditätsprobleme im Dezember/Januar deutlichabgezeichnet hätten, habe er Kontakt zu RA S. aufgenom-men, der dann den Insolvenzantrag gestellt habe.

Danach hält es der Senat nicht für wahrscheinlich, dass sichder Zeuge 1, wenn er im November in dem Jahresabschluss-bericht und der Bescheinigung der Beklagten gelesen oderim August von dieser erfahren hätte, dass die Bewertung derunfertigen Leistungen, wie von der Geschäftsführung ange-geben, nicht plausibel und möglicherweise zu hoch ausge-fallen sei, veranlasst gesehen hätte, die Insolvenzreife derSchuldnerin näher zu prüfen und Insolvenzantrag zu stellen.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klä-gers auch nicht aus der Aussage des Zeugen G., dass er

schon im Sommer einen Insolvenzantrag gestellt hätte, wenndie Beklagte ihm da plausibel erklärt hätte, dass die Schuld-nerin insolvenzreif sei. Denn hier übersieht der Kläger, dassdie Beklagte mangels Auftrags zur Erstellung einer Liquida-tionsbilanz auf eine Insolvenzreife der Schuldnerin wederhinweisen konnte noch musste.

Sie hätte – eine Pflichtverletzung unterstellt – lediglich daraufhinweisen müssen, dass die angegebenen Werte zu den un-fertigen Leistungen ihrer Auffassung nach nicht plausibel undmöglicherweise zu hoch angesetzt seien. Dass allein dieserHinweis den Geschäftsführer der Schuldnerin veranlassthätte, die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin anders zu be-urteilen und – abweichend von seiner Hoffnung, die offeneForderung des … doch noch realisieren und die Schuldnerin„am Leben halten“ zu können – unverzüglich Insolvenzantragzu stellen, hält der Senat für wenig wahrscheinlich.

Vielmehr hat der Zeuge auf den Senat den Eindruck ge-macht, dass ihm die wirtschaftlich angespannte Lage derSchuldnerin durchaus bekannt war, er aber dennoch daraufvertraut hat, dass sie irgendwie wird weitermachen können.Hinzu kommt, dass er selbst die Bewertung der unfertigenArbeiten und der erforderlichen Drohrückstellungen vorge-nommen hat. Ihm musste deshalb durchaus bewusst sein,wenn er die unfertigen Arbeiten zu hoch und/oder die Droh-rückstellungen trotz des Ausfallrisikos zu gering bewertethat. Eine von seiner Bewertung abweichende Bewertungdurch die nicht sachverständige Beklagte hätte ihn deshalbnicht zu einer abweichenden Beurteilung und einer sofor-tigen Insolvenzantragstellung veranlasst. (…) •

Versicherungsschutz• Finanz- und Versicherungsmakler• Risikoausschlüsse• Vermittlung/Empfehlung von Geldgeschäften• Trennbare Beratungsteile• Wissentliche Pflichtverletzung• Kündigung der Lebensversicherung(OLG Köln, Urt. v. 24.7.2015 – 20 U 44/15)

Leitsätze (d. Red.):1. Es gehört nicht zu den handelsüblichen Tätigkeiteneines Versicherungsmaklers, seine Kunden über Anlage-möglichkeiten außerhalb des Versicherungsbereichs zuberaten.

2. Ein Versicherungsmakler weiß, dass die Kündigungeiner Lebensversicherung ebenso wie deren Verkaufzum Rückkaufswert typischerweise Nachteile mit sichbringt; wenn er dem Kunden rät, eine Lebensversiche-rung zu kündigen oder zu verkaufen, ohne ihn aufdiese Nachteile hinzuweisen, dann verletzt er eineelementare berufliche Pflicht, von der er als in demBeruf des Versicherungsmaklers Tätiger Kenntnis hat. •

Ausübung der Tätigkeit als Versicherungsmakler im handels-üblichen Rahmen im Sinne der Ziff. 2.1 gehandelt habe. Dasbetreffe sowohl die Empfehlung zur Auflösung der bestehen-den Verträge als auch die Empfehlung, die freigewordenenGelder in eine Goldanlage zu investieren. Die Anlageemp-fehlung könne auch nicht als Nachweis oder Vermittlungeiner Finanzierung verstanden werden. Soweit die Bedingun-gen auch die Kapitalanlagevermittlung erfassten, sei jeden-falls die hier getätigte Investition nicht vom Versicherungs-schutz erfasst. Soweit der Kläger mit dem Hilfsantrag geltendmache, er sei nicht über die Nachteile der vorzeitigen Auf-lösung der Versicherungsverträge unterrichtet worden, be-stehe kein Versicherungsschutz, weil der Schwerpunkt desAnlagegeschäfts in der Umschichtung des Geldes und damitin der – vom Versicherungsschutz nicht gedeckten – Emp-fehlung der Anlage in ein Goldgeschäft bestanden habe.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der erseine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfangweiterverfolgt. Zu den Hauptanträgen bringt die Berufungvor, bei der Tätigkeit des Mitarbeiters der D. GmbH, Herrn E.,habe es sich insgesamt um die „Ausübung der Tätigkeit alsVersicherungsmakler im handelsüblichen Rahmen“ im Sinnevon Ziff. 2.1 der Besonderen Vereinbarungen für Finanz- undVersicherungsmakler gehandelt. Es sei nicht maßgebend,dass nach Auflösung der bestehenden Versicherungen keineweiteren Versicherungen vermittelt worden seien.

Das setze die Klausel nicht voraus. Es reiche aus, wenn zu-sammen mit der Empfehlung, bestehende Versicherungsver-träge aufzulösen, der Abschluss sonstiger Anlageverträgenachgewiesen oder vermittelt werde. Der Kläger stützt sichfür seine Auffassung auf eine Entscheidung des BGH zur An-waltshaftung (VersR 1994, 811). Es bestehe danach jeden-falls ein innerer Zusammenhang mit der Tätigkeit als Ver-sicherungsmakler. Auch allgemein könne eine Anlagebera-tung Gegenstand der Tätigkeit eines Versicherungsmaklerssein, weil auch der Abschluss einer kapitalbildenden Lebens-versicherung grundsätzlich als Kapitalanlage anzusehen sei.

Jedenfalls falle die Verpflichtung, über die wirtschaftlicheSinnhaftigkeit der Auflösung von Lebensversicherungsver-trägen zu beraten, unter den Versicherungsschutz. Die Emp-fehlung, das freigewordene Geld in Goldkäufe anzulegen,sei erst durch die Auflösung der Verträge umsetzbar gewe-sen, weil ihm, dem Kläger, erst dadurch die notwendigenGeldmittel zur Verfügung gestanden hätten. Der mit demHauptantrag geltend gemachte Schaden beruhe deswegenauch auf der fehlerhaften Beratung zum Verkauf der beste-henden Lebensversicherungen.

Zum Hilfsantrag wird angeführt, die Auffassung des LG, ihmstünden alleine wegen des fehlerhaften Rates, die Lebens-versicherungen aufzulösen, keine Schadenersatzansprüchegegen die D. GmbH zu, weil der Schwerpunkt auf der Emp-fehlung einer neuen Kapitalanlage liege, treffe nicht zu.Richtigerweise seien beide Empfehlungen (Verkauf derLebensversicherungen, Anlage des Geldes in Goldkäufe)isoliert zu betrachten. Maßgebend sei, dass er, der Kläger,zuerst vom Vermittler E. in seiner Eigenschaft als Versiche-

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Aus den Gründen:I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Vermögensschaden-haftpflichtversicherer der insolventen D. GmbH in Anspruch.Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versiche-rungsbedingungen für die Vermögensschadenhaftpflicht-versicherung und die Besonderen Vereinbarungen für Finanz-und Versicherungsmakler zugrunde. ...

Der Kläger hat behauptet, er habe 2010 auf Anraten einesMitarbeiters der D. zwei bestehende Lebensversicherungenan die Q. GmbH verkauft und die Verkaufserlöse in Höhevon 22.280 EUR der F. Corp. zum Ankauf von Gold über-lassen, wobei innerhalb von 2 Jahren eine Rendite von an-nähernd 100% habe erzielt werden sollen. Diese Anlage seiihm als absolut sicher und ohne Verlustrisiko geschildertworden. Tatsächlich seien die vereinnahmten Geldbeträgefür andere Zwecke ausgegeben worden. Der Kläger hat dieRechtsauffassung vertreten, er könne die Beklagte gemäߧ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG direkt auf Schadenersatz inAnspruch nehmen. Sowohl die Empfehlung, die bestehen-den Lebensversicherungsverträge zu verkaufen, als auch dieEmpfehlung zur Anlage in Goldgeschäfte unterfielen demVersicherungsschutz.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.280 EUR nebstZinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über demBasiszinssatz seit dem 14.11.2013 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.248,31 EURnebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten überdem Basiszinssatz seit dem 14.11.2013 für nicht erstattungs-fähige vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen;

3. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,ihm denjenigen Schaden zu erstatten, der ihm aus dem„Verkauf“ der Lebensversicherungen bei der A. AG (Vertr.-Nr. 1 XL-2xx5xx0) und bei der D2 (Vertr.-Nr. 6xx41xX) ent-standen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den gesamten Sachvortrag des Klägers mit Nichtwis-sen bestritten. Sie hat die Ansicht vertreten, ein Direkt-anspruch bestehe nicht. Die vom Kläger behauptete Anlage-vermittlung sei nicht vom Versicherungsschutz erfasst.Jedenfalls – die Richtigkeit der Darstellung des Klägers unter-stellt – sei der Schaden auf eine wissentliche Pflichtverlet-zung zurückzuführen, so dass ein etwa bestehender Versi-cherungsschutz ausgeschlossen sei.

Das LG hat die Klage mit Urteil vom 7.10.2014, auf daswegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommenwird, abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichenausgeführt, für die vom Kläger behauptete Anlageempfeh-lung bestehe auch nach den vereinbarten Besonderen Bedin-gungen kein Versicherungsschutz, weil es sich nicht um die

rungsmakler auf den Verkauf der Lebensversicherungen an-gesprochen worden sei; auf dieses erste, kausale Ereignis seiabzustellen. Insoweit sei die Tätigkeit noch dem versichertenRisiko zuzuordnen. Weitergehend sei in seinem solchen Fallgrundsätzlich der gesamte einheitliche Lebensvorgang vonder Haftpflichtversicherung gedeckt. Für die Gewährung vonVersicherungsschutz reiche es aus, wenn einer der versicher-ten Ansprüche unter das versicherte Risiko falle. Das habezur Folge, dass jedenfalls die weitergehende Empfehlung, inGold zu investieren, nicht zum Ausschluss des gesamtenVersicherungsschutzes führe.

Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt,verteidigt das angefochtene Urteil. ...

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache unbe-gründet.

