Güterlogistische Dispositionssysteme in Verbindung mit B2B-Marktplätzen — Konzept und...

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1 Einleitung Die ga ¨ngige Einteilung einer Transaktion auf einem elektronischen Marktplatz in die Phasen Anbahnung, Vereinbarung und Abwicklung [Schm93] spiegelt nicht nur die chronologische Abfolge der Prozess- schritte im Einkauf wider, sondern ent- spricht auch den Stufen der Evolution, welche die im Internet existierenden Syste- me in den letzten Jahren durchlaufen ha- ben: Beschra ¨nkten sich die ersten Markt- pla ¨tze anfa ¨nglich vor allem auf die Pra ¨sentation von Warenangeboten (Anbah- nung), so traten spa ¨ter Verhandlungs- mechanismen wie Internet-Auktionen (vgl. z. B. [HoBu00]) hinzu, mit denen ein „Dy- namic Pricing“ mo ¨ glich wurde (Verein- barung). Schließlich nahmen einige Betrei- ber elektronischer Marktpla ¨tze auch erga ¨nzende Dienstleistungen, zum Beispiel fu ¨r den Versand und die Bezahlung, in ihr Angebot auf (Durchfu ¨ hrung). Fu ¨ r die Un- terstu ¨ tzung der Durchfu ¨ hrungsphase ist ein weites Spektrum unterschiedlicher Erscheinungsformen denkbar, das von iso- lierten Systemen ohne jegliche Beru ¨ cksich- tigung der Abwicklung u ¨ ber den halb- automatischen Datenaustausch mit spezialisierten Dienstleistern bis hin zu Anwendungssystemen, die direkt in den Marktplatz integriert sind, reichen mag. Dieser Beitrag stellt ein Modul fu ¨ r die Pla- nung, Organisation und Optimierung von Transporten vor, das auf der Auftrags- abwicklung eines virtuellen Marktplatzes aufsetzt, teilnehmeru ¨ bergreifend einen friktionslosen șbergang zu den logisti- schen Prozessen schafft und damit eine In- tegration der Funktionalita ¨ten von Gu ¨ ter- und Logistikmarktpla ¨tzen realisiert. Dieser Integrationsansatz stellt damit ein neues Feld in der Beziehung zwischen E-Com- merce(EC)-Systemen und Logistik dar. Wa ¨hrend die Verbindungen zwischen Lo- gistik und elektronischen Marktpla ¨tzen bisher in einerseits „elektronische Markt- pla ¨tze fu ¨ r Logistik“ und andererseits „Lo- gistik fu ¨r elektronische Marktpla ¨tze“ [AlSc00, Pfoh00, ZiHo99] eingeteilt wur- den, versucht das hier vorgestellte Kon- zept, gleichzeitig sowohl die Herausforde- rungen der EC-Systeme an die Logistik zu beru ¨ cksichtigen, als auch die EC-Tech- niken fu ¨ r die Unterstu ¨ tzung logistischer Dienstleistungen einzusetzen. Der Beitrag ist folgendermaßen gegliedert: Abschnitt 2 grenzt zuna ¨chst das Unter- suchungsgebiet ein. Abschnitt 3 pra ¨sentiert ein Konzept fu ¨ r die Integration von logisti- schen Dienstleistungen auf elektronischen Marktpla ¨tzen. Ein wichtiges Entwick- lungsprinzip war die konsequente Beru ¨ ck- sichtigung von Erkenntnissen und Ver- fahren aus der Logistik sowie aus dem Operations Research. Die Umsetzung des Konzepts im Rahmen eines Verbundpro- jekts zwischen der ecenta AG, Nu ¨ rnberg, und dem Bayerischen Forschungsverbund Wirtschaftsinformatik (FORWIN) wird in Abschnitt 4 beschrieben. Im Fokus der Be- trachtung steht dabei ein Marktplatz in der Mo ¨ belindustrie, der im Januar 2001 in Be- trieb genommen wurde. Die Auswertung der Nutzeffekte, die durch das implemen- tierte System realisiert werden konnten, verdeutlicht, welche Chancen sich fu ¨r KMU bei der Nutzung von elektronischen Marktpla ¨tzen als Instrument zur Optimie- WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 6, S. 535 544 Die Autoren Habib Lejmi Gerald Butterwegge Dipl.-Inf. Habib Lejmi, FORWIN (Bayerischer Forschungsver- bund Wirtschaftsinformatik), Universita ¨t Erlangen-Nu ¨rnberg, (Leitung Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Mertens), Ȗußerer Laufer Platz 13 15, 90403 Nu ¨rnberg, E-Mail: [email protected], WWW: http://www.forwin.de/; Dipl.-Wirtsch.-Inf. Gerald Butterwegge, ecenta AG, Rollnerstraße 110, 90408 Nu ¨rnberg, E-Mail: [email protected], WWW: http://www.ecenta.com/ Gu ¨terlogistische Dispositions- systeme in Verbindung mit B2B-Marktpla ¨tzen Konzept und praktisches Beispiel WI – Aufsatz

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1 Einleitung

Die gangige Einteilung einer Transaktionauf einem elektronischen Marktplatz in diePhasen Anbahnung, Vereinbarung undAbwicklung [Schm93] spiegelt nicht nurdie chronologische Abfolge der Prozess-schritte im Einkauf wider, sondern ent-spricht auch den Stufen der Evolution,welche die im Internet existierenden Syste-me in den letzten Jahren durchlaufen ha-ben: Beschrankten sich die ersten Markt-platze anfanglich vor allem auf diePrasentation von Warenangeboten (Anbah-nung), so traten spater Verhandlungs-mechanismen wie Internet-Auktionen (vgl.z. B. [HoBu00]) hinzu, mit denen ein „Dy-namic Pricing“ moglich wurde (Verein-barung). Schließlich nahmen einige Betrei-ber elektronischer Marktplatze aucherganzende Dienstleistungen, zum Beispielfur den Versand und die Bezahlung, in ihrAngebot auf (Durchfuhrung). Fur die Un-terstutzung der Durchfuhrungsphase istein weites Spektrum unterschiedlicherErscheinungsformen denkbar, das von iso-lierten Systemen ohne jegliche Berucksich-tigung der Abwicklung uber den halb-automatischen Datenaustausch mitspezialisierten Dienstleistern bis hin zuAnwendungssystemen, die direkt in denMarktplatz integriert sind, reichen mag.

Dieser Beitrag stellt ein Modul fur die Pla-nung, Organisation und Optimierung vonTransporten vor, das auf der Auftrags-abwicklung eines virtuellen Marktplatzesaufsetzt, teilnehmerubergreifend einenfriktionslosen �bergang zu den logisti-schen Prozessen schafft und damit eine In-

tegration der Funktionalitaten von Guter-und Logistikmarktplatzen realisiert. DieserIntegrationsansatz stellt damit ein neuesFeld in der Beziehung zwischen E-Com-merce(EC)-Systemen und Logistik dar.Wahrend die Verbindungen zwischen Lo-gistik und elektronischen Marktplatzenbisher in einerseits „elektronische Markt-platze fur Logistik“ und andererseits „Lo-gistik fur elektronische Marktplatze“[AlSc00, Pfoh00, ZiHo99] eingeteilt wur-den, versucht das hier vorgestellte Kon-zept, gleichzeitig sowohl die Herausforde-rungen der EC-Systeme an die Logistik zuberucksichtigen, als auch die EC-Tech-niken fur die Unterstutzung logistischerDienstleistungen einzusetzen.

