Grundkurs Linguistik - Typologie...Unterschiede (1) Give us today our daily bread. (2) Chleba bread...
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Grundkurs Linguistik - Typologie
Jens [email protected]
Universität Düsseldorf; Abteilung für Allgemeine Sprachwissenschaft
19.11.2015; WS 2015/2016
1 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Unterschiede
(1) Give us today our daily bread.
(2) Chleba
bread
naszego
our
powszedniego
daily
daj
give
nam
to.us
dzisiaj.
today
[Polnisch < Slawisch]
(3) Mindennapi
daily
kenyerünket
bread.our
add
give
meg
pref
nekünk
to.us
ma.
today
[Ungarisch < Finno-Ugrisch]
(4) Gündelik
daily
ekmegimizi
bread.our
bize
to.us
bogün
today
ver.
give
[Türkisch < Turksprachen]
1 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Gemeinsamkeiten
(5) Give us today our daily bread.
(6) Vårt
our
dagliga
daily
brod
bread
giv
give
oss
us
idag.
today.
[Schwedisch < Germanisch]
2 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Variation & Gemeinsamkeit
Sprachen unterscheiden sich, sie weisen aber auch Gemeinsamkeitenauf. Wichtige Fragen in der linguistischen Typologien sind:- wie können natürliche Sprachen variieren?- welche Gemeinsamkeiten müssen natürliche Sprachen aufweisen?
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Variation & Gemeinsamkeit
Sprachen unterscheiden sich, sie weisen aber auch Gemeinsamkeitenauf. Wichtige Fragen in der linguistischen Typologien sind:- wie können natürliche Sprachen variieren?- welche Gemeinsamkeiten müssen natürliche Sprachen aufweisen?
Englisch und Schwedisch weisen Gemeinsamkeiten auf, weil sie mit-einander verwandt sind. In der Typologien geht um Gemeinsamkei-ten von Sprachen, die unabhängig von ihrer Verwandtschaft sind.
3 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Typologische Fragen
(i) Warum sind die grammatikalischen Strukturen in einigen ähnlich,in anderen dagegen anders?
(7) Ve
they
larkiki
girl’s
make
mother
liye
for
pani
water
late
bring
hai.
are
‘They bring water for the girl’s [Possessor] mother [Possess-um].’(Hindi < Indo-Arisch; ebenso Japanisch)
(8) bajtu
house
arraZuli
man.gen
‘the house [Possessum] of the man [Possessor]’(Arabisch < Semitisch; ebenso Rapa Nui)
4 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Einige Sprachen realisieren den Possessor (Besitzer) vor demPossessum (Besessenes), andere haben die umkehrte Ordnung. DieOrdnung korreliert mit anderen Abfolgemustern:
Hindi & Japanisch: Nomen + Adposition; S O VArabisch & Rapa Nui: Adposition + Nomen; V S O
5 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Einige Sprachen realisieren den Possessor (Besitzer) vor demPossessum (Besessenes), andere haben die umkehrte Ordnung. DieOrdnung korreliert mit anderen Abfolgemustern:
Hindi & Japanisch: Nomen + Adposition; S O VArabisch & Rapa Nui: Adposition + Nomen; V S O
Erklärung: Verben, Adposition, Possessum sind jeweils Köpfe. Diebeiden Sprachgruppen unterscheiden sich darin, dass der Kopf ent-weder rechts oder links von den abhängigen Elementen steht.Der Kopf stellt Anforderungen an die abhängigen Elemente und for-dert diese. Er legt die Anzahl fest und bestimmt unter anderem ihregrammatikalische Form.
5 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Ziel der Typologie: Die Parameter sprachlicher Variation durchgrundlegendere Merkmale zu erklären.
6 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Ziel der Typologie: Die Parameter sprachlicher Variation durchgrundlegendere Merkmale zu erklären.→ Abfolge von Possessor und Possessum wird zurückgeführt aufKöpfigkeit (steht der Kopf rechts oder links vom abhängigenElement).
6 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Ziel der Typologie: Die Parameter sprachlicher Variation durchgrundlegendere Merkmale zu erklären.→ Abfolge von Possessor und Possessum wird zurückgeführt aufKöpfigkeit (steht der Kopf rechts oder links vom abhängigenElement).→ Dadurch werden verschiedene sprachliche Konstruktionenmiteinander in Verbindung gesetzt (Possession, Satzstellung,Modifikatorenabfolge).
6 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Ziel der Typologie: Die Parameter sprachlicher Variation durchgrundlegendere Merkmale zu erklären.→ Abfolge von Possessor und Possessum wird zurückgeführt aufKöpfigkeit (steht der Kopf rechts oder links vom abhängigenElement).→ Dadurch werden verschiedene sprachliche Konstruktionenmiteinander in Verbindung gesetzt (Possession, Satzstellung,Modifikatorenabfolge).
Die Grundannahme in der Typologie ist, dass sprachliche Variationnicht zufällig ist.