1. Hauptantrag

Mit dem Hauptantrag hat die Klage keinen Erfolg. Mit die-sem Antrag macht der Kläger einen Direktanspruch gegendie Beklagte als Vermögensschadenhaftpflichtversicherer derD. GmbH, die sich in der Insolvenz befindet, geltend (§ 115Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG). Dabei handelt es sich nicht umeinen versicherungsrechtlichen Anspruch, sondern der Dritte(hier der Kläger) macht seinen Haftungsanspruch gegen denSchädiger unmittelbar gegen den Versicherer geltend.

Dieser haftet allerdings nach § 115 Abs. 1 Satz 2 VVG nur imRahmen seiner Leistungspflicht bzw., wenn eine solche nichtbesteht, nach § 117 Abs. 1 und 4 VVG. Das bedeutet in derSache, dass der Versicherer sich gegenüber dem Dritten nichtauf eine Leistungsfreiheit im Verhältnis zum Versicherungs-nehmer (etwa wegen einer Obliegenheitsverletzung) stützenkann. Er kann sich allerdings auch gegenüber dem Drittenauf Leistungsausschlüsse berufen (vgl. nur Römer/Langheid,VVG, 4. Aufl., § 117, Rdnr. 7 und 27).

Nach § 4 Abs. 3 der vereinbarten AVB besteht grundsätzlichkein Versicherungsschutz für die Vermittlung und Empfehlungvon Geldgeschäften. Vorliegend allerdings gelten die Beson-deren Vereinbarungen für Finanz- und Versicherungsmakler.

Der Kläger beruft sich in der Berufungsinstanz nur noch aufdas Eingreifen von Ziff. 2.1 dieser Besonderen Bedingungen,wonach für die Ausübung der Tätigkeit als Versicherungs-makler im handelsüblichen Rahmen Versicherungsschutz be-steht. Das bedeutet, ausgelegt nach den anerkannten Aus-legungskriterien, wonach es auf das Verständnis des durch-schnittlichen Versicherungsnehmers ankommt (vgl. BGHZ123, 83), dass die üblichen Versicherungsmaklertätigkeitenversichert sind.

Das ist nach § 59 Abs. 3 VVG vor allem die gewerbsmäßigeVermittlung oder der Abschluss von Versicherungsverträgen(s. allg. auch § 93 Abs. 1 HGB). Darüber hinaus gehört es zumüblichen Umfang der von einem Versicherungsmakler geschul-deten Leistungen, den Versicherungsnehmer im Rahmen einesbestehenden Versicherungsverhältnisses zu begleiten und zu

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beraten (vgl. Römer/Langheid, a.a.O., § 59, Rdnr. 8; Dörnerin: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 59, Rdnr. 74). Dazu magauch noch gerechnet werden, den Versicherungsnehmerüber die Möglichkeiten der Beendigung eines Versicherungs-vertrags zu beraten. Es gehört aber nicht mehr zu den han-delsüblichen Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers, seinenKunden über andere Anlagemöglichkeiten außerhalb desVersicherungsbereichs zu beraten. Das ist die Aufgabe vonAnlagevermittlern und Anlageberatern.

Die gegenteilige Auffassung des Klägers überzeugt nicht.Die von ihm herangezogene Entscheidung des BGH zurAnwaltshaftung (VersR 1994, 811) betrifft eine andere Fall-konstellation und ist für die hier zu entscheidende Fragenicht einschlägig. Dort ging es darum, ob ihm Rahmen einerzivilrechtlichen Haftung des Anwalts auch atypische Tätig-keiten (nämlich eine Anlageberatung) unter einen Anwalts-dienstvertrag zu fassen sind.

Auch im hier gegebenen Fall mag es so sein, dass die D.,auch wenn sie mit dem Kläger nur einen Versicherungs-maklervertrag abgeschlossen haben sollte, in dessen Rahmenauch für eine dann tatsächlich vorgenommene unzureichen-de Anlageberatung außerhalb des Versicherungsbereichshaftet. Vorliegend geht es aber darum, in welchem Umfangeine tatsächlich übernommene Beratungstätigkeit auch vomVersicherungsschutz der bei der Beklagten unterhaltenenVermögensschadenhaftpflichtversicherung gedeckt ist. Dasrichtet sich alleine danach, ob die Tätigkeit, wie es Ziff. 2.1der Besonderen Bedingungen vorsieht, handelsüblich für einenVersicherungsmakler ist, und das ist sie eben gerade nicht.

Der Kläger kann auch nicht darauf verweisen, dass derAbschluss von Lebensversicherungen „grundsätzlich“ eineKapitalanlage darstelle und daher deren Vermittlung alsKapitalanlage zu werten sei. Das trifft schon im rechtlichenAusgangspunkt nicht zu, denn die Vermittlung einer Lebens-versicherung ist in aller Regel nicht als Kapitalanlage zu wer-ten, sondern nur dann, wenn die Absicherung des Todesfall-risikos gegenüber der Renditeerwartung von untergeord-neter Bedeutung ist (BGH, VersR 2012, 1237).

Aber selbst wenn man dem Ansatz des Klägers folgt, dannbeschränkt sich die übliche Tätigkeit des Versicherungs-maklers (mag sie in Ausnahmefällen nach Kapitalanlage-grundsätzen zu bewerten sein) doch auf die Vermittlung vonVersicherungen und nicht auf die Vermittlung sonstigerKapitalanlagen.

Dass im Rahmen der Ziff. 2.1 der Besonderen Bedingungennicht sämtliche Tätigkeiten eines Maklers im Rahmen einerKapitalanlageberatung abgesichert werden sollten, folgt auchaus den übrigen Regelungen in Ziff. 2. Danach sind etwa inZiff. 2.4 nur „der Nachweis und die Vermittlung von Finanzie-rungen“ und in Ziff. 2.6 sowie Ziff. 2.8 und 2.9 nur bestimm-te Arten von Kapitalanlagen (Vermittlung von Investment-fonds, Schiffsbeteiligungen, Immobilienfonds, Leasingfonds,Medienfonds, von nicht börsennotierte Aktien und vonAnteilen an Venture-Capital- und Private-Equity-Fonds) vomVersicherungsschutz erfasst.

Vermittler E. habe gewusst, dass er – wenn er zu einem vor-zeitigen Verkauf von Lebensversicherungen zum Rückkaufs-wert rät – gehalten ist, darüber aufzuklären, dass dies Nach-teile mit sich bringt. Ein solcher Vortrag war hier jedoch ent-behrlich, weil insoweit eine Verletzung elementarer beruf-licher Pflichten anzunehmen ist, deren Kenntnis nach derLebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetztwerden kann.

Ein Versicherungsmakler weiß, dass die Kündigung einerLebensversicherung ebenso wie deren Verkauf zum Rückkaufs-wert typischerweise Nachteile mit sich bringt; wenn er einemKunden mithin dazu rät, eine Lebensversicherung zu kündigenoder zu verkaufen, ohne ihn auf diese Nachteile hinzuweisen,dann verletzt er eine elementare berufliche Pflicht, von der erals in dem Beruf des Versicherungsmaklers Tätiger Kenntnishat.

Das reicht zur Annahme einer wissentlichen Pflichtverletzungaus. Es kommt nicht darauf an, dass der Vermittler E. womög-lich selbst daran glaubte, er vermittele eine lukrative Kapital-anlage, und dass er – wie es der Kläger behauptet – selbstin das Goldgeschäft investiert hat. Es geht in dem hier nochinteressierenden Zusammenhang nicht mehr darum, wie dasfreiwerdende Geld investiert werden sollte, sondern nur da-rum, welche Nachteile mit einer Kündigung bzw. mit einemVerkauf der Lebensversicherung verbunden waren. Darüberhätte ungeachtet der weiteren Verwendung des freiwerden-den Geldes aufgeklärt werden müssen, und es ist davon aus-zugehen, dass der Vermittler E. das auch wusste. ... •

Anwaltsvertrag• Mandant: Bundesland• Dritthaftung gegenüber Ministerpräsidenten?• Leistungsnähe• Spezifischer Risikozusammenhang• Drittschutz des GmbH-Geschäftsführers(LG Stuttgart, Urt. v. 24.2.2015 – 9 O 108/14)

Orientierungssätze:1. Es kann zwar auch ein Anwaltsvertrag Vertrags-pflichten enthalten, die eine Schutzwirkung zugunstenDritter begründen, was aber wegen Art und Strukturdes Anwaltsvertrages nur selten in Betracht kommt.Denn der Anwaltsvertrag ist auf dem Vertrauens-verhältnis zwischen Mandant und Anwalt aufgebautund daher vom Inhalt her streng zweiseitig ohneAußenwirkung angelegt, so dass Interessen Dritter amErgebnis der anwaltlichen Tätigkeit daher im Allge-meinen nicht zu einer Haftungserweiterung des Rechts-anwalts führen, auch dann nicht, wenn diese Personendem Rechtsanwalt benannt oder bekannt sind.

2. Bei einem Anwaltsvertrag, bei dem der Anwalt auchdie Vermögensinteressen eines Dritten wahrzunehmen

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2. Hilfsantrag

Auch mit dem Hilfsantrag hat die Klage keinen Erfolg.

Den Hilfsantrag hat das LG als unbegründet angesehen, weiles gemeint hat, der eindeutige Schwerpunkt der Tätigkeitder D. habe auf der „Umschichtung des Geldes“ und auf derVermittlung einer neuen Kapitalanlage gelegen, so dass auchfür etwaige Pflichtverletzungen im Rahmen der Beratungüber die Beendigung der Lebensversicherungen kein Versi-cherungsschutz bestehe. Diese Auffassung erscheint demSenat zweifelhaft. Vorliegend bestehen zwei deutlich vonein-ander zu trennende Beratungsteile, und zwar einerseits dieBeratung zum Verkauf der Lebensversicherungen, die nochals Versicherungsmaklertätigkeit anzusehen sein wird, unddie Beratung dahin, frei gewordenes Geld in Goldgeschäfteanzulegen, die nicht mehr Versicherungsmaklertätigkeit ist.

Insoweit dürfte jede Pflichtverletzung und eine daraus folgen-de Haftung getrennt zu sehen sein. Fällt danach aber eineTätigkeit und eine damit verbundene Pflichtverletzung unterdas versicherte Risiko, wird insoweit Versicherungsschutz zugewähren sein (so in der Sache auch v. Rintelen in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl.,§ 26, Rdnr. 288).

Abschließender Entscheidung bedarf dies aber nicht, dennwenn man zugunsten des Klägers unterstellt, die Beratungüber den Verkauf der Lebensversicherungen sei vom Versi-cherungsschutz erfasst, dann wäre dieser nach § 4 Nr. 5 AVBausgeschlossen. Danach besteht kein Versicherungsschutzwegen Schäden durch sonstige wissentliche Pflichtverletzun-gen. Wissentlich handelt nur derjenige, der die verletztenPflichten positiv kennt. Es muss also feststehen, dass derVersicherungsnehmer seine Pflichten zutreffend gesehen hat.

