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Hafen und Stadt: Wie gehen Städte mit ihren Häfen um?

Hrsg.: Heike Flämig, Femke Grabbert, Nina Schulte

2010

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Band 5Harburger Berichte zur Verkehrsplanung und Logistik

Schriftenreihe des Instituts für Verkehrsplanung und LogistikTechnische Universität Hamburg-Harburgherausgegeben vonHeike Flämig und Carsten GertzMitherausgeber Femke Grabbert, Nina Schulte »Hafen und Stadt: Wie gehen Städte mit ihren Häfen um?«© 2010 der vorliegenden Ausgabe:Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG Münsterwww.mv-wissenschaft.com© 2010 Heike Flämig, Femke Grabbert, Nina SchulteAlle Rechte vorbehaltenSatz: Institut für Verkehrsplanung und LogistikUmschlag: Institut für Verkehrsplanung und LogistikDruck und Bindung: MV-Verlag

ISBN 978-3-86991-159-5

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Vorwort

Die gemeinsame Entwicklung von Stadt, Handel und Hafen hat eine lange Ge-schichte. Sie reicht bis ins frühe Mittelalter. Erst in den 1970er Jahren verloren Häfen für Stadt und Handel vorübergehend an Bedeutung. Das Brachfallen vieler innerstädtischer Hafenflächen führte zu einer starken Abwertung des positiven Images der Häfen als Bestandteil der städtischen Wirtschaft. Mit der Verlage-rung der verbleibenden Häfen vor die Tore der Stadt verschwanden Binnenhäfen schließlich nicht nur aus vielen Städten, sondern auch aus den Köpfen der Men-schen. Hafenflächen wurden zu Problemzonen, für die alternative Entwicklungs-möglichkeiten gesucht werden mussten.

Die damals begonnene Umnutzung hat mittlerweile eine Eigendynamik entwi-ckelt. Wasserlagen erfreuen sich größter Beliebtheit als Standorte für hochwer-tiges Wohnen, Freizeiteinrichtungen und als Dienstleistungsstandorte. Gleich-zeitig erlebten die Binnenhäfen mit dem dynamisch wachsenden globalen Warenverkehr eine Renaissance als Logistikstandorte. Allerdings erzeugt die erneute Nähe zwischen Hafen und Stadt keine Synergien, sondern ist von der Konkurrenz um die gleichen Flächen geprägt. Immer wieder kommt es zu Kon-flikten, die Planungen verzögern oder die zu suboptimalen Ergebnissen führen.

Mit diesem Spannungsfeld setzte sich die Fachtagung „Hafen und Stadt – Wie gehen Städte mit ihren Häfen um?“ auseinander, die am 25. Februar 2010 in Berlin stattgefunden hat. Die Veranstaltung wurde im Rahmen des Forschungs-projekts „Binnen_Land – Logistische Integration von Binnenschiff und Stadt-hafen“, das u.a. stadtplanerische Nutzungskonflikte untersucht, mit dem Ziel, die Voraussetzungen für eine (Re)Integration von Binnenhäfen in nachhaltige Transportketten zu schaffen.

Auf der Tagung diskutierten Vertreter von Kommunen und Häfen verschiedene Wege des Umgangs mit den bestehenden Konflikten und es zeigte sich, dass es keine einfachen Lösungen insbesondere für Flächennutzungskonflikte gibt. Es wird davon ausgegangen, dass die momentane wirtschaftliche Krise die Lage vorübergehend entspannt und so viele Maßnahmen begonnen werden könnten, die das Verhältnis von Stadt und Hafen verbessern können.

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Eines der wesentlichen Ergebnisse der Fachtagung ist eine zukünftig verbes-serte Kommunikation, denn sie kann Interessensunterschiede aufdecken, bevor sie sich zu Konflikten entwickeln und darüber hinaus gemeinsame Interessen zu Tage bringen. Die frühzeitige Einbindung aller Beteiligten sowie die Ent-wicklung einer geeigneten Kommunikationsstrategie sind daher von elementarer Bedeutung.

Die hohe Teilnehmerzahl und die positive Resonanz von Fachvertretern aus Wis-senschaft und Praxis sowie Akteure in den Kommunen und Häfen bewegten uns dazu, die Ergebnisse in dieser Form zu veröffentlichen. Der Sammelband enthält neben einer kurzen Beschreibung des Projektes „Binnen_Land“, die Beiträge der Vortragenden und Statements der Diskutanten. Wir würden uns freuen, wenn die hier vorliegenden Beiträge zu einem stärkeren Miteinander der Akteure aus der Hafen- und Stadtplanung aber auch der Verbände anregen könnte.

Prof. Dr. Ing. Heike Flämig, Femke Grabbert, Nina Schulte Institut für Verkehrsplanung und Logistik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg

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Grußwort

Die Hans-Böckler-Stiftung als Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes war einer der Förderer der Fachtagung „Hafen und Stadt – Wie gehen Städte mit ihren Häfen um?“. Zu den Zielen der Hans-Böckler-Stiftung gehört es, Dis-kussionen um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Deutschland anzu-stoßen und zu begleiten. Die Fragestellung der Tagung und des hier vorgelegten Tagungsbandes eignen sich dafür in hervorragender Weise.

Binnenhäfen stellen auf der einen Seite einen wichtigen Knotenpunkt in den Transport- und Logistikketten der einheimischen Wirtschaft dar. Sie dienen nicht nur dem Warenumschlag, sondern haben auch wichtige Funktionen hinsichtlich der Ansiedlung von Industrie- und Handelsunternehmen sowie bei der Ver- und Entsorgung.

Auf der anderen Seite entdecken Städte und Kommunen in den letzten Jahren verstärkt die Lagen an den Flüssen und sehen darin ein großes Potential, attrak-tive Wohn- und Freizeitmöglichkeiten zu schaffen. So entsteht nicht selten eine Konkurrenzsituation um Flächen an den Flüssen und deren Nutzung. Zurzeit besteht in einigen Kommunen und Städten die Gefahr, dass der Nutzen und die Funktion von Binnenhäfen dabei in den Hintergrund treten.

Es muss zukünftig gelingen, tragfähige Kompromisse für Binnenhäfen zu ent-wickeln. Eine positive Entwicklung des Wirtschaftsstandortes ist einerseits eine wichtige Voraussetzung für gute Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, an-dererseits müssen die Bedürfnisse der Menschen nach guten Wohn- und Freizeit-möglichkeiten ernst genommen werden. Der vorliegende Tagungsband nimmt sich dieses Problems an, indem er Konflikte um Binnenhäfen beschreibt und mögliche Lösungswege aufzeigt.

Ich wünsche allen eine interessante und erkenntnisreiche Lektüre.

Dr. Marc Schietinger, Hans-Böckler-Stiftung

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Binnen_Land: Das Projekt auf einen Blick

Hintergrund

Binnenhäfen sind logistische Knoten mit Verkehrsfunktion (Schnittstelle der Ver-kehrsträger), Produktionsfunktion (Standorte der Industrie) und Handelsfunkti-on. Sie waren traditionell das logistische Rückgrat binnenländischer Agglomera-tionen und bleiben weiterhin von Bedeutung für deren Ver- und Entsorgung. Im Rahmen der logistischen Modernisierung sind Hafen und Binnenschifffahrt ver-schiedenen Herausforderungen ausgesetzt, die sich als Risiken darstellen, unter bestimmten Bedingungen aber auch Chancen bedeuten können. Dies bezieht sich auf die Anforderungen der Transportmärkte bzw. die Leistungserstellung in der nassen Transportkette, aber auch auf die dazu erforderlichen Flächen und Infra-strukturen und damit verbundene Nutzungskonflikte (Binnen- bzw. Stadthafen).

