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ZEITSCHRIFT FÜR BANKPOLITIK UND PRAXIS G 8790 Euro 15,00 NR. 9 2017 www.die-bank.de GREEN ABS – EINE NEUE ASSETKLASSE Alles grün, oder was? Digitalisierung Chatbots müssen erst laufen lernen Projektmanagement Die Grundpfeiler agiler Produktentwicklung Regulierung EZB-Leitfaden für notleidende Kredite THEMENSCHWERPUNKT

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ZEITSCHRIFT FÜR BANKPOLITIK UND PRAXIS

G 8

790

Euro 15,00

NR. 92017

www.die-bank.de

GREEN ABS – EINE NEUE ASSETKLASSE

Alles grün, oder was?

Digitalisierung Chatbots müssen erst laufen lernen

Projektmanagement Die Grundpfeiler agiler Produktentwicklung

Regulierung EZB-Leitfaden für notleidende Kredite

THEMENSCHWERPUNKT

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EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Nä, wat wor dat dann fröher en superjeile Zick, mit Träne in d‘r Auge loor ich manchmol zoröck“ – so lautet der Re-frain des größten Hits der Kölner Mundart-Band Brings. Für jene mit den kölschen Spracheigenarten weniger ver-traute Leser könnte man wohl frei übersetzen: „Was war das früher eine wunderbare Zeit, auf die ich mit Tränen in den Augen zurückschaue“. Wohlgemerkt: Tränen der Freu-de, nicht des Leids. Und diese Aussage gilt auch für die vergangenen vier Jahre, in denen ich regelmäßig an dieser Stelle einige Zeilen an die Leser dieser Fachzeitschrift rich-ten konnte. Es war eine fantastische Zeit und für mich per-sönlich eine große Ehre. Doch auch die schönste Zeit hat ein Ende, denn dies ist mein letztes Editorial. Mein persön-licher Berufsweg führt mich innerhalb der Kreditwirtschaft an einen anderen Ort.

Ein reflektierender Blick zurück ermöglicht nicht selten wertvolle Erkenntnisse für die Zukunft, wenngleich für die Bankenbranche zumindest die letzten zehn Jahre nicht unbedingt als goldene Ära des Kreditwesens in die Anna-len gehen werden. Im Juli 2007 schwappte die „Subprime-Krise“ aus den USA auf Deutschland über. Niemand ahnte damals, dass sich daraus in kurzer Zeit eine handfeste Krise entwickeln würde, die die internationalen Finanzmärkte in ernsthafte Schwierigkeiten brachte. Die Reaktionen der Po-litik und der Bankenaufsicht, die Reformen und Regulie-rungen, die danach in internationaler Abstimmung erfolg-ten, waren weitgreifend.

Doch mittlerweile ist für die meisten Banken in Deutsch-land das Maximum der Belastung erreicht. Nach einer ak-tuellen Erhebung der Unternehmensberatung Sopra Steria Consulting sprechen 71 Prozent der Entscheider von einer drohenden Überregulierung. Für die Zukunft wünschen

sie sich punktuelle Erleichterungen für die Institute. Mit einer Deregulierung ist allerdings nicht zu rechnen, allen-falls mit Vereinfachungen, die Vorschriften zu erfüllen. Vor allem die kleineren, regionalen Institute sehnen Lockerun-gen herbei. Die Aussicht auf eine globale Neubewertung der Situation der Bankenregulierung hat jedoch zuletzt ei-nen Dämpfer erhalten: Beim G20-Gipfel in Hamburg An-fang Juli bekannten sich die Staats- und Regierungschefs explizit zur Regulierung der Finanzmärkte. Einen Deregu-lierungswettlauf wird es zumindest in Europa nicht geben.Vielen Banken wäre allerdings bereits geholfen, wenn eine stärkere Konvergenz der unterschiedlichen Regelwerke er-reicht werden könnte. Inhaltliche Doppelungen und Wi-dersprüche sollten beseitigt sowie Meldefristen und -fre-quenz besser aufeinander abgestimmt werden. Laut Sopra Steria Consulting verspricht sich die Branche außerdem zusätzliche Entlastung davon, Regulierungsaufgaben künf-tig stärker über zentrale Stellen laufen zu lassen und Abläu-fe zu standardisieren. In Österreich betreibt beispielswei-se das Joint Venture AuRep (Austrian Reporting Services GmbH) für mehrere Institute aus verschiedenen Banken-gruppen eine gemeinsame Meldewesenplattform.

Wie schnell eine Entlastung durch eine Vereinheitlichung der Prozesse für einzelne Institute spürbar wird, ist von Bank zu Bank verschieden. Eine stärkere Konvergenz und ein standardisiertes Meldewesen dürften den stark überlas-teten IT-Abteilungen sicherlich helfen. In zwei Dritteln der Institute herrscht Projektstau. Ihr

Superjeilezick

» Wichtige Zukunftsvorhaben wie die

Digitalisierung müssen warten, weil die

IT-Abteilungen fast vollständig von

Regulierungsthemen blockiert sind. «

Dr. Stefan Hirschmann, Chefredakteur die bank

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Inhalt 09 // 2017

06 Die Zukunft der ABCP-Finanzierung Asset Backed Commercial Paper (ABCP)-Finanzierungen sind ein bewährtes, gut etabliertes Finanzierungsinstrument für den gehobenen Mittelstand sowie die Leasingindustrie.

12 Der Verbriefungsmarkt leistet enorm viel Interview mit Dr. Hartmut Bechtold, Chef der Verbriefungsinitiative TSI, über politische Kompromisse im Verbriefungsmarkt, den Nutzen für Unternehmen sowie die Perspektiven neuer Assetklassen.

16 Der neue EU-Rechtsrahmen für VerbriefungenNach dem 1. Januar 2019 sollen be-stehende Verbriefungstransaktionen

einen Bestandsschutz genießen. Allerdings ist unklar, wie sich die-ser Bestandsschutz auf ABCP-Programme auswirken wird.

21 Alles grün, oder was?Green ABS – eine neue aufstre-bende Assetklasse. Während in der Anfangszeit vor allem große multina-tionale Entwicklungsbanken zu den Emittenten von Green-Bonds zähl-ten, werden sie heute vor allem von Unternehmen zur Finanzierung ihrer Umweltmaßnahmen emittiert.

26 Chancen und Risiken in den Kreditmärkten Lohnenswerte Investments: Wo können Versicherungen auch heute noch unter Berücksichtigung des Risikos attraktive Renditen er-wirtschaften? Wir geben Antworten.

30 Zweieiige Zwillinge oder nur Brüder im Geiste? Kredit-Fonds und Managed CLOs sind Brüder im Geiste. Allerdings unterscheiden sie sich signifikant bezüglich ihrer Struktur und der Markttreiber.

34 USA und Europa gehen verschiedene WegeMit jedem Regierungswechsel stellt sich die Frage, inwieweit eine Administration die gesetzgeberische Agenda der Vorgängerregierung än-dern oder sogar aufheben wird. Mit Donald Trump ist eine Diskussion um die Deregulierung im Bankensektor entbrannt. Noch steht allerdings nicht fest, ob diese Debatte in eine tatsächliche Änderung der Regulierung münden wird.

THEMENSCHWERPUNKT

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78Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Viele Banken sind nicht ausreichend auf das neue Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) vorbereitet. Das kann nega-tive Folgen für die Mitarbeitermotivation haben und zu Auseinandersetzungen vor Gericht führen.

81Agile Produktentwicklung

Grundvoraussetzung für eine Kultur der Selbstorganisation ist die Bildung echter Teams. In der Praxis vieler Banken werden jedoch einzelne Themen meist einzelnen Mitarbeitern zugeordnet. Dies führt zu Silodenken und Kompetenzgerangel.

MANAGEMENT

38 Die WirtschaftsfördererFörderbanken betreiben Wirtschafts-politik mit bankmäßigen Mitteln und er-gänzen den Markt, wo es notwendig ist.

45 Der EZB-Leitfaden für notleidende KrediteDie EZB hat einen Leitfaden zum Umgang mit notleidenden Krediten he-rausgegeben, der für Banken viel stra-tegische Arbeit mit sich bringt.

48 Wenn Soft-Faktoren Risiken bergenBei der Nichtbeachtung von Compliance sind es oft Soft-Faktoren, die zu unethischem Verhalten führen.

52 Vorstand soll für mehr Transparenz sorgenDer Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) verlangt ethisch fun-diertes und eigenverantwortliches Handeln nach dem Leitbild des ehr-baren Kaufmanns.

REGULIERUNG

56 BGH, bitte übernehmen Sie!Die neuen Regelungen zur Insolvenz-anfechtung bringen für Banken wich-tige Änderungen. Eine zentrale Rolle spielt zukünftig die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).

58 Effizienzgewinn mit GrenzenDer Trend zum Outsourcing setzt sich seit Jahren fort, und der Umsetzung kommt bei vielen Banken mittlerweile eine hohe Bedeutung zu.

62 Private Banken unterstützen einheitliche PSD2-SchnittstelleDas neue Zahlungsrecht PSD2 er-laubt Drittdienstleistern mit vorhe-riger Zustimmung des Kunden den Zugriff auf Zahlungskonten. Eine europaweite Harmonisierung steht jedoch noch aus.

DIGITALISIERUNG

66 Schöne neue WeltWas haben IBM, Facebook und die CSU gemeinsam? Sie alle haben neu-erdings mit Chatbots zu tun. Diese textbasierten Dialogsysteme sollen IT-Nutzern das Leben noch leich-ter machen als bisher – auch im Bankumfeld.

70 PSD2 als TüröffnerDurch die Digitalisierung des Einkaufens werden Payment-Systeme in Zukunft eine immer wichtigere Rolle im Alltag spielen. Zu den be-kannten Bezahlverfahren im Handel und Online gesellen sich immer neue Services hinzu.

74 Digitale Baufinanzierung auf dem VormarschBanken arbeiten intensiv an der Digi-talisierung ihrer Kundenbeziehungen und Prozesse. Die meisten Filialbanken streben einen Omnikanalansatz an.

BERUF & KARRIERE

78 Gleicher Lohn für gleiche ArbeitIn Gleichstellungsfragen gibt es einen generellen Nachholbedarf.

81 Die Grundpfeiler agiler ProduktentwicklungEchte Agilität erfordert einen fundamentalen Wechsel in der Führungskultur.

84 Mehr als alter Wein in neuen SchläuchenDesign Thinking ist ein neuerKreativitätsprozess für das Projektmanagement.

RUBRIKEN & SERVICE

03 Editorial

88 Personalien

89 Bücher / Impressum

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NEUE STS-REGULIERUNG

Die Zukunft der ABCP-FinanzierungAsset Backed Commercial Paper (ABCP)-Finanzierungen sind ein bewährtes, gut etabliertes Finanzierungs-

instrument für den gehobenen Mittelstand sowie die Leasingindustrie. Sie zeichnen sich durch stabile und

anpassungsfähige Strukturen mit geringem Risikoprofil aus und bieten Unternehmen die Möglichkeit,

günstig und flexibel Mittel zur Finanzierung des Working Capitals am Kapitalmarkt aufzunehmen.

Bereits im November 2010 hat die G20 in einem Report vermerkt, dass qualitativ gute Verbriefungen die Kreditversorgung der Realwirtschaft ver-

bessern können.1 Mario Draghi schrieb im Juni 2012 an den European Financial Services Round Table, ein gut funktionierender ABS-Markt in der EU trage zu einer reibungslosen Finanzierung der Realwirtschaft bei.2 Seitdem sind mehr als fünf Jahre intensiver Diskussionen und Ab-stimmungen vergangen, bis schließlich Ende Mai 2017 die EU-Kom-mission stolz die Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts in der EU feierte und ein Maßnahmenpaket für einfache, transparente und stan-dardisierte Verbriefungen (STS) beschloss.3

Es drängt sich die Frage auf, ob der jetzt gefundene Kompromiss zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission zur STS-Regulierung von Verbriefungen die Erreichung der gesetzten Ziele – eine Verbesserung der Finanzierung der Realwirtschaft und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen – fördert.

Die Entwicklung der ABCP- Finanzierung in Deutschland: eine Erfolgstory

Gerade die in Deutschland weit verbreiteten Verbriefungen für Han-dels- und Leasingforderungen mittels Asset Backed Commercial Paper (ABCP)-Programmen haben – ungeachtet der Finanzmarktkrise – eine nahezu unbefleckte Erfolgsgeschichte: Soweit bekannt, hat noch nie ein Investor einen Verlust erlitten. Die verkaufenden Unternehmen nutzen diese Finanzierungsform immer intensiver.

Dies zeigt auch eine aktuelle Erhebung der True Sale International GmbH (TSI) unter den sechs führenden deutschen ABCP-Programm-anbietern. Statt einer Wiederbelebung des ABCP-Markts besteht viel-mehr die Frage, ob sich die neue STS-Regulierung und die damit ein-hergehende Erhöhung der Eigenkapitalunterlegung für die notwendige Liquiditätsunterstützung sogar kontraproduktiv auf die weitere Ent-wicklung dieses Markts auswirken können.

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Die TSI hat die Vo-lumens- und Rating-entwicklungen von al-

len ABCP-Kunden-transaktionen der großen

deutschen ABCP-Program-manbieter4 seit Juni 2010 zu-

sammengefasst. Insgesamt sind in diesen sechs Programmen 226 einzelne Transakti-

onen betrachtet worden. Wie in ÿ 1 ersichtlich ist, er-höhte sich das finanzierte Volumen an Handels-, Lea-sing- und sonstigen Kundenforderungen im Betrach-tungszeitraum von 6,3 Mrd. € auf 14,6  Mrd. € (+132 Prozent). Über die Hälfte dieses Volumens

entfällt dabei auf Leasingforderungen (56 Prozent), gefolgt von Handels-forderungen (37 Prozent) und sonstigen Forderungen (sieben Prozent). Das Durchschnittsvolumen der Transaktionen liegt relativ stabil bei 90 Mio. €. Per Juni 2017 wurden mehr als 160 verschiedene Unternehmen über die betrachteten ABCP-Programme finanziert. Der ABCP-Markt in Deutschland ist somit zu einem bedeutenden Bestandteil der heimischen Mittelstandsfinanzierung geworden.

Die neue STS-Regulatorik verschiebt die Gleichgewichte unter den FinanzierungsartenZiel von Basel III/CRD IV (2014)5 war, die Kapitalgewichtungen für Kredit-Exposures in Bankbilanzen entsprechend ihrem Risikogehalt besser zu staffeln. Über die CRR wurden interne und ratingbasierte Verfahren europaweit weiterentwickelt oder verfeinert, die eine nach dem Risiko differenzierte Eigenkapitalbemessung ermöglichten. Dies

galt auch für Verbriefungen, die wahlweise entweder nach einem in-ternen Formelansatz (Supervisory Formula Approach, SFA) oder nach dem Ratingansatz (Rating Based Approach, RBA) bewertet wurden. Für Liquiditätslinien deutscher ABCP-Programme wurde bereits 2008 der interne Bemessungsansatz (Internal Assessment Approach, IAA) durch die Solvabilitätsverordnung eingeführt, nach welchem – ange-lehnt an die Methoden der Ratingagenturen – die Sponsorbanken ihre Kapitalunterlegungen für die gestellten Liquiditätslinien selbst ermit-telten. Letzteres hat sich in der Praxis bewährt und zu angemessenen und nachvollziehbaren Ergebnissen geführt.

Mit der beschlossenen, neuen Methodenhierarchie wird eine wei-tere Methode, der Securitisation Standard Approach (SEC-SA), einge-führt und die bestehenden Ansätze modifiziert. Es ist zwar gelungen, für ABCP-Liquiditätslinien den IAA-Ansatz zu erhalten, allerdings werden die Risikogewichte aufgrund der neuen Tabelle zum Teil signi-fikant ansteigen. ÿ 2

Das Risikoprofil von ABCP-Transaktionen ist seit Jahren auf konstant niedrigem NiveauGerade ABCP-Transaktionen zeichnen sich durch eine große Risiko-stabilität aus, sodass sich Erhöhungen der Kapitalunterlegung um bis zu Faktor 5 empirisch nicht begründen lassen. Ein wesentliches Merkmal von ABCP-Strukturen ist, dass diese dynamisch angepasst werden und risikobegrenzende Maßnahmen frühzeitig greifen. Damit unterschei-den sich ABCP-Strukturen grundsätzlich von anderen Verbriefungen bzw. Kapitalmarktinstrumenten, die in ihrer Risikostruktur weitgehend starr sind. Die TSI-Studie verdeutlicht dies anhand des Vergleichs der Bonitätsentwicklung der Forderungsverkäufer mit der der zugehöri-gen ABCP-Transaktion. ÿ 3 Während die verkaufenden Unternehmen

1 | Volumen und Anzahl an ABCP-Transaktionen

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Other Trade Receivable Lease Receivable Anzahl Other Trade Receivable Lease Receivable Anzahl

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im Durchschnitt Verlusteinschätzungen im BB-Bereich haben (inter-nes Rating der Sponsorbanken), sind die korrespondierenden ABCP-Transaktionen allesamt stabil im Investment-Grade-Bereich. Dabei wei-sen Handelsforderungstransaktionen Durchschnittsratings (nach IAA) von A- aus, während Leasingtransaktionen leicht höher geratet sind.

Für ABCP-Transaktionen, die keinen STS-Status erreichen können, bedeutet dies einen Anstieg des Risikogewichts von durchschnittlich ca. 20/35 Prozent (granular/nicht granular) auf 60 bis 70 Prozent – je nach Tranchenlaufzeit. Eine solche Erhöhung der Risikogewichte ist ange-sichts der dauerhaft konstant niedrigen Verlusterwartungen – welche zudem noch deutlich unter dem Niveau der verkaufenden Unterneh-men liegen – ökonomisch nicht begründbar.

Von den aktuellen, in der TSI-Studie erfassten ABCP-Transaktio-nen ist aufgrund der Ratingeinstufung in mehr als einem Viertel der Fälle davon auszugehen, dass die künftigen Risikogewichte der ABCP-Transaktion gleich oder mehr Eigenkapitalunterlegung erfordern dürf-ten als bei einem Blankokredit an das verkaufende Unternehmen – und dies, obwohl die ABCP-Transaktionen aufgrund besserer (inter-ner) Ratings geringere Verlustwahrscheinlichkeiten ausweisen als die korrespondierenden Unternehmen. Ein widersprüchliches Ergebnis, dass leider nicht die erhoffte Anreizwirkung für eine Belebung des Ver-briefungsmarkts setzt.

Die neue Regulierung drückt auf die Profitabilität von ABCP-FinanzierungenInfolge der neuen Kapitalunterlegungen nach dem External Rating Based Approach (SEC-ERBA) wird die Stellung der Liquiditätslinie un-ter Renditegesichtspunkten für den Sponsor unattraktiver. Inwieweit diese Belastungen an die Forderungsverkäufer in Form höherer Kondi-tionen weitergereicht werden können, ist fraglich. Schon jetzt herrscht bei ABCP-Transaktionen vor dem Hintergrund deutlich reduzierter

Risikoprämien gegenüber bei anderen Kredit- und Kapitalmarkttrans-aktionen ein erheblicher Margendruck. Die ABCP-Finanzierung ver-liert für Sponsoren weiter an Attraktivität, und es ist zu befürchten, dass sich manche ABCP-Transaktion in Zukunft nicht mehr rechnen wird – weder für die Sponsorbank noch für das verkaufende Unternehmen.

STS-Status für ABCP-Programme nur schwer erreichbarIn zähen Verhandlungen wurde zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission ein STS-Kompromiss gefunden, der als kleinster gemeinsamer Nenner bezeichnet werden kann. Die Kommission und der Rat haben ihre Vorstellungen zum Selbstbehalt durchgesetzt, wäh-rend das Parlament die Forderungen nach einem Informationsregis-ter (Repository) und einer geänderten Hierarchie durchsetzen konnte.

Besonderes Augenmerk ist auf die Details der neuen Regulierung zu richten. Die STS-Bedingungen sind umfangreich und komplex. Es besteht ein großer Interpretations- und Auslegungsspielraum, der durch technische Standards (RTS) und Guidelines der EBA und ESMA zu schließen ist. Anschließend, vermutlich Ende des Jahres 2018, wird beurteilbar sein, inwieweit bestehende und künftige ABCP-Transakti-onen alle der insgesamt 20 STS-Kriterien erfüllen können oder nicht. Als kritisch für ABCP-Transaktionen – insbesondere von Handelsfor-derungsverbriefungen – dürften folgende Punkte sein:

Z Originator in EU ansässigOriginator, Sponsor und SPV müssen in der EU ansässig sein. Dies trifft insbesondere realwirtschaftliche Unternehmen, die ihre außer-halb der EU angesiedelten Tochtergesellschaften mit in eine ABCP-Transaktion integrieren wollen oder dies bereits getan haben.

Z ImpairmentprüfungDas verkaufende Unternehmen muss sicherstellen, dass während drei Jahren vor Forderungsverkauf keine Insolvenz, gerichtlich fest-

2 | Risikogewichte nach IAA-Verfahren

140 %

130 %

120 %

110 %

100 %

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AAA AA+ AA AA- A+ A A- BBB+ BBB BBB-

Current granular STS non STS

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gestellte Zahlungsunfähigkeit oder Restrukturierung beim Schuld-ner vorlag und eine Kreditprüfung keine Hinweise auf ein signifi-kant höheres Risiko als vergleichbare Forderungen ergibt.

Z Veröffentlichung historischer DatenDas verkaufende Unternehmen muss historische Daten über Volu-mina, Ausfälle und Zahlungsverzüge über einen Zeitraum von drei (Handelsforderungen) bzw. fünf Jahren (länger laufende Forderun-gen) potenziellen Investoren gegenüber offenlegen.

Z HomogenitätForderungen müssen homogen in Bezug auf ihren Asset-Typ sein, d. h. ein verbrieftes Portfolio darf nur einen Asset-Typ beinhalten. Die genaue Definition des Homogenitätskriteriums ist unklar. Zudem darf die Laufzeit der Einzelforderungen drei Jahre nicht überschrei-ten (Ausnahmen für Autokredit- und -leasingfinanzierungen sowie Betriebsmittelleasing: sechs Jahre). Die Durchschnittslaufzeit der ver-brieften Portfolien darf nicht über ein Jahr bzw. 3,5 Jahren liegen.

Z STS-NotifikationZur Anerkennung der STS-Fähigkeit ist eine Notifikation bei der ESMA nebst genauer Beschreibung der Erfüllung der einzelnen STS Kriterien erforderlich. Es besteht die Gefahr, dass damit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der verkaufenden Unternehmen publik gemacht werden müssen.

Positiv ist, dass vertrauenswürdige Sachverhalte (z. B. Kundennamen, Zahlungsbedingungen) geschützt werden und nur anonymisiert oder aggregiert zu veröffentlichen sind. Geschlossene Leasingrestwerte sind

ebenfalls verbriefbar und bei geforderten Konzentrationslimiten ent-sprechend herauszurechnen.

Auch der Sponsor bzw. das ABCP-Programm selbst muss entspre-chende STS-Kriterien erfüllen. Hierzu zählen Vorschriften an die Sol-venz und Liquidität der Sponsorbank unter Stressbedingungen, be-stimmte Überwachungs- und Veröffentlichungsvorschriften sowie das Erfordernis der Stellung von sogenannten fully supported Liquiditätsli-nien für alle ABCP-Transaktionen im Programm. Besonders kritisch auf Programmebene ist die Anforderung, dass – abgesehen von einer kaum praxisrelevanten 5-Prozent-Öffnungsklausel – alle einzelnen Transakti-onen den STS-Status erfüllen müssen und die durchschnittliche Ge-samtlaufzeit aller Forderungen im Programm zwei Jahre nicht überstei-gen darf. Dies ist umso problematischer, je mehr Leasing- und Kredit-transaktionen im Programm sind. Unter Umständen müsste ein Sponsor eine zusätzliche Leasingtransaktion – selbst wenn sie STS-geeignet wäre – ablehnen, weil auf Programmebene der STS-Status verloren ginge. Es wird derzeit angenommen, dass anfänglich europaweit kein ABCP-Pro-gramm die STS-Normen auf Programmebene erfüllen kann.

Realwirtschaft und europäische Leasingindustrie sind besorgt über STSBusiness Europe, der Dachverband der europäischen Industrie, hat sich besorgt über die neuen Kapitalunterlegungen geäußert.6 Auch Lease-Europe, der Verband der europäischen Leasingindustrie, hatte zusam-men mit dem Europäischen Bankenverband und weiteren Verbänden aus Bank- und Wirtschaftswelt im April 2017 in einem Brandbrief 7 an

3 | Erwartete Verlusteinschätzung

ABCP-Transaktion vs. VerkäuferJu

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Non investment grade EL ABCP Leases EL ABCP Trade Receivable EL Corporate Sellers

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zierungsformen oder mit Term-ABS. Die Markt- und Preisentwicklung in den nächsten Jahren wird zeigen, inwieweit bestehende oder zukünf-tige Transaktionen beeinflusst werden. Das Ziel, mit der Neuregelung der Verbriefungsregulatorik zusätzliche Finanzierungen für die Real-wirtschaft zu ermöglichen, wird jedoch voraussichtlich verfehlt.

Andererseits ist auf Investorenseite nach wie vor ein reges Interesse nach ABCP zu vermelden. Nachdem Geldmarktfonds unabhängig von der STS-Regulierung in fully-supported ABCP weiterhin investieren dürfen und auch unregulierte Investoren (wie z. B. große Unterneh-men) nicht, wie zunächst geplant, als Investoren ausgeschlossen wer-den, dürfte die Nachfrage nach ABCP weiterhin bestehen bleiben. Auf-merksam ist zu beobachten, ob die anstehende Änderung der Solvency-II-Regulierung analog der Geldmarktfondsverordnung ebenfalls fully-supported ABCPs privilegiert. Ein solcher Ansatz könnte vermehrt Versicherungen als ABCP-Investoren zurückkehren lassen.

FAZIT

Unstrittig bieten ABCP-Finanzierungen viele Vorteile für Unter-

nehmen, Sponsoren und Investoren. Dieses Verständnis wird von

einigen Politikern mittlerweile geteilt. Sofern die anstehenden tech-

nischen Standards und Guidelines mit Augenmaß und Praxisnähe

formuliert werden, könnte für viele realwirtschaftliche Unterneh-

men die Erfolgsstory von ABCP weitergehen. Die Verbriefungsindus-

trie darf in ihrer Aufklärungsarbeit deshalb nicht nachlassen.

Autor: Volker Meissmer ist Leiter der Gruppe Securitisation Grundsatz-

fragen & Conduit Management bei der Landesbank Baden-Württemberg.

1 http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_101111b.pdf.2 http://www.efr.be/documents/news/PCS%20press%20release%2020120612.pdf.3 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1480_de.htm.4 Bayerische Landesbank, Commerzbank AG, DZ BANK AG, Landesbank Baden-Württemberg, Landesbank Hes-

sen-Thüringen Girozentrale, UniCredit Bank AG.5 https://www.true-sale-international.de/fileadmin/tsi_downloads/TSI_kompakt/l_17620130627de00010337.pdf.6 https://www.true-sale-international.de/fileadmin/tsi_gmbh/tsi_downloads/TSI_kompakt/BusinesEurope_0330S

ecuritisation.pdf7 http://www.ebf.eu/wp-content/uploads/2017/04/STS-Capital-Calibrations-Joint-Industry-Letter.pdf.

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die europäischen Gesetzgeber auf die negativen Folgen einer übereilten Einführung der STS-Regulierung mit unangemessen hohen Kapitalun-terlegungen für Verbriefungen hingewiesen.

Zwar wurde die Erstanwendung der neuen Eigenkapitalgewichte um ein Jahr auf den 1. Januar 2019 verschoben und die Kalibrierung der STS-Kapitalgewichte unter SEC-ERBA an die Basler Vorgaben für STC-Verbriefungen angepasst, allerdings können diese Maßnahmen die negativen Effekte auf die Attraktivität von ABCP-Finanzierungen für Sponsoren und Unternehmen nicht beseitigen.

Lohnen sich ABCP-Verbriefungen noch?Zur Beantwortung dieser Frage müssen die möglichen Alternativen be-trachtet und in einer Kosten-Nutzen-Analyse gegen die künftigen Be-dingungen der ABCP-Finanzierung gestellt werden.

Zum einen könnten die Unternehmen auf andere Finanzierungs-formen wie den Schuldschein oder den syndizierten Kredit ausweichen, zum anderen könnten sich auch durch ABS-Termbonds Vorteile erge-ben. Die Laufzeit der Tranchen, die erheblichen Einfluss auf die Kapi-talunterlegung hat, wird bei statischen Portfolien vorteilhafter ermittelt: Hier gilt die Durchschnittsmethode (WAL), während bei revolvieren-den Portfolien mit Ankaufsrahmen die Restlaufzeit des Rahmens (i. d. R. der Liquiditätslinie) zuzüglich die längst mögliche rechtliche Laufzeit der zulässigen Forderungen anzusetzen ist. Dies erscheint vor allem deshalb ungerechtfertigt, weil an anderer Stelle die STS-Kriterien einen sofortigen Ankaufsstopp vorschreiben, falls das Portfolio nicht ausreichend performt. In diesem Fall wird das Portfolio eingefroren und damit zu einem statischen Portfolio. Gleichwohl müssen bei diesen Strukturen die Kapitalgewichte mit der deutlich längeren Laufzeitdefi-nition errechnet werden, was insbesondere bei Leasing und Autofinan-zierungen zu erheblich höheren Kapitalunterlegungen einer ABCP-Transaktion im Vergleich zu einem ABS-Termbond führt.

Vor allem werden ABCP-Finanzierungen überleben Die neuen Kapitalunterlegungen werden einerseits die Stellung von Li-quiditätslinien verteuern. Wie gezeigt, ist dies empirisch nicht gerecht-fertigt und schafft ein ungleiches Level Playing Field mit anderen Finan-

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diebank: Herr Dr. Bechtold, nach mona-telangen Verhandlungen haben sich Vertreter der EU-Staaten und des EU-Parlaments in diesem Sommer auf neue Regeln für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen (simple, transparent and standardised securiti-sations; STS) geeinigt. Im Ergebnis steht ein politischer Kompromiss. Wie bewerten Sie das Resultat?Bechtold: Es ist in der Tat ein politischer Kompromiss. Die Vorrangigkeit des Stan-dardansatzes verbessert die Ausgangs-bedingungen südeuropäischer Verbrie-fungen. Die Auswirkungen dieser Hierar-chieveränderung auf hochwertige deut-sche Auto-ABS hat man abgeschwächt, diese Transaktionen können weiter einen – allerdings für sie schlechter als bisher ausgestalteten – externen Ratingansatz nutzen. Das Parlament hat sich mit seinen doch sehr weitgehenden Transparenzvor-schriften durchgesetzt. Viele der noch sehr unbestimmten Qualitätskriterien wurden an die EBA zur Ausgestaltung verwiesen und können somit noch nicht abschließend beurteilt werden; der we-nig transparente Prozess der STS-Wer-dung und die harschen Strafvorschriften

für den Originator wurden etwas verbes-sert, aber noch bestehen erhebliche Un-sicherheiten, was die Umsetzung angeht. Nun kommt es darauf an, das neue Re-gelwerk mit Leben zu erfüllen und zu ei-nem Erfolg zu machen, d. h. sicherzustel-len, dass die Regulatory Technical Stan-dards (RTS) und die STS-Umsetzung pra-xisnah ausgestaltet werden, sodass sich STS wirklich zu einem Qualitätssegment entwickeln kann. Die vertrauensvolle Zu-sammenarbeit von Markt und Aufsicht ist gefragt.

diebank: Wo sehen Sie den möglichen Nachbesserungsbedarf?Bechtold: Man muss sicherlich im Au-ge behalten, ob die verschiedenen, ne-beneinanderstehenden Ansätze wirklich ein Level Playing Field mit sich bringen. Deutschland und UK haben ja in ihrem speziellen Statement die Auswirkungen der Anwendung des Standardansatzes hinterfragt; ich denke die EK-Anforderun-gen an ABCP-Transaktionen, vor allem auch mit Leasingforderungen, sind zu hoch und das Level Playing Field verlet-zend. Auch bei synthetischen Transaktio-nen sollte das letzte Wort noch nicht ge-sprochen sein. Man muss sicherlich auch

schauen, ob manche Transparenzanfor-derungen – vor allem bei Verbriefungen von Handelsforderungen – nicht in den Bereich der Betriebs- und Geschäfts-geheimnisse hineinreichen, und sicher-lich muss man auch sehen, dass das Zu-sammenspiel in der STS-Anwendung und -Werdung von Originatoren, Aufsicht und auch der Drittparteienzertifizierung rei-bungslos funktioniert.

diebank: Der Kompromiss, der nun am 1. Januar 2019 eingeführt werden soll, weicht damit ja in einigen Punkten von den ursprünglichen Vorstellungen des Baseler Ausschusses ab. Wie beurteilen Sie das Verhältnis beider Regelwerke?Bechtold: Generell ist es gut, dass Euro-pa sich entschlossen hat, einen eigenen Weg zu gehen. Wenn Hase und Igel um die Wette laufen, heißen gleiche Regeln nicht wirklich Gleichheit. Europa hat ei-nen anderen Banken- und Kapitalmarkt als die USA. Europa braucht starke Banken in der Wirtschaftsfinanzierung und ebenso ei-nen funktionierenden Verbriefungs-markt, der im Wesentlichen regulierte Kapitalmarktakteure miteinander verbin-det. Dies ist in den USA anders. Insofern

INTERVIEW

Der Verbriefungsmarkt leistet enorm vielInterview mit Dr. Hartmut Bechtold, Chef der Verbriefungsinitiative TSI, über politische

Kompromisse im Verbriefungsmarkt, den Nutzen für realwirtschaftliche Unternehmen und

Leasinggesellschaften sowie die Perspektiven neuer Assetklassen.

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ist zunächst einmal zu begrüßen, dass Europa im Rahmen des Projekts Kapi-talmarktunion den Anspruch erhebt, ei-nen Verbriefungsmarkt zu schaffen, der zu Europas Strukturen passt. Es muss je-doch sichergestellt sein, dass Anspruch und Umsetzung zusammenpassen.

diebank: Beim Risikoselbstbehalt, der festlegt, wie viel Prozent des verbrief-ten Volumens in die Bankbilanzen ein-gestellt werden muss, blieb es bei den fünf Prozent, die auch Basel vorsieht. Können die Beteiligten damit zufrieden sein?Bechtold: Diese Fünf-Prozent-Regel ist ja nicht neu. Sie hat sich bewährt, was auch viele Untersuchungen von EBA, EU-Kom-mission und CEBS zeigen. Von daher ist es begrüßenswert, dass es dabei bleibt.

diebank: Für verbriefte Forderungen in Form von Handels-, Finanzierungs- oder Leasingforderungen (z. B. Asset Backed Commercial Paper und Equipment Lea-ses) wurden Schutzklauseln vereinbart, nachdem vor allem ABCPs in der Dis-kussion über qualitativ hochwertige Verbriefungen lange Zeit nicht hinrei-chend gewürdigt wurden. Zu Recht?

Bechtold: Über 200 deutsche, realwirt-schaftliche Unternehmen und Leasing-gesellschaften nutzen den Verbriefungs-markt für ihre Working-Capital-Finanzie-rung. Der Markt wächst seit 2009 sehr dynamisch, gerade weil sich diese Finan-zierungsform in der Krise als sehr sta-bil erwiesen hat. Heute dürften über die ABCP-Programme von Banken in Deutsch- land etwa 20 Mrd. € p. a. Finanzierungs-beitrag für die Wirtschaft bereitgestellt werden. Kaum ein anderes Segment des Markts hat einen derart hohen realwirt-schaftlichen Bezug. Von daher wäre es folgerichtig, dass diesen Programmen in dem ganzen STS-Projekt eine besondere Fürsorge zugutekäme. Doch ganz so ist es leider nicht.Die Anforderungen für die Eigenkapital-unterlegung bei den Sponsorbanken der-artiger Programme gehen deutlich nach oben, die Transparenzvorschriften dro-hen bei zu weitgehender aufsichtsrecht-licher Interpretation, in den Bereich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Industrie und Handel einzugreifen. Von daher sollte man gerade in diesem Be-reich die Auswirkungen kritisch betrach-ten und gegebenenfalls bereit sein, nach-zubessern.

diebank: In den Vorverhandlungen wur-den bei Nichteinhaltung der Kriterien exorbitant hohe Strafen für Originatoren gefordert, was den Anreiz für die Emis-sion von STS-Transaktionen sicherlich nicht verstärkt hat. Ist die Strafzah-lungsdiskussion jetzt vom Tisch?

Dr. Hartmut Bechtold ist seit ihrer Grün-

dung Anfang 2004 Geschäftsführer der True

Sale International GmbH, einer von deut-

schen Banken gegründeten Finanzorganisa-

tion zur Förderung des deutschen Verbrie-

fungsmarkts. Zuvor war Bechtold viele Jah-

re in führenden Positionen bei der SEB AG

bzw. der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG)

tätig, die im Jahr 2000 in der SEB aufge-

gangen ist. Neben seiner Bankkarriere war

er in der Wirtschaftsberatung, Wissenschaft

und Industrie tätig. Bechtold studierte Be-

triebs- und Volkswirtschaftslehre an der

Goethe-Universität Frankfurt am Main und

promovierte mit einer volkswirtschaftlichen

Arbeit zur Wirtschaftsgeschichte.

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MARKT

Bechtold: Nun ja, als Nicht-Jurist ha-be ich dennoch irgendwann einmal ge-lernt, dass eine Straftat aus Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld besteht. Dies vorausgestellt, möchte ich darauf hinwei-sen, dass die STS-Kriterien oft sehr allge-mein formuliert worden sind und eine ver-bindliche Auskunft, wie sie vor dem Hin-tergrund einer konkreten Transaktion zu interpretieren sind, nicht vorgesehen ist. Der Originator muss aber eindeutig er-klären, dass er alle Kriterien einhält. Von daher sind die potenziellen Strafen bei Verletzung der Kriterien abschreckend. Es gibt allerdings in der verabschiedeten Verordnung Verbesserungen gegenüber den ursprünglichen Entwürfen. So wird nun der zuständigen Aufsicht die Schlüsselrolle zugewiesen anstatt bei dem ursprünglich sehr verworrenen und wenig praktikablen Prozess der Ein-bindung aller europäischer Aufsichten zu bleiben.Des Weiteren wird auf die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit hingewie-

sen, und auch eine externe Zertifizierung durch eine aufsichtsrechtlich registrierte Stelle wird dazu beitragen, die rechtliche Sicherheit des Originators zu erhöhen, da er damit die Sicherheit erhält, dass er sich mit seiner Interpretation der Tat-bestandsmerkmale im Einklang mit dem Markt bewegt. Letztlich bleibt abzuwar-ten, wie der Prozess in der Praxis funk-tioniert.

diebank: Ziel der EU-Kommission ist, den nach der Finanzkrise eingebroche-nen Verbriefungsmarkt wieder anzukur-beln und neue Spielräume in den Bank-bilanzen zu schaffen, damit Finanzmittel für die Realwirtschaft freigesetzt wer-den. Zusätzliche Jobs sollen geschaffen und das Wirtschaftswachstum in Europa angeschoben werden. Ist das in Summe vielleicht ein bisschen viel erwartet? Was kann der Verbriefungsmarkt wirk-lich leisten?Bechtold: Der Verbriefungsmarkt leistet ja bereits einiges. Und dies unter schwie-

rigen Bedingungen. Schauen wir uns nur Deutschland an. In den letzten Jahren zwischen 10 und 20 Mrd. € Term-Transakti-onen, überwiegend im Bereich der Autofi-nanzierungen, gut 20 Mrd. € ABCP-Trans-aktionen, hier im Wesentlichen mit Forde-rungen aus Industrie und Handel sowie Leasinggesellschaften unterlegt, und da-rüber hinaus privatplatzierte synthetische Transaktionen aus dem SME-Bereich mit Milliardenvolumen, die außer der Aufsicht niemand im Markt so richtig wahrnimmt. Sicherlich werden die nunmehr günsti-geren Bedingungen für südeuropäische Transaktionen unter dem Standardansatz dort den Markt für SME-Verbriefungen be-leben. Auch könnte die Übertragung des STS-Gedankens auf Versicherungen – was ja geplant ist – bei guter Umsetzung si-cherstellen, dass auch diese wieder stär-ker investieren. Wobei natürlich sichergestellt sein muss, dass ein Level Playing Field hergestellt wird und am Ende Blankokredite von Ver-sicherungen an Privatpersonen und Un-ternehmen nicht besser wegkommen als erstrangige Verbriefungsanleihen. Falls in Europa die vorliegenden Regeln klug umgesetzt und die oben aufgeführ-ten Schwachstellen noch ausbügelt wer-den, könnte die Verbriefung als intelligen-te Verknüpfung von Bank- und Kapital-marktfinanzierung zur tragenden Säule des EU Projekts Kapitalmarktunion wer-den. Zwar etwas viel Konjunktiv in einem Satz – aber ich bin durchaus optimistisch.

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diebank: Die neuen Verbriefungsregeln gelten als Kernelement der Kapital-marktunion, doch andere zentrale Fak-toren, wie beispielsweise die Harmoni-sierung des Insolvenzrechts in der EU und Fragen der Bilanzierung mittelgro-ßer und kleiner Unternehmen, sind wei-terhin ungelöst. Zudem hat der anste-hende Brexit das Vorhaben zusätzlich verkompliziert. Wie sehen hier die mit-telfristigen Perspektiven aus?Bechtold: Von dem alten Griechen Plato stammt die Erkenntnis, dass der Anfang der wichtigste Teil der Arbeit sei. Und es war sicherlich klug, nicht mit dem Insol-venzrecht, sondern der Verbriefung an-zufangen, denn bei Änderungen im Insol-venzrecht rechnet man in Dekaden.

diebank: Welches Potenzial hat der Ver-briefungsmarkt in Deutschland?Bechtold: Wenn aufsichtsrechtliche Si-cherheit sowie ein Level Playing Field mit anderen Kapitalmarktinstrumenten für Banken, Versicherungen und Fonds ge-geben sind und nach QE und LTRO-Pro-grammen wieder normale Verhältnisse am Finanzmarkt eingekehrt sind, sollten etwa 80 bis 100 Mrd. € p. a. möglich sein.

diebank: Angesichts der Vielzahl von ausfallgefährdeten Krediten in Europa könnten neue Assetklassen, beispiels-weise NPL-ABS, stärkeren Zulauf erhal-ten. Tendenziell gefragt sind auch Mar-ket-Place-Lending-Transaktionen, die

starken Rückenwind durch die neuen Kreditplattformbetreiber erhalten. Wel-che Volumina sind hier möglich?Bechtold: Der NPL-Markt ist ein beson-derer Markt. Er verlangt gute Kenntnis-se der regionalen Märkte und des regi-onalen Rechts, er ist naturgemäß wenig transparent, da der letztendliche Cash-flow schwer prognostizierbar ist, und so-mit eignet sich diese sehr spezielle Asset-klasse nur für erfahrene Investoren. Ei-nen STS-NPL-Verbriefungsmarkt kann ich mir nur schwer vorstellen. Market Place Lending ist ein anderes Feld. Auch dieses Segment wird aber wahrscheinlich aus dem STS-Regelwerk herausfallen, da es aufgrund des konkreten Geschäftsmo-dells schwer werden wird, alle Anforde-rungen zu erfüllen.

diebank: Mit dem ABS-Ankaufprogramm (ABSPP) hat die EZB vor fast drei Jah-ren ein deutliches Signal für den Ver-briefungsmarkt gegeben. Und dennoch ist die Wiederbelebung des ABS-Markts eher zögerlich angelaufen. Wo hakt es?Bechtold: ABS hat im ABSPP der EZB nur eine geringe Bedeutung; die EZB kauft im Rahmen ihres Purchase-Programms vor allem Staatsanleihen, Covered Bonds und Unternehmensanleihen an. Gut ein Drittel der Staatsanleihen und CBs, etwa zehn Prozent der Unternehmensanleihen, aber nur drei Prozent der ABS-Bonds lie-gen jetzt bei der EZB. Der ABS-Markt ist darüber nicht traurig, denn die anderen

Märkte leiden unter der Käuferdominanz der EZB. Dass der ABS-Markt nur lang-sam anläuft, hat im Wesentlichen zwei andere Gründe: Zum einen schwimmen Banken aufgrund der EZB-Politik in Geld, sodass wenig Anreize bestehen, ABS als Refinanzierungsinstrument zu nutzen. Zum anderen sorgt jedoch das nach wie vor unsichere regulatorische Umfeld bei Versicherungen und Banken noch für ei-ne gewisse Zurückhaltung.

diebank: Die TSI ist einer der Sharehol-der der European DataWarehouse GmbH (EDW), die 2012 gegründet wurde, um Investoren Einzelkreditdaten aus ABS-Transaktionen zur Verfügung zu stellen. Inwieweit konnte durch diese Maßnahme die Transparenz im Markt signifikant verbessert werden?Bechtold: Die TSI war ein früher Ver-fechter von hoher Transparenz und Qua-lität im ABS-Markt. Lange vor STS gab es den „Deutschen Verbriefungsstandard“ der TSI. Von daher lag es nahe, dass die TSI auch die Transparenzinitiative der EZB mit dem EDW frühzeitig unterstütz-te. Heute sind ABS-Bonds die bei weitem transparenteste Assetklasse in Europa und beispielhaft für das, woran Covered Bonds – aber auch Staatsanleihen – noch arbeiten müssen.

diebank: Herr Dr. Bechtold, haben Sie vielen Dank für dieses Interview.Die Fragen stellte Stefan Hirschmann.