Die Darlegungs- und Beweislast für eine wissentliche Pflicht-verletzung liegt beim Versicherer. Hierfür hat er – wenn essich nicht um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichtenhandelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedemBerufsangehörigen vorausgesetzt werden kann – Anknüp-fungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien füreine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können.Erst wenn dieses geschehen ist, obliegt es dem Versicherungs-nehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Um-stände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien denSchluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen(zu allem BGH, VersR 2015, 181).

Vorliegend hat der Kläger vorgetragen, der Vermittler E. habeihn über die Nachteile der vorzeitigen Beendigung der Lebens-versicherungsverträge (Steuernachteile, niedriger Rückkaufs-wert) nicht aufgeklärt. Die Beklagte hat die Behauptung desKlägers zur fehlenden Aufklärung über die Nachteile einesvorzeitigen Verkaufs der Lebensversicherungen mit Nicht-wissen bestritten und weiter vorgetragen, dass dann, wennman die Richtigkeit des Vortrags des Klägers unterstelle, derAusschlusstatbestand des § 4 Abs. 5 AVB greife. ... Damithat sie sich das Vorbringen des Klägers hilfsweise zu eigengemacht. Die Beklagte hat zwar nicht konkret dargetan, der

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Mit E-Mail vom 28.11.2010, 21:52 Uhr, wies der BeklagteZiff. 2 seine Kollegen darauf hin, dass der Kläger glaube, fürden Kauf der Anteile durch das Land sei die Zustimmung desLandtages erforderlich.

Daraufhin wurde bei der Beklagten unter Einbeziehung desBankers E. über die möglicherweise bestehende Notwendig-keit, das Parlament zu beteiligen, beraten. Zunächst erklärteder Beklagte Ziff. 2 in seiner E-Mail vom 29.11.2010,10:48 Uhr, an den Banker E., dass ein Zustimmungsvorbehaltdes Parlamentes wohl erforderlich sei. Mit E-Mail vom29.11.2010, 15:04 Uhr, erhielt der Banker E. vom BeklagtenZiff. 2 ein Memo des Partners H. der Beklagten Ziff. 1 zu die-ser verfassungsrechtlichen Frage. Nach diesem Memo konntenach Art. 81 der Landesverfassung im Falle eines „unvorher-gesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses“ die Zustim-mung des Parlamentes nachträglich eingeholt werden, wennder Finanzminister seine Zustimmung erklärte. Unter derAnnahme, dass Dringlichkeit wegen eines drohenden Weg-Erwerbes durch ausländische Investoren bestehe, sei dieKernfrage, inwieweit das Bedürfnis zum Kauf der Anteileunabweisbar sei.

Sodann wurde bei der Beklagten Ziff. 1, ebenfalls unter Ein-beziehung des Bankers E., darüber beraten, wie man die B.rechtlich oder tatsächlich an ein Angebot binden könne, bisdas Parlament seine Zustimmung erteilen würde. Mit E-Mailvom 30.11.2010, 07:26 Uhr, an die Beklagten teilte ein hin-zugezogener französischer Rechtsanwalt mit, dass der CEOF. der B. im Interesse seines Unternehmens handeln müsse,weswegen davon auszugehen sei, dass er ein besseres An-gebot eines anderen Bieters annehmen würde, selbst wenner dem Angebot des Landes bereits zugestimmt habe.

Die damalige Sekretärin des Klägers übersandte dem BankerE. mit E-Mail vom 30.11.2010, 7:51 Uhr den „W.-Vermerk“.Der Banker E. leitete den Vermerk mit E-Mail vom selbenTag, 8:53 Uhr an den Beklagten Ziff. 2 mit dem Kommentarweiter, er habe die Lösung. Dabei fragte er nach, ob der Be-klagte Ziff. 2 daraufhin eine „Legal Opinion“ der BeklagtenZiff. 1 erstellen könne. Nach dem „W.-Vermerk“ benötigeder Ministerpräsident für den Kauf von Beteiligungen keineZustimmung des Parlamentes nach der Landeshaushaltsord-nung, wenn im Haushalt für den Erwerb genügend Geld imsogenannten Allgemeinen Grundstock (= Einnahmen aus derVeräußerung von Grundstücken und Beteiligungen) vorhan-den sei. (...)

Am 30.11.2010 erklärte der Banker E. in seiner E-Mail von09:36 Uhr gegenüber dem Banker G. der R. Frankreich, demZwillingsbruder des CEO F., dass sein Bruder ein unbedingtesAngebot erhalten werde.

Mit E-Mail vom 30.11.2010, 9:37 Uhr, an seine Rechtsan-waltskollegen bei der Beklagten Ziff. 1 erklärte der PartnerH., dass der „W.-Vermerk“ sein Memo bestätige, wonacheine Zustimmung des Parlamentes erforderlich sei, und § 65Abs. 1 LHO neben den Regelungen der Landesverfassungzusätzlich zu beachten sei.

hat, kann der Dritte in den Schutzbereich der anwalt-lichen Pflichten einbezogen sein. Insoweit hat der Drittekeinen Anspruch auf die vertragliche Hauptleistung,wohl aber einen eigenen Schadenersatzanspruch.Voraussetzung hierfür ist, dass die Rechtsgüter desDritten nach der objektiven Interessenlage im Einzelfalldurch die Anwaltsleistung mit Rücksicht auf den Ver-tragszweck beeinträchtigt werden können und derMandant ein berechtigtes Interesse am Schutz desDritten hat. An dieser Voraussetzung, insbesonderedem Merkmal der sogenannten Leistungsnähe, fehlt esvorliegend, da die Beratungstätigkeit des Anwalts fürdas Land nach dem Inhalt des Vertrages nicht demInteresse des Ministerpräsidenten (Kläger) dient. •

Tatbestand:Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche wegenbehaupteter Verletzung ihrer Beratungspflichten aus einemAnwaltsvertrag nach den Grundsätzen des Vertrages mitSchutzwirkung zugunsten Dritter geltend.

Der Kläger war Ministerpräsident des Landes S. (Land). DieBeklagte Ziff. 1 war als Anwaltskanzlei für das Land und dieA. GmbH beim Erwerb der vom Stromkonzern B. über seineTochtergesellschaft C. gehaltenen Aktien am börsennotiertenEnergieunternehmen D. in Höhe von 45,01% im November/Dezember 2010 durch die A. GmbH, einer im Eigentum desLandes stehenden Gesellschaft, beratend tätig. Der BeklagteZiff. 2 betreute das Mandat als verantwortlicher Partner derBeklagten Ziff. 1.

Am 24.11.2010 fragte der Banker E., damals Deutschland-Chef der Investmentbank R. AG, telefonisch beim BeklagtenZiff. 2 an, ob Bereitschaft bestehe, das Land bei einer Trans-aktion „mit D./B. auf der anderen Seite“ zu beraten. AmVormittag des folgenden Tages erklärte der Beklagte Ziff. 2dem Banker E., dass die Beklagte Ziff. 1 das Mandat über-nehmen werde.

Am 26.11.2010 fand gegen 13:30 Uhr eine Telefonkon-ferenz statt, an der neben dem Kläger, dem Beklagten Ziff. 2und dem Banker E. auch der CEO (Chief Executive Officer,was dem Vorstandsvorsitzenden der deutschen AG entspricht)der B., Herr F., teilnahm. Der CEO F. erklärte, dass er keinenweiteren Vorbehalt außer einem fusionsrechtlichen wünscheund auf einem sonst unkonditionalen, bindenden Vertrags-schluss bestehe.

Es wurde vereinbart, dass der Kläger der B. am 6.12.2010um 9:00 Uhr ein Angebot für die Übernahme ihrer Aktien ander D. machen solle, welches nur unter dem Vorbehalt derKabinettszustimmung stehen und im Übrigen unbedingt seinsollte. Eine bis anderthalb Stunden später sollte er vom CEOF. die Annahme des Angebotes erhalten, die sodann vomKabinett des Landes bestätigt werden sollte. Das Kabinettdes Landes und das Board der B. sollten parallel tagen. (...)

Der Partner J. der Beklagten Ziff. 1 teilte seinen Kollegen mitE-Mail vom 30.11.2010, 12:01 Uhr, mit, dass R. mitgeteilthabe, seitens des Landes bestehe eine etwas andere Auf-fassung zum Parlamentsvorbehalt. In anderem Zusammen-hang sei man zu dem Ergebnis gekommen, ein Kabinetts-beschluss reiche aus.

Der Partner H. schrieb in seiner E-Mail vom 30.11.2010,12:09 Uhr, dass sich bei dem wunschgemäß erfolgtenGespräch mit einer weiteren Person seine bisherige Positionbestätigt habe. Trotz Risiken sähen sie jedoch Ansatzpunktedafür, die zentrale Voraussetzung der Unabweisbarkeit einerNotbewilligung des Finanzministers darzulegen.

Um 13:10 Uhr fand eine Besprechung der Rechtsanwälte derBeklagten Ziff. 1 zu der Angelegenheit statt. In seiner E-Mailvom 30.11.2010, 14:41 Uhr, berichtete Rechtsanwalt K. derBeklagten Ziff. 1 seinem Kollegen Rechtsanwalt L., dass dasTreffen sehr schnell gegangen sei. Der Kläger nehme das Ri-siko, es ohne Parlamentsvorbehalt zu machen. Damit könneman alles so machen, wie ursprünglich besprochen.

Der Beklagte Ziff. 2 schrieb am 30.11.2010, 14:52 Uhr, anden Banker E. in einer E-Mail, dass die Verfassungsrechtlerder Beklagten Ziff. 1 den telefonisch besprochenen Weg ab-gesegnet haben. Das Problem werde über Art. 81 LV gelöst,das heiße die Zustimmung des Finanzministers. Also keinParlamentsvorbehalt, man könne am 6.12. ohne Bedingung(außer Fusionskontrolle) abschließen.

Am 1.12.2010 trafen sich der Kläger und der Beklagte Ziff. 2um 19:45.

Am 2.12.2010 wurde die Vergütungsvereinbarung zwischendem Land und der Beklagten Ziff. 1 durch Staatsminister M.unterzeichnet.

Am 5.12.2010 wurde der Finanzminister N. gegen 23:00Uhr vom geplanten Kauf der Anteile an der D. von der B.unter Anwesenheit des Klägers und des Beklagten Ziff. 2informiert.

Am 6.12.2010 informierte der Kläger bei einem Frühstückden Fraktionsvorsitzenden der F.-Fraktion im Landtag O. so-wie den Wirtschaftsminister P. Um 9:00 Uhr desselben Tagesinformierte der Kläger das Kabinett. Der Beklagte Ziff. 2 nahman beiden Terminen teil.

Um 9:39 des 6.12.2010 stimmte das Kabinett des Landesdem Kauf der Anteile an der D. zu, der am 17.2.2011 nachder Genehmigung durch die Kartellbehörde vollzogenwurde.