Mit Blick auf den Verkehrsträger Binnenschifffahrt bzw. den Binnenhafen als Netzknoten ergeben sich Risiken vor allem durch: logistische Marktveränderun-gen vor dem Hintergrund von Deregulierung und Wettbewerb (Trend zur Größe, Skaleneffekte, Konzernstrategien), einen verschärften Wettbewerb auf Straße und Schiene, Konkurrenz von Bahn und Binnenschiff in gleichen Marktsegmenten (z. B. Massengut), Strukturanpassungs- und Wachstumsrestriktionen der Stadt-häfen durch Akzeptanzprobleme und Umnutzungsdruck („Urban Waterfront“) sowie durch Flächenengpässe. Zugleich sind aber auch Chancen zu sehen, die im Sinne einer intelligenten Weiterentwicklung von Logistik und Güterverkehr genutzt werden können. Dazu gehören die logistische Integration der Transport-kette, insbesondere aufgrund der Containerisierung sowie von Wachstumsrest-riktionen der Seehäfen, u. a. durch Flächenknappheit sowie Verkehrsengpässe im Hinterland, aber auch die Netzwerkbildung, z. B. von Terminalbetreibern, zur Umgehung der Engpässe an den großen Gateways.

Folgend ist die Aufwertung der Binnenschifffahrt im Rahmen einer intelligenten und nachhaltigen Organisation der Logistik politischer Konsens. Besondere He-rausforderungen und Risiken bestehen für die Binnenhäfen:

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Zum einen sind die Binnenhäfen in die modernen Logistik- und Transport- •ketten zu integrieren.

Zum anderen müssen die Häfen ihre Standortprobleme lösen, die durch •Flächenengpässe, Nachbarschaftsprobleme aufgrund von Lärm- und Emis-sionsbelastungen sowie durch Interessenskonflikte zwischen Stadt- und Hafenentwicklung generiert werden.

Ziel

Ziel des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projektes „Binnen_Land“ ist es, Binnenhäfen als integralen Bestandteil intelligenter Transportketten zukunftsfähig zu machen, indem die Binnenhäfen an die Anforderungen künfti-ger Transportmärkte bzw. einer intelligenten Leistungserstellung in der nassen Transportkette angepasst werden. Außerdem werden standortbezogene Strategi-en und Maßnahmen entwickelt und umgesetzt, mit denen die entsprechenden Standortprobleme und –restriktionen (etwa Lärmbelastungen, baulich bedingte Expansionsgrenzen) gelöst bzw. aufgehoben werden können.

Damit sollen die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und die logistische Ver-sorgung der Städte gesichert werden (Entlastung von Straße und Schiene, Hafenhinterlandanbindung).

Gleichzeitig ist die Belastung von Mensch und Umwelt durch ein erhöhtes Gü-terverkehrsaufkommen zu minimieren. Die daraus resultierende Rolle vorhande-ner Hafenstandorte muss in diesem Zusammenhang neu bewertet werden.

Durch die Optimierung der Schnittstellen über die gesamte Transportkette und über verschiedenen Akteursgruppen wird die Einbindung der Binnenschifffahrt in den Hafenhinterlandtransport vom Hamburger Hafen bis zu den Binnenhäfen als Hinterland-Hub optimiert und ausgebaut.

Forschungsverbund

In das Vorhaben sind u. a. sechs öffentliche Binnenhäfen, die durchweg kleine und mittlere Unternehmen sind, sowie die Deutsche Binnenreederei AG, die die bereits bestehenden Containerlinien „ECL 2000 (Elbe-Container-Linie)“ und

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NVD (Norddeutsche Verkehrsdienste) gemeinsam mit Binnenhäfen aufgebaut hat und betreibt, als Kooperationspartner eingebunden.

Die wissenschaftliche Projektleitung liegt bei der TUHH und die in den betei-ligten Binnenhäfen identifizierten Potenziale und umgesetzten Strategien wer-den über den Kooperationspartner Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen e.V. (BÖB ) einer breiten Öffentlichkeit kommuniziert.

Projektpartner:

TU Hamburg-Harburg - Logistik, Transportketten, Verkehrsplanung •Freie Universität Berlin - Stadtforschung •Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen e.V. •Hafen Hamburg Marketing e.V. •Deutsche Binnenreederei AG •Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH •IXMODAL Gesellschaft für Intermodale Logistik mbH •Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH •Assoziierte Partner • :

Hafen Lüneburg •Mindener Hafen GmbH •Hafenbetriebsgesellschaft Braunschweig mbH •Neuss Düsseldorfer Häfen •

Zwei Handlungsstränge werden verfolgt:

Entwicklung von Maßnahmen zur logistischen Optimierung von Transportketten. Ziel ist es, die Effizienz in der Transportkette zu steigern (Verkehrsvermeidung) und Straßengüterverkehr auf das Binnenschiff bzw. die Bahn zu verlagern (Ver-kehrsverlagerung). Dafür sollen die Schnittstelle Seeschiff-Binnenschiff verbes-sert und Liniendienste für containerisiertes Massengut eingerichtet werden.

Entwicklung, Erprobung und Bewertung von Maßnahmen zur Standortsicherung und -entwicklung von Stadthäfen. Ziel ist es, die örtlichen Nutzungskonflikte, damit die binnenländischen (oft trimodalen) logistischen Knoten in die Lage ver-setzt werden, ihren Beitrag zu einem nachhaltigen Güterverkehr zu leisten.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort .................................................................................................3

Grußwort ..............................................................................................5

Binnen_Land: Das Projekt auf einen Blick .................................................7

1 Die StäDte unD ihr Güterverkehr – Die PoSition DeS DeutSchen StäDtetaGeS ......................................................................... 15 Folkert Kiepe

1.1 Ausgangslage .....................................................................15

1.2 Städtebauliches Leitbild des Deutschen Städtetages ................16

1.3 Handlungsmöglichkeiten der Städte zur Steuerung des Güterverkehrs ....................................................................16

1.4 Handlungsmöglichkeiten des Transportgewerbes und der Industrie ......................................................................17

1.5 Maßnahmen von Bund und Ländern zur Steuerung des Güterverkehrs .....................................................................18

1.6 Nationales Binnenschifffahrts- und Hafenkonzept ..................20

1.7 Fazit .................................................................................24

2 StaDt-hafen-LoGiStik ........................................................... 26 Heike Flämig

2.1 Einleitung ...........................................................................26

2.2 Historische Entwicklung von Binnenhäfen ..............................27

2.3 Fehlende Wahrnehmung der städtischen Funktion der Häfen ..29

2.4 Hafenentwicklung als Stadtentwicklung begreifen ..................35

2.5 Quellen .............................................................................36

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3 Die Zukunft Der Binnenhäfen – DaS SyStem WaSSerStraSSe GeStern – heute – morGen ...................................................... 37 Rainer Schäfer

3.1 Wirtschaftlicher Rahmen ......................................................37

3.2 Die Position der Binnenhäfen ...............................................40

3.3 Ökologische Nachhaltigkeit ................................................43

3.4 Ökonomische Nachhaltigkeit ...............................................44

3.5 Soziale Nachhaltigkeit .........................................................47

3.6 Fazit .................................................................................48

4 Der Binnenhafen aLS GeWerBeStanDort: arBeitSmarkt vS. StaDtverträGLichkeit? ........................................................... 49 Markus Hesse

4.1 Agenda und These .............................................................49

4.2 Städte im Strukturwandel .....................................................50

4.3 Arbeitsmarktfaktor Binnenhafen ...........................................51

4.4 Drei Schlussfolgerungen ......................................................54

4.5 Quellen .............................................................................56

5 LoGiStikhuB vS. DenkmaLSchutZ .............................................. 57 Peter Stäblein

5.1 Kooperation statt Konfrontation ............................................57

5.2 Denkmalpflegeplan .............................................................60

6 PerSPektive hafen DüSSeLDorf – ZWiSchen WirtSchaftShafen unD meDienhafen ................................................................. 63 Michael Happe

