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10 der Standard Sa./So., 11./12. Februar 2012 Chronik Wiens Clubkultur boomt trotz der Krise Pratersauna als Tanztouristen-Magnet, Betreiber wollen dennoch gefördert werden Fabian Kretschmer Wien – Donnerstag um halb zwei Uhr nachts im Prater. Das Areal wirkt geisterstadtartig verlassen. Nur die Pratersauna widersetzt sich hartnäckig der Nachtruhe. Vor dem angesagtesten Techno- club der Stadt steht eine Schlange von 100 Partyhungrigen. Drinnen tanzen 1000 Leute zu einem im- mer wiederkehrenden Loop aus tiefen Bässen. Der Star der Nacht ist ein DJ, seine Instrumente zwei Plattenspieler und ein Mischpult. Vom Berliner Musikmagazin De:bug, der Szene-Bibel für elek- tronische Musik, wurde die Pra- tersauna nun zum zweiten Mal in Folge zum zweitbesten Club ge- wählt. Das Gebäude wurde in den 60ern als Sauna erbaut, in der einst Wiens High Society vom Bürgermeister bis zum Polizeiprä- sidenten zusammen schwitzte. Später traf sich hier die Unterwelt, bis in den 80ern aus der Sauna an- geblich ein Swingerclub wurde. Das knapp 3000 Quadratmeter große Areal mit Garten und Pool ist mangels Anrainern die ideale Party-Location. Als das Gebäude 2008 zur Vermietung stand, beka- men Stefan Hiess und Hennes Weiss den Zuschlag – und so wur- de aus der Sauna ein Technoclub. Begonnen haben die Studien- freunde mit „Off-Parties“, sponta- nen Treffen mit Eingeweihten im öffentlichen Raum, mit Musik und Tanz und Feiern bis in den Mor- gen. Die wilden Zeiten sind frei- lich vorbei. Heute beginnt für die Clubbetreiber der Tag meist mit Excel-Tabellen, Telefonaten und Buchhaltung. „Dass die Clubkultur so boomt, hat sicher auch mit Eskapismus zu tun“, meint Max Zeller alias DJ Moogle. Die Clubkultur schätzt er als „alternativen Gesellschaftsent- wurf“, in dem keine sozialen Un- terschiede gemacht würden. Dank der gelockerten Sperrfristrege- lung und dem 24-Stunden-Betrieb der U-Bahn am Wochenende ist Wiens Clubkultur vielfältig wie nie zuvor. Diese Szene fördern Hiess und Weiss: Im Rahmen des „Made in Austria“-Festivals treten im Februar nur österreichische Künstler in der Pratersauna auf. Von der Stadt Wien fühlen sich die beiden aber im Stich gelassen. Schließlich, so argumentieren sie, bescherten sie Wien jede Menge Touristen, bekämen aber dafür keine Fördergelder. Tatsächlich kommen dank Billigfluglinien im- mer mehr Partyreisende übers Wochenende nach Wien, um im Nachtleben abzutauchen. „Das ist ein Wirtschaftsfaktor, der in Wien total vernachlässigt wird“, sagt Weiss. In Berlin sei das anders, da würden die Clubs als Wirtschafts- faktor sehr wohl erkannt. Ganz so sieht das Lutz Leichsen- ring, Sprecher des Interessenver- bands der Berliner Clubbetreiber, nicht. In der Berliner Club-Bran- che, die jährlich eine Milliarde Euro Umsatz mache und 100 Mil- lionen Euro an Steuern zahle, wol- le man zwar keine direkten Sub- ventionen, weil „damit meist in- haltliche Einflussnahme einher- geht“. Allerdings: Der Staat solle die Szene „strukturell fördern“, regt Leichsenring an. Schließlich müsse ein Club auf dem Immobi- lienmarkt mit finanzkräftigen Ein- kaufszentren und Wohnbau-Ge- sellschaften konkurrieren. Davon können die Pratersauna- Betreiber auch ein Lied singen: Sie mussten bei ihrer Location mit ei- nem Fitnessclub und einem „Gas- trotempel“ konkurrieren – und be- kamen den Zuschlag nur, weil der Sohn des Eigentümers ein Fan ih- rer Technopartys war. Pratersauna mit musikalischem Österreicher- Schwerpunkt: ein Magnet für Europas Party- volk. Die Be- treiber fühlen sich von der Stadt „im Stich gelassen“. Foto: Farkasch Gemeindeübergreifende Raumplanung in Vorarlberg nur Vision Bregenz – Knapp 3,3 Millionen Euro investierte das Land in das Projekt „Vision Rheintal“. Aus dem Beteiligungsprozess sollte ein Raumplanungsleitbild für die 29 Rheintal-Gemeinden entste- hen. Der Landesrechnungshof schaute sich die Vision genauer an und kam zum Schluss, dass man seit 2004 über die Vision nicht hi- nausgekommen ist. Direktor Her- bert Schmalhardt: „Es wurden 80 Leitsätze und 50 Projektideen ent- wickelt, aber nichts umgesetzt.“ Es fehle an Strategien zur Realisie- rung und an konkreten Zuständig- keiten. Das Land müsse die Ent- wicklung der Gemeinden konse- quenter mitsteuern. Eine Kompe- tenzübertragung von den Gemein- den auf das Land „wird es aber nicht spielen“, sagt Schmalhardt. Die Opposition sieht sich durch die Prüfung in ihrer Kritik bestä- tigt. Das Land müsse Förderungen an die Bereitschaft zu Gemeinde- kooperationen binden, fordert FP- Klubobmann Dieter Egger. Grü- nen-Chef Johannes Rauch: „Was ein kräftiger Anlauf gegen Zersie- delung, Flächenfraß und Kirch- turmdenken war, ist am politi- schen Unwillen gescheitert.“ Neuwahlen in Warth Wie sensibel das Thema Raum- planung ist, zeigen jüngste Ereig- nisse in Warth: In der Tourismus- gemeinde trat am Donnerstag die gesamte Gemeindevertretung zurück. Bürgermeister Gebhard Fritz nennt unüberbrückbare Wi- derstände gegen das räumliche Entwicklungskonzept als Grund. Neuwahlen müssen in den nächs- ten drei Monaten stattfinden. (jub) Königshofer: Üble Nachrede rund um Neonazi-Homepage Innsbruck – Der ehemalige FPÖ- Nationalrat Werner Königshofer ist Freitagnachmittag am Landes- gericht wegen übler Nachrede nicht rechtskräftig – schuldig ge- sprochen worden. Er hatte in ei- nem Falter- und einem Standard- Artikel im März 2011 den damals ermittelnden Kriminalbeamten und Datenforensiker Uwe Sailer beschuldigt, codierte E-Mails und Texte an die mittlerweile vom Netz genommene Neonazi-Home- page Alpen-Donau.info geschickt zu haben. Sailer beschäftigt sich seit Jahren mit Ver- bindungen der FPÖ zur rechtsradikalen Sze- ne und zur Website Alpen-Do- nau.info. Der Kripo-Beamte sagte vor dem Richter, er sei nicht Inha- ber jenes Accounts, von dem die codierten Texte versendet wur- den. Daher könne er sie auch nicht verschickt haben. Königsho- fer selbst erklärte vor Gericht im- mer wieder, es sei unmöglich, dass mit „Stasi-Methoden“ gegen ihn vorgegangen worden sei, dass „ein Polizist einem Nationalrats- abgeordneten nachspitzelt“. Der Rechtsstreit zwischen Kö- nigshofer und Sailer zieht sich. Sailer erklärte, er sei 2009 von der FPÖ zur Persona non grata erklärt worden. Mehrmals sei seine Sus- pendierung gefordert worden. Er habe sogar „einen Strick zuge- schickt bekommen“ mit der Auf- forderung, „sich selbst zu entsor- gen“. Königshofer – mittlerweile aus der FPÖ ausgeschlossen wurde zu einer bedingten Geld- strafe von 5000 Euro verurteilt, Sailer bekommt 6000 Euro. (ver) GERICHT Österreichs erstes Nach-Shoah-Museum wird heuer 40. Weil dieses im Burgenland steht, wird dort halt allerhand über G.tt zu reden sein müssen. Denn das Burgenland war ein sehr gläubiger Landstrich. recht einzigartige. Nicht nur in österreichischer Zeit. Die Juden- gemeinden des späteren Burgen- landes sprachen – anders als an- derswo – immer Deutsch. Als sie österreichisch wurden, bemerk- ten die Rabbis, dass in Wien eher die Sünder daheim waren, wes- halb das Burgenland eine eigene Kultusgemeinde ins Leben rief. Gläubiger Alltag Dass sich das Eisenstädter Mu- seum also hauptsächlich mit der Religion und weniger mit dem so- genannten Alltag beschäftigt, hat G.tt, die Welt und dieses kleine Land Wolfgang Weisgram Eisenstadt/Asch – Dass Österreichs erstes jüdisches Nachkriegsmu- seum ausgerechnet in Eisenstadt, das auch einen hebräischen Na- men trägt – die Initialen von Ai- senstadt, Aleph und Shin – da- heim ist und nun den Vierziger feiert, ist kein Zufall. Weil sich erstens, so hört man es bis heute drunten in Mattersdorf, in Jerusa- lem also, sowieso die Frage stellt: „Was, bitte, war denn Wien? A Vorort von Aisenstadt.“ Natürlich ließe sich darauf einiges erwidern, und einige haben das auch getan, was aber nichts am zweiten Grund ändert: dem Sitzfleisch. Kurt Schubert, der legendäre Doyen heimischer Judaistik, hat sich nämlich ins Burgenland ver- liebt gehabt. Oder in Fred Sinowatz. Oder in den burgenländischen Wein. Oder in beides. Jedenfalls er- gab, Glas für Glas, ein Wort das an- dere, sodass am Ende man – Schu- bert und Landesrat, später Unter- richtsminister, noch später Bundes- kanzler Sinowatz übereinkam: Mach ma’s! Johannes Reiss, Direk- tor in Eisenstadt, sagt trocken: „Si- nowatz war einer, der hat’s kapiert. Das Dumme dabei ist – das sagt nicht Reiss, das denkt sich bloß der Standard –, dass dieses Kapie- ren bis heute nicht wirklich funk- tioniert. Es gab und gibt angeblich wirklich Leute, die dem Eisen- städter Museum Altbackenheit vorwerfen, weil man sich dort we- niger mit dem jüdischen Alltag, mehr mit dem Festtag beschäftigt. Statt etwa Gott G.tt schreibt. (2. Gebot: Du sollst den Namen des Herrn nicht verunehren!) Der Goi Johannes Reiss lächelt zu so was beinahe wie ein Rabbiner. „An Freud hat’s im Burgenland nicht gegeben. Wir da waren berühmt für die Rabbis.“ Tatsächlich ist die jüdische Ge- schichte des Burgenlandes eine darin eben seinen Grund. Johan- nes Reiss: „In den burgenländi- schen Gemeinden war die Religi- on halt der Alltag.“ Bis hin zum so- genannten Schulklopfer, der von Haus zu Haus ging und mit dem Klopfen seines Holzhammers die Menschen in die Schul’ – den Tempel, die Synagoge – rief. „Apropos“, sagt Johannes Reiss, „wir haben hier im Wertheimer- haus wahrscheinlich die einzige überlebt habende Synagoge des Landes.“ Überlebt hat sie deshalb, weil es eine private Einrichtung war. Simon Wertheimer, Rabbi nach der leopoldinischen Vertrei- bung aus Wien 1670, hat die Ei- senstädter Gemeinde sozusagen als Notär begründet. Zuletzt war dieses Haus – so wie im Übrigen auch jenes, in dem das Landesmu- seum untergebracht ist – im Besitz der Familie Wolf, die zu den wirk- lich großen ungarischen, später burgenländischen Weinhändlern gehörte. „Reichskristallnacht“ Zum 40. Geburtstag wird das Museum, erzählt Direktor Reiss, sich das eine oder andere Geschenk selber machen. Es wird eine Art Outdoor-Ausstellung geben. Nicht im Sinn der auf die – darf man das jetzt so sagen, wenn auch unter An- führungszeichen – „Reichskristall- nacht“ Bezug nehmenden Stolper- steine, aber doch davon inspiriert. „Bei den Novemberpogromen hat es ja keine Juden mehr gegeben im Burgenland.“ Erstaunlich, aber so war es halt: Des Irrsinns erste Sta- tion war, wider alle Wahrschein- lichkeit, im Burgenland. Die zweite Geschichte, die Jo- hannes Reiss im Auge hat, ist ein Reiseführer durchs jüdische Bur- genland. Denn das merkt er schon auch: „Die Kinder der Vertriebe- nen waren wenig ansprechbar. Die Enkel aber sehr wohl.“ Burgenlands Politik und Tou- rismus hat das noch nicht ganz „kapiert“. „Kapiert“ nicht allein in dem Sinn, dass das eventuell ein touristisches Geschäftsmodell sein könnte. Eigentlich, so meint das auch Johannes Reiss, ginge es um einen selbst. „Ob man die Haredi im Jerusalemer Kirayat Matters- dorf schätzt oder nicht, ist eigent- lich egal.“ Fürs Burgenland sei es wichtig, dass die bis heute Bur- genländer sind. „Das ist nicht de- ren, es ist unsere Geschichte.“ p www.ojm.at Am Sabbath muss a Ruh sein! Also wurde die Hauptstraße in Eisenstadt-Unterberg gesperrt. Dort, wo die Männergruppe (rechts) steht, ist heute das Jüdische Museum daheim. Foto: ojm

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10 der Standard Sa./So., 11./12. Februar 2012Chronik

Wiens Clubkultur boomt trotz der KrisePratersauna als Tanztouristen-Magnet, Betreiber wollen dennoch gefördert werden

Fabian Kretschmer

Wien – Donnerstag um halb zweiUhr nachts im Prater. Das Arealwirkt geisterstadtartig verlassen.Nur die Pratersauna widersetztsich hartnäckig der Nachtruhe.Vor dem angesagtesten Techno-club der Stadt steht eine Schlangevon 100 Partyhungrigen. Drinnentanzen 1000 Leute zu einem im-mer wiederkehrenden Loop austiefen Bässen. Der Star der Nachtist ein DJ, seine Instrumente zweiPlattenspieler und ein Mischpult.

Vom Berliner MusikmagazinDe:bug, der Szene-Bibel für elek-tronische Musik, wurde die Pra-tersauna nun zum zweiten Mal inFolge zum zweitbesten Club ge-wählt. Das Gebäude wurde in den60ern als Sauna erbaut, in dereinst Wiens High Society vomBürgermeister bis zum Polizeiprä-sidenten zusammen schwitzte.Später traf sichhier dieUnterwelt,bis in den 80ern aus der Sauna an-geblich ein Swingerclub wurde.

Das knapp 3000 Quadratmetergroße Areal mit Garten und Poolist mangels Anrainern die idealeParty-Location. Als das Gebäude2008 zur Vermietung stand, beka-men Stefan Hiess und HennesWeiss den Zuschlag – und so wur-de aus der Sauna ein Technoclub.

Begonnen haben die Studien-freunde mit „Off-Parties“, sponta-nen Treffen mit Eingeweihten imöffentlichenRaum,mitMusikundTanz und Feiern bis in den Mor-gen. Die wilden Zeiten sind frei-lich vorbei. Heute beginnt für dieClubbetreiber der Tag meist mitExcel-Tabellen, Telefonaten undBuchhaltung.

„Dass die Clubkultur so boomt,hat sicher auchmit Eskapismus zutun“, meint Max Zeller alias DJMoogle. Die Clubkultur schätzt erals „alternativen Gesellschaftsent-wurf“, in dem keine sozialen Un-terschiede gemacht würden. Dankder gelockerten Sperrfristrege-lung und dem 24-Stunden-Betriebder U-Bahn am Wochenende ist

Wiens Clubkultur vielfältig wienie zuvor. Diese Szene fördernHiess und Weiss: Im Rahmen des„Made in Austria“-Festivals tretenim Februar nur österreichischeKünstler in der Pratersauna auf.

Von der Stadt Wien fühlen sichdie beiden aber im Stich gelassen.Schließlich, so argumentieren sie,bescherten sie Wien jede MengeTouristen, bekämen aber dafürkeine Fördergelder. Tatsächlichkommen dank Billigfluglinien im-mer mehr Partyreisende übersWochenende nach Wien, um imNachtleben abzutauchen. „Das istein Wirtschaftsfaktor, der in Wientotal vernachlässigt wird“, sagtWeiss. In Berlin sei das anders, dawürden die Clubs als Wirtschafts-faktor sehr wohl erkannt.

Ganz so siehtdasLutzLeichsen-ring, Sprecher des Interessenver-bands der Berliner Clubbetreiber,nicht. In der Berliner Club-Bran-che, die jährlich eine MilliardeEuro Umsatz mache und 100 Mil-lionenEuro anSteuern zahle,wol-le man zwar keine direkten Sub-ventionen, weil „damit meist in-haltliche Einflussnahme einher-geht“. Allerdings: Der Staat solledie Szene „strukturell fördern“,regt Leichsenring an. Schließlichmüsse ein Club auf dem Immobi-lienmarkt mit finanzkräftigen Ein-kaufszentren und Wohnbau-Ge-sellschaften konkurrieren.

Davon können die Pratersauna-Betreiber aucheinLied singen:Siemussten bei ihrer Location mit ei-nem Fitnessclub und einem „Gas-trotempel“ konkurrieren – und be-kamen den Zuschlag nur, weil derSohn des Eigentümers ein Fan ih-rer Technopartys war.

PratersaunamitmusikalischemÖsterreicher-Schwerpunkt:ein Magnet fürEuropas Party-volk. Die Be-treiber fühlensich von derStadt „im Stichgelassen“.Foto: Farkasch

GemeindeübergreifendeRaumplanung in

Vorarlberg nur VisionBregenz – Knapp 3,3 MillionenEuro investierte das Land in dasProjekt „Vision Rheintal“. Ausdem Beteiligungsprozess sollteein Raumplanungsleitbild für die29 Rheintal-Gemeinden entste-hen. Der Landesrechnungshofschaute sichdieVision genauer anund kam zum Schluss, dass manseit 2004 über die Vision nicht hi-nausgekommen ist. Direktor Her-bert Schmalhardt: „Es wurden 80Leitsätze und 50 Projektideen ent-wickelt, aber nichts umgesetzt.“Es fehle an Strategien zur Realisie-rung und an konkreten Zuständig-keiten. Das Land müsse die Ent-wicklung der Gemeinden konse-quenter mitsteuern. Eine Kompe-tenzübertragung von den Gemein-den auf das Land „wird es abernicht spielen“, sagt Schmalhardt.

Die Opposition sieht sich durchdie Prüfung in ihrer Kritik bestä-tigt. Das Land müsse Förderungenan die Bereitschaft zu Gemeinde-kooperationen binden, fordert FP-Klubobmann Dieter Egger. Grü-nen-Chef Johannes Rauch: „Wasein kräftiger Anlauf gegen Zersie-delung, Flächenfraß und Kirch-turmdenken war, ist am politi-schen Unwillen gescheitert.“

Neuwahlen in Warth

Wie sensibel das Thema Raum-planung ist, zeigen jüngste Ereig-nisse in Warth: In der Tourismus-gemeinde trat am Donnerstagdie gesamte Gemeindevertretungzurück. Bürgermeister GebhardFritz nennt unüberbrückbare Wi-derstände gegen das räumlicheEntwicklungskonzept als Grund.Neuwahlen müssen in den nächs-ten drei Monaten stattfinden. (jub)

Königshofer: ÜbleNachrede rund um

Neonazi-HomepageInnsbruck – Der ehemalige FPÖ-Nationalrat Werner Königshoferist Freitagnachmittag am Landes-gericht wegen übler Nachrede –nicht rechtskräftig – schuldig ge-sprochen worden. Er hatte in ei-nem Falter- und einem Standard-Artikel im März 2011 den damalsermittelnden Kriminalbeamtenund Datenforensiker Uwe Sailerbeschuldigt, codierte E-Mails undTexte an die mittlerweile vomNetz genommene Neonazi-Home-page Alpen-Donau.info geschicktzu haben. Sailer beschäftigt sichseit Jahrenmit Ver-bindungender FPÖ zur rechtsradikalen Sze-ne und zur Website Alpen-Do-nau.info. Der Kripo-Beamte sagtevor dem Richter, er sei nicht Inha-ber jenes Accounts, von dem diecodierten Texte versendet wur-den. Daher könne er sie auchnicht verschickt haben. Königsho-fer selbst erklärte vor Gericht im-mer wieder, es sei unmöglich,dass mit „Stasi-Methoden“ gegenihn vorgegangen worden sei, dass„ein Polizist einem Nationalrats-abgeordneten nachspitzelt“.

Der Rechtsstreit zwischen Kö-nigshofer und Sailer zieht sich.Sailer erklärte, er sei 2009 von derFPÖ zur Persona non grata erklärtworden. Mehrmals sei seine Sus-pendierung gefordert worden. Erhabe sogar „einen Strick zuge-schickt bekommen“ mit der Auf-forderung, „sich selbst zu entsor-gen“. Königshofer – mittlerweileaus der FPÖ ausgeschlossen –wurde zu einer bedingten Geld-strafe von 5000 Euro verurteilt,Sailer bekommt 6000 Euro. (ver)

GERICHT

Österreichs erstesNach-Shoah-Museum

wird heuer 40. Weil diesesim Burgenland steht, wird

dort halt allerhand überG.tt zu reden sein müssen.

Denn das Burgenlandwar ein sehr gläubiger

Landstrich.

recht einzigartige. Nicht nur inösterreichischer Zeit. Die Juden-gemeinden des späteren Burgen-landes sprachen – anders als an-derswo – immer Deutsch. Als sieösterreichisch wurden, bemerk-ten die Rabbis, dass in Wien eherdie Sünder daheim waren, wes-halb das Burgenland eine eigeneKultusgemeinde ins Leben rief.

Gläubiger Alltag

Dass sich das Eisenstädter Mu-seum also hauptsächlich mit derReligion und weniger mit dem so-genannten Alltag beschäftigt, hat

G.tt, die Welt und dieses kleine Land

Wolfgang Weisgram

Eisenstadt/Asch – Dass Österreichserstes jüdisches Nachkriegsmu-seum ausgerechnet in Eisenstadt,das auch einen hebräischen Na-men trägt – die Initialen von Ai-senstadt, Aleph und Shin – da-heim ist und nun den Vierzigerfeiert, ist kein Zufall. Weil sicherstens, so hört man es bis heutedrunten in Mattersdorf, in Jerusa-lem also, sowieso die Frage stellt:„Was, bitte, war denn Wien? AVorort von Aisenstadt.“ Natürlichließe sichdarauf einiges erwidern,und einige haben das auch getan,was aber nichts am zweiten Grundändert: dem Sitzfleisch.

Kurt Schubert, der legendäreDoyen heimischer Judaistik, hatsich nämlich ins Burgenland ver-liebt gehabt.Oder inFredSinowatz.Oder in den burgenländischenWein. Oder in beides. Jedenfalls er-gab, Glas für Glas, ein Wort das an-dere, sodass am Ende man – Schu-bert und Landesrat, später Unter-richtsminister,nochspäterBundes-kanzler Sinowatz – übereinkam:Mach ma’s! Johannes Reiss, Direk-tor in Eisenstadt, sagt trocken: „Si-nowatz war einer, der hat’s kapiert.

Das Dumme dabei ist – das sagtnicht Reiss, das denkt sich bloßder Standard –, dass dieses Kapie-ren bis heute nicht wirklich funk-

tioniert. Es gab und gibt angeblichwirklich Leute, die dem Eisen-städter Museum Altbackenheitvorwerfen, weil man sich dort we-niger mit dem jüdischen Alltag,mehr mit dem Festtag beschäftigt.Statt etwa Gott G.tt schreibt. (2.Gebot: Du sollst den Namen desHerrn nicht verunehren!) Der GoiJohannes Reiss lächelt zu so wasbeinahe wie ein Rabbiner. „AnFreud hat’s im Burgenland nichtgegeben. Wir da waren berühmtfür die Rabbis.“

Tatsächlich ist die jüdische Ge-schichte des Burgenlandes eine

darin eben seinen Grund. Johan-nes Reiss: „In den burgenländi-schen Gemeinden war die Religi-onhalt derAlltag.“ Bis hin zumso-genannten Schulklopfer, der vonHaus zu Haus ging und mit demKlopfen seines Holzhammers dieMenschen in die Schul’ – denTempel, die Synagoge – rief.

„Apropos“, sagt Johannes Reiss,„wir haben hier im Wertheimer-haus wahrscheinlich die einzigeüberlebt habende Synagoge desLandes.“ Überlebt hat sie deshalb,weil es eine private Einrichtungwar. Simon Wertheimer, Rabbi

nach der leopoldinischen Vertrei-bung aus Wien 1670, hat die Ei-senstädter Gemeinde sozusagenals Notär begründet. Zuletzt wardieses Haus – so wie im Übrigenauch jenes, in dem das Landesmu-seum untergebracht ist – im Besitzder Familie Wolf, die zu den wirk-lich großen ungarischen, späterburgenländischen Weinhändlerngehörte.

„Reichskristallnacht“

Zum 40. Geburtstag wird dasMuseum, erzählt Direktor Reiss,sichdaseineoderandereGeschenkselber machen. Es wird eine ArtOutdoor-Ausstellung geben. Nichtim Sinn der auf die – darf man dasjetzt so sagen,wennauchunterAn-führungszeichen – „Reichskristall-nacht“ Bezug nehmenden Stolper-steine, aber doch davon inspiriert.„Bei den Novemberpogromen hates ja keine Juden mehr gegeben imBurgenland.“ Erstaunlich, aber sowar es halt: Des Irrsinns erste Sta-tion war, wider alle Wahrschein-lichkeit, im Burgenland.

Die zweite Geschichte, die Jo-hannes Reiss im Auge hat, ist einReiseführer durchs jüdische Bur-genland. Denn das merkt er schonauch: „Die Kinder der Vertriebe-nen waren wenig ansprechbar.Die Enkel aber sehr wohl.“

Burgenlands Politik und Tou-rismus hat das noch nicht ganz„kapiert“. „Kapiert“ nicht allein indem Sinn, dass das eventuell eintouristisches Geschäftsmodell seinkönnte. Eigentlich, so meint dasauch Johannes Reiss, ginge es umeinen selbst. „Ob man die Harediim Jerusalemer Kirayat Matters-dorf schätzt oder nicht, ist eigent-lich egal.“ Fürs Burgenland sei eswichtig, dass die bis heute Bur-genländer sind. „Das ist nicht de-ren, es ist unsere Geschichte.“

p www.ojm.at

Am Sabbath muss a Ruh sein! Also wurde die Hauptstraße in Eisenstadt-Unterberg gesperrt. Dort, wodie Männergruppe (rechts) steht, ist heute das Jüdische Museum daheim. Foto: ojm