Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und...

44
Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008

Transcript of Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und...

Page 1: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis

Klinische Psychologie

Organische Störungen und Sucht

11.-13.12.2008

Page 2: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Gliederung der Vorlesung1. Einführung in das Thema und Geschichte der Psychiatrie und

Psychopathologie2. Die Paradigmen der Klinischen Psychologie3. Die Bindungstheorie als Paradigma für eine bewährte klinische

Theorie4. Klassifikationssyteme ICD und DSM

5. Die psychischen Störungen nach ICD5.1 Organische Störungen und Suchterkrankungen (F0, F1)5.2 Schizophrenie (F2)5.3 Affektive Störungen (F3)5.4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (F4) 5.5 Verhaltenauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (F5)5.6 Persönlichkeits- und Verhaltenstörungen5.7 Intelligenzminderungen (F7), Entwicklungsstörungen (F8), Störungen im Kindes- und Jugendalter (F9) und nicht näher bezeichnete psychische Störungen (F99)

Page 3: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Die psychischen Störungen ICD-10: Die zweistelligen Hauptkategorien, F0-F9 (1)

F0 organische einschließlich symptomatischer psychischer Störungen

F1 psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

F3 affektive StörungenF4 neurotische-, Belastungs- und

somatoforme Störungen

Page 4: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Die psychischen Störungen ICD-10: Die zweistelligen Hauptkategorien, F0-F9 (2)

F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren

F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen

F7 IntelligenzminderungF8 EntwicklungsstörungenF9 Verhaltens- und emotionale

Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend

F99 nicht näher bezeichnete psychische Störungen

Page 5: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Die psychischen Störungen

1. Organische (F0) Störungen und Suchterkrankungen (F1)

Page 6: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Organische Störungen (F0)F0Organische, einschließlich symptomatischer psychischer StörungenF00 Demenz bei Alzheimer‘ scher ErkrankungF01 Vaskuläre DemenzF02 Demenz bei anderenorts klassifizierten ErkrankungenF03 nicht näher bezeichnete DemenzF04 organisches amnestische Syndrom, nicht durch Alkohol oder

psychotrope Substanzen bedingtF05 Delir, nicht durch Alkohol oder psychotrope Substanzen

bedingtF06 andere psychische Störungen aufgrund einer Schädigung

oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Erkrankung

F07 Persönlichkeits- und VerhaltenstörungenF09 nicht näher bezeichnete organische oder symptomatische

psychische Störung

Page 7: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische Störungen

Modi von Bewußtseinstörungen (1/2)1. Eine Verminderung oder Steigerung der

Bewußtseinshelligkeit (Bewußtseinsgrade, engl.: degree of level of consciouness).Die Abstufung reicht von einer Bewußtseinstrübung über das normale Bewußtsein bis hin zur Überwachheit

Page 8: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische Störungen

Modi von Bewußtseinstörungen (2/2)2. Die Bewußtsseinseinengung.

Die tritt auf, wenn wir von starken Affekten, z.B. Angst oder Panik, erfaßt werden.Bewußtseinseinengung liegt auch vor, wenn man von dem Dämmerzustand spricht, der im Zusammenhang mit Epilepsie auftritt, häufig nach einem Anfall.

Page 9: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische Störungen Phänomenlogische Kriterien für einen Wahn

1. Die wahnhafte Überzeugung wird mit einer Gewissheit erlebt, welche die Gewissheit normaler Überzeugungen übertrifft.

2. Unbeeinflussbarkeit durch zwingende Schlüsse (Widerspruch zur Evidenz)

3. Absolute Unkorrigierbarkeit auf dem Höhepunkt der Erkrankung (später kann eine Distanzierung eintreten)

4. Wahn ist immer Ausdruck einer krankhaften Ursache 5. Der Inhalt des Wahns wird innerhalb der soziokulturellen

Gruppe des Betroffenen von niemanden (Ausnahme: folie à deux) geteilt, sondern im Gegenteil als falsch beurteilt (Unterschied zum Glauben, Aberglauben und gemeinschaftlichen Irrtümern)

Page 10: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische StörungenDemenz: F00 - F03 (1/3)

Das dementielle Syndrom, als Folge einer Krankheit des Gehirns, verläuft gewöhnlich chronisch oder fortschreitend unter Beeinträchtigung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen.