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Am 30. September 2015 hat die Europä-ische Kommission im Rahmen der Um-setzung des Aktionsplans zur Europäi-

schen Kapitalmarktunion Entwürfe für zwei Verordnungen zur einheitlichen Regulierung des europäischen Verbriefungsmarkts vorge-legt. Ziel der einen Verordnung ist es, die Re-geln für Selbstbehalte, Due Diligence und Pu-blizitätsanforderungen für Verbriefungstrans-aktionen in Europa zu vereinheitlichen. Ferner soll mit dieser Verordnung ein Qualitätslabel für einfache, transparente und standardisierte (simple, transparent and standardised – STS) Verbriefungen eingeführt werden. Die zweite Verordnung zielt auf eine Umsetzung der Vor-gaben des Baseler Komitees für Verbriefungs-transaktionen sowie eine risikosensitivere Ei-genkapitalunterlegung von Investitionen in Verbriefungstransaktionen. Dazu werden die maßgeblichen Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderun-gen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, besser bekannt als Kapitaladäquanzverord-nung (Capital Requirements Regulation – CRR), geändert. Nach intensiven Verhandlun-gen über die beiden Entwürfe haben sich die Europäische Kommission, der Rat und das Eu-ropäische Parlament am 30. Mai 2017 in einem Trilogverfahren nach Artikel 294 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union auf die endgültigen Fassungen der beiden Ver-ordnungen geeinigt. Nachdem die Verordnun-gen durch den Rat und das Europäische Parla-ment formell verabschiedet wurden, werden sie voraussichtlich Ende 2017 oder Anfang 2018 im Amtsblatt der Europäischen Union

veröffentlicht, zwanzig Tage danach in Kraft treten und ab dem 1. Januar 2019 anwendbar sein. Der lange Zeitraum zwischen dem In-krafttreten und der Anwendbarkeit erklärt sich daraus, dass insbesondere die Verbriefungsver-ordnung für eine Vielzahl von Regelungsge-genständen nur einen Rahmen vorgibt und die Ausfüllung dieses Rahmens an die European Banking Authority (EBA), die European Secu-rities and Markets Authority (ESMA) und die European Insurance and Occupational Pensi-ons Authority (EIOPA) delegiert wird, die auf-gefordert sind, innerhalb von sechs Monaten bzw. einem Jahr nach Inkrafttreten der Verord-nungen, sog. Level 2-Rechtsakte vorzubereiten, damit diese bis spätestens zum 1. Januar 2019 erlassen werden können.

Bestandsschutz für AlttransaktionenNach dem 1. Januar 2019 sollen bereits beste-hende Verbriefungstransaktionen einen Be-standsschutz genießen und weiterhin nach den bereits bestehenden Regelungen der CRR bzw. den korrespondierenden Regelungen der AIFM-Richtlinie oder der Solvency II-Richtli-nie beurteilt werden. Allerdings ist unklar, wie dieser Bestandsschutz sich auf revolvierende Transaktionen oder insbesondere ABCP-Pro-gramme auswirken wird. Leider sind zu die-ser Problematik auch keine Level 2-Rechtsakte der maßgeblichen Behörden vorgesehen. Da-gegen wird auch für Transaktionen, die vor dem 1. Januar 2019 aufgesetzt wurden die Möglichkeit bestehen, sie mit dem STS-Qua-litätslabel auszustatten, wenn sie bereits die dafür erforderlichen Kriterien erfüllen.

Die Parteien einer Verbriefungs- transaktionWährend sich im politischen Prozess das Euro-päische Parlament noch dafür ausgesprochen hatte, Investitionen in Verbriefungstransaktio-nen nur Unternehmen aus der regulierten Fi-nanzindustrie zu gestatten, sieht die finale Fas-sung der Verbriefungsverordnung eine solche Beschränkung nicht mehr vor. Stattdessen ent-hält nun Artikel 3 der Verbriefungsverordnung ein grundsätzliches Verbot des Vertriebs von Verbriefungstransaktionen an Retail-Investo-ren. Dieses Verbot gilt allerdings nicht für Re-tail-Investoren, bei denen eine Überprüfung nach Artikel 25 (2) der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID) erfolgt ist, deren Risikotoleranz und Fähigkeit, Verluste zu tragen, dem geplanten Investment entsprechen und deren Verbrie-fungsinvestments bestimmte Schwellenwerte nicht übersteigen.

Auch die Verbriefungszweckgesellschaften bleiben weitgehend unreguliert. Sie können so-gar weiter im EU-Ausland ansässig sein, wenn sie bestimmte Anforderungen an die Besteue-rung, Geldwäsche und Transparenz erfüllen. Dies gilt jedoch nicht für STS-Verbriefungen, bei denen die Zweckgesellschaft zwingend in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sein muss. Die EU-Ansässigkeitsver-pflichtung gilt ebenfalls für Originatoren, Sponsoren und ursprüngliche Kreditgeber von STS-Verbriefungstransaktionen. Sponsoren von STS-ABCP-Programmen dürfen darüber hinaus ausschließlich europäische Kreditinsti-tute sein, die nach der Kapitaladäquanzrichtli-nie 2013/36/EU beaufsichtigt werden.

REGULIERUNG

Der neue EU-Rechtsrahmen für VerbriefungenNach dem 1. Januar 2019 sollen bereits bestehende Verbriefungstransaktionen einen Bestandsschutz genießen

und weiterhin nach den bereits bestehenden Regelungen der CRR bzw. den korrespondierenden Regelungen der

AIFM-Richtlinie oder Solvency II beurteilt werden. Allerdings ist unklar, wie dieser Bestandsschutz sich auf revol-

vierende Transaktionen oder insbesondere ABCP-Programme auswirken wird.

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Due Diligence, Selbstbehalt und TransparenzDie Verbriefungsverordnung stellt einheitliche Due-Diligence-Anforderungen für institutio-nelle Investoren auf. Somit gelten diese nicht für Retail-Investoren. Inhaltlich entsprechen die Anforderungen im Wesentlichen den be-

reits jetzt geltenden Vorgaben für regulierte Investoren. Ein wesentlicher Aspekt der Due Diligence ist die Feststellung eines ausreichen-den Selbstbehalts durch den Originator oder ursprünglichen Kreditgeber. Der Selbstbehalt wird nun abschließend in der Verbriefungs-verordnung geregelt und entspricht in deren

finaler Fassung weitgehend den Bestimmun-gen des bisherigen Artikels 405 CRR sowie der dazu ergangenen Delegierten Verordnung (EU) Nr. 625/2014 der Kommission. Dies gilt insbesondere auch für den Anteil des Selbst-behalts, der weiterhin bei fünf Prozent liegen wird. Dies ist nicht selbstverständlich, da auch

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hier zuvor vom Europäischen Parlament Werte von bis zu 20 Prozent gefordert worden waren. Anders als das bisherige Regelwerk stellt Ar-tikel 6 der Verbriefungsverordnung nun aber auch eine direkte Verpflichtung für Originato-ren, Sponsoren und ursprüngliche Kreditgeber auf, den Selbstbehalt vorzunehmen. Ferner be-stimmt die Verbriefungsverordnung auch für Originatoren, dass sie künftig eine gewisse wirtschaftliche Substanz haben müssen, um zu vermeiden, dass der Selbstbehalt einfach

von einer weiteren Zweckgesellschaft vorge-nommen wird. Darüber hinaus wird auch eine Positivselektion für den Selbstbehalt verboten sein, um den Originator einem dem Risiko der Investoren vergleichbaren Risiko auszusetzen. Die Einzelheiten dieses Verbots wurden jedoch einem Level 2-Rechtsakt überlassen.

Deutlich erhöhen werden sich die Anfor-derungen an die Transparenz für Verbrie-fungstransaktionen. Zunächst wird auch für Verbriefungstransaktionen, die nicht der Pro-

spektpflicht nach der Prospektrichtlinie 2003/71/EG unterliegen, eine Verpflichtung statuiert, zumindest eine Transaktionszusam-menfassung zu veröffentlichen, die die wesent-lichen strukturellen Elemente der Transaktion beschreibt. Die nähere Ausgestaltung dieser Transaktionszusammenfassungen ist wiede-rum einem Level 2-Rechtsakt überlassen. Glei-ches gilt für weitere Aspekte der Transparenz. So wurde z. B. im Rahmen des Trilogverfah-rens intensiv diskutiert, inwieweit ein Origina-tor etwa interne Bewertungsmethoden offen-zulegen hat. Hierzu hatte das Europäische Par-lament vorgeschlagen, dass Informationen zu Kreditgewährungs- und Kredit-Scoring-Pro-zess offenzulegen sind. Die Verbriefungsver-ordnung selbst trifft dazu jedoch keine Rege-lung, sodass auch hier der entsprechende Level 2-Rechtsakt abzuwarten bleibt.

Neu ist zudem die Einführung von Ver-briefungsregistern, sog. Securitisation Reposi-tories, die auf die Initiativen des Rats und des Europäischen Parlaments zurückgeht, das sich offenbar wiederum von der Verordnung über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EU) Nr. 648/2012 (EMIR) inspirieren lassen hat. Originatoren, Sponsoren oder Zweckgesellschaften sollen künftig, ähnlich wie bei OTC-Derivate-Trans-aktionen heute schon, die maßgeblichen Da-ten der jeweiligen Verbriefungstransaktion an europaweit zugängliche Transaktionsregister liefern. Wie genau dieses Berichtswesen aus-sehen soll, ist wiederum einem Level 2-Rechts-akt überlassen worden. Allerdings sollen pri-vate bilaterale Transaktionen von der Be-richtspflicht ausgenommen sein.

Kriterien für die KreditvergabeDie Verbriefungsverordnung verpflichtet Ori-ginatoren, Sponsoren und ursprüngliche Kre-ditgeber einer Verbriefungstransaktion darauf, für das verbriefte Portfolio dieselben gründli-chen und exakt definierten Kreditvergabekri-terien anzuwenden, wie sie dies auch für ihre nicht verbrieften Portfolien tun. Zudem müs-sen sie klar definierte Prozesse und Systeme für

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die Genehmigung, Änderung, Umschuldung und Refinanzierung von Krediten unterhalten, um eine angemessene Kreditwürdigkeitsprü-fung der Schuldner sicherzustellen. Werden von Dritten erworbene Portfolien verbrieft, muss auch bei diesen sichergestellt sein, dass der Dritte die erforderlichen Kreditvergabe-kriterien eingehalten hat. Für Wohnungsbau-kredite wird zudem angeordnet, dass bei deren Kreditprüfung nicht auf eine Eigenbewertung des Kreditnehmers oder eines Intermediärs ab-gestellt werden darf.

STS-VerbriefungenNeben den allgemeinen Anforderungen für Verbriefungstransaktionen stellt die Verbrie-fungsverordnung in ihrem vierten Kapitel zu-sätzliche Anforderungen für STS-Verbriefun-gen auf. Bei diesen Anforderungen wird zwi-schen ABCP-Verbriefungen und anderen Ver-briefungen differenziert. Solche anderen Ver-briefungen sind alle Transaktionen, die nicht überwiegend durch Wertpapiere mit einer Laufzeit von einem Jahr oder weniger refinan-ziert werden. Grundsätzlich ausgeschlossen von dem Qualitätslabel STS sind CMBS-Trans-aktionen und synthetische Verbriefungen, wo-bei jedoch für synthetische Verbriefungen eine Öffnungsklausel aufgenommen wurde.

Um einer Verbriefungstransaktion das Qualitätslabel STS zugestehen zu können, müssen folgende drei Kriterien erfüllt sein:1. Die Transaktion muss die von der Verbrie-

fungsverordnung für diesen Transaktions-typ vorgesehenen Anforderungen an ge-ringe Komplexität, Transparenz und Standardisierung erfüllen,

2. die Erfüllung der Kriterien muss der ESMA vom Originator oder Sponsor an-gezeigt worden sein und

3. die Transaktion muss in die Liste der STS-Transaktionen der ESMA aufgenommen worden sein.

Eine zentrale Anforderung im Hinblick auf eine geringe Komplexität ist die Homogenität der verbrieften Portfolien. Nachdem das Eu-

ropäische Parlament zunächst vorgeschlagen hatte, Regelbeispiele für homogene Portfolien in die Verordnung aufzunehmen, wurde die Entscheidung über die Frage, wann ein Portfo-lio homogen ist, jedoch ebenfalls auf die Level 2-Ebene delegiert. Hier bleiben mithin wieder die regulatorischen technischen Standards zu der Verordnung abzuwarten, die der Kommis-sion innerhalb von sechs Monaten nach In-krafttreten der Verordnung vorzulegen sind.

Ein weiterer wichtiger Aspekt insbesonde-re für die Verbriefung von Asset- und Autofi-nanzierungen ist die Vorgabe, dass die ver-brieften Vermögenswerte über vorbestimmte periodische Zahlungsströme verfügen müs-sen. Die hierfür ursprünglich im Kommissi-onsentwurf der Verordnung aufgestellte Vor-gabe schien zunächst Zahlungen, die aus ei-nem Verkauf des finanzierten Gegenstands resultieren, auszuschließen. Dazu wurde aber im Rahmen des Trilogverfahrens nunmehr klargestellt, dass diese Zahlungsströme auch aus dem Verkauf der finanzierten oder ver-leasten Gegenstände erzielt werden können.

Ein zentraler Aspekt der Vorgaben für STS-Verbriefungen ist die Kreditqualität der verbrieften Vermögenswerte und deren Si-cherstellung durch den Originator oder ur-sprünglichen Kreditgeber. Dieser Gesichts-punkt des sog. Credit Impairments war bereits Gegenstand der Vorgaben für Verbriefungen, die nach der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 zur Liquiditätsdeckung von Kreditin-stituten verwendet werden können.

Der ursprüngliche Entwurf der Verbrie-fungsverordnung der Kommission war an die-se Vorgaben angelehnt und hätte dadurch praktische Probleme aufgeworfen, da für die Beurteilung der Solvenz der Schuldner der verbrieften Vermögenswerte auf den Zeit-punkt der Übertragung auf die Verbriefungs-zweckgesellschaft abgestellt werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt ist aber eine umfassende Bonitätsprüfung bei granularen Portfolien nicht mehr praktikabel.

Die im Trilogverfahren vereinbarte Rege-lung stellt nun auf den Zeitpunkt der Auswahl

der verbrieften Vermögenswerte, also den sog. Black Pool Cut, ab. Zu diesem Zeitpunkt müs-sen nach dem besten Wissen des Originators oder des ursprünglichen Kreditgebers die je-weiligen Voraussetzungen erfüllt sein. Für die-ses beste Wissen des Originators oder des ur-sprünglichen Kreditgebers werden in Erwä-gungsgrund 17a der Verbriefungsverordnung spezifische Regelungen getroffen. So ist es für das beste Wissen ausreichend, wenn auf Infor-mationen zurückgegriffen wird, die man bei Origination vom Schuldner oder später im üblichen Rahmen der laufenden Kreditver-waltung, der Kreditmanagementprozesse oder von dritter Seite erhalten hat. Nach diesen In-formationen dürfen zum Zeitpunkt der Port-folioselektion folgende Umstände beim Schuldner nicht vorgelegen haben:

Z Er ist insolvent, seinen Gläubigern wurde wegen einer innerhalb von drei Jahren vor Origination nicht erfolgten Zahlung ein Vollstreckungstitel erteilt oder er hat, vor-behaltlich gewisser Ausnahmen, zu denen sich ebenfalls Regelungen in Erwägungs-grund 17a finden, innerhalb von drei Jah-ren vor Übertragung des Vermögenswerts auf die Verbriefungszweckgesellschaft eine Schuldenrestrukturierung durchlaufen;

Z er wurde zum Zeitpunkt der Origination des Vermögenswerts in einem öffentlichen Schuldnerregister geführt, bzw., sofern es ein solches öffentliches Schuldnerregister nicht gibt, in einem anderen Schuldnerre-gister, dass dem Originator oder ursprüng-lichen Kreditgeber zugänglich ist; und

Z er hat eine Kreditbewertung, die zeigt, dass das Risiko, dass er vertraglich vorgesehene Zahlungen nicht leisten wird, signifikant höher liegt als bei vergleichbaren Vermö-genswerten des Originators, die nicht ver-brieft werden.

Ein viel diskutierter Punkt im Hinblick auf die Standardisierung von STS-Transaktionen ist die Kontinuität des Servicings. Hierzu wur-de im Trilogverfahren klargestellt, dass es für die Kontinuität des Servicings ausreichend ist,

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wenn eine Ersetzung des Servicers bei dessen Insolvenz vertraglich vorgesehen ist. Die Be-stellung eines Ersatz-Servicers ist dagegen nicht erforderlich.

Die Verantwortung für die Einhaltung der Vorgaben für STS-Verbriefungen trifft nach dem Ergebnis des Trilogverfahrens den Origi-nator und den ursprünglichen Kreditgeber. Obwohl dies in den ursprünglichen Entwür-fen noch vorgesehen war, ist die Verbriefungs-zweckgesellschaft nach Artikel 22 Abs. 7 der Verbriefungsverordnung nicht mehr in der Verantwortung.

Auf Initiative des Rats wurde im Trilog-verfahren eine Bestimmung aufgenommen, nach der Dritte von Originatoren, Sponsoren und Verbriefungszweckgesellschaften hin-sichtlich der Einhaltung der STS-Kriterien eingebunden werden können. Diese Dritten bedürfen einer Erlaubnis durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Die ESMA wird die genau-en Zulassungsanforderungen wiederum in einem Level 2-Rechtsakt regeln.

SanktionssystemWie bereits im Kommissionsentwurf vorge-sehen, enthält die Verbriefungsverordnung ein Sanktionssystem für Verstöße gegen ihre Bestimmungen. Danach sollen die Mitglied-staaten in einem vorgegebenen Rahmen zu-mindest ein verwaltungsrechtliches System zur Ahndung von Verstößen aufstellen. Es bleibt ihnen darüber hinaus vorbehalten, auch straf-rechtliche Sanktionen vorzusehen.

Nach dem Ergebnis des Trilogverfahrens werden die Mitgliedstaaten Verstöße gegen die Verordnung nur ahnden müssen, wenn den Verstößen ein Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit zugrunde liegt.

Darüber hinaus haben die zu-ständigen Behörden bei

der Verhängung ver-waltungsrechtli-

cher Sanktionen, wie etwa Buß-geldern, zu be-rücksichtigen,

in welchem Maße der Verstoß auf ein Ver-schulden des jeweils Handelnden zurückgeht. Wenn etwa ein Originator eine Verbriefungs-transaktion durch einen von der ESMA zuge-lassenen Dritten zertifizieren lassen hat und bei der Strukturierung qualifiziert insbeson-dere rechtlich beraten wurde, dürfte das Ver-schulden als eher gering einzustufen sein, sollte sich nachträglich herausstellen, dass die Transaktion entgegen der ursprünglichen Anzeige doch nicht den STS-Anforderungen genügt.

RisikogewichteDie Eigenkapitalunterlegung von Verbrie-fungstransaktionen wird sich auch künftig aus der CRR ergeben, ab dem 1. Januar 2019 jedoch für dann aufgesetzte Transaktionen in der durch die CRR-Änderungsverordnung ge-änderten Fassung. Danach werden vorrangige Positionen in STS-Verbriefungen durch einen niedrigeren Grenzwert für das Risikogewicht von 10 Prozent begünstigt werden. Für nicht-vorrangige Positionen in STS-Verbriefungen und Verbriefungen, die nicht dem STS-Quali-tätslabel entsprechen, wird ein Grenzwert von 15 Prozent gelten, und für Wiederverbriefun-gen wird der Grenzwert 100 Prozent sein.

Entgegen den Vorgaben des Baseler Ko-mitees hat das Trilogverfahren im Ergebnis dazu geführt, dass für die Berechnung der Ri-sikowerte von Verbriefungen künftig folgende Hierarchie der Bewertungsansätze gilt: Zu-nächst ist der auf internen Beurteilungen ba-sierende Ansatz (SEC-IRBA) zu verwenden, dann der Standardansatz (SEC-SA) und zu-letzt der auf externen Ratings basierende An-satz (SEC-ERBA). Letztlich resultiert diese Hierarchie aus politischen Erwägungen, da der SEC-ERBA bei der Risikogewichtung durch die Verwendung von externen Ratings auch die Länderratings der Originatoren be-rücksichtigt, die jedoch innerhalb der Mit-gliedstaaten der EU deutlich voneinander ab-weichen. Eine Ausnahme von dieser Hierar-chie gilt indes für Auto-ABS. Bei Auto-ABS rückt der risikosensitivere SEC-ERBA, wie

auch vom Baseler Komitee vorgegeben, wieder an die zweite Stelle. Daneben kann der SEC-ERBA auch bei anderen Asset-Klassen anstel-le des SEC-SA verwendet werden, wenn

Z der SEC-SA bei STS-Verbriefungen zu ei-nem um mehr als 25 Prozent höheren Ri-sikogewicht führen würde oder

Z bei nicht-STS Verbriefungen der SEC-SA zu einem um mehr als 25 Prozent höheren Risikogewicht oder der SEC-ERBA zu ei-nem um mehr als 75 Prozent höheren Ri-sikogewicht führen würde.

Zudem können Institute den SEC-ERBA ge-nerell für alle extern gerateten Positionen ver-wenden, wenn sie diese Festlegung ihrer zu-ständigen Aufsichtsbehörde mitgeteilt haben.

Schließlich sieht die finale CRR-Ände-rungsverordnung nun vor, dass für die Be-stimmung der Tranchenlaufzeit einer Verbrie-fungsposition optional auf die gewichteten durchschnittlichen Laufzeiten der verbrieften Forderungen anstelle der nach deren Bedin-gungen vorgesehene Maximallaufzeit der be-gebenen Wertpapiere abgestellt werden kann. Da die Laufzeit ein wesentlicher Faktor bei der Berechnung des Risikogewichts einer Verbrie-fungstransaktion nach SEC-IRBA und SEC-ERBA ist, wird hierdurch bei vielen Transak-tionen eine risikoangemessene Reduzierung des Risikogewichts erreicht werden können.

FAZIT

Zwar bleibt abzuwarten, wie die noch aus-

stehenden Level 2-Rechtsakte die Vorga-

ben der Verbriefungsverordnung und der

CRR-Änderungsverordnung ausgestalten

werden, aber insgesamt kann man beiden

Rechtsakten zugestehen, dass sie die Ziel-

vorgabe des Aktionsplans für die europäi-

sche Kapitalmarktunion im Verbriefungsbe-

reich angemessen umsetzen.

Autor: Dr. Sven Brandt ist Partner bei Hogan

Lovells International LLP.

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Die Auswirkungen des Klimawandels stel-len die Welt vor außergewöhnliche He-rausforderungen. Im Zuge des Pariser

Klimaschutzabkommens vom Dezember 2015 (COP 21) haben sich die teilnehmenden Staa-ten einen maximalen Anstieg der globalen Er-wärmung von 2° C sowie die Reduktion des CO2-Ausstoßes der EU um mindestens 40 Pro-zent bis zum Jahr 2030 als Ziel gesetzt. Mit dem Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutz-abkommen wird Europa bei der Umsetzung dieser Ziele eine führende Rolle zuteil.

Insbesondere im Hinblick auf kohlen-stoffsparende und klimaschonende Infrastruk-turprojekte herrscht ein großes Investitionsde-fizit. Nach Schätzungen der Sustainable-Fi-nance-Expertengruppe der EU-Kommission werden in den nächsten zwei Jahrzehnten jähr-lich rund 180 Mrd. € an neuen Investitionen benötigt, um die Finanzierung von sauberer Energie und Energieeffizienz in einem Maße voranzutreiben, die die Verwirklichung der Zie-le des Pariser Übereinkommens ermöglichen.

Beweggründe für grüne VerbriefungenGrüne Verbriefungen können eine wesentliche Rolle bei der Verwirklichung dieser Ziele spie-len, etwa bei der Erschließung von Finanzie-rungsmöglichkeiten für kleinere klimaresisten-te und kohlenstoffsparende Projekte. Sie haben das Potenzial, den Zugang von grünen Projekt-vorhaben zu Kapital bei gleichzeitig niedrigen Kosten zu verbessern, und sind daher ein wich-tiger Schritt zur Erfüllung der Ziele des Pari-ser Klimaschutzabkommens und der Europäi-schen Kommission.

Unter Verbriefung ist die Umwandlung eines Pools nicht-liquider Vermögenswerte (wie z. B. Darlehen oder Leasingverträge) in

fungible Wertpapiere zu verstehen. Die Wert-papiere verbriefen die Cashflows aus diesen nicht-liquiden Vermögenswerten. Gleichzeitig dienen die zugrunde liegenden Vermögens-werte als Sicherheit für die Investoren, sodass es nicht auf die Bonität des Emittenten an-kommt. Die forderungsbesicherten Wertpa-piere werden Asset Backed Securities (ABS) genannt.

Die Europäische Kommission hat im Rahmen ihres Aktions-plans für die Kapitalmarktuni-on (CMU) vom September 2015 u. a. die Wiederbele-bung des europäischen Ver-briefungsmarkts in Form des Simple, Transparent and Standardised Securiti-sation (STS)-Rahmenwerks beschlossen. Entsprechende Gesetzesvorhaben werden vorangetrieben, was ein ent-scheidender Faktor für die Ent-wicklung des europäischen Ver-briefungsmarkts und damit auch für den grünen Verbriefungsmarkt ist.

Der grüne Verbriefungsmarkt Im Jahre 2007 emittierte die Europäische In-vestmentbank den ersten Green Bond. Wäh-rend in der Anfangszeit hauptsächlich große multinationale Entwicklungsbanken zu den Emittenten solcher Green Bonds zählten, wer-den sie heute vor allem von (Industrie-) Unter-nehmen zur Finanzierung ihrer Umweltmaß-nahmen emittiert. Der Green-Bonds-Markt ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewach-sen und konnte im Jahr 2016 nahezu eine Ver-dopplung des Neuemissionsvolumens zum

Vorjahr auf rund 81 Mrd. US-$ aufweisen. Für 2017 erwartet die Ratingagentur Moody‘s eine Steigerung des Green-Bond-Markts auf rund 206 Mrd. US-$. Der Anteil von Green ABS ist in den vergangenen Jahren ebenso merk-

lich ange-

wachsen, auch wenn er gegenwärtig mit 5 Mrd. US-$ noch die zweitkleinste Assetklasse im Green-Bonds-Markt ist.

Zu den bedeutenden Transaktionen die-ser Art gehören:

Z Toyota Motor Credit Corporation ABS mit Krediten für Elektro- und Hybridfahrzeuge (1,6 Mrd. US-$, 2016);

Z FlexiGroup ABS mit Krediten für Solar-strom-Dachanlagen für Wohngebäude (204 Mio. US-$, 2016 und 38 Mio. US-$, 2017);

GREEN ABS – EINE NEUE AUFSTREBENDE ASSETKLASSE

Alles grün, oder was?Vor zehn Jahren emittierte die Europäische Investmentbank den ersten Green Bond. Während in der

Anfangszeit vor allem große multinationale Entwicklungsbanken zu den Emittenten solcher Bonds

zählten, werden sie heute vor allem von Unternehmen zur Finanzierung ihrer Umweltmaßnahmen

emittiert. Der Green-Bonds-Markt ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen.

2109 // 2017

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Z Renovate America/Hero mit drei grünen ABS-Transaktionen in 2016 (1 Mrd. US-$) auf der Basis von PACE-Strukturen; und

Z Obvion N.V. („Obvion“) mit zwei grünen RMBS-Transaktionen (557 Mio. US-$, 2016 und 667 Mio. US-$, 2017).

Der Großteil grüner Verbriefungen stammt derzeit jedoch noch nicht aus Europa. Seit 2016 gab es hier gleichwohl zwei große grüne Ver-briefungstransaktionen: Im Juni 2016 begab das in den Niederlanden ansässige Unterneh-men Obvion (eine Tochter der Rabobank) die ersten durch Wohnbauhypotheken besicherten Wertpapiere (Residential Mortgage-backed Se-curities – RMBS) mit einem Gesamtvolumen von 500 Mio. € und Zertifizierung nach dem Climate-Bonds-Standard. Im Mai 2017 hat Ob-vion nun mit „Green Storm 2017“ die zweite grüne Verbriefung auf dem europäischen ABS-Markt gelaunched.

Mit Premium Green 2017-2 erfolgte 2017 erstmalig auch eine synthetische grüne Ver-briefung. Der Fonds Mariner Investment Group gewährte der Crédit Agricole Corporate and Investment Bank (CACIB) für einen Teil eines Darlehensportfolios bestehend aus grü-nen und nicht-grünen Assetklassen Kreditaus-fallschutz. Dadurch wurde ein signifikantes Risiko des Darlehensportfolios auf den Inves-tor übertragen, was es CACIB ermöglichte, re-gulatorisch ein geringeres Risikogewicht für einen Großteil des Darlehensportfolios anzu-setzen. CACIB verpflichtete sich, das dadurch frei gewordene Eigenkapital in grüne Darlehen zu reinvestieren. Dadurch kann ein gemischtes Bestandsportfolio kontinuierlich in ein neues grünes Portfolio umgewandelt werden.

Verbesserter Kapitalzugang und niedrigere KapitalkostenIm Vergleich zu einer Bankfinanzierung kön-nen mit der Verbriefungstechnik grüne Dar-lehen oder Leasingverträge (z. B. für kleine-re kohlenstoffarme Infrastrukturprojekte) ge-bündelt und dann mit geringeren Kapitalkos-ten im Kapitalmarkt platziert werden. Durch

den Verkauf eines Kredit- oder Leasingportfo-lios und Refinanzierung mittels ABS können sich Kreditgeber oder Leasingunternehmen (jeweils ein „Originator“) refinanzieren und die Erlöse für neue Kredite oder Leasingver-träge nutzen. Dem Originator einer als „grün“ bezeichneten Verbriefung kommt hierbei die starke und steigende Nachfrage nach Wertpa-pieren mit Umweltvorteilen zugute. Dies ist besonders bedeutsam, da kohlenstoffsparen-de Projekte üblicherweise mit hohen Investi-tionsaufwendungen verbunden sind. Darüber hinaus besteht grundsätzlich auch die Möglich-keit, existierende nicht-grüne Darlehensportfo-lios zu verbriefen und die daraus resultierenden Erlöse in neue grüne Projekte zu investieren. Diese Technik ist sinnvoll, da der Klimawandel und der damit verbundene Aufwand ohnehin ein fließender Prozess ist.

„Green Pressure“Auch seitens der Investoren herrscht eine gro-ße Nachfrage nach grünen Investitionen. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass bereits im September 2016 an der Luxemburger Börse als erster Börse weltweit mit dem „Luxembourg Green Exchange“ (LGX) eine Handelsplattform für grüne Finanzinstrumente geschaffen wur-de. Emittenten müssen hier strikte Zugangs-kriterien erfüllen – 100 Prozent des erhobenen Kapitals müssen in grüne Investitionen ange-legt werden.

Die Deutsche Börse startete am 23. Mai diesen Jahres ihre „Sustainable Finance Initia-tive“ am Finanzplatz Frankfurt. Ziel der Initi-ative ist nach deren Angaben, auf Basis der ei-genen Kerngeschäfte aktiv an der Umsetzung nachhaltiger Meilensteine, wie den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, der Realisierung des Weltklimaabkommens oder auch an der Ausgestaltung des Green Fi-nance Fokus der deutschen G20-Präsident-schaft mitzuarbeiten.

Für den Green-Bonds-Markt sind die Bör-sen besonders wichtig, da sie Anlageentschei-dungen erleichtern, indem sie Finanzdienst-leistungen anbieten, um das Umwelt- und So-

zialbewusstsein zu stärken und grüne Anlage-möglichkeiten hervorzuheben. Auch bieten sie einer breiten Anlegerbasis, einschließlich der großen institutionellen Anleger, Zugang zu Green Bonds. Zudem verbessern die Börsen die Liquidität der Green Bonds dank einer bes-seren Anbindung an die Märkte und stärker zentralisierten Handelsaktivitäten.

Bedingungen für das „Green Label“ Eine grundsätzliche, noch offene Frage ist, wann ein Invest-me nt a l s „grün“

be-zeichnet werden kann bzw. darf. Bislang mangelt es an einer allgemein anerkannten und vor allem rechtsverbindlichen Definition. So gibt es diverse Green-Initiativen, z. B. der Inter-national Capital Market Association (ICMA), der Climate Bonds Initiative (CBI), die World Bank Green Bond Process Implementation Guidelines und die KfW-Mindestkriterien. Als wohl prominentestes Beispiel wurden im April 2014, unter Federführung der KMA, die sog. Green Bond Principles (GBP) vorgestellt. Hierbei handelt es sich um freiwillige Leitlini-en, die zuletzt im Juni 2017 aktualisiert wur-den. Gestärkt werden sollte hierdurch vor al-lem die Integrität des Green-Bonds-Markts.

22 09 // 2017

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Die GBP ent-halten eine Auflistung möglicher grüner Projekte und bestimmen folgende Kom-ponenten für Green Bonds: (1) Geeignetes Portfolio; (2) Use of Proceeds (Auswahlkri-terien), (3) Verfahren zur Projektbewertung und -auswahl (Due Diligence-Verfahren), (4) Verwaltung der Mittel (Zuweisungsverfahren) und Reporting.

Arten von Green BondsDas Verständnis von Green Bonds ist maßgeb-lich für das Verständnis und die Entwicklung grüner Verbriefungen. Green Bonds lassen sich gemäß der GBP in vier Kategorien unterteilen:

Z Green Use of Proceeds Bonds, eine stan-dardisierte Anleihe, deren Emissionserlöse für grüne Projekte verwendet werden und mit Rückgriffsmöglichkeit auf den Emit-tenten.

Z Green Use of Proceeds Revenue Bonds, die sich von der erstgenannten Kategorie le-diglich darin unterscheiden, dass die An-leihe nur aus den maßgeblichen Cashflows der finanzierten grünen Projekte bedient wird, ohne Rückgriffsrecht auf den Emit-tenten.

Z Green Project Bonds, eine Projektanleihe, deren Emissionserlöse für ein oder mehre-re über die Green Project Bonds finanzier-te grüne Projekte verwendet werden. Der Investor trägt dabei das Risiko des Pro-jekts, entweder mit oder ohne Rückgriffs-recht auf den Emittenten.

Z Green Securitised Bonds, eine durch ein oder mehrere spezifische grüne Projekte besicherte Anleihe, einschließlich Covered Bonds, ABS und anderer Strukturen. Pri-märe Rückzahlungsquellen sind hierbei im

All-gemei-nen die Einnah-men aus zugrunde liegenden Ver-mögenswerten.

Was ist „grün“? Zwar werden durch die verschie-denen Green-Initiativen Kriterien für grüne Investments etabliert, je-doch sollte man durchaus kritisch hinterfra-gen, was ein grünes Asset ist. Oftmals wird der Begriff „green“ im Zusammenhang mit „nach-haltig“ (sustainable) und Environmental, So-cial and Governance (ESG)-Faktoren benutzt. Letztere werden teilweise von Ratingagenturen bei der Bewertung, ob ein Wertpapier bzw. ein Emittent ökologische und sozial-gesellschaft-liche Aspekte beachtet, herangezogen, und die Art der Unternehmensführung wird beleuchtet.

Im internationalen Kontext sind eine Viel-zahl von Initiativen und Vorschlägen von De-finitionen für „grün“ und „nachhaltig“ vor-handen (z. B. auf globaler Ebene von der UN und CBI, international von der OECD und

G20 sowie regional von der EU und national wie bei-spielsweise von China). Die mangelnde Einheit-lichkeit der Definition von „grün“ und „susta-inable“, an der sich so-wohl grüne Emitten-

ten als auch Inves-toren orientieren

können, ist oft aber auch die Wiege des

Vorwurfs von Greenpainting, also

der fälschlichen Be-zeichnung eines Vor-habens als grün.

Aus einer rein ökonomischen Sicht lie-

ße sich argumentieren, dass ein Großteil der bis-

herigen grünen Investments lediglich Labels waren. So kann man beispielsweise Hy-bridfahrzeugfinanzierungen ebenso als Auto-Darlehen und die Finanzierung von Solarpanel für Eigen-heimbesitzer als klassi-sche Verbraucherkredite

ansehen. Vor allem das ökono-mische Risiko dieser grünen Assets

gleicht ihrem nicht-grünen Pendant. Folgt man dieser Ansicht wären nur die wenigsten Assets tatsächlich grün.

Vertritt man hingegen die Ansicht, dass jede Finanzierung von Produkten mit klima-schonender und kohlenstoffsparender Wir-kung grün ist, kann z. B. auch ein Darlehen für Hybridfahrzeuge und Solarpanel grundsätz-lich als grün angesehen werden. Eine Harmo-nisierung der Begrifflichkeiten anstrebend, hat die EU-Kommission im Januar 2017 als Teil der Initiative zur Schaffung einer CMU eine Sustainable-Finance-Expertengruppe einge-setzt, um u. a. (verbindliche) Definitionen für die Begriffe grün bzw. nachhaltig zu entwi-

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ckeln und eine EU-Strategie nachhaltiger Fi-nanzwirtschaft vorzugeben. Diese Experten-gruppe beabsichtigt vor allem, (1) ein Klassifi-zierungssystem für nachhaltige Anlagen und (2) einen europäischen Standard sowie ein einheitliches Label für Green Bonds und nach-haltige Anlagen zu schaffen. Hierdurch könnte die Diskussion um das Verständnis von grün endlich aufgelöst und aufgeklärt werden, ob es sich bei grünen Investments um eine echte neue und damit eigene und abgrenzbare Asset-klasse oder eher nur um ein Label für etablier-te Assetklassen handelt.

RatingsRatingagenturen spielen eine entscheidende Rolle in der Investitionskette. Die Heterogeni-tät von Emittenten sowie die Vielfältigkeit grü-ner Projekte haben zur Folge, dass Ratingagen-turen zur Beurteilung von Green Bonds nicht auf eine einzelne Ratingmethodik zurückgrei-fen können. Für die Bewertung hat diese Pro-blematik maßgeblich zwei Fragestellungen zur Folge: 1. eine objektive Einschätzung, wie grün bzw. nachhaltig ein Investment ist und 2. wie die Risiken solcher Investments zu bewerten sind.

Hinsichtlich der ersten Fragestellung hat die Ratingagentur Standard & Poor´s am 26. April 2017 erstmalig ihren „Green Evalua-tion Analytical Approach“ zur Beurteilung grü-ner Anleihen veröffentlicht – ein Verfahren zur Bewertung der grünen Qualität als Vertrauens-maßstab für neue Instrumente und Anlage-klassen zur Schaffung von Informationstrans-parenz, Unterstützung bei der Vergleichbarkeit und Preisfindung und Ermöglichung der In-vestition in grüne Finanzierungen. Moody´s veröffentlichte am 30. März 2016 ein Green Bonds Assessment (GBA). Hierbei handelt es sich nicht um ein Kreditrating, sondern um ein in die Zukunft gerichtetes Gutachten, das hin-sichtlich Anleiheemissionen die Wahrschein-lichkeit bewertet, dass die Erträge aus der An-leihe zur Unterstützung von umweltfreundli-chen Projekten – wie vom Emittenten angege-ben – investiert werden. Auch Fitch Ratings publizierte am 26. Mai diesen Jahres einen

„Green Bonds-Market Overview“ Marktreport. Zudem sind spezielle ESG-Ra-tingagenturen entstanden, wie z. B. Sustaina-lytics, Oekom und MSCI.

Für die Ratingagenturen besteht ein Pro-blem bezüglich der Risikobewertung solcher Investments und korrespondierender Ratings, da aufgrund des jungen Markts weder genü-gend historische Daten hinsichtlich Ausfall-quoten und Performance vorliegen noch ge-eignete Bewertungsmethoden etabliert sind. Die Lösung liegt hier zunächst in ei-ner geeigneten Strukturierung, die grüne Projekte mög-lichst etablierten As-setklassen ähneln las-sen. Dadurch können Finanzierungen von Dach-Solaranlagen z. B. als Konsumentenkredit dargestellt und eingewertet werden.

Green ABSEs bleibt die Frage zu klären, wann eine ABS-Transaktion grün ist. Die oben beschriebene inkonsistente Verwendung der Begrifflichkei-ten erschwert auch die Definition einer Ver-briefung als grün. Zur grundsätzlichen Einord-nung können die GBP-Kriterien herangezogen werden. Ihnen folgend sind in der Kategorie Green Securitised Bonds bereits grüne Verbrie-fungsstrukturen vorgesehen. Weiterhin wird in den GBP darauf hingewiesen, dass weitere Transaktionstypen auch nach den GBP als grün qualifiziert werden können, sofern sie mit den vier aufgestellten Kriterien für Green Bonds übereinstimmen.

Darüber hinaus kann nach Auffassung der CBI eine Verbriefung dann als grün bezeichnet werden, wenn die Cashflows, die den Vermö-genswerten der Verbriefungstransaktion zu-grunde liegen, aus kohlenstoffsparenden und klimaresistenten Vermögenswerten erschlos-

sen werden. Dienen die Erlöse einer ABS der Finan-zierung grüner Infrastrukturpro-jekte, kann hie-runter ebenso eine

grüne Verbriefung verstanden werden.

Eine weitere Frage, die sich in diesem Zusam-menhang stellt, ist, welche Forderungen sich überhaupt für grüne Verbriefungen eignen. Zu den etablierten Forderungsar-ten, die bereits verbrieft werden, zählen Immobilienkredite für grüne Gebäude sowie Finanzierungen für Elektro- und Hybridfahrzeuge und grüne kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Zu den neueren Forderungsarten gehören u. a. Fi-nanzierungsverträge für Solar- und Wind-kraftanlagen, für Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz sowie für Batterie- und Spei-cherprojekte.

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Aber auch synthetische Verbriefungen, bei denen die Forderungen auf der Bilanz des Originators verbleiben und mit denen der Originator bezweckt Eigenkapital einzuspa-ren, haben das Potenzial, einen positiven Bei-trag für die Erschließung von Finanzierungs-möglichkeiten für kleinere klimaresistente und kohlenstoffsparende Projekte zu leisten. Dies ist zum einen über eine Verpflichtung des Originators, das freigewordene Eigenka-pital in neue grüne Projekte zu investieren, denkbar. Dabei bleibt offen, ob einer solchen Transaktion bereits ein grünes Portfolio zu-grunde liegt und somit aus einem grünen Portfolio neue grüne Projekte erwachsen sol-len oder ein Originator mithilfe einer synthe-tischen Verbriefung seine Bilanz grün färbt, indem er die Eigenkapitalentlastung seines klassischen Portfolios nutzt, um nunmehr ein grünes Portfolio aufzubauen. Daneben ist denkbar, dass die für den vom Investor ge-währten Kreditausfallschutz gestellte Barsi-cherheit zur Finanzierung neuer grüner Pro-jekte genutzt wird.