6 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Ziel der Typologie: Die Parameter sprachlicher Variation durchgrundlegendere Merkmale zu erklären.→ Abfolge von Possessor und Possessum wird zurückgeführt aufKöpfigkeit (steht der Kopf rechts oder links vom abhängigenElement).→ Dadurch werden verschiedene sprachliche Konstruktionenmiteinander in Verbindung gesetzt (Possession, Satzstellung,Modifikatorenabfolge).
Die Grundannahme in der Typologie ist, dass sprachliche Variationnicht zufällig ist.
Einerseits geht es in der Typologie also darum, in welchem RahmenSprachen variieren können. Anderseits...
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Typologische Fragen II
... geht es in der Typologie auch um die Frage, welche Gemeinsam-keiten Sprachen aufweisen? → Sprachuniversalien.
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Typologische Fragen II
... geht es in der Typologie auch um die Frage, welche Gemeinsam-keiten Sprachen aufweisen? → Sprachuniversalien.
Universalien gibt es in zwei verschiedenen Arten:
unbeschränkte Universalien: Alle Sprachen haben x.
implikative Universalien: Wenn eine Sprache x hat, dann hat sieauch y. (oder: Alle Sprachen die x haben, haben auch y.)
7 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Unbeschränkte Universalien machen Aussagen über alle Sprachen.
8 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Unbeschränkte Universalien machen Aussagen über alle Sprachen.
Implikative (= beschränkte) Universalien machen Aussagen übervier verschiedene logische Sprachtypen:
x yTyp 1 - -Typ 2 + +Typ 3 - +∗Typ 4 + -
8 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Unbeschränkte Universalien machen Aussagen über alle Sprachen.
Implikative (= beschränkte) Universalien machen Aussagen übervier verschiedene logische Sprachtypen:
x yTyp 1 - -Typ 2 + +Typ 3 - +∗Typ 4 + -
Weiterer Parameter der Variation: Universalien können abso-lut sein (ohne Ausnahme gelten) oder statisch (mit Ausnahmengelten).
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Beispiele für Universalien
Unbeschränktes, absolutes Universal:
Unbeschränktes, nicht absolutes Universal:
Beschränktes, absolutes Universal:
Beschränktes, nicht absolutes Universal:
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Beispiele für Universalien
Unbeschränktes, absolutes Universal: Jede Sprache hat Vokaleund Konsonaten.Unbeschränktes, nicht absolutes Universal:
Beschränktes, absolutes Universal:
Beschränktes, nicht absolutes Universal:
9 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Beispiele für Universalien
Unbeschränktes, absolutes Universal: Jede Sprache hat Vokaleund Konsonaten.Unbeschränktes, nicht absolutes Universal: Die meisten Spra-chen haben nasale Konsonanten.Beschränktes, absolutes Universal:
Beschränktes, nicht absolutes Universal:
9 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Beispiele für Universalien
Unbeschränktes, absolutes Universal: Jede Sprache hat Vokaleund Konsonaten.Unbeschränktes, nicht absolutes Universal: Die meisten Spra-chen haben nasale Konsonanten.Beschränktes, absolutes Universal: Wenn eine Sprache Flexionhat, dann hat sie auch Derivation.Beschränktes, nicht absolutes Universal:
9 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Beispiele für Universalien
Unbeschränktes, absolutes Universal: Jede Sprache hat Vokaleund Konsonaten.Unbeschränktes, nicht absolutes Universal: Die meisten Spra-chen haben nasale Konsonanten.Beschränktes, absolutes Universal: Wenn eine Sprache Flexionhat, dann hat sie auch Derivation.Beschränktes, nicht absolutes Universal: Für die meisten Spra-chen gilt, wenn sie eine Genusunterscheidung bei Pluralpronomenhaben, dann haben sie eine Genusunterscheidung bei zumindest ei-nigen Singularpronomen.
9 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Hebräisch
Wann wird das direkte Objekt mit dem Akkusativ markiert?
(9) Hebräisch (Semitisch)
a. Ha-seret
def-Film
her?a
zeigte
?et-ha-milxama.
akk-def-Krieg
‘Der Film zeigte den Krieg.’b. Ha-seret
def-Film
her?a
zeigte
∗?et-milxama.
akk-Krieg
‘Der Film zeigte einen Krieg.’
10 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Maltesisch
Wann wird das direkte Objekt mit dem Akkusativ markiert?
(10) Maltesisch (Semitisch)
a. Raj-t
sehen-1sg
lil
kasus
Pawlu.
Paul
‘Ich sah Paul.’b. ∗Raj-t
sehen-1sg
Pawlu
Paul
(11) a. Xtraj-t
kaufen-1sg
il-ktieb.
def-Buch
‘Ich kaufte das Buch.’b. ∗Xtraj-t
kaufen-1sg
lil
kasus
il-ktieb.
def-Buch
11 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Objektmarkierung
Nicht alle Sprachen, die eine explizite Markierung für das direkteObjekt haben, markieren alle direkten Objekte mit Akkusativ. DieMarkierung erfolgt entlang einer der folgenden Skalen:
(12) a. Definitheit: definit > indefinit, aber spezifisch > in-definit unspezifisch
b. Belebtheit: menschlich > belebt > unbelebt
12 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Objektmarkierung
Nicht alle Sprachen, die eine explizite Markierung für das direkteObjekt haben, markieren alle direkten Objekte mit Akkusativ. DieMarkierung erfolgt entlang einer der folgenden Skalen:
(12) a. Definitheit: definit > indefinit, aber spezifisch > in-definit unspezifisch
b. Belebtheit: menschlich > belebt > unbelebt
Eine Sprache, die indefinite direkte Objekte markiert, markiert auchdefinite direkte Objekte.