Der Beitrag ist folgendermaßen gegliedert:Abschnitt 2 grenzt zunachst das Unter-suchungsgebiet ein. Abschnitt 3 prasentiertein Konzept fur die Integration von logisti-schen Dienstleistungen auf elektronischenMarktplatzen. Ein wichtiges Entwick-lungsprinzip war die konsequente Beruck-sichtigung von Erkenntnissen und Ver-fahren aus der Logistik sowie aus demOperations Research. Die Umsetzung desKonzepts im Rahmen eines Verbundpro-jekts zwischen der ecenta AG, Nurnberg,und dem Bayerischen ForschungsverbundWirtschaftsinformatik (FORWIN) wird inAbschnitt 4 beschrieben. Im Fokus der Be-trachtung steht dabei ein Marktplatz in derMobelindustrie, der im Januar 2001 in Be-trieb genommen wurde. Die Auswertungder Nutzeffekte, die durch das implemen-tierte System realisiert werden konnten,verdeutlicht, welche Chancen sich furKMU bei der Nutzung von elektronischenMarktplatzen als Instrument zur Optimie-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 6, S. 535–544

Die Autoren

Habib LejmiGerald Butterwegge

Dipl.-Inf. Habib Lejmi,FORWIN (Bayerischer Forschungsver-bund Wirtschaftsinformatik),Universitat Erlangen-Nurnberg,(Leitung Prof. Dr. Dr. h. c. mult. PeterMertens), �ußerer Laufer Platz 13–15,90403 Nurnberg,E-Mail: [email protected],WWW: http://www.forwin.de/;Dipl.-Wirtsch.-Inf. Gerald Butterwegge,ecenta AG, Rollnerstraße 110,90408 Nurnberg,E-Mail: [email protected],WWW: http://www.ecenta.com/

Guterlogistische Dispositions-systeme in Verbindungmit B2B-MarktplatzenKonzept und praktisches Beispiel

WI – Aufsatz

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rung ihrer Supply Chain ergeben. Der Bei-trag schließt mit einer knappen Zusam-menfassung der Erfahrungen und gibteinen Ausblick auf kunftige Tatigkeitsfel-der.

2 Bedeutung der Logistikbeim elektronischenHandel von komplexenEndprodukten

Die Nutzung von EC-Systemen fur dieLogistik und insbesondere fur den Trans-port war bisher weit gehend vom Modellder Frachtborsen dominiert. Auf diesenTransportmarktplatzen [BrPG01] im Inter-net treffen Frachtfuhrer auf Verlader, um(in der Regel kurzfristig) das Angebot anverfugbaren Transportkapazitaten mit derNachfrage abzugleichen. Das Modell derFrachtborsen weist jedoch verschiedeneMangel auf [Alt97, ReSt00], wie z. B. dieVerscharfung von Preiskampfen und derdaraus resultierenden Skepsis aufseiten derSpediteure sowie das Fehlen einer Verein-barungsfunktionalitat. Diese Problemekonnen so gravierend sein, dass man sogardie Existenzberechtigung von vielen sol-cher Plattformen infrage stellen mag[Bret01, EbSc01].

Auf der anderen Seite stellt der elektro-nische Handel neue Herausforderungen andie Logistik (siehe z. B. [BaDa00]). Ob-wohl 40% der Kosten des Online-Handelsin der Phase nach der Bestellung anfallen[Bayl01, S. 2], steht die logistische Abwick-lung oft im Schatten der Marketing-Aktivi-taten und des Kampfs um Teilnehmer.

Ein grundlegendes Problem dabei bestehtin der sequenziellen Betrachtung derMarkttransaktion, bei der die Frage derLieferung erst nach den Phasen Informati-on und Vereinbarung beantwortet wird.Im Gegensatz dazu wurde eine ganzheitli-che Betrachtung aller Phasen einer Markt-transaktion die Transportkapazitaten schonbei der Planung von Verkauf und Verkaufs-aktionen berucksichtigen. Ein anderes Pro-blem ist darin zu sehen, dass die Suchenach einer Losung fur die logistische Ab-wicklung auf eine Make-or-buy-Entschei-dung reduziert wird. Die Betreiber vonelektronischen Marktplatzen beschrankensich hierbei auf die Wahl zwischen einer ei-genen Abwicklung oder einer vollstandi-

gen Fremdvergabe der notwendigenDienstleistungen [Robb00].

Das vorliegende Konzept geht von einerdifferenzierten Betrachtung der Teilaufga-ben in der Transportabwicklung aus. Diephysische Durchfuhrung eignet sich wenigfur einen elektronischen Marktplatz, eherdas Angebot der informationsintensivenAufgaben der Transportauswahl, -planungund -optimierung sowie von kom-plementaren Dienstleistungen, wie bei-spielsweise der Sendungsverfolgung.

Ein drittes Problem besteht schließlich inder Informationsinfrastruktur bei denoftmals mittelstandischen Spediteuren[HiMC01]. Vielen von ihnen fehlen dasKnow-how und das notwendige Kapital,um den Herausforderungen des Inter-net-Zeitalters gerecht zu werden. Die�bernahme der informationsorientiertenTeilaufgaben in der logistischen Abwick-lung durch den Betreiber des elektro-nischen Marktplatzes sowie eine starkeBindung der Partner, welche fur die Aus-fuhrung des physischen Transports(Frachtfuhrer) verantwortlich sind, kon-nen diesen Mangel kompensieren. Das inAbschnitt 3 vorgestellte System be-schreibt, wie eine solche Anbindung reali-siert werden kann.

Der folgende Abschnitt geht der Fragenach, welche Einflussfaktoren eine Trans-portplanung „on site“ beeinflussen. Damitlassen sich dann die Voraussetzungen undGrundannahmen fur den Einsatz des be-trachteten Systems aufzeigen.

2.1 Einfluss der Artdes Internet-Marktplatzes

Eine ausfuhrliche Klassifikation von Inter-net-Marktplatzen findet man beispielswei-se in [Timm98]. An dieser Stelle soll einekurze Charakterisierung typischer Szena-rios genugen, um die Logistik-Komponen-te zu motivieren.

2.1.1 Klassifizierung nach Teilnehmern

Es ergeben sich je nach Geschaftsmodell(B2C oder B2B) unterschiedliche Anforde-rungen an die logistische Abwicklung. ImB2C-Handel steht die Koordination voneinerseits traditionellen und andererseitselektronischen Verkaufskanalen im Vorder-grund [PoBa01]. Die Herausforderung

liegt darin, dass eine große Anzahl vonkleineren Paketen an eine große Anzahlvon Kunden in einem kurzen Zeitraumauszuliefern ist. Im Gegensatz dazu liegtder Fokus im B2B-Bereich auf der Opti-mierung von Lieferketten und der Schaf-fung von Mehrwert durch automatisierte,integrierte Prozesse.