Green Bonds halten auch in Form von PACE-Darlehen (Property Assessed Clean Energy), die erstmals in den USA entwickelt wurden, in Europa mehr und mehr Einzug (Euro-Pace-Anleihen). Über PACE-Anleihen können Verwaltungsbehörden auf kommuna-ler, regionaler oder staatlicher Ebene die In-vestitionskosten für die energetische Sanie-rung von Gewerbe- und Wohnimmobilien finanzieren, die vom investierenden Eigentü-mer anschließend nach und nach zurückge-zahlt werden. Somit kann ein Immobilienbe-sitzer derartige Baumaßnahmen durchführen, ohne die hohen Anschaffungskosten sofort begleichen zu müssen. Die Rückzahlung er-folgt über einen Zeitraum von zehn bis zwan-zig Jahren über ein an die Immobilie geknüpf-tes Darlehen, das durch die Immobilie selbst besichert und vom Eigentümer als ergänzen-de Abgabe zur Immobiliensteuer zurückzu-zahlen ist. Erste Initiativen für PACE-Finan-zierungen gibt es bereits in Spanien, den Nie-derlanden und Italien.

Europäische Initiativen und nächste Schritte für Green ABSNeben der von der Europäischen Kommissi-on eingesetzten Sustainable-Finance-Exper-tengruppe gibt es noch verschiedene andere europäische Initiativen zur Förderung grüner Finanzierungen und insbesondere grüner Ver-briefungen.

So wurde etwa der „Energy efficient Mort-gages Action Plan“ (EeMAP) ins Leben geru-fen – eine gesamteuropäische Initiative, die EU-Institutionen dabei unterstützt, Investi-tionslücken zu überbrücken, um ihre Energie-sparzusagen in dem Pariser Klimaschutzab-kommen einzuhalten. Ziel ist die Konzeption und Umsetzung einer energieeffizienten Hy-pothek.

Darüber hinaus hat die CBI im April die-sen Jahres ein politisches Positionspapier ver-öffentlicht, das speziell den öffentlichen Sek-tor adressiert, um die notwendigen Impulse und Rahmenbedingungen für das erfolgrei-che Gedeihen eines grünen Verbriefungs-markts in Europa zu schaffen.

Dem Positionspapier zufolge, ist die Stan-dardisierung von Finanzierungsverträgen zur Finanzierung grüner Assets dabei ebenso wichtig wie eine klare Definition geeigneter grüner Assetklassen. Auch ist die Einrichtung von praktikablen Vorfinanzierungen (Finan-cial Warehousing) für grüne Standardfinan-zierungen zum Aufbau großer Volumina an grünen Finanzierungen ein wichtiger Aspekt, da der derzeitige Markt in diesem Bereich noch stark fragmentiert und kleinteilig ist. Durch Bündelung der Forderungen mit an-fänglicher Vorfinanzierung wäre der Kapital-marktzugang mittels einer späteren Verbrie-fungslösung zur Ablösung der Vorfinanzie-rung geebnet.

Die Bereitstellung von Credit Enhance-ments – etwa in Form von Garantien durch den öffentlichen Sektor oder durch die Über-nahme von nachrangigen Verbindlichkeiten, wodurch private Investoren ein niedrigeres Investitionsrisiko tragen, würde ebenso die Investitionsnachfrage fördern.

Die Förderung von Green ABS könnte ebenso durch eine regulatorische Privilegie-rung von grünen Projekten erfolgen. Zwar ist die Kritik nachvollziehbar, dass regulatorische Maßnahmen nicht gleiche oder vergleichbare ökonomische Risiken auf unterschiedliche Art und Weise adressieren und damit privilegieren dürfen, jedoch sind Anreizstrukturen grund-sätzlich denkbar und werden im Markt inzwi-schen auch offen eingefordert. Es bleibt abzu-warten, ob dieser Schritt gangbar ist.

Ebenso würde eine weitreichende Eröff-nung von Investitionsmöglichkeiten in Infra-strukturprojekte für Versicherungsunterneh-men unter der Solvency II-Richtlinie (Richt-linie 2009/138/EG) einen weiteren großen und vor allem liquiden Investorenmarkt er-schließen.

FAZIT

Eine erfolgreiche, aber auch notwendi-

ge Weiterentwicklung des grünen Finan-

zierungsmarkts im Allgemeinen und des

grünen Verbriefungsmarkts im Besonderen

hängt wesentlich von der Etablierung eines

einheitlichen Standards für „grüne“ Projekte

ab. Solange es an einer einheitlichen Defini-

tion mangelt, wird es schwer sein, das beste-

hende Misstrauen bezüglich Greenpainting

durch den großen Bedarf und das große

Interesse an „echten“ grünen Investitionen

zu überwinden. Die hier erwähnten Impulse

wären jedoch richtige Schritte in Richtung

grüner ABS. Ein steiniger Weg für ein nach-

haltiges Projekt liegt vor uns.

Autoren: Dr. Dennis Heuer ist Partner, Anne-

katrin Kutzbach ist Professional Support Lawyer

bei White & Case.

Die Autoren danken den wissenschaftlichen Mitarbeitern Marie Rindbauer und Alexander Kreibich für die hilfreiche Unterstützung bei der Erstellung des Artikels.

Die Autoren danken den wissenschaftlichen Mitarbeitern Marie Rindbauer und Alexander Kreibich für die hilfreiche Unterstützung bei der Erstellung des Artikels.

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LOHNENSWERTE INVESTMENTS

Chancen und Risiken in den KreditmärktenVersicherungen legen traditionell in Anleihen an, müssen sie doch ihre Zahlungsverpflichtungen im Kerngeschäft

mit Cashflows aus ihren Kapitalanlagen bedecken. In der Niedrigzinsphase stehen sie allerdings vor einem Dilem-

ma: Entweder ist der Zins zu niedrig oder das Risiko zu hoch. Also stellt sich die Frage: Wo können Versicherun-

gen auch heute noch unter Berücksichtigung des Risikos attraktive Renditen erwirtschaften?

Bundesanleihen und Pfandbriefe als siche-re Kerninvestments – damit wird heute kein Anleger mehr glücklich, auch nicht

besonders konservative aus der Versicherungs-wirtschaft. Neben der fehlenden Rendite ist auch die Diversifizierung nicht hinreichend und das Risiko unter Berücksichtigung möglicher gemeinschaftlicher Haftungsrisiken in der Eu-ropäischen Union nicht wegzudiskutieren – zinsloses Risiko.

Bleiben ausgewählte Segmente der Anlei-hemärkte mit deutlich positiven Renditen. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Bei Investment-Grade-Anleihen in Euro führt das anhaltende Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank zu deutlichen Preisverzerrungen, Käufe sind aktuell nicht zu empfehlen. So manches Seg-ment – man denke nur an die Mittelstandsan-leihen – weist sogar deutliche Verluste auf. Un-term Strich geht es darum, die aussichtsreichen Einzeltitel aus der Masse herauszufiltern, ohne zu oft daneben zu greifen. Mit einer hohen Ri-sikokompetenz kombiniert mit einer geeigne-ten Diversifizierung kann dies gelingen.

Strukturelle MarktverschiebungenDie Finanzkrise mit ihrer ausgeprägten Nied-rigzinsphase hat in Verbindung mit regulatorischen Eingriffen bei den Banken zu einer Neuordnung der europäischen An-leihemärkte ge-führt. Unterneh-

men besorgen sich ihre Finanzierung nicht mehr so sehr über Banken, da diese in der Kre-ditvergabe restringiert sind. Zudem ist es ein-facher und aufgrund niedriger Zinsen für Un-ternehmen günstiger geworden, sich über die Kapitalmärkte zu finanzieren. ÿ 1

An der Größe des Markts für europäische Unternehmensanleihen lässt sich dies gut ab-lesen. Allein von 2008, dem Höhepunkt der Finanzkrise, bis 2009 machte der Markt einen Sprung nach oben und wächst seitdem mit deutlich höheren Raten als in den Jahren da-vor. 2008 markiert den Umbruch von der Bank- zur Kapitalmarktfinanzie-rung. Als Folge müssen sich Ban-ken neu erfinden bzw. ihre Ge-schäftsfelder neu definieren und entsprechend restrukturieren. Dieser Prozess hält an. Die günsti-gen Zinsen auf den Anleihemärk-

ten haben viele Unternehmen angelockt, be-kannte und weniger bekannte. Der Rückzug der Banken hat aber zum Leidwesen vieler An-leger auch dazu geführt, dass diese ihre Mar-ket-Maker-Funktion nicht mehr wahrnehmen. Die Folge ist eine geringer werdende Liquidi-tät. Für Anleger hat dies zur Folge, dass sie be-reits beim Kauf berücksichtigen müssen, dass sie die Anleihen nicht beliebig verkaufen kön-

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Viele Unternehmensemittenten begeben ihre Anleihen unter internationalem Recht, z. B. nach englischem Recht, was bei über 40 Pro-zent der europäischen Investment-Grade-Un-ternehmen der Fall ist. Diese können in einem Redenominierungsszenario bessergestellt sein, da sie durch die Rechtsordnung eines fremden Staats geschützt sind. Ein erfahrenes Credit Research-Team kann diese Risiken analysieren und bewerten. So kann eine Auswahl von An-leihen mit einem günstigeren Ertrags-/Risiko-profil einen Mehrwert für die Kunden schaffen.

Entsprechend baut die MEAG konsequent Analyse- und Selektionskompetenz in diesem Bereich aus, insbesondere mit Blick auf Unter-nehmensanleihen. Basis ist ein Sektoransatz unabhängig von Geografie und Kreditqualität, da größere Trends und Wettbewerbssituatio-nen oft nicht vor Ländergrenzen und Ra-tingeinteilungen haltmachen. Die Spezialisie-rung auf Abteilungsebene erfolgt entsprechend in fünf Industriegruppen: Finanzen, Energie, Technologie & Telekommunikation, Konsum und Anlagen/Maschinen & Rohstoffe. Dieser Sektoransatz ist auch die Voraussetzung für das tiefgreifende Verständnis bei den unterschied-lichen Emittentengruppen Investment-Grade- (IG), High-Yield- (HY) und Emerging-Mar-kets- (EM) Unternehmensanleihen.

Das Credit Research nutzt dabei die beste-hende Kompetenz von MEAG New York. In den USA hat die Kapitalmarktfinanzierung der Unternehmen eine längere Tradition. Entspre-chend sind die Märkte für Unternehmensanlei-hen dort reifer und größer und decken einen deutlichen längeren Zeitraum über mehrere

nen, sondern diese in Phasen begrenzter Liquidität durchhalten können müssen. Und dabei geht es nicht nur um Krisen und hohen Marktstress, Illiquidität ist ein allgegenwärti-ges Phänomen geworden. Anlass kann auch ein politischer Strukturbruch sein oder ein

lediglich temporäres Herdenverhalten ohne sofort erkennbaren Auslöser. Für die Anle-ger bedeutet dies, sie müssen genauer hin-sehen, wem sie ihr Vertrauen schenken. Nachhaltig investierende Anleger sollten nur Anleihen von Unternehmen in den Büchern führen, die bis zur Endfälligkeit gehalten werden können.

Die strategische Herausforderung für Assetmanager besteht nun darin, sich ge-

rade diese Kompetenz anzueignen: gute von schlechten Risiken unter Berücksichtigung der Rendite unterscheiden zu können. Diese Fä-higkeit ist nicht nur entscheidend, um heute noch auskömmliche und nachhaltig Renditen erzielen zu können, sie ist auch der entschei-dende Wettbewerbsvorteil bei institutionellen und privaten Kunden. Diese Analysekompe-tenz sollte übergreifend gebündelt werden und steht dann allen Assetklassen zur Verfügung, zuvorderst natürlich dem Portfoliomanage-ment in Credit-Produkten – das sind alle in-vestierbaren Assets, die eine Risikoprämie auf die Bonität versprechen.

Unternehmensanleihen können auch als Diversifikation zu politischen Risiken dienen. Staatsanleihen unterliegen dem nationalen Recht – der Staat kann z. B. be-schließen, in einer anderen Währung als ursprünglich vereinbart zurückzuzahlen.

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Konjunkturzyklen hinweg ab. Für die Analyse von Anleihen ist die Überlebensfähigkeit von Unternehmen in der Rezession oder im Markt-stress entscheidend.

Renditebringer Infrastrukturkredite Ein bedeutendes Segment des Credit-Markts ist das der Infrastrukturkredite. Die MEAG bear-beitet dieses Segment seit 2015. Als Anleger von Versicherungen ist der Liquiditätsverzicht gut darstellbar, der Risikoausgleich über die Diver-sifizierung ist wichtig und mit den kalkulierba-ren und stetigen Cashflows lassen sich gut Zah-lungsverpflichtungen im Kerngeschäft von Mu-nich Re und Ergo abdecken.

Munich Re strebt an, in der Gruppe zu-nächst bis zu 4 Mrd. € in Infrastruktur-Fremd-kapital zu investieren. Für die Erreichung dieses Volumens gibt es keinen Termin, es gilt der Grundsatz, Qualität geht vor Quantität. Inves-tiert wird nur, wenn die anspruchsvollen Inves-titionskriterien auch erfüllt sind. Aktuell hat die MEAG für Munich Re rund 1,5 Mrd. € in die-sem Bereich zugesagt. Die MEAG wird die As-setklasse Infrastrukturkredite nun – nach der erfolgreichen Etablierung der Strukturen und Prozesse – auch für institutionelle Kunden öff-nen. Das Anlageuniversum der Konzernaktivi-täten ist entsprechend der internationalen Spannweite des Erst- und Rückversicherungs-geschäfts global, während das für institutionelle Anleger geplante Produkt Europa und den Euro fokussiert.

Die Auswahl der passenden Infrastrukt-urinvestments ist kritisch für den Erfolg. Das Team Infrastruktur Fremdkapital im Portfolio-management prüft zunächst, ob eine Investition belastbar genug ist und die Erträge einen mehr als hinreichenden Ausgleich für die eingegan-genen Risiken bieten. In weiteren Schritten wer-den die Transaktionen in Zusammenarbeit mit den Sponsoren strukturiert, die Verträge ver-handelt, eine Bietung abgegeben und bei erfolg-reichem Gebot die Investitionen umgesetzt. Für diesen Investmentprozess sind eine umfangrei-che Expertise und eine sorgfältige Auseinander-setzung mit allen zusammenhängenden Risi-

ken notwendig. Als assetklassenübergreifender Vermögensmanager von Munich Re verfügt die MEAG über umfangreiches Spezialwissen, das in diesen Investmentprozess miteingebracht werden kann. Verschiedene Branchen und Sek-toren können beispielsweise durch die fest ein-gebundenen Experten auf der Versicherungs-seite (Ingenieure, Underwriter etc.) analysiert werden. Fachleute in der Rechtsabteilung un-terstützen maßgeblich die vertragliche Ausge-staltung der Investitionen. Der hohe Erfah-rungsschatz und die Kompetenz der Akteure im Portfoliomanagement sind notwendige Komponenten, um eine ausgeglichene (Rendi-te-Risiko) Infrastrukturfinanzierung – unter Berücksichtigung aller Due-Diligence-Aspekte – zu strukturieren. Das interne und funktions-getrennte Risikomanagement sorgt für eine un-abhängige Zweitmeinung.

Seit Anfang 2015 hat das Managementteam über 270 Transaktionen einer Erstprüfung un-terzogen und 40 Transaktionen in aufwendigen Analyseverfahren weiter evaluiert; 36 Transak-tionen davon hielten den anspruchsvollen Kri-terien stand, und in 21 resultierenden Bietungs-verfahren konnte ein erfolgreicher Abschluss erzielt werden. Die Investitionen „Freeport“ und „South West Trains“ sollen exemplarisch zeigen, vor welchen Herausforderungen Inves-toren bei der Beurteilung von Infrastrukturin-vestitionen stehen.

Investitionen in EnergieDer US-amerikanische Markt hat sich erst vor kurzer Zeit für Gasexporte geöffnet. Die Gas-preise sind in den USA auch aufgrund der ver-mehrten Produktion von Schiefergas dort im in-ternationalen Vergleich sehr niedrig, etwa halb so hoch wie in Europa und etwa ein Drittel wie in Asien. Dieser enorme Preisunterschied macht es sehr attraktiv, das in den USA produzierte Gas auch über Kontinente hinweg in die Welt zu verschiffen. Da die Schiefergasproduktion in den USA erst am Anfang steht und dort noch hohe Vorkommen erschlossen werden können, versprechen Investments im Zusammenhang mit Gasexporten nachhaltig erfolgreich zu sein.

Bei dem Projekt „Freeport“ handelt es sich um einen Export-Terminal für Flüssiggas (LNG) in Texas, USA. Gas wird über Pipelines zum Terminal geliefert, dort verflüssigt und dann auf spezielle Tankschiffe für den weite-ren Transport umgeladen. Derzeit ist die An-lage, die über bis zu vier Verflüssigungssträn-ge verfügen soll, im Bau und soll nach Fertig-stellung über 20 Millionen Kubikmeter an Flüssiggas pro Jahr produzieren. Die Zuliefe-rung von Gas und die Abnahme des Flüssig-gases sind bereits mit bonitätsstarken und vertrauenswürdigen Vertragspartnern fest ge-regelt, sodass ein Investor sich keinen Liefer- oder Abnahmerisiken aussetzt. Die wesentli-chen Risiken finden sich im Bau und Betrieb der Anlage, die aufgrund der konzerninter-nen Risikokompetenz als hinreichend über-schaubar und akzeptabel angesehen werden können. Die Due Diligence hatte außerdem den Einfluss von Naturkatastrophen zum Ge-genstand, da Schäden durch Überschwem-mungen oder Hurrikans nicht unwahrschein-lich sind. Solche Einflussgrößen können ein Projekt zeitlich verzögern und auch nach Fer-tigstellung für längere Zeit für Betriebsunter-brechungen sorgen, bis die Schäden behoben sind. Wichtig ist deshalb, Risiken durch Na-turkatastrophen sowie Betriebsunterbrechun-gen und daraus zu erwartende mögliche Schä-den zu berücksichtigen.

Investitionen in Transport/VerkehrDie Transaktion umfasst die Erneuerung von Zügen (Triebloks und Waggons) auf einem Streckennetz südlich (South Western Rail Net-work) von London. Insgesamt werden 750 neue Fahrzeuge über einen Zeitraum von vier Jah-ren gebaut und sukzessive auf den Strecken ein-gesetzt. Der Betrieb der Strecken erfolgt über Franchisenehmer für jeweils sieben Jahre. Je-der Franchisenehmer mietet die Züge, um sei-nem Auftrag nachzukommen. Innerhalb der langfristigen Finanzierung wird das Franchise mehrmals vergeben, und die finanzierte Pro-jektfirma schreibt die Zugflotte neu an Fran-chisenehmer aus.

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2909 // 2017

Die wesentlichen Risiken bestehen zum einen im Bau der Züge, d. h. werden diese rechtzeitig fertig, sind sie entsprechend zuge-lassen und stehen zum Einsatz bereit? Passen die gelieferten Spezifikationen, werden sie rechtzeitig geprüft und abgenommen und sind diese für den Fahrbetrieb zugelassen? Zum anderen ist es unabdingbar, dass künfti-ge Franchisenehmer die Züge auch zu wirt-schaftlich vertretbaren Konditionen anbieten. Um die wesentlichen Risiken identifizieren und abschätzen zu können, war auch hier eine aufwendige Due Diligence erforderlich.

Die Transaktionen/Projekte werden in der Regel durch eine eigens gegründete Pro-jektgesellschaft gebaut und betrieben. Die Projektgesellschaft ist der Rechtsträger, unter dem das Projektgeschäft zusammengefasst ist, abgekoppelt von dem gewöhnlichen Ge-schäftsbetrieb des Unternehmens.

Diese Zweckgesellschaft geht Verträge mit weiteren Unternehmen ein, die die einzel-nen Leistungen ausführen. In diesen ver-pflichten sich die Partner, Konstruktion und Bauarbeiten gemäß dem Konzessionsvertrag zugrunde liegenden Vorgaben auszuführen. Die im Vorfeld der Vergabe vertraglich einge-bundenen Baufirmen bilden ein Konsortium, das mit einem verbindlichen Angebot um den

Auftrag oder auf die Konzession bietet. Sie sind die sogenannten Equity-Sponsoren in der Projektfirma und statten diese mit Eigen-kapital aus.

Enge Zusammenarbeit in der GruppeEntscheidend für erfolgreiche Investitionen ist die enge und vertrauensvolle Zusammen-arbeit innerhalb der Unternehmensgrup-pe. In vielen Fragen der Technik, der tech-nischen Begutachtung oder der Evaluierung der Wahrscheinlichkeit von Naturkatastro-phen wird auf die Expertise von Spezialisten zurückgegriffen. Ebenfalls entscheidend ist die Unterstützung durch eine zweite Meinung (Second Opinion) aus dem funktionsgetrenn-ten Back-office der MEAG. Im Mittelpunkt der Erstellung einer Zweitmeinung stehen die Einschätzung von Risiken, die Angemessen-heit des geplanten Kaufpreises sowie ggf. re-sultierende Abschreibungsrisiken. Dabei wird auch auf spezielle Software wie z. B. ein Ra-tingsystem zurückgegriffen. Für die poten-ziellen Investments werden alle bewertungs-relevanten Aspekte und Risiken entsprechend den jeweiligen Geschäftsplänen und Finanz-modellen beurteilt. Neben einem Basisszena-rio werden auch Risiko-Szenarien berechnet. So lassen sich das Ausmaß von Risiken und

deren Bedeutung für das Investment ermit-teln, bei Windparks z. B. die Antwort auf die Frage, wie stark der Wind im Mittel bläst und wie sehr Abweichungen davon die Werthal-tigkeit des Investments beeinflussen.

FAZIT

Etwa zweieinhalb Jahre nach dem Start in

die Assetklasse Infrastrukturkredite steht

für die MEAG nun der nächste große Schritt

an. Der Regelbetrieb hat mittlerweile ei-

nen Reifegrad erreicht, der es erlaubt, die

aufgebaute und eingeübte Kompetenz im

Geschäft mit institutionellen Anlegern zu

nutzen. Investoren können langfristige und

nachhaltig stabile Renditen gut gebrauchen.

Parallel hat die Risikokompetenz zugenom-

men, und aufgrund des tiefen Einblicks in die

Projekte können die Risiken auf einem gut

kalkulierbaren Niveau gehalten werden. Bei

zugesagten Mitteln von 1,5 Mrd. € lässt sich

festhalten: In der Bündelung relevanter Kom-

petenzen und der engen und vertrauensvol-

len Zusammenarbeit in der Gruppe liegt der

gegenwärtige, aber auch künftige Erfolg.

Autor: Philipp Waldstein ist Geschäftsführer der

MEAG.

1 | Entwicklung der europäischen Credit-Märkte

Quelle: IHS Markit.

1400

1200

1000

800

600

400

200

0

111

2000

241

2001

323

2002

422

2003

443

2004

426

2005

442

2006

470

2007

470

2008

786

2009

827

2010

829

2011

986

2012

1030

2013

1175

2014

1215

2015

1348

2016

Investment Grade Corporates High Yield

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MANAGED CLOS UND KREDIT-FONDS

Zweieiige Zwillinge oder nur Brüder im Geiste?Kredit-Fonds und Managed CLOs sind lediglich “Brüder im Geiste”. Allerdings unterscheiden sie

sich signifikant bezüglich ihrer Struktur und der Markttreiber. Obwohl das ökonomische Risiko für

beide Assetklassen ähnlich ist, sind die regulatorischen Anforderungen für Investoren äußerst

unterschiedlich.

30 09 // 2017

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3109 // 2017

1 | Ausstehende CLO-Volumina nach Ausgabezeitpunkt

Quelle: Thomson Reuters.

<= 2008 2009 - 2013 >= 2014

Jan 2013 Jan 2014 Jan 2015 Jan 2016 Jan 2017May 2013 May 2014 May 2015 May 2016 May 2017Sep 2013 Sep 2014 Sep 2015 Sep 2016

80,0

70,0

60,0

50,0

40,0

30,0

20,0

10,0

0,0

Outs

tand

ing

CLO

colla

tera

l und

erm

anag

emen

t (E

UR b

n).

Eine Collateralised Loan Obligation (CLO) ist eine strukturierte Verbriefung eines gemanagten Kreditportfolios. In

diesem Portfolio befinden sich hauptsächlich syndizierte Unternehmenskredite aus „Lever-aged-Buy-Out“-Transaktionen. Ein CLO zeichnet sich dabei durch die tranchierte Re-finanzierung mit Fremd- und Eigenkapitalin-strumenten aus, wodurch verschiedene Inves-torengruppen mit heterogenen Risiko-/Ren-diteerwartungen angesprochen werden. Die Kredite in einem CLO-Portfolio sind generell gut handel- und liquidierbar.

„Managed CLOs“ haben sich in Europa als Teil des Structured-Finance-Markts als standardisierte Anlageklasse gut an den euro-päischen Kapitalmärkten etabliert. Ihr ausste-hendes Volumen blieb seit 2008 relativ stabil, allerdings hat in Folge der Finanzkrise ein Wandel hin zu sogenannten CLOs 2.0 stattge-funden. Diese weniger komplexen und damit transparenteren Strukturen stellen aktuell etwa 84 Prozent des europäischen CLO-Markts dar. ÿ 1 Die 70 Mrd. € ausstehendes Gesamtvolumen entsprechen etwa 5,5 Pro-zent des europäischen Structured-Finance-Markts. Trotz großer Investorennachfrage wurde der Anstieg der ausstehenden Volumi-na vor allem durch den Mangel an geeigneten Krediten zur Besicherung der CLOs limitiert.

Durch das begrenzte Angebot zeigt sich die ungebremste Investorennachfrage vor al-lem im Rückgang der Margen über dem Re-

ferenzzinssatz Euribor. Speziell die Nachfrage durch nicht-europäische Investoren führte dazu, dass die Margen für europäische Seni-or-CLO-Tranchen unter die ihrer US-ameri-kanischen Pendants gefallen sind.

Kredit-Fonds gehören zur Klasse der Al-ternative Investment Funds (AIF) und inves-tieren in Kreditinstrumente oder vergeben Kredite und refinanzieren diese durch die Ausgabe von Fondsanteilen. Neben vereinzel-ten großen Open-End-Funds sind Kredit-Fonds-Portfolios generell kleiner als CLO-Portfolios. Sie werden häufig für kleine Inves-torengruppen aufgelegt und verfolgen geziel-te Nischenstrategien, um Zusatzrenditen aus der Assetselektion und der generellen Illiqui-dität ihrer Investments zu erzielen.

Der hohe Grad an Flexibilität erlaubt Kredit-Fonds eine Vielzahl an Investitions-strategien. Neben Investments in die Kredite aus den oben angesprochenen Leverage-Buy-Out-Transaktionen und breit streuenden Di-versifikationsstrategien sind vor allem fokus-sierte Nischeninvestments für kleinere Inves-torengruppen bis hin zu Einzelinvestoren gängig. Das Hauptaugenmerk der Investitio-nen liegt meist auf illiquiden, häufig auch nachrangigen oder Eigenkapital ersetzenden Kreditprodukten für Klein- und Mittel-standsunternehmen (KMU), nachrangigen Beteiligungen an Infrastrukturprojekten und Gewerbeimmobilien sowie allgemein auf Be-teiligungen an Unternehmen, die wenige In-

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32 09 // 2017

2 | Kapitalbeschaffung von Kredit/Fonds mit europäischem Investitionsfokus

Quelle: Thomson Reuters.

Aggregate capital raised in (EUR bn) # funds closed (RHS)

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2016

40,0

35,0

30,0

25,0

20,0

15,0

10,0

5,0

0,0

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0

[EUR

bn]

USD/EUR as of 31 March 2017 = 0.93136

2015 Q1 2017

...

formationen über ihre finanzielle Leistungs-fähigkeit öffentlich zur Verfügung stellen (wie z. B. inhabergeführte Mittelständler). Diese Informationen sind häufig nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich bzw. ihre Beschaffung ist aufwendig. Die Art der Investments sowie die erhöhte Flexibilität bei Investitionsentscheidungen und Portfolioma-nagement erfordert eine besondere Asset- Management-Expertise.

Ebenso wie bei CLOs ist der Markt für Kredit-Fonds neben der Investorennachfrage stark durch die Verfügbarkeit von Anlage-möglichkeiten für die Fonds getrieben. Und diese ist für die Fonds aufgrund der wieder-erstarkten Kreditvergabe europäischer Ban-ken deutlich knapper geworden. Insbesonde-re der Markt für Kredite an KMUs sowie für Immobilien- und Projektfinanzierungen wird durch die Risikoneigung der Banken be-stimmt.

Die langsame Gesundung der europäi-schen Banken, die Verfügbarkeit von günsti-gen Geldern der Europäischen Zentralbank sowie die Aufforderung der Politik, die öko-nomische Gesundung Europas durch zusätz-liche Kreditvergabe zu unterstützen, sind wichtige Treiber für die Verknappung von

Investitionsmöglichkeiten für Kredit-Fonds seit Ende 2015. Diese ist wiederum einer der Gründe für den Rückgang der Kredit-Fonds-Volumina. ÿ 2 Die generell höheren Kosten der Fonds und die hohen Renditeforderun-gen der Anleger verhindern in diesem Um-feld einen effektiven Wettbewerb mit den Banken um Investitionsmöglichkeiten.

Gemeinsamkeiten und UnterschiedeLegt man den Prospekt für einen CLO ne-ben den Prospekt eines Kredit-Fonds, so en-den die Gemeinsamkeiten meist auf der ers-ten Seite, die darin bestehen, dass sich bei-de Produkte generell an institutionelle In-vestoren richten und die Investitionen über-wiegend in Kreditinstrumente mit niedriger Non-Investment-Grade-Kreditqualität erfol-gen. Das Portfolio- und Investitionsmanage-ment erfolgt in der Regel durch einen Asset Manager, der sich durch die entsprechende Expertise auszeichnet. Dabei finden sich in beiden Produkten häufig die gleichen Namen auf der Asset-Management-Seite. Erfolgrei-che CLO-Manager weisen eine hohe Expertise bei der Kreditselektion und dem Kreditma-nagement auf, was ebenfalls für Kredit-Fonds wichtig ist.

Große Unterschiede bestehen allerdings in der Art der investierten Kreditinstrumente, der Struktur der Refinanzierung sowie dem sich daraus ableitenden Management von In-teressenkonflikten. Zusätzlich gibt es Unter-schiede in der regulatorischen Betrachtung, den Kostenstrukturen, der Flexibilität und der Handelbarkeit der beiden Produkte.

Management von Interessen- konfliktenKredit-Fonds kennen generell nur eine Gruppe von gleichrangigen Investoren mit homogenen Interessen, die gleichmäßig an Gewinnen und Verlusten partizipieren. ÿ 3 Interessenkonflik-te entstehen hier häufig, wenn Investoren vor dem vereinbarten Laufzeitende des Fonds die-sen verlassen wollen oder aber zwischen den Investoren und dem Asset Manager. Standard-mäßig sind vorfristige Rückzahlungen nur mit einem vordefinierten Abschlag möglich, und häufig wird die Zustimmung aller verbleiben-den Investoren benötigt. Potenzielle Interes-senkonflikte mit dem Asset Manager werden in der Regel durch die Verpflichtung zum Co-Investment sowie einer nachrangigen Vergü-tungsstruktur adressiert. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, den Asset Manager auszutau-

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3309 // 2017

Regulatorische BetrachtungObwohl das ökonomische Risiko auf Gesamt-sicht für beide Assetklassen ähnlich ist, unter-scheiden sich die regulatorischen Anforderun-gen für Investoren sehr stark. Kredit-Fonds müssen sich lediglich nach den Transparenz- und Anlageanforderungen der AIF-Regulie-rung richten. Die Möglichkeit, auf die Investi-tionen des Fonds durchzuschauen, kann einen regulierten Investor besserstellen als bei einem Investment in einen CLO mit vergleichbarer Kreditqualität. Im Gegensatz zu Kredit-Fonds gehören CLOs zur stark regulierten Anlageklas-se Structured Finance. Typischerweise führen Investments in CLOs sowohl zu höheren Eigen-kapitalanforderungen für regulierte Investoren nach Basel III und Solvency II als auch zu höhe-rem internen Aufwand, da die Anforderungen bezüglich des Risikomanagements bei diesen höher sind. Ein zusätzlicher Nachteil für CLOs ergibt sich aus der Pflicht des Risikoselbstbe-halts in Höhe von fünf Prozent des risikoge-wichteten Portfolios durch den CLO-Manager entsprechend der Capital Requirements Regu-lation (CRR).

AusblickKredit-Fonds und Managed CLOs sind „Brü-der im Geiste“. Der vorstehende Vergleich zeigt, dass es signifikante Unterschiede zwi-schen den Produkten gibt. Es steht zu erwar-ten, dass sich die Unterschiede zwischen Ma-

naged CLOs und Kredit-Fonds in Zukunft noch weiter verstärken. Bei gleichbleibenden strukturellen Merkmalen und regulatorischer Betrachtung werden sich vor allem die Inves-titionen der Kredit-Fonds stärker auf kleintei-ligere, aber hoch-rentierliche Nischenstrate-gien konzentrieren. Initiativen wie die Kapi-talmarktunion und das Wiedererstarken der Banken werden die Margen im KMU-Segment tendenziell senken und dessen Liquidität er-höhen – beides Faktoren, die auf ein schwie-rigeres Umfeld für Kredit-Fonds hindeuten.

FAZIT

CLOs könnten in Zukunft eine stärkere

Rolle in der KMU-Finanzierung spielen und

hier eine größere Alternative zu Banken,

vor allem aber zu Kredit-Fonds werden.

Wenn die Kapitalmarktunion zur gewünsch-

ten Transparenzerhöhung für KMU-Finan-

zierungen führt, könnte sich ähnlich wie

in den USA ein Segment für Mid-Market-

CLOs etablieren. Die hohe Nachfrage nach

europäischen CLOs wird zusätzlich zu einer

stärkeren Präsenz dieser Strukturen im

KMU-Markt führen.

Autoren: Sebastian Dietzsch ist Associate

Director, Dr. Stefan Bund ist Chief Analytical

Officer und Guillaume Jolivet ist Managing

Director bei Scope Ratings.

3 | Unterschiedliche Refinanzierungsstrukturen bei ähnlicher Kreditqualität der Aktiva

Quelle: Thomson Reuters.

Assets Liabilities

Managed CLO

B -

SeniorB +

B

CCC Mezzanine 1

B Mezzanine 2

CC Junior

EquityB +

B -

Assets Liabilities

Kredit-Fonds

Notes or Shares

B +

B

CCC

B

CC

B +

schen. Die unterschiedlichen Investorengrup-pen sowie deren Beziehung zum Asset Mana-ger in einer CLO-Struktur resultieren dagegen in signifikanten Interessenkonflikten. Ähnlich wie bei Unternehmensfinanzierungen haben bei CLOs die Investoren mit dem höchsten Si-cherheitsbedürfnis und höchstem Schutz vor Ausfällen auch das geringste Mitspracherecht bei Investitionsentscheidungen. Hier entschei-den hauptsächlich die Equity-Investoren zu-sammen mit dem Asset Manager. Prinzipiell wird hier versucht, die Rendite des Kreditport-folios zu maximieren, was in der Regel mit ei-ner Erhöhung des Risikos einhergeht.

Überrenditen stehen hier nur den Equity-Investoren und gegebenenfalls dem Asset Ma-nager zu. Höherrangige Investoren erhalten lediglich einen Kupon, sind dafür aber vor Verlusten aus dem Kreditportfolio bis zur Höhe ihres Risikopuffers geschützt.

Den Interessen der höherrangigen Inves-torengruppen wird in CLOs zusätzlich durch den selbst-regulierenden Charakter der Strukturierung effektiver Rechnung getragen. Die Positionen der höherrangigen Investoren bleiben durch Investitionskriterien bzw. -be-schränkungen und Ausschüttungsklauseln, die bei einer Abschmelzung der vorhandenen Risikopuffer z. B. aufgrund einer ungünstigen Entwicklung des Kreditportfolios wirksam werden, bis zu einem gewissen Grad ge-schützt.

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34 09 // 2017

DEREGULIERUNGSDEBATTE

USA und Europa gehen verschiedene WegeMit jedem Regierungswechsel stellt sich berechtigterweise die Frage, inwieweit eine Administration

die gesetzgeberische Agenda der Vorgängerregierung ändern oder sogar aufheben wird. Mit dem

Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus in Washington ist eine Diskussion um die Deregulierung

im Bankensektor entbrannt. Noch steht allerdings nicht fest, ob diese Debatte in eine tatsächliche

Änderung der Regulierung münden wird.

Donald Trump hatte sowohl als Kandidat als auch als Präsident angekündigt, den Dodd-Frank Act abzuschaffen. Der 2010

unter der Obama-Regierung verabschiedete Dodd-Frank Act war die US-amerikanische Re-aktion auf die Finanzkrise von 2008. Er wurde eingeführt, um Verbraucher vor mangelhafter Investmentberatung zu schützen, aber auch um Banken beim Spekulieren auf eigene Rechnung, also ohne Kundenauftrag, zu beschränken (Vol-cker-Rule), sowie jährliche Bankenstresstests vorzunehmen, vergleichbar mit denen der Eu-ropäischen Zentralbank in der Eurozone.

Der Dodd-Frank Act sieht zudem vor, ei-nen Rat zur Überwachung der Stabilität des US-Finanzmarkts zu etablieren sowie system-relevante Banken in Schieflage unter Zwangs-verwaltung zu stellen und im Notfall abzuwi-ckeln. Abseits der Geschäftsbanken wurden auch Hedgefonds, Beteiligungsfirmen und Ver-sicherungen schärfer überwacht. Der Dodd-Frank Act besteht aus mehreren Einzelgesetzen und sollte eigentlich schrittweise bis 2019 im-plementiert werden. Das Gesetzesvorhaben wird seine finale Umsetzung womöglich aber nicht mehr erleben.

ReformansätzeAm 3. Februar 2017 wurde das US-Finanzmi-nisterium aufgrund einer Exekutivanordnung des Präsidenten (Executive Order 13772) an-gewiesen, den Dodd-Frank Act zu überprüfen. Dabei wurden bestimmte Grundprinzipien for-muliert, die zu beachten waren. Dazu gehört

beispielsweise, dass vom Steuerzahler finan-zierte Bail-outs verhindert werden sollen, die Förderung US-amerikanischer Interessen bei internationalen bankaufsichtlichen Verhand-lungen und Treffen und ein Überarbeiten der Finanzmarktregulierung, um diese effizienter, effektiver und auf das US-Finanzsystem zuge-schnitten zu machen.

Durch eine weitere Exekutivanordnung des Präsidenten vom 24. Februar 2017 wurden die Bundesbehörden angewiesen, alle gelten-den Vorschriften darauf zu überprüfen und diejenigen zu identifizieren, die Arbeitsplätze entweder bereits gekostet haben oder neue Ar-beitsplätze verhindern, zu einer negativen Kos-ten-Nutzen-Analyse führen oder die sich als schlicht veraltet, unnötig oder uneffektiv er-weisen. Mit diesen beiden Exekutivanordnun-gen werden Wahlversprechen eingelöst, eine Reform des finanzmarktaufsichtlichen Rah-menwerks in Gang zu setzen.

Legislative AnsätzeWer es in Europa nicht bereits wusste, hat es spätestens im Rahmen der Debatte um eine Gesundheitsreform in den USA erfahren: Für neue Gesetze oder eine gesetzliche Reform bzw. für die Abschaffung bestehender Gesetze muss ein entsprechender Gesetzesentwurf von beiden Häusern des Kongresses verabschiedet werden. Die aus gegebenem Anlass sehr detail-lierte europäische Berichterstattung zum Schei-tern von Gesetzesvorhaben trotz einer Regie-rungsmehrheit lässt berechtigte Zweifel zu, ob

einem entsprechenden Gesetzesentwurf zur Reform der Finanzmarktregulierung mehr Er-folg beschieden wäre.

Und tatsächlich hat im Juni 2017 ein ent-sprechender Gesetzesentwurf, der Financial Choice Act, zwar eine Mehrheit im US-Reprä-sentantenhaus erzielen können. Allerdings werden die Chancen, dass der Gesetzesentwurf auch vom Senat verabschiedet wird, als margi-nal angesehen, da der Senat ein eigenes Geset-zesvorhaben auf den Weg bringen will.

Dieser Gesetzesentwurf wurde federfüh-rend von dem Vorsitzenden des Financial Ser-vices Komitees des Repräsentantenhauses vor-angetrieben und hätte kleinere Finanzinstitute von Dodd-Frank-Pflichten befreit, die „Volcker Rule“ abgeschafft und die Stresstests reduziert. Auch die von Dodd-Frank geschaffenen Vor-schriften zum Risikoeinbehalt wären gestutzt worden, sodass lediglich RMBS den Nachweis von „skin in the game“ hätten führen müssen.

Reform durch Verwaltungs- anweisungenDie US-Berichterstattung geht mittlerweile da-von aus, dass die Trump-Regierung daher statt eines großen legislativen Wurfs ihre Reform-bemühungen durch Änderungen in der Ver-waltungspraxis der Finanzaufsichtsbehörden vornehmen will. Die relevanten US-Aufsichts-behörden sind zwar in der Umsetzung und in ihren Ermessensspielräumen an entsprechen-de Regulierung gebunden. Aber die konkrete Handhabung bei Ausübung des zugestandenen

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3509 // 2017

Wunsch nach global einheitlicher Banken-

regulierungDie geschilderten Vor-schläge sind zum jet-zigen Zeitpunkt noch Empfehlungen. Aber ne-ben den Einzelheiten hat diese Debatte um auf-sichtsrechtliche Refor-men eine andere Qualität bekommen. Plötzlich geht es nicht mehr um Details, sondern um die Frage, ob es in den USA zu einer Deregu-lierungsphase kommt. Denn

neben vielen Vorschlägen zur Abschaffung von Redundanzen

und zur Vereinfachung der Auf-sichtspraxis ist eine Tendenz zur

Deregulierung zu erkennen.

Driften US-Regulierung und EU-Regu-lierung tendenziell auseinander?Ein Auseinanderdriften setzt – um bei die-sem Bild zu bleiben – voraus, dass es zu ei-nem gegebenen Zeitpunkt einen Zustand der Einheit und Gleichheit, zumindest aber einer Nähe und Vergleichbarkeit gegeben hat. Die-ser Zustand ist jedoch lediglich Theorie.

Im Basler Ausschuss treffen sich Noten-banker und Bankenaufseher aus 27 Nationen, um global verbindliche Mindeststandards für Banken zu vereinbaren. Die Beschlüsse des

Ermessens wird durch die Leitung der Aufsichtsbe-hörden vorgegeben – und letztere sind politisch be-setzte Stellen. Allein vier dieser Stellen sind von der Trump-Regierung neu zu besetzen.

Am 12. Juni 2017 hat das US-Finanzministerium einen Report veröffentlicht, der zahlreiche Empfehlungen zur Re-form von Gesetzen und Abkommen abgibt, die im Sinne der Exekutivanord-nung vom 3. Februar 2017 den dort formulier-ten Kernprinzipien entsprechen. Auch dieser Report scheint davon auszugehen, dass admi-nistrative Reformen realistischer als gesetzliche Reformen sind und schlägt daher Maßnahmen und Handlungsanweisungen an die Bundesbe-hörden vor, die Dodd-Frank-Regelungen nicht gänzlich abschaffen, aber auf eine wesentliche Lockerung der von der Regierung als zu rest-riktiv wahrgenommenen Bankenregulierung abzuzielen. Eigenkapitalquoten und Liquidi-tätskennziffern sollen überprüft werden, insbe-sondere werden die vom Baseler Ausschuss (BCBS) vorgegebenen Kapitalanforderungen in Frage gestellt. Eine spätere Umsetzung der Net Stable Funding Ratio (NSFR) und der Fun-damental Review of the Trading Book (FRTB)-Vorschriften werden befürwortet. Der Report empfiehlt insbesondere, fragmentarische sowie überlappende Vorschriften zu reduzieren. Statt

d i e Volcker Rule gänzlich abzuschaf-fen, empfiehlt der Report, diese lediglich in Abhängigkeit zu bestimmten Schwellenwerten bei der Bilanzsumme anzuwenden. Neben ei-ner Vielzahl von weiteren Empfehlungen ist erwähnenswert, dass der Leiter der Consumer Financial Protection Bureaus, einer mit dem Dodd-Frank Act geschaffenen Behörde, jeder-zeit vom Präsidenten des Amtes enthoben wer-den darf.