6.1 Ziel der Untersuchung .........................................................63

6.2 Ausgangslage .....................................................................64

6.3 Wirtschaftliche Bedeutung des Hafens ..................................65

6.4 Stärken und Schwächen des Standortes ................................65

6.5 Szenarien zur Entwicklung des Düsseldorfer Haupthafens ......68

6.6 Bewertung der Szenarien: Beispiel Szenario 3b ......................70

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6.7 Zusammenfassende Einschätzung der Gutachter ...................71

6.8 Der weitere Fortgang ..........................................................72

7 SynerGien ZWiSchen StaDt unD hafen ...................................... 74 Hans-Peter Hadorn, Sabine Villabruna-Behring

7.1 Schweizerische Rheinhäfen im Dreiländereck .........................74

7.2 Raus aus der Sackgasse ......................................................76

7.3 Städteplanerische Projekte im Hafenbereich ..........................78

7.4 „Hafenquartier Kleinhüningen“ .............................................80

8 hafen unD StaDt. Zehn theSen Zur roLLe Der Binnenhäfen aLS BeStanDteiLe DeS LoGiStikSyStemS ........................................ 81 Björn Pistol

8.1 Einleitung ...........................................................................81

8.2 Zehn Thesen zur Rolle der Binnenhäfen als Bestandteile des Logistiksystems ..............................................................82

8.3 Fazit ..................................................................................97

8.4 Quellen .............................................................................99

9 hafen unD StaDt – ein neueS aLteS SPannunGSfeLD Der StaDtentWickLunG .............................................................. 100 Christa Reicher

9.1 Von der Industrie- zur Wissensgesellschaft ...........................100

9.2 Hafen- und Logistikareale als Stadtbausteine ......................102

9.3 Vielfalt durch Toleranz .......................................................104

9.4 Quellen ...........................................................................105

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Historische Entwicklungen von Hafen und Binnenschifffahrt 27Abbildung 2: Containerumschlag im Westhafen Berlin 31Abbildung 3: Lage des Berliner Westhafens im Stadtgebiet 32Abbildung 4: Flächennutzung am Berliner Westhafen 33Abbildung 5: Städte im Strukturwandel - Düsseldorf 1961-2005 50Abbildung 6: Hafenwirtschaft vs. Medienhafen - Arbeitsplätze im Vergleich 53Abbildung 7: Lagerhalle II, Montage von Ford-Automobilen (1927-1931) 57Abbildung 8: Der Westhafen um 1930, Becken II 58Abbildung 9: Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek im alten Getreidespeicher 58Abbildung 10: Umbau einer Lagerhalle in Büroräume 59Abbildung 11: Umbau einer Lagerhalle zum Büroloft 60Abbildung 12: Denkmalpflegeplan 62Abbildung 13: Perspektiven für den Düsseldorfer Hafen – Szenario 3b 68Abbildung 14: Entwicklungsphasen 73Abbildung 15: Hafenteil Kleinhüningen 75Abbildung 16: Hafenteil Birsfeld 75Abbildung 17: Hafenteil Muttenz-Au 76Abbildung 18: Bestand 2006 „Novartis Campus“ mit dem Hafen St. Johann 79Abbildung 19: Projekt Rheinuferpromenade 80Abbildung 20: Güterbeförderung in Deutschland Schiene, Straße, Wasserstraße

2000-2008 84Abbildung 21: Güterbeförderung nach Wasserstraßengebieten/-abschnitten 2009 85Abbildung 22: Deutsche Top-10-Binnenhäfen 2009 86Abbildung 23: Schematische Darstellung des Inland Terminal Konzeptes 90Abbildung 24: Betriebswirtschaftliche Transportkosten der Verkehrsträger auf

ausgewählten Massengutrelationen 92Abbildung 25: Betriebswirtschaftliche Transportkosten der Verkehrsträger auf

ausgewählten Containerrelationen 93

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beschäftigungseffekte der NDH 52Tabelle 2: TOP-10-Staaten im International LPI ranking 2010 83

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1 Die Städte und ihr Güterverkehr – Die Position des Deutschen Städtetages 15

Die Städte und ihr Güterverkehr – 1Die Position des Deutschen Städtetages

Folkert Kiepe, Beigeordneter des Deutschen Städtetages, Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr

Ausgangslage1.1

Der Binnenmarkt der Europäischen Union, die deutsche Vereinigung und die Öff-nung Osteuropas haben den Güterverkehr in den letzten Jahren drastisch wach-sen lassen. Nach den Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich der Straßengüterverkehr in der Bundesrepublik Deutschland von 1990 bis heute verdoppelt. Während im Jahre 1970 nur 26 Prozent des gesamten Güterfernverkehrs über die Straße abgewickelt wurde, stieg dieser Anteil schon bis zum Jahr 1994 auf 53 Prozent an und erreichte im Jahr 2008 einen Anteil von 64 Prozent, während die Schiene bei knapp 21 Prozent und die Binnenschifffahrt bei 12,5 Prozent lagen. Noch erschreckender sind die Prognosen hinsichtlich des Straßengüterverkehrs: Sowohl das Güterverkehrsaufkommen (in Millionen Ton-nen) als auch die Güterverkehrsleistung (in Milliarden Tonnenkilometer) werden noch deutlich anwachsen, und zwar letztere von jetzt rund 480 Milliarden Ton-nenkilometer auf ca. 600 Milliarden Tonnenkilometer im Jahr 2020 und ca. 880 Milliarden Tonnenkilometer im Jahr 2050.

Die damit verbundene weitere Verlagerung des Güterfernverkehrs von den um-weltfreundlichen Verkehrsträgern Bahn und Schiff auf die Straße hat auch für die Städte Konsequenzen, da sie Quelle und Ziel dieser Verkehre sind. Für die Städte ist auch die Tatsache wichtig, dass im Güternahverkehr (also bis 50 km), in dem fast 80 Prozent der gesamten Warenmenge transportiert werden, praktisch aus-schließlich Lkw eingesetzt werden. Daraus folgen zunehmende Belastungen für unsere Städte, denn der Lkw verursacht Lärm, Luftschadstoffe, Unfälle, Flächen-verbrauch und hohe Straßenunterhaltungskosten. Aus kommunaler Sicht kommt es deshalb darauf an, in den nächsten Jahren den Trend zur Straße zu bremsen und größere Güterpotentiale - jedenfalls des Zuwachses - auf die umweltfreund-

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lichen Verkehrsträger Bahn und Schiff zu lenken. Der nicht verlagerbare Lkw-Verkehr muss stadtverträglich organisiert werden.

Städtebauliches Leitbild des Deutschen Städtetages1.2

Städtebauliches Leitbild des Deutschen Städtetages ist die kompakte Stadt mit hoher Dichte und Nutzungsmischung. Ziel ist einerseits die Überwindung der bisher sehr starken räumlichen Trennung der Funktionen Wohnen, Versorgen und Arbeiten, um den Verkehrsaufwand zu begrenzen und andererseits eine bessere Verknüpfung der Verkehrswege von Fußgängern, Radfahrern, Bahnnutzern und Autofahrern (Pkw und Lkw).

Um die angesprochenen Probleme im Güterverkehr zu bewältigen, haben die Städte bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Erfolg werden diese Maßnahmen jedoch nur haben, wenn Bund, Länder und zunehmend auch die Europäische Union die rechtlichen und planerischen Rahmenbedingungen zu-gunsten des Leitbilds der kompakten Stadt mit Nutzungsmischung und einer ökologisch orientierten Güterverkehrspolitik verbessern. Dazu muss auch die Industrie ihren Beitrag im Wirtschaftsverkehr leisten. Nur wenn alle vom Gü-terverkehr Betroffenen und alle beteiligten Akteure in Wirtschaft und Handel zusammenwirken, werden die prognostizierten zusätzlichen Verkehrsmengen bewältigt werden können.