Fur B2B hat sich weiterhin eine Einteilungin horizontale und vertikale Marktplatzeetabliert. Horizontale B2B-Systeme kon-zentrieren sich in der Regel auf die – evtl.auch spontane und unregelmaßige – An-bahnung von Geschaften, wofur dieMarktplatz-Betreiber fortgeschritteneMethoden beispielsweise zur Suche nachProdukten oder zur Identifizierung poten-ziell geeigneter Geschaftspartner (vgl. etwa[WHMT99]) hervorgebracht haben. Wegender Produktvielfalt sowie der Art der Be-ziehung zwischen den Handelspartnernauf solchen Marktplatzen ist die Auftrags-abwicklung komplexer als in vertikalenB2B-Plattformen. Diese mussen den spe-ziellen Gepflogenheiten Rechnung tragen,die den Teilbereich der Wirtschaft, welchensie ansprechen, pragen. So treten an dieStelle großer Paketdienstleister, die auf-grund der großen Zahl von Sendungsemp-fangern flachendeckende Netze effizientbedienen konnen, in vielen Fallen kleinere,spezialisierte Speditionen, die im Extrem-fall jeden Transport individuell disponierenmussen. Die im Vergleich zu horizontalenMarktplatzen großere Vertraglichkeit dergehandelten Waren in Hinblick auf eineZusammenfassung beim Transport, die en-gere Zusammenarbeit zwischen den Teil-nehmern sowie ggf. die Existenz branchen-spezifischer IV-Standards erleichtern dieIntegration der Logistik in vertikaleMarktplatz-Systeme.

2.1.2 Klassifizierungnach vermittelten Gutern

Die Art der Waren, auf die sich ein Markt-platz spezialisiert, ubt entscheidenden Ein-fluss auf die sich anschließenden Fragender Logistik aus. Bild 1 gibt einen �ber-blick uber die relevanten Merkmale in die-sem Zusammenhang.

Oft bedient man sich in erster Naherungder „klassischen“ ABC-Analyse, die denmengenmaßigen Anteil bestimmter Artikelan einer gegebenen Wertgroße, zum Bei-spiel Umsatz oder Jahresverbrauch, in dreiGruppen einteilt. Mit einer solchen Be-trachtung definiert man unter anderem die

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so genannten C-Teile, die eine großeAnzahl von eher geringwertigen Guterndarstellen. Aufgrund ihres ungunstigenVerhaltnisses von Beschaffungs(prozess)-kosten und Materialwert sind sie schonlanger Gegenstand von E-Procurement-Aktivitaten. A- und B-Teile werden auf-grund ihres hoheren Wertes und der damitverbundenen Kapitalbindungskosten in derRegel genauer disponiert und sind deshalbauch sensitiver im Hinblick auf Transport-Belange.

Weitere Merkmale ergeben sich aus derVerwendung der Materialien. Gehen sie di-rekt in die Produktion ein (Rohstoffe undHalbfertigerzeugnisse, Vorprodukte, „di-rect goods“) oder sind sie gar als Endpro-dukt dem Kunden zu einem bestimmtenTermin zugesagt, so muss der Herstellerdie richtige Verbringung der Waren bei Be-schaffung und Absatz beachten. Das giltumso mehr, wenn es sich um kunden-wunschorientierte, individuelle Erzeugnis-se handelt, deren Bedarf auch im Notfallnicht ohne Weiteres aus einem Zwischen-lager gedeckt werden konnte. Pragmatischformuliert: Immer dann, wenn Produkti-onsausfall, Vertragsstrafen oder beides dro-hen, verdient die Logistik gesteigerte Auf-merksamkeit.

Es gilt außerdem, die Eigenschaften derjeweiligen Produkte selbst ins Kalkul zuziehen. Global operierende Stuckgut- undPaketdienste bieten zwar einen strafforganisierten und zuverlassigen Service,aber vorwiegend eben fur Stuckgut undPakete und nicht beispielsweise fur groß-volumige Fracht (so genannte Teilladun-gen) oder fur Guter mit bestimmtenBeforderungsauflagen (Gefahrgut, Kuhl-transporte usw.).

Schließlich stellt die Lieferzeit ein wichti-ges Entscheidungskriterium bei der Trans-portplanung in elektronischen Marktplat-zen dar. Dieses Merkmal konkurriert inder Regel mit dem Faktor Kosten. Es ist jenach Konstellation und Zielsetzung ab-zuwagen, welches der beiden KriterienVorrang hat. Bei Spontan- bzw. Gelegen-heitseinkaufen steht oft die Schnelligkeitder Lieferung wegen ihres Beitrags zurKundenbindung im Vordergrund. ImGegensatz dazu fokussiert man inUnternehmensnetzwerken auf die Planungvon langerfristigen Lieferterminen und hatdementsprechend mehr Raum bei derBundelung der Auftrage verschiedenerTeilnehmer.

2.2 Anforderungenan die Logistik-Komponente

Ein Marktplatz-System sollte nicht nur dieEinhaltung von Terminen uberwachen undgegebenenfalls einen Spediteur vermittelnkonnen [Kell01], sondern versuchen, durchdie Kombination der Transportbedarfemehrerer Teilnehmer das Transportpro-blem besonders gunstig zu losen. FurC-Teile sind große Kurier-, Express- undPaketdienstleister (KEP) zwar in der Lage,diese Bundelung aus der eigenen Auftrags-lage heraus vorzunehmen. Die Transport-prozesse von A- und B-Teilen sind aberkomplexer, kostenintensiver und wenigerstandardisiert. Im konkreten Fall des in derFallstudie beschriebenen Marktplatzes furMobel (siehe Abschnitt 4) sind außerdem

die zu bewegenden Partien nicht besondersattraktiv: Den großen Abmessungen derMobel stehen ein vergleichsweise geringesGewicht und ein nur durchschnittlicherWert gegenuber. Unter solchen Bedingun-gen ist es sinnvoll, samtliche kritischen Lo-gistikaufgaben der Marktteilnehmer zentralauf einem elektronischen Marktplatz zukoordinieren. Diese Zentralisierung ist fureine globale Optimierung unabdingbar[KnMZ00].

Die zu entwickelnde Logistik-Komponen-te muss sich nahtlos in die Auftragsabwick-lungsprozesse auf dem Marktplatz ein-fugen lassen. Sie soll außerdem dieAuftrage mehrerer, idealerweise benachbar-ter Kunden bundeln konnen und die An-zahl der Fahrten minimieren.

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Kernpunkte fur das Management

B2B-Marktplatze unterstutzen in der Regel lediglich die Anbahnung und den Abschluss vonKaufvertragen, aber nicht deren Erfullung. In manchen Branchen, beispielsweise in der Mo-belindustrie, sind jedoch mit der logistischen Abwicklung so große Probleme verbunden,dass die Vorteile des E-Business ganzlich absorbiert werden. Eine adaquate Losung stellt dieIntegration von Logistikdienstleistungen in elektronische Marktplatze dar:

1. Die Integration einer Logistik-Komponente auf B2B-Marktplatzen vermeidet Ineffizienzenbei der logistischen Abwicklung und ermoglicht erhebliche Einsparungen.

2. Die Erweiterung von Abwicklungsplattformen im Internet um SCM-Elemente eroffnet klei-nen und mittleren Unternehmen neue, attraktive Moglichkeiten zur Koordinierung ihrerLieferketten.

3. Eine Fallstudie uber einen vertikalen B2B-Marktplatz in der Mobelindustrie bestatigt dieNutzenpotenziale einer teilnehmerubergreifenden Planung der Lieferprozesse auf demMarktplatz.