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36 09 // 2017

Basler Ausschusses sind jedoch nicht verbind-lich, sondern Empfehlungen. Der jeweilige Gesetzgeber muss die Reformen national um-setzen.

Das hat in der Vergangenheit dazu ge-führt, dass die USA etwa das Reformwerk Ba-sel II gar nicht erst eingeführt haben. Deshalb untersucht der Ausschuss regelmäßig, ob ihm seine Mitglieder folgen. Aber nicht nur die USA weichen von vielen Mindeststandards ab. Auch die EU bekam bereits bescheinigt, dass ihre Umsetzung der Basel-III-Reform „erheblich“ vom Original abweicht, etwa weil sie Staatsanleihen als völlig risikolos betrach-tet, trotz etwa der Umschuldung Griechen-lands 2012. Darüber wurde viel debattiert – geschehen ist nichts.

Die Diskussion um Basel IV Unabhängig von dem Regierungswechsel in Washington waren die letzten Gespräche zur Vollendung von Basel III, innerhalb der Bran-che auch Basel IV genannt, ins Stocken gera-ten. Bei Basel IV geht es in erster Linie um die Frage, wie Banken die Risiken in ihren Bilan-zen kalkulieren. Von diesem Ergebnis hängt ab, wieviel Kapital ein Institut benötigt.

Streitpunkt ist die Frage, inwieweit Ban-ken ihren Kapitalbedarf weiterhin über eigene Risikomodelle berechnen dürfen. Die Berech-nung auf Grundlage interner, risikosensitiver Modelle führt zu weitaus vorteilhafteren Er-gebnissen als die Berechnung auf der Grund-lage von Standardmodellen. Gleichzeitig sind die internen Modelle so individualisiert, dass ein und dasselbe Kreditportfolio zu unter-schiedlichen Ergebnissen führt.

Derzeit nutzen insbesondere viele deut-sche Geldhäuser interne Modelle, um die Ri-siken in ihren Krediten und anderen Assets zu berechnen. Häufig liegen die so errechneten Risikopositionen erheblich unter dem, was die Standardrisikomodelle erwarten ließen. Die Anwendung der eigenen Risikozahlen re-duziert derzeit den Eigenkapitalbedarf der Banken zum Teil deutlich. Unter Basel IV soll sich das ändern.

Während die USA den Spielraum für die Berechnung des Eigenkapitalbedarfs stark einschränken wollen, sind Deutschland und Frankreich dagegen. Viele deutsche Banken hätten unter Anwendung von Standardrisiko-modellen große Mühen, die zukünftigen Ei-genkapitalquoten zu erreichen. Dies gilt nach Aussagen deutscher Bankenvertreter auch dann, wenn die maximal möglichen Abschlä-ge auf die Standardrisikoergebnisse begrenzt würden. Wichtigster Stolperstein ist die Frage, wie weit Banken die Risiken in ihren Bilanzen mit eigenen Modellen berechnen dürfen, um Kapital zu sparen. Umstritten ist vor allem der Vorschlag, dass der nach internen Modellen errechnete Kapitalbedarf um maximal 25 Pro-zent niedriger ausfallen darf als nach dem Standardmodell. Diesen „Output Floor“ von 75 Prozent halten Deutsche und Franzosen für zu hoch, andere wiederum für zu niedrig.

Europäische Banken wollen die internen Modelle daher nur reformieren, nicht ab-schaffen. Sollten die Regeln dagegen, wie von den Amerikanern gewünscht, umgesetzt wer-den, fürchten deutsche Banken Wettbewerbs-nachteile gegenüber den US-Instituten. Für US-Banken würde sich durch Basel IV nicht viel ändern. Sie sind einerseits nach dem Dodd-Frank Act bereits seit 2010 zu einer hö-heren Risikogewichtung gezwungen. Ande-rerseits lagern sie stets rasch einen großen Teil ihrer Finanzierungen an den Kapitalmarkt oder staatliche Institutionen wie den Immo-bilienfinanzierer Fannie Mae aus, während europäische Banken Kredite überwiegend auf die eigenen Bücher nehmen.

Das Basel-IV-Paket hätte eigentlich Ende des vergangenen Jahres verabschiedet werden sollen. Seit Januar 2017 wird das Thema im-mer wieder vertagt, solange ein Kompromiss noch nicht gefunden ist.

Kein Level Playing FieldUm wieder auf die Frage eines Auseinander-driftens zu kommen – ein gemeinsames Level Playing Field gab es nie. Im besten Fall gab es stellen- und zeitweise ähnlich gerichtete In-

teressen in der EU und in den USA. Ange-sichts der in den USA geführten Debatte, er-scheint eine globale Regulierungsarchitektur des Bankensektors ambitioniert. Von einem Level Playing Field entfernen sich die USA und EU nun noch mehr, doch dies ist sowohl den Interessen der Europäer als auch der US-Amerikaner geschuldet.

Interessanterweise ist man sich an ande-rer Stelle wiederum einig. Immerhin hat Prä-sident Trump im Juli 2017 das G20-Commu-niqué beim G20-Treffen in Hamburg unter-zeichnet, das weitestgehend auf eine stringen-te globale Finanzregulierung, insbesondere hinsichtlich Schattenbanken, abzielt. Erleich-tert wurde in Hamburg registriert, dass die USA an den schärferen Vorgaben für die gro-ßen und international vernetzten Geldhäuser nicht rütteln wollen. Die US-Regierung hat keine Abkehr von der bisherigen Linie bei diesem Thema signalisiert.

FAZIT

Die Entwicklungen in den USA und die

Forderungen nach einer Deregulierung der

Kreditwirtschaft werden in den EU-Mit-

gliedstaaten aufmerksam verfolgt. Einzelne

Details erfahren dabei auch hierzulande

Applaus. So könnte eine kritische Über-

prüfung der nach der Finanzkrise erfolg-

ten und nicht immer aufeinander abge-

stimmten Regulierungsmaßnahmen auch

in Europa sinnvoll sein. Auf der anderen

Seite sind die meisten Marktteilnehmer

darum bemüht, die Schutzmechanismen,

die nach der Finanzkrise in ein international

vereinheitlichtes Rahmenwerk eingezogen

worden sind, nicht einfach über den Hau-

fen zu werfen. Wettbewerbsverzerrungen

aufgrund unterschiedlicher Regulierungen

vor allem zu Lasten Europas können nicht

ausgeschlossen werden.

Autorin: Sandra Wittinghofer ist Partnerin bei

Baker & McKenzie.

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3709 // 2017

MARKT

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38 09 // 2017

MANAGEMENT

Gabriela Pantring kommt viel rum. Zwi-schen der Landeshauptstadt Düsseldorf und Münster pendelt sie ohnehin zwei-

mal wöchentlich. In beiden Städten ist ihr Ar-beitgeber, die NRW.Bank, Deutschlands größ-te Landesförderbank, zuhause. Aber auch in der nordrhein-westfälischen Provinz schaut die 51-Jährige regelmäßig vorbei. So wie Anfang Mai in Emsdetten-Ochtrup, wo die NRW.Bank der örtlichen Verbundsparkasse ein Globaldar-lehen von insgesamt 5 Mio. € zur Förderung von privaten Bauprojekten gewährte. Häusle-bauer können sich damit die derzeit historisch niedrigen Zinsen dauerhaft für 30 Jahre si-chern. „Unser Ziel ist es, mehr bezahlbaren Wohnraum in NRW zu schaffen“, sagt Pantring, die Ende 2016 als erste Frau in das vierköpfige Vorstandsgremium rückte. Wohnen und Leben sei das wachstumsstärkste Feld der NRW.Bank. In ihrem Job ist die Bankkauffrau dicht dran an den Bedürfnissen des Bundeslandes, in dem sie aufwuchs und in dem sie sich wohl fühlt. Ihre Aufgabe erfüllt die Finanzexpertin denn auch mit Stolz. „Als Förderbank für das Land NRW leisten wir einen wichtigen Beitrag für die Zu-kunftsfähigkeit unseres Landes.“ Es gehe bei der NRW.Bank nicht vorrangig darum, Gewin-ne zu erzielen, sondern die wirtschaftlichen Verhältnisse im bevölkerungsreichsten Bun-desland zu verbessern.

Den Anspruch, wirtschafts-, struktur- und gesellschaftspolitische Ziele im Auftrag ihrer Eigentümer umzusetzen, teilt Pantring mit den Kollegen der insgesamt 17 Landesför-derinstitute – Bayern leistet sich als einziges Bundesland zwei – sowie zwei Banken auf

Bundesebene (KfW und Landwirtschaftliche Rentenbank) und der Europäischen Investiti-onsbank (EIB). Gemeinsam setzen sie den größten Teil der öffentlichen Förderung in Deutschland um, wollen damit vor allem eine gute Infrastruktur erhalten und ausbauen so-wie ein wachstumsförderndes Innovationskli-ma schaffen. Dabei decken die Geldgeber ein breites Spektrum bankwirtschaftlicher Dienstleistungen ab: Sie gewähren zinsgüns-tige Darlehen und übernehmen Risiken durch Bürgschaften und Garantien, gehen Beteili-gungen ein, bewilligen staatliche Zuschüsse und leiten diese durch, beraten in Förde-rungs- und Finanzierungsfragen. Weite Teile des Darlehensgeschäfts steuern die Institute im Hausbankprinzip, zumeist über pro-grammgestützte Einzelkredite, teils auch über Globaldarlehen. „Mit allen Banken und Spar-kassen arbeiten wir wettbewerbsneutral zu-sammen“, erklärt Pantring das kollegiale Mit-einander von Universal- und Förderbanken.

Welche Rolle die einzelnen Instrumente für das Geschäftsmodell spielen, hängt von der Region ab. Bei den großen Playern in NRW, Baden-Württemberg, Bayern oder auch Berlin liegt der Fokus vor allem auf zinssubventio-nierten Krediten, während bei kleineren Häu-sern, u. a. in den neuen Bundesländern, nicht rückzahlbare Zuschüsse die größte Rolle spie-len. Dank eines exzellenten Ratings infolge von Anstaltslast, Gewährträgerhaftung, expli-ziter Refinanzierungsgarantie durch den Ei-gentümer und einer soliden Eigenkapitalbasis können Branchenriesen wie die NRW.Bank am Kapitalmarkt günstig Geld aufnehmen. Je

erfolgreicher das Treasury Geld aufnimmt und anlegt, desto stärker profitiert die Wirtschaft. „Wir verfolgen dabei jedoch eine konservative Anlagepolitik. Als haushaltsunabhängige För-derbank brauchen wir stetige Erträge, um die Förderleistung garantieren zu können“, unter-streicht Pantring, die das jährliche Refinanzie-rungsvolumen auf 9 bis 11 Mrd. € beziffert. Neben dem Kapitalmarkt können die Treasu-rer die KfW, die Landwirtschaftliche Renten-bank, die Europäische Investitionsbank und die Entwicklungsbank des Europarates anzap-fen. Anders als den Marktführern bleibt vielen Branchenzwergen die Refinanzierung via Ka-pitalmarkt verschlossen, da sie über keine Vollbanklizenz verfügen. Sie fungieren oftmals nur oder überwiegend als „Verteilstelle“, die Zuschüsse durchreicht.

Doch wie alle Geschäftsbanken müssen auch die meist als Anstalt des öffentlichen Rechts geführten Institute zahlreiche Heraus-forderungen meistern: Niedrigzinsen, Regu-lierung und Digitalisierung stehen ganz oben auf der Liste. Die aktuelle Geldpolitik der EZB geht nicht spurlos an den Förderbanken vor-bei. Die anhaltende Niedrigzinsphase lässt die Attraktivität von rein zinssubventionierten Programmen grundsätzlich sinken. Deshalb haben die Banken weitere Komponenten wie Haftungsfreistellungen, flexible Tilgungsmög-lichkeiten oder lange Laufzeiten in ihr Instru-mentarium aufgenommen und entsprechend kombiniert. Zudem haben sie ihre Beratungs-kompetenz, beispielsweise für Unternehmer bei Gründungs-, Wachstums- und Investiti-onsvorhaben, kontinuierlich ausgebaut.

GESCHÄFTSMODELLE

Die WirtschaftsfördererSie finanzieren Start-ups und Mittelstand, die Wohnungswirtschaft und auch die Infrastruktur. Sie

bringen den Umweltschutz voran und pushen Innovationen. Förderbanken betreiben Wirtschaftspoli-

tik mit bankmäßigen Mitteln und ergänzen den Markt dort, wo es notwendig ist. Doch die anhaltende

Niedrigzinsphase lässt die Attraktivität von zinssubventionierten Förderprogrammen grundsätzlich

sinken. Deshalb haben die Institute weitere Komponenten wie Risikoübernahmen, flexible Tilgungs-

möglichkeiten oder lange Laufzeiten in ihr Instrumentarium aufgenommen und kombiniert.

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3909 // 2017

MANAGEMENT

Dabei stehen die Banken den Gründern nicht nur mit Krediten und Rat zur Seite. Sie gehen auch ins Risiko, indem sie sich am Kapi-tal beteiligen und damit die Bilanzstruktur der Start-ups verbessern. So war die Beteiligungs-gesellschaft der Investitionsbank Berlin (IBB) im vergangenen Jahr in der Hauptstadt an rund 20 Prozent aller Venture-Capital-Trans-aktionen mit von der Partie und das, obwohl sie sich nur auf Early-Stage-Finanzierungen konzentriert. In Berlin sind laut Ernst&Young Start-up-Barometer 220 Deals mit einem Vo-lumen von mehr als 1,1 Mrd. € abgewickelt worden, was einem Anteil von 50 Prozent am deutschlandweit investierten Kapital ent-spricht. Für IBB-Chef Dr. Jürgen Allerkamp ein klarer Beweis dafür, wie lebendig die Szene ist, da Berlin nur vier Prozent zum bundeswei-ten BIP beisteuert. Besonderes Augenmerk

richtet die IBB auf FinTechs, die sich an der Spree offenbar besonders wohl fühlen. Knapp zwei Drittel des in Deutschland in diesem Seg-ment bereitgestellten Venture Capitals entfiel 2016 auf Berlin. Die IBB ist selbst an zwei Un-ternehmen beteiligt, der fairr.de, einem Anbie-ter von Altersvorsorgeprodukten, und Getsu-rance.de, die eine digitale Berufsunfähigkeits-versicherung entwickelt hat. Bis zu 40.000 Ar-beitsplätze könnten in den FinTech-Unterneh-men in den nächsten zehn Jahren entstehen, haben die Volkswirte der IBB ausgerechnet. Um deren Potenzial zu pushen, stellt die IBB nicht nur Eigenkapital zur Verfügung, sondern auch alle anderen Förderinstrumente. „Wir wollen zudem ein Berliner FinTech-Hub als räumliches und logistisches Zentrum der Sze-ne einrichten, um die Standortbedingungen weiter zu verbessern“, kündigt Allerkamp an.

Welchen starken Einfluss die Förderban-ken auf die regionale Entwicklung einzelner Bundesländer haben, verdeutlicht sehr gut das Beispiel Brandenburg. Knapp 30 Jahre nach der Wende hat sich die dortige Wirtschaft runderneuert, nicht zuletzt dank der zahlrei-chen – aktuell 90 – Programme der Investiti-onsbank des Landes Brandenburg (ILB) in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit, Infrastruktur und Wohnungsbau. Große Staatsbetriebe wur-den abgebaut, Wohnungen saniert, Infrastruk-tur modernisiert und ausgebaut. Seit ihrer Gründung 1992 hat die ILB mehr als 120.000 Vorhaben begleitet und gut 38 Mrd. € zugesagt. „Jeder Fördereuro hat zwei Euro an Investitio-nen ausgelöst“, unterstreicht Tillmann Stenger, Vorstandsvorsitzender der ILB. Unter anderem seien rund 324.000 Wohneinheiten entstanden oder modernisiert worden. 173.000 neue Ar-

Von mehreren Leuchtturmprojekten und Förderprogrammen sollen Signalwirkungen für zahlreiche Folgevorhaben ausgehen.

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40 09 // 2017

MANAGEMENT

beitsplätze wurden geschaffen. Trotz Niedrig-zinsphase konnte der ILB-Chef für das vergan-gene Jahr mit knapp 2 Mrd. € die höchste För-derleistung seit 20 Jahren präsentieren. Wich-tigster Wachstumstreiber war die Infrastruk-tur, auf die allein 1,2 Mrd. € – davon fast die Hälfte auf den Hauptstadtflughafen – entfielen. Immer wieder gilt es auch, Lücken in den An-geboten zu schließen. So führte die ILB in dem heute stark von kleinen oder kleineren Unter-nehmen geprägten Bundesland 2016 erstmals Mikrokredite ein. Für die verzinslichen Klein-darlehen bis maximal 25.000 € werden weder Sicherheiten noch Eigenkapital verlangt. Doch der wirtschaftliche Aufholprozess bringt auch neue Herausforderungen für die ILB-Spitze. Die Kehrseite der Medaille: Aus Sicht der EU sind Brandenburg und die anderen ostdeut-schen Bundesländer kein Höchstfördergebiet mehr. Die Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sind des-halb bereits in der aktuellen Förderperiode (2014 bis 2020) allein in Brandenburg um satte 45 Prozent auf 850 Mio. € gesunken.

„Wir müssen deshalb unser Eigengeschäft noch weiter ausbauen und in das Geschäftsmo-dell der westdeutschen Förderbanken herein-wachsen“, unterstreicht Stenger. Kreditpro-gramme der ILB aus eigenen Mitteln seien kontinuierlich ausgebaut worden und stünden heute für rund 73 Prozent der Leistung, der Rest entfiel auf Programme im Rahmen der so-genannten Geschäftsbesorgung für die Minis-terien des Landes, sprich auf Leistungen, die nur durchgereicht werden. Wie die großen Banken refinanziert die ILB ihre Eigenpro-gramme über den Kapitalmarkt bzw. zu einem geringen Teil über einen aus eigenen Erträgen dotierten Förderfonds.

Wie alle Geschäftsbanken treibt auch die Förderbanken das Thema Regulierung um, doch gibt es aus der Umklammerung der Ban-kenaufsicht kein Entkommen. Dr. Axel Naw-rath, Chef der baden-württembergischen L-Bank, zog deshalb gar vor zwei Jahren vor Ge-richt, verlor jedoch den Prozess in erster Ins-tanz, wie Mitte Juni 2017 bekannt wurde. Die

L-Bank hatte ihren Vorstoß damit begründet, dass sie nur eine regional agierende Förder-bank sei, deren Schulden durch eine Garantie des Landes abgesichert seien. Sie wollte sich deshalb nicht länger von der EZB beaufsichti-gen lassen, sondern zurück in die Obhut der deutschen Kontrolleure BaFin und Bundes-bank. Zu groß seien der bürokratische Auf-wand und die damit verbundenen Kosten. Unter die EZB-Aufsicht fallen Banken, deren Bilanzsumme die Schwelle von 30 Mrd. € überschreiten unter den Förderbanken also NRW.Bank und L-Bank. Aus Sicht der EU-Richter spielt das Geschäftsmodell jedoch kei-ne Rolle. Eine Ausnahme von der Zuordnung gemäß der Bilanzsumme sei allein dann mög-lich, wenn eine Bank von den nationalen Auf-sehern besser überwacht werden könne als von der EZB. Daran scheint diese Zweifel zu haben. Um die durch die ausufernde Regulie-rung steigenden Kosten in den Griff zu be-kommen, müssen die Institute an anderer Stelle die Kosten senken.

Dabei hilft ihnen auch die Digitalisierung, die neue, günstige Vertriebswege eröffnet. So arbeitet die NRW.Bank seit Herbst 2016 als erste Förderbank mit dem Finanzportal Com-peon zusammen. Ausgewählte Programme sind seitdem über eine Schnittstelle auf dem Portal neben den Offerten von rund 200 Ban-ken und Sparkassen angebunden. Auch die ILB in Potsdam hat auf ihrer To-Do-Liste das „Projekt Kundenportal 2.0“ stehen. Bis Jahres-ende will sie Prozesse und Anwenderzufrie-denheit mit dem Online-Antragsmanagement verbessern.

Die L-Bank wiederum hat im Frühjahr 2017 ein Pilotprojekt mit Videoberatung ge-startet. Start-ups können seitdem bei der IHK in Heilbronn die Beratung von L-Bank und Bürgschaftsbank zu Finanzierungs- und För-derthemen auch ad hoc mit einer Videodirekt-schaltung in Anspruch nehmen und haben so die Wahl zwischen traditionellem Präsenzter-min sowie digitalem Angebot. Das Landesför-derinstitut ermöglicht zudem den Zugang zu einer onlinebasierten Sofortzusage für ausge-

wählte Wohnraumförderkredite. Die Bankbe-rater der Kooperationspartner, darunter auch die private Südwestbank, können seit Mitte 2016 in einem durchgängig internetgestützten Verfahren noch während des Kundenge-sprächs einen Kredit bei der L-Bank beantra-gen und unmittelbar eine Entscheidung erhal-ten. Der neue Service, der gemeinsam mit der KfW in einem 18-monatigen Großprojekt ge-stemmt wurde, soll den Weg für Privatperso-nen zu ausgewählten wohnwirtschaftlichen Produkten verkürzen. Die IBB installierte ein Digitalisierungsteam, das alle Abläufe von der Antragstellung und -verwaltung bis hin zur Dokumentation und Umsetzung der Kreditentscheidungen nach digitalem Optimierungspotenzial durchsucht. Bei internen Prozessen bleibt es nicht. Auch die Kunden werden bei der digitalen Trans-formation unterstützt. Programme wie das im Sommer 2016 gestartete „Mittelstand 4.0“ der IBB sollen Start-ups, KMU sowie Mittelständ-ler bei der Anwendung von Industrie 4.0-Lö-sungen voranbringen. Wie alle Förderinstitute unterstützt auch die Investitionsbank Schles-wig-Holstein (IB.SH) die Landesregierung bei der Umsetzung ihrer Breitband-Strategie. Mehr als 340 Mio. € an Fördermitteln stellen Bund und Land bereit, um rund 300.000 Haus-halten und 30.000 Unternehmen im nördlichs-ten Bundesland Zugang zu schnellem Inter-net zu ermöglichen. Mit ihrem Produkt „IB.SH Breitband Fördermittelcheck“ hilft die IB.SH den Gemeinden, die Mittel zu beantra-gen. Das laufe so erfolgreich, dass bislang noch kein Antrag abgelehnt oder in seiner Summe gekürzt worden sei, unterstreicht IB.SH-Chef Erk Westermann-Lammers.

Dass den Staatsbankern ihr Job Spaß macht, wird auch an der guten Entlohnung liegen. Laut Beteiligungsbericht der Senats-verwaltung für Finanzen ist etwa Jürgen Aller-kamp, Vorstand der landeseigenen Investiti-onsbank IBB, der bestbezahlte städtische Ma-nager in Berlin.

Autorin: Eli Hamacher.

Eckhard Forst, NRW.Bank

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4109 // 2017

MANAGEMENT

NRW.Bank

Deutschlands größte Landesförderbank, die NRW.Bank,

lenkt das Geschäft mit vier Vorständen. Gabriela Pant-

ring war Ende 2016 in das Gremium gerückt, nachdem

sie seit 2013 als Vorstandsmitglied der Investitions-

bank des Landes Brandenburg gearbeitet hatte. Von

2002 bis 2013 war sie bereits bei der NRW.Bank, leitete

dort zuletzt den Bereich Spezialförderung und Bera-

tung. Der Vorstandsvorsitzende der NRW.Bank sam-

melte zunächst Erfahrungen im privaten Sektor der

Branche. In den Führungsgremien der Förderbanken

ist das eher selten. Eckhard Forst, gelernter Bankkauf-

mann und Jurist, verbrachte 17 Jahre bei der Deut-

schen Bank, u. a. in der Rechtsabteilung und der Fir-

men- und Großkundenbetreuung. Er arbeitete als Ma-

naging Director in Paris und rückte später in die Ge-

schäftsleitung in Bielefeld auf, bevor der heute 57-Jäh-

rige 2007 als Vorstandsmitglied zur NordLB wechselte.

Mit der Verantwortung über Firmenkundengeschäft

einschließlich Wohnungswirtschaft und Agrar-Banking

sowie institutionelle Kunden und gewerbliche Immo-

bilienfinanzierung qualifizierte sich der gebürtige

Düsseldorfer für den nächsten Karrieresprung. Ende

2016 rückte er an die Spitze der NRW.Bank. Als Erinne-

rung an die Pariser Zeit blieb ein Ehrenamt: Forst ist

Honorarkonsul der Republik Frankreich in Münster.

4108 // 2017

L-Bank

Wie die NRW.Bank lenkt auch die L-Bank

die Geschäfte mit einem vierköpfigen

Vorstand, an dessen Spitze seit 1. Juli

2014 Dr. Axel Nawrath steht. Der Jurist

kam nach Stationen bei Bundesfinanz-

verwaltung und Bundesrechnungshof

1998 unter Minister Oskar Lafontaine ins Bundes-

finanzministerium, wo er zuletzt die Abteilung Natio-

nale und Internationale Finanzmarkt- und Währungs-

politik leitete. Unter seiner Verantwortung wurde mit

der Schaffung der BaFin eine zentrale Finanzmarkt-

dienstleistungsaufsicht eingeführt. Im Jahr 2003

wechselte SPD-Mitglied Nawrath als Managing Director

zur Deutsche Börse AG in Frankfurt und war gleichzei-

tig Geschäftsführer der Frankfurter Wertpapierbörse.

Als Deutsche Börse-Chef Werner Seifert durch Reto

Francioni ersetzt wurde, kehrte der gebürtige Hanno-

veraner als Steuerstaatssekretär unter Minister Peer

Steinbrück ins BMF zurück, wo er als einer der ein-

flussreichsten Beamten der Regierung galt. Für Stein-

brück konzipierte Nawrath die Unternehmenssteuer-

reform. Von 2009 bis 2014 setzte der heute 63-Jährige

seine Karriere als Vorstandsmitglied der staatlichen

Förderbank KfW fort, bevor er zur Staatsbank für Ba-

den-Württemberg wechselte.

LfA Förderbank Bayern

An der Spitze des dreiköpfigen ausschließlich mit Män-

nern besetzten Vorstandsgremiums steht Dr. Otto Bei-

erl. Wie viele seiner Vorstandskollegen hat der gebür-

tige Augsburger Jura studiert und in diesem Fach auch

promoviert. Beierl startete seine Laufbahn beim Fi-

nanzamt Augsburg Stadt mit einer Ausbildung im hö-

heren Steuerverwaltungsdienst, bevor er 1987 für 19

Jahre ins Bayerische Staatsministerium der Finanzen

wechselte. In dieser Zeit leitete er u. a. das Minister-

büro und war als Ministerialdirektor Ständiger Vertre-

ter des Amtschefs. Außerdem lernte er als Mitglied des

Verwaltungsrats die LfA Förderbank von innen kennen.

2007 schließlich wechselte er als Generalbevollmäch-

tigter zur LfA, rückte ein Jahr später in deren Vorstand

und 2012 an dessen Spitze. Der verheiratete Vater von

zwei erwachsenen Kindern liebt die Oper und reist

gern nach Asien.

Die Chefs

Dr. Otto Beierl, LfA Förderbank Bayern

Dr. Axel Nawrath, L-Bank

Eckhard Forst, NRW.Bank

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MANAGEMENT

42 09 // 2017

Investitionsbank Schleswig-Holstein

Seit Oktober 2010 steht an der Spitze des Instituts Erk

Westermann-Lammers (51), der die Bank mit Vorstand

Dr. Michael Adamska lenkt. Westermann-Lammers ist

der einzige CEO, der schon zuvor eine Förderbank ge-

leitet hat. Von 2003 bis 2010 baute er als Vorstandsvor-

sitzender die Investitions- und Förderbank Niedersach-

sen (NBank) auf. Am Wechsel von Hannover nach Kiel

hatten ihn damals vor allem neue Geschäftsfelder, aber

auch die größere unternehmerische Verantwortung bei

dem Institut mit der fast viermal höheren Bilanzsumme

gereizt. Und nicht zuletzt lockte den Agrarökonom die

Rückkehr in das aus seiner Sicht „schönste Bundesland

Deutschlands“. Begonnen hatte der Schleswig-Holstei-

ner, der in Ostseenähe aufwuchs, seine Laufbahn im

genossenschaftlichen Finanzsektor bei den Zentralin-

stituten DG Bank und DZ Bank u. a. als Firmenkunden-

leiter und Niederlassungsleiter in Berlin. Der Vater von

vier Kindern engagiert sich ehrenamtlich im Kirchen-

gemeinderat der Nordelbischen Kirche.

Investitionsbank des Landes Brandenburg

Den dreiköpfigen Vorstand der Investitionsbank des

Landes Brandenburg (ILB) bilden Tillmann Stenger

(Vorsitzender seit 2013), Jacqueline Tag und Kerstin

Jöntgen als Nachfolgerin von Gabriela Pantring, die

Ende 2016 zur NRW.Bank wechselte. Anders als viele

Kollegen bei den deutschen Förderbanken hat sich

Stenger innerhalb des Instituts vom Leiter des Vor-

standsstabs bis an die Spitze hochgearbeitet. Der Di-

plomvolkswirt startete 1992 als Leiter Vorstandsstab,

bevor der gebürtige Westfale nach Stationen als Ab-

teilungs- und Bereichsleiter 2011 als Vorstandsmitglied

in das oberste Führungsgremium aufstieg. Seine Kar-

riere begonnen hatte der heute 58-Jährige bei der

Westdeutschen Landesbank in Düsseldorf, in der

Staatskanzlei NRW und bei der Investitionsbank NRW.

Der Vater von zwei Kindern, der mit seiner Familie in

Potsdam lebt, schätzt an der Arbeit für die Investiti-

onsbank vor allem das nachhaltige und langfristige

Geschäftsmodell.

Investitionsbank Berlin

Die viertgrößte Förderbank in Deutschland, die Inves-

titionsbank Berlin, wird von einem Duo geführt. Im Vor-

stand sitzt neben Dr. Jürgen Allerkamp (60), der den

Vorsitz Anfang 2015 übernahm, Sonja Kardorf. Die heu-

te 45-Jährige war im Sommer 2014 nach Stationen bei

ABN Amro, HypoVereinsbank, WestLB und Postbank zur

IBB nach Berlin gewechselt. Als das Angebot aus der

Hauptstadt kam, hat Allerkamp nicht lange gezögert.

Den Juristen, der zwischen 1997 und 2012 Vorstands-

mitglied bei der Norddeutschen Landesbank und Vor-

standsvorsitzender der Deutschen Hypothekenbank

AG in Hannover war, lockte vor allem die Dynamik Ber-

lins. Die Aufbruchstimmung habe ihn sehr an den Auf-

stieg Dresdens unmittelbar nach der Wende erinnert,

erzählt der Banker. Dort hatte der Westfale sechs Jah-

re bei der Stadtsparkasse Dresden verbracht, zuletzt

als Mitglied des Vorstands, und gestaltete den Auf-

schwung in der sächsischen Landeshauptstadt mit. An

der damaligen Begeisterung änderten auch Unan-

nehmlichkeiten nichts: „Morgens musste ich um fünf

Uhr aufstehen, um den Kohleofen zu heizen, damit ich

warm duschen konnte.“

L-Bank

Dr. Jürgen Allerkamp, Investitionsbank Berlin

Tillmann Stenger und Jacqueline Tag,

Investitionsbank Brandenburg

Erk Westermann-Lammers, Investitionsbank Schleswig-Holstein

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LfA-Förderbank Bayern

4309 // 2017

Leuchtturmprojekte

NRW.Bank: Schöne, digitale Schulen

2 Mrd. € für die Sanierung und Modernisierung von

Schulen stellen die NRW.Bank und das Land Nordrhein-

Westfalen den Kommunen in NRW in den kommenden

Jahren zur Verfügung – mit dem am 1. Januar 2017 ge-

starteten Programm „NRW.Bank.Gute Schule 2020“. Die

erste Zusage ging im März an die Stadt Gelsenkirchen,

die bis 2020 insgesamt 49,3 Mio. € bekommt – 12,3 Mio. €

davon bereits im Jahr 2017. Gelsenkirchen will mit dem

Fördergeld insbesondere den Ausbau seiner digitalen

Schulinfrastruktur fortsetzen und zudem Schulgebäu-

de sanieren. Schon 2017 werden so die Bandbreiten der

Glasfaseranschlüsse an 92 Gelsenkirchener Schul-

standorten auf 1000 Mbit/s erhöht. Weitere Maßnahmen

folgen. Die Schulen profitieren von den attraktiven Kon-

ditionen von „NRW.Bank.Gute Schule 2020“. Für die

Kommunen ist das Darlehen tilgungsfrei, weil die Til-

gung durch das Land übernommen wird. Zusätzlich

zahlen die Kommunen keine Zinsen.

L-Bank: Crowdfunding für Gründer

Beim neuen Programm „MikroCrowd“ wird bundesweit

erstmalig ein klassischer Förderkredit mit Crowdfun-

ding verknüpft. Zielgruppe sind unter anderem junge

Gründer und Querdenker im Bereich Digital Services,

Arts & Crafts, Design, Food, Mode, Ökologie oder Kom-

munikation. Die Plattform für die Crowdfinanzierung

stellt der LBank-Partner Startnext. Auf www.mikro-

crowd.de können Gründungswillige künftig ihre Projek-

te nach einer Kuratierung durch die L-Bank und einer

Beratung durch einen zugelassenen Gründungsberater

online platzieren und vorstellen. Nach positiver Prü-

fung der Idee startet die Crowdfunding-Phase, in der

die Funding-Schwelle erreicht werden muss. Diese ent-

spricht mindestens 50 Prozent des Finanzierungsbe-

darfs. Wird das Ziel nicht erreicht, kommt keine Finan-

zierung zustande. Haben sich genügend Unterstützer

gefunden, kann ergänzend ein Darlehen in Höhe von

bis zu 50 Prozent (maximal 10.000 €) gewährt werden.

So kann eine Unternehmens- bzw. Produktidee bereits

vor dem Unternehmensstart vor einer breiten Öffent-

lichkeit gepitcht werden, und die Gründungswilligen

erhalten ein realistisches Feedback.

LfA-Förderbank Bayern: Kraftpakete für Start-ups

Das Münchner Hightech-Unternehmen eGym digitali-

siert die Trainingsflächen in Fitnessstudios rund um

den Globus. An modernsten vollelektronischen Kraft-

geräten, die immer online sind, trainieren die Mitglie-

der nach neuesten trainingswissenschaftlichen Er-

kenntnissen. Spezielle Apps für Trainer und Mitglieder

sollen ermöglichen, dass alle ihre Trainingsziele

schnell und zuverlässig erreichen können. Heute sind

Hard- und Software von eGym in über 2.000 Fitness-

studios in 15 Ländern im Einsatz und 350 Mitarbeiter

für eGym tätig. Die gute Entwicklung von eGym ist

auch der LfA Förderbank Bayern zu verdanken, die das

Unternehmen seit 2010 begleitet: Mit Beteiligungska-

pital der LfA-Tochter Bayern Kapital für die Entwick-

lung der Technologie und später mit einem Förderkre-

dit und einer Risikoübernahme. Gemeinsam mit seiner

Hausbank und der LfA finanzierte eGym sein erstes

Warenlager. Für das junge Startup wäre das seinerzeit

mit einer reinen Eigenkapital-Finanzierung eine prak-

tisch unüberwindbare Hürde gewesen.

NRW.Bank

L-Bank

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MANAGEMENT

Investitionsbank Berlin: Digitalwirtschaft fördern

Die Fußball-App Onefootball GmbH, die zeitnah darüber

informiert, wenn der Lieblingsclub verloren hat oder

gar abgestiegen ist, gehört zu den Berliner Erfolgsge-

schichten aus der Digitalwirtschaft, die inzwischen zu

einem sehr wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Haupt-

stadt geworden ist. Der Erfolg kam mit der Umbenen-

nung und Internationalisierung der App und ihrer Aus-

richtung als globale Plattform für Fußball-Fans in aller

Welt. 2008 gegründet, hat das Unternehmen heute 80

Mitarbeiter, die für weltweit 20 Millionen Nutzer in 14

Sprachen und 200 Fußball-Ligen arbeiten. Namhafte

Investoren konnten gewonnen werden. Die App ist kos-

tenlos - Geld verdient wird über Werbung. Die Investi-

tionsbank Berlin hat das Unternehmen in der Grün-

dungs- und Aufbauphase über das GRW-Programm (Ge-

meinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen

Wirtschaftsstruktur) unterstützt und will auch die wei-

tere Expansion begleiten, die in den nächsten Jahren

die Erweiterung der Belegschaft um zusätzliche 150

bis 200 Arbeitsplätze vorsieht.

Investitionsbank Schleswig-Holstein:

Umweltschutz im Fokus

Viele Menschen in den Gemeinden Süderende und

Oldsum auf der Insel Föhr werden die Wärme für ihre

Wohnungen künftig von Blockheizkraftwerken beziehen.

Die Rohrleitungen für das Nahwärmenetz werden der-

zeit verlegt. Der Vorteil: Moderne zentrale Heizkraftwer-

ke sind effizienter und damit umweltschonender und

wirtschaftlicher als viele kleine und zum Teil alte Hei-

zungen. Eine Genossenschaft setzt das Projekt um. Die

Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) fördert das

Vorhaben – mit Beratung und Finanzierung. Die Energie-

agentur der IB.SH hat die Projektplanung begleitet und

die Wirtschaftlichkeit dieser langfristigen Infrastruktur-

maßnahme geprüft. Die Genossenschaft investiert rund

4 Mio. €. 60 Prozent davon finanzieren die Föhr-Amru-

mer Bank und die IB.SH zu gleichen Teilen. Die Mitglieder

der Genossenschaft werden künftig nicht nur effizienter

und sauberer mit Wärme versorgt – sie können auch den

Raum für Heizung und Tank einsparen und müssen sich

nicht mehr um Wartung und Betankung kümmern.

Investitionsbank Brandenburg: Sensor in der Kuh

Obwohl Brandenburgs IKT-Branche boomt, vor allem in

den Regionen um Berlin, spielt auch die Landwirtschaft

weiterhin eine wesentliche Rolle für das Flächenland.

Mit jungen Unternehmen wie der Potsdamer dropnostix

GmbH ist die digitale Revolution nun auch in diesem

klassischen Wirtschaftszweig angekommen. Das Unter-

nehmen hat ein Sensorsystem entwickelt, das in den

Pansen von Kühen eingeführt wird und dort verbleibt.

Der Sensor ermittelt alle zur Beurteilung der Gesund-

heit der Tiere notwendigen Daten, speichert diese und

übermittelt sie an den jeweiligen Milcherzeugungsbe-

trieb, wodurch die Vorbeugung und Behebung von

Krankheitsfällen deutlich verbessert werden. Das Kuh-

Monitoring steigert sowohl das Wohlbefinden der Tiere

als auch die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion. Fast

330.000 € investierte dropnostix in die Entwicklung des

Systems und eine Studie zur Markteinführung. Die ILB

unterstützt die Innovation mit rund 160.000 € und ist

zusätzlich über ihre Tochter BFB Brandenburg Kapital

GmbH an dem Unternehmen beteiligt.

Investitionsbank Brandenburg

Investitionsbank Schleswig-Holstein

Investitionsbank Berlin

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MANAGEMENT

MANAGEMENT VON KREDITRISIKEN

Der EZB-Leitfaden für notleidende KrediteDie Europäische Zentralbank (EZB) hat gerade ihren Leitfaden „Guidance to banks on non-performing

loans“ zum Umgang mit notleidenden Krediten herausgegeben. Hintergrund bei dessen Erstellung und

(recht kurzer) Konsultation waren das sich bei europäischen Banken nicht signifikant verbessern wollen-

de Verhältnis zwischen Non-Performing Loans (NPL) und Eigenkapital (Texas Ratio) sowie der steigende

Anteil ausfallgefährdeter Kredite (Impaired Loan Ratio) in den Bilanzen der Banken.

Der von der EZB herausgegebene Leitfa-den gilt grundsätzlich zunächst nur für die Kreditinstitute, die von der EZB be-

aufsichtigt werden, letztlich also im Wesentli-chen die systemrelevanten Institute. Vor dem Hintergrund des in Art. 3 Abs. 1 GG veranker-ten Gleichbehandlungsgrundsatzes werden die maßgeblichen Inhalte – wenn mitunter auch in abgeschwächter Form – auch für die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-tung (BaFin) beaufsichtigten kleineren Insti-tute entsprechend anzuwenden sein. Dieser Grundgedanke der Verhältnismäßigkeit und Wesentlichkeit ist aber ohnehin schon im Leit-faden selbst implementiert, sozusagen in des-sen DNA enthalten. Entsprechend geht der Leitfaden an verschiedenen Stellen auch davon aus, dass seine Anwendbarkeit nicht auf von der EZB beaufsichtigte Institute beschränkt ist. So soll die Frage, ob ein Institut den Regelun-gen des Leitfadens entspricht oder nicht, „auf Verlangen der Aufsichtsbehörden“ und nicht nur der EZB gegeben werden. Entsprechend stellt der Leitfaden ein Regelungsgerüst für Kreditinstitute einerseits sowie für Aufsichts-behörden andererseits dar.

Bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen bei Nicht-BerücksichtigungVon seiner Grundausrichtung wurde der Leit-faden hierbei nach dem von der EZB häufig verwendeten Regelungskonzept Comply or Explain gestaltet. Die im Leitfa-den enthaltenen Regelun-gen sind also nicht

zwingend umzusetzen, sondern dienen den betroffenen Instituten – wie die Bezeichnung des Dokuments als Leitfaden es auch nahelegt – als Orientierungspunkte, wie aus Sicht der Aufsicht mit NPL umgegangen werden soll und wie der Anteil ausfallgefährdeter Kredi-te reduziert werden kann. Die Nicht-Umset-zung kann im Fall nicht hinreichender Er-klärungen allerdings, so der Entwurf recht deutlich, zu bankaufsichtsrechtlichen Maß-nahmen führen.

Der Leitfaden führt – anders als verein-zelt befürchtet – keine eigenständige Definiti-on von NPL ein, sondern knüpft an die von der European Banking Authority (EBA) im Implementing Technical Standard (ITS) on Supervisory Reporting (Forbearance and Non-Performing Exposures) verwendeten Definition von non-performing exposure an. Demnach sind für Zwecke des Leitfadens NPL solche Kredite, bei denen wesentliche Zahlungen mehr als 90 Tage überfällig sind oder bei denen der Schuldner wahrscheinlich nicht in der Lage sein wird, seinen Verpflich-tungen ohne die Verwertung von Sicherheiten nachzukommen. Entsprechend der EBA-Definition knüpft der Leitfaden zur Beurtei-lung also ei-ner-

seits an e in binäres

Kriterium (überfäl-lig vs. nicht-überfällig) an. Al-

ternativer (oder auch kumulativer) Anknüp-fungspunkt andererseits ist das sog. Unlikely-to-pay-Kriterium, also ein Prognoseergebnis, wonach die Begleichung von Verbindlichkei-ten ohne Verwertung von Sicherheiten eher unwahrscheinlich als wahrscheinlich ist. Hin-sichtlich der Unlikely-to-pay-Prognoseent-scheidung gibt der Leitfaden recht detaillierte Indikatoren (UTP-Indikatoren) vor, die in zwei Klassen aufgeteilt sind. Zum einen sol-che Indikatoren, bei denen vonseiten der EZB erwartet wird, dass diese zur unmittelbaren Bejahung des Unlikely-to-pay-Kriteriums und damit zur Einstufung als NPL führen. Zum anderen gibt der Leitfaden UTP-Indika-toren vor, die eine eingehendere Bewertung erfordern (Soft Trigger).