12 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Objektmarkierung
Nicht alle Sprachen, die eine explizite Markierung für das direkteObjekt haben, markieren alle direkten Objekte mit Akkusativ. DieMarkierung erfolgt entlang einer der folgenden Skalen:
(12) a. Definitheit: definit > indefinit, aber spezifisch > in-definit unspezifisch
b. Belebtheit: menschlich > belebt > unbelebt
Eine Sprache, die indefinite direkte Objekte markiert, markiert auchdefinite direkte Objekte.Eine Sprache, die unbelebte direkte Objekte markiert, markiert auchbelebte direkte Objekte. [= Wenn das direkte Objekt unbelebt istund markiert wird, dann wird das direkte Objekt auch markiert, wennes belebt ist.]→ Implikative Universalien im Bezug auf Argumentmarkierung (=Linking).
12 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Lexikalische Typologie
Ein viel untersuchter Bereich der lexikalischen Typologie stellenFarbbezeichnungen (basale Farbkategorien einer Sprache) dar.
Eine Farbbezeichnung ist basal, wenn sie monomorphemisch, nichtentlehnt und keinem anderen Farbbegriff untergeordnet sind.Was könnten die basalen Farbbezeichungen des Deutschen sein?
13 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Lexikalische Typologie
Ein viel untersuchter Bereich der lexikalischen Typologie stellenFarbbezeichnungen (basale Farbkategorien einer Sprache) dar.
Eine Farbbezeichnung ist basal, wenn sie monomorphemisch, nichtentlehnt und keinem anderen Farbbegriff untergeordnet sind.Was könnten die basalen Farbbezeichungen des Deutschen sein?
(13) Inventar basaler Farbbezeichnungen: schwarz, weiß, rot,gelb, grün, blau, braun, pink/rosa, grau, orange, lila
13 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Farbhierarchie
(14) schwarz/weiß < [grün < gelb] oder [gelb < grün] < blau< braun < rosa/lila/orange/grau
14 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
Farbhierarchie
(14) schwarz/weiß < [grün < gelb] oder [gelb < grün] < blau< braun < rosa/lila/orange/grau
(15) schwarz & weiß: Jaléschwarz & weiß & rot: Tivschwarz & weiß & rot & gelb: Iboschwarz & weiß & rot & grün: Ibibioschwarz & weiß & rot & gelb & grün: Tzeltalschwarz & weiß & rot & gelb & grün & blau: Tamilschwarz & weiß & rot & gelb & grün & blau & braun: NezPerce
14 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
unbeschränkte, absolute Universalien
Gibt es (unbeschränkte,) absolute Universalien?
15 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
unbeschränkte, absolute Universalien
Gibt es (unbeschränkte,) absolute Universalien?
Es gibt einige vermutete absolute Universalien, diese sind aber nichtunumstritten:
(i) Alle Sprachen haben Nomen und Verben.(ii) Alle Sprachen besitzen mindestens zwei Vokale.(iii) Alle Sprachen besitzen Funktionsmorpheme (egal ob frei odergebunden).(iv) Jede Sprache mit eigener Futurform, hat auch eine Präteritums-form.(v) Jede Sprache verfügt über weniger Phoneme als potentiell mög-lich wäre.
15 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
unbeschränkte, absolute Universalien
Warum gelten (unbeschränkte,) absolute Universalien?
16 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
unbeschränkte, absolute Universalien
Warum gelten (unbeschränkte,) absolute Universalien?
Eine Begründung kann entweder sprachintern erfolgen (z.B. deninternen Aufbau von Sprachen betreffend) oder sprachextern mitBezug auf die Funktionalität von Sprache als Kommunikationssys-tem.→ Letztlich geht es um die zentralen Fragen, was für ein Systemnatürliche Sprache ist und wieso das System so ist, wie es ist.
16 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie
In der Typologie befasst man sich den Gemeinsamkeiten und Un-terschieden, die Sprachen in allen grammatikalischen Teilsystemen(Semantik/Lexikon, Morphologie, Syntax, Phonologie) aufweisen.
Das Ziel ist es zu erklären, warum Sprachen die Struktur haben, diesie haben und warum sprachliche Variation nicht zufällig ist.
Ein gutes typologisches Sample beinhaltet Sprachen von allen Kon-tinenten und aus allen Sprachfamilien, damit areal und genetischeEinflüsse ausgeschlossen werden können.
17 / 17 Jens Helfer-Fleischhauer Typologie