Es finden sich keine qualitativen Bewusstseinsstörungen. Die kognitiven Beeinträchtigungen sind meist begleitet von Verschlechterung der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation. Diese Symptome gehen auch gelegentlich voran.

Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulärer Krankheit und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.

Page 11: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische StörungenDemenz (2/3)

Bei der Einschätzung, ob eine Demenz (mens = Verstand) vorliegt, sind besonders falsch-positive Zuordnungen zu vermeiden: mangelnde Motivation oder emotionale Faktoren, insbesondere Depression zusammen mit motorischer Verlangsamung und allgemeiner körperlicher Hinfälligkeit, können für eine mangelnde Leistungsfähigkeit unter Umständen eher verantwortlich sein als ein Verlust intellektueller Fähigkeiten.

• Bei der Demenz kommt es zu einer deutlichen Abnahme der intellektuellen Leistungsfähigkeit und gewöhnlich zu Beeinträchtigungen in den persönlichen Aktivitäten des täglichen Lebens, wie Waschen, Ankleiden, Essen, persönlicher Hygiene, bei Körperausscheidungen und der Benutzung der Toilette. Wie sich die Beeinträchtigung äußert, hängt stark von den sozialen und kulturellen Gegebenheiten ab, in denen die betroffene Person lebt.

• Veränderungen der sozialen Rolle, wie die zunehmende Unfähigkeit, eine Arbeitsstelle zu finden oder zu behalten, sind nicht als Kriterium für eine Demenz zu werten, wegen der großen trans- oder sogar intrakulturellen Unterschiede hinsichtlich des Stellenwertes und der Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme.

Page 12: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische StörungenDemenz bei Alzheimer‘schen Erkrankung: F00 (3/3)

Diagnostische LeitlinienFür eine endgültige Diagnose sind folgende Merkmale notwendig:

1. Vorliegen einer Demenz2. Schleichender Beginn mit langsamer Verschlechterung. Während der Beginn gewöhnlich nur schwer genau festzustellen ist, kann die Erkenntnis, dass Defizite vorliegen, bei Dritten plötzlich auftreten. Im weiteren Verlauf kann ein Plateau erreicht werden.3. Fehlen klinischer Hinweise oder spezieller Untersuchungsbefunde, die auf eine System- oder Hirnerkrankung hinweisen, welche eine Demenz verursachen kann (z.B. Hypothyreose, Hyperkalzämie, Vitamin-B-12-Mangel, Niazin-Mangel, Neurosyphilis, Normaldruck-Hydrozephalus, subdurales Hämatom).4. Fehlen eines plötzlichen apoplektischen Beginns (Schlaganfall) oder neurologischer Herdzeichen wie Hemiparese, Sensibilitätsverlust, Gesichtsfeldausfälle und Koordinationsstörungen in der Frühphase der Krankheit (solche Phänomene können jedoch später hinzukommen).Bei einem Teil der Fälle können sowohl Merkmale der Alzheimer-Krankheit als auch der vaskulären Demenz vorhanden sein. Dann sollten beide Diagnosen (und Kodierungen) gegeben werden. Wenn die vaskuläre Demenz einer Alzheimer-Krankheit vorangeht kann die Diagnose einer Alzheimer-Krankheit nicht allein aufgrund einer klinischen Beurteilung gestellt werden.

Page 13: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische StörungenDelir F 05 (1/3)

Diagnostische Leitlinien:Es müssen leichte oder schwere Symptome aus jedem derfolgenden Bereiche vorliegen:

1. Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit (auf einemKontinuum von leichter Bewusstseinsminderung und Koma)

2. Globale Störungen der Kognition, Wahrnehmungsstörungen,wie Verzerrungen der Wahrnehmung, Illusionen und meistoptische Halluzinationen; Beeinträchtigung des abstraktenDenkens und der Auffassung, mit oder ohne flüchtige Wahn-ideen; Beeinträchtigung des Immediat- und des Kurzzeitge-dächtnis, aber mit relativ intaktem Langzeitgedächtnis; zeitliche Desorientiertheit, in schweren Fällen auch Desorien-tierung zu Ort und Person.