Informations- und Auskunftsbedarf Neben den UTP-Indikatoren sollen die Kreditinstitute Früh-warnindikatoren erfassen und

auswerten. Hierdurch soll si-

chergestellt werden, dass Kreditforderungen erst gar nicht

zu NPL werden, Forderungen also weder überfällig werden noch das Unlikely-to-pay-Kriterium erfüllen. In seinem Anhang 4 hält der Leitfaden eine Beispielsammlung von aus Sicht der EZB geeigneten Frühwarnindikato-ren bereit.

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MANAGEMENT

Zumindest seit Geltung des Leitfadens werden Kreditinstitute daher die im Leitfaden genannten UTP-und Frühwarnindikatoren

laufend erfassen und auswerten müs-sen, sei es aus

öffentli-chen Quellen (was teilweise mög-lich ist), sei es aber auch durch Abfrage bei Kreditnehmern und Sicherheitengebern. In zukünftigen Kreditverträgen und Sicherhei-tendokumenten werden die Institute die Be-friedigung dieses erweiterten Informations- und Auskunftsbedarfs als Verpflichtung ihrer Vertragspartner aufzunehmen haben.

Zum Umgang mit NPL sieht der Leitfa-den vor, dass die Institute jeweils eine NPL-Strategie entwickeln, die ergebnisoffen alle internen, aber auch externen Möglichkeiten eingehend analysiert. Hierzu müssen insbe-sondere personelle Strukturen geschaffen werden, die zuständig für die Strategieent-wicklung einerseits und den Workout ande-rerseits sind. Im Hinblick auf seine strategi-schen Optionen soll das Institut alle zur Ver-fügung stehenden Alternativen erwägen und analysieren. Insbesondere sollen die Institute Hold-/Forbearance-Strategien, einen aktiven Portfolioabbau durch Veräußerung, die Auf-nahme von Sicherheiten in die Bilanz und rechtliche Optionen (einschließlich außerge-richtlicher Optionen) als Handlungsalterna-tiven berücksichtigen und sich insoweit nicht von vorneherein hinsichtlich einzelner Mög-lichkeiten verschließen.

Die NPL-Strategie und die ihr zugrunde-liegenden Annahmen in Bezug auf NPL sol-

len regelmäßig überprüft und – soweit erfor-derlich – angepasst werden. Bei der Erarbei-tung, Evaluierung und Überarbeitung der NPL-Strategie soll die Bank ihr Geschäftsum-feld und sämtliche strategischen Optionen

einbeziehen und Ziele je segmentiertem Portfolio festle-

gen. Bei der Segmentierung sind wenigstens drei Portfolien zu unterschei-den: langfristig tragfähige NPL-Bestände, mittelfristige NPL-Bestände (drei Jahre) und kurzfristige NPL-Bestände (ein Jahr). Darü-ber hinaus sollen die Institute bei der Seg-mentierung von Portfolien zur Zuordnung von Kreditnehmern mit ähnlichen Merkma-len in dieselbe Kategorie einen differenzierten Ansatz nutzen, um eine einheitliche Behand-lung zu gewährleisten. In seinem Anhang 2 gibt der Leitfaden zumindest für das Retailge-schäft konkrete Beispiele für Kriterien der NPL-Segmentierung. Dem Umfang der Bei-spiele lässt sich bereits entnehmen, dass es sicherlich nicht bei bloß drei Segmenten blei-ben kann, sondern die EZB von den Institu-ten insoweit eine kleinteiligere Aufteilung er-wartet.

Die in der NPL-Strategie definierten Zie-le und selbstverständlich auch den jeweiligen Ist-Stand sollen die Institute dann in Pla-nung, Offenlegung, Berichtswesen, Leis-tungskriterien- und Anreizen, Geschäftspla-nung- und Projektion sowie Risikomanage-mentsystemen einbetten.

Die NPL-Strategie und die operative Pla-nung für NPL soll jährlich von der Geschäfts-

leitung genehmigt werden, die auch deren Umsetzung überwachen soll. Darüber hinaus soll die Geschäftsleitung Managementziele und -anreize für die Abwicklung von NPL festlegen, angemessene Genehmigungsver-fahren für Abwicklungsentscheidungen zu NPL festlegen, eine ausreichende interne

Kontrolle der NPL-Managementverfah-ren sicherstellen

und entsprechende Grund-sätze verabschieden sowie über hinreichendes Fachwissen hinsichtlich des Managements von NPL verfügen. Einmal jährlich soll das Institut der Aufsicht die NPL-Strategie und deren Umsetzungsstand zusammenfassen.

Workout Units übernehmen das KreditrisikomanagementDie Bank soll darüber hinaus organisatorisch getrennte, spezialisierte NPL-Abwicklungsein-heiten einrichten (Workout Units). Diese sol-len dazu beitragen, mögliche Interessenkon-flikte bei der Kreditvergabe von vornherein zu unterbinden. Bei Schaffung der Workout Units soll das Institut darauf achten, dass in der Abteilung ausreichend Fachwissen in Be-zug auf NPL vorhanden ist, und sicherstellen, dass dieses Wissen beständig ausgebaut wird.

Im Zusammenhang mit den Workout Units soll die NPL-Strategie deutlich kontu-rierte Auslöseereignisse für das Aufgreifen durch eine Workout Unit sowie die Weiterga-be von einer Workout Unit zur nächsten fest-legen. Ziel der Arbeit der Workout Units ist sowohl die Beseitigung von NPL als auch de-

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MANAGEMENT

ren Vermeidung. Deswegen sollten die Auslö-seereignisse für die erste Übergabe an eine Workout Unit idealerweise zeitlich und quali-tativ vor der Einstufung des Engagements als notleidend liegen. Geeignetes Auslöseereignis insoweit wird hinsichtlich des Unlikely-to-pay-Kriteriums daher der Eintritt eines Früh-indikators und hinsichtlich des Überfällig-keitskriterium eine Fälligkeitsüberschreitung kleiner als 90 und größer als 30 Tage sein.

Die Kreditinstitute sollen bezogen auf ihre Work-

out-Ergebnisse darüber hinaus ein Rahmenwerk aus Leistungskennzahlen (Key Performance Indikatoren) entwickeln. Hierbei sollen insbesondere aggregierte Messgrößen der NPL, Kundenbetreuung und Zahlungseingänge, Forbearance (z. B. Quote des erneuten Ausfalls) und Abwicklungsmaß-nahmen berücksichtigt werden.

Banken müssen Forbearance- Strategie entwickelnDie Kreditinstitute sollen eine umfassende und fest definierte Forbearance-Strategie ent-wickeln. Einheitliches Ziel von Forbearance-Maßnahmen soll dem Leitfaden zufolge (i) die Beendigung des Non-Performing-Status sein und (ii) die Verhinderung, dass perfomante Kredite zu Non-Performing Exposures werden. Insbesondere sollten Forbearance-Maßnahmen auf die Wiedererlangung der nachhaltigen Zah-lungsfähigkeit des Schuldners gerichtet sein.

Bei ihrer Forbearance-Strategie soll die Bank zwischen kurzfristigen (max. zwei Jahre)

und langfristigen Konzepten unterscheiden. Hierbei sollen langfristige Optionen nur unter engen Voraussetzungen gewählt werden. Die Forbearance-Strategie soll sich wenigstens an folgenden Attributen orientieren: (i) wann im-mer möglich standardisierte Forbearance-Pro-dukte und Entscheidungsbäume nutzen, (ii) vor einer Entscheidung Vergleiche mit ande-ren Abwicklungsoptionen für NPL (z. B. Rechtsweg) anstellen, (iii) Meilensteine für jede Forbearance-Lösung und deren Überwa-chung festlegen und die Datenbasis über NPL

und den Umgang damit deutlich verbrei-tern, sodass Er-

folg und Misserfolg einzelner Forbearance-Maßnahmen evaluiert und diese so angepasst und letztlich qualitativ verbessert werden können. Der Leitfaden sieht außerdem Regelungen dazu vor, wie NPL zu bewerten, einzelwertzuberichtigen bzw. im schlimms- ten Fall abzuschreiben sind. Im Hinblick auf Kreditsicherheiten und deren Bewertung er-wartet der Leitfaden eine anfängliche und lau-fende strenge Kontrolle. Bezogen auf NPL meint „laufend“ mindestens einmal jährlich. Bezogen auf Immobiliarsicherheiten sollen die Institute darüber hinaus Kriterien für eine eigene Indexierung aufstellen, starke und un-abhängige Bewertungs- und Kontrollprozesse implementieren und die Bewertung (aus-schließlich) auf Grundlage von Marktwerten vornehmen. Alle Sicherheiteninformationen sollen in einer wachsenden Datenbank erfasst und mit deren Hilfe regelmäßig plausibilisiert werden.

FAZIT

Die großen Kreditinstitute haben die ihnen

zugewiesenen Aufgaben im Zusammen-

hang mit dem Leitfaden aufgenommen und

sind bereits auf einem guten Weg, diese

auch in den nächsten Monaten weitgehend

implementiert zu haben.

Von einigen bislang ungeklärten Detailthe-

men – wie beispielsweise einer gewissen

Uneinheitlichkeit der vom Leitfaden vorge-

zeichneten Einzelwertberichtigungs- und

Abschreibungskonzepte einerseits und

den entsprechenden IDW-Verlautbarungen

andererseits oder der erforderlichen

Anpassung von Vertrags-

dokumentationen – abgesehen, scheint die

Umsetzung des Leitfadens zwar viel Arbeit,

aber keine ernsthaften Probleme zu be-

reiten. Bei den kleineren Kreditinstituten,

für die der Leitfaden nicht unmittelbar gilt,

aber wohl zumindest in seinen wesentli-

chen Linien entsprechend anwendbar ist,

sind noch einige Hausaufgaben zu erledi-

gen, wozu erhebliche Ressourcen aufzu-

wenden sind.

Autor: Dr. Andreas Walter, LL.M., ist Rechtsan-

walt und Partner bei der Schalast Rechtsanwäl-

te mbH, dort leitet er die Praxisgruppe Banking

und Finance.

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MANAGEMENT

COMPLIANCE-METHODE AUF INTERVIEW-BASIS

Wenn Soft-Faktoren Risiken bergenCompliance bedeutet nicht nur, in einem Unternehmen auf die Einhaltung von Gesetzen und

Regeln zu achten. Nicht selten ist es vielmehr die Nichtbeachtung sogenannter Soft-Faktoren,

die zu unethischem Verhalten führen kann. Die ING-DiBa setzt aktuell eine neue Compliance-

Methode um, in deren Mittelpunkt Interviews stehen. Dadurch sollen Compliance-Risiken auf-

grund von Soft-Faktoren identifiziert und bei den Führungskräften ein entsprechendes Be-

wusstsein für diese Thematik geschaffen werden.

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MANAGEMENT

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das Risiko, dass unethisches Verhalten auf-fällt. Die meisten Menschen schätzen sehr genau ab, welche Wagnisse sie eingehen und welchen potenziellen Nutzen sie aus ihrem unethischen Handeln ziehen könnten.

Überwiegt das Risiko, sinkt die Bereit-schaft zu unethischem oder verbotenem Handeln drastisch. Die Faktoren zwei und drei lassen sich hingegen kaum mit Hard Controls beeinflussen. Das heißt konkret: Eine effektive Compliance-Risikokultur muss um Soft Controls ergänzt werden. Aber wie?

Von Hard und Soft ControlsIm Jahr 2015 machte die ING, der Mutter-konzern der ING-DiBa, im Rahmen des so-genannten „Orange Code“ die Integrität zur zentralen Grundlage ihrer Geschäftsprinzi-pien. ÿ 1

Dieser Code stellt die Integrität über alles. Heißt konkret: Jeder kann erwarten, dass die Bank integer handelt – die Kunden, die Mit-arbeiter, die Lieferanten und nicht zuletzt die gesamte Gesellschaft. Integrität interpretiert die Bank in diesem Zusammenhang als eine Balance zwischen den Rechten und Interessen aller Beteiligten.

Die als Konsequenz aus der Finanzkrise verschärfte und professionalisierte Compli-ance-Kultur legt den Schwerpunkt üblicher-weise auf die Beachtung von Gesetzen und Regeln. Dabei erfordert Compliance nach ganzheitlichem Ansatz viel mehr, nämlich die

Beachtung der Geschäftsprinzipien des Un-ternehmens und des ethischen Verhaltens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Es gilt also, die bisherigen Compliance-Methoden zu prüfen und um neue Monito-ring-Methoden zu ergänzen. Die ING er-kannte, dass die erwähnten Hard Controls nicht ausreichen, um die Compliance-Risi-ken im gewünschten Umfang zu identifizie-ren und zu minimieren.

Aufgrund dieser Erkenntnis wurde das Compliance Risk Culture Monitoring (CRCM) ins Leben gerufen, in dessen Mittel-punkt vor allem die Soft Controls stehen. ÿ 2 Die entscheidenden Soft-Faktoren, die Risi-kopotenzial bergen können, sind:

1. Leadership2. Communication3. Decision Making4. Enforcement.

Die neue Compliance-Kultur wurde – in Teil-bereichen modifiziert und den deutschen Ge-gebenheiten angepasst – auch von der deut-schen Tochter ING-DiBa übernommen. Im Mittelpunkt des CRCM stehen dabei Inter-views, die zwei Compliance Officer jeweils einzeln mit den Mitgliedern des Vorstands und des Direct-Report-Levels führen.

Ziel dieser Interviews ist es, die erwähn-ten Soft-Faktoren anzusprechen und mögli-che Risiken zu identifizieren.

Wenn Ver-trauen die Rendite ist,

dann ist ethisches Verhalten in all seinen Facetten das

Investment. Nur: Was mo-tiviert einen Menschen zu ethischem Verhalten? Oder die vielleicht noch

spannendere Frage: Was ver-führt ihn dazu, unethisch zu handeln? Nach Ansicht von

Psychologen ist die Gier eine star-ke Triebfeder.

Doch nicht jeder Mensch, dem die Gier innewohnt, handelt zwangsläufig unethisch. In der Regel kommen andere, die Aus-

führung unethischen Handelns be-günstigende Begleitumstände hinzu.

Die wichtigsten sind:

1. die Gelegenheit („Das merkt doch kei-ner“)

2. der innere Druck („Es läuft gut für mich; das habe ich mir verdient“)

3. die innere Rechtfertigung („Jeder tut es; wenn ich es nicht tue, bin ich vielleicht ethisch, aber letztlich der Dumme“).

Lediglich der erste Faktor lässt sich mithil-fe von Hard Controls weitgehend ausschal-ten. Denn durch genauere Kontrollen wächst

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MANAGEMENT

Neuland für Compliance OfficerAuf diese Interviews werden die Compliance Officer systematisch vorbereitet. Denn in der Tat geht es nicht etwa darum, einfach nur be-stimmte Dinge abzufragen, sondern in einem Dialog mit den Interviewpartnern deren Ein-schätzungen und Einordnungen der erwähn-ten Soft-Faktoren zu erfahren.

Für die meisten Compliance Officer stellt diese Methode Neuland dar. Die

Interviews sollen Anhaltspunk-te für den Einfluss von Soft-Faktoren auf die Compli-

ance-Kultur liefern und gleichzeitig

das Be-wusstsein

für dieses Thema

schärfen. Hierzu ist

es erfor-derlich,

dass die Compliance

Officer darin trainiert wer-

den, solche Inter-views zu führen

und die erforder-lichen Fragetechni-

ken zu lernen. Dafür wurden professionel le

Schauspieler eingesetzt, um die Compliance Officer entspre-

chend zu coachen.

Wichtig erscheint dabei nicht zuletzt ein hohes Maß an Empathie, die ihrerseits wiede-rum eine sogenannte Soft Skill darstellt und die gleichsam die Basis aller Kommunikati-onstechniken ist. In der Empathie oder der Fähigkeit, sich in das Gegenüber hineinzu-versetzen, liegt oftmals der Schlüssel funkti-onierender Kommunikation und erfolgrei-cher Gesprächsführung.

Bevor jedoch die Gespräche mit den Vor-standsmitgliedern und Direct-Reports der ING-DiBa beginnen, erfolgt ein Desk Re-search, mit dessen Hilfe sich die Compliance Officer auf ihren Interviewpartner und des-sen Aufgabenbereiche sorgfältig vorbereiten. Sie stellen einen Katalog von Fragen zusam-men, die ihnen mit Blick auf die Soft Control relevant erscheinen. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um eine Art Leitfaden. Es ist nicht vorgesehen, dass die Interviews aus-schließlich auf der Basis dieser Fragen statt-finden. Sie erweisen sich aber als hilfreich bei der Vorbereitung und Strukturierung der In-terviews.

Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, die Compliance Officer arbeiteten eine Checkliste ab. Wichtig ist bei diesen Gesprä-chen eine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens. Die Gespräche sollten in einer transparenten und konstruktiven Weise ge-führt werden, immer mit dem gemeinsamen Ziel, den Risiko-Level des Unternehmens zu reduzieren. Nicht die Fragen, die während des Interviews gestellt werden, dürfen stan-dardisiert sein, sondern die Struktur des Ge-sprächs. Darüber hinaus stellen die Compli-

ance Officer in jedem Fall absolute Anonymi-tät und Vertraulichkeit sicher. Niemand darf erfahren oder auch nur erahnen, wer welche Antworten gegeben hat.

Spielregeln der InterviewsVor Beginn des Interviews wird der Kandidat in der sogenannten Kick-off-Phase über den Zweck des Gesprächs und die Art der Analy-se informiert. Damit soll vor allem dem Ein-druck entgegengewirkt werden, dieses Inter-view sei eine Prüfung seiner Integrität.

Das anschließende Interview wird von zwei Compliance Officern geführt, wobei die Gesprächsleitung situativ wechselt. Beide machen sich während des Gesprächs Notizen (elektronische Aufzeichnungen sind tabu) und werten ihre Erkenntnisse und Eindrücke später in einem gemeinsamen Gespräch aus. Für jedes Interview wird ein Zeitaufwand zwischen eineinhalb und zwei Stunden ver-anschlagt.

Es hat sich gezeigt, dass sich die Ge-sprächspartner im Laufe der Interviews im-mer offener und ungezwungener zu den an-gegebenen Themen äußern. Zu den Fragen, die gestellt werden, gehört zum Beispiel, wie der Betreffende selbst sein Führungsverhal-ten und seinen Management-Style beschreibt. Auch das Kommunikations-Verhalten spielt eine wichtige Rolle.

In der Regel werden in den Interviews die allgemeinen Compliance-Risiken und deren Wahrnehmung, die Hard Controls, die ein-gangs erwähnten Soft Controls sowie mögli-che weitere Risiken diskutiert. Am Ende fra-

1 | Der „Orange Code“ der ING

Unsere drei Werte Unsere drei Verhaltensweisen

Wir sind ehrlich Du nimmst die Dinge in die Hand und treibst sie voran

Wir sind umsichtig Du hilfst anderen erfolgreich zu sein

Wir sind verantwortungsbewusst Du bist immer einen Schritt voraus

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MANAGEMENT

gen die Compliance Officer den Kandidaten, wie dieser das Interview empfand und wie er persönlich diese neue Methode beurteilt.

Nach dem Interview besprechen die bei-den Compliance Officer die gewonnenen Er-kenntnisse und diskutieren zum Beispiel auch unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Resultate des Interviews werden in einem Be-richt zusammengefasst und anschließend mit allen Befragten in der Gruppe besprochen. Auch hier gilt wieder: Anonymität muss ge-währleistet sein.

Nicht der Einzelne steht im Mittelpunkt, sondern die Risikoreduzierung für das Un-ternehmen. Dabei wird Wert auf ein mög-lichst zeitnahes Gespräch gelegt. Bildhaft aus-gedrückt: Das Gespräch soll noch stattfinden, so lange die Tinte, mit der man den Bericht verfasst hat, frisch ist.

Erkenntnis und AwarenessIm Vordergrund dieser Interviews steht wie erwähnt die Frage, wie die erwähnten Soft-Faktoren von den Vorstandsmitgliedern be-ziehungsweise Direct Reports gelebt und er-fahren werden. Gleichsam als Nebenprodukt sollen die Gespräche zur Awareness beitragen, also zur Bewusstseinsschärfung im Hinblick auf den Stellenwert der Soft-Faktoren bei der Minimierung von Compliance-Risiken im Unternehmen. Ein Thema, das in der Vergan-genheit eine eher untergeordnete Rolle spielte.

Somit besteht der Prozess jeweils aus fünf Phasen. In der ersten Phase erfolgt die Vorbereitung (Desk Research), dann schließt sich die Information des betreffenden Kandi-daten an (Kick-off), in der dritten Phase wird das Interview geführt, das in der vierten Pha-se ausgewertet und analysiert wird. Im fünf-ten Schritt erfolgen Feedback und Imple-mentation.

Besonders interessant wird dieser Pro-zess, wenn er von der horizontalen Linie, also Gesprächen mit den Vorstandsmitgliedern, in die Vertikale mündet, sprich: Wenn die In-terviews mit den Direct Reports auf der Hie-rarchie-Ebene unterhalb des Vorstands ge-führt werden. Hier zeigt sich, ob die Selbst-einschätzung des verantwortlichen Vorstands mit der Realität übereinstimmt oder ob eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremd-wahrnehmung besteht. Am Ende eines jeden Prozesses stehen Empfehlungen an die Grup-pe, egal ob Vorstandsmitglieder oder Direct Reports, die jedoch keinen bindenden Cha-rakter haben. Nach den Vorstandsmitglie-dern der ING-DiBa werden in den nächsten Monaten die Direct Reports interviewt. Die bisher gesammelten Erfahrungen sind durch-aus positiv. Auch bei den Interviewten stieß diese Methode nicht nur auf Zustimmung, sondern förderte sogar den einen oder ande-ren Erkenntnisgewinn zutage. Das Feedback seitens der Interviewten ließ erkennen, dass die Gespräche als hilfreiche Bewussseins-schärfung zur Wahrnehmung von Compli-ance-Risiken im Arbeitsbereich der Inter-viewten empfunden wurden. Mithilfe der Soft Controls gelingt es somit, auch latente Compliance-Risiken zu identifizieren und zu minimieren.

FAZIT

Die von der ING-DiBa angewandte Methode

von Interviews mit Vorständen und

Direct-Reports dürfte sich als

ein zusätzliches, effizientes

Instrument zur Umsetzung

eines ganzheitlichen Compli-

ance-Ansatzes erweisen.

2 | Der Interview-Prozess des Compliance Risk Culture Monitorings (CRCM)

Vorbereitung(Desk Research)

Kick-off mit Interviewpartnern

InterviewAuswertung und Analyse

Feedback und Implementation

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Autor: Jan-Erik Künstler,

Leiter Compliance der

ING-DiBa AG, Frankfurt

am Main.

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MANAGEMENT

DAS COMPLIANCE MANAGEMENT SYSTEM IM DCGK

Vorstand soll für mehr Transparenz sorgenDer Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) stellt das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns bereits in

seiner Präambel in den Vordergrund. Darauf basierend wird deutlich, dass die Prinzipien der sozialen Markt-

wirtschaft von Vorstand und Aufsichtsrat nicht nur Legalität, sondern auch ethisch fundiertes und eigenver-

antwortliches Handeln verlangen. Der Beitrag zeigt die Anforderungen an das Compliance-Management-

System in diesem Kontext, beschreibt potenzielle Herausforderungen und setzt sich mit den Anforderungen

an die Compliance-Funktion nach MaRisk im Vergleich zum DCGK auseinander.

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5309 // 2017

MANAGEMENT

Der neue Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), der seit Veröffentli-chung im Bundesanzeiger am 24. April

2017 seine Geltung entfaltet, hat zum Ziel, das deutsche Corporate Governance System trans-parent und nachvollziehbar zu machen. Zu die-sem Zweck stellt er wesentliche gesetzliche Vor-schriften zur Leitung und Überwachung bör-sennotierter Gesellschaften dar und enthält an-erkannte Standards guter und verantwortlicher Unternehmensführung. Hierfür unterscheidet er drei Arten von Regelungen: gesetzesbeschrei-bende Passagen, Empfehlungen (im Text durch „soll“ gekennzeichnet) und Anregungen („soll-te“). Gemäß § 161 Absatz 1 AktG sind börsen-notierte Gesellschaften dazu verpflichtet, jähr-lich anzuzeigen, ob den Empfehlungen des DCGK entsprochen wurde und wird. Sollten Empfehlungen nicht angewendet werden, sind hierfür entsprechende Gründe anzugeben („comply or explain“). Der DCGK gibt an, dass börsennotierte Kreditinstitute und Versiche-rungsunternehmen aufgrund des jeweiligen Aufsichtsrechts Besonderheiten unterliegen. Diese werden allerdings im Kodex nicht weiter berücksichtigt.

Als eine wesentliche Änderung wurde erst-malig das Compliance Management System (CMS) im Verantwortungsbereich des Vor-stands thematisiert. Der Begriff Compliance findet dabei bereits seit längerer Zeit Berück-sichtigung im DCGK. Neben dem Weiterbeste-hen dieser Regelungen beinhaltet jedoch Ziff.

4.1.3 DCGK eine neue Empfehlung. An dieser Stelle wird nunmehr dem Vorstand empfohlen, er soll für „angemessene, an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtete Maßnahmen (Compliance Management System) sorgen und deren Grundzüge offenlegen“.

Somit müssen die Verpflichteten nunmehr zu diesem Punkt Stellung beziehen, sofern sie von dieser Empfehlung abweichen. Gleiches gilt für die Empfehlung zur Einführung eines Hin-weisgebersystems für Mitarbeiter. Zudem wird lediglich angeregt, ein solches Hinweisgebersys-tem auch für Dritte zugänglich zu machen.

Den Änderungsbeschlüssen ging eine sechswöchige Konsultationsphase voraus. Die eingegangenen Stellungnahmen von Banken und Branchenverbänden zeigten, dass das Vor-haben zur Schaffung von mehr Transparenz grundsätzlich begrüßt wird. Teilweise wurde jedoch kritisch hinterfragt, wie diese im Rah-men der bestehenden Compliance-Vorschrif-ten in den Unternehmen berücksichtigt werden könnten.1

CMS und Compliance-Funktion nach KWG / MaRiskBei einem CMS handelt es sich um ein aufbau- und ablauforganisatorisches Rahmenwerk und damit um einen rein methodischen Ansatz. Der Prüfungsstandard IDW PS 980 legt ein CMS fest als „die auf der Grundlage der von den gesetz-lichen Vertretern festgelegten Ziele […] ein-geführten Grundsätze und Maßnahmen eines

Unternehmens […], die auf die Sicherstellung eines regelkonformen Verhaltens der gesetzli-chen Vertreter und der Mitarbeiter des Unter-nehmens sowie ggf. von Dritten abzielen, d. h. auf die Einhaltung bestimmter Regeln und da-mit auf die Verhinderung von wesentlichen Ver-stößen (Regelverstöße)“.2 Nichtsdestotrotz sind die in diesem Standard genannten Maßnahmen Leitplanken eines CMS, denn rechtliche Vorga-ben zur konkreten Ausgestaltung eines solchen existieren bislang nicht. Inwieweit Unterneh-men einer Verpflichtung unterliegen, ein Com-pliance-Management-System aufzubauen, ist nach wie vor umstritten.3 Eine Herleitung kann jedoch durch die §§ 93, 91 Abs. 2 und § 76 Abs. 1 AktG sowie § 130 OWiG erfolgen.4

Für Kredit- und Finanzdienstleistungsin-stitute existieren konkretere Regelungen als die zuvor genannten. So obliegt es den Geschäfts-leitern nach § 25a Abs. 1 KWG, i. V. m. AT 4.4.2 MaRisk, die Einhaltung der gesetzlichen Be-stimmungen zu gewährleisten und im Rahmen der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation eine Compliance-Funktion einzurichten.5 Doch ist für die Finanzbranche rechtlich nicht kodifi-ziert, ob dazu ein CMS verwendet werden muss. Da dem DCGK kein Gesetzescharakter zukommt, verändert sich diese Situation nicht mit der Aufnahme des CMS in die Ziff. 4.1.3 DCGK. Jedoch sind zwischen dem CMS nach DCGK (und ggf. dem IDW PS 980) und der Compliance-Funktion nach KWG / MaRisk Überschneidungen ersichtlich.

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MANAGEMENT

Risikolage des UnternehmensNach den Vorgaben des DCGK hat der Vor-stand für angemessene, an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtete Maßnahmen zu sorgen. Hierbei gilt es zunächst festzustellen, wie sich die Risikolage des Unternehmens dar-stellt bzw. wie diese zu ermitteln ist.

Banken stehen – abhängig von Rahmenbe-dingungen wie der Unternehmensgröße und dem Geschäftsmodell – unterschiedlichsten Risiken gegenüber, die institutsspezifisch iden-tifiziert und bewertet werden. Der DCGK nennt hinsichtlich der zu berücksichtigenden Risiken keine weiteren Einschränkungen.

Hierbei ist fraglich, ob die zu ermittelnde Risikolage mit der Risikoidentifizierung vergli-chen oder gar gleichgesetzt werden kann, wel-che von der Compliance-Funktion nach Maß-gabe des AT 4.4.2 MaRisk zur Erfüllung ihrer Aufgaben gefordert ist.

Die Compliance-Funktion hat die für das Institut wesentlichen rechtlichen Regelungen und Vorgaben – deren Nichteinhaltung zu ei-ner Gefährdung des Vermögens des Instituts führen kann – unter Risikogesichtspunkten zu identifizieren. Als Basis dieser Identifizierung haben sich die sog. Compliance-Risiken (Sank-tions-, Reputationsrisiko und sonstiges finan-zielles Risiko) etabliert.6 Basierend auf dem damit zusammenhängenden Risikomodell werden die wesentlichen rechtlichen Regelun-gen und Vorgaben abgeleitet, und die Compli-ance-Funktion wirkt auf angemessene und wirksame Verfahren für deren Einhaltung hin. Die Compliance-Funktion betrachtet damit „lediglich“ die Compliance-Risiken.

In einer Bank werden jedoch in anderen Organisationseinheiten weitere Risiken identi-fiziert, z. B. durch die Risikocontrolling-Funk-tion. Im Vergleich zu solchen Funktionen fin-det sich bei der dargestellten Aufgabe der Compliance-Funktion und der Zielrichtung des DCGK eine wichtige Überschneidung: Der DCGK hat das Ziel eines guten Corporate-Governance-Systems, der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu

sorgen und muss auf deren Beachtung hinwir-ken. Damit scheint der Kodex bei der Risikola-ge des Unternehmens insbesondere auf solche Risiken abzustellen, die sich aus den rechtli-chen Anforderungen ergeben. Die von der Compliance-Funktion identifizierten Risiken dürften sich somit als eine Teilmenge der Ge-samtrisikolage der Bank darstellen. Wie die weiteren Risiken für die Ableitung von Com-pliance-Maßnahmen zu berücksichtigen sind, ist institutsspezifisch zu festzulegen.

Angemessene Compliance-MaßnahmenSowohl die Ausgestaltung eines CMS nach IDW PS 980 als auch Ziff. 4.1.3 des DCGK ha-ben das Ergreifen von Maßnahmen zum Inhalt. Die Compliance-Funktion nach KWG / Ma-Risk hat auf die Implementierung von Verfah-ren (sprich Maßnahmen) und Kontrollen zur Einhaltung wesentlicher rechtlicher Regelun-gen und Vorgaben hinzuwirken. Dazu benö-tigt sie ein aufbau- und ablauforganisatorisches Rahmenwerk. Die jeweiligen Maßnahmen ori-entieren sich dabei an den vorher analysierten Risiken der Compliance-Funktion für wesent-liche rechtliche Regelungen, die Maßnahmen des DCGK an der vorher bestimmten Risiko-lage. Somit werden nicht nur die Maßnahmen, sondern auch die diesen zugrunde liegenden rechtlichen Regelungen, auf welche die Com-pliance-Funktion hinwirkt, eine Teilmenge der Maßnahmen des DCGK sein. Ob und wie weit hier jedoch die Maßnahmen der Compliance-Funktion ergänzt werden müssen, ist instituts-spezifisch zu entscheiden.

Ein weiterer wichtiger Unterschied besteht darin, dass der Vorstand nach dem DCGK für angemessene Maßnahmen sorgen soll. Hinge-gen hat die Compliance-Funktion nach KWG / MaRisk neben der Angemessenheit auch die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Einhaltung wesentlicher rechtlicher Regelungen und Vor-gaben zu beurteilen. In diesem Zusammen-hang ist festzuhalten, dass nur wirksame und somit funktionsfähige Maßnahmen zu einem Schutz des Unternehmens, der Vorstände und Mitarbeiter beitragen können.

Offenlegung der Grundzüge eines CMSDurch die Offenlegung der Grundzüge des CMS soll sich die interessierte Öffentlichkeit über die Anstrengungen der Unternehmen in-formieren können.7 Der Änderungsentwurf des DCGK, welcher Grundlage der Konsulta-tionsphase war, sah vor, dass die Grundzüge des CMS im Corporate-Governance-Bericht veröf-fentlicht werden. Dies wurde in den Stellung-nahmen durchaus kritisch gesehen.

Zum einen ist der Corporate-Governance-Bericht ein gemeinsamer Bericht von Vorstand und Aufsichtsrat. Die Beschreibung des CMS liegt jedoch im alleinigen Verantwortungsbe-reich des Vorstands, sodass eine gemeinsame Erklärung nicht zielführend schien. Zum ande-

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5509 // 2017

MANAGEMENT

ren wurde angemerkt, dass häufig bereits an anderer Stelle Erläuterungen des CMS erfol-gen, wie z. B. im Geschäftsbericht des Unter-nehmens. Eine zusätzliche Aufnahme in den Corporate-Governance-Bericht würde damit keinen Mehrwert an Information schaffen.8 Von der Empfehlung, die Grundzüge des CMS im Corporate-Governance-Bericht zu veröf-fentlichen, wurde abgesehen, sodass nunmehr andere Möglichkeiten in Betracht kommen, etwa die Veröffentlichung auf der Homepage des Unternehmens. Aufgrund der institutsspe-zifischen Ausgestaltung eines CMS ist eine all-gemeingültige Aussage zum Umfang der Be-schreibung nur schwer möglich und fehlt der-zeit. Um den Vorgaben des DCGK gerecht zu

werden und die Grundzüge offenzulegen, ist sicherlich eine Beschreibung der grundsätzli-chen getroffenen Maßnahmen vorzunehmen. Aufgrund der weitreichenderen regulatori-schen Anforderungen der Banken werden die-se im Verhältnis zu anderen Branchen regelmä-ßig sehr weit fortgeschritten sein. Der Umfang sollte sich jedoch stets an der Zielsetzung ori-entieren, den Investoren und der interessierten Öffentlichkeit ein grundlegendes Bild über die Anstrengungen in Bezug auf eine gute Compli-ance der Bank zu vermitteln. Die Compliance-Funktion nach KWG / MaRisk wirkt auf die Umsetzung von rechtlichen Regelungen und Vorgaben in unterschiedlichen Organisations-einheiten hin und berichtet ihrerseits wieder-

um an den Vorstand und Aufsichtsrat. Dieser Bericht wird inhaltlich mit Sicherheit bedeu-tend umfangreicher sein als eine Offenlegung nach dem DCGK. Es kann jedoch überprüft werden, ob Aufbau und Struktur als Orientie-rungshilfe dienen können.

FAZIT

Der DCGK verlangt vom Vorstand die Ein-

führung eines CMS. Für dessen Ausgestal-

tung wird wohl zumeist auf den IDW PS 980

zurückgegriffen. Für die Banken scheint

aufgrund der bereits vorher geltenden re-

gulatorischen Compliance-Anforderungen

die Neuerung des DCGK eine vergleichswei-

se geringe Hürde darzustellen. Dennoch ist

es notwendig, die einzelnen Anforderungen

hinsichtlich der Risikolage, den abzulei-

tenden Maßnahmen sowie des Umfangs

der Beschreibung der Grundzüge des CMS

Aufmerksamkeit zu widmen. Die Arbeit der

Compliance-Funktion nach KWG / MaRisk

kann hier als Ausgangsbasis dienen. Den-

noch muss institutsspezifisch analysiert

werden, ob und inwieweit die bereits durch-

geführten Tätigkeiten den Anforderungen

des DCGK entsprechen und an welcher

Stelle diese zu ergänzen sind.

Autoren: Dorit Schroeren, Partnerin, und

Edmund Blum, Senior Associate, beide bei der

KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit

Beratungsschwerpunkt Financial Services.

1 Vgl. Stellungnahme Deutsche Bank; Stellungnahme Commerzbank; Stellungnahme BVI.

2 Vgl. IDW PS 980, S. 3.3 Baur, Holle, NZG, 171; Rack, CB 3/2017, 60.4 Vgl. hierzu ausführlich Koch, in : Hüffer/Koch, Aktiengesetz Kommen-

tar, 2016, § 76 Rn. 13.5 Konkretisierung der Ausgestaltung im Wesentlichen durch AT 4.4.2

MaRisk.6 In Teilen Anlage 1 zum Rundschreiben 47/13 des Bankenfachverban-

des vom 28. August 2013.).7 Vgl. Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex,

Pressemitteilung, S. 3.8 Vgl. Stellungnahme Commerzbank, S. 1; Stellungnahme Deutsche

Bank, S. 2; Stellungnahme DAI, S. 5; Stellungnahme VGR, S. 5.

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REGULIERUNG

Die gute Nachricht vorab: Das neue Ge-setz stellt Banken bei der Insolvenzan-fechtung nicht schlechter als vor der

Reform. Vielmehr sorgen die Regelungen punktuell für Verbesserungen – vor allem beim Einzug von Forderungen. Im Einzelnen legen die neuen Regelungen die folgenden Punkte fest:

Z Verkürzte Anfechtungsfrist – Abmil-

derung des Einzelrisikos im Regelfall:

Eine Verbesserung für alle Gläubiger des Schuldners – also auch für Banken – ist die Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre. Diese zeitliche Be-schränkung greift bei einer Befriedigung oder einer Besicherung von Forderungen eines Insolvenzgläubigers. Selbst bei einer inkongruenten Deckung, wie sie bei-spielsweise die Nachbesicherung darstellt, greift diese Verkürzung. Nur in Ausnah-mefällen bleibt es weiter bei der Frist von zehn Jahren.Die Folge: Für die in der Bankenpraxis re-levanten Sachverhalte hat die Fristverkür-zung keine wesentlichen Auswirkungen. Schon bislang werden nur selten Zahlun-gen angefochten, die zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags länger als vier Jahre zu-rückliegen. Allerdings betreffen die weni-gen Ausnahmen dieser Regel oftmals be-sonders hohe Beträge. Für solche Fälle wird das Risiko im Einzelfall spürbar ab-gemildert. Durch die Fristverkürzung be-steht jetzt bereits nach vier Jahren ohne ei-nen Insolvenzantrag Gewissheit, dass die Empfänger die Zahlungen auf ihre Forde-rungen in jedem Fall behalten dürfen.

Banken können daher eventuelle Rückstel-lungen früher als bislang auflösen.

Z Weniger Anfechtungsbegehren beim

Einzug von Forderungen: Dieser Punkt ist von besonderer Bedeutung, da nach der aktuellen Rechtsprechung des Bun-desgerichtshofs eine Vorsatzanfechtung beispielsweise von Ratenzahlungen selbst dann möglich ist, wenn die mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt ist. Mit den neuen gesetzlichen Regelungen kann der Insol-venzverwalter sein Anfechtungsbegehren nicht mehr allein darauf stützen, dass die Bank Kenntnis von einer drohenden Zah-lungsunfähigkeit hatte. Jetzt muss der Bank in der Regel bekannt sein, dass die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist. Darüber hinaus will das Gesetz nun Zahlungen privilegieren, die auf Zah-lungserleichterungen basieren, die dem Schuldner gewährt wurden. Auch wenn die Reichweite der Privilegierung erst durch den BGH konkretisiert werden wird, verbessert sich die Position der Bank in solchen Fällen.Die Folge: Die Anfechtungsbegehren ge-gen Banken beim Einzug von Forderun-gen – auch aus gekündigten Engagements und gegebenenfalls nach Abschluss von Rückführungsvereinbarungen – sollten weniger werden.

Z Handhabung von Sanierungskrediten:

Der für Banken wichtige Bereich der Sa-nierungs- und Überbrückungskredite ist weiterhin nicht gesetzlich geregelt. Zwar profitieren zur Mitwirkung bei der Sanie-

rung bereite Institute oft da-von, dass sich erst die Kenntnis von der eingetretenen Zah-lungsunfähigkeit zu ihren Nachteilen aus-wirkt. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn Banken bei Sanierungskrediten eine (Teil-) Nachbesicherung ihrer Altforde-rungen verlangen. Dies stellt eine soge-nannte inkongruente Deckung dar, die insoweit nach den neuen Regelungen nicht privilegiert ist. Auch wenn die Frist hier auf vier Jahre verkürzt ist, bleibt die Anfechtungsgefahr ohne entsprechende positive Sanierungsgutachten weiterhin bestehen. Die Folge: Banken können bei Sanie-rungskrediten auch mit dem neuen Gesetz nicht auf (kostenintensive) Sanierungs-konzepte oder -gutachten verzichten. Die-se sind aber in der Regel ohnehin auf-sichtsrechtlich notwendig.

Z Erweiterung des Bargeschäfts als

weitere Verteidigungsmöglichkeit: Durch die neuen Regelungen wird das so-genannte Bargeschäftsprivileg erweitert und seine grundsätzliche Anwendbarkeit bei der Vorsatzanfechtung angeordnet. Die Folge: Banken erhalten durch die Er-weiterung eine extra Verteidigungsmög-lichkeit gegen Anfechtungsbegehren von Insolvenzverwaltern. Der Bargeschäfts-einwand kann, wenn die Institute Über-brückungs- oder Sanierungskredite gegen dafür zeitnah neu hereingenommene Si-

REFORM DER INSOLVENZANFECHTUNG

BGH, bitte übernehmen Sie!Die neuen Regelungen zur Insolvenzanfechtung sind seit dem 5. April in Kraft. Sie bringen

für Banken wichtige Änderungen, die die Institute kennen und beachten sollten – besonders

vor dem Hintergrund, dass die Reform die Anfechtungsgefahren keineswegs besei-

tigt. Eine zentrale Rolle spielt auch zukünftig die Rechtsprechung des Bundesge-

richtshofs (BGH).

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REGULIERUNG

cherheiten gewähren, jetzt zusätzlich he-rangezogen werden. Dadurch wird die Unanfechtbarkeit der Bestellung von Si-cherheiten gegen neue Darlehen noch einmal unterstrichen.

Was wird der BGH mit dem neuen Gesetz anfangen?Auch wenn das neue Gesetz inzwischen be-reits einige Zeit in Kraft ist, sollten Banken insbesondere die Rechtsprechung des BGH, aber auch die der Instanzgerichte im Blick behalten.

Denn rechtliche Klarheit wird es erst dann geben, wenn der Bundesgerichtshof den unbestimmten Rechtsbegriffen – von denen es im Gesetz eine Vielzahl gibt – greifbare Konturen gegeben hat und Unsicherheiten aus einer unklaren rechtssystematischen Ein-ordnung von Regelungen beseitigt. Bis dahin werden jedoch noch einige Jahre vergehen. Solange gibt es keine vollständige rechtliche Klarheit.

Autor: RA Karsten Kiesel ist im Bereich

Sanierungs- und Insolvenzberatung bei der

Kanzlei Schultze & Braun tätig.

RELEVANTE ENTSCHEIDUNGEN:

DER BUNDESGERICHTSHOF UND DIE INSOLVENZANFECHTUNG

Mit Blick auf die Insolvenzanfechtung und die neuen gesetzlichen Regelungen sind zwei Ent-

scheidungen des BGH besonders bemerkenswert:

Z Urteil vom 21. Januar 2016 – IX ZR 84/13: Nach diesem Urteil ist nach bisherigem Recht

eine Vorsatzanfechtung selbst dann möglich, wenn bei uneingeschränkt bestehender Zah-

lungsfähigkeit zum Zeitpunkt einer geschuldeten und erfolgten Zahlung bereits feststeht,

dass erst künftig die Zahlungsunfähigkeit eintritt. Nach der Neuregelung kann der Insol-

venzverwalter bei aktuell nur drohender Zahlungsunfähigkeit sein Anfechtungsbegehren

in solchen Fällen nicht mehr mit dem Eingreifen einer gesetzlichen Vermutung begründen.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob der BGH der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit unab-

hängig von den gesetzlichen Regelungen eine beweisrechtliche Wirkung zukommen lässt.