Der Kläger trägt vor, die Feststellungklage sei zulässig. Es seihinreichend wahrscheinlich, dass dem Kläger durch dieHandlungen der Beklagten ein Schaden entstanden sei. Fürdie Zulässigkeit der Feststellungklage reiche es aus, dass derSchaden sich noch in der Entwicklung befinde.

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Die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunstenDritter seien gegeben.

Das Merkmal der Leistungsnähe liege vor. Der Kläger seinämlich mit der Leistung der Beklagten aus dem zwischender Beklagten Ziff. 1 und dem Land geschlossenen Anwalts-und Beratungsvertrag bestimmungsgemäß in Berührunggekommen und sei der Gefahr von Pflichtverletzungen in glei-cher Weise ausgesetzt gewesen wie das Land. Eine mangel-hafte Beratung sei nicht nur geeignet gewesen, die Vermö-gensinteressen des Landes zu beeinträchtigen, sondern alsReflex zugleich und direkt auch den Kläger.

Ein Einbeziehungsinteresse des Landes ergebe sich aus einerFürsorgepflicht des Landes, welche sich aus dem Amtsver-hältnis des Klägers ableite, § 1 MinG BW. Darüber hinausbestehe Drittschutz, weil sich nach Auslegung des Vertragesergebe, dass der Kläger aufgrund eines besonderen Interes-ses in den vertraglichen Schutz einbezogen werden solle. DerKläger sei vom Rechtsrat des Beklagten Ziff. 2 abhängig ge-wesen. Es sei um eine umfassende Rückendeckung für denpolitisch und damit auch rechtlich verantwortlichen Minister-präsidenten gegangen. Nach der Rechtsprechung des BGHstünden selbst gegenläufige Interessen zwischen Drittem undGläubiger einem Drittschutz nicht entgegen. Gerade in Gut-achterfällen habe die Rechtsprechung eine Erstreckung desDrittschutzes angenommen. Ferner sei der Drittschutz aucherkennbarer Vertragszweck gewesen. Ein Rechtsberaterver-trag könne Schutzwirkung zu anderen Personen mit engerBeziehung zum Mandanten entfalten.

Leistungsnähe und Einbeziehungsinteresse seien für die Be-klagten auch erkennbar gewesen. Den Beklagten sei durch-gehend gegenwärtig gewesen, dass letztlich der Minister-präsident selbst in seinen Rechten bis hin zur persönlichenHaftung berührt werde, wenn sie anwaltliche Pflichten ver-letzten. Den Beklagten würden durch die Einbeziehung desKlägers in den Schutzbereich des beschlossenen Anwalts-vertrages keine Pflichten aufgebürdet, die über das hinaus-gingen, was sie von vornherein überschauen konnten.

Der Kläger sei schutzbedürftig. Er habe einen inhaltsgleichenvertraglichen Anspruch weder gegen die Beklagte nochgegen einen anderen Gläubiger.

Die Beklagten hätten ihre Pflichten aus dem Rechtsanwalts-vertrag verletzt, indem sie mangelhaft beraten hätten. EinAnwalt schulde umfassende Beratung und eine umfassendeAufklärung über Risiken. Der Beklagte Ziff. 2 habe nicht hin-reichend über die rechtlichen Risiken im Zusammenhang mitdem Vorgehen nach dem Notbewilligungsrecht, Art. 81 LV,belehrt. Der Beklagte Ziff. 2 hätte eine Risikobelehrung ins-besondere auch gegenüber dem Finanzminister N. am Abenddes 5.12.2010 und gegenüber dem Kabinett am Morgen des6.12.2010 vornehmen müssen. Der Beklagte Ziff. 2 habehingegen wahrheitswidrig behauptet, dass rechtliche Risikennicht bestünden.

Die Frage, ob eine Gefahr durch weitere Bieter bestandenhabe, die letztlich zu einer Dringlichkeit des Kaufes geführt

habe, womit die Beklagten das Vorgehen nach Art. 81 LVgerechtfertigt haben, hätte von den Beklagten aufgeklärtwerden müssen. Sie hätten es nicht mit der Bemerkung desBankers E. bewenden lassen dürfen, dass bei der Verhand-lung von Unternehmenskäufen Bieter plötzlich und über-raschend auftauchen könnten. Das Mandat der Beklagten seiinhaltlich nicht beschränkt gewesen. Gleichwohl sei ein Hin-weis auf die §§ 7, 65 LHO durch die Beklagten überhauptnicht erfolgt. Die Beklagten hätten Fragen um die Wert-ermittlung nicht geprüft, obwohl sie hierzu verpflichtet ge-wesen wären. Ferner haben die Beklagten in der rechtlichenBeratung nicht berücksichtigt, dass der an die B. gezahlteKaufpreis europarechtlich eine verbotene Beihilfe darstellenkönnte.

Die Beratung sei schon gegenüber dem Banker E. fehlerhaftgewesen. Zudem reiche es nicht aus, wenn die Beklagtenden Banker E. hinreichend beraten hätten. Ein Hinweisgegenüber einem Dritten sei unbeachtlich. Die Beklagtenhätten das Land als ihre Mandantin und somit den Kläger,den Finanzminister N. und das Kabinett aufklären und recht-lich beraten müssen.

Wenn die Beklagten den Finanzminister N. oder das Kabinetthinreichend über die Risiken aufgeklärt hätten, die dem Not-bewilligungsrecht verknüpft waren, hätten beide diesemVorgehen nicht zugestimmt.

Dem Kläger sei ein Schaden entstanden, der sich noch in derEntwicklung befinde. Der Kläger habe Einkommensverlusteerlitten. Zudem seien ihm Kosten für die anwaltliche Bera-tung beispielsweise im Zuge eines gegen ihn laufenden Er-mittlungsverfahrens entstanden.

(Anträge: …)

Die Beklagten tragen vor, die Feststellungklage sei unzuläs-sig. Der Kläger trage nicht substantiiert vor, einen Schadenerlitten zu haben.

Die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunstenDritter seien nicht anzuwenden.

Das Merkmal der Leistungsnähe liege nicht vor. Der Klägersei den Gefahren der Pflichtverletzung nicht in gleichemMaße ausgesetzt gewesen wie das Land als Gläubiger undsei nicht bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührunggekommen. Der Kläger sei nur mittelbar betroffen, was füreine Einbeziehung nicht ausreiche.

Das Merkmal der Gläubigernähe liege ebenfalls nicht vor. EinAnwaltsvertrag könne wegen drohender Interessenkollisio-nen nur im Ausnahmefall drittschützend sein. Zum Beispielhabe ein Gutachtervertrag einer Wirtschaftsprüfungsgesell-schaft mit einer Behörde nach der Rechtsprechung des BGHkeine Schutzwirkung für den Antragsteller als Dritten, wenndas Gutachten nicht Grundlage für Vermögensdispositionendes Antragstellers, sondern allein für das behördliche Vor-gehen sein solle.

Für die Beklagten sei eine Leistungsnähe des Klägers, wie einInteresse des Landes an der Einbeziehung des Klägers in denVertrag, nicht erkennbar gewesen. Zudem ergebe sich ausPunkt 4.1 der Mandats- und Vergütungsvereinbarung zwi-schen der Beklagten Ziff. 1 und der A. GmbH, wonachschriftliche Stellungnahmen und Gutachten ausschließlich fürdie Mandantin bestimmt seien, dass die Haftung nach denGrundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunstenDritter von den Parteien ausgeschlossen werden sollte.

Der Banker E. sei Wissensvertreter des Klägers als damaligerMinisterpräsident gewesen. Das sich aus der Beratung derBeklagten ergebende Wissen des Bankers E. sei dem Klägerdeswegen zuzurechnen gewesen.

Eine Beratung über die Problematik der Parlamentsbeteili-gung hinaus sei vom Kläger nicht in Auftrag gegeben wor-den und seitens der Beklagten nicht geschuldet gewesen.

Der Beklagte zu 2) habe vom Kläger nie den Auftrag bekom-men, den Finanzminister N. oder das Kabinett über die Risi-ken des Weges über Art. 81 LV zu belehren. Der dem Be-klagten Ziff. 2 durch den Banker E. und damit vom Klägervermittelte Auftrag habe gelautet, dem Finanzminister N.und dem Kabinett den Weg über die Notbewilligung zu er-läutern, soweit erforderlich. Um alternative Wege sei es nichtmehr gegangen. Erläutern bedeute in diesem Zusammen-hang, die Voraussetzungen zu nennen und den tatsächlichvorzunehmenden Ablauf zu schildern.

Am 30.11.2010 habe der Beklagte Ziff. 2 in einem Telefon-gespräch zwischen 10:00 Uhr und 10:30 Uhr vom Banker E.einen neuen Prüfauftrag erhalten. Zu prüfen sei nunmehr ge-wesen, ob die Notbewilligung wenigstens irgendwie vertret-bar sei. Der Kläger sei nach der Mitteilung des Bankers E.eher bereit gewesen, verfassungsrechtliche Risiken zu über-nehmen als den Deal scheitern zu lassen. Um 11:00 Uhr habeder Beklagte Ziff. 2 den Staatsminister M. getroffen, welchererklärt habe, es werde der Weg über die Notbewilligunggewählt, wenn dieser rechtlich vertretbar wäre. Der BeklagteZiff. 2 habe dem Staatsminister M. mitgeteilt, dass die Be-klagte Ziff. 1 beauftragt worden sei, nur noch einen Wegohne Parlamentsbeteiligung zu prüfen.

Die Entscheidung über den Kauf der D. Anteile und das Vor-gehen sei bereits am 30.11.2010 durch E. getroffen worden.Das Verfahren wäre bei einer Beratung, die die vom Klägergerügten Punkte beinhaltete, nicht geändert worden. DasKabinett und der Finanzminister N. hätten keine andereEntscheidung getroffen. (...) •

Aus den Gründen:Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzu-weisen.

1. Das Feststellungsinteresse liegt vor. Voraussetzung hierfürist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines auf die Verlet-zungshandlung der Beklagten zurückzuführenden Schaden-eintritts (BGH, Urt. v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166,84–117, juris: Rdnr. 27). Dies hat der Kläger hinreichend

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Anwalt aufgebaut und daher vom Inhalt her streng zweisei-tig ohne Außenwirkung angelegt. Interessen Dritter am Er-gebnis der anwaltlichen Tätigkeit können daher im Allgemei-nen nicht zu einer Haftungserweiterung des Rechtsanwaltsführen, selbst wenn diese Personen dem Rechtsanwalt be-nannt oder gar bekannt sind (BGH, Urt. v. 11.1.1977 – VI ZR261/75, NJW 1977, 2073–2074, juris Rdnr. 17).

Ein echter Anwaltsvertrag, aufgrund dessen der Rechts-anwalt seinem Auftraggeber Rechtsbeistand schuldet, kannaber dennoch zum Inhalt haben, dass der Anwalt auch dieVermögensinteressen eines Dritten wahrzunehmen hat.

