GREENPEACE MAGAZIN: Für mehr Liebe

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VON SVENJA BELLER UND ROMAN PAWLOWSKI FOTOS Für mehr Liebe Was auf dem Festival passiert, das bleibt auf dem Festival – auch der Müll Ein Wochenende lang ist peinlich gut, ist dreckig egal und die Musik laut und echt. Ein Wochenende lang Freiheit, Ekstase und Dosenbier. Ein Festival ist eine Art luftleerer Raum, in dem auch der die lee- re Dose über die Schulter wirft, der das zu Hause nie machen würde. Und wenn das 73.000 Menschen drei Tage lang tun, dann kommt ganz schön viel Unrat zusammen, den andere wieder aufsam- meln müssen. Das Hurricane im niedersächsischen Scheeßel zählt zu den größten Festivals Deutschlands, jedes Jahr bleiben von drei Tagen Musik, Spaß und Zügellosigkeit 800 bis 1000 Tonnen Müll übrig. Grills, Cam- pingstühle, Konservendosen, Toilettenpa- pier, Pavillons und Zelte machen aus der grünen Wiese eine Müllhalde. Bis sie wie- der wirklich grün ist, dauert es Wochen. Rund ein Viertel aller Zelte werden auf Musikfestivals einfach stehen gelas- sen“, sagt Jacob Bilabel von der „Green Music Initiative“. Sie waren billig, sind aufwendig abzubauen, vielleicht nass ge- regnet, vielleicht biergetränkt. Emotiona- le Bindung: Null. „Love your tent“, liebe dein Zelt, heißt die Kampagne aus Groß- britannien, die das ändern will. Aufge- sprayt aufs Zelt werden der Spruch und das Logo des Festivals zu Trophäen, ähn- lich wie die T-Shirts und Bändchen. Das Open Air St. Gallen lässt seine Camper 20 Franken Zeltdepot zahlen, die nur wiederbekommt, wer sein Zelt mit nach Hause nimmt. Das südenglische Glastonbury Festival verteilt Heringe aus Kartoffelstärke. Im Boden steckende Me- tallheringe hatten die Kühe der Worthy Farm verletzt, deren Gelände das Festival nutzt. Das Hurricane animiert seine Besu- cher mit Recyclingstationen, Müllpfand, Essenstausch und Gewinnspielen unter dem Motto „Grün rockt“ zum sauberen Musikrausch – mit mäßigem Erfolg. „Das größte Problem ist gar nicht mal der Müll, den sieht man nur so gut“, sagt Jacob Bilabel. Über die Hälfte der CO 2 - Emissionen eines Festivals mache die Besucheranfahrt von 300 bis 350 Kilome- tern aus. Mit vielen Festivaltickets kann man deswegen umsonst Zug fahren. Das Melt!-Festival in Sachsen-Anhalt chartert seit fünf Jahren einen Hotelzug, in dem die Besucher bis zum Gelände fahren und auch schlafen können. Und dann ist da noch der Strom für Licht, Sound und Nebelmaschinen. Bei über der Hälfte der Festivals kommt der – wie beim Hurricane – aus Dieselgenera- toren. „Ein eigenes Stromnetz zu legen kann da durchaus Sinn machen“, meint Bilabel. Am besten gespeist mit Öko- strom, natürlich. Über den Zaun statt über die Schulter: Auf „Müllinseln“ konnten die Besucher des Hurricanes ihren Unrat abladen (links). Von drei Tagen Spaß blieb am Ende dennoch ein Bild der Ver- wüstung zurück (rechts) 44

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Die Green Music Initiative über grünere Festivals in der September/Oktober Ausgabe des greenpeace magazins.

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VON SVENJA BELLER UND ROMAN PAWLOWSKI �FOTOS�

Für mehr LiebeWas auf dem Festival passiert, das bleibt auf dem Festival – auch der Müll

Ein Wochenende lang ist peinlich gut, ist dreckig egal und die Musik laut und echt. Ein Wochenende lang Freiheit, Ekstase und Dosenbier. Ein Festival ist eine Art luftleerer Raum, in dem auch der die lee-re Dose über die Schulter wirft, der das zu Hause nie machen würde. Und wenn das 73.000 Menschen drei Tage lang tun, dann kommt ganz schön viel Unrat zusammen, den andere wieder aufsam-meln müssen.

Das Hurricane im niedersächsischen Scheeßel zählt zu den größten Festivals Deutschlands, jedes Jahr bleiben von drei Tagen Musik, Spaß und Zügellosigkeit 800 bis 1000 Tonnen Müll übrig. Grills, Cam-pingstühle, Konservendosen, Toiletten pa-pier, Pavillons und Zelte machen aus der grünen Wiese eine Müllhalde. Bis sie wie-der wirklich grün ist, dauert es Wochen.

„Rund ein Viertel aller Zelte werden auf Musikfestivals einfach stehen gelas-sen“, sagt Jacob Bilabel von der „Green Music Init iative“. Sie waren billig, sind auf wendig abzubauen, vielleicht nass ge-reg net, viel leicht biergetränkt. Emotio na-le Bindung: Null. „Love your tent“, lie be dein Zelt, heißt die Kampagne aus Groß-britannien, die das ändern will. Auf ge-sprayt aufs Zelt werden der Spruch und das Logo des Festivals zu Trophäen, ähn-lich wie die T-Shirts und Bändchen.

Das Open Air St. Gallen lässt seine Cam per 20 Franken Zeltdepot zahlen, die nur wiederbekommt, wer sein Zelt mit nach Hause nimmt. Das südenglische Glas tonbury Festival verteilt Heringe aus Kartoffelstärke. Im Boden steckende Me-tall heringe hatten die Kühe der Worthy Farm verletzt, deren Gelände das Festival nutzt. Das Hurricane animiert seine Besu-cher mit Recyclingstationen, Müllpfand, Essenstausch und Gewinnspielen unter dem Motto „Grün rockt“ zum sauberen Musikrausch – mit mäßigem Erfolg.

„Das größte Problem ist gar nicht mal der Müll, den sieht man nur so gut“, sagt Jacob Bilabel. Über die Hälfte der CO2-Emissionen eines Festivals mache die Besucheranfahrt von 300 bis 350 Kilome-tern aus. Mit vielen Festivaltickets kann man deswegen umsonst Zug fahren. Das Melt!-Festival in Sachsen-Anhalt chartert seit fünf Jahren einen Hotelzug, in dem die Besucher bis zum Gelände fah ren und auch schlafen können.

Und dann ist da noch der Strom für Licht, Sound und Nebelmaschinen. Bei über der Hälfte der Festivals kommt der – wie beim Hurricane – aus Dieselgenera-toren. „Ein eigenes Stromnetz zu legen kann da durchaus Sinn machen“, meint Bilabel. Am besten gespeist mit Öko-strom, natürlich.

Über den Zaun

statt über die

Schulter:

Auf „Müll inseln“

konnten die

Besucher des

Hurricanes ihren

Unrat ab laden

(links). Von drei

Tagen Spaß blieb

am Ende dennoch

ein Bild der Ver-

wüstung zurück

(rechts)

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