Z Urteil vom 16. Juni 2016 – IX ZR 23/15: Der BGH geht bei dieser Entscheidung davon

aus, dass der Anfechtungsgegner von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit seines

Geschäftspartners bereits weiß, wenn die fälligen Verbindlichkeiten ihm gegenüber stark

anwachsen und der Schuldner ankündigt, diese nur in Raten und im Fall des Zuflusses

neuer Mittel begleichen zu können. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Kenntnis

der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit setzt der BGH in dieser Entscheidung verhältnis-

mäßig niedrig an. Sollte sich diese Tendenz im Rahmen der Vorsatzanfechtung bestätigen,

bedeutet dies eine Entwertung der Privilegierung kongruenter Zahlungen durch die Re-

form. Die Hürde zum Nachweis der Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ist

vom Insolvenzverwalter dann einfacher zu nehmen, was deren formale Erhöhung durch die

Reform relativiert. Der eingangs erwähnte und insbesondere für Banken positive Aspekt

der Reform würde dann fühlbar abgeschwächt.

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REGULIERUNG

AUSLAGERUNGSMANAGEMENT

Effizienzgewinn mit GrenzenDer Trend zum Outsourcing setzt sich seit Jahren fort, und der Umsetzung kommt bei vielen Banken

mittlerweile eine hohe Bedeutung zu – getrieben durch betriebswirtschaftliche Überlegungen und

die zunehmende Standardisierung von IT-Systemen und Prozessen. Gleichwohl verschärfen sich die

gesetzlichen Anforderungen an Auslagerungen immer weiter, nicht zuletzt durch die angekündigte

Novelle der MaRisk.

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REGULIERUNG

Für die Institute steigen einerseits die He-rausforderungen einer wirtschaftlich sinnvollen Umsetzung von Auslagerun-

gen, ggf. müssen bestehende Voraussetzungen neu bewertet werden. Andererseits sind mit dem Einkauf von Dienstleistungen nicht aus-schließlich Vorteile verbunden. Je nach Insti-tutsgröße und -zweck ergeben sich Grenzen. Ein qualifiziertes Management sowie die re-gelmäßige Überwachung des Outsourcing-Providers sind zwingend erforderlich.

Zudem kann es in Abhängigkeit vom aus-gelagerten Volumen an einen Dienstleister zu Konzentrationsrisiken kommen. Der folgende Beitrag untersucht Herausforderungen und Grenzen von Auslagerungen unter Berück-sichtigung der aus der MaRisk-Novelle abge-leiteten Anforderungen am Beispiel einer im Rückbau befindlichen Bank.

Herausforderungen bei Aus- lagerungenGemäß MaRisk AT 9 liegt eine Auslagerung vor, wenn ein anderes Unternehmen mit der Wahrnehmung von Aktivitäten und Prozes-sen im Zusammenhang mit der Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleis-tungen beauftragt wird, die ansonsten vom Institut selbst erbracht würden. Mit Ausnah-me der Leitungsaufgaben der Geschäftslei-tung können grundsätzlich alle Aktivitäten und Prozesse ausgelagert werden, solange da-durch die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfts-organisation gemäß § 25a Abs. 1 KWG nicht beeinträchtigt wird. Aus der MaRisk-Novelle ergeben sich im Wesentlichen folgende zu-sätzliche Anforderungen an die Institute:

Eine Auslagerung der Kernbankbereiche und Kontrollbereiche (insbesondere Risiko-controlling, Compliance und Interne Revisi-on) ist nur dann zulässig, wenn in diesen Be-reichen weiterhin fundierte Kenntnisse und Erfahrungen vorgehalten werden, die es er-möglichen, die Steuerung dieser ausgelager-ten Bereiche effektiv wahrzunehmen und bei Bedarf auch eine Rückverlagerung in das Ins-titut ohne Störungen des Betriebsablaufs zu gewährleisten.

Durch ein zentrales Auslagerungsma-nagement ist sicherzustellen, dass an einer Stelle im Institut der Gesamtüberblick über ausgelagerte Prozesse und Aktivitäten gege-ben ist. Dies stellt den einheitlichen Umgang mit den besonderen Risiken aus Auslagerun-gen und deren Überwachung sicher.

Aus der Praxis ist eine Reihe von Herausfor-derungen bei der Umsetzung von Auslagerun-gen bekannt:

Z Anlaufschwierigkeiten: Langwieriges in-haltliches Beschreiben der auszulagern-den Tätigkeiten, zeit- und kostenintensi-ves Aussuchen eines Providers, Kosten für Analysten, Berater und Rechtsanwälte, ar-beitsaufwendige Übergangsphase.

Z Hoher Steuerungsaufwand: Koordinati-on und Kommunikation; Implementie-rung angemessener Steuerungsstrukturen.

Z Kosten: Preis der Auslagerung sowie Mi-grationskosten; je nach Entwicklung der Ansprüche werden zusätzliche Leistungen notwendig.

Z Abhängigkeit / Know-how-Verlust: Eine Leistung kann kurzfristig nicht mehr selbst erstellt werden – die MaRisk-An-

forderungen der Umkehrbarkeit müssen berücksichtigt sein. Erfahrung geht ver-loren.

Z Unternehmenskultur: Die generelle Um-stellung resultiert in neuen Anforderun-gen an Management, Organisationsstruk-turen und Mitarbeitermotivation.

Ein Beispiel für Auslagerungs- management Anders als ihre Rechtsvorgängerin WestLB AG, die als internationale Geschäftsbank im Markt aktiv war, arbeitet die Portigon AG (PAG) im Rahmen ihres Rückbaus unter voll-ständig veränderten Prämissen. Dies erforder-te eine radikale Veränderung der hausinternen Prozesse und der Organisationsstrukturen. Gleichzeitig mussten hohe Qualitätsstandards gewahrt werden, damit jederzeit ein Überblick über mögliche Risiken sichergestellt werden konnte. Ein Weg zur Sicherstellung dieser Anforderungen war bzw. ist die Auslagerung von Aufgaben. Dabei wird jede Auslagerung dahingehend bewertet, inwieweit sie ökono-misch sinnvoll und gleichzeitig rechtlich ver-tretbar ist.

Die PAG hat aktuell u. a. IT-Leistungen (Wartung, Betrieb und Entwicklung der not-wendigen IT-Infrastruktur und Applikatio-nen), das Backoffice, die Verwaltung von Kre-diten sowie das Meldewesen (Regulatorisches Berichtswesen) an einen einzelnen Provider ausgelagert.

Grundsätzlich liegt die wirtschaftliche und inhaltliche Verantwortung für die Ausla-gerung sowie die Verantwortung für den Aus-lagerungsprozess in der PAG dezentral in den auslagernden Bereichen. Die Steuerung des

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60 09 // 2017

REGULIERUNG

Providers erfolgt hingegen über ein zentrales Auslagerungsmanagement, das einen einheit-lichen Prozess sicherstellt und Transparenz über alle wesentlichen Auslagerungen schafft. Folgende vier Funktionen stellen dabei die Steuerungsgrößen dar:1. Gesamtsteuerung der Servicebeziehung

mit dem Provider. Strategische Planung in Kooperation mit dem Provider und mit dem Ziel einer Weiterentwicklung der Be-ziehung; Bündelung der Anforderungen der Geschäftsbereiche der PAG.

2. Vertrags- und Finanzmanagement. Pfle-ge des jeweiligen Servicevertrags, An-sprechpartner für den Provider zu allen vertraglichen Belangen, Verhandlungen zu neuen Services oder Preisanpassungen von bestehenden Services sowie Rech-nungswesen und Berichterstattung.

3. Service-Management. Schnittstelle zum Provider zu fachlichen Fragen im Rahmen der täglichen Leistungserbringung, z. B.

die Prüfung, ob die für die jeweiligen Leis-tungen vereinbarten Services vom Provi-der erbracht wurden, dazu die Kontrolle und Überwachung der Qualität der gelie-ferten Leistungen, ggf. Eskalation bzw. Einleitung geeigneter Maßnahmen.

4. Risikomanagement. Jährlicher Review der bestehenden Auslagerungen bezüglich ihrer Erfüllung der OpRisk-Anforderun-gen („Nachschauprüfung“). Ziel ist die Benennung der wesentlichen Auslagerun-gen gem. MaRisk sowie ein Risk Self As-sessment (RSA) für alle als wesentlich ein-gestuften Outsourcings. ÿ 1

Verantwortlich für die Funktionen eins bis drei ist der Bereich IT / Dienstleistungssteu-erung, Funktion vier übernimmt der Bereich Operationelles Risiko & Compliance.

Zur laufenden Steuerung gehören auch regelmäßige Prüfungen, inwieweit bestehende Verträge an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen sind und inwieweit die Auslage-

1 | Risk Self Assessment (RSA) für wesentliches Outsourcing

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Geschäftstätigkeit bei Ausfall erheblich beeinträchtigt?

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Auslagerung 1 9 X XEigenerstellung der Leistung möglich

Auslagerung 2 16 X XMandatierung Dritter für benötigte Services

Auslagerung 3 20 X XHandlungsoptionen offen/ in Prüfung

...

rungen noch strategiekonform sind. Der Be-reich IT / Dienstleistersteuerung erstellt quar-talsweise einen Auslagerungsreport, der den Status der wesentlichen Auslagerungen kate-gorisiert beschreibt. ÿ 2

Die IT-Auslagerung berücksichtigt heute bereits die konkretisierten Anforderungen aus den sich derzeit in der Konsultationspha-se befindlichen Bankaufsichtlichen Anforde-rungen an die IT (BAIT). Diese beziehen sich auf die geplanten Regelungen der MaRisk-Novelle und legen den Fokus auf die Integra-tion von Vereinbarungen zum Informations-risikomanagement, zur Informationssicher-heit und zum Notfallmanagement. Diese soll-ten den Zielvorgaben des Instituts entspre-chen. Für nicht wesentliche Auslagerungen erfolgen die o. g. Funktionen in der Regel durch den auslagernden Bereich. Bei der konkreten Ausgestaltung sollte das Proporti-onalitätsprinzip beachtet werden, d. h. die Intensität der Steuerungs- und Überwa-

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REGULIERUNG

Auslagerung Status Trend Abweichungen/ Erklärungen Kontrolle

Auslagerung 1 Mehrere Instabilitäten im Berichtszeitraum

Rückmeldungen des Providers zum Abgleich

Auslagerung 2Keine nennenswerten Beeinträchtigungen in der Leistungserbringung

Auslagerung 3Keine nennenswerten Beeinträchtigungen in der Leistungserbringung, Vertragsverlängerung läuft

...

2 | Statusreport der wesentlichen Auslagerungen

chungsmaßnahmen ist an die Komplexität der Auslagerung anzupassen. Jegliche Ände-rung der Auslagerungen hinsichtlich Art, Umfang, Kosten, etc. ist vom auslagernden Bereich zeitnah dem Bereich IT / Dienstleis-tersteuerung zu melden.

Grenzen von AuslagerungenBei der Entscheidung für Auslagerungen spie-len grundsätzlich Sinnhaftigkeit und Wirt-schaftlichkeit eine wichtige Rolle. Eine zeit- und kostenintensive Auswahl des Providers, mögliche Zusatzkosten in der weiteren Zu-sammenarbeit durch fehlendes Spezialwissen oder möglicherweise veränderte Rahmen-bedingungen sowie der für eine erfolgreiche Auslagerung sinnvolle und laut MaRisk not-wendige Steuerungsaufwand sollten bei der Entscheidung berücksichtigt werden.

Neben diesen Aspekten sind auch weiche-re Faktoren wie Mitarbeitermotivation und neue Anforderungen an Management und Organisationsstrukturen eines Instituts zu be-rücksichtigen.

Die PAG hat aufgrund ihrer Vergangen-heit auch heute noch Aufgaben, die ein spe-zielles internes Know-how, historisches Wis-sen und erfahrene Mitarbeiter erfordern, ins-besondere in den Bereichen Recht, Steuern und Finanzen. Eine Auslagerung dieser Be-reiche ist daher nicht opportun. Nicht ausge-lagert wurden zudem Aufgaben der Kern-

bank-/ Kontrollbereiche Risikomanagement, Compliance und Revision. Für die effektive Steuerung der Auslagerung dieser Aufgaben müssen gemäß MaRisk-Novelle auch weiter-hin fundierte Kenntnisse und Erfahrungen vorgehalten werden. Die vorhandenen Pro-zesse und langjährigen Mitarbeiter stellen diese Anforderungen sicher. Unter wirt-schaftlichen Aspekten erscheint daher eine Auslagerung für diese Aufgaben generell fraglich. Unterstützungsleistungen für das Management von Marktpreisrisiken werden dagegen bereits heute vom Service-Provider übernommen.

Mitarbeiterinteressen berücksichtigenDer Rückbau der PAG aufgrund der Entschei-dung der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2011 ist mit einem konsequen-ten Personalabbau verbunden. Vor diesem Hintergrund wurden Unternehmensbereiche ausgelagert bzw. veräußert oder, wie oben beschrieben, Aufgaben ausgelagert. Der Be-triebsrat des Instituts wurde frühzeitig in die Unternehmensentscheidungen eingebunden, um die Mitarbeiterinteressen zu berücksich-tigen. Der Rückbauprozess ist noch nicht be-endet. Die Organisationsstrukturen sind auch zukünftig den jeweiligen Rahmenbedingun-gen anzupassen, nur so ist ein regelkonformer und gleichzeitig erfolgreicher Auslagerungs-prozess gewährleistet.

FAZIT

Auslagerungen sollten ökonomisch sinnvoll

und wirtschaftlich vertretbar sein. Zugleich

müssen Organisation und Management von

Auslagerungen jederzeit sich verändernde

regulatorische Voraussetzungen erfüllen.

Dabei müssen Auslagerungen eng durch das

auslagernde Institut gesteuert werden. In

einigen Bereichen ist es sogar zwingend er-

forderlich, weiterhin ein hohes Maß an Exper-

tise im eigenen Institut vorzuhalten. Je nach

Unternehmensgröße und -zweck können sich

Grenzen bei der Umsetzung ergeben, da mit

zunehmenden Anforderungen die Wirtschaft-

lichkeit einer Auslagerung möglicherweise

nicht mehr gegeben ist. Die MaRisk-Novelle

sowie die BAIT lassen darauf schließen, dass

Regulatoren zukünftig tendenziell strengere

Maßstäbe an das Management von Auslage-

rungen anlegen werden. Es bleibt abzuwar-

ten, inwieweit insbesondere kleine oder sich

im Umbruch befindende Unternehmen, für

die Auslagerungen grundsätzlich eine gute

Möglichkeit zur Verschlankung darstellen,

diesen Anforderungen entsprechen können.

Autoren: Dr. Peter Stemper (Vorsitzender des

Vorstands Portigon AG). Sabine Hauschildt

(Operationelles Risiko & Compliance Portigon

AG; Mitglied des Vorstands Deutsche Gesell-

schaft für Operational Risk Management e. V.).

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62 09 // 2017

REGULIERUNG

Im Januar 2018 wird die zweite EU-Zahlungs-diensterichtlinie, die PSD2, in den EU-Mit-gliedstaaten in Kraft treten. Wesentliches

Merkmal dieser Richtlinie ist der Zugang zum Bankkonto des Kunden über sogenannte Dritt-dienstleister. Dabei wird zwischen dem Zah-lungsauslösedienst, dem Kontoinformations-dienst und dem kartenausgebenden Dienst un-terschieden. Banken müssen diesen Dienstleis-tern einen kostenfreien Zugang zum Zah-lungskonto (in der Regel Girokonten) gewähr-leisten, sofern das Konto online zugänglich ist.

PSD2 regelt Kontozugriff für Dritt-dienstleisterDie PSD2 regelt zudem Rechte und Pflich-ten für die neuen Dienstleister. Diese unter-liegen zukünftig der Aufsicht: Zahlungsaus-löse- und kartenausgebende Dienste werden für ihre Tätigkeit eine Zulassung von der na-tionalen Aufsichtsbehörde benötigen; Konto-informationsdienste müssen sich bei der Auf-sicht registrieren lassen. Für die Zulassung und Registrierung wird bei Zahlungsauslö-se- und Kontoinformationsdiensten eine Be-rufshaftpflichtversicherung oder eine gleich-wertige Garantie vorausgesetzt. Ohne weiteres dürfen jedoch Zahlungsauslöse- und Konto-informationsdienste nicht auf das Zahlungs-konto zugreifen – Bankkunden müssen dem Zugriff vorher zugestimmt bzw. diesen beauf-tragt haben. Zudem müssen sich Drittdienst-leister gegenüber der Bank identifizieren und dürfen nur auf die Daten zugreifen, die für ih-ren Dienst notwendig sind.

ZahlungsauslösediensteKauft ein Kunde im E-Commerce ein, so kann er für die Zahlungsabwicklung einen Dienst-leister wie beispielsweise Paydirekt nutzen. Neu im Sinne der PSD2 ist, dass alle online verfügbaren Zahlungskonten ohne vorherige Freischaltung für Drittdienstleister erreichbar sind und dass Drittdienstleister im Namen des Kunden und mit dessen Zustimmung auf das Konto zugreifen können. Hierfür müssen sie sich identifizieren und können erst dann die Zahlung initiieren. Standardmäßig handelt es sich um Einzelüberweisungen, die in allen Währungen und weltweit getätigt werden kön-nen, sofern die jeweilige Bank dieses Angebot auch im Online Banking unterbreitet.

KontoinformationsdiensteKontoinformationsdienste sind in der Lage, im Namen des Kunden Kontoinformationen wie Umsätze, Salden und Vormerkposten abzuru-fen, sofern diese auch im Online Banking dem Kunden bereitgestellt werden. Auch hier gibt es bereits Anbieter am Markt, die sogenannte Kontoaggregationsdienste anbieten und Kon-toinformationen bündeln. Dies ist insbeson-dere für Kunden interessant, die Konten bei mehreren Banken haben. Die Anwendungs-szenarien können sehr vielfältig sein, da diese Informationen Rückschlüsse auf die Bonität, das Kaufverhalten und die Lebensumstände eines Kunden ermöglichen. Daraus ergeben sich – das Einverständnis des Kunden voraus-gesetzt – neue Dienstleistungen, die dem Kun-den angeboten werden können.

ZAHLUNGSVERKEHR

Private Banken unterstützen einheitliche PSD2-SchnittstelleDas neue Zahlungsrecht, die PSD2 (Payment Services Directive 2), erlaubt Drittdienstleistern mit vorheriger

Zustimmung des Kunden den Zugriff auf Zahlungskonten. Die privaten Banken haben sich von Anbeginn für

eine europaweit einheitliche Schnittstelle ausgesprochen und arbeiten bereits mit Hochdruck an der Umset-

zung. Ob jedoch das Ziel einer europaweiten Harmonisierung erreicht werden kann, hängt maßgeblich von

der Ausgestaltung der regulatorischen Rahmenbedingungen des europäischen Gesetzgebers ab.

Kartenausgebende DiensteHierbei handelt es sich um Dienstleister, die an Kunden eigene Karten (meist Bonuskar-ten) mit einer Bezahlfunktion ausgeben. Vor Bezahlung mit dieser Karte kann eine Abfrage an die kontoführende Bank durchgeführt wer-den, ob der zu zahlende Betrag auf dem Konto verfügbar ist. Die Bank gibt daraufhin eine Ja- oder Nein-Antwort zurück. Beträge werden nicht reserviert. Die Besonderheit ist hierbei, dass der Kunde diesen Dienst vorher bei sei-ner Bank freischalten lassen muss.

Europäische Bankenaufsichtsbehörde definiert DetailsDie PSD2 regelt nicht die Details des Kontozu-griffs. Dazu wurde die Europäische Bankenauf-sichtsbehörde (EBA) ermächtigt, sogenannte „Technische Regulierungsstandards“ (Regula-tory Technical Standards, RTS) für die siche-re Kommunikation und die starke Kundenau-thentifizierung zu definieren. Im Entwurf wur-den diese Standards bereits Anfang 2017 ver-öffentlicht. Vorausgegangen war ein Konsul-tationsprozess mit über 200 Rückmeldungen.

Die EBA musste einen Ausgleich divergie-render Marktinteressen finden und schlug in Bezug auf den Kontozugang für Drittdienst-leister einen Kompromiss vor, der Banken die Wahlfreiheit zwischen einer dedizierten Schnittstelle und einem Zugang zum heutigen Online Banking des Kunden ermöglicht. Die Deutsche Kreditwirtschaft begrüßte diese Re-gelung, da damit die hohen Sicherheitsstan-dards des Zahlungsverkehrs für Kunden wie

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REGULIERUNG

Banken erhalten bleiben und die Basis für eine europaweit einheitliche Schnittstelle (auch API genannt, Application Program-ming Interface) geschaffen wird.

Die Europäische Kommission hatte nach Übermittlung des Entwurfs durch die EBA drei Monate Zeit, diesen zu prüfen. Ihre Än-derungsvorschläge teilte sie im Mai 2017 der

EBA mit. Seitdem wird intensiv über die The-men Screen Scraping und Fallback-Lösung diskutiert.

Screen ScrapingScreen Scraping ist eine Technik zum Ausle-sen von Informationen aus Internetseiten. Im Bankenumfeld ist diese Technik umstritten, da

sich ein Dienstleister im Namen des Kunden und mit dessen Zugangsdaten in das Online Banking einloggt. Die Bank kann nicht un-terscheiden, ob es sich dabei um den Kunden selber oder um einen Dritten handelt. Zudem ist vielen Kunden nicht bewusst, dass für den Dienstleister alle Daten einsehbar sind, auf die der Kunde selbst zugreifen kann – seien es Kon-

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REGULIERUNG

toumsätze, sein Verfügungslimit, Dispokredi-te, Depot- und Kreditkartenkonten. Sowohl die EBA als auch die EU-Kommission haben sich gegen das Auslesen von Daten und Initiieren von Überweisungen per Screen Scraping ausge-sprochen. Sie vertreten die Auffassung, dass mit der Umsetzung der Kontoschnittstelle ein Zu-griff auf Bankkonten per Screen Scraping nicht mehr erlaubt ist. Dies ist positiv zu bewerten. Dennoch wird über das Thema Screen Scraping als Fallback-Lösung weiter diskutiert.

Fallback-Lösung Die EU-Kommission hat in ihrem Änderungs-vorschlag Anforderungen an eine Fallback-Lösung neu aufgenommen, falls die Schnitt-stelle nicht innerhalb von 30 Sekunden er-reichbar ist oder nicht den erforderlichen Datenumfang der PSD2 umfasst. In diesem Fall soll es Drittdienstleistern nach vorheri-ger Identifizierung erlaubt sein, auf das Online Banking zuzugreifen. Was als Anreiz zur Ent-wicklung einer funktionsfähigen Schnittstelle gegenüber Banken gedacht ist, entpuppt sich jedoch als Irrglaube, da1. sowohl die dedizierte Schnittstelle als auch

das Online Banking auf der gleichen tech-nischen Infrastruktur basieren. Fällt die Schnittstelle aus, so ist auch das Online Banking hiervon betroffen;

2. ein Fallback, das lediglich die Identifizie-rung des Drittdienstleisters beinhaltet, nichts anderes als ein erweitertes Screen Scraping wäre. Drittdienstleister hätten demnach weiterhin Zugriff auf alle verfüg-baren Daten im Online Banking;

3. ein Fallback – wie die Schnittstelle selber – den Regularien der PSD2 unterliegt. Diese sehen unter anderem vor, dass Banken nur die für den jeweiligen Service relevanten Daten zur Verfügung stellen dürfen.

Fallback-Lösung verhindert europäische HarmonisierungDie Fallback-Lösung führt bei Banken zu dop-pelten Investitionskosten, da sie bei der Nut-zung einer dedizierten Schnittstelle auch ein

PSD2-konformes Fallback über das Online Banking umsetzen müssen. Die Konsequenz wäre, dass Banken womöglich nicht in eine europaweit einheitliche Schnittstelle investie-ren werden, sondern auf die Wahlmöglich-keit aus den „Technischen Regulierungsstan-dards“ der EBA zurückgreifen und lediglich einen Zugang für Drittdienstleister zum On-line Banking einrichten.

Dies wäre eine Abkehr von der angestreb-ten Standardisierung, die bis dato den europä-ischen Zahlungsverkehrsmarkt geprägt hat. Drittdienstleister müssten bilaterale Verbin-dungen zu mehreren tausend Banken in Eu-ropa aufbauen. Von Harmonisierung sowie der Förderung von Wettbewerb und Innova-tionen im Sinne der PSD2 kann dabei nicht die Rede sein – ebenso wenig von einem Level Playing Field für alle Marktteilnehmer. Nur wenige, bereits existierende Marktteilnehmer mit einem entsprechenden Geschäftsmodell würden davon profitieren. Dies hat auch die EBA erkannt und die Änderungsvorschläge der EU-Kommission zum Fallback kritisiert. Stattdessen schlägt sie Alternativen wie eine dreimonatige Testphase, Verfügbarkeitsindi-katoren entsprechend dem Online Banking und eine Überprüfung der Schnittstelle durch die EBA 18 Monate nach Inkrafttreten vor. Diese Kriterien wären im Einklang mit heuti-gen Systemanforderungen und würden den Markt bei der Umsetzung einer funktionsfä-higen Schnittstelle unterstützen.

Private Banken befürworten europaweit einheitliche Umsetzung Deutsche Banken haben bereits frühzeitig ihr Interesse an einer europaweit einheitli-chen Umsetzung signalisiert. Das Ziel sollte es sein, alle Banken mit nur einem Standard zu erreichen, um nicht bilaterale Beziehungen zu tausenden Banken aufbauen zu müssen. Dies wäre nicht nur im Interesse neuer Marktteil-nehmer, sondern auch im Interesse der Ban-ken, die als Drittdienstleister agieren möchten.

Die EBA wurde zwar ermächtigt, „Techni-sche Regulierungsstandards“ für den Kontozu-

gang zu definieren, ihre Vorschläge sind aber weder technisch noch handelt es sich um Stan-dards im Sinn von konkreten Implementie-rungsvorgaben. Stattdessen hat sie das Ziel ver-folgt, möglichst geschäftsmodell- und techno-logieneutrale Vorgaben zu definieren, die ge-nügend Freiraum für zukünftige Innovationen lassen. Obwohl nachvollziehbar, wurde damit die konkrete Umsetzung dem Markt überlas-sen. Für eine europaweit einheitliche Schnitt-stelle ist jedoch ein entsprechender Standard, der auf konkreten technischen Anforderungen basiert, notwendig. Die privaten Banken unter-stützen daher gemeinsam mit den anderen Verbänden der Deutschen Kreditwirtschaft die Aktivitäten der Berlin Group, einer seit 2004 existierende europäische Standardisierungsor-ganisation im Zahlungsverkehr.

Diese hat die „NextGenPSD2-Initiative“ ins Leben gerufen, um eine einheitliche Schnittstellenspezifikation für den PSD2-Kontozugang für Drittdienstleister zu entwi-ckeln. Mittlerweile sind über 25 Organisatio-nen aus ganz Europa dieser Initiative beigetre-ten. Das Ziel ist es, im Herbst 2017 einen Spe-zifikationsentwurf für eine Marktkonsultation zu veröffentlichen und bis Ende 2017 die Spe-zifikation zu finalisieren.

Trotz gemeinsamer Bestrebungen eines europaweit einheitlichen Standards gibt es auch nationale Initiativen, beispielsweise in Großbritannien, Frankreich und Polen. Wich-tig wäre es daher, eine größtmögliche Inter-operabilität zwischen diesen Standards zu er-reichen. Auf fachlicher Ebene gibt es bereits einen intensiven Austausch. Auch wenn am Ende nicht eine einzige europaweit einheitliche Lösung existiert, wären einige wenige Schnitt-stellen im Vergleich zu mehreren tausend Ver-bindungen bereits ein wichtiger Schritt in Richtung eines harmonisierten Zahlungsver-kehrsmarkts für die PSD2-Schnittstelle.

Zeitplan zur Umsetzung der PSD2-SchnittstelleIm Herbst 2017 will die EU-Kommission den delegierten Rechtsakt zu den „Technischen

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REGULIERUNG

Regulierungsstandards“ dem EU-Parlament und dem Rat zur Verabschiedung übermit-teln. EU-Parlament und Rat haben nach Übermittlung maximal drei Monate Zeit, dem delegierten Rechtsakt zuzustimmen oder ihn komplett abzulehnen.

Erfolgen beispielsweise eine Verabschie-dung und Veröffentlichung noch im Oktober 2017, bleiben dem Markt 18 Monate Zeit für die Umsetzung. Der Kontozugang – ob als dedizierte Schnittstelle oder über das Online Banking – würde somit frühestens im April 2019 zur Verfügung stehen.

FAZIT

Auf den letzten Metern wird auf europäi-

scher Ebene noch um wesentliche Inhalte

zur Ausgestaltung des Kontozugangs für

Drittdienstleister gerungen. Dabei geht es

um die alles entscheidende Frage, ob das ei-

gentliche Ziel der PSD2 – die Förderung von

Innovationen und Wettbewerb im Zahlungs-

verkehr – tatsächlich erreicht werden kann.

Die Vorgaben des europäischen Gesetz-

gebers werden richtungsweisend für eine

ganze Branche sein. Die privaten Banken

befürworten und unterstützen die Entwick-

lung einer einheitlichen Schnittstelle. Nur

diese wäre eine zeitgemäße Antwort auf die

PSD2. Es obliegt nunmehr dem europäi-

schen Gesetzgeber, entweder die Rahmen-

bedingungen für einen fairen Wettbewerb

in Europa zu schaffen oder lediglich das

Geschäftsmodell einiger weniger Marktteil-

nehmer zu schützen.

Autorin: Bettina Schönfeld ist Abteilungsdirek-

torin beim Bundesverband deutscher Banken.

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DIGITALISIERUNG

CHATBOTS MÜSSEN ERST LAUFEN LERNEN

Schöne neue WeltWas haben IBM, Facebook und die CSU gemeinsam? Sie alle arbeiten neuerdings mit Chatbots. Diese text-

basierten Dialogsysteme sollen IT-Nutzern das Leben noch leichter machen als bisher – informieren, helfen

oder amüsieren. Entsprechend groß sind die Erwartungen – auch im Bankumfeld. Genauso hoch werden

allerdings die Enttäuschungen sein, wenn Kreditinstitute sich zu viel auf einmal zumuten und Chatbots als

reines IT-Thema betrachten. Die Geldhäuser sind dann erfolgreich, wenn sie die neue Technologie maßge-

schneidert in ihr Gesamtangebot integrieren und sich selber und ihre Kunden dabei nicht überfordern.

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DIGITALISIERUNG

Goldgräberstimmung kam im April 2016 auf, als Marc Zuckerberg ankündigte, den Facebook Messenger auch für Chatbots zu öff-nen. Fast über Nacht ergab sich ein Milliardenpublikum. Rund

30.000 Bots fanden innerhalb von sechs Monaten ihren Weg in den Messenger, um den Usern das Leben noch leichter zu machen. Um ohne „App-Bruchkante“ den Status der letzten Bestellung zu erfragen, um freie Hotelzimmer zu finden, das Wetter am Reiseziel zu erfragen oder um im Dialog Produkte zu kaufen. Der erhoffte Aufstieg solcher Bots geht einher mit einem langsamen Abstieg der Apps. Die gibt es zwar auch erst seit zehn Jahren, trotzdem ist bereits eine Sättigung bei den Nutzern eingetreten. Viele User haben ihren Standardsatz an fünf bis sechs viel genutzten Programmen (darunter vor allem Social Media-Apps) – die große Mehrzahl an Apps nutzen sie hingegen selten oder gar nicht.

Wie schön wäre da ein Programm, das in einer Oberfläche die Funktionen vieler Apps vereint und darüber hinaus noch ganz einfach zu bedienen ist. Genau hier setzen Chatbots an: Durch mündliche oder schriftliche Interaktion ermitteln sie den Wunsch des Nutzers durch Textanalyse und natürliche Sprachverarbeitung, greifen auf verschie-denste Datenbanken zurück, um ihn zu beantworten und spucken das Ergebnis wieder aus – sei es eine bloße Information oder die Bestäti-gung einer ausgelösten Aktion. Fluglinien setzen die Technik als digi-talen Concierge ein, um Kunden den Status ihres Flugs oder Informa-tionen zu den Gepäckrichtlinien zu übermitteln. Auch im Banking tauchen Chatbots vermehrt auf: Die Möglichkeiten reichen vom „ein-fachen“ Infobot, der allgemeine Kundenanfragen beantwortet, bis hin zum persönlichen Bankassistenten, der alle Funktionen des Bankge-schäfts abbilden kann – sei es im Messenger, in der Bankapp oder auf der Webseite des jeweiligen Instituts.

Nur Tamtam?Für Kritiker ist der Hype um Bots genau das: ein Hype. Viel Tamtam ohne Substanz. Einen richtigen Nutzen können sie Bots nicht abge-winnen – sie seien die Lösung für ein nicht bestehendes Problem. Der Großteil von Bankgeschäften sei standardisiert und lasse sich perfekt und einfach online oder auf dem Smartphone erledigen. Hier böten

Bots keinen Vorteil. Im Gegenteil: Einem Chatbot die Überweisung zu erklären, dauere mindestens so lange, wie das Klicken durch gutge-machte Apps. Für alles andere gäbe es Telefone – oder für ganz exoti-sche Anliegen gar den Besuch in einer richtigen Filiale! Dazu kommt eine enorme Fehlerquote, wie im Februar dieses Jahres bekannt wur-de: Nur rund 30 Prozent aller (einfachen) Kundenanfragen könnten die verschiedenen Facebook-Bots derzeit fehlerfrei beantworten. Zu wenig, um Kunden zufriedenzustellen – oder gar dauerhaft deren Ver-trauen zu gewinnen.

Das nämlich ist ein dritter Makel: die fehlende Kundenakzeptanz. Jeder zweite Online-Käufer kommuniziert ungern mit Chatbots. Zu un-persönlich, ungenau und umständlich, so die verbreitete Meinung. Al-lerdings hängt dieser Punkt eng mit dem vorigen zusammen: Dann und nur dann, wenn Chatbots einen hohen Anteil von Nutzerfragen verste-hen und hierauf hilfreiche Antworten geben, werden sie von Kunden auch akzeptiert. Chatbots, die mit großen Erwartungen gestartet sind, droht ein jähes Ende. Entweder, weil sich die meisten Funktionen gar nicht so umsetzen lassen, wie anfangs gedacht. Oder, weil sich die Kun-den dann doch lieber an die erprobten (und oft gar nicht einmal schlech-ten) Kommunikationswege halten. Banken, die Chatbots im Hauruck-verfahren einführen wollen, laufen Gefahr, sich nachhaltig die Finger zu verbrennen. Wenn sie dann Chatbots aus Vorsicht lieber ganz meiden, entgeht ihnen die Chance, langfristig einen wichtigen Kanal zu besetzen.

Und sie lohnen sich doch!Denn trotz aller Schwächen haben Chatbots auch für Banken klare Vor-teile: Sie können die Reichweite steigern und die Bank rund um die Uhr ansprechbar werden lassen. Und das sowohl in sozialen Netzwerken als auch auf der eigenen Homepage und in der App. Die Bereitstellung von Informationen – seien sie statisch („Wie teuer ist das Kontomodell?“) oder kunden- und zeitspezifisch („Ist mein Gehalt schon eingegangen?“) – können Bots bequemer und schneller erledigen als bisherige Formate wie FAQ und Suchfenster. Besser als reine Formulare sind sie allemal, wenn sie den Kunden interaktiv durch den Eingabeprozess führen und benötigte Informationen erläutern. Die sprachliche Qualität lässt sich durch den Einsatz der „richtigen“ Technologien und kontinuierlicher

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DIGITALISIERUNG

Verbesserung so stark erhöhen, dass kritische Schwellen bei der Kun-denakzeptanz überschritten werden. Zu guter Letzt lassen sich über Bots tiefgreifende Erkenntnisse über die Kunden gewinnen. Von derzeitigen Suchinteressen bis hin zur Stimmung – alles relevante Faktoren für ein fundiertes Customer Relationship Management. Das erlaubt dem je-weiligen Institut dann, für beide Seiten passende Produkte anzubieten – und mithin den Provisionsertrag zu steigern. Eine erfolgreiche Ein-führung von Bots ist nicht unmöglich – die grundsätzliche Technologie steht bereit und viele Industrien haben schon erste Schritte gemacht. Dennoch sollten Banken das Thema nicht auf die leichte Schulter neh-men, sondern sich an zwei Maximen halten:

Sinnvolle und realistische Ziele setzenDie Möglichkeiten für den Einsatz von Bots sind (fast) unbegrenzt. Dennoch sollten Banken nicht der Versuchung erliegen, diesen Kom-munikationskanal aufs Geratewohl für alles und nichts einzuführen. Stattdessen gilt: Bots nur, wenn sie für beide Seiten Nutzen stiften und wenn sie absehbar mit einem Mindestmaß an Zuverlässigkeit umge-setzt werden können.

Jeder „Use Case“ muss einen für den Kunden klar erkennbaren Vorteil gegenüber dem bisherigen Angebot bieten. Sonst nutzen sie schlichtweg den Bot nicht, mag er auch noch so revolutionär sein. Sol-che Mehrwertstifter sind beispielsweise Info-Bots, die dem Kunden Fragen zu allen Inhalten der Firmenwebseite entweder direkt beant-worten oder auf den richtigen Fundort verweisen können. Gegenüber den oft schlechten Suchfeldern vieler Bank-Homepages wäre das ein echtes Plus. Ebenso ein Service-Bot für einfache Anfragen – Adressän-derungen zum Beispiel. Hier ist der Weg über normale Formulare oft zu umständlich, der Servicemitarbeiter am Telefon nur zu begrenzten Zeiten verfügbar.

Aus Banksicht darf ein Bot nicht um seiner selbst willen oder um einfach „auch digital zu sein“ umgesetzt werden: Lösungen müssen di-

rekt oder indirekt Erträge versprechen oder den Aufwand reduzieren helfen. Das funktioniert etwa durch mehr gehaltene Kunden oder er-zielten Produktabsatz auf der einen Seite, und durch Entlastung der Call Center bei Serviceanfragen auf der anderen. Bei letzteren können Bots punkten, kostet jede beantwortete Frage doch nur rund ein Zehn-tel eines Call Center-Kontakts. ÿ 1

Bots arbeiten zwar 24 Stunden am Tag, über Nacht werden sie aber nicht den Servicebereich einer Bank umkrempeln. Umso wichtiger, ih-ren Erfolg anhand realistischer Zielgrößen zu ermitteln. Eine Automa-tisierungsquote von 25 Prozent aller einfachen Serviceanfragen inner-halb eines Jahres wäre beispielsweise ein sehr guter Anfang.

Chatbots laufend verbessernAuf keinen Fall darf ein Chatbot als einmal erstellte und dann fertige Lösung konzipiert werden. Denn in der Flexibilität besteht ein großer Vorteil gegenüber relativ starren Systemen wie Websites und Apps: Sie – bzw. ihre Entwickler und die Bank selbst – lernen aus jeder Interak-tion mit Kunden und werden daher ständig besser. So ist der oben er-wähnte Anteil von 30 Prozent richtig beantworteter Fragen für einen Bot „frisch aus dem Labor“ gar nicht untypisch. Mit einem guten Ent-wicklerteam im Hintergrund ist es aber möglich, diesen Anteil inner-halb weniger Wochen auf 70 bis 80 Prozent und mittelfristig auf über 90 Prozent zu steigern. ÿ 2

Das vielzitierte „Selbstlernen“ ist übrigens für Bots im Kundenser-vice erstens eine Fiktion und zweitens auch gar nicht sinnvoll: Aus den (oft nicht besonders gut formulierten) Fragen der Kunden lassen sich per se nicht die richtigen Antworten lernen, und ein Bot, der Informa-tionen von Nutzern ungeprüft übernimmt, wäre extrem leicht manipu-lierbar. Diese Erfahrung machte Microsoft 2016 mit dem Bot „Tay“, der innerhalb eines Tages durch Nutzerinput zum Rassisten wurde. Wichtig ist also, sich nicht auf das vermeintlich magische Machine Learning zu verlassen, sondern mit einem linguistisch erfahrenen Entwicklerteam

Kosten pro Kontakt in €

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4

2,5

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Web Chat

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pro Kontakt

1 | Chatbots können die Kosten pro Konversation um bis zu 90 Prozent senken

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DIGITALISIERUNG

2 | Der Anteil richtiger Antworten steigt schnell an

Chatbot-Performance über Zeit

zu arbeiten. Neben der sprachlichen Verbesserung ermöglicht ein itera-tives Vorgehen auch inhaltlich, kleinere, sinnvolle Leistungsfähigkeiten zur Marktreife zu bringen und einzuführen. Mit solchen „Minimum Viable Products“ lernen gleich vier Parteien: die Kunden lernen Bots und ihre Vorzüge kennen, die Bankorganisation lernt die Einführung und Integration von Bots in den Geschäftsbetrieb, die IT lernt techni-sche Herausforderungen und Lösungen kennen – und die Bots lernen wie beschrieben ebenfalls laufend dazu. In Summe erlaubt ein iteratives Vorgehen schnell aufeinanderfolgende, immer stärkere Generationen an Bots, die die Wünsche der Kunden besser und besser treffen.

Mehr als „nur eine IT-Herausforderung“ Erfolg haben Bots dann, wenn sie zum Geschäftsmodell passen und darauf einzahlen. Das setzt voraus, dass der Bot-Einsatz mit klar de-finierten Zwecken und Wirkungszusammenhängen geplant wird. Die genauen Ausprägungen der Lösungen lassen sich oft erst sukzessive gestalten. Meist erst dann, wenn erste richtige Kundenreaktionen vor-liegen. Das ist aber nicht mit „Fahren auf Sicht“ gleichzusetzen. Die Bestimmung des Zwecks der digitalen Helfer und deren Einordung in das zunehmend digitalisierte Geschäftsmodell der Bank sind keine Fra-ge von Ideenlabors oder Kundenbefragungen, sondern klassische Ma-nagementaufgaben.

Das oben beschriebene iterative Vorgehen erlaubt einen schlanken Projektansatz bei der Einführung von Bots. Zu schlank darf er aber nicht sein: Die reine Bereitstellung eines Bots und Anschließen an APIs reicht nicht aus. Ebenso wichtig ist es, die Bots so in das Gesamtangebot der Bank zu integrieren, dass Kunden und auch Mitarbeiter den neuen digitalen Servicemitarbeiter auch richtig einordnen und mit ihm arbei-ten können. Das bedarf der Mitarbeit gleich mehrerer Stakeholder:

Z Die Geschäftsführung muss Bots innerhalb ihrer digitalen Strategie verorten und eine Rolle zuweisen.

Z Die Bereiche Produktmanagement und Operations müssen die technischen Schnittstellen zu den von Bots bearbeiteten Produkte und Services benennen, und die Wechselwirkung des Bot-Einsatzes mit dem eigenen Geschäft beurteilen.

Z Service-Verantwortliche müssen prozessuale Schnittstellen aufzei-gen und die eigenen Mitarbeiter auf die Zusammenarbeit mit Bots vorbereiten.

Z Der Bereich Marketing muss auf ein markenkonformes, anspre-chendes Erscheinungsbild des Bots achten und die Einführung des Bots mit kommunikativen Mitteln begleiten.

Z Der Rechtsbereich schließlich ist für eine datenschutzkonforme Aus-gestaltung der Datenerhebung und -analyse, auf denen das Lernen der Bots und deren Produktempfehlungen beruhen, einzubinden.

FAZIT

Eine Bank, die Chatbots als Erweiterung der Kommunikationsmit-

tel zum Kunden begreift, nicht auf Selbstläufer hofft, sondern sie

in ihre Gesamtstrategie einbindet, die Einführung nicht als reine

IT-Aufgabe versteht und Organisation sowie Kunden behutsam an

die Technik heranführt, kann echte Mehrwerte generieren. Für alle

anderen bleibt nur das Warten auf den nächsten vermeintlichen

Goldrausch.