Handlungsmöglichkeiten der Städte zur Steuerung 1.3des Güterverkehrs

Eine integrierte Städtebau- und Verkehrsplanung muss vor allem folgendes an-streben: Die Bündelung der Güterverkehrsströme, die intelligente Kombination der Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasser und Luft, die Förderung der umwelt-freundlichen, stadtverträglichen Verkehrsträger Schiene und Wasserweg. Dazu arbeiten unsere Mitgliedstädte vor allem mit folgenden Instrumenten:

Lkw-Führungskonzepte • in den Städten können dazu beitragen, den Lkw-Verkehr über bestimmte Strecken zu lenken und aus Gebieten mit starker

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Wohnbevölkerung herauszuhalten. Die Festlegung von Güterverkehr-Vor-rangnetzen durch die Städte muss auch die Binnenhäfen einbeziehen und den Gefahrgutverkehr berücksichtigen.

City-Logistik-Konzepte • , die von den Städten gemeinsam mit den Um-landgemeinden und den betroffenen Unternehmen unter Einbindung von Bahn und Binnenhäfen zu erarbeiten sind, tragen zu einer verbesserten Or-ganisation des Güterverkehrs bei, indem sie durch eine erhöhte Auslastung der Fahrzeuge die Anzahl der Fahrten gerade in den Städten reduzieren.

Güterverkehrszentren • können ein geeignetes Mittel sein, um den Güter-verkehr von der Straße auf die Schiene oder das Schiff zu verlagern. Gü-terverkehrszentren sind größere Transportgewerbegebiete mit Infrastruk-tureinrichtungen für den kombinierten Verkehr, die es den Unternehmen des Verkehrssektors, Speditionen, Lagerhaltern und den Nebenbetrieben ermöglichen, in enger räumlicher Zuordnung zusammenzuarbeiten.

Güterverkehrszentren • müssen durch regionale Güterverteilzentren er-gänzt werden. In diesen Umschlagknotenpunkten zwischen Fern- und Nahverkehr werden die Sendungen verschiedener Lieferanten zusammen-geführt und an Großkunden oder Einzelhandelsgeschäfte in den Städten ausgeliefert.

Handlungsmöglichkeiten des Transportgewerbes 1.4und der Industrie

Durch strategische Allianzen zwischen privaten oder kommunalen Güterbahnge-sellschaften und der DB AG auf örtlicher und regionaler Ebene kann die Markt-fähigkeit der Schiene erheblich gesteigert werden. In solche Kooperationen sollten die Häfen einbezogen werden. Hauptziele der Zusammenarbeit könnten sein:

Optimierung vorhandener Schnittstellen, •Entwicklung attraktiver Logistikangebote und •eine bessere Ausnutzung der Ressourcen der beteiligten Betriebe. •

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Das Transportgewerbe und die transportierende Industrie sollten sich stärker als bisher für die Entwicklung von umweltfreundlichen Techniken im Güterverkehr insbesondere bei den Lkw einsetzen. Ziel muss sein, ein abgas- und lärmarmes, stadtverträgliches Güterfahrzeug und ein ebensolches Binnenschiff.

Maßnahmen von Bund und Ländern zur Steuerung 1.5des Güterverkehrs

Förderung von Bahn und Binnenschifffahrt

Der Bund sollte im Rahmen seiner Infrastrukturplanungen den prognostizierten Zuwachs im Güterverkehr zu einem möglichst hohen Anteil auf die Verkehrsträ-ger Bahn und Binnenschiff lenken. Die bisherigen hohen Güterverkehrsanteile des Lkw sollten nicht weiter wachsen; sie sollten deshalb auf dem bisherigen Status Quo begrenzt bleiben.

Keine Erhöhung der Lkw-Gesamtgewichte und -abmessungen

Um dieses Ziel zu unterstützen, sollte die Bundesregierung Bestrebungen von Teilen des Güterverkehrsgewerbes entgegentreten, das zulässige Gesamtgewicht der Lkw zu erhöhen bzw. die Maße (Länge und Breite) der Lkw zu vergrößern. Eine Erhöhung des bisherigen zulässigen Gesamtgewichts bei Lkw über die 40-t-Grenze hinaus wird die Unterhaltungs- und Erneuerungslasten der Straßenbau-lastträger insbesondere der Städte dramatisch erhöhen. Die Zulassung sogenann-ter Gigaliner führte nicht nur zu Sicherheitsproblemen im Stadtverkehr, sondern würde auch die angestrebte Stärkung der umweltverträglichen Verkehrsträger Bahn und Schiff verhindern.

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1 Die Städte und ihr Güterverkehr – Die Position des Deutschen Städtetages 19

Absenkung der Grenzwerte für Schadstoffausstoß und Lärm

Analog zu den Bemühungen um die Einführung von verbrauchsarmen Personen-kraftwagen sollte auch der durchschnittliche Flottenverbrauch im Güterverkehr gesenkt werden. Um der Fahrzeugindustrie eine Umstellung auf die neue Pro-duktion zu erleichtern, sollten deshalb Bund und Länder – möglichst EU-weit abgestimmt – eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs um 25 Prozent bis zum Jahre 2015 und um weitere 25 Prozent bis zum Jahre 2020 festschreiben.

Förderung von abgas- und lärmarmen Fahrzeugen

Um einen Anreiz zur Umrüstung der Nutzfahrzeugflotte zu bieten, sollten lärm- und abgasarme Lkw steuerlich stärker gefördert werden. Die Fahrzeuge, die die europaweit geltenden schärferen Lärmgrenzwerte und Abgasgrenzwerte nicht erreichen, sollten entsprechend höher besteuert werden.

Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßenklassen

Die bereits geltende Autobahnbenutzungsgebühr für schwere Lastkraftwagen begünstigt eine Verdrängung des Schwerlastverkehrs von den Bundesfern- auf die Landes- und Kommunalstraßen. Der DST fordert deshalb bereits seit Jahren, die Straßenbenutzungsgebühr auf alle Straßen auszudehnen. Zum einen würde damit der sogenannte Verdrängungseffekt auf Landes- und Kommunalstraßen beseitigt; zum anderen würden dann Lkw-Verkehre der Bahn endlich gleichge-stellt, die ihrerseits seit Jahren Trassenpreise zahlen muss. Schließlich würden die durch das ständig wachsende Verkehrsaufkommen im kommunalen Straßennetz entstehenden zusätzlichen Belastungen der kommunalen Straßenbaulastträger durch eine Beteiligung an dieser Straßenbenutzungsgebühr ausgeglichen. Jeder Straßenbaulastträger sollte entsprechend den Fahrleistungen und den Belastun-gen seines Straßennetzes einen Teil des Lkw-Mautaufkommens erhalten – der Bund für die Bundesstraßen, die Länder für die Landesstraßen, die Kommunen für die Kommunalstraßen. Mit diesen Mitteln könnte die Verkehrsinfrastruktur für einen integrierten Güterverkehr finanziert werden.

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Ergänzung von Bundesverkehrswegeplan und Fachplanung der Länder um ein abgestimmtes Güterverkehrskonzept aller Verkehrsträger

Der Bundesverkehrswegeplan und die Fachplanungen der Länder sollten um ein abgestimmtes und integriertes Güterverkehrskonzept der Verkehrsträger Straße, Bahn, Binnenschiff und Flughäfen ergänzt werden. Die bisher fachlich sektoral nebeneinander und zwischen den Verwaltungsebenen Bund, Ländern, Gemein-den nicht integrierten Verkehrsplanungskonzepte entsprechen nicht dem Ziel, den in den nächsten Jahren deutlich wachsenden Güterverkehr umweltgerecht und stadtverträglich zu organisieren. In einem integrierten Gesamtverkehrs-konzept für den Güterverkehr, das außerdem in die Planungen der EU für die transeuropäischen Netze und den Aktionsplan Güterverkehrslogistik eingebun-den werden muss, sollte die umweltfreundliche Binnenschifffahrt einen deutlich höheren Stellenwert erhalten.