Dann kann die – notfalls ergänzende – Auslegung des Ver-trages ergeben, dass der Dritte in den Schutzbereich deranwaltlichen Pflichten einbezogen ist. Hieraus kann er zwar,falls nicht die Voraussetzungen des § 328 BGB vorliegen,keinen primären Anspruch auf die vertragliche Hauptleis-tung, wohl aber einen eigenen sekundären Schadenersatz-anspruch gegen den Rechtsanwalt haben.

Diese Grundsätze gelten insbesondere für Anwaltsverträgemit Schutzwirkung zugunsten von Angehörigen des Man-danten. Voraussetzung ist, dass die Rechtsgüter des Drittennach der objektiven Interessenlage im Einzelfall durch dieAnwaltsleistung mit Rücksicht auf den Vertragszweck beein-trächtigt werden können und der Mandant ein berechtigtesInteresse am Schutz des Dritten hat (BGH, Urt. v. 19.11.2009– IX ZR 12/09, NJW 2010, 1360–1362, juris Rdnr. 10).

b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es fehlt bereitsam ersten Merkmal, der sogenannten Leistungsnähe. DieBeratungstätigkeit der Beklagten für das Land sollte nachdem Inhalt des Rechtsanwaltsvertrages nicht dem Interessedes Klägers dienen.

Der Kläger kommt mit der Hauptleistung der Beklagten be-stimmungsgemäß nicht in hinreichendem Maß in Berührung.Die Beklagten hatten im Rahmen des Anwaltsvertrages mitdem Land nicht die Vermögensinteressen des Klägers wahr-zunehmen. Es fehlt an einem „spezifischen Risikozusammen-hang“ (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2011 – IX ZR 193/10, WM2011, 2334–2338, juris: Rdnr. 15, 18) zwischen der vertrag-lichen Tätigkeit der Beklagten und der Gefährdung der Inte-ressen des Klägers.

Bei diesem Merkmal ist nicht entscheidend, inwieweit dereingetretene Schaden einer Pflichtverletzung der Beklagtenzuzurechnen ist. Diese Frage wird (erst) im Tatbestands-merkmal der Ursächlichkeit einer Pflichtverletzung für dengeltend gemachten Schaden geprüft (vgl. BGH, Urt. v.13.10.2011 – IX ZR 193/10, WM 2011, 2334–2338, juris:Rdnr. 7). Für die Leistungsnähe kommt es vielmehr daraufan, welchen Risiken der Kläger bei Vertragsschluss, aus exante Sicht, durch die vertragliche Leistung der Beklagtenausgesetzt ist.

c) Eine Betrachtung der höchstrichterlichen Entscheidungen(vgl. Palandt-Grüneberg, 74. Auflage, § 328 Rdnr. 21m.d.Nachw. aus der Rechtsprechung) verdeutlicht weiter-

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substantiiert vorgetragen, indem er behauptet hat, durchseine rechtliche Vertretung und Beratung im gegen ihn lau-fenden Ermittlungsverfahren seien Kosten angefallen, derenvollständiger Ersatz durch die Staatskasse (auch im Falle derEinstellung des Ermittlungsverfahren) zweifelhaft sei.

2. Der Kläger begehrt mit seinem Klagantrag die Feststellungeines Rechtsverhältnisses. Ein Rechtsverhältnis ist die Bezie-hung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, dieein (mit materieller Rechtskraftwirkung feststellbares) subjek-tives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringenkönnen (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 256 ZPORdnr. 3). Der Schadenersatzanspruch, dessen Feststellungder Kläger begehrt, stellt eine solche Verbindung zwischendem Kläger und den Beklagten dar, die ein subjektives Rechtdes Klägers enthält. Die Frage, ob dieser Anspruch tatsäch-lich besteht, ist erst im Rahmen der Begründetheit zu beant-worten.

3. Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch aufSchadenersatz wegen eventueller Verletzung ihrer Beratungs-und Aufklärungspflichten gegenüber dem Land aus demzwischen dem Land und der Beklagten Ziff. 1 geschlossenenAnwaltsvertrag nach §§ 280, 611, 675 BGB in Verbindungmit den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zu-gunsten Dritter.

Die Vertragsparteien haben den Kläger nicht in den Schutz-bereich des Anwaltsvertrages einbezogen.

a) Ein Dritter kann in den Schutzbereich vertraglicher Pflich-ten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit derHauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß inBerührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdi-ges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Drittenin den Schutzbereich des Vertrags hinzutritt und dem Schutz-pflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertraglichesHaftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte fürdiese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein.

Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden insbesondere beisolchen Verträgen angenommen, mit denen der Auftrag-geber von einer Person, die über eine besondere, vom Staatanerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellterSachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), ein Gut-achten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davongegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urt. v.7.3.2013 – IX ZR 64/12, NJW-RR 2013, 983–986, juris Rdnr.25).

Grundsätzlich kann auch ein Anwaltsvertrag Vertragspflichtenenthalten, die Schutzwirkung zu Gunsten Dritter begründen.

Jedoch erlaubt der Anwaltsvertrag von seinem Wesen undseiner Struktur her nur in seltenen Fällen eine solche, unmit-telbar Schadenersatzansprüche auslösende EinbeziehungDritter in die aus dem Vertrag entstehenden Pflichten. Denner ist auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und

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weitige Forderung gegen die Gesellschaft verwirklichen zukönnen (BGH, Urt. v. 2.12.1999 – IX ZR 415/98, NJW 2000,725–728).

gg) Drittschutz hatte zu Gunsten betrogener Anleger einTreuhandvertrag zwischen einem Rechtsanwalt und einembetrügerischen Anlagevermittler, der gezielt Anlegergelderveruntreute. Die Zahlungen der Anleger erfolgten – laut demAnlageprospekt zu deren Sicherheit – über das Anderkontodes Rechtsanwaltes. Der BGH entschied, dass der Tatrichterdem Zusammenspiel zwischen dem Anlagevermittler unddem Rechtsanwalt und den jeweils neu unterzeichnetenVereinbarungen über die Zahlungsabwicklungen entnehmendurfte, dass dem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis einesDritten Rechnung getragen werden sollte (BGH, Urt. v.2.12.1999 – IX ZR 415/98, NJW 2000, 725–728).

hh) Die erforderliche Leistungsnähe hat der BGH auch ineinem Steuerberatervertrag zugunsten des Geschäftsführerseiner GmbH angenommen. Der klagende Geschäftsführermachte den Steuerberater für das Entstehen einer Steuer-nachforderung verantwortlich, für die er der GmbH persön-lichen haftete, weil der dortige Beklagte bei der Betriebs-prüfung Anforderungen der Finanzverwaltung nicht hinrei-chend nachgekommen sei und zuvor schon fehlerhafteBuchungen und Bilanzierungsarbeiten vorgenommen habe.Der BGH argumentierte, die Leistungsnähe des Geschäfts-führers zur steuerlichen Beratung seiner Anstellungs-GmbHergebe sich aus § 34 Abs. 1 AO. Der Geschäftsführer hattedie von ihren Beratern vorbereiteten Steuererklärungen derGmbH zu unterzeichnen und zu verantworten.

Den Geschäftsführer treffe persönlich auch die Mitwirkungs-pflicht der GmbH gemäß § 90 AO, für deren Erfüllung ertypischerweise auf die Unterstützung der steuerlichen Bera-ter angewiesen sei, welche die GmbH beauftragt habe.Unrichtige Steuererklärungen und unzureichende Mitwirkungfür die steuerpflichtige GmbH begründeten ein spezifischessteuerliches Haftungsrisiko, dem der Geschäftsführer nachden §§ 69, 191, 219 AO ausgesetzt sei und welches bei ent-sprechender Einschaltung der Berater der GmbH auf derenTätigkeit zurückgehen könne.

Ergehe nach den §§ 34, 69 AO ein Haftungsbescheid gegenden Geschäftsführer, so könne diese Heranziehung auchrechtswidrig sein. Das Risiko der haftungsrechtlichen Inan-spruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH werde unterUmständen erst geschaffen, wenn der steuerliche Berater in-folge eigener Nachlässigkeit mit Bezug auf die Mitwirkungs-pflichten der Mandanten gemäß § 90 AO die Finanzverwal-tung annehmen lasse, die von ihm betreute Gesellschafthabe bislang nicht offenbarte Steuertatbestände verwirklichtoder ungerechtfertigte Abzüge in Anspruch genommen,während pflichtmäßiges Handeln ihm ermöglicht hätte, dieungünstige Feststellung der Finanzverwaltung und damit denSteuerschaden der Mandantin zu vermeiden.

Dieses Risiko der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme desGeschäftsführers sei eine typische Begleiterscheinung pflicht-widrig verursachter Steuerfestsetzungen gegen eine zahlungs-

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gehend, was mit dem Merkmal des spezifischen Risiko-zusammenhanges gemeint ist.

aa) Die Leistungsnähe wurde durch den BGH in einem Fallbejaht, in dem ein Rechtsanwalt die testamentarische Erbein-setzung der Tochter des Mandanten bewirken sollte. Auf-grund eines Anwaltsfehlers unterblieb das zu erstellendeTestament. Der BGH bejahte eine Sorgfaltspflicht auchgegenüber der Tochter, deren Vermögensinteressen durchdie Rechtsberatung oder Geschäftsbesorgung gewahrt wer-den sollten (BGH, Urt. v. 6.7.1965 – VI ZR 47/64, NJW 1965,1955).

bb) Die Leistungsnähe wurde durch den BGH in einem Fallbejaht, in dem ein Rechtsanwalt Eheleute beim Abschlusseiner Scheidungsvereinbarung beraten hatte, in der der eineTeil dem anderen versprach, ihren Kindern bestimmte Ver-mögenswerte zuzuwenden. Nachdem die Vereinbarungwegen eines Verschuldens des Rechtsanwaltes nicht durch-setzbar war, konnten die Kinder, welche aus der Scheidungs-vereinbarung Rechte erhalten sollten, gegen den Rechts-anwalt eigene Ansprüche geltend machen (BGH, Urt. v.11.1.1977 – VI ZR 261/75, NJW 1977, 2073–2074).

cc) Ebenfalls bejaht hat der BGH die Leistungsnähe in einemFall, in dem ein Rechtsanwalt eine Vereinbarung zwischeneinem Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber über den Erhaltvon Ruhegeld verschriftlichen sollte. Die mitklagende Ehefraudes Arbeitnehmers machte geltend, dass der vom beklagtenRechtsanwalt entworfene Vertrag nicht eindeutig formuliertsei und sich unmittelbar auf die Anwartschaft der ihr zuste-henden Witwenrente auswirke (BGH, Urt. v. 1.10.1987 –IX ZR 117/86, NJW 1988, 200–204).