Autoren: Dr. Thomas Rüdel ist Gründer und Geschäftsführer der Kauz

GmbH, Düsseldorf. Dr. Michael Seibold ist Manager bei der Unternehmens-

beratung Berg Lund & Company.

0%

20%

40%

60%

80%

100%

120%

Richtig Akzeptabel Falsch

Start 1 Woche 2 Woche 6 Woche

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19%

75%

18%

45%

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39%

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DIGITALISIERUNG

CHANCEN FÜR EIN EUROPÄISCHES PAYMENT-SYSTEM

PSD2 als TüröffnerDurch die Digitalisierung des Einkaufens werden Payment-Systeme in Zukunft eine immer

wichtigere Rolle im Alltag spielen. Heute sind kartengestützte Verfahren im stationären

sowie verschiedenste Online-Bezahlmethoden im elektronischen Handel weit verbreitet.

Zu den bekannten Verfahren gesellen sich immer neue Bezahldienste hinzu. Technologien

wie der Nahfunkstandard NFC, die zweidimensionalen QR-Codes oder standardisierte

Schnittstellen wie FinTS ermöglichen die technische Umsetzung. Ergibt sich daraus die

Chance zu einem echten europäischen Payment-System?

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DIGITALISIERUNG

In der ersten Zahlungsdiensterichtlinie sind Payment-Systeme, die nur die technische Möglichkeit zur Durchführung von Zahlun-

gen bieten, nicht berücksichtigt worden. Da-her unterliegen viele dieser Dienste momen-tan keiner Beaufsichtigung. Dies wird sich zum nächsten Januar mit der neuen Zah-lungsdiensterichtlinie ändern. PSD2 steht in den Startlöchern und wird maßgeblich für Payment-Systeme innerhalb des europäischen Binnenmarkts sein.

Neben der Stärkung sicherheitstechni-scher Anforderungen, wie einer starken Kun-denauthentifizierung, möchte die EU den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Payment-System steigern und dadurch inno-vative Dienste fördern. Für FinTechs bietet die neue Richtlinie großartige Chancen, denn für alle Drittanbieter von Zahlungsdiensten müssen Banken innerhalb der EU künftig eine entgeltfreie Schnittstelle bereitstellen, über die z. B. Zahlungen ausgelöst oder Kon-toinformation abgerufen werden können.

Auch die eIDAS-Verordnung, welche die neue Gesetzesgrundlage für Vertrauens-dienste festlegt, wird in diesem Ökosystem in Europa und darüber hinaus eine wichtige Rolle einnehmen, wenn wir die Möglichkeit und die schnelle Veränderung durch den Di-gitalisierungsprozess intelligent nutzen.

Instant Payments können ein weiterer Treiber und die Chance zu einem europäi-schen Payment-System werden. Durch die

sofortige Zahlung wird Geld innerhalb von Sekunden transferiert und steht dem Zah-lungsempfänger zur weiteren Nutzung zur Verfügung. All diese Neuerungen benötigen innovative IT-Sicherheitstechnologien, die neben starken Sicherheitsmechanismen ei-nen hohen Komfort für die Benutzer bereit-stellen müssen.

Bei der Einführung eines innovativen Payment-Systems ist vor allem eines zu be-achten: Der neue Bezahldienst braucht mess-bare Vorteile gegenüber anderen bereits eta-blierten Verfahren. Kosten, Geschwindigkeit, Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit müs-sen deutlich verbessert werden, um Akzep-tanz auf Kunden- sowie Händlerseite zu ge-nerieren. Aus gesellschaftlicher Sicht wäre ein Bezahldienst aus Deutschland oder Europa zu begrüßen. Benutzerfreundlichkeit und Si-cherheit stehen im direkten Konflikt zueinan-der. Vor allem Kunden wollen sich nicht beim Online Checkout oder Bezahlen an der Kasse mit langen und komplizierten Authentifizie-rungsvorgängen herumschlagen.

Das Institut für Internet-Sicherheit – if(is) – hat mehrere interessante Forschungs-projekte durchgeführt, die sich mit einem neuen Bezahldienst für moderne und zu-kunftsorientierte Anwendungen beschäftig-ten. Heraus kam die innovative XignQR-Technologie, eine schnelle, benutzerfreundli-che und sichere Authentifizierungs- und Sig-naturanwendung. Sie ermöglicht das Ausfüh-

ren von Transaktionen in Sekundenschnelle. Durch die bald geltenden EU-Verordnungen ist jetzt der beste Zeitpunkt, einen neuen Be-zahldienst einzuführen.

PSD2 als Herausforderung für den FinanzsektorDie Payment Service Directive 2 (PSD2) ist vom Europaparlament beschlossen und ver-abschiedet worden und muss bis zum 13. Ja-nuar 2018 in nationales Recht umgesetzt wer-den. In Deutschland ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dafür verantwortlich.

Durch die PSD2 muss auch das Zah-lungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) angepasst werden. Inwieweit weitere Gesetze (z. B. KWG oder BGB) überarbeitet werden müs-sen, entscheidet die Aufsichtsbehörde. Die neue Zahlungsdiensterichtlinie verfolgt pri-mär zwei Ziele: Schaffung von Transparenz und Sicherheit sowie Innovationsförderung und mehr Wettbewerb. Darüber hinaus soll die bestehende Rechtsunsicherheit der ersten Richtlinie beseitigt werden.

Mit dem Inkrafttreten der PSD2 werden sogenannte dritte Zahlungsdienste1 in Zah-lungsauslöse- sowie Kontoinformations-dienste unterschieden. Zahlungsauslöse-dienste benötigen in Zukunft eine Genehmi-gung von der jeweiligen Aufsichtsbehörde. Kontoinformationsdienste erlauben die Kon-solidierung von Kontoinformationen bei ei-

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72 09 // 2017

DIGITALISIERUNG

nem oder mehreren Zahlungsdienstleistern und sind bei der entsprechenden Bundesbe-hörde lediglich registrierungspflichtig. Eine wichtige Neuerung im Rahmen der PSD2 ist der Kontenzugang für Dritte. Für Kontoinfor-mations- sowie Zahlungsauslösedienste müs-sen Banken entgeltfreie Schnittstellen zur Ver-fügung stellen. Diese können von Dritten ge-nutzt werden, um eigenen kostenpflichtige Dienste voranzutreiben. Aktuell lassen sich auf der Internetseite der Deutschen Kreditwirt-schaft Anforderungen an diese Schnittstelle nachlesen, die eine Ähnlichkeit mit der etab-lierten FinTS-Schnittstelle vermuten lassen.

Die Europäische Bankenaufsicht defi-niert im Rahmen der PSD2 die Regulatory Technical Standards (RTS). Im Wesentlichen geht es dabei um drei Bereiche: eine starke Kundenauthentifizierung, Sicherheitsmecha-nismen der standardisierten Drittanbieter-schnittstelle und Ausnahmen von der starken Kundenauthentifizierung.

Die starke Kundenauthentifizierung steht als Synonym für eine Zwei-Faktor-Authenti-fizierung. Dazu müssen zwei unabhängige Elemente aus den drei Kategorien Wissen (Passwort, PIN), Besitz (Smartphone, Smart-

card, Token) und Biometrie (Fingerabdruck, Iris-Scan, Stimmenerkennung) eingesetzt werden. Zur Implementierung der RTS sind derzeit 18 Monate vorgesehen.

Instant Payments und eIDAS bieten neue ChancenInstant Payments (SEPA Instant Credit Transfer, SCT Inst) basieren auf den bereits bekannten SEPA-Überweisungen. Bis zu 15.000 € sollen innerhalb von zehn Sekunden auf dem Empfängerkonto zur Verfügung ste-hen, und zwar rund um die Uhr und grenz-übergreifend in allen 34 SEPA-Ländern.

Die Kombination von Instant Payments und der in der PSD2 definierten Konto-schnittstelle für dritte Zahlungsdienstleister lässt interessante Anwendungsfälle sowohl für den stationären als auch den Online-Handel zu. Doch inwieweit Kunden und Handel wirklich von dem neuen Dienst pro-fitieren werden, ist abzuwarten. Instant Pay-ments sind eher eine Evolution als eine Re-volution in der Payment-Welt.

Mit der neuen eIDAS-Verordnung besteht eine gesetzliche Grundlage in der EU, qualifi-zierte Fernsignaturen zu erstellen. Sie wurden

im alten deutschen Signaturgesetz und der deutschen Signaturverordnung nicht berück-sichtigt. Durch diese Neuerung können künf-tig Transaktionen, ohne das umständliche Hantieren mit Signaturkarten und Lesegerä-ten, freigegeben werden. Ein Dienstanbieter kann seinen Nutzern eine mobile Signaturan-wendung, z. B. mithilfe von Smartphones an-bieten, die bequem und sicher überall zur Ver-fügung steht, um Banktransaktionen auszu-führen.

Status quo: Verbreitung von Pay-ment-SystemenIm stationären Handel sind neben Bargeld vor allem kartengestützte Zahlungssyste-me stark verbreitet und werden durch den Einsatz neuer Technologien noch benutzer-freundlicher.2 Das kontaktlose Zahlen via NFC wird besonders von Banken und Kre-ditkartenunternehmen vorangetrieben und wird sich als Standard im stationären Han-del durchsetzen.

Bis zum Jahr 2020 müssen alle Händler, die in Europa VISA-Zahlungen akzeptieren wollen, ihre Kassenterminals auf die neue Technologie aufrüsten. Die Technologiegi-

1 | Lösungsansatz: XignPay Instant Payment über Drittanbieterschnittstelle

Authentifizieren (4)

Abrufen der

Bestätigen und

Transaktionsdaten (4)Authentifizieren und Auslösen

einer Instant-Payment-Zahlung (6)

Zahlungsbestätigung (7)

Einsca

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QR-Codes (3)

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DIGITALISIERUNG

ganten Samsung und Apple nutzen die Chan-ce, um Smartphones mit der notwendigen Technologie auszustatten und so eigene Be-zahldienste zu etablieren. Auch Online-Händler bieten eine Vielzahl von Bezahlver-fahren an, damit der Kunde seine favorisierte Methode nutzen kann. Dabei ist die beim Kunden beliebte Rechnung für Händler das teuerste Verfahren,3 die Sofort-Überweisung das günstigste.

XignQR: Eine passende LösungXignQR ist eine PKI-basierte innovative Au-thentifizierungs- sowie Signaturanwendung aus Deutschland. Am (if)is wurde dazu das Start-up XignSys gegründet. Es bietet ein starkes und innovatives Multi-Authentifizie-rungstool an, das die Identitätsprüfungen in nur einem Vorgang bündelt.

Darüber hinaus können mit der Applika-tion serverseitige Signaturen nach dem eIDAS-Abkommen durchgeführt werden. XignQR stellt die technische Infrastruktur zur Verfügung und erlaubt einen Authentifi-zierungsprozess von der Zwei-Faktor-Au-thentifizierung bis hin zur Multi-Faktor-Au-thentifizierung.

Das System besteht aus insgesamt drei Komponenten, wobei ein Hardware Security Token optional hinzugefügt werden kann. Die weiteren Elemente sind die Smartphone-Applikation, über die sich der Nutzer regis-triert und anmeldet, der Xign-Manager als zentrale Komponente und Vertrauensanker sowie die Einbindungskomponente XignIN auf der Seite des Händlers.

XignQR kann als eigenständiges Pay-ment-System XignPay oder als Technologie-lieferant für Payment Service Provider die-nen. Zur Nutzung des Dienstes XignPay müssen neben der erforderlichen Genehmi-gung von der BaFin weitere technische Schnittstellen geschaffen werden, um Zah-lungen durchzuführen. Beispielsweise kann

nach Zustimmung der Deutschen Kredit-wirtschaft der Zugriff auf das electronic-cash-System über ein virtuelles Terminal er-folgen. Dabei wird, wie beim Bezahlen mit der Girocard, eine Autorisierungsprüfung auf dem Kundenkonto durchgeführt.

Eine weitere Alternative kann die künfti-ge Drittanbieterschnittstelle im Rahmen der PSD2 sein, über die Zahlungen direkt vom Kundenkonto ausgelöst werden können. Ge-koppelt mit Instant Payments kann so ein revolutionäres Payment-System im europäi-schen Wirtschaftsraum entstehen. Die Abbil-dung zeigt den Lösungsansatz für den On-line-Bereich, um Instant Payments über die Drittanbieterschnittstelle mit dem Payment-System XignPay auszulösen. ÿ 1

Für die Nutzung des Diensts muss sich der Benutzer zuerst registrieren oder auf die registrierten Kunden der Banken zugreifen. Zum Durchführen einer Zahlung werden die Transaktionsdaten durch die XignIN Einbin-dungskomponente auf der Händlerseite zum Xign-Manager übermittelt (Schritt 1). Dann sendet der Xign-Manager eine URL sowie Session-ID zurück an den Händler (Schritt 2), der diese Daten beispielsweise als QR-Code dem Kunden präsentiert. Anschlie-ßend scannt der Benutzer den QR-Code ein (Schritt 3).

Diese Informationen dienen der App als Einstiegspunkt, um die Transaktionsdaten vom Xign-Manager abzurufen und auf dem Smartphone des Nutzers anzuzeigen. Der Be-nutzer überprüft die Transaktionsdaten und bestätigt die Zahlung (Schritt 5). Der Xign-Manager authentifiziert sich gegenüber der Kundenbank und löst eine Instant-Payment-Zahlung an den Händler aus (Schritt 6). In-nerhalb von zehn Sekunden wird das Geld gutgeschrieben und steht auf dem Händler-konto zur Verfügung. Zum Schluss erhält der Händler von seiner Bank die Bestätigung des Zahlungseingangs (Schritt 7).

FAZIT

Durch die Bausteine PSD2, Instant Pay-

ments und eIDAS sind die Chancen, ein

einzigartiges und europaweites Payment-

System aufzubauen, ideal. Insbesondere

Drittdienstanbieter werden durch die vor-

geschriebene Kontozugang-Schnittstelle

für Dritte profitieren. Dadurch können Zah-

lungen bei einem kontoführenden Institut

ausgelöst und Kontoinformationen, wie die

Verfügbarkeit eines Geldbetrags, geprüft

werden. Die Verfügbarkeit eines Geldbe-

trags ist jedoch nicht mit einer Zahlungsga-

rantie gleichzusetzen. Zur Identifizierung

beim Zugriff auf ein Zahlungskonto sollen

qualifizierte Zertifikate auf Basis der eIDAS

Verordnung genutzt werden, diese können

beispielsweise von einem qualifizierten

Vertrauensdiensteanbieter ausgegeben

werden. Die Chancen, aus Deutschland

heraus ein neues, zukunftsorientiertes

Bezahlsystem einzuführen, sind enorm.

Es braucht nur mutige und weitsichtige

Akteure, die diesen wichtigen Markt nicht

anderen Playern überlassen möchten.

Autoren: Prof. Norbert Pohlmann ist Professor

für Informationssicherheit und Leiter des

Instituts für Internet-Sicherheit - if(is) an der

Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen.

Stephan Reinert war im Rahmen seiner

Masterarbeit ebenda als wissenschaftliche

Hilfskraft beschäftigt.

1 Dritte Zahlungsdienste sind alle Dienste, die das Auslösen von „Zahlungsaufträgen auf ein bei einem anderen Zahlungsdienst-leister geführtes Zahlungskonto“ ermöglichen (beispielsweise gi-ropay oder Sofort-Überweisung). Bislang war zur Ausübung eines solchen Diensts keine Genehmigung seitens der BaFin oder ande-rer Aufsichtsbehörden notwendig.

2 www.ehi.org/de/pressemitteilungen/kartenzahlung-waechst-bar-geld-bleibt.

3 Vgl. ibi research, Studie „Gesamtkosten von Zahlungsverfahren im E-Commerce August 2016: Ergebnisse zu den Kosten von Kre-ditkarten nach der MIF-Verordnung“.

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DIGITALISIERUNG

PRIVATKUNDENBETREUUNG

Digitale Baufinanzierung auf dem VormarschBanken arbeiten intensiv an der Digitalisierung ihrer Kundenbeziehungen und Prozesse. Ein Fokusprodukt als

wesentlicher Ertragsbringer und risikoarmes Kreditprodukt ist dabei die private Baufinanzierung. Die meisten

Filialbanken streben hier eine intelligente Verzahnung der Vertriebswege Filiale und Online im Sinn eines

Omnikanal-Ansatzes an, um die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig dem Kundenwunsch

nach persönlicher Beratung bei einem wichtigen Produkt wie der Baufinanzierung zu entsprechen.

Die Baufinanzierung ist ein Kernprodukt der im Privatkundengeschäft tätigen Banken. Mit einem Verkaufsvorgang

verspricht sie stabile, gut planbare Erträge über einen langen Zeitraum. Durch die grund-pfandrechtliche Besicherung und die in der deutschen Kreditwirtschaft traditionell vor-sichtige Risikoprüfung stellt sie gleichzeitig ein geringes Risiko für Wertberichtigungen dar.

Aktuell positive Treiber sind die insge-samt günstige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland mit hoher Beschäftigung und niedriger Arbeitslosigkeit sowie die aufgrund niedriger Zinsen und knappem Wohnraum in den Ballungsräumen steigenden Preise für Wohnimmobilien. Allerdings ist dieser Markt auch sehr wettbewerbsintensiv, wobei sowohl Banken als auch Bausparkassen und Nicht-Banken, wie Versicherungen in Konkurrenz stehen. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen stehen die Banken vor der Herausforderung, ihre Kundenschnittstellen und Prozesse zu di-gitalisieren, um einerseits veränderten Kun-denerwartungen zu entsprechen und anderer-seits operative Kosten zu senken.

Dank ihrer weitgehend standardisierten Prozesse eignet sich die Baufinanzierung da-für grundsätzlich sehr gut. Für den Kunden stellt sie andererseits oft die wichtigste wirt-schaftliche Lebensentscheidung dar, was meist den Wunsch nach persönlicher Interaktion mit der Bank auslöst. Daher eignet sich der Baufinanzierungsprozess auch als Blaupause für andere beratungsintensive Prozesse, wo eine vollständige Digitalisierung – wie sie bei

rein transaktionalen Prozessen möglich ist – zunächst noch ausscheidet. Filialbanken ver-folgen bei der Digitalisierung unterschiedliche Strategien. Um diese zu identifizieren, wurden qualitative Interviews mit Baufinanzierungs-Verantwortlichen mehrerer Institute aus allen drei Säulen der deutschen Kreditwirtschaft durchgeführt. Die zentralen Ergebnisse wer-den im Folgenden zusammengefasst. Reine Direktbanken sowie Geschäft, das über Ver-mittlungsplattformen abgewickelt wird, waren nicht Gegenstand der Untersuchung.

Wo sind digitale Schritte möglich?Grundsätzlich lässt sich der Prozess der Baufi-nanzierung weitestgehend digital ausgestalten. Selbstverständlich sind rechtliche und regula-torische Vorgaben einzuhalten, wie z. B. das Schriftformerfordernis beim Abschluss eines Kreditvertrags oder die Informationspflichten gemäß Wohnimmobilienkreditrichtlinie.

Die Frage, welche Schritte digital vollzogen werden können, entscheidet sich auf Basis der Geschäftsphilosophie des Kreditinstituts: In-wiefern besteht der Anspruch, den Kunden persönlich zu kennen und ihm weitergehende Beratungsangebote mit dem Ziel eines um-fangreicheren Cross-Sellings zu machen? An-dererseits hängt die Annahme digitaler Ange-bote auch von der Akzeptanzschwelle des Kun-den ab. Laut Aussage der interviewten Exper-ten besteht bei nahezu allen Kunden der Wunsch, in dieser wichtigen Entscheidung mit einem persönlichen Ansprechpartner zusam-menzuarbeiten. Anhand des üblichen Ablaufs

eines Baufinanzierungsprozesses wird in den Schaubildern ÿ 1 und ÿ 2 aufgezeigt, welche di-gitalen Angebote in den einzelnen Prozess-schritten von der Kundenakquisition bis hin zur Vertragsunterzeichnung im Rahmen beste-hender technischer und regulatorischer Rah-menbedingungen umgesetzt werden könnten.

1. Kundenakquisition

Die Kundenakquisition dreht sich um die Fra-ge, welche Informationen der Kunde braucht, damit er sich für eine weitergehende Beratung oder für die Beantragung eines Darlehens ent-scheidet. Prinzipiell wäre es möglich, dem Nut-zer sämtliche für seine Entscheidung relevanten Informationen im Internet anzubieten.

Dies könnte auch durch die Bereitstellung eines Baufinanzierungsrechners für die sich er-gebende Kondition gelten – vorausgesetzt, die vom Kunden gemachten Angaben lassen sich später auf Basis der eingereichten Unterlagen verifizieren. Für diesen automatisierten Baufi-nanzierungsrechner müsste der Kunde aller-dings sehr viele detaillierte Angaben machen, die im Stadium der allgemeinen Einholung von Informationen erklärungsbedürftig oder auf-wendig zu beschaffen sind.

Überall angeboten wird ein Terminverein-barungsservice für Gespräche mit dem Kun-denbetreuer oder Baufinanzierungsspezialisten in der Filiale. Zunehmend als Standard angese-hen werden Möglichkeiten der persönlichen Kontaktaufnahme per Telefon, Chat, Video-Chat oder Co-Browsing, falls beim Nutzer Fra-gen auftreten.

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DIGITALISIERUNG

2. Beratung und Antrag

In einem digitalen Antragsprozess können vom Nutzer Angaben zu Bau-finanzierungsziel, zu Immobilienda-ten, Personendaten und Finanzie-rung abgefragt werden. Weiterhin kann dem Nutzer aufgezeigt wer-den, welche Unterlagen er im Up-load-Bereich bereitstellen muss, damit das Institut in die Darle-hensprüfung einsteigen kann.

Auf Basis dieser Angaben ist es möglich, einen oder mehrere konkrete Finanzierungs-vorschläge zu unterbreiten. Hier ist allerdings anzumerken, dass diese Vorschläge in einem digitalen Prozess eher standardisiert sein wer-den und nicht alle theoretisch denkbaren Vari-anten – wie unterschiedliche Tilgungsrechte, Tilgungsersatzinstrumente, Förderdarlehen, etc. – beinhalten. Falls solche Varianten ge-wünscht sind, müsste weiterhin ein Termin mit einem Baufinanzierungsspezialisten vereinbart werden. Wenn sich der Nutzer für eine Finan-zierungsvariante entschieden und alle Unterla-gen hochgeladen hat, kann die Bank die Ver-tragsunterlagen erstellen.

Bei den meisten Instituten findet in diesem Prozessschritt der Übergang zu einem persön-lichen Berater bzw. Baufinanzierungsspezialis-ten statt. Die Institute haben unterschiedliche Philosophien hinsichtlich der Anzahl der er-forderlichen Beratungsgespräche. Manche sind der Auffassung, dass es zwei Termine beim Baufinanzierungsspezialisten geben muss: Ei-nen, um die grundsätzlichen Rahmenbedin-

gungen einer Baufinanzie-rung zu erläutern, und einen zweiten, um den Finanzierungsvorschlag zu diskutieren, offene Fragen vor der Vertragserstellung zu klären und die Informationspflichten gemäß der Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu erfül-len. In der Zwischenzeit reicht der Kunde die notwendigen Unterlagen ein, und es wird be-reits eine Schufa-Auskunft eingeholt.

Andere Institute versuchen, mit einem einzigen ausführlichen Beratungsgespräch auszukommen, bei dem der Finanzierungs-vorschlag besprochen und die Vertragserstel-lung vorbereitet wird. Das Erstgespräch kann demnach entfallen, wenn dem Kunden an-derweitig die grundlegenden Rahmenbedin-gungen der Baufinanzierung sowie die erfor-derlichen Unterlagen übermittelt werden können. Das könnte durch ein Online-For-mular geschehen, ergänzt durch ein spezielles Service-Center, welches mit dem Kunden vorab telefonisch oder per Video-Chat Kon-takt aufnimmt, diesem notwendige Informa-tionen übermittelt und die erforderlichen Un-

terlagen einholt. Zu-nehmend üblich ist die Nutzung von Videotechnik, um einen Baufinanzie-rungsspezialisten von einem zentralen Stand-ort zu einem in der Filiale stattfindenden Be-ratungstermin hinzuzuschalten.

3. Bearbeitung und Entscheidung

Dieser Prozessschritt erfolgt weitgehend in-stitutsintern auf Basis der vom Kunden bereit-gestellten Unterlagen. Dazu erfolgt bei einer bestehenden Immobilie eine Objektbesichti-gung. Sämtliche Institute arbeiten in diesem Prozessschritt an einer Automatisierung der Entscheidungsunterstützung, beispielsweise einer maschinellen Prüfung eingereichter Un-terlagen, um schneller zu urteilen und Kosten zu senken.

Die Arbeiten gehen hier in Richtung von Workflow-Systemen, bei denen eine Software die Erfüllung der bankinternen Kreditvergabe-richtlinien automatisiert prüft, die erforderli-

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DIGITALISIERUNG

chen Dokumente automatisch erstellt und spä-ter die notwendige Kontoanlage durchführt. Eine auf diese Weise erreichte schnellere Fi-nanzierungszusage führt nicht nur zu niedri-geren Kosten, sondern vermindert auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde weitere Angebote von der Konkurrenz einholt.

Für den Kunden in einem digitalen Prozess ist die Möglichkeit wichtig, den Bearbeitungs-stand seines Darlehens einzusehen, verbunden mit einem Hinweis auf die voraussichtliche weitere Bearbeitungsdauer sowie eventuell noch fehlende Angaben oder Unterlagen.

4. Vertrag und Auszahlung

In einem digitalen Prozess kann der Kredit-antrag bei einer positiven Entscheidung auto-matisiert erstellt und dem Antragsteller online zum Download bereitgestellt werden. Die im Vertrag enthaltenen Konditionen sind indivi-duell und verbindlich und spiegeln die auf Ba-sis der eingereichten Unterlagen gemachten Angaben aus den vorherigen Prozessschrit-ten wider.

Der Antragsteller muss aufgrund des Schriftformerfordernisses bei Verbraucher-darlehen den Vertrag ausdrucken, unter-schreiben und ihn an das Institut zurücksen-den. Falls er noch kein Kunde des Kreditin-stituts ist, muss zusätzlich auch noch seine

Legitimation erfolgen, was inzwischen bei vielen Banken bereits per VideoIdent-Verfah-ren möglich ist. Mit der Unterschrift seitens des Instituts wird der Vertrag angenommen und somit rechtskräftig.

Institute, die in der Beratung sehr großen Wert auf eine persönliche Beratung durch den Baufinanzierungsspezialisten legen, laden den Kunden teilweise zur Vertragsunterzeichnung zu einem weiteren Termin in die Bank ein, was auch der Reduzierung von Fehlern dient.

Nach der Feststellung, dass die Grund-schuld als Sicherheit für das Baufinanzierungs-darlehen korrekt eingetragen wurde, kann die Auszahlung beginnen. In einem digitalen Pro-zess kann der Kunde Auszahlungen online an-fordern und im Upload-Bereich entsprechen-de Dokumente hochladen. Die Prüfung der Erfüllung der Auszahlungsvoraussetzungen kann dann (teil-)automatisiert erfolgen.

Die meisten Institute sehen in der Digita-lisierung der Auszahlung ein erhebliches Po-tenzial zur Senkung von Kosten, da dieser Schritt heute aufgrund vieler manueller Ar-beitsanteile erhebliche Ressourcen bindet.

Implikationen für BankenDie Digitalisierung des Baufinanzierungspro-zesses bei Banken verfolgt zwei grundlegen-de Stoßrichtungen: Einerseits soll mit digita-

len Angeboten verändertem Kundenverhalten Rechnung getragen werden; andererseits bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, Prozesse effizienter zu organisieren und dadurch Kos-ten einzusparen.

Im Hinblick auf das veränderte Kunden-verhalten zeigt sich bei der Baufinanzierung idealtypisch das sogenannte ROPO-Verhalten (Research Online, Purchase Offline) von Kun-den. Die Nutzer verschaffen sich zunächst on-line einen Marktüberblick über erhältliche Produktvarianten und Konditionen, um den eigentlichen Abschluss – gut vorbereitet und mit ausreichend Wissen über angemessene Preise – offline bei einem physischen Berater durchzuführen.

Selbst die Banken, die bereits einen weit-gehend digitalisierten Baufinanzierungspro-zess anbieten berichten, dass die End-to-End-Nutzung des digitalen Prozesses durch Nutzer sehr niedrig ist und die meisten früher oder später zu einem physischen Berater wechseln.

Insofern besteht die zentrale Herausfor-derung im Wettbewerb darin, das online ver-fügbare Informationsangebot so zu gestalten, dass möglichst viele Nutzer die Notwendig-keit einer Kontaktaufnahme zum Institut se-hen, welche dann bequem und mit zeitgemä-ßen Kommunikationskanälen wie z. B. Video-Chat möglich sein sollte. Weniger dringlich

1 | Prozessablauf Digitale Baufinanzierung (1/2)

» Allg. Infos, FAQs

» Baufi-Rechner zur Konditionsfindung und Ermittlung leistbarer Monatsraten

» Persönlicher Kontakt per Telefon, Chat, Video-Chat, Co-Browsing

» Terminvereinbarungsservice

» Mehrzahl der Institute mit Baufi-Rechner

» Bei manchen Instituten bewusster Verzicht auf Baufi-Rechner

Elemente eines weitgehend

digitalisierten Prozesses

Strategien einzelner Institute

» Web-Formulare für: Baufi-Ziel, Immobilien- und Personendaten, Finanzierungsdetails, Unterlagen, Schufa-Anfrage

» Upload-Bereich für Unterlagen

» Beantragung Darlehen nach Upload Unterlagen

» Angabe Bearbeitungsstand Darlehen

» Kontakt zum Spezialisten, wenn gewünscht (stationär, Telefon, Chat, Video-Chat)

» Video-Telefonie zur Einbindung von Baufinanzie-rungsspezialisten in Beratungsgespräche

» Vorabkontakt online oder durch Service-Center zum Machbarkeitscheck der Finanzierung und zur Einholung von Unterlagen

Beratung und AntragKundenakquisition ...

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DIGITALISIERUNG

erscheint aktuell das Angebot eines durchgän-gig digitalen Antragsprozesses für die Baufi-nanzierung.

Gleichzeitig bestehen für viele Banken noch umfangreiche Möglichkeiten zur digita-len Ergänzung und zur Effizienzsteigerung im stationären Baufinanzierungsprozess. Wie skizziert, könnten initiale Beratungsgespräche reduziert werden, indem Rahmenbedingun-gen der Baufinanzierung sowie erforderliche Unterlagen vorab online oder unter Nutzung eines Service-Centers geklärt werden.

Die flächendeckende Verfügbarkeit von Videotechnik könnte den Reiseaufwand von Baufinanzierungsspezialisten vermindern und deren Schlagzahl erhöhen. Ein Upload- bzw. Download-Bereich für Unterlagen könnte den Austausch von Unterlagen zwischen Bank und Kunde erleichtern und für eine bessere ma-schinelle Auswertbarkeit derselben sorgen. Die digitale Anforderung von Auszahlungen mit maschineller Prüfung der Auszahlungsvo-raussetzungen könnte den Aufwand in der Auszahlungsbearbeitung verringern.

Modulares Vorgehen denkbarDer Vorteil bei der Digitalisierung des Baufi-nanzierungsprozesses besteht darin, dass sie modular angegangen werden kann. Es gibt eine Vielzahl von Stellhebeln, mit der in ein-

zelnen Prozessschritten Verbesserungen er-reicht werden können, ohne dass in einem Big-Bang-Ansatz der gesamte Prozess auf ei-nen Schlag neu gestaltet werden muss.

Dennoch ist es erforderlich, den Blick noch weiter über den Tellerrand zu werfen. So zeigen Marktdaten aus den USA, dass dort be-reits ein knappes Viertel aller Immobilienfi-nanzierungsdarlehen über das Internet nach-gefragt wird. In dem Maß, wie jüngere Baufi-nanzierungskunden heranwachsen, könnte sich auch hierzulande das Bild verändern. Anbieter, die in der Lage sind, ihren Kunden einen einfachen und transparenten Baufinan-zierungsprozess anzubieten, haben dann ei-nen klaren Wettbewerbsvorteil.

Zudem bestehen wirtschaftliche Potenzi-ale darin, die Wertschöpfung über das eigent-liche Produkt der Baufinanzierung hinaus zu erweitern, indem zusätzliche Dienstleistun-gen rund um die private Immobilie angeboten werden. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist das kürzlich durch die HypoVereinsbank gestar-tete Portal HVB Home.

Mit einer solchen Erweiterung der Wert-schöpfung könnten Banken nicht nur die Bin-dung bestehender Kunden verbessern, son-dern zusätzlich auch noch über das eigentli-che Bankgeschäft hinausgehende Non-Ban-king-Revenues erwirtschaften.

FAZIT

Die Digitalisierung des Baufinanzierungs-

prozesses steht weit oben auf der Agenda

von Filialbanken. Dabei zielen die Institute

darauf ab, einzelne Elemente des Baufinan-

zierungsprozesses zu digitalisieren sowie

die Kanäle Filiale und Online im Sinn eines

Omnikanalansatzes zu vernetzen mit dem

Baufinanzierungsspezialisten als Dreh- und

Angelpunkt des Geschäfts. Der wesentliche

Grund hierfür ist, dass die meisten Kunden –

auch bei Vorhandensein eines digitalen End-

to-End-Antragsprozesses für die Baufinan-

zierung – weiterhin im Laufe des Verfahrens

zu einem stationären Berater wechseln.

Gleichzeitig bestehen zahlreiche Möglichkei-

ten, durch die Digitalisierung von einzelnen

Elementen des Prozesses erhebliche Effizi-

enzsteigerungen und Qualitätsverbesserun-

gen zu erreichen.

Autoren: Dr. Gösta Jamin ist Professor für

Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der

Hochschule Ludwigshafen und Senior Advisor

bei der ConMendo GmbH, Kronberg. Christian

Weindel ist Absolvent des Masterstudiengangs

Finance & Accounting der Hochschule Ludwigs-

hafen.

2 | Prozessablauf Digitale Baufinanzierung (2/2)

» Entscheidungs- und Bearbeitungsunterstützung durch IT-Systemlösung

» Anzeige des jeweiligen Bearbeitungsstands

» Automatisierte Erstellung Vertragsdokumente durch geeignete Software

Elemente eines weitgehend

digitalisierten Prozesses

Strategien einzelner Institute

» Bereitstellung Darlehensvertrag im Download-Bereich

» Schriftliche Unterschrift durch Darlehensneh-mer und Rücksendung an Institut

» Bei Nicht-Kunden Videolegitimation

» Sendung des durch Bank unterschriebenen Vertrags an Kunden

» Prüfung Grundschuldbestellung

» Anforderung Auszahlungen im Upload-Bereich

» Großes Potenzial durch Digitalisierung der Auszahlungen

Vertrag und AuszahlungBearbeitung und Entscheidung...

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BERUF & KARRIERE

ENTGELTTRANSPARENZGESETZ

Gleicher Lohn für gleiche ArbeitViele Unternehmen aus der Finanzbranche sind nicht ausreichend auf das neue Gesetz zur Förderung der

Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) vorbereitet. Das

kann negative Folgen für die Mitarbeitermotivation haben und zu Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat,

aber auch vor Gericht führen.

Viele Firmen aus der Finanzbranche nehmen die Anforderungen, die das neue Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) mit sich bringt, nicht ernst genug. Das ist das Ergebnis einer aktuellen

Studie der Unternehmensberatung EY, für die 206 Personalverantwort-liche in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern befragt wurden. Obwohl das Gesetz im Juni in Kraft getreten ist, haben sich nur weni-ge Unternehmen systematisch mit dem Thema befasst. So haben ledig-lich 39 Prozent der befragten Firmen aus der Finanzbranche bereits Untersuchungen zur Lohngleichheit von männlichen und weiblichen Beschäftigten durchgeführt. Das heißt: Die meisten von ihnen wissen nicht, ob sie Frauen und Männer für die gleiche Arbeit gleich bezahlen.

Nicht auf die leichte Schulter nehmen Auslöser für das neue Gesetz ist die Beobachtung, dass Frauen im Schnitt 21 Prozent weniger Gehalt bekommen als ihre männlichen Kollegen. Zwei Drittel dieser Differenz lassen sich damit erklären, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, seltener in Führungspositionen und weniger oft in Hochlohnbranchen arbeiten. Werden diese Fakto-ren herausgerechnet, verdienen Frauen jedoch auch in gleicher Posi-tion immer noch durchschnittlich sieben Prozent weniger. An diesem Punkt setzt das Entgelttransparenzgesetz an, dessen Grundsatz lautet, dass für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Beschäftigten ein geringeres Entgelt gezahlt werden darf.

Das neue Gesetz zwingt die Arbeitgeber dazu, sich intensiv mit den im Unternehmen bestehenden Tätigkeitsprofilen, Entgeltstruktu-ren und Verfahren der Leistungsbewertung zu beschäftigen: Arbeitge-ber mit mehr als 500 Beschäftigten werden aufgefordert, regelmäßig ihre Gehaltsstrukturen auf die Einhaltung der Entgeltgleichheit zu überprüfen. Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten, die lagebe-richtspflichtig sind, müssen zudem künftig regelmäßig über den Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit berichten.

Diese Berichte sind dem Lagebericht der Gesellschaft als Anhang beizufügen und im Bundesanzeiger zu veröffentlichen – sie sind damit für alle einsehbar. Hinzu kommt der individuelle Auskunftsanspruch. Dieser sieht vor, dass in Unternehmen mit über 200 Beschäftigten jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht erhält, zu erfah-ren, nach welchen Kriterien ihr bzw. sein Gehalt festgelegt wird. Zu-dem muss jeder Angestellte ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Ge-setzes auf Anfrage hin Auskunft darüber erhalten, wie viel eine Ver-

gleichsgruppe des anderen Geschlechts verdient. Diese Auskunft muss innerhalb von drei Monaten in schriftlicher Form erfolgen. Während einer Übergangszeit von drei Jahren kann diese Frist allerdings ver-längert werden.

Größte Herausforderung: individueller AuskunftsanspruchObwohl die in der Studie befragten HR-Leiter aus Finanzunterneh-men diesen individuellen Auskunftsanspruch mit 53 Prozent für die größte Herausforderung des Gesetzes halten, erklären 70 Prozent von ihnen, ihren Mitarbeitern die geforderte Auskunft zur Vergütung der Vergleichsgruppe erteilen zu können. Doch gerade an diesem zentralen Punkt kommen aus Beratersicht Zweifel auf. Denn bei der Zusammen-arbeit mit Firmen zeigt sich, dass nur wenige Unternehmen bereits in der Lage sind, den per Gesetz geforderten Datenabgleich auf Knopf-druck zu erstellen, oftmals auch aufgrund nicht vorhandener oder ver-alteter Systeme. Die Studie zeigt weiterhin, dass quer durch alle Bran-chen fast alle Firmen ihren Mitarbeitern das Beschäftigungsverhältnis (Vollzeit/Teilzeit), das Geschlecht, die ausgeübte Tätigkeit und sämt-liche Entgeltbestandteile zuordnen können. Allerdings werden ledig-lich in 35 Prozent der befragten Unternehmen weitere Kriterien zur Festsetzung des Entgelts herangezogen. Von diesen ohnehin wenigen Unternehmen berücksichtigen u. a. 16,4 Prozent die Berufserfahrung, acht Prozent die Leistungsbeurteilung und lediglich vier Prozent die Führungsverantwortung. Hier zeigen sich große Versäumnisse, schließ-lich kann jedes dieser Kriterien der Grund für ein höheres oder nied-rigeres Gehalt sein. Es bleibt deshalb fraglich, wie die Unternehmen in allen Fällen unmittelbar auskunftsfähig sein wollen – insbesondere, da in den Unternehmen die geforderten systematischen und aussage-kräftigen Auswertungen auf Basis valider statistischer Methoden bis-lang nicht erfolgen.

Dafür dass die Unternehmen die komplexen Auswirkungen des Entgelttransparenzgesetzes unterschätzen, liefert auch die Studie wei-tere Hinweise – etwa, wenn es um die Schätzung des finanziellen Auf-wands geht, um die gesetzlichen Vorgaben des Entgelttransparenzge-setzes umzusetzen: 67 Prozent der befragten Führungskräfte aus der Finanzbranche rechnen mit weniger als 25.000 €, 38 Prozent sogar mit weniger als 10.000 € – Beträge, die für den Tarifbereich realistisch sein können, da dieser der Angemessenheitsvermutung unterliegt, die für die außertarifliche Belegschaft jedoch vermutlich viel zu niedrig liegen.

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BERUF & KARRIERE

Stark unterschätzt: die Brisanz von GehaltsunterschiedenDavon ist nicht zuletzt deshalb auszugehen, weil sich für Firmen aus dem Gesetz vielfältige Fragestellungen ergeben. Unter anderem müssen sie klä-ren: Wie sieht eine Vorgehensweise für die geforderte Datenermittlung und Auskunftserteilung aus, die vor Gericht Bestand hat? Denn auch wenn sich erst noch zeigen wird, wie die gängige juristische Praxis im

Umgang mit dem neuen Gesetz aussieht, sollten Firmen an diesem Punkt bereits jetzt handeln. Schließlich ist eine überzeugende Systematik auch wichtig, um den Mitarbeitern von Anfang an eine zufriedenstellende Aus-kunft geben zu können. So wird es nicht reichen, einem Antragsteller schlicht mitzuteilen, dass er zum Beispiel drei Prozent weniger verdient als die Vergleichsgruppe. Vielmehr muss der Unterschied auch stichhaltig er-

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BERUF & KARRIERE

klärt werden. Zudem muss klar festgelegt sein, wie das Unternehmen mit etwaigen Gehaltsunterschieden umgehen will. Das EntgTranspG selbst enthält keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage des Arbeitnehmers auf Erhöhung seines Arbeitsentgelts. Er wird bei seiner Anspruchsdurchset-zung auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verwiesen. Das bedeutet: Findet ein Arbeitnehmer heraus, dass er weniger verdient als die Vergleichsgruppe, ist ihm die Gehaltserhöhung keinesfalls sicher.

Dennoch sollten die Unternehmen das Konfliktpotenzial möglicher Gehaltsunterschiede nicht unterschätzen: Studien zeigen, dass die Zufrie-denheit von Mitarbeitern, die wissen, dass sie unterdurchschnittlich be-zahlt werden, deutlich sinkt und dass sie das Unternehmen häufiger ver-lassen. Ebenso demotivierend wirkt es, wenn den Unternehmen die Mög-lichkeit der Leistungsdifferenzierung genommen wird. So darf das Gesetz auf der anderen Seite auch nicht zu Gleichmacherei führen. Gerade um eine wirklich leistungsabhängige Vergütung weiterhin zu ermöglichen, müssen die berücksichtigten Kriterien sehr genau geprüft, dokumentiert und nachvollziehbar kommuniziert werden. Geschieht dies nicht, kann das Unternehmen seine Hauptperformer nicht mehr angemessen entloh-nen. Hinzu kommt: Stellt das Unternehmen im Rahmen des betriebli-chen Prüfverfahrens fest, dass geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede bestehen, so fordert das Gesetz geeignete Maßnahmen zu deren Beseiti-gung – im worst case kann also eine komplette Überarbeitung bzw. Neu-ausrichtung des Mitarbeitervergütungssystems notwendig werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es aus Beratersicht überraschend, dass nur wenige Unternehmen die neuen Anforderungen als Problem erkannt ha-ben. Hier besteht weitreichender Nachholbedarf.