Page 14: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische StörungenDelir F 05 (2/3)

3. Psychomotorische Störungen (z.B. Hypo- oder Hyper-aktivität, vermehrter oder verminderter Redefluß)

4. Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus (Schlafstörungen, in schweren Fällen völlige Schlaflosigkeit oder Umkehr desSchlaf-Wach-Rhythmus; unangenehme Träume oder Alp-träume, die nach dem Erwachen als Hallzunationen weiter-bestehen können)

5. Affektive Störungen, wie Depression, Angst oder Furcht,Reizbarkeit, Euphorie oder staunende Ratlosigkeit

Andere Begriffe: akutes psychoorganisches Syndrom, akuter Verwirrtheitszustand (nicht alkoholbedingt)

Page 15: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F0: Organische psychische StörungenDelir F 05 (3/3)

Der Beginn ist gewöhnlich akut, im Tageslauf wechselnd,die Gesamtdauer der Störung beträgt weniger als 6 Monate.

Es ist ein ätiologisch unspezifisches Syndrom, das nicht durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingt ist.

Es kann in jedem Alter auftreten, ist jedoch am häufigsten jenseits des 60. Lebensjahrs.

Es tritt auf z.B. im Zusammenhang mit einer chronischen Lebererkrankung oder eines Karzinoms.

Page 16: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F1: Psychische und Verhaltensstörungen durch

psychotrope Substanzen

Page 17: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F1: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

F10 Störungen durch Alkohol

F11 Störungen durch Opioide

F12 Störungen durch Cannabinoide

F13 Störungen durch Sedativa oder Hypnotika

F14 Störungen durch Kokain

F15 Störungen durch andere Stimulantien einschließlich Koffein

F16 Störungen durch Halluzinogene

F17 Störungen durch Tabak

F18 Störungen durch flüchtige Lösungsmittel

F19 Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen

Page 18: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F1: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

Diagnostische Leitlinien (1/2):Die Identifikation der verwendeten psychotropen Stoffe kann aufgrund eigener Angaben des Patienten, objektiver Analysen von Urinproben, Blutproben usw. oder durch andere Nachweisc erfolgen, so z.B. durch den Besitz von Substanzen, aufgrund klinischer Symptome oder durch fremdanamnestische Angaben. Es ist stets zu empfehlen, Bestätigung aus mehreren Quellen zu suchen, um Gewißheit über die betreffenden Substanzen zu erlangen. Objektive Analysen stellen den besten Beweis für eine aktuelle oder gerade zurückliegende Substanzaufnahme dar; ihre Aussagekraft über einen Substanzkonsum in der Vergangenheit und zum Ausmaß des aktuellen Gebrauchs ist jedoch begrenzt.Viele Konsumenten nehmen mehrere Substanzen zu sich. Dennoch sollte die Diagnose möglichst nach dem wichtigsten Stoff oder der wichtigsten Stoffgruppe gestellt werden, üblicherweise nach der Substanz oder Substanzklasse, welche die gegenwärtige Störung hervorgerufen hat. In Zweifelsfällen soll der Stoff oder die Stoffgruppe kodiert werden, die am häufigsten mißbraucht wird, besonders in Fällen mit ständigem oder täglichem Gebrauch.

Page 19: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

F1: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

Diagnostische Leitlinien (2/2):

Nur wenn die Substanzaufnahme chaotisch und wahllos verläuft, oder wenn Bestandteile verschiedener Substanzen untrennbar vermischt sind, ist die Kodierung F19 (Störungen durch multiplen Substanzgebrauch), zu wählen.