Stichworte: B2B, elektronische Marktplatze, Integration, Logistik, SCM, Tourenplanung

Klassifikation A- und B-Teile C-Teile

Verwendung direkt indirekt

Art Kleingut Stückgut Teilladung Komplettladung

Lieferzeit Stunden Tage Wochen Fester Termin

Merkmale Ausprägungen

Klassifikation A- und B-Teile C-TeileKlassifikationKlassifikation A- und B-TeileA- und B-Teile C-TeileC-Teile

Verwendung direkt indirektVerwendungVerwendung direktdirekt indirektindirekt

Art Kleingut Stückgut Teilladung KomplettladungArtArt KleingutKleingut StückgutStückgut TeilladungTeilladung KomplettladungKomplettladung

Lieferzeit Stunden Tage Wochen Fester TerminLieferzeitLieferzeit StundenStunden TageTage WochenWochen Fester TerminFester Termin

Merkmale Ausprägungen

Bild 1 Merkmale vermittelter Guter

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Aus softwaretechnischer Sicht lassen sichfolgende Anforderungen identifizieren:

1. Der Entwurf eines Losungskonzepts,das es ermoglicht, die gewunschtenBundelungseffekte zu erreichen.

2. Der Entwurf eines Modells, das die Pro-blemstellung der Tourenplanung aufdem Marktplatz abdeckt, sowie die Im-plementierung der zu dessen Umset-zung notwendigen Algorithmen.

3. Die Integration der Logistik-Kom-ponente in das Marktplatz-System.

4. Die Anbindung der Spediteure.

3 Integrationskonzeptfur die Anbindungeiner Logistik-Komponentean einen B2B-Marktplatz

Die Logistik-Komponente bundelt auf derBasis der am Marktplatz verfugbaren Auf-tragsdaten die Transportbedarfe mehrererTeilnehmer und minimiert die Anzahl derbenotigten LKW sowie deren Fahrstre-cken. Sie soll modular in die Marktplatz-Umgebung eingebracht werden, wie esBild 2 symbolisiert.

Gleichzeitig schließt sich damit eine neueArt von Partnern an die Plattform an, nam-

lich Logistik-Dienstleister im weitestenSinne. Das Modul ist also das Bindegliedzwischen den Prozessen der kaufman-nischen Auftragsabwicklung und den lo-gistischen Vorgangen der Auslieferung.

3.1 Ablaufder Transport-Optimierung

Die Aufgaben der Transport-Optimierunglassen sich, wie in Bild 3 gezeigt, in dreiPhasen unterteilen: Die Datenaufbereitung,die Tourenplanung und die Tourenanalyse.

Phase I: Datenaufbereitung

In der ersten Phase gilt es, die Auftragevon geographisch benachbarten Kundenzu bundeln. Dazu werden zunachst dieAuftragsdaten, insbesondere die bestatig-ten Liefertermine, in Form von XML-Do-kumenten (vgl. Abschnitt 3.3) aus demMarktplatz-System eingelesen.

Zwei Kunden gelten als benachbart, wenndie jeweiligen Abladestellen innerhalb einesvordefinierten Radius liegen. DieseZusammenfassung kann dadurch erleich-tert werden, dass die Hersteller in der Lagesind, ihre Produktionstermine innerhalbeines gewissen Spielraums, zum Beispieleiner Woche, zu variieren. So konnte

beispielsweise ein Hersteller einer be-stimmten Kundenkommission eine hoherePrioritat einraumen und sie entsprechendschneller fertig stellen, wenn er die Pro-dukte dadurch noch mit auf einen LKWverladen kann, der zwar einige Tage fruherfahrt als ursprunglich vorgesehen, dafuraber mit deutlich gunstigeren Konditionenaufwartet.

Ein Effekt dieser Bundelung ist die Beliefe-rung einer bestimmten Region in derselbenPlanungsperiode. Die Auftrage der Kun-den in einem bestimmten geographischenRaum werden zusammen produziert undzu Touren fur die gleiche Periode zusam-mengefasst. Somit determiniert also dieVersandlogistik in gewisser Weise die Pro-duktionsplanung (vgl. dazu [Mert01], S.220). Durch die Betrachtung mehrerer Pe-rioden lasst sich gleichzeitig die Auslastungdes Fuhrparks verbessern. Sollte ein LKWeine bestimmte Kapazitatsauslastung errei-chen mussen, bevor er wirtschaftlich fahrenkann, so ermoglicht die Vorverlegung derFertigung eines Auftrages aus einer spate-ren Lieferungsperiode eine bessere Lo-sung.

Phase II: Tourenplanung

Die Auftragsdaten werden anschließend andie implementierten Optimierungsver-fahren weitergegeben. Gegenwartig experi-mentiert man mit alternativen Verfahrenaus dem Operations Research, um eine furdie gegebene Problemstellung moglichstwirksame Losung identifizieren zu kon-nen. Auf einzelne Ansatze wird in Ab-schnitt 3.4 eingegangen. Als Ergebnis lie-fert diese Phase Tourenplane (Routen), indenen die Auftrage mehrerer Marktplatz-Teilnehmer zu einer Fahrt zusammenge-fasst sind.

Phase III: Tourenanalyse

Nachdem die zu fahrenden Touren opti-miert wurden, muss das System die gebun-delten Auftrage wieder zerlegen und denverschiedenen Kunden zuordnen, um eineangemessene Fakturierung zu ermoglichen.Anschließend erfolgt eine Analyse der be-rechneten Losung. Diese enthalt einenaggregierten Tourenplan, der an das Markt-platz-System zuruckgegeben wird. DerMarktplatz bietet dem Spediteur die Mog-lichkeit, die Plane zu uberprufen und ggf.zu verandern. Dadurch fließt die Erfah-rung des Disponenten in die Planung ein(mehr hierzu in Abschnitt 3.4).

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HändlerGroßhändlerHersteller

Transporteur

Lieferkette

Anbieter Abnehmer

DBLogistik-Server

Logistik-Server

ProduktkonfiguratorProduktkonfigurator

AuftragsverfolgungAuftragsverfolgung

FakturierungFakturierung

AuftragserfassungAuftragserfassung Workflow-SteuerungWorkflow-Steuerung

BelegverwaltungBelegverwaltung

BerichtswesenBerichtswesen

......

DBDBLogistik-Server

Logistik-Server

ProduktkonfiguratorProduktkonfigurator

AuftragsverfolgungAuftragsverfolgung

FakturierungFakturierung

AuftragserfassungAuftragserfassung Workflow-SteuerungWorkflow-Steuerung

BelegverwaltungBelegverwaltung

BerichtswesenBerichtswesen

......

ProduktkonfiguratorProduktkonfigurator

AuftragsverfolgungAuftragsverfolgung

FakturierungFakturierung

AuftragserfassungAuftragserfassung Workflow-SteuerungWorkflow-Steuerung

BelegverwaltungBelegverwaltung

BerichtswesenBerichtswesen

......

ProduktkonfiguratorProduktkonfigurator

AuftragsverfolgungAuftragsverfolgung

FakturierungFakturierung

AuftragserfassungAuftragserfassung

ProduktkonfiguratorProduktkonfigurator

AuftragsverfolgungAuftragsverfolgung

FakturierungFakturierung

AuftragserfassungAuftragserfassung Workflow-SteuerungWorkflow-Steuerung

BelegverwaltungBelegverwaltung

BerichtswesenBerichtswesen

......

Workflow-SteuerungWorkflow-Steuerung

BelegverwaltungBelegverwaltung

BerichtswesenBerichtswesen

......