Gerade für Unternehmen der Finanzbranche gibt es jedoch auch eine gute Nachricht: Sie sind im Vergleich zu anderen Branchen durch die zahlreichen bereits bestehenden Regularien, allen voran die Institutsver-gütungsverordnung, vergleichsweise besser auf die neuen Anforderungen vorbereitet. Sie können zur Gewinnung der benötigten Daten auf den im Rahmend der Vergütungsverordnung erstellen Job- und Risikoprofilen aufbauen. Und auch ihre Vergütungsmodelle haben die Finanzinstitute bereits durchleuchtet. Das bedeutet: Sie müssen mit einem deutlich ge-ringeren Aufwand rechnen als Unternehmen anderer Branchen. Auch was die Berichtspflichten betrifft, sind sie aufgrund ihrer ohnehin schon hohen Standards besser aufgestellt. Anzeichen dafür gibt es auch in der Studie: So ist der Anteil der Unternehmen, die bereits Untersuchungen zur Entgeltgleichheit angestellt haben, in der Finanzbranche leicht über-durchschnittlich – 39 Prozent im Vergleich zu 35 Prozent über alle Bran-chen. Noch deutlicher ist der Unterschied bei der Frage, ob es im Unter-nehmen bereits eine Stelle gibt, die für die Entgeltgleichheit im Unterneh-men zuständig ist. Hier antworten Finanzunternehmen zu 58 Prozent mit „ja“. In der Gesamtheit der Betriebe sind es 42 Prozent, im Maschinenbau

nur 27 Prozent. Insgesamt ist es für die Unternehmen auch wichtig zu klären: Wie wollen wir Konflikte mit dem Betriebsrat und den Gleich-stellungsbeauftragten vermeiden? Schließlich droht ein Imageschaden, wenn das Unternehmen mit Negativschlagzeilen in die Presse gerät. Und dass Equal-Pay-Fragen die Medien durchaus beschäftigen können, zeigt das Beispiel Google. Der Internetriese leistet sich derzeit einen Rechts-streit mit dem US-amerikanischen Arbeitsministerium. Das Ministerium fordert Google auf, die Gehaltsdaten der Mitarbeiter offenzulegen. Goog-le verweigert diese Auskunft und erklärt dies mit einem zu hohen Ar-beitsaufwand, es müssten u. a. neue Systeme aufgebaut werden. Egal, ob nun der Vorwurf, es gebe bei dem Internetriesen gravierende Gehaltsun-terschiede, oder ob es – wie Google selbst erklärt – keinen Gender Pay Gap gibt: Allein die ausgiebige Diskussion darüber ist ungünstig für das Ansehen der Firma.

Genereller Nachholbedarf in GleichstellungsfragenBei der für die Firmen wichtigen Beschäftigung mit dem Entgeltgleich-heitsgesetz sollte jedoch auch nicht vergessen werden: Der größte Teil der ungerechten Gehaltsverteilung beruht nicht auf ungleicher Bezah-lung bei gleicher Arbeit. Er entsteht, weil viele Frauen gar nicht erst in vergleichbar hohe Positionen kommen wie Männer. Das liegt an gesell-schaftlichen Gründen, denen die Unternehmen jedoch zumindest teil-weise auch entgegenwirken könnten – wenn sie es denn wollten. So hat laut den Studienergebnissen bislang lediglich die Hälfte der befragten Unternehmen aller Branchen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstel-lung von Frauen und Männern eingeführt. Von den Unternehmen, die mit „ja“ geantwortet haben, nennen als konkrete Maßnahmen 34 Pro-zent die Verankerung der Gleichstellung im Tarifvertrag, 19 Prozent der Unternehmen nehmen gleiche Eingruppierungen bei den Gehältern vor, nur jeweils 14 Prozent verfügen über Frauenförderpläne bzw. ein För-derprogramm für Frauen in Führungspositionen.

FAZIT

In nur fünf Prozent der Unternehmen wird ausdrücklich auf die Verein-

barkeit von Familie und Beruf geachtet, und drei Prozent der befrag-

ten Unternehmen bevorzugen Frauen bei gleicher Qualifikation der

Bewerber für eine Führungsposition. Von großer Initiative der Firmen

zeugen diese Zahlen nicht. Und das, obwohl Gleichberechtigung nicht

nur gesellschaftlich wünschenswert, sondern aufgrund des drohenden

Fachkräftemangels auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist.

Autoren: Karl Wirth ist Partner, Joerg Wenzel ist Senior Manager bei Ernst &

Young GmbH.

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BERUF & KARRIERE

Betrachtet man typische erste Projekte, de-nen das Label „agile“ oder „Scrum“ ge-geben wurde, dann findet sich eine Viel-

zahl von Artefakten aus dem agilen Umfeld wie zum Beispiel Stand-ups, ein (Product-)Backlog und manchmal sogar ein Scrum Master. In vie-len Fällen helfen diese bloßen Artefakte der tatsächlichen Agilität des Projekts jedoch recht wenig und dienen eher der Außendarstellung als „agiles“ Projekt. Daher betrachten wir im Folgenden die Grundpfeilern agiler Projekte, d. h. die zugrunde liegenden Eigenschaften und deren Umsetzung.

Grundpfeiler der Agilität In erster Linie gibt es zwei dieser Grundpfeiler, aus denen sich Rollen, Events, Artefakte und Re-geln von agilem Vorgehen mehr oder weniger direkt ableiten lassen. Der erste Grundpfeiler ist die empirische Prozesskontrolle. Die grund-legende Idee ist dabei, dass, anstatt ein Projekt zu Beginn vollständig und möglichst detailliert zu planen und diesem Plan dann so genau wie möglich zu folgen, man stattdessen die wäh-rend des Projekts gewonnen Erkenntnisse re-gelmäßig in die weitere Planung mit einflie-ßen lässt. Der gegenüber dem klassischen Vor-gehen leicht zu akzeptierende Unterschied ist der, dass die Validität der Annahmen, die in die Planung geflossen sind, zu regelmäßigen Zeit-punkten überprüft werden. Man führt sozu-sagen eine Art „Backtesting“ der Planungsan-nahmen durch. Eine größere Diskrepanz zum

PROJEKTMANAGEMENT

Die Grundpfeiler agiler ProduktentwicklungNachdem sich agile Produktentwicklung seit der Jahrtausendwende in der Technologiebranche durchgesetzt

hat, ist dieser Trend auf viele andere Branchen übergesprungen, auch in der Finanzbranche ist seit einigen

Jahren ein mehr an Agilität zu beobachten. Dies geschieht allerdings selten reibungsfrei, hat man doch bis

dato hauptsächlich Erfahrung in klassischen Projektstrukturen und einem stark regulatorischen Umfeld ge-

sammelt. Aus diesem Grund beleuchtet der Beitrag die Grundpfeiler agiler Produktentwicklung und zeigt

auf, wie Probleme bei deren Umsetzung im Bankenumfeld erkannt und angegangen werden können.

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BERUF & KARRIERE

klassischen Vorgehen stellt jedoch der Fakt dar, dass, um die gewonnenen Erkenntnisse zu nut-zen, der zukünftige Plan nicht in Stein gemeißelt sein darf, und es daher nicht lohnend ist, eine detaillierte Planung weit in die Zukunft zu ma-chen. Außerdem sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass Empirie umso besser funktioniert, je mehr Daten zur Verfügung ste-hen. Daraus folgt, dass das Einholen von Kun-den- bzw. Stakeholder-Feedback essentiell ist und ein go-live des entwickelten Produkts erst am Ende des Projektes es schwierig bis unmög-

lich machen kann, dieses Feedback einzuholen. Der zweite Grundpfeiler von agilem Vorgehen ist die Selbstorganisation. Dem liegt die Annah-me zugrunde, dass agile Entwicklung dort an-gebracht ist, wo komplexe Probleme gelöst wer-den und das Vorgehen zur Lösung dieser Prob-leme daher nicht vollständig planbar ist. In die-sen Fällen, in denen man selbst das genaue Vor-gehen zur Lösung der Probleme nicht kennt, ist es nicht sinnvoll, genaue Regeln vorzugeben, wie diese komplexen Probleme gelöst werden müssen. Die in agilen Teams arbeitenden Mit-

arbeiter sollten daher möglichst die Freiheit ha-ben, selber eine effiziente und effektive Lösung für die zu bewältigenden Probleme erarbeiten zu können und sollten bei der Findung dieser Lösung nicht unnötig durch Prozesse einge-schränkt sein. Da völlige Freiheit zum zielge-richteten Finden von Lösungen ein sehr ho-hes Maß an Selbstdisziplin erfordert, sollte das Erarbeiten von Lösungen nicht in völliger Ab-wesenheit von Prozessen geschehen. Vielmehr sollten agile Teams dabei unterstützt werden, sich selber notwendige Prozesse zu geben. Die Erarbeitung und kontinuierliche Anpassung solcher Prozesse nennt man Selbstorganisation.

Probleme und Lösungen auf dem Weg zur empirischen ProzesskontrolleWie bereits im letzten Abschnitt angerissen, ist das Validieren von in der Vergangenheit getrof-fenen (Planungs-)Annahmen eine leicht ver-ständliche und eingängige Idee. Die daraus re-sultierenden Konsequenzen, sowohl des verän-derlichen zukünftigen Plans als auch der Not-wendigkeit von regelmäßigem Feedback durch Nutzer, jedoch weniger.

Ein prominentes Beispiel, das diese Pro-blematik verdeutlicht, ist die Vereinigung von Budgetplanung mit agilen Projekten. Typi-scherweise möchte man für ein gegebenes Budget eine Zusicherung über die Leistung, die man für dieses bekommt. Nicht zuletzt funkti-onieren so auch alle Transaktionen im privaten Umfeld. Die Grundannahme, dass sich agile Projekte mit komplexen Problemen beschäfti-gen (für die kein hinlänglich bekannter und anwendbarer Lösungsweg existiert), führt die-sen Wunsch allerdings ad absurdum: Wenn nicht nur die Lösung der Probleme selbst, son-dern insbesondere auch der Weg zu deren Lö-sung unbekannt ist, dann ist es bestenfalls möglich, eine (sehr ungenaue) Schätzung für die Kosten einer Lösung anzugeben. Was man jedoch sicher zusagen kann, ist, dass das zur Verfügung stehende Budget aufgrund von re-gelmäßiger Neu-Fokussierung auf die wert-schaffensten Arbeiten optimal verwendet wird und die Schätzung der Gesamtkosten sich auf-

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grund der im Projektverlauf gewonnenen em-pirischen Daten immer weiter präzisiert.

Diese Zusicherung allein jedoch als Grundlage für eine Budgetgenehmigung zu nehmen, setzt ein enormes Vertrauen zwischen den beteiligten Parteien voraus. Da ein solches Vertrauen im Allgemeinen nicht gegeben ist, muss es geschaffen werden, und dies funktio-niert im Allgemeinen nur durch Transparenz. Durch Transparenz über die eingegangenen Risiken, die durchgeführten Arbeiten und die entdeckten Probleme kann Vertrauen aufge-baut werden, was nach und nach mehr Flexibi-lität in der Projektplanung ermöglicht. Wichtig ist hier zu beachten, dass Vertrauen immer auf Gegenseitigkeit beruht. Transparenz wird nur in Arbeitskulturen aufrechtzuerhalten sein, in denen eine transparente Darstellung von Pro-blemen nicht abgestraft wird. Das bedeutet, dass das Melden von Problemen keinesfalls mit schlechter Leistung gleichgesetzt werden darf, andernfalls mangelt es an Transparenz, und es kann kein Vertrauen aufgebaut werden.

Ein weiteres Problem auf dem Weg zu em-pirischer Prozesskontrolle ist das wiederholte Einholen von Kunden- bzw. Stakeholder-Feed-back, was in etablierten klassischen Prozessen von Finanzinstitutionen nicht vorgesehen ist. Um hier Fortschritte zu erzielen, muss es agil arbeitenden Teams ermöglicht werden, ihr Produkt beginnend mit einer minimalen Ver-sion desselben in schrittweise verbesserten Versionen den Kunden bzw. Stakeholdern zur Verfügung zu stellen. Denn nur so kann sinn-volles Feedback eingeholt und zur weiteren Planung verwendet werden. Häufig sieht man im Projekt selbst, dass Mitarbeiter Lösungen entwickeln, die an bestehenden Prozessen vor-bei oder um diese herum funktionieren (soge-nannte Work-Arounds), um schnell zu einer funktionierenden Lösung zu kommen oder frühzeitig Feedback zu erhalten. Dies verur-sacht aber natürlich unnötige Mehrarbeit und ggf. auch instabile Lösungen. Langfristig ist es hier notwendig, die Mitarbeiter soweit als möglich von unnötigen Prozessen zu befreien und es ihnen zu ermöglichen, selbst passende

Prozesse zu entwickeln, die es ihnen erlauben, ihre Ziele effizient und effektiv zu verfolgen. Dies sollte langfristig zu einer Kultur der Selb-storganisation führen.

Probleme und Lösungen auf dem Weg zur SelbstorganisationGrundvoraussetzung für eine solche Kultur der Selbstorganisation ist zunächst die Bildung ech-ter Teams. Denn während in typischen Finanz-institutionen Mitarbeiter aus organisatorischer Sicht in Teams arbeiten, so werden in Realität häufig doch einzelne Themen einzelnen Mit-arbeitern zugeordnet. Dies führt dann schon auf Arbeitsebene zu Silodenken und Kompe-tenzgerangel. Um diesem entgegenzuwirken und echtes Teamwork zu schaffen, ist es un-umgänglich, dass Teams die Ergebnisse ihrer Arbeit gemeinschaftlich verantworten. Nur durch geteilte Verantwortung fördert man die Etablierung von Intra-Team-Prozessen zur Si-cherstellung von adäquater Arbeitsaufteilung, Qualitätssicherung und Wissensaustausch, da sich jedes Mitglied des Teams gemeinschaftlich für die Erreichung der Teamziele verantwort-lich fühlt. Genau diese eigenverantwortliche Etablierung von Intra-Team-Prozessen ist mit Selbstorganisation gemeint. Typische Finanzin-stitutionen sehen sich an dieser Stelle zwei He-rausforderungen gegenüber. Zum einen führt geteilte Verantwortung in einem Team nahe-zu zwangsläufig zu Konflikten zwischen Team-mitgliedern, die unterschiedlicher Meinung in Bezug auf praktische beliebige arbeitsrelevan-te Themen sind. Diese Konflikte müssen - in Abwesenheit einer kontrollierenden Führung - aufgearbeitet und beigelegt werden, wobei es hier zwingend notwendig ist, dass ein Konsens oder zumindest eine Entscheidung gefunden wird. Diese Rolle der Unterstützung der Selbst-organisation fällt in Scrum dem Scrum Master zu. Wichtig ist an dieser Stelle, dass diese Rol-le sinnvollerweise nicht von jemandem ausge-führt wird, der den Teammitgliedern gegen-über weisungsbefugt ist, da hier die Versuchung sehr groß ist, den Teammitglieder nicht zu ei-ner Entscheidung zu verhelfen, sondern diese

einfach vorzugeben, was wiederrum den Auf-bau einer Kultur der Eigenverantwortung und Selbstorganisation behindert und daher nur der letzte Ausweg sein sollte. Weiterhin sollten ei-genverantwortliche Teams in der Lage sein, ihre selbstgesteckten Ziele auch selbst zu erreichen. Das heißt, dass alle zur Erreichung der Ziele notwendigen Fähigkeiten in einem Team vor-handen sein müssen (cross-funktionale Teams), da so Kommunikationsverluste minimiert wer-den und Verantwortungsgefühl gestärkt wird. In häufig hochspezialisierten Teams ist dies nicht immer der Fall, und zusätzliche Fähigkei-ten müssen oft über einen gewissen Zeitraum hinweg aufgebaut werden. Dieser Aufbau findet normalerweise nicht sofort statt, daher ist es an dieser Stelle meist hilfreich, sich die benötigten Fähigkeiten sowie das notwendige zusätzliche Wissen am Markt zuzukaufen, um die Teams von Anfang an arbeitsfähig zu machen.

FAZIT

Echte Agilität in einem Finanzinstitut erfor-

dert einen fundamentalen Wechsel der Fir-

men- und insbesondere auch der Führungs-

kultur hin zu mehr Vertrauen gegenüber

den eigenen Mitarbeitern und im Gegenzug

zu mehr Übernahme von Verantwortung

durch selbige. Während manche Aspekte von

Agilität, wie z. B. die empirische Prozesskon-

trolle, auch aus sich heraus Mehrwert brin-

gen, verursacht die bloße Anwendung von

Aspekten und Artefakten agilen Vorgehens

ohne inhaltliches Verständnis häufig mehr

Schaden als Nutzen. Ein tiefgehendes Ver-

ständnis der der Agilität zugrunde liegenden

Prinzipien ist daher unumgänglich und eine

entsprechende Schulung sowie ein Coaching

der ersten Projekte sehr wichtig, um vom

agilen Vorgehen effektiv zu profitieren und

den Begriff der Agilität nicht im eigenen Un-

ternehmen zu verbrennen.

Autor: Dr. Cornelius Mund ist zertifizierter

„Professional Scrum Trainer“ und Senior

Manager bei der d-fine GmbH.

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DESIGN THINKING

Mehr als alter Wein in neuen SchläuchenDesign Thinking ist keine einmalige Methode zur Ideengenerierung sondern vielmehr eine ganz neue

Arbeitskultur. Es handelt sich um einen kompletten Kreativitätsprozess, der sich an den Nutzerbedürf-

nissen orientiert und an Elementen aus der klassischen Design-Entwicklung anlehnt. Aber sind Design

Thinking und die darin enthaltenen Elemente wirklich grundlegend neu, kann damit wirklich für jede

Branche, jedes Produkt und jede Dienstleistung eine Lösung entwickelt werden, oder handelt es sich

nur um ein Rebranding bekannter Methoden?

Design Thinking ist ein Innovationspro-zess, der 1991 von der amerikanischen Innovationsagentur Ideo entwickelt

wurde und darauf abzielt, Produkte zu entwi-ckeln oder zu optimieren. Diese Methode setzt radikal die Kundenperspektive in den Mittel-punkt und fängt bei den Kundenbedürfnissen und Erwartungen an, um damit neue und in-novative Ideen aufzudecken. Ein weiterer zen-traler Fokus liegt in der Erschaffung der best-möglichen Customer Experience mit dem Ziel, kundenzentrische Lösungen zu entwickeln. Be-gleitend zum Design Thinking schließen De-sign Doing und Design Being den vollständigen Prozess ab. Letztere beiden Methoden konzen-trieren sich besonders auf das Prototyping und die weitere Integration der durch Design Thin-king erarbeiteten Lösungen in den Arbeitsalltag.

Durch Design Doing werden abstrakte und immaterielle Ideen greifbar. Prototyping- und Validierungsmethoden unterstützen früh-zeitig bei der Visualisierung und Validierung von Konzepten, um noch im Entwicklungs-prozess Produktveränderungen einfließen zu lassen. Dabei machen iterative Ansätze Platz für Misserfolge. Ein frühes, schnelles und re-gelmäßiges Scheitern erleichtert und beschleu-nigt den Lernprozess ungemein. Auf diese Weise wird sichtbar, an welchen Stellen Kon-zepte verbessert und damit Risiken reduziert und Ressourcen geschont werden können.

Design Being hingegen betrachtet die In-tegration des Design-Thinking-Gedankens in

den Arbeitsalltag. Agile Produktentwicklung muss im Unternehmen gelebt werden, um da-durch nachhaltige Erfolge zu erzielen und In-novationen hervorzubringen. Es erfordert ein Umdenken aller beteiligten Mitarbeiter.

Die gesamte Unternehmenskultur muss sich in Richtung agiler Produktentwicklung verändern. Dabei reicht ein Top Down Com-mitment des Vorstands zu Design Thinking nicht aus, um mit dieser Methode erfolgreich zu sein. Design Being setzt eine gewisse Of-fenheit der Mitarbeiter gegenüber der Me-thode voraus sowie die Bereitschaft der Füh-rungsebene, im Arbeitsalltag ihrer Mitarbei-ter Platz für Design Thinking zu schaffen. Auch wenn der Ansatz von Design Thinking in der Theorie plausibel klingt, lässt der All-tag in vielen Unternehmen leider oft wenig Platz für kundenzentrische oder disruptive Innovationsansätze.

Daher stellt sich die Frage, ob Design Thinking nur eine weitere „Modeerschei-nung“ ist, oder ob es sich dabei wirklich um einen neuen und sinnvollen Ansatz für die Schaffung von Innovationen handelt.

Komponenten Design Thinking besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten, die oft auch als Erfolgsfak-toren bezeichnet werden: Zum Design-Thin-king-Prozess als solchem gehören auch inter- bzw. multidisziplinäre Teams sowie mobile bzw. variable Raumkonzepte.

Der Design-Thinking-ProzessHierbei handelt es sich um einen strukturier-ten Prozess, der Rücksprünge zulässt, wenn aufgrund des Anwender-Feedbacks die vor-handenen Ansätze nachgearbeitet werden müssen. Er gliedert sich in sechs Stufen:

Z Verstehen: Hier wird die eigentliche Fragestellung er-arbeitet, Verständnis für das Problem her-gestellt und somit der Problemraum abge-steckt.

Z Beobachten: Es werden wichtige Einsichten und Er-kenntnisse gewonnen, indem die Anwender aufmerksam beobachtet und in Dialogen befragt werden. Jegliche Ergebnisse, z. B. besondere Zitate der Anwender, werden festgehalten und später zusammengefasst. Hier beginnt bereits die Visualisierung.

Z Sichtweise definieren:Alle Teammitglieder stellen den anderen ihre visualisierten Erkenntnisse vor, um ein gemeinsames Gesamtbild zu erhalten. Die gewonnenen Erkenntnisse werden verdichtet, es wird nach Gemeinsamkei-ten gesucht und auf (proto-)typische An-wender heruntergebrochen, um deren Be-dürfnisse besser verstehen zu können.

Z Ideenfindung: Mit verschiedenen Methoden wird eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten entwi-ckelt, indem konkrete Fragestellungen aus

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BERUF & KARRIERE

den potenziellen Anwendungsfeldern ab-geleitet und formuliert werden.

Z Prototyping: Die Prototypen sind erste konkrete Lö-sungen, sie dienen der Visualisierung so-wie dem Testen dieser Lösungen. Prototy-pen können aus diversen Materialien bestehen und verschiedenste Formen an-nehmen.

Z Test / Verfeinerung:Die Erkenntnisse, die aus den Prototypen gewonnen wurden, z. B. durch das Feed-back der Anwender, fließen in die Verbes-serung und Verfeinerung der Konzepte ein und verursachen, je nach Auswirkung, einen Rücksprung in eine der vorherigen fünf Stufen. Das Feedback der Anwender lässt sich durch die Visualisierung wesent-lich einfacher konkretisieren, und Alter-nativen bzw. Varianten können leichter formuliert werden.

Inter- bzw. multidisziplinäre TeamsBeim Design Thinking wirken Personen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen. Das stellt sicher, dass möglichst vielfältige fachli-che Hintergründe an den oft komplexen Fra-gestellungen beteiligt sind. Die unterschied-lichen Sichtweisen können durch berufliche, kulturelle aber auch durch Alters- oder Ge-schlechtsunterschiede entstehen. Entschei-dend sind die Neugier und die Offenheit für andere Perspektiven und Disziplinen.

Mobile bzw. variable RaumkonzepteDas Raumkonzept nimmt eine wichtige Rol-le beim Design Thinking ein und ist die Vo-raussetzung für die Visualisierung. Die Räu-me sollten möglichst flexibel möbliert sein, das Arbeiten im Stehen ermöglichen und viel Platz für Präsentationen bieten. Wichtig sind auch Materialien für die prototypische Gestaltung von Ideen. Dies können Stoffe, Bilder oder auch Legosteine sein.

Manchmal wird im Zusammenhang mit Design Thinking auch von einer vierten Kom-ponente gesprochen, den Werten. Wenn meh-

rere Personen gemeinsam an einer Aufgaben-stellung arbeiten, ist es wichtig, dass vorab klare Regeln verabredet wurden und gemein-same Werte eingehalten werden. Diese Werte, in Bezug auf Design Thinking, sind:

Z Es wird visuell gearbeitet. Z Es spricht nur einer. Z Verrückte Ideen werden gefördert. Z Kritik wird zurückgestellt. Z Wichtig ist Quantität.

Z Alle bleiben beim Thema. Z Es wird auf den Ideen anderer aufgebaut.

Was ist wirklich neu?Im Innovationsmanagement existieren vielfäl-tige strukturierte Phasenmodelle. Diese Mo-delle mit ihrem systematischen und methodi-schen Vorgehen erhöhen die Erfolgsaussichten im Innovationsprozess und sind eine wichtige Voraussetzung für die Erschließung von Po-tenzialen, denn der komplexe Gesamtprozess

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wird durch die Gliederung in einzelne Pha-sen überschaubarer und lässt sich effizienter gestalten.

Es existieren bereits sowohl sequenzielle Prozessmodelle, wie der Stage-Gate-Prozess von Cooper oder das Phasenmodell nach Brockhoff, aber auch iterative Ansätze, wie das Phasenmodell nach Ahsen oder nach Reichwald / Piller, welches auch explizit Kun-den / Nutzer als Wertschöpfungspartner mit einbezieht. Demzufolge sind ein strukturier-

tes Vorgehen im Innovationsprozess, auch die Iteration und die Einbindung von Kunden, nichts grundlegend Neues.

Auch der Ansatz inter- bzw. multidiszip-linärer Teams ist für sich genommen nicht neu. Gruppenarbeit bietet die Chance, die fachliche und methodische Kompetenz zu verbessern, und durch den Einsatz von Perso-nen aus verschiedenen Aufgabenfeldern und mit unterschiedlichen Qualifikationen wird fachübergreifend Wissen generiert. In Bezug auf den Einsatz von Kreativitätstechniken wird festgestellt, dass jeder Mitarbeiter im Unternehmen über individuelle Erfahrungs-werte und Ideenreichtum verfügt, welches ge-nutzt werden sollte.

Im Hinblick auf die Raumkonzepte wird sich gern an den sog. Kreativitätsinseln orien-tiert. Hierbei handelt es sich i. d. R. um Räum-lichkeiten mit einer zwanglosen, informellen Atmosphäre, in der gewohntes Denken reflek-tiert, angezweifelt oder neugestaltet werden kann. Dies können Kaffeeküchen, Kantinen-bereiche oder Ruhezonen sein.

Im Zusammenhang mit visuellen Techni-ken ist auch die Kreativitätstechnik Ishikawa-Diagramm zu nennen, bei der mittels visuel-ler Darstellung die Ursachen sowie die damit einhergehenden Wirkungen eines Problems analysiert werden. Das Ishikawa-Diagramm eignet sich dabei als Basis für Diskussionen oder für eine strukturierte Betrachtung des Problems.

Auch für die Dienstleistungsbranche erfolgversprechend?Der Design-Thinking-Prozess zielt immer da-rauf ab, einen Prototypen zu generieren, der mit und an potenziellen Kunden getestet wer-den kann. Die Fachliteratur spricht sehr allge-mein von Prototypenentwicklung, ohne zwi-schen materiellen und immateriellen Produk-ten – wie Dienstleistungen – zu unterscheiden.

Zwar existieren verschiedenste Metho-den zur Entwicklung von Prototypen für Dienstleistungen, z. B. Videodreh, Rollen-spiele, Mock-ups etc., jedoch bleibt die Frage,

wie abstrakt ein Prototyp sein darf, damit er noch weiterverwendet werden kann. Wie wird aus dem Videodreh einer guten Idee ein neues Produkt in einem Dienstleistungsun-ternehmen?

Dieser und einigen anderen Fragen wird derzeit im Rahmen einer Studie bei einem deutschen DAX-Konzern nachgegangen. Ziel ist die Generierung einer optimierten Design-Thinking-Methode für die Entwicklung von Dienstleistungen.

FAZIT

Die einzelnen Komponenten des Design

Thinking sind im Innovationsmanagement

nicht wirklich neu. Hier wird ein Vorgehen

über ein Phasenmodell beschrieben, das

sinnvolle Aspekte des Innovationsmanage-

ments einbindet. Die Logik des sukzessiven

Ablaufs, verbunden mit möglichen Iteratio-

nen, steigert die Wirkung und die Effizienz

des Innovationsprozesses. Spätestens über

die Prototypen wird das Feedback poten-

zieller Anwender eingeholt. Hierdurch kön-

nen Fehler frühzeitig erkannt und behoben

werden.

Hinsichtlich der Entwicklung von Dienstleis-

tungen liegt die Vermutung nahe, dass die

Design-Thinking-Methode noch optimiert

werden muss. Welches Vorgehensmodell

dabei das Richtige ist, kann nicht pau-

schal gesagt werden. Ob der beim Design

Thinking favorisierte visuelle Ansatz in die

Unternehmenskultur passt, muss auspro-

biert werden. Ein ernstgemeinter Versuch

sollte aber nicht ohne vorheriges Training

und ggf. mit entsprechender Unterstützung

durchgeführt werden. Sonst besteht die

Gefahr, die positiven Aspekte des Design

Thinking nicht wahrzunehmen und die Me-

thode vorschnell als unwirksam abzutun.

Autor: Matthias Nolden, Diplom-Informatiker

und Coach, Jüchen. Marc Defosse, M. Sc.

Business Management.

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PERSONALIEN

Personaliender Volksbank Minden entstandenen Bank mit zeitgemäßen digitalen Angeboten vorantreiben.

SONSTIGE

Avaloq Gruppe, Zürich. Dr. Stefan Benz, zu-letzt bei Credit Suisse IT Head for EMEA and Regulatory im Bereich International Wealth Management, ist am 17. August zum Head of Digital & Front und Mitglied der Geschäftslei-tung ernannt worden.

BHW Bausparkasse AG, Ha-meln. Das Vorstandsmitglied Henning Göbel (51) ist mit Wir-kung vom 1. August zum Spre-cher dieses Gremiums gewählt worden. Er folgt Lars Stoy, der

in den Vorstand der Deutschen Postbank AG gewechselt ist. Der Generalbevollmächtigte Dr. Jörg Koschate (43, Foto) ist zum selben Ter-min neu in den Vorstand berufen worden.

Börse Stuttgart GmbH, Stuttgart. Der lang-jährige Geschäftsführer der Börse Stuttgart GmbH und Vorstand der EUWAX AG Ralph Da-nielski (49) wird die Börse Stuttgart auf eige-nen Wunsch verlassen, um sich neuen Heraus-forderungen zu stellen.

Main Incubator GmbH, Frankfurt am Main. Michael Spitz ist zum Mitglied der Geschäfts-führung ernannt worden. Er folgt Christian Hoppe, der sich ab 30. September neuen Her-ausforderungen außerhalb des Konzerns stellt.

Lloyd Fonds AG, Hamburg. Klaus M. Pinter ist mit Wirkung vom 1. August zum Vorstandsmit-glied ernannt worden. Er wird für die Assetbe-reiche, insbesondere Immobilien und Schiff-fahrt, sowie für Vertrieb zuständig sein. Pinter, seit Juni 2016 als Generalbevollmächtigter für Lloyd Fonds tätig, wurde bis Ende Juni 2019 berufen.

Postbank Finanzberatung AG, Hameln. Das Mitglied des Vorstands Renato Favro (51) ist mit Wirkung vom 1. August zum Sprecher dieses Gremiums ernannt worden. Er folgt Lars Stoy (44), der in den Vorstand der Deutschen Post-bank AG gewechselt ist.

Vertiva Family Office GmbH, Stuttgart. Artur Montanhas (42), zuletzt als Niederlassungslei-ter Frankfurt und Stuttgart sowie Mitglied des Management Boards Private Banking Germany bei der Bank J. Safra Sarasin AG tätig, und Da-niel Sauerzapf (38), zuletzt Leiter der Region West der Niederlassungen in Nordrhein-West-falen der UBS Europe SE, sind zu Mitgliedern der Geschäftsführung ernannt worden. Der bis-lang zweite geschäftsführende Gesellschafter Arnim Kogge wechselt in den Beirat.

PRIVATES BANKGEWERBE

Commerzbank AG, Frankfurt am Main. Der ehemalige Vorsitzende des Vorstands der frü-heren Dresdner Bank AG Dr. Bernd Fahrholz wurde am 4. August 70 Jahre alt.

HSBC Trinkaus & Burkhardt AG, Düsseldorf. Dr. Ulrich Gö-res (43, Foto) ist zum Leiter der Compliance-Einheit und Bekämpfung von Finanzkrimi-nalität (Financial Crime Com-

pliance) berufen worden. Er berichtet direkt an Carola von Schmettow, Sprecherin des Vor-stands von HSBC Deutschland. Göres war von 2014 bis 2016 bei der Deutsche Bank AG als Glo-bal Head of Anti-Financial Crime und als Kon-zerngeldwäschebeauftragter tätig. Zuvor war er u. a. für die Erste Group Bank AG als Chief Compliance Officer & Group General Counsel konzernweit für die Bereiche Compliance, Legal & Security zuständig.

Merck Finck Privatbankiers AG, München. Daniel Kerbach (42, Foto), Leiter der Vermö-gensverwaltung von Julius Bär, ist als Nachfolger von Stefan Duderstedt mit Wirkung vom

1. September zum Chief Investment Officer (CIO) ernannt worden. Der CIO steht auf der zweiten Managementebene und berichtet an den Vor-standsvorsitzenden Matthias Schellenberg.

AUSLANDSBANKEN

Europäische Investitionsbank, Luxemburg. Der ehemalige finnische Ministerpräsident Ale-xander Stubb ist zum Vizepräsidenten und zum Mitglied des Direktoriums ernannt worden. Er tritt die Nachfolge von Jan Vapaavuori an, der sein Amt im Juni niedergelegt hat. Im Direkto-rium der EIB wird Alexander Stubb die Aufsicht über die Finanzierungen der EIB in Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen und Schwe-den sowie in mehreren Ländern außerhalb der Europäischen Union haben.

Generali Investments Eu- rope, Mailand. Vincent Chaig-neau (Foto) ist zum neuen Head of Research ernannt worden. Er wird ein Team von 25 Ökonomen sowie Kredit-

und Aktienanalysten mit Sitz in Paris, Köln und Triest leiten. Darüber hinaus wird er den Be-reich Group Insurance Research (GIR) von Ge-nerali leiten. Chaigneau war zuvor 24 Jahre lang für die Société Générale in Paris, New York und London tätig.

ÖFFENTLICH-RECHTLICHER KREDITBEREICH

Landesbank Baden-Württemberg, Stutt-gart. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Hans-Jörg Vetter feierte am 22. August seinen 65. Geburtstag.

Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank, Stuttgart. Frank Hagenstein (52), bis Ende letzten Jahres Geschäftsführer der Deka Investment GmbH, ist mit Wirkung vom 1. September zum Chief Investment Of-ficer Capital Markets bestellt worden. Zu sei-nen Aufgaben zählt insbesondere die Entwick-lung von Anlagestrategien.

Sparkasse Oberpfalz Nord, Weiden i. d. OPf. Martina Birner, seit 2009 Bereichsleiterin des Privatkundenmarkts, ist mit Wirkung vom 1. Au-gust zum stellvertretenden Vorstandsmitglied bestellt worden.

Sparkasse Ulm, Ulm. Dr. Stefan Bill, zuletzt Vorsitzender des Vorstands der Sparkasse Alt-ötting-Mühldorf, ist zum Vorsitzenden des Vor-stands der Sparkasse Ulm bestellt worden. Er folgt Manfred Oster, der im Oktober seinen 65. Geburtstag feiert und Ende März 2018 in den Ruhestand eintreten wird. Bill wird die Be-reiche Betriebswirtschaft, Compliance, Interne Revision, Organisation, Personal, Private Ban-king sowie Vorstandsstab verantworten.

GENOSSENSCHAFTSSEKTOR

Sparda-Bank Hessen eG, Frankfurt am Main. Das Vorstandsmitglied Markus Müller (52) ist mit Wirkung vom 1. Oktober zum Vorsitzenden des Vorstands ernannt worden. Müller zeichnet für Finanzen und Steuerung verantwortlich. Stellvertretender Vorsitzender wird Michael Weidmann (43), der den Vertrieb und das Trea-sury verantwortet. Rüdiger Orth (52), seit 1990 bei der Bank, wird zum 1. Juni 2018 in den Vor-stand berufen und die Verantwortung für die Produktionsbank übernehmen. Professor Jür-gen Weber (64), Vorsitzender des Vorstands, und Hans-Joachim Hellhake (63), stellvertre-tender Vorsitzender des Vorstands, verlassen die Bank am 30. September auf eigenen Wunsch und treten in den Ruhestand.

VerbundVolksbank OWL eG, Paderborn. Mat-thias Brandes (51), derzeit als Leiter Informati-onstechnologie bei der comdirect Bank AG tätig, ist mit Wirkung vom 1. September zum Chief Di-gital Officer (CDO) ernannt worden. Er soll ins-besondere den Ausbau der digitalen Finanz-dienstleistungen, Services und Prozesse und da-mit den Wachstumskurs der durch die Fusion der Volksbank Paderborn-Höxter-Detmold und

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MARKT

Bücher

Impressum

Verlag und Herausgeber: Bank-Verlag GmbH Wendelinstraße 1, 50933 Köln Tel.: +49/221/5490-0, Fax.: +49/221/5490-315 E-Mail: [email protected]

Redaktion: Chefredaktion: Dr. Stefan Hirschmann (verantwortlich), Wilhelm Niehoff

Redaktion: Anja U. Kraus, Tel.: +49/221/5490-542 E-Mail: [email protected]

Leitung Kommunikation & Redaktion: Dr. Stefan Hirschmann, Tel.: +49/221/5490-221 E-Mail: [email protected]

Mediaberatung: Alexander May, Tel.: +49/221/5490-603 E-Mail: [email protected]

Produktionsleitung: Armin Denzel

Layout: Katrin Frese

Geschäftsführer: Wilhelm Niehoff (Sprecher), Michael Eichler, Matthias Strobel

Handelsregister: Köln: HRB 65 USt-Id.-Nr. DE 12279 4759 Steuer-Nr. 223 5802 2339 VN 11756

Abo- und Leserservice: Tel.: +49/221/5490-500, Fax: +49/221/5490-315, E-Mail: [email protected]

Lektorat: Ulrike Ascheberg-Klever, Köln

Druck: Media Cologne Kommuni kationsmedien GmbH Luxemburger Str. 96, 50354 Hürth Printed in Germany

Erscheinungsweise: Printausgabe (ISSN 0342-3182): monatlich (10 x im Jahr) E-Mail-Newsletter: mindestens monatlich

Anzeigenpreise: Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 31 vom 1.1.2017

Bezugspreise: Einzelheft: 15,00 €, Abo: 130,00 € pro Jahr (inkl. Versand-kosten und 7% MwSt), Studentenabo: 80,00 € pro Jahr (inkl. Versandkosten und 7% MwSt)

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ZEITSCHRIFT FÜR BANKPOLITIK UND PRAXIS

mary (IW Köln) zeigt (S. 159-172). Dies mache allerdings eine Strukturreform erforderlich, um die Auswirkungen der demografischen Ent-wicklung auf die Ersparnis und den natürlichen Realzins abzumildern. Stefan Hirschmann

KPMG AG WIRTSCHAFTSPRÜFUNGS- GESELLSCHAFT (HRSG.) DIGITALISIERUNG IM MASCHINENRAUM DER FINANZDIENSTLEISTER

Verlag Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2017, 173 S.,

49,95 €, ISBN 978-3-7910-4012-7

Bei Banken und Versi-cherungen gibt es in Sa-chen Digitalisierung er-heblichen Aufholbe-darf. Zu den größten Herausforderungen ge-hören veraltete IT-Sys-teme, dynamische Fin-Techs als Mitbewerber und eine Revolution des

Zahlungsverkehrs durch die PSD2. Wie können Finanzdienstleister also den Wandel erfolgreich gestalten? Mehr als 40 Experten stellen in die-sem Sammelband die Auswirkungen des Mega-trends auf den verschiedenen Ebenen der Ge-schäftsmodelle dar.

Zwar bieten Banken und Versicherungen ihren Kunden Apps, mit denen sie bequem vom Smartphone ihre Finanzgeschäfte erledigen können. Das allein macht aber noch keine Di-gitalisierung aus. Denn bei vielen Finanzdienst-leistern laufen unterschiedliche, fragmentierte oder veraltete IT-Systeme nebeneinander her. Ein Beispiel ist die in den 50er-Jahren entwi-ckelte Programmiersprache COBOL. Was muss bei den IT-Systemen von Banken also jetzt ge-schehen? Und in welcher Phase des digitalen Umbruchs befindet sich die Branche aktuell? Der Band analysiert nicht nur die gegenwärti-ge Lage, er gibt auch ganz konkrete Umset-zungsempfehlungen und bietet technische Lö-sungsmöglichkeiten. Dabei wird das Themen-feld in seiner gesamten Breite behandelt: Wel-che Rolle können zum Beispiel Cloud-Anwen-dungen spielen? Wie sieht die Sourcing-Stra-tegie insgesamt aus? Wie lassen sich Lösungen von Drittanbietern in die IT-Architektur inte-grieren? Eigene Kapitel widmen sich zudem Compliance-Fragen, Data-Analytics, der Be-deutung der PSD2 oder der Informationssi-cherheit. Der Leser erhält somit eine systema-tische und profunde Bestandsaufnahme der Bedeutung des Megatrends Digitalisierung für die Finanzbranche. Stefan Hirschmann

MARCEL FRATZSCHER | DOROTHEA SCHÄFER | GERT C. WAGNER (HG.) NIEDRIGZINSEN – URSACHEN, WIRKUNGEN, AUSSTIEGSOPTIONEN.

Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2016, 178 S.,

79,90 €, ISBN 978-3-428-15088-5.

Diese Sammelpublikation des DIW Berlin bietet eine exzellente Analyse des gegenwärtigen Niedrigzinsumfelds aus der Perspektive ver-schiedener Institutsgruppen. Acht Jahre nach der Lehman-Insolvenz ist das Nominalzinsni-veau auf einem historischen Tiefstand. Die niedrigen Zinsen haben das wirtschaftliche Um-feld von Unternehmen, Privathaushalten und Staaten stark verändert. Schuldnern kommen Niedrigzinsen zugute. Halten sie indes länger-fristig an, müssen womöglich auf vielen Feldern künftige Erträge und jetzt zu bildende Reserven neu kalkuliert werden. Umso wichtiger ist es, die mit dem Niedrigzinsumfeld verbundenen Herausforderungen und Anpassungen zu un-tersuchen und mögliche Handlungsoptionen aufzuzeigen. Die Beiträge in diesem Vierteljah-resheft zur Wirtschaftsforschung kommen die-ser Aufgabe nach. Sie beleuchten Ursachen so-wie Implikationen des Niedrigzinsumfelds und diskutieren Voraussetzungen für einen Aus-stieg. Wissenschaftler der Universität Münster untersuchen, welche Auswirkungen das aktuel-le Umfeld auf die Zinsänderungsrisiken im An-lagebuch von Banken hat, und erläutern erheb-liche Implikationen für die Risikoübernahme, da der Anreiz besteht, durch zunehmende Fristen-transformation die geschmälerten Margen auf-zubessern und folglich höhere Zinsänderungs-risiken in Kauf zu nehmen (S. 45ff.).

Weitere Beiträge befassen sich mit Immobili-enrisiken und Hauspreisblasen (S. 111-158) und zeigen, dass insbesondere Regulierungsände-rungen zur Entstehung von Immobilienblasen beigetragen haben. Gleichzeitig deuten Fallstu-dien darauf hin, dass eine gute Regulierung und staatliche Eingriffe in den Immobilien-markt auch bei Niedrigzinsen systemische Ri-siken verhindern können. Schließlich werden Wege für eine Zinswende aufgezeigt (S. 159ff.). Mittelfristig kann die Überwindung der Bilanz-rezession demnach zu höheren Investitionen und darüber zu einem höheren Zinsniveau füh-ren. Ein höherer Realzins würde es den Zen-tralbanken ermöglichen, ihre Leitzinsen zu er-höhen, ohne die wirtschaftliche Erholung zu bremsen. Ein höherer natürlicher Realzins ist auch für die Wirksamkeit der Geldpolitik för-derlich, um die Probleme durch das Erreichen der Nullzinsgrenze in Zukunft seltener auftre-ten zu lassen, wie eine Analyse von Markus De-

Page 89: GREEN ABS – EINE NEUE ASSETKLASSE Alles grün, oder was? · an einen anderen Ort. Ein reflektierender Blick zurück ermöglicht nicht selten wertvolle Erkenntnisse für die Zukunft,

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Die nächste Ausgabe die bank erscheint Ende Oktober 2017. www.die-bank.de