• Der Mißbrauch von nicht psychotropen Substanzen, wie Laxantien oder Aspirin soll mit F55 (Mißbrauch von nicht abhängigkeitserzeugenden Substanzen) kodiert werden. Dort wird mit der vierten Stelle die betreffende Substanz kodiert.

• Beispiel:F10.41 = Störung durch Alkohol (F10.41), Entzugssyndrom mit Delir (F10.41) und mit Krampfanfällen (F10.41).

Page 20: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Folgen von Substanzmissbrauch

• Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen, z.B. Fernbleiben von der Arbeitsstelle oder Vernachlässigung der Kinder.

• Körperliche Gefährdung durch Substanzkonsum,z.B. Bedienen von Maschinen oder Autofahrenunter Drogeneinfluss.

• Konfrontation mit dem Gesetz, Z.B.Verhaftungwegen ungebührlichen Benehmens oder Verkehrsdelikten.

• Fortgesetzte soziale oder zwischenmenschlicheProbleme, z.B. Ehestreitigkeiten.

Page 21: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Merkmale von Substanzabhängigkeit (1/2)

• Toleranzentwicklung, definiert durch a) Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung, um den erwünschten Effekt herbeizuführen, oder b) deutlich verminderte Wirkung bei fortgesetzter Einnahme derselben Dosis.

• Entzugssymptome, d.h. negative körperliche und psychische Wirkungen, bei Unterbrechung des Konsums oder Verringerung der Menge. Oder: Dieselbe Substanz wird eingenommen,um Entzugssymptome zu lindern oder zu vermeiden.

• Konsumsteigerung: Die Substanz wird in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt eingenommen.

Page 22: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Merkmale von Substanzabhängigkeit (2/2)

• Der Betroffene erkennt den übermäßigen Konsum; erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu verringern.

• Viel Zeit wird darauf verwendet, die Substanz zu beschaffen oder sich von ihren Wirkungen zu erholen.

• Fortgesetzter Substanzkonsum trotz psychischer oder körperlicher Probleme, die durch die Droge verursacht oder verstärkt werden (z.B. Rauchen,obwohl man weiß, dass es das Risiko von Krebs oder Herz- Kreislauf- Erkrankungen erhöht).

• Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des Substanzkonsums aufgegeben oder eingeschränkt.

Page 23: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit (1/8)

• Alkoholmissbrauch:

Übermäßiges, regelmäßiges Trinken größerer Mengen von Alkohol beeinträchtigt zunehmendbeeinträchtigt zunehmend

– kognitive und berufliche Leistungsfähigkeit,– soziale Beziehungen

führt zuführt zu– wiederholtem Fehlen am Arbeitsplatz bis zu dessen

Verlust,– häufigen Streitereien mit Familienangehörigen und

Freunden

Page 24: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit (2/8)

• Alkoholabhängigkeit („Alkohol-Sucht“):– ToleranzsteigerungToleranzsteigerung = Steigerung der Alkoholmenge,

um die gleiche Wirkung (nach Konsum: anfangs anregende,dann dämpfende Wirkung) zu erzielen.

Oft ohne Anzeichen von Trunkenheit und ohne gesteigertem Blutalkoholspiegel !

– Unkontrolliertes TrinkenUnkontrolliertes Trinken: „Trinktouren über mehrere Tage, Trinken von mehren Litern einer Spirituose, ungenießbarem Alkohol etc. Amnesie der Ereignisse während des Rauschzustandes („Filmriss“), Steigerung der Probleme des Missbrauchs, Gewalttätigkeit, Verursachen von Verkehrsunfällen

Page 25: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit (3/8)Kennzeichen der Prodromalphase für ein

Entzugssyndrom mit Delir• Schlaflosigkeit• gesteigerte Empfindlichkeit für optische und

akustische Reize• Unruhe• Schreckhaftigkeit, Angst• Zittern und• allgemeine Schwäche• vereinzelt können Halluzinationen auftreten

Page 26: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit (4/8)

• Entzugssymptome bei Alkoholabhängigkeit:– Angst, Depression, körperliche Schwachheit, Schlaflosigkeit– Tremor = Zittern der kleinen Muskulatur in den Fingern, des

Gesichts, der Augenlider, Lippen und Zunge– Pulsbeschleunigung, Anstieg des Blutdrucks und der

Körpertemperatur.