Nationales Binnenschifffahrts- und Hafenkonzept 1.6

Der Deutsche Städtetag begrüßt grundsätzlich das Nationale Hafenkonzept, im Rahmen des „Masterplan für Güterverkehr und Logistik“, das die Bedeutung und Funktion nicht nur der Seehäfen, sondern explizit auch der Binnenhäfen so-wie generell der Hinterlandanbindung für die deutsche Wirtschaft analysiert und daraus Schlussfolgerungen für ein abgestimmtes Tätigwerden aller zuständigen Akteure ableitet.

Damit wird die herausragende Bedeutung der deutschen See- und Binnenhäfen für die gesamte Volkswirtschaft gewürdigt und dem enormen Umschlagwachs-tum in den Häfen Rechnung getragen. Der Deutsche Städtetag stimmt mit der Bundesregierung darin überein, dass ein nationales Hafenkonzept angesichts des prognostizierten massiven Güterverkehrswachstums dringend erforderlich war, um zumindest einen Teil der Transportvolumina von der Straße auf Schiene und Binnenwasserstraßen zu verlagern. Dazu ist aus Sicht des Deutschen Städtetages allerdings folgendes zu berücksichtigen:

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1 Die Städte und ihr Güterverkehr – Die Position des Deutschen Städtetages 21

Da bei einer prognostizierten Vervierfachung des Containerverkehrs bis zum Jahr 2025 künftig mit Engpässen bei der Güterabfertigung gerechnet werden muss, ist das im Masterplan beschriebene Ziel zu begrüßen, die Akzeptanz des Systems Wasserstraße generell zu fördern und es in den Fokus der Infrastrukturförderung zu stellen. Nicht zuletzt auch aus Gründen des Umwelt- und insbesondere des Klimaschutzes ist eine Entlastung des Verkehrsträgers Straße zugunsten der um-weltfreundlichen Verkehrsträger Schiff und Schiene erforderlich. Im Nationalen Hafenkonzept sind für die Sicherstellung und den Ausbau der Wasserwege kon-krete Maßnahmen genannt und entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt worden.

Die Wettbewerbsstärke eines Hafens hängt wesentlich von der Qualität und Leis-tungsfähigkeit seiner Hinterlandanbindung ab. In diesem Zusammenhang sollte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung seinen Einfluss auf die Deutsche Bahn geltend machen, um einen weiteren Rückzug des Unter-nehmens bei infrastruktureller Erschließung und Anbindung städtischer Binnen-häfen zu stoppen.

Zum Verhältnis von Hafen- und Stadtentwicklung hat der Deutsche Städtetag be-reits im Jahr 2006 ausführlich Stellung bezogen. Aus Sicht des Städtetages müs-sen zwischen Hafen- und Stadtentwicklung keine Gegensätze bestehen. Zwar ist zunächst festzustellen, dass es insbesondere bei integrierten Standorten aufgrund der in Städten nur begrenzt verfügbaren Flächen kaum Erweiterungsmöglich-keiten für Hafenbetriebe gibt. Bei Standortverlagerungen stehen daher neue Standorte im zunehmenden Maße in Konkurrenz zu anderen Nutzungsansprü-chen, z. B. aus den Bereichen Dienstleistung, Freizeit oder Wohnen am Wasser. Deshalb müssen die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten und ihre wirtschaft-lichen Effekte sowie die ökologischen und verkehrspolitischen Konsequenzen auf das Gesamtsystem Stadt im konkreten Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Eine solche Abwägung können nach Auffassung des Präsidiums des Deutschen Städtetages nur die betroffenen Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer planungsrechtlichen Kompetenzen vornehmen (Präsidiumsbeschluss vom 03.02.2009).

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Zum Argumentationspapier des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen e.V. vom August 2006 hat der Deutsche Städtetag wie folgt Stellung genommen:

„Binnenhäfen als Basis einer nachhaltigen Entwicklung“:

Die im Votum enthaltene Aussage, dass Binnenhäfen als Standorte wirtschaftli-cher Aktivitäten gestärkt werden müssen und hierzu eine Änderung der Stand-orttrends der vergangenen Jahrzehnte erforderlich sei, ist in dieser Allgemeinheit sicherlich richtig, geht am Kern des Problems unseres Erachtens jedoch ein we-nig vorbei. Gerade in den letzten Jahren lässt sich in vielen Städten eine Ände-rung von Stadtentwicklungskonzepten im Hinblick auf die Rückkehr ans Wasser beobachten bzw. ist dieses geplant (Frankfurt, Halle, Mülheim a.d.R., Saarbrü-cken). Zugegebenermaßen steht dabei die Nutzung als Wohn-, Dienstleistungs- oder Freizeitstandort im Vordergrund; aber auch hiervon gehen wirtschaftliche Impulse für den Standort Stadt aus (Medienhafen in Düsseldorf). Deshalb sollte unseres Erachtens eher darauf geachtet werden, dass die Rückkehr ans Wasser auch unter dem Aspekt der Eignung als Gewerbestandort gesehen wird. Im kon-kreten Einzelfall müssen dann die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten und ihre wirtschaftlichen Effekte bzw. sonstigen Auswirkungen auf das Gesamtsys-tem Stadt gegeneinander in einem Meinungsfindungs- und Entscheidungspro-zess abgewogen werden.

Die Einbeziehung von Hafenentwicklungsprojekten in die Städtebauförderung erscheint angesichts des ohnehin sehr begrenzten Mittelvolumens generell nicht sinnvoll, zumal dann eine Neuausrichtung der Förderschwerpunkte erforderlich wäre. Denkbar ist aber, dass z. B. im Rahmen von Stadtumbaumaßnahmen, die aus Städtebaufördermitteln finanziert werden, Hafenentwicklungsmaßnahmen bezuschusst werden können. Einen unseres Erachtens erfolgversprechenderen Weg könnte die im Zuge der Föderalismusreform auf die Länder verlagerte Ge-meindeverkehrsfinanzierung eröffnen. Da diese bis auf das sogenannte Bundes-programm – nunmehr vollständig in die Hände der Länder gelegt wurde, könnte die Hafenentwicklung gegebenenfalls im Rahmen der Förderung des Gemeinde-verkehrs finanziell durch die Länder unterstützt werden. Ob hierfür gesetzliche Regelungen der Länder erforderlich sind, müsste im Finanzierungsarbeitskreis des gemeinsamen Ausschusses von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenver-bänden zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden ausführlich diskutiert werden.

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„Binnenhäfen gewährleisten Schienenverkehrsdienstleistungen bis ins Zentrum der Städte“:

Der Deutsche Städtetag misst der Schiene als Verkehrsträger gerade auch im Güterverkehr eine hohe Bedeutung zu. Bereits im Jahre 2001 hat die Hauptge-schäftsstelle daher eine Arbeitshilfe „Gleisanschlüsse in den Städten“ erstellt und war aktiv am Zustandekommen der Gleisanschlussförderrichtlinie des Bundes beteiligt. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich die Aussage, dass Binnenhäfen auch Teil des Systems Schienenverkehr/Eisenbahn sind. Richti-gerweise werden daher in dem Argumentationspapier die kontraproduktiven Auswirkungen des Konzepts MORA C der Deutschen Bahn AG auf das Schie-nenverkehrsangebot thematisiert. In diesem Zusammenhang teilen wir allerdings nicht die Einschätzung des Bundesverbandes öffentlicher Binnenhäfen e.V., dass die Städte durch die Entwicklung ihrer Binnenhäfen die negativen Auswirkun-gen von MORA C zu einem großen Teil kompensieren können. Aufgrund der im Rahmen von MORA C erfolgten drastischen Reduzierung von Gleisanschluss-stellen können vielmehr viele schienenaffine Unternehmen nicht mehr auf der Schiene angeliefert werden. Selbst wenn innerhalb der Städte Anschlussstrecken zur Verfügung stehen, so bedeutet das noch lange nicht, dass hiermit ein durch-gehender Schienengüterverkehr sichergestellt werden kann, wenn seitens der DB Netz AG die entsprechende Anschlussweiche abgebaut worden ist, nachdem DB Cargo/Railion ihren Betrieb eingestellt und sich kein anderes Unternehmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs gefunden hat.