dd) Als in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrages einbe-zogen hat der BGH die Kinder eines im Beauftragungszeit-punkt lebensgefährlich erkrankten Erblassers angesehen,welche gegen einen Rechtsanwalt klagten, der zugunstender Kinder ein durch Erbvertrag mit vertraglicher Rücktritts-klausel begründetes Alleinerbrecht der Ehefrau des Erblassersausschließen sollte (BGH, Urt. v. 13.7.1994 – IV ZR 294/93,NJW 1995, 51–53).

ee) Auch im Falle eines Erblassers, der sich zu Lebzeiten erb-rechtlich hat beraten lassen, waren die Erben in den Anwalts-vertrag einbezogen. Das entschied der BGH, nachdem sichherausgestellt hatte, dass die fehlerhafte Beratung desRechtsanwaltes bei der Errichtung des Testamentes zum Ver-lust von Gesellschaftsanteilen der Erben führte (BGH, Urt. v.13.6.1995 – IX ZR 121/94, NJW 1995, 2551–2553).

ff) Schutzwirkung wurde auch zugunsten eines Altgesell-schafters angenommen aus einem Vertrag zwischen einerGmbH und einem Rechtsanwalt, welcher die GmbH hinsicht-lich einer Kapitalerhöhung im Wege der verdeckten Sachein-lage beraten sollte. Der BGH argumentierte, dass die ver-deckte Sacheinlage für den Gesellschafter die Gefahr be-gründe, die Einlage bei Vermögensverfall doppelt aufbringenzu müssen. Der Gesellschafter bleibe zur Bareinzahlung ver-pflichtet, ohne bei Insolvenz der Gesellschaft eine ander-

schaft würden jedoch gegenüber der Finanzverwaltungandere Grundsätze gelten. Zwar könne dem Geschäftsführereiner GmbH das Verschulden des steuerlichen Beraters derGmbH bei der Fertigung von Steuererklärungen nicht alseigenes Verschulden zugerechnet werden. Der Geschäfts-führer hafte aber nach den §§ 34, 69 AO für die Verletzungder ihm in diesem Rechtsverhältnis abverlangten sorgsamenAuswahl und Überwachung derjenigen Personen, denen erdie Erledigung der ihm auferlegten steuerlichen Pflichten fürdie GmbH übertragen habe.

Für den Fall der Unterzeichnung einer vom Steuerberater ent-worfenen Umsatzsteuererklärung könne eine Haftung des dieUnterschrift leistenden Geschäftsführers in Frage kommen,wenn er selbst nach den jeweiligen Umständen des Einzel-falls Anlass und Möglichkeiten gehabt habe, die Richtigkeitder Steuererklärung zu überprüfen (BGH, Urt. v. 13.10.2011– IX ZR 193/10, WM 2011, 2334–2338).

d) Im Gegensatz zu den oben zitierten Entscheidungen ist imstreitgegenständlichen Fall keine Leistungsnähe gegeben.

Der Kläger und dessen Vermögensinteressen sind mit denvertraglichen Pflichten der Beklagten nicht bestimmungs-gemäß in Berührung gekommen, weil der Anwaltsvertragzwischen dem Land und der Beklagten Ziff. 1 nach dem hy-pothetischen und tatsächlichen Willen der Vertragsparteiennicht auch dem Schutz des Klägers dienen sollte.

aa) Der Kläger sollte kein eigenes Recht aus dem Aktienkauf-vertrag des Landes erwerben, zu dessen Abschluss sich dasLand hat beraten lassen. Anders als in einer Vielzahl deroben zitierten Fälle sind die Beklagten nicht beauftragt wor-den, um ein Geschäft zu begleiten, aus welchem dem Klägerein unmittelbarer Vermögensvorteil erwachsen sollte. DieSituation des Klägers unterscheidet sich insofern signifikantvon den Fällen, welche den oben unter c) aa)–ee) zitiertenEntscheidungen des BGH zugrunde lagen. Der Kläger istnicht bestimmungsgemäß betroffen, weil durch die Rechts-beratung die Rechtslage für den Kläger nicht unmittelbarmitgestaltet werden sollte.

bb) Dem Kläger drohte im Falle einer Falschberatung durchdie Beklagten auch keine persönliche Haftung (wie in denoben unter c) ff)–hh) zitierten Fällen). Anders als die §§ 34,69 und 90 AO für den Geschäftsführer einer GmbH in steuer-lichen Fragen vorsehen, gibt es für den Ministerpräsidentendes Landes keine Bestimmung, die eine persönliche Verant-wortung gegenüber Dritten begründet. Gerade die letztge-nannte Entscheidung des BGH zeigt deutlich, dass ein Organeiner juristischen Person grundsätzlich nicht in die Beratungs-pflicht des Rechtsanwalts gegenüber der juristischen Personeinbezogen ist.

Die Verpflichtung des Rechtsanwaltes, das Organ einer vonihm betreuten juristischen Person vor Nachteilen zu schützen,ist nur dann gegeben, wenn besondere Umstände hinzu-kommen – wie bei der genannten Entscheidung des BGH dasEingreifen der steuerrechtlichen Regelungen, die ausnahms-weise eine Haftung des Geschäftsführers bestimmen. Eine

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schwache GmbH, wenn zur vollen Begleichung der Steuer-schuld später die Mittel fehlten. Es komme für die Frage desDrittschutzes nicht darauf an, ob dieses Risiko sich verwirk-liche oder nicht und ob ein ergangener Haftungsbescheid inseinen subjektiven Voraussetzungen und hinsichtlich der Er-messensausübung rechtmäßig oder rechtswidrig sei.

Gehe eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Mandantennach § 90 AO auf Versäumnisse des steuerlichen Beraterszurück, so könnten sich die Folgen bei der steuerrechtlichgebotenen Sachverhaltsfeststellung innerhalb des Beweis-maßes und der anzustellenden Beweiswürdigung der Finanz-verwaltung auch zum Nachteil eines möglichen Haftungs-schuldners auswirken.

Die Leistungsnähe des Geschäftsführers zur pflichtwidrigensteuerlichen Betreuung seiner Anstellungs-GmbH, die un-günstige Beweisfolgen und im weiteren vermeidbare Steuer-festsetzungen gegen die GmbH zur Folge habe, sei demnachso groß, dass der Geschäftsführer in den persönlichen Schutz-bereich der verletzten Beraterpflichten einbezogen werdenmüsse.

Ebenso komme der Geschäftsführer einer GmbH mit der ihrgegenüber erbrachten Leistung bestimmungsgemäß in Be-rührung, wenn er von den steuerlichen Beratern der GmbHdurch Fehler der Buchführung, ungerechtfertigte Vorsteuer-abzüge oder Fehlbeurteilung umsatzsteuerpflichtiger Tatbe-stände als umsatzsteuerfrei in das Haftungsrisiko der §§ 69,191, 219 AO verstrickt werde. Zwar erleide dann die GmbHbei normativer Betrachtung keinen Schaden; sie werde nurder gesetzmäßigen Besteuerung unterworfen. Der Geschäfts-führer sei aber durch seine Haftung auch im Rechtssinnegeschädigt, weil er bei Erfüllung seiner Pflichten für Steuer-ausfälle durch die Zahlungsunfähigkeit der GmbH nicht ein-zustehen gehabt hätte.

Bei dem Verhalten des Geschäftsführers, welches ihm mögli-cherweise als vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhaltenvorgeworfen werden könne, der verspäteten und fehlerhaf-ten Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen, seien Ange-hörige und Mitarbeiter der beklagten Steuerberatersozietätbeteiligt gewesen. Der Geschäftsführer einer GmbH dürfeebenso wie die Auftraggeberin im Blick auf die vertraglicheHaftung darauf vertrauen, dass die von der Gesellschaft be-auftragten Steuerberater die anstehenden steuerlichen Fra-gen fehlerfrei bearbeiten, ohne dass von seiner Seite eineKontrolle notwendig sei.

Insbesondere gelte dies, wenn auch die Buchführung vondem steuerlichen Berater zu besorgen sei, wie hier vom Klä-ger behauptet werde, für die Vorbereitung der Umsatzsteuer-voranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen einer GmbH.Zur sorgfältigen Erfüllung solcher Vertragspflichten habe derBerater die Geschäftsunterlagen des Mandanten anzufor-dern, zu sichten, auf abziehbare Vorsteuern zu prüfen undsteuerfreie Umsätze auszuscheiden.

Bei der steuerlichen Inhaftungnahme des Geschäftsführerseiner GmbH für offene Steuerverbindlichkeiten der Gesell-

solche typischerweise vorliegende Gefährdung ist vorliegendnicht gegeben.

cc) Eine mögliche haftungsrechtliche Inanspruchnahme desKlägers durch das Land als Folge einer eventuellen Falschbe-ratung durch die Beklagten begründet ohne die oben ange-führte typische Gefährdung keine Leistungsnähe. Der Klägerwar als Organ den Gefahren einer Schutzpflichtverletzungnicht ebenso ausgesetzt wie das Land als Mandant. Da dieanwaltliche Leistung mangels spezieller Eigenhaftung des Klä-gers als Organ nicht auch dem Kläger diente und diesem nichtunmittelbar zugutekommen sollte, ist die anwaltliche Bera-tungspflicht vorliegend zu unterscheiden von der allgemeinenPflicht, Dritte nicht zu schädigen, welche nicht für eine Einbe-ziehung in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ausreicht.

Im Übrigen setzen sowohl eine Anklage nach Art. 57 derLandesverfassung durch den Landtag als auch eine persön-liche Haftung des Klägers nach § 48 BeamtStG als Verschul-densmaßstab Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Beider Prüfung dieses Verschuldens ist aber zu berücksichtigen,dass der Kläger sich aus rechtlicher Sicht gegenüber demLand auf die Richtigkeit einer rechtsanwaltlichen Beratungverlassen darf, die im Auftrag des Landes erfolgt.

dd) Die Gefahr, dass gegen den Kläger ein Ermittlungsver-fahren eröffnet werden kann, wenn er sich an einen fehler-haften Rat der Beklagten hält, begründet ebenfalls keineLeistungsnähe. Diese Gefahr ist nicht unmittelbar und hin-reichend eng mit der Beratungsleistung der Beklagten ver-knüpft, weshalb sich daraus nicht ableiten lässt, der Anwalts-vertrag solle nach dem Willen der Vertragsparteien auch demSchutz des Klägers dienen.

Die Entscheidung, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitetwird, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwalt-schaft. Zwischen der Beratungsleistung der Beklagten undden Vermögensinteressen des Klägers im Hinblick auf Rechts-anwaltskosten liegen mehrere unsichere Zwischenschritte.Dadurch weicht der zu beurteilende Sachverhalt maßgeblichvon den oben zitierten Fällen ab, über die der BGH entschie-den hat, in denen sich bei einer Falschberatung die Haftungdes Dritten als zwingende und unmittelbare Folge des Bera-tungsfehlers darstellte.