– In seltenen Fällen, bei jahrelanger Abhängigkeit:Delirium tremens:

• Zittern, Bewusstseinstrübung, visuelle und taktile Halluzinationen („Trugwahrnehmungen“): Unangenehmes und lebhaftes, kriechendes evtl. raumfüllendes Getier, wie Schlangen, Kakerlaken oder Ungeziefer, das Hautjucken etc. verursacht Kratzen, Kauern etc.

Page 27: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit (5/8)

• Polytoxikomanie :Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit sind oft begleitet von Missbrauch und Abhängigkeit anderer psychotropen Substanzen (Drogen): Medikamente (Sedativa, wie Benzodiazepine (z.B. Valium), Barbiturate (Schlafmittel), illegale aktivierende („Ecstasy“, „Crack“) und dämpfende (Heroin) Drogen

Erhöhte Gefahr plötzlichen Todes durch Summation Erhöhte Gefahr plötzlichen Todes durch Summation der Effekteder Effekte

Page 28: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit (6/8)Folgen von AlkoholabhängigkeitFolgen von Alkoholabhängigkeit• Körperkrankheiten:

– Fettansammlung in der Leber („Fettleber“)– Leberzirrhose (Vernarbung, vermehrte Bildung von

Bindegewebe Funktionseinschränkung Tod)– Schwächung der Herzfunktion (Herzversagen, etc.)– Schwächung des Immunsystems

• Psychische Krankheiten:– Wernicke-Enzephalopathie: Verwirrung, Erregung, Delir,

Doppelbilder und andere Sehbeeinträchtigungen; Ursache:Vitamin-B12-Mangel Thiamin-Mangel (Aminosäure)

– Korsakow-Syndrom: Extreme Verwirrung, Gedächtnisstörungen (Alt- und Neugedächtnis) Konfabulationen , neurologische Symptom

Page 29: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit (7/8)

Folgen von Alkoholabhängigkeit:Folgen von Alkoholabhängigkeit:• Folgen in der Schwangerschaft:

– Starkes Trinken in Frühstadien Häufige Fehlgeburten– Alkoholembryopathie beim Neugeborenen:

Geistige Behinderung, Hyperaktivität, Fehlbildungen des Schädels und Gesichts, Herzfehler, andere Störungen, verzögertes Wachstum

Page 30: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit (8/8)

Kurzzeitige Wirkungen des Alkohol:Zwei-Phasen-Wirkung im Erleben

• Phase 1: Blutalkohol steigt an StimulationStimulation: Wohlbefinden, Gefühl der Verbundenheit

mit anderen, größere Risikobereitschaft• Phase 2: Blutalkohol sinkt wieder Dämpfung Dämpfung

(Sedation)(Sedation): Negative Emotionen (depressive Stimmung), Beeinträchtigung komplexen

Denkens, der motorischen Koordination, des Gleichgewichts sowie der Sprache und des Sehvermögens.

Page 31: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Beruhigungsmittel• Barbiturate = (älteres) Schlafmittel:

Missbrauch & Abhängigkeit: Wirkung und Folgen ähnlich wie bei Alkohol

Problem: Toleranzsteigerung führt oft zu tödlicher Überdosis, die unabhängig von der Toleranz ist ! (Lähmung des Atemzentrums Atemdepression Tod)

• Benzodiazepine = „Tranquilizer“, „Anxiolytika“ (u.a. Valium, Librium, Tafil, Lexotanil, Tavor)

Missbrauch & Abhängigkeit ! Ähnliche Wirkung wie Alkohol und Barbiturate Stimulation der GABA-Rezeptoren (= dämpfende Funktion ohne Schläfrigkeit), weniger Gefährlichkeit bei Überdosierung