Wir begrüßen daher die Bestrebungen der Binnenhäfen, über eigene NE-Bah-nen möglichst viele der von DB Cargo/Railion eingestellten Betriebsleistungen wieder aufzunehmen. Dies ist die Grundvoraussetzung für den Erhalt der vor-handenen Gleisanlagen, auf denen dann auch die Binnenhäfen beliefert werden können.

„Pro Binnenhafen – Standorte für Investoren sichern“:

Es ist dem Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen zuzustimmen, dass die Stär-kung des Binnenschiffverkehrs zu einer Verbesserung der verkehrlichen Um-weltbilanz führen kann, insofern hierdurch andere, weniger umweltfreundliche Verkehrsträger (insbesondere Lkw) substituiert werden. Dieser Zusammenhang lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf Hafenanlagen übertragen, zumindest dann nicht, wenn diese vornehmlich über die Straße angebunden werden. In die-

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sem Falle produzieren die Hafenanlagen verkehrsbedingte Luftschadstoff- und Lärmemissionen und dürften daher kaum auf Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen. Umso wichtiger ist es daher aus unserer Sicht, dass die Häfen keine zu-sätzlichen Lkw-Verkehre generieren, sondern vielmehr durch die Verknüpfung mit der Schiene zu einer Entlastung der kommunalen Straßen beitragen. Nur dann können die Binnenhäfen positive verkehrs- und umweltpolitische Effekte erzielen als Voraussetzung für eine öffentliche Unterstützung von Erweiterungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen.

Ausdrücklich begrüßen wir die Forderung des Bundesverbandes öffentlicher Binnenhäfen, die interkommunale Zusammenarbeit auf der Ebene von Stadt-regionen zu stärken. Dies ist wiederum eine Voraussetzung für eine arbeitstei-lige Standortwahl von Industrieanlagen, wodurch auch die damit verbundenen verkehrs- und umweltpolitischen Auswirkungen nach raumordnungspolitischen Gesichtspunkten besser verteilt werden können. In diesem Kontext ließe sich sicherlich auch die Entwicklung der Binnenhäfen besser vorantreiben.

Der notwendige Ausbau vieler Hafenstandorte in Deutschland ist ebenso wie die Herstellung der begleitenden Infrastruktur zuallererst eine investive Aufgabe des Bundes. Kommunen, die (teilweise) in Eigenregie Hafenbetriebe unterhalten und damit erhebliche, überregional wirksame Beiträge zur Stärkung von Wirt-schaftskraft und Umweltschutz leisten, können die erforderlichen Anpassungen der Hafen(affinen)infrastruktur nicht leisten. Das Nationale Hafenkonzept muss deshalb konkrete Aussagen zu den rechtlichen Vorgaben und finanziellen Förder-möglichkeiten des Systems Wasserstraße treffen.

Fazit 1.7

Der neue Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sollte die Chance, die der Beginn dieser neuen Legislaturperiode bietet, nutzen, um die Güterverkehrspolitik zukunftsfähig auszurichten. Dabei stehen aus der Sicht des Deutschen Städtetages drei Aspekte im Vordergrund:

Angesichts der Wachstumsprognosen im Güterverkehr einerseits und der •knappen öffentlichen Finanzmittel andererseits müssen die vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen von Straßen, Bahn, Binnenschiff und Flughäfen in einem abgestimmten, integrierten Güterverkehrskonzept zusammengeführt

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werden; dieses ist den künftigen Planungen von Bund, Ländern und kom-munalen Gebietskörperschaften zugrundezulegen.

In diesem Gesamtkonzept müssen sowohl aus ökonomischen wie ökolo- •gischen Gründen die Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff eine deutlich stärkere Rolle erhalten, um einen möglichst großen Anteil der prognosti-zierten Zuwächse im Güterverkehr aufnehmen zu können.

Die Finanzierungsinstrumente für die Verkehrsinfrastruktur müssen auf •diese Ziele ausgerichtet und neu justiert werden. Dazu wird angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte eine stärkere Finanzierungsbeteiligung der Nutzer des Güterverkehrs unumgänglich sein.

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Stadt-Hafen-Logistik2

Prof. Dr.-Ing. Heike Flämig, Technische Universität Hamburg-Harburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik

Einleitung2.1

Bis vor wenigen Jahren waren die Binnenhäfen als logistische Knoten nahezu aus dem öffentlichen und örtlichen Bewusstsein verschwunden. Fast überall wurde die Diskussion um Revitalisierung und Stadtentwicklung bestimmt durch eine Negierung aber zumindest Minderschätzung der wichtigen Ver- und Entsor-gungsfunktion, die Binnenhäfen für ihre Kommunen bzw. Regionen übernehmen bzw. übernehmen können.

Dies änderte sich als die Seehäfen und die landseitige Infrastruktur an die Gren-zen ihrer Leistungsfähigkeit stießen. Bundespolitisch wurde darauf kurzfristig mit der Definition der Maßnahme A 7 im Masterplan Güterverkehr und Logistik (Stand 09/2008) reagiert, ein nationales Hafenkonzept zu erstellen. Dies wurde im Juni 2009 vorgelegt. Was jedoch noch nicht stattgefunden hat, ist die Be-wusstseinsänderung oder zumindest die -erweiterung an den Standorten der Binnenhäfen selbst. Weder die lokalen Politiker und Planungsinstanzen noch die meist öffentlichen Eigentümer haben strategische Überlegungen angestellt, geschweige denn umgesetzt.

Dabei zeigt ein Blick auf die historische Entwicklung der Städte, dass Binnen-häfen prädestiniert sind, die logistische Ver- und Entsorgung der städtischen Gebiete zu übernehmen. Binnenhäfen sind traditionell logistische Knoten mit Produktionsfunktion (Standorte der Industrie), Handelsfunktion und Verkehrs-funktion, die häufig über eine bi- oder trimodale Erschließung verfügen. Sie sind meist zentral und in kurzer Entfernung zu den Ver- und Entsorgungsschwerpunk-ten einer Region gelegen. Die Stadthäfen bieten damit wichtige innerstädtische Flächenreserven für Industrie und Gewerbe, die bereits durch störungsintensive Nutzungen erprobt sind und fast nie an anderer Stelle im Stadtgebiet neu ange-siedelt werden können.

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Historische Entwicklung von Binnenhäfen2.2

Schon im Weströmischen Kaisertum beginnen sich Binnenhafen als Ankerplatz für die römische Kriegsflotte sowie für Handelsschiffe aus Großbritannien und Spanien zu entwickeln (vgl. Abbildung 1). Wasserstraßen waren meist aufgrund von Kriegszerstörungen der landseitigen Verkehrswege häufig die einzigen funktionsfähigen Verkehrswege. Ihre Bedeutung stieg im 12. bis 14. Jahrhun-dert durch die Zunahme der Errichtung von Zollstätten, der restriktiven Vergabe von Stapelrechten und den Umladezwang. Das löste zwar vielfach Machtkämpfe zwischen den Hafenstädten aus. Mit einem Teil der erhobenen Zolleinnahmen konnten aber auf diese Weise Verbesserungen an der Wasserstraßeninfrastruktur sowie an den Hafen- und Umschlagsanlagen vorgenommen werden.

Historische Entwicklung von Hafen und BinnenschifffahrtAbbildung 1:

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Nagel 1938

Der erste Zusammenschluss norddeutscher Kaufleute als reines Handelsbündnis legte den Grundstein für die Hanse. Sie wurde gegründet, um die Kaufleute zu schützen und den Handel zu erweitern. Bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts erfolgte die Umwandlung in eine Städtegemeinschaft von rund 200 See- und Binnenstädten. Stadt und Hafen waren eng miteinander verknüpft, wie ein Zitat aus einer Urkunde aus dem Jahr 1475 für Neuss zeigt: Aufgrund des veränderten

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Stromlaufs wurde der Bau von Regulierungs- und Kanalbauten vorgenommen, um „den ihr entlaufenden Rhein wieder an die Stadt zu bringen“ (Nagel 1938, S. 21).

Mit der Versicherung der Freiheit des Rheinstromes in den Akten des Wiener Kongresses aus dem Jahr 1815 und der Beseitigung von Stapelrechten mit der Elbschifffahrtsakte aus dem Jahr 1821 veränderten sich die Grundlagen für das Wachstum der Binnenhäfen: Das „künstliche“ Brechen von Transporten war nicht mehr gegeben. Zudem führten technologische Entwicklungen, wie die Dampflokomotive, zu einer wachsenden Konkurrenz einer zunehmenden Anzahl an Verkehrsträgern. Trotz des Ausbaus und der Modernisierung von Schifffahrts-anlegestellen, den Ersatz von einfachen, hölzernen Kränen durch eiserne Kräne sowie den Neubau von Stich- und Verbindungskanälen, der Vertiefung und Ver-breitung von Kanälen und der „Strompflege“, konnte die Binnenschifffahrt nicht mehr an ihre alte Bedeutung anknüpfen. Hinzu kam der Niedergang der Hanse insbesondere als Folge eines Machtverlusts aufgrund zunehmender geographi-scher Konkurrenz im Handel.

Im 19. Jahrhundert spielten die Binnenhäfen für die Gründung bzw. Ansiedlung neuer gewerblicher und industrieller Werke und Großbetriebe wieder eine Rolle, da dort die Möglichkeiten für die Abwicklung größerer Gütermengen (Kohle, Getreide usw.) gegeben waren. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Binnenhäfen für die städtische Entwicklung bedeutend: „So dienen die Hafen-betriebe der Vermehrung und der Stärkung der ortsgebundenen wirtschaftlichen Unternehmungen, erhöhen ihre Steuerkraft und sind gewissermaßen das ge-meindliche wirtschaftliche Sammelbecken.“ (Nagel 1938, S. 34)

Das Wegbrechen der materialintensiven Großindustrien, der Ausbau des flexiblen Verkehrsträgers „Straße“ und die Entwicklung von Logistikkonzepten, bei denen Zeit und geringe Bestände und damit geringere Sendungsgrößen eine zentrale Rolle spielen, führten zu einem erneuten Bedeutungsverlust von Binnenhäfen.

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Fehlende Wahrnehmung der städtischen Funktion 2.3der Häfen

Obwohl eine Stadt ohne die Versorgung mit Waren und Gütern und die Entsor-gung von Abfällen weder lebenswert noch funktionsfähig ist, wird in den we-nigsten Kommunen die Funktionsfähigkeit von Wirtschaft und Leben in diesem Sinne betrachtet. Dies trifft nicht nur auf die Binnenhäfen allein zu, sondern auf das gesamte Thema der städtischen Ver- und Entsorgung. Eine von der Tech-nischen Universität Hamburg-Harburg durchgeführte Befragung bei den 100 einwohnerstärksten Städten machte deutlich, dass jede vierte Stadt eigentlich keine Vorstellung über den Wirtschaftsverkehr hat (Flämig, Hertel 2006). Die Frage: „stellt der Güterverkehr in Ihrem Zuständigkeitsgebiet ein Problem dar? wurde von jedem vierten Teilnehmer nicht beantwortet. Ursächlich dafür kann die Einschätzung des Wirtschaftsverkehrs als nicht plan- und steuerbar gelten. Er ist dadurch selten Planungsgegenstand und wenn, dann wird versucht, die bestehenden Probleme durch Infrastrukturausbau zu lösen. Ausnahmen stellen diejenigen Kommunen da, die sich in den 1990er Jahren an City- oder Stadtlo-gistikprojekten beteiligt haben.

Dies hat letztendlich zur Folge, dass Standorte der Versorgung und Entsorgung – sprich der Logistik – selten im Detail bei der Stadtentwicklung berücksichtigt werden. Dort, wo Konzepte für die räumliche Ausweisung von gewerblichen Standorten für logistische Funktionen bzw. verkehrsintensive Branchen beste-hen, wurden Fragen der verkehrlichen Erschließung häufig nur sehr oberfläch-lich behandelt oder nur auf den Verkehrsträger Straße begrenzt.

Die Verkehrsfolgen und deren Konsequenzen durch die Verdrängung der logisti-schen Funktion aus den Städten und eine damit fast immer einhergehende Verla-gerung der Gütertransporte auf die Straße werden in der Regel nicht betrachtet. Dazu gehören neben dem zunehmenden Ressour cenverbrauch und dem Anstieg der Energiekosten die Luft- und Lärmemissionen des Fahr zeugverkehrs, die Verkehrsunfallfolgen sowie die ökolo gi schen und ökonomischen Folgen durch Staus oder Engpässe, in denen der Güterverkehr zum einen mit dem privaten Verkehr und zum anderen mit anderen Nutzungsansprüchen des öffentlichen Raums (z. B. Aufenthaltsqualität) konkurriert.

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Ökonomisch-ökologische Entlastung durch Stadthäfen

Ein Beispiel soll dies illustrieren: Aufgrund einer konkreten Anfrage eines Wa-renhauses, das einen Ganzzug aus dem Warenverteilzentrum Unna innenstadt-nah in Berlin entladen wollte, um von dort ihre Filialen beliefern zu können, wurde im Jahr 1995 ein altes KV-Terminal vom Güterbahnhof Frankfurter Al-lee zum ehemaligen Güterbahnhof Treptow/Neukölln verlegt, da sich dort auch das Regionallager des Warenhauses befand. Im Jahr 2004 wurde der Kran nicht mehr repariert, der Zug fuhr dann zunächst nur bis in das Güterverkehrszentrum Berlin-West in Wustermark. Von dort mussten alle Wechselbrücken per Lkw zu den Filialen bzw. zum Regionallager in Berlin transportiert werden. Aller-dings zeigte sich schnell, dass dies kein ökonomisch tragfähiges Konzept für den Logistikdienstleister auf der letzten Meile war, so dass nach einer neuen Lösung gesucht und mit dem Berliner Westhafen gefunden wurde. Durch die Verlagerung an diesen innerstädtischen Standort konnte nachgewiesen werden, dass knapp 30 Prozent der Transportkilometer und damit knapp 50 Prozent der CO2-Emissionen und fast 60 Prozent der Rußpartikel im Berliner Stadtgebiet vermieden werden konnten.

Erstmals im Juli 2009 fuhr die Elbe-Spree-Containerlinie zwischen Berlin und Hamburg auf der Wasserstraße. Dieser Liniendienst bietet zudem die entspre-chenden Voraussetzungen und Flexibilität, um auch Schwerguttransporte durch-zuführen. Dadurch können nicht nur paarige Verkehre realisiert werden, sondern es ist auch möglich, Produktionsstandorte in Berlin stadtverträglich zu erschlie-ßen. Die im Rahmen der technologischen Entwicklung immer größer und schwe-rer gewordenen Projektladungen, konnten vorher nur noch bedingt im Berliner Stadtgebiet transportiert werden: die straßenseitigen Lichtraumprofile reichen bei den Dimensionen häufig nicht aus, Ver- und Entsorgungsleitungen und eine Vielzahl von Brücken, die das weit verzweigte Wasserstraßen- und Schienennetz überbrücken, halten den hohen Gewichten nicht stand.