Marktplatz

Bild 2 Einbettung der Logistik-Komponente

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3.2 Tourenplanungauf dem Marktplatz

Den Kern der Transportabwicklung bildeteine Funktion fur die Tourenoptimierung.Generell sind diese Probleme mathema-tisch sehr komplex und in hohem Maßeabhangig von der jeweiligen Planungs-situation. Im Folgenden wird das ent-wickelte Modell vorgestellt sowie die im-plementierten Losungsverfahren kurzbeschrieben. Dadurch wird klar, dass dieAnforderungen an die Tourenplanung sichim Wesentlichen mithilfe der „klassischen“Instrumente der rechnergestutzten Touren-planung erfullen lassen. Fur die in der Lite-ratur wenig behandelten, aber fur denKontext der elektronischen Marktplatzewichtigen Fragen der Planung mehrererPerioden und des grenzuberschreitendenVerkehrs musste man in den bekanntenVerfahren Anpassungen vornehmen.

3.2.1 Modell fur die Tourenplanung

Zur Charakterisierung von Tourenpla-nungsproblemen werden haufig Klassifi-zierungsschemata herangezogen [Stum98].Die Auspragungen sind Ausgang fur dieModellbildung. In Bild 4 sind ausgewahlteMerkmale dargestellt, die zur Abgrenzunggegenuber anderen Problemen dienen. DieGruppierung der Merkmale erfolgt nachden Auftragen, die in der Planung zu be-rucksichtigen sind, nach dem Fuhrpark,

der fur die Auslieferungen infrage kommt,nach den zu berechnenden Touren, nachder Netzwerk-Topologie der Belade- undEntladestellen sowie schließlich nach denOptimierungszielen. Der hier untersuchteFall ist durch die schraffierten Felder ge-kennzeichnet.

Fur die Entwicklung eines Modells fur dieTourenoptimierung dient das so genannteStandardproblem als Referenz, das unterdem Namen „Vehicle Routing Problem“(VRP) bekannt geworden ist und sich wiefolgt umschreiben lasst:

„Eine gegebene Anzahl Kunden ist voneinem Lager, dem Depot, aus zu beliefern.Die Entfernungen zwischen den einzelnenKunden und zwischen dem Depot und denKunden sind bekannt und symmetrisch(richtungsunabhangig). Zur Auslieferungdient ein Fuhrpark aus beliebig vielengleichartigen Fahrzeugen, die eine einheit-liche Kapazitatsobergrenze aufweisen, amDepot stationiert sind und jeweils hoch-stens eine Tour ubernehmen konnen. DieNachfragemengen der Kunden sind an-hand deren Auftragsdaten bekannt undmussen jeweils vollstandig von einem Fahr-zeug geliefert werden. Die Zielsetzung be-steht in der Planung von Touren, mit denendie gesamte Nachfrage befriedigt wird, diedie Fahrzeugkapazitat einhalten und diedie insgesamt zu fahrende Strecke minimie-ren.“ [Giet94, S. 11].

Dies ist eine bewusst allgemeine Vorgabe.Sie wird sich nur in Ausnahmefallen direktauf reale Problemstellungen anwenden las-sen; in der Regel sind weitere Bedingungeneinzufuhren. Hier wurden als weitere An-nahmen getroffen:

1. Alle Sendungsdaten liegen zum Zeit-punkt der Planung vor. Das erleichtertdie Planungsaufgabe, beeintrachtigt abernicht die Praxisrelevanz des Modells, dadiese Bedingung auf dem untersuchtenMarktplatz stets erfullt ist.

2. Der Fuhrpark ist heterogenen, d. h., erbesteht aus unterschiedlichen Fahrzeu-gen mit verschiedenen Ladekapazitaten,wie man es bei der Warenverteilung inIndustrie und Handel fast ausschließlichvorfindet.

3. Berucksichtigt werden nur Ferntourenund so genannte Teilladungen (die Auf-trage der Kunden fullen einzelne Fahr-zeuge nicht vollstandig). Diese und dievorhergehende Annahme grenzen dieBetrachtung vom Einsatzbereich derPaketdienste ab.

4. Damit das System keine unrealistischlangen Touren errechnet, die kein Spedi-teur fahren kann oder will, hat man einemaximale Tourdauer sowie eine maxi-male Anzahl der Abladestellen pro Tourfestgelegt.

Als Planungsziele gelten die folgenden,nach absteigender Prioritat geordnetenKriterien:

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DatenaufbereitungDatenaufbereitung TourenplanungTourenplanung

- Auftragsbündelung- Liefertermine

- Konstruktion- Verbesserung• Auslastung• Intra-Tour• Inter-Tour

TourenanalyseTourenanalyse

- Entbündelung- Überprüfung

TourenoptimierungTourenoptimierung

Lieferaufträge

Optimierte

Touren

(I) (II) (III)

AufträgeAufträge

FuhrparkFuhrpark

TourenTouren

NetzwerkNetzwerk

ZieleZiele

StandortStandort

DatenDaten

ArtArt

AuftragsteilungAuftragsteilung

VerträglichkeitVerträglichkeit

Planungs-horizontPlanungs-horizont

Belieferungs-

frequenz

Belieferungs-

frequenz

StandortStandort

StrukturStruktur

GrößeGröße

Zeitliche Be-beschränkungder Fahrer

Zeitliche Be-schränkungder Fahrer

ArtArt

BeschränkungBeschränkung

ZeitbezugZeitbezug

DatenDaten

ArtArt

FahrzeitenFahrzeiten

MinimierungMinimierung

MaximierungMaximierung

knotenorientiertknotenorientiert kantenorientiertkantenorientiert beidesbeides

deterministischdeterministisch stochastischstochastisch dynamischdynamisch

ausliefernausliefern einsammelneinsammeln beidesbeides

nicht teilbarnicht teilbar beliebig teilbarbeliebig teilbar beschränkt teilbarbeschränkt teilbar

Auftrag-AuftragAuftrag-Auftrag Auftrag-FahrzeugAuftrag-Fahrzeug

eine Periodeeine Periode mehrere gleichePerioden

mehrere gleichePerioden

mehrere un-gleiche Periodenmehrere un-

gleiche Periodenunendlich

große Periodenunendlich

große Perioden

periodischperiodisch teilperiodischteilperiodisch aperiodischaperiodisch einmaligeinmalig

ein Depotein Depot mehrere Depotsmehrere Depots

homogenhomogen heterogenheterogen

ein Fahrzeugein Fahrzeug mehrere Fahrzeugemehrere Fahrzeuge unbeschränktunbeschränkt

keinekeine alle Fahreralle Fahrer ein Teil der Fahrerein Teil der Fahrer

offenoffen geschlossengeschlossen

TourdauerTourdauer AuftragszahlAuftragszahl FahrstreckeFahrstrecke

eine Periodeeine Periode mehrere Periodenmehrere Perioden

Merkmale Ausprägungen

symmetrischsymmetrisch asymmetrischasymmetrisch

KoordinatennetzKoordinatennetz StraßennetzStraßennetz

konstantkonstant variabelvariabel

KostenKosten Anzahl FahrzeugeAnzahl Fahrzeuge FahrzeitFahrzeit FahrstreckeFahrstrecke

AuslastungAuslastung LieferserviceLieferservice

Bild 3 Ablauf der Transport-Optimierung Bild 4 Eigenschaften des untersuchten Tourenplanungsproblems[Stum98]

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1. Minimierung der Fahrstrecke;2. Minimierung der Anzahl einzusetzen-

der Fahrzeuge, Maximierung der Aus-lastung;

3. Minimierung der Anzahl notwendiger�bernachtungen;

4. Minimierung der Anzahl notwendigerZollgrenz-�bergange in einer Tour.

3.2.2 Implementierte Losungsverfahren

Grundsatzlich lassen sich zwei Verfahrens-arten zur Tourenplanung unterscheiden:Die exakten und die heuristischen Verfah-ren. Die bekannten Einschrankungen derersten Algorithmen, vor allem der immenseRechenzeitbedarf, sprachen gegen einenpraktischen Einsatz auf der Plattform, so-dass an dieser Stelle nur die heuristischenVerfahren genauer zu untersuchen sind.

Die Vorgehensweise dieser Algorithmenkann in zwei Teilschritte gegliedert wer-den. Im ersten Schritt, dem Eroffnungsver-fahren, generiert das Programm eine zulas-sige Ausgangslosung. Im zweiten Schritt,auch als Verbesserungsverfahren bezeich-net, wird versucht, so lange bessere Losun-gen zu entwickeln, bis ein zuvor festgeleg-tes Abbruchkriterium erfullt ist. Einen�berblick uber Heuristiken in der Touren-planung liefert [Doms90]. Fur die Losungdes beschriebenen Modells wurden zweiVerbundverfahren eingesetzt, die beide imersten Teilschritt das Savings-Verfahren be-nutzen.

Der als Eroffnungsverfahren eingesetzteSavings-Algorithmus stammt von Clarke

und Wright [ClWr64] und gilt als eines derklassischen Verfahren der Tourenplanung.Er basiert auf der Bildung von Touren,die jeweils nur eine Sendung enthalten.Dabei entstehen Pendeltouren (Bild 5), dieanschließend sukzessive nach einer defi-nierten Reihenfolge miteinander kom-biniert werden. Die Kombinationsreihen-folge wird auf der Basis von vorabermittelten Abstandsmaßen definiert, mitdenen das Verfahren schatzt, inwiefern dasAufeinanderfolgen zweier Touren sinnvollist.

Die Optimierung der vom Savings-Verfah-ren generierten Losung wird mithilfe einerKombination von so genannten Intra- undInter-Tour-Verbesserungsalgorithmen er-reicht. Intra-Tour-Verfahren optimierendie Reihenfolge von Abladestellen inner-halb einer Tour (Traveling-Salesman-Pro-blem). Inter-Tour-Verfahren betrachten dieTouren paarweise und ermoglichen eineVerbesserung des gesamten Plans.

Ein zusatzliches Verfahren wurde außer-dem zwischen den Eroffnungs- und denVerbesserungsverfahren realisiert, um dieAuslastung der LKW zu verbessern. Es de-finiert unter Berucksichtigung der Hete-rogenitat des Fuhrparks zulassige Auslas-tungsintervalle und kombiniert wenigausgelastete Touren, also solche mit einerAuslastung unterhalb einer definiertenSchwelle, miteinander oder mit den ande-ren Touren zu neuen Losungen.

Neben den Algorithmen der oben be-schriebenen Verbesserungsverfahren fuhrte

FORWIN Untersuchungen mit Tabu Se-arch [GlLa01] durch. Dieses Suchverfahrenerzeugt von einer existierenden Startsituati-on aus benachbarte Losungen, aus denen jenach Auswahlstrategie einzelne Ergebnisseherausgefiltert werden. Diese gilt es dannanhand vorher definierter Akzeptanzkrite-rien zu bewerten. Sobald eine Nachbar-Lo-sung akzeptiert wird, ist sie der neue Aus-gangspunkt fur die Berechnung weiterermoglicher Losungen, bis ein eingestelltesAbbruchkriterium erfullt ist. Im Fall derTabu-Search-Strategie wird die beste Lo-sung aus der Nachbarschaft gewahlt. Solltees vorkommen, dass keine neue Losungden Zielfunktionswert verbessert, sonimmt man stattdessen die Losung mit dergeringsten Verschlechterung. Um ein mog-lichst gutes Ergebnis zu erzielen, sind alsoauch kleinere Ruckschritte erlaubt, welchedurch die so genannte Tabu-Liste einge-schrankt werden.

Die Tabu-Liste schließt bestimmte Berei-che des Suchraums vorubergehend von derAnalyse aus.

Hinsichtlich ihrer Ausgestaltung sind inder Literatur vielfaltige Alternativen doku-mentiert; vgl. z. B. [Lapo00]. Im vorliegen-den Fall arbeitete man mit einer von Battitiund Tecchhiolli entwickelten Erweiterungdes Standardverfahrensschemas, demReactive Tabu Search [BaTe94], das dieseListe dynamisch anpasst. Eine Leistungs-steigerung erbrachte der Einsatz von Has-hing-Tabellen.

Die Auswertung und der Vergleich beiderVerbesserungsverfahren ist Gegenstandaktueller Untersuchungen in Bezug auf dieFallstudie, die im nachsten Kapitel be-schrieben wird.

3.3 Datenaustauschmit XML-Dokumenten

Die Kommunikation zwischen dem Logis-tik-Modul und der Marktplatz-Applika-tion erfolgt uber XML-Dokumente (daten-orientierte Integration). Die benotigtenAuftragsdaten werden aus dem Daten-bestand im Marktplatz-System extrahiertund anschließend in Form von XML andie Logistik-Komponente weitergeleitet.Das XML-Dokument enthalt Informatio-nen uber den Planungszeitraum sowie dieBeschreibung der Auftragsdaten. Zu denAngaben uber die einzelnen Auftrage zah-

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Depot

Anfangslösung: Pendeltouren

1

3

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4

5

6i j

k

l

m

n

Depot

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i

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Kombinierte Touren

Bild 5 Savings-Algorithmus

540 Habib Lejmi, Gerald Butterwegge

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len unter anderem die Liefermenge inKapazitatseinheiten, die Abladestelle(Land, Ort und Postleitzahl), die Standzeitsowie die Zeitfenster fur die Annahme derLieferung. Außerdem ist eine Beschrei-bung der einzusetzenden Fahrzeugenotwendig, wobei vor allem die Kapazitatder einzelnen LKW interessiert. In derkonkreten Umsetzung existiert mit den sogenannten Sitzeinheiten (ein Dreisitzer-So-fa hat z. B. drei Sitzeinheiten, ein Sessel ei-ne) ein zwar relativ grobes Maß fur die Ka-pazitat, das vom exakten Volumen undGewicht abstrahiert, das dafur aber fur alleBeteiligten sehr einfach zu handhaben ist.

Die Logistik-Komponente schreibt die vonden Optimierungsverfahren berechnetenTouren in XML-Nachrichten und gibt die-se an die Marktplatz-Umgebung zuruck.Von dort aus konnen sie, je nach den spe-ziellen Erfordernissen des konkreten Ge-schaftsvorgangs, z. B. im Browser ange-zeigt oder dem Frachtfuhrer zugespieltwerden, damit er sie in seine Anwendungs-systeme ubernehmen kann. Der Touren-plan besteht aus Touren, die durch die An-gabe der Reihenfolge der Abladestellendefiniert sind. Fur jeden Entladeort legtdas System Ankunfts- sowie Abfahrtszeitfest. Außerdem weist das Logistik-Modulin der Nachricht einige Eckdaten gesondertaus, beispielsweise die gesamte Fahrstreckeund -zeit, die erzielte Auslastung des Fuhr-parks sowie die vorgesehenen �bernach-tungen.

Es gibt viele Anzeichen, dass XML sich alsStandard fur den elektronischen Datenaus-tausch uber das Internet durchgesetzt hat.Die Partner, die im AnwendungsbeispielZugriff auf die Dokumente benotigen,konnen von Mal zu Mal wechseln oder mitunterschiedlichen Systemen arbeiten. Obes sich um die Auftragsverwaltung einermittleren Spedition oder im Extremfallvielleicht auch nur um den Personal DigitalAssistant (PDA) eines einzelnen Fracht-fuhrers handelt: Mit XML ist es vergleichs-weise einfach, die Daten zu ubernehmen,aufzubereiten, zu nutzen oder weiter zuverarbeiten.

3.4 Kommunikationmit den Logistikpartnern

Man unterscheidet zwei Arten von Verein-barungen zwischen Verlader und Logistik-

dienstleister auf dem Transportmarkt. Zumeinen gibt es die langerfristigen Rahmen-vertrage (Kontraktlogistik), zum andereneinmalige Auftrage außerhalb von solchenKontrakten (auf dem so genannten Spot-Markt).

Die Logistikpartner, mit denen feste Ver-trage bestehen, bekommen ahnlich wie dieHandelsteilnehmer einen Zugang mit eige-ner Benutzungsschnittstelle zum Markt-platz-System. Sie erhalten dadurch Zugriffauf die Liefervorschlage, die das Logistik-Modul berechnet, und konnen diese Tou-ren uberprufen, ggf. anpassen und an-schließend annehmen. Aus den bestatigtenVorschlagen erstellt der Marktplatz die tat-sachlichen Lieferplane.

Fur Transportauftrage außerhalb von Rah-menvertragen generiert das System Aus-schreibungen auf der Basis der berechnetenTourenvorschlage. Diese verschickt es anzertifizierte Spediteure oder Frachtborsen.Es bietet sich an, die Logistik-Komponenteum die Funktionalitat zur Anbindung ansolche Internet-Plattformen zu erweitern,um den Datenaustausch zwischen denMarktplatz-Systemen moglichst zu auto-matisieren. Software-Agenten konnen hier-bei eingesetzt werden, um die Suche nacheinem Angebot von Ladekapazitat auf dergewunschten Linie zu unterstutzen.

Nach Eingang der Angebote entscheidetsich ein Disponent fur einen Transport-dienstleister, der den Zuschlag bekommt.

4 Fallstudie:furniture.ecenta.com

4.1 Ausgangssituation

Der hier betrachtete vertikale B2B-Markt-platz in der Mobelindustrie wurde von derecenta AG (Nurnberg) implementiert. AlsPartner agieren Mobel-Agenturen, derFachhandel und Einkaufsverbande inWest-Europa, uberwiegend in Deutsch-land, sowie Hersteller im Nicht-EU-Aus-land. Geschaftsprozesse uber die Grenzenvon Landern und Wirtschaftsraumen hin-weg mithilfe des Internet zu begleiten, zei-tigt zahlreiche weitere Komplikationen, diein diesem Beitrag aber nicht diskutiert wer-den. Die Hersteller und die Agenturen sindtypischerweise KMU.

Das bestehende Marktplatz-System kon-zentriert sich auf Abwicklungsfragen, so-dass man auch von einer Transaktionsplatt-form spricht. Zu den einzelnen Modulengehoren beispielsweise eine Mandantenver-waltung, eine Bestellkomponente, ein Mo-dul zur Druckaufbereitung von Dokumen-ten (zum Beispiel fur Rechnungen oderAuftragsbestatigungen in Papierform), einBenachrichtigungsmodul, das aktiv unteranderem auf fehlende Bestatigungen oderauf drohende Terminverfehlungen hin-weist, und �hnliches.

Ziel der Integration von logistischenDienstleistungen in das Marktplatz-Systemist es, den Auftragsdurchlauf vollstandigzu begleiten, von der Bestellung durch einMobelhaus bis hin zur Auslieferung. Eingroßer Vorteil liegt darin, dass die Abwick-lungsplattform eine zentrale „Kom-munikationsdrehscheibe“ fur alle Teilneh-mer darstellt. Jedes Unternehmen kann dieInformationen, die es benotigt, in einemadaquaten Format erhalten (Bild 6).

Dieses Marktplatzmodell bietet außerdemzwei weitere entscheidende Vorteile, ins-besondere im Hinblick auf KMUs: Zum ei-nen sind die Anfangsinvestitionen fur dasgesamte Netzwerk niedrig, weil der privateMarktplatz mit geringem Anpassungsauf-wand aus bewahrten Komponenten auf-gebaut werden kann. Da er nicht nur dieGeschafte eines einzelnen Unternehmens,sondern die der gesamten Lieferkette koor-diniert, wird man die anfallenden Kostenmeist auf mehrere oder alle Partner vertei-len, sodass jeder Einzelne nur noch einenBruchteil zu tragen hat. Zum anderen for-dert der individualisierte Zugang zum Sys-tem den Aufbau von Vertrauen im Netz-werk. Durch ein streng eingehaltenesMandanten- und Rollenkonzept ist keinTeilnehmer in der Lage, Zugang zu denDaten der anderen zu erlangen. SensibleKapazitatsdaten und �hnliches bleiben da-mit privat.

Die individuell nach Kundenwunsch gefer-tigten Polstermobel aus dem Anwen-dungsfall sind ein Beispiel fur komplexeEndprodukte (vgl. Abschnitt 2.1.2). NachAuskunft von Branchenkennern ist eingroßer Teil der jahrlichen Reklamations-kosten in Hohe von branchenweit ins-gesamt 1 Mrd. Euro [IGMe00, S. 26f.] aufPonalen zuruckzufuhren. Vielen Herstel-lern fallt es also schwer, ihre Waren recht-zeitig beim Kunden bereitzustellen. Da einHersteller allein oft nur geringe Stuck-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 6, S. 535–544

Guterlogistische Dispositionssysteme in Verbindung mit B2B-Marktplatzen 541

Page 8: Güterlogistische Dispositionssysteme in Verbindung mit B2B-Marktplätzen — Konzept und praktisches Beispiel

zahlen in eine Zielregion auszuliefern hat,er die Lieferzeiten aber nicht beliebig stre-cken und die Maßanfertigungen auch nichtaus einem Zwischenlager entnehmen kann,kommt es zusatzlich haufig zu sehr teurenTransporten.

4.2 Einsatz der Logistik-Kom-ponente auf dem Marktplatz

ecenta und FORWIN haben die in Ab-schnitt 3 vorgestellte Komponente imple-mentiert und fur die Teilnehmer des pri-

vaten Marktplatzes furniture.ecenta.com inBetrieb genommen. Die auf dem Markt-platz durchgefuhrten Untersuchungen be-zogen sich auf vier auslandische Mobelher-steller und uber 350 Mobelhandler(Abladestellen) in sieben Landern. Die Lie-ferplane mussen fur jede Kalenderwocheneu erstellt werden. Die Logistikpartner,die fur die Ausfuhrung der Transportplanezustandig sind, verfugen uber verschiedeneLKW-Typen mit unterschiedlichen Lade-kapazitaten. Die Abrechnung der Trans-portdienstleistungen erfolgt auf der Basiseines vereinbarten Preismodells, in dem dieKosten einer Tour von drei Faktoren ab-hangen: Dem Aufladevolumen, einem da-von abhangigen Rabatt und einem Kosten-satz, der sich nach der Lieferzone richtet.Eine Lieferzone ist ein zusammenhangen-der Teil des gesamten Liefergebiets, inner-halb dessen alle Abladestellen gleich be-rechnet werden. Fur alle Teilstrecken ineiner Tour gilt stets der Satz der teuerstenberuhrten Zone. Die Hersteller teilen au-ßerdem ein Zwischendepot fur ihre jeweili-gen Endprodukte. Die Transporte zwi-schen den einzelnen Fertigungsanlagenund diesem Lager waren bei der Touren-planung nicht zu berucksichtigen.

Bei der Zuordnung der offenen Auftragezu Kalenderwochen besteht die Moglich-keit, Liefertermine vorzuverlegen und inden Plan der vorherigen Kalenderwochezu ubernehmen. Dies ist aus zwei Grundenwichtig: Erstens, um die erwunschten Bun-delungseffekte zu erreichen und die Auf-trage benachbarter Kunden zusammen-zufassen, und zweitens, um die Auslastungdes Fuhrparks zu verbessern, etwa dann,wenn ein LKW bei einer gegebenen Auf-tragslage nicht zufrieden stellend beschicktwerden kann. Die Berucksichtigung wei-terer Auftrage, ohne den Fahrplan tief grei-fend andern zu mussen, tragt dazu bei, einebessere Ausnutzung des Kapazitatsange-bots und damit Kostenvorteile zu errei-chen.

Das Logistik-Modul wird einmal taglichangestoßen, um die Lieferplane fur die of-fenen Auftrage zu erstellen. Der Markt-platz bietet dem Frachtfuhrer aber dieMoglichkeit, die ermittelten Touren zuuberprufen und ggf. zu modifizieren.

Wahrend einer dreimonatigen Einfuh-rungsphase konnte man die Ergebnisse derrechnergestutzten Planung auf dem Markt-platz mit der personellen Disposition imoben beschriebenen Unternehmensnetz-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 6, S. 535–544

Musterbauer

ecentaecenta--Plattform für vertikale B2BPlattform für vertikale B2B--MarktplätzeMarktplätze

Händler

Verpackungs-entsorger

Call CenterVor-Ort-

Kundendienst

Großhändler

Designbüros

Hersteller(Endprodukte)

Großhändler

Hersteller(Komponenten)

Verband

Logistiker

Transporteure

Banken

Lagerhalter

Bild 6 Abwicklungsplattform als Informationsdrehscheibe in der Supply Chain[ecen01]

9,5

9

8,5

8

7,5

Transportkosten/Sitzeinheit

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0Auslastung des Fuhrparks

9,26

8,88 46,91

86,7

Anzahl der Touren

91

43

100

80

60

40

20

0

Strecke

128.177

94.496

140.000

120.000

100.000

80.000

60.000

40.000

20.000

0

� %

km

Optimierung

Disponent

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0Auslastung des Fuhrparks

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Anzahl der Touren

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Strecke

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Optimierung

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Bild 7 Einsparungen durch die Logistik-Komponente

542 Habib Lejmi, Gerald Butterwegge

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werk vergleichen. Die Ergebnisse (Bild 7)zeigen, welche Einsparungspotenzialedurch die Optimierung der Supply Chainvon KMU mithilfe von elektronischenMarktplatzen realisierbar sind.

Der Einsatz der Logistik-Komponente er-zielte große Nutzeffekte im Vergleich zurpersonellen Disposition. Die Auslastungdes Fuhrparks konnte von 46,9% auf86,7% verbessert werden, die Anzahl dernotwendigen Fahrten ließ sich mehr alshalbieren und die gefahrene Strecke konntedas System um 34% reduzieren. Dass dieTransportkosten nur um ca. 4% sanken,liegt an dem zugrunde liegenden Preis-modell, das weder die Auslastung der ein-gesetzten Fahrzeuge noch die Lange derFahrstrecke berucksichtigt. Gegenwartigexperimentiert man mit alternativen Tarif-modellen, mit denen sich die Einsparungengerechter auf Hersteller und Spediteureverteilen lassen („Gewinn-Opfer-Aus-gleich“).

Diese Ergebnisse zeigen die Vorteile einerSupply-Chain-orientierten Optimierung,die unabhangig von der Machtverteilung inder Kette eine generell optimale Losunganstrebt. Beim aktuellen Kalkulations-modell hatten die Verlader keinen Hand-lungsbedarf aus Kostengrunden identifizie-ren konnen. Die Optimierung amMarktplatz hat aber die Schwachen desverwendeten Kalkulationsmodells sowiedas Verbesserungspotenzial aufgezeigt undeine echte „Win-Win“-Situation geschaf-fen: Neben der gesicherten Termineinhal-tung und verbesserten Kundenzufrieden-heit profitieren auch die Verlader von derKostensenkung. Die Spediteure ihrerseitsnutzen die rechnergestutzte Tourenpla-nung, die verbesserte Auslastung ihresFuhrparks sowie die durchgangige Kom-munikation mit ihren Kunden. Die Ein-kaufer auf dem Marktplatz haben denVorteil einer besseren Dienstgute (Quality-of-Service) zu einem niedrigeren Preis.

5 Zusammenfassungund Ausblick

Logistische Probleme stehen oftmals einererfolgreichen E-Business-Strategie im We-ge und absorbieren manchmal sogar denMehrwert von Internet-basierten Losun-gen [Simo01]. Die Integration logistischer�berlegungen in Marktplatze fur Guter

verspricht aber erhebliche Vorteile undkann unter bestimmten Voraussetzungensogar weit mehr Nutzen stiften als dasublicherweise zuerst genannte Argumentfur „E-Procurement“, namlich die Redu-zierung der Transaktionskosten durch(teil)automatisierte Arbeitsablaufe. Die hiervorgestellte, in eine zentrale Transaktions-plattform eingebettete Logistik-Kompo-nente stellt einen Ausweg gerade fur jeneBranchen dar, die bisher große Schwie-rigkeiten mit der Versandlogistik (zum Bei-spiel aufgrund zu geringen Sendungs-aufkommens) hatten, und ermoglichtdurch ein ubergreifendes Planen dieAusnutzung von Bundelungs- und Skalen-effekten.

Der Erfolg der hier zur Diskussion gestell-ten Anwendungslosung hangt jedoch nichtnur von der Funktionalitat des Logistik-Moduls oder der ubrigen Marktplatz-Soft-ware ab, sondern auch von der organisato-rischen Umsetzung und der Akzeptanzaufseiten der Partner, die uber das Systemihre Geschafte abwickeln.

Hinsichtlich der aktuellen und kunftigenForschungsarbeiten sind drei Richtungenauszumachen: Erstens arbeiten die ecentaAG und FORWIN zur weiteren Verbes-serung der Logistik-Prozesse an der Ent-wicklung von feineren Verfahren, welchedie unternehmensubergreifende Koordina-tion von Produktions- und Versandtermi-nen zu verbessern helfen. Zweitens wirddas Logistik-Modul gegenwartig funktio-nal weiter ausgebaut und zum Beispiel umOnline-Funktionen zur Lagerverwaltungerganzt. Schließlich gilt es zu beobachten,ob sich die beachtlichen Nutzeffekte ausdiesem System uber einen langeren Zeit-raum hinweg auf demselben Niveau halten.

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Abstract

Transport planning based on B2B marketplaces – concept and practical example

The integration of logistic services into electronic marketplaces for goods leads to significantadvantages for all parties concerned. This paper illustrates a supplementary component forB2B marketplaces that intends to optimise the delivery processes. This component bundlesthe orders of neighboured purchasers and achieves considerable savings. Moreover, its useon a marketplace in the furniture industry demonstrates how small and medium sized enter-prises (SMEs) can benefit from intensifying their cooperation via an electronic marketplace.

Keywords: B2B, electronic marketplaces, logistics, SCM, vehicle routing problem

544 Habib Lejmi, Gerald Butterwegge