Page 32: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Opiate (Narkotika) 1/2• Morphium (Morphin)• Heroin• Methadon

Missbrauch und Abhängigkeit !Missbrauch und Abhängigkeit !Konsum: Rauchen, Inhalieren („Schnupfen“), Injektion unter die Haut oder in Blutstrom („Schießen, Fixen“)Wirkung: Injektion charakteristische Folge: „Rush“ = Schwall von Wärme und Ekstase „High“-Sein: Mehrstündige angenehme Gefühlslage:

Entspannung, Euphorie, (Schmerzlinderung) Lethargie: Appetitlosigkeit, Libidoverlust etc

Page 33: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Opiate (Narkotika) 2/2• Abhängigkeit Toleranzerhöhung und• Entzugssymptome:

– Nach > 8 Stunden: Muskelschmerzen, Niesen, Schwitzen, Nach > 8 Stunden: Muskelschmerzen, Niesen, Schwitzen, Tränenfluss, Gähnen (Symptome wie bei einer starken Tränenfluss, Gähnen (Symptome wie bei einer starken Erkältung)Erkältung)

– Nach ca. 36 Stunden mit Dauer von ca. 72 Stunden: Nach ca. 36 Stunden mit Dauer von ca. 72 Stunden: Unkontrollierbares Muskelzucken, Krämpfe, Wechsel von Unkontrollierbares Muskelzucken, Krämpfe, Wechsel von Schüttelfrost und Hitzewellen mit Schweißausbruch, Anstieg Schüttelfrost und Hitzewellen mit Schweißausbruch, Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck, Schlaflosigkeit, Erbrechen, von Herzfrequenz und Blutdruck, Schlaflosigkeit, Erbrechen, Durchfall Durchfall „Craving“ = verzweifelte Sucht nach „Stoff“ „Craving“ = verzweifelte Sucht nach „Stoff“

– Abbau dieser Symptome innerhalb von 5 – 10 TagenAbbau dieser Symptome innerhalb von 5 – 10 Tagen

Überdosierung Lähmung des Atemzentrum Lähmung des Atemzentrum Tod! Tod!

Page 34: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Stimulanzien (1/3)

Wirkung auf das Gehirn und das sympathische Nervensystem Verstärkung der Wachheit, der motorischen Aktivität

Substanzen: – Kokain; heute: „Freebase-Kokain = reines

Kokainalkaloid: „Crack“– Amphetamine

Page 35: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Stimulanzien (2/3)• KokainKokain

= = Alkaloid { = Hydroxyd eines (basisch reagierenden) Metalls = Alkalimetall } der Kokainpflanze Steigerung der Energie und Wachheit

Häufiger Gebrauch Missbrauch Abhängigkeit mit Toleranzerhöhung und Entzugssymptomen:– Depression– starke Müdigkeit, Schlaflosigkeit oder tiefer Schlaf oder

andere Schlafstörungen– Reizbarkeit– Zittern– Angst

Page 36: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Stimulanzien (3/3)• AmphetamineAmphetamine

= synthetische Drogen, ursprünglich zur Asthma-Therapie gedachtWirkung: Steigerung der Energie und Wachheit bei hohen Dosen: Vergiftungserscheinungen und psychotische Zustände bei Nachlassen der Wirkung: Depression, VerzweiflungProblem: Massive Toleranzerhöhung und damit Abhängigkeit (sehr schnell um das 200-fache)Gebrauch: Appetitzügler, sportliche Leistungssteigerung, Workoholics, um lange wach zu bleiben etc.