Damit trägt der in seiner logistischen Funktion gesicherte Westhafen dazu bei, dass seine wirtschaftlichen Bedingungen verbessert und er einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung des Berliner Stadtgebiets sowie zur Sicherung von in-nerstädtischen Produktionsstandorten leisten kann. Dies ist nur möglich, weil es einen innerstädtischen logistischen Standort gibt, der über die entsprechende Funktionalität verfügt.

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Containerumschlag im Westhafen Berlin Abbildung 2:

Quelle: eigene Aufnahme

City-Terminals für die Stadtlogistik

Die Abbildung 3 zeigt die Lage des Berliner Westhafens im Stadtgebiet. Der Westhafen liegt innenstadtnah direkt am inneren S-Bahn-Ring („Hundekopf“). Diese zentrale Lage schafft einerseits – wie oben aufgezeigt – Entlastungen bei der Abwicklung der letzten Meile. Für die Umsetzung von Luftreinhalte- bzw. Lärmaktionsplänen und die damit verbundene Einrichtung von Umweltzonen und Zufahrtsbeschränkungen für motorisierte Fahrzeuge bieten die Stadthäfen, beispielsweise in Berlin aber auch in den Städten Dortmund oder Düsseldorf, beste Voraussetzungen für eine Neuorganisation der Abwicklung der städtischen Logistik.

Schon heute werden funktionsfähige Binnenhäfen für die Verkürzung der letzten Meile auf der Straße genutzt. Dazu gehören große Handelshäuser, wie Ikea oder Karstadt, oder auch KEP-Dienste, wie die DHL, ebenso wie Volkswagen oder Siemens als verladende Industrie.

Stadtverträgliche Logistikkonzepte sind letztlich auf verkehrlich gut erschlos-sene, aber auch durch Lager-, Umschlag- und Transporttätigkeiten belastbare Standorte angewiesen. In Zukunft könnten Binnenhäfen für eine stadtverträgli-che Ver- und Entsorgung (wieder) an Bedeutung gewinnen, wenn ihr entlasten-des Potential erkannt und gesichert wird.

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Lage des Berliner Westhafens im StadtgebietAbbildung 3:

Kombinierter Ladungsverkehr

GE-Gebiet mit Speditionslogistik

Güterverkehrs-zentrum

L

Hafen

Quelle: Darstellung basierend auf Abgeordnetenhaus zu Berlin 2006, S. 73

Voraussetzung I: Sicherung der robusten Stadthäfen

Binnenhäfen, insbesondere die Stadthäfen, wurden in den letzten 20 bis 30 Jahren allerdings kaum in ihrer logistischen Funktion wahrgenommen. In Stadtentwick-lungskonzepten wurden sie nur noch selten verankert. Immer häufiger kommt es zu Entwidmungen. Aufgrund von außerlogistischen Entwicklungsvorstellun-gen der Städte, wie den Umbau und die Revitalisierung der Hafenquartiere oder die Transformation zu attraktiven innerstädtischen Wohnstandorten, wurden die Nutzungsmöglichkeiten vieler Hafenbetriebe unklar oder eingeschränkt.

Die Abbildung 4 zeigt exemplarisch, wie dicht die Wohnbebauung im direkten Umfeld des Berliner Westhafens ist. Diese im Binnen_Land-Projekt vorgenom-mene Kartierung macht deutlich, dass der Hafen zudem kaum räumliche Ent-wicklungsmöglichkeiten besitzt, ohne andere Nutzungen an diesem Standort in Frage zu stellen.

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Flächennutzung am Berliner Westhafen Abbildung 4:

Gewerbe

Wohnen

Hafen

Quelle: Darstellung basierend auf Meister, Bayer 2010.

Aufgrund von Entwicklungsvorstellungen der Städte, die auf den Umbau und die Revitalisierung der Hafenquartiere bzw. ihre Transformation zu attraktiven innerstädtischen Wohnstandorten zielen, wurden deren Nutzungsmöglichkeiten für viele Hafenbetriebe unklar oder eingeschränkt; einige Häfen wurden in ihrer Eigenschaft als Wirtschaftshafen auch komplett aufgegeben. Insofern verwun-dert es wenig, dass insbesondere die Stadthäfen in den letzten 20 bis 30 Jahren kaum in ihrer logistischen Funktion für die Städte wahrgenommen wurden. In Stadtentwicklungskonzepten spielen sie kaum eine Rolle.

Erste andere Entwicklungen sind zu beobachten. Beispielhaft sei hier wieder der Fall Berlin genannt: Hier wurden auf politischer Ebene im Jahr 2001 ein Hafenkonzept und im Jahr 2005 ein integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept ver-abschiedet. Beide setzen sich jeweils dezidiert mit der städtischen Funktion der Häfen auseinander. Diese planerische und politische Würdigung des Wirtschafts-hafens war Voraussetzung dafür, dass sich der Westhafen als innerstädtischer, trimodaler Knoten etablieren konnte.

Dass die Binnenhäfen heute zunehmend unter Druck geraten sind, ist nicht nur auf die Umnutzungsabsichten der Stadtplanung zurückzuführen: Auch die Trends in der Logistik haben dazu beigetragen. Der Trend zum ungebrochenen Warenfluss

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sowie der Trend zur Größe (Skaleneffekte in Umschlag und Lagerei, Konzentra-tion der Distributionsstandorte) stellen regionale, meist flächenmäßig begrenzte logistische Knotenpunkte in den Städten in Frage. Nicht für alle Hafenstandorte ist der Weiterbetrieb als logistischer Knoten sinnvoll. Bei der Entscheidung für den Weiterbetrieb als Logistikknoten oder für die Umnutzung sollten allerdings die richtigen Argumente (welche Arbeitsplätze, welche Verkehrswirkungen im regionalen Kontext usw.) gegeneinander abgewogen werden.

Für weitere Entwicklungen müssen allerdings die hohen planungs- und umwelt-rechtlichen Anforderungen, speziell auch die Vielzahl an wasserbezogenen Ge-setzen und Richtlinien, vereinfacht werden. Letztendlich sind die Binnenhäfen häufig die letzten innerstädtischen Flächenreserven für eine logistische Nutzung in einem erprobten Umfeld. Für deren Sicherung und Entwicklung gilt es, insbe-sondere die Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und die infrastrukturellen Voraussetzungen (Trassen, Knotenpunkte) zu sichern. Dies wird am ehesten ge-lingen, wenn die Binnenhäfen in den maßgeblichen Leitbildern und Gestaltungs-grundsätzen der Stadtplanung integriert werden und wenn logistische Nutzungen in verbindlichen Plänen festgesetzt werden.

Voraussetzung II: Vom (öffentlichen) Hafen zum logistischen Knoten

Lange waren Binnenhäfen im öffentlichen Eigentum und auf das Angebot von Infra- und teilweise Suprastrukturen begrenzt. Vielerorts hat bereits der Umbau der Binnenhäfen zu Full-Service-Anbietern begonnen. Sie bieten speditionelle Dienstleistungen oder auch Reparatur- und Wartungsleistungen, Facility-Ma-nagement usw. aus einer Hand an. Die logistische Modernisierung der Häfen gilt es vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen – Rolle der Häfen im Hafenhinterland und im regionalen Verkehr, Zunahme der Containerisierung – strategisch weiter voranzutreiben. Wichtig ist vor allem, die angebotsseitigen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu gehört die Entwicklung der Binnenhäfen zu neutralen logistischen, trimodalen Knoten mit einem Full-Service-Angebot ebenso, wie die Einbindung in Liniendienste.

An vielen Standorten wird es daher zunächst darum gehen, die Eigentümerstruk-tur und das Betreibermodell zu überprüfen und dann die institutionellen Voraus-