Überdies hat der BGH die Dritthaftung eines Rechtsanwaltesgegenüber einem Organ einer juristischen Person geradenicht mit der Begründung angenommen, bei fehlerhafter Be-ratung drohe die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Dasentscheidende Argument des BGH für den Drittschutz im obenzitierten Fall c) hh) war, dass eine persönliche Haftung desDritten, des Organs der juristischen Person, für die Fehler des– dort steuerlichen – Beraters gesetzlich speziell angeordnetwurde (nach §§ 34, 69, 90 AO). Dieses Argument trifft hiergerade nicht zu.

Im Gegenteil: Anders als im zitierten Fall existiert für den Klä-ger mit § 17 StGB eine Regelung, die ihn von der (strafrecht-lichen) Haftung befreit, soweit sein Verhalten auf einer feh-lerhaften Rechtsberatung durch die Beklagten beruht. Soweit

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der Kläger sich auf die rechtliche Einschätzung der Beklagtenverlässt, unterliegt er nämlich einem unvermeidbaren Ver-botsirrtum, § 17 StGB. Für die Annahme der Unvermeidbar-keit reicht die Einholung einer unrechtsverneinenden Rechts-auskunft aus (Vogel/Leipziger Kommentar zum StGB, § 17Rdnr. 76).

Der Hinweis des BGH auf §§ 34, 69, 90 AO wäre zudem un-nötig, wenn bei Verträgen, die von juristischen Personen miteinem Berater abgeschlossen werden, die Organe der Auf-traggeberin grundsätzlich in den Schutzbereich des Vertrageseinbezogen würden.

ee) Eine Einbeziehung des Klägers ergibt sich auch nicht,soweit ihm bei Vertragsschluss politische Risiken für seinenberuflichen Werdegang (namentlich das Risiko einer Abwahlals Ministerpräsident) drohten. Auch die Realisierung diesesRisikos ist zu weit von der Beratungsleistung der Beklagtenentfernt, als dass das Merkmal der Leistungsnähe erfülltwäre. Es stellt keine typische Gefahr einer anwaltlichen Bera-tung gegenüber einer Gebietskörperschaft dar, dass ein poli-tischer Entscheidungsträger aufgrund einer Falschberatungnicht wiedergewählt wird. Vielmehr liegen auch im Hinblickauf dieses Risiko aus-ex-ante Sicht unsicher erscheinendeZwischenschritte in Form von Wahlen und Abstimmungenzwischen einer potentiellen Schlechtleistung der Beklagtenund nachteiligen politischen Konsequenzen für den Kläger.

4. Auf deliktische Anspruchsgrundlagen kann der Kläger dengeltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht stützen,weil der Kläger entsprechend seiner Darlegungs- und Be-weislast nicht hinreichend substantiiert zu einem vorsätzli-chen Handeln der Beklagten vorgetragen hat. Auf die Darle-gungs- und Beweislast wurde der Kläger in der mündlichenVerhandlung von der Kammer hingewiesen.

5. Nachdem die Klage bereits aus rechtlichen Gründen ab-zuweisen war, ist über die weiteren zwischen den Parteienstreitigen Fragen nicht mehr zu entscheiden und nicht Be-weis zu erheben. Die Kammer ist sich darüber bewusst, dassmöglicherweise bestehende Hoffnungen auf eine gericht-liche Aufarbeitung des zugrunde liegenden Sachverhalteshierdurch enttäuscht werden könnten.

Das deutsche Rechtsystem sieht aber eine – von einem kon-kreten und zulässigen Klagebegehren losgelöste – Aufarbei-tung eines Falles durch ein Zivilgericht nicht vor. Diese be-wusste Entscheidung des Gesetzgebers hat ihren Nieder-schlag in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen gefun-den. Nach § 256 ZPO darf das Gericht im Wege der Fest-stellungsklage nur über Rechtsverhältnisse oder die Echtheit(oder Unechtheit) von Urkunden entscheiden. Dies auch nurdann, wenn der Kläger ein besonderes Interesse an der Fest-stellung hat.

Nach § 308 ZPO ist das Gericht im Zivilprozess an die gestell-ten Anträge gebunden und darf den Parteien über dieseAnträge hinaus nichts zusprechen. Eine Beweisaufnahme,welche vor einer Klagabweisung durchgeführt wird, ohnedass es für das Ergebnis des Rechtsstreites auf diese Beweis-

aufnahme ankommt, gälte zudem als Fehler des Gerichtes imSinne des § 21 Abs. 1 GKG (BDPZ/Zimmermann, GKG, § 21Rdnr. 7).

Ziel dieser gesetzgeberischen Entscheidung, die das Gerichtbindet, ist – neben der Entlastung der Justiz – der Schutz derParteien. Die Beteiligung an einem Rechtsstreit kann die Par-teien zeitlich, finanziell und emotional erheblich belasten.

Das Recht zur Untersuchung von Sachverhalten im öffent-lichen Interesse – unabhängig von einer möglichen Rechts-folge – bleibt in der deutschen Rechtsordnung den Parlamen-ten, namentlich dem Bundestag (vgl. Art. 44 Abs. 1 GG) undden Landtagen (vgl. etwa Art. 35 Abs. 1 Landesverfassung),vorbehalten. (...) •

Versicherungsschutz• Honorarrückzahlungsanspruch• Rückforderungsanspruch in Form des Schadenersatz-

anspruchs• Verjährung gemäß § 12 VVG a.F.(LG Darmstadt, Urt. v. 4.3.2014 – 17 O 142/13)

Leitsatz (d. Red.):Die Rückforderung von Honorar wegen einer mangel-haften Leistung eines Wirtschaftsprüfers/Steuerberaters/Rechtsanwalts ist kein vom Versicherungsschutz einerVermögensschadenhaftpflichtversicherung umfasstergesetzlicher Haftpflichtanspruch privatrechtlichen In-halts im Sinne des § 1 AVB, auch wenn die Forderungim Zusammenhang mit einer behaupteten Schlecht-leistung, Pflichtverletzung gestellt wird. •

Zum Sachverhalt:Der Kläger, der Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und bei derRechtsanwaltskammer zugelassener Rechtsbeistand ist,nimmt die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der N. Versiche-rung auf die Feststellung deren Schadenregulierung aus einerVermögensschadenhaftpflichtversicherung für einen Haft-pflichtschaden des Klägers aus einem Verfahren gegen sei-nen früheren Mandanten B. in Anspruch.

Der Kläger hatte Herrn B. im Jahr 2002 ein Steuersparmodellempfohlen, das die Gründung einer GmbH & Co. KG vorsah.Es sollten für 2001 bis 2003 Ansparrücklagen für die An-schaffung von Hochseecontainern gebildet werden und zurSteuerersparnis Verluste aus dem Gewerbebetrieb der KGüber die Einkommenssteuer des früheren Mandanten ver-rechnet werden. Nach der Gründung der Gesellschaft – derFirma N. bewegliche Wirtschaftsgüter für An- und Verkaufsowie Vermietung GmbH & Co. KG – deren einziger Kom-manditist Herr B. mit einer Hafteinlage von 160.000 EURwar, lehnte das zuständige FA die Abschreibung ab, da dieContainer, die der alleinige Kommanditist hätte bestellenund bezahlen müssen, niemals angekauft wurden. Den N.-

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KG-Vertrag kündigte Herr B. am 13.7.2006. Die Anmeldungder Löschung im Handelsregister HRA 40244 erfolgte am26.6.2007.

Der frühere Mandant des Klägers führte in der Folgezeitgegen den Kläger wegen fehlerhafter steuerlicher Beratungeinen Vorprozess beim LG Erfurt. Mit Urteil vom 7.12.2012(8 O 210/08) ist der Kläger vom LG Erfurt verurteilt worden,Herrn B. alle Kosten im Zusammenhang mit der Gründungund Führung der Gesellschaft, gezahlte Honorare für dieTätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Erstellungder Jahresabschlüsse für die Firma N. GmbH & Co. KG undim Zusammenhang mit dem Studienkreis, gezahlte Honorareim Rahmen von eingelegten Rechtsmitteln gegen Entschei-dungen des FA wegen der Nichtanerkennung der Anspar-rücklage sowie sonstiger Kosten gemäß der Schadenauf-stellung des Klägers zu ersetzen.

Das LG Erfurt begründete den Rückzahlungsanspruch inHöhe eines Gesamtbetrages von 42.975,01 EUR, bei dem essich bis auf Fremdkosten in Höhe von 1.589,77 EUR umHonorare des Klägers handelte, damit, dass die Bildung derAnsparrücklage völlig verfehlt und realitätsfremd gewesensei. Auch in 2. Instanz stellte das Thüringer OLG Jena aus-weislich des – vom Kläger selbst vorgelegten Terminpro-tokolls vom 27.11.2013 fest –, dass seitens des Klägers einBeratungsfehler vorliege, der einen Schadenersatzanspruchseines Mandanten auslöse. Der Rechtsstreit in dem Vorver-fahren ist durch einen Vergleichsschluss über 32.000 EURbeendet worden.

Der Kläger hatte den Versicherungsfall der Rechtsvorgänge-rin der Beklagten, bei der er eine Berufshaftpflichtversiche-rung abgeschlossen hatte, am 11.9.2009 angezeigt. DemVersicherungsverhältnis, das vom 1.1.2003 bis zum 1.1.2013bestand, lagen die AVB-WS zugrunde. Die N.-Versicherungerteilte dem Kläger Versicherungsschutz nur für die in derKlageschrift aufgeführten Schadenpositionen in Höhe einesGesamtbetrages von 1.545,39 EUR zuzüglich den daraus re-sultierenden Rechtsanwaltskosten. Eine weitere Übernahmelehnte sie ab. (...)

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe die vollstän-dige Schadenregulierung zu Unrecht mit der Begründungverweigert, für die Erstattung seiner Honorare bestünde keinVersicherungsschutz. Gegenstand des Vorprozesses seienaber Schadenersatzforderungen seines Mandanten B. auf-grund eines ihm vorzuwerfenden Beratungsfehlers gewesen,was sich aus dem Terminbericht und dem Protokoll dermündlichen Verhandlung vom 27.11.2013 des ThüringerOLG Jena ergäbe. Seine Gebührenrechnungen seien imÜbrigen an die von seinem früheren Mandanten betriebeneFirma N. GmbH & Co. KG gestellt worden. Er bestreitet,Herrn B. wissentlich falsch beraten zu haben, weshalb derVersicherungsschutz auch aus diesem Grund nicht verwei-gert werden könne.

Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede schei-tere daran, dass die Verjährung erst mit der Beendigung desKlageverfahrens des Geschädigten B. begonnen habe.

Darüber hinaus sei die Verjährung gehemmt gewesen, bisdie Beklagte eine vollständige Übernahme des Schadens(erst) mit Schreiben vom 16.1.2013 abgelehnt habe.

(Anträge: ...)

Die Beklagte ist der Meinung, dass der zur Regulierung ausder Haftpflichtversicherung angemeldete Honorarrückzah-lungsanspruch keinen versicherten Schadenersatzanspruchdarstelle, sondern die nicht versicherte Erfüllungsebene desBeratungsvertrages betreffe. Darüber hinaus vertritt die Be-klagte die Auffassung, dass der Risikoausschluss gemäß § 4Ziffer 4.5 AVB-WS eingreife. Der Kläger habe offenkundigzwei wissentliche Pflichtverletzungen begangen, in dem erein gesetzeszweckwidriges Steuermodell empfohlen undhierbei die Lebensumstände des Mandanten B. – unter Vor-anstellung seines alleinigen Honorarinteresses – nicht beach-tet habe. Darüber hinaus beruft sich die Beklagte auf dieEinrede der Verjährung. (...) •

Aus den Gründen:Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

Der Kläger kann von der beklagten Versicherung die begehr-te vollständige Deckungszusage für den im Verfahren B. . /.H. geltend gemachten Berufshaftpflichtschaden nicht verlan-gen. Versicherungsschutz nach § 1 WG in Verbindung mit§ 1 Ziffer 1 und § 3 Ziffer 3.2.1. der Versicherungsbedingun-gen (AVB-WS), die dem früheren Versicherungsverhältnis derParteien zugrunde lagen, besteht nicht.

Das Gericht kann die zwischen den Parteien streitige Frage,ob der Risikoausschluss nach § 4 Ziffer 4.5 AVB-WS eingreift,weil der Kläger bei der Beratung seines Mandanten B. wis-sentlich gegen ihm obliegende Berufspflichten verstoßen hat,offen lassen. Ob das von ihm empfohlene Steuersparmodell,das die Gründung einer GmbH & Co. KG und den Kauf vonHochseecontainern vorsah, um durch Inanspruchnahme vonAnsparabschreibungen verrechnungsfähige Verluste zu ge-nerieren, für den Mandanten wegen dessen Lebensumstän-den offenkundig von vorneherein ungeeignet und verfehltwar und der Kläger darüber hinaus bewusst ein gesetzes-zweckwidriges/rechtswidriges Steuersparmodell empfohlenhat, kann offen bleiben.

Die Frage, ob sich die Beklagte auf den Risikoausschluss derwissentlichen Pflichtverletzung berufen kann, muss nicht ent-schieden werden, weil der zur Regulierung aus der Haftpflicht-versicherung angemeldete Honorarrückzahlungsanspruchkeinen versicherten Schadenersatzanspruch gemäß § 3 Ziffer3.2.1. AVB-WS darstellt.

Nach § 1 Ziffer 1.1. AVB-WS besteht Versicherungsschutz fürden Fall, dass der Versicherungsnehmer – wegen eines beider Ausübung beruflicher Tätigkeit begangenen Verstoßes –von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestim-mungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensscha-den verantwortlich gemacht wird. Kein gesetzlicher Haft-pflichtanspruch privatrechtlichen Inhalts ist die Rückforde-rung von Honorar wegen einer mangelhaften Leistung des

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Wirtschaftsprüfers/Steuerberaters/Rechtsanwalts, auch wenndiese Forderung im Zusammenhang mit einer behauptetenSchlechtleistung/Pflichtverletzung gestellt wird (vgl. vanBühren, Handbuch Versicherungsrecht 5. Aufl. § 10, Rdnr.158). Dies wird in § 3 Ziffer 3.2.5. der AVB-WS darüberhinaus ausdrücklich klargestellt, wonach ein Anspruch aufRückforderung von Gebühren oder Erfüllungsansprüche undErfüllungssurrogate nicht unter den Versicherungsschutzfallen.

Hier sind die von dem Kläger zu Unrecht vereinnahmtenHonorare, die der frühere Mandant des Klägers zurück-gefordert hat und die ihm durch das LG Erfurt wegen fehler-hafter Beratung auch zugesprochen worden sind und dieGegenstand des, vor dem OLG Jena geschlossenen Ver-gleichs waren, streitgegenständlich. Dass der frühere Pro-zessgegner des Klägers die Rückzahlung der Gebühren imWege des Schadenersatzes beansprucht und nicht aufgrundbereicherungsrechtlicher Normen verlangt, ist irrelevant.

Die Regelung in § 3 Ziffer 3.2.1. AVB-WS greift – entgegender Auffassung des Klägers – auch nach dem Sinn und Zweckder Berufshaftpflichtversicherung – wonach Versicherungs-schutz für Folgeschäden außerhalb des unmittelbaren Leis-tungsaustauschs der Vertragsparteien gewährt werden soll,nicht ein. Hierunter fällt nicht zu Unrecht vereinnahmtesHonorar des Versicherungsnehmers, was auch dann gilt, wenneine schadenersatzbegründende fehlerhafte Leistung desVersicherungsnehmers zugrunde liegt.

Selbst, wenn man diese Frage anders entscheiden würde,besteht kein Anspruch des Klägers auf Deckungsschutz.Denn der etwaige Klageanspruch ist jedenfalls nach § 12Abs. 1 Satz 1, Satz 2 VVG a.F. verjährt. Nach dieser Vorschriftverjährten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in zweiJahren, wobei die Verjährung mit dem Schluss des Jahresbegann, in dem die Leistung verlangt werden konnte.

Das (alte) Verjährungsrecht ist im vorliegenden Fall auchanwendbar. Denn nach der Übergangsvorschrift des Artikel 1Abs. 1 EGVVG ist auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum1.1.2008 entstanden sind (Altverträge), das Gesetz über denVersicherungsvertrag in der bis dahin geltenden Fassung biszum 31.12.2008 anzuwenden, soweit in Abs. 2 ... nichtsanderes bestimmt ist. Die Regelung in Abs. 2 sieht vor, dassdas Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis zum31.12.2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist, wennbei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008eingetreten ist.

Bei dem Haftpflichtversicherungsvertrag der Parteien handeltes sich um einen Altvertrag, der vom 1.1.2003 bis zum1.1.2013 bestand, somit vor dem 1.1.2008 abgeschlossenworden ist. Der Versicherungsfall, nämlich ein Verstoß, derHaftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zurFolge haben könnte (vgl. § 5 Ziffer 5.1 AVB-WS), ist auch vordem 31.12.2008 eingetreten. Denn die fehlerhafte Beratungseitens des Klägers erfolgte bereits im Jahr 2002.

GI Literaturhinweis

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Prof. Dr. Markus Gehrlein, Unternehmensinsolvenz in der Rechtspre-chung des BGH, 2016, Verlag C.H.BECK, 2. Auflage, XII, 299 Seiten,kartoniert, 65 €, ISBN 978-3-406-68509-5

GI Literatur-Ecke

Dickmann: Versicherungsschutz und ehrenamtlicheTätigkeit, VersR 2016, 489

Kienzler: Die PartG mbH – Ziel erreicht?, JR 2016, 221

Lehmann: Ausgewählte Rechtsfragen der Berufshaft-pflichtversicherung der freien Berufe unter besondererBerücksichtigung aktueller Rechtsprechung, r+s 2013, 1

Riechert: Haftung des Anwalts als Insolvenzverwalter,AnwBl 2016, 350

Ruben: Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters,AO-StB 2016, 140

Tilman: Das Verteilungsverfahren nach § 109 VVG inder Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, VersR2016, 497

Die Verjährungsfrist hat hier nach § 12 Abs. 1 VVG a.F. am31.12.2007 begonnen, nämlich dem Schluss des Jahres, indem der Kläger von der Beklagten Rechtsschutzdeckung ver-langen konnte. Die Verjährung ist damit Ende 2009 eingetre-ten, weshalb die Klageerhebung verspätet war.

Der Versicherungsanspruch auf Erfüllung der Leistungspflich-ten aus dem Versicherungsvertrag – wozu die Prüfung derHaftungsfrage, die Abwehr unbegründeter Ansprüche und dieFreistellung von begründeten Ansprüchen zählt – ist entstan-den und fällig, sobald der Versicherungsnehmer von einemDritten wegen eines behaupteten Berufsversehens erstmaligauf Schadenersatz in Anspruch genommen wird (vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe Handbuch Fachanwalt VersicherungsrechtKapitel 27 Rdnr. 8; BGH, Versicherungsrecht 1971, 333;OLG Düsseldorf R & S 1999, 274; OLG Köln Versicherungs-recht 2003, 1166).

Nach dem Vortrag der Beklagten, dem der Kläger nicht ent-gegengetreten ist, hat der frühere Mandant des Klägers ihnaußergerichtlich schon vor Erhebung der Klage beim LGErfurt am 29.12.2008 in Anspruch genommen. Dass dieszutreffend ist, ergibt sich auch daraus, dass seitens des LGHerrn B. Zinsen – wie von ihm beantragt – seit dem 1.1.2007zugesprochen worden sind.

Die Auffassung des Klägers, maßgebend für den Verjährungs-beginn sei, dass die Leistungen des Versicherers erst nachder rechtskräftigen Beendigung des Haftpflichtprozesses fäl-lig geworden seien, ist unzutreffend. Der Kläger verkennt dieTrennung von Haftungs- und Deckungsfrage. Die Trennungzwischen Haftpflicht- und Deckungsfrage bewirkt zwar, dassdie tatsächlichen Voraussetzungen der Haftung nach zwi-schenzeitlich beendetem Haftpflichtprozess im Deckungs-prozess bindend sind; im Übrigen sind aber beide Fragenunabhängig voneinander zu bewerten (vgl. BGHZ 119, 276).Deshalb ist eine Erstreckung der Prüfungsfrist zu Gunstendes Versicherers bis zum Abschluss des Haftungsprozessesnicht anzunehmen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Lauf der Verjäh-rungsfrist auch nicht gemäß § 12 Abs. 2 VVG a.F. durch Ver-handlungen über den Deckungsschutz gehemmt gewesen.Nachdem der Kläger der Beklagten den Versicherungsfall am11.9.2009 gemeldet hatte, wies die Versicherung die An-sprüche wegen Rückzahlung geleisteter Honorare mit Schrei-ben vom 14.9.2009 als nicht versichert zurück. Dies betrafeinen Gesamtbetrag in Höhe von 47.429,49 EUR. In demSchreiben erklärte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, dassallenfalls die Summe in Höhe von 1.545,39 EUR eventuellerstattungsfähig sei. Soweit in der Mitteilung vom 14.9.2009außerdem mitgeteilt worden ist, anhand der vorliegendenUnterlagen könne keine abschließende Beurteilung vorgenom-men werden, bezog sich dies lediglich auf die haftungsrecht-liche Frage. Die Deckungsablehnung wiederholte die Beklag-te bzw. ihre Rechtsvorgängerin auch in den Schreiben vom2.11.2009 und 18.12.2012. Verhandlungsbereitschaft signa-lisierte sie weiterhin nur in Höhe des Betrags von 1.545,39 EUR.

Bei dieser Sachlage war die Klage abzuweisen. •

GIaktuell Nr. 3/Juni 201696

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