Page 37: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Halluzinogene und Cannabis (1/5)Substanzen, die die Sinneswahrnehmung beeinflussen:– Verstärkung normaler Sinneseindrücke– Scheinbilder– Halluzinationen– Trips (erregend, auch Furcht einjagend)

Auch Psychodelische Drogen genannt: LSD (Lysergsäurediäthylamid)MeskalinPsilocybin (Wirkstoff in Pilzen)

Page 38: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Halluzinogene und Cannabis (2/5)Weitere Halluzinogene: MMMDA (= Ecstasy) DOM DMT Bufetonin PCP („angel dust“)

Wirkungen:Allgemeine Wirkungen: Synästhesien = „Farben hören“, „Töne sehen“ Veränderung des Zeitgefühls, Verlangsamung Verlust von Grenzen zwischen dem Selbst und der

Umgebung

Page 39: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Halluzinogene und Cannabis (3/5) Wirkungen der Halluzinogene (2): Angst, auseinander zu zerbrechen, zu zerfallen Gedanken- oder Erinnerungseingaben Labile Stimmung: Depression vs. Heiterkeit Steigerung von Anspannung und Angst Panik Nach 4 – 5 Stunden: Gefühle der Distanz und magischen

Kontrolle von Dingen in der Umgebung Größere Sensibilität für Kunst, Musik, menschliche Gefühle,

Harmonie des Universums Eventuell:

Horror-TripsHorror-Trips FlashbacksFlashbacks = Spätere intensive Rückerinnerungen der halluzinogenen

Szenen, lange nach Abklingen der Wirkung, besonders in Zeiten von Stress, Krankheit oder Erschöpfung

Page 40: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Halluzinogene und Cannabis (4/5)Cannabis: Haschisch Gania Marihuana (geordnet nach Intensität)

Für die Wirkung primär verantwortliche Substanz: THC = Tetrahydrocannabinol

Hohe Dosen Visuelle Verzerrungen, Hallluzinationen, Veränderung des Körpergefühls;

manchmal: Verwirrung und Impulsivität, Panikattacken mit Furcht, verrückt zu werden; selten: Wahnvorstellungen

Page 41: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Halluzinogene und Cannabis(5/5)Cannabis (2):Bei täglichem Konsum auch von Marihuana =

Missbrauch Abhängigkeit mit Toleranzerhöhung und Entzugssymptomen:

Grippe-ähnliche Symptome: Hitzewallungen, Appetitverlust, Laufschnupfen, Schwitzen,

Durchfall, Schluckauf

Problem:Problem: Steigerung des THC-Gehaltes des Marihuanas:Ende der 60er Jahre: 1,5 %Heute: bis zu 15 %, also 10 Mal so hoch

Page 42: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Polytoxikomanie

= Simultane Einnahme von mehreren psychotropen Substanzen

Synergistische (additive, ev. auch multiplizierende) EffekteVermutlich Hauptgrund für plötzliche Todesfälle

Page 43: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Besonderheiten der Suchttherapie

Bei der Behandlung von Suchtstörungen werden sehr häufig ehemalige Süchtige als Therapeuten oder Kotherapeuten eingesetzt. Das Prinzip haben sich auch Selbsthilfegruppen, wie die Anonymen Alkoholiker, zu eigen gemacht. Gruppendruck und gegenseitige Kontrolle gehören zu den Behandlungsprinzipien.

Süchtige können sich nicht vorstellen, dass jemand, der niemals eine Abhängigkeit entwickelt hat, eine solche Störung verstehen bzw. die damit verbundenen Erfahrungen nachvollziehen kann.

Suchpatienten werden häufig in Gruppen mit anderen Suchtpatienten behandelt (homogene Gruppen). Das hilft Schamgefühle zu überwinden.

Page 44: Grundlagen der Psychologie und psychosozialen Praxis Klinische Psychologie Organische Störungen und Sucht 11.-13.12.2008.

Woran erkennt man, dass eine Nikotinabhängigkeit besteht?

Wenn täglicher Konsum über einen längeren Zeitraum vorliegt und wenn beiBeendigung des Konsums oder Reduktion innerhalb von 24 Stunden mindestens 4 der folgenden 8 Symptome auftauchen (nach DSM-IV):

1. dysphorische oder depressive Stimmung2. Schlaflosigkeit3. Ablenkbarbkeit, Enttäuschung oder Ärger4. Angst5. Konzentrationsschwierigkeiten6. Unruhe7. Verminderte Herzfrequenz8. Gesteigerter Appetit oder Gewichtszunahme

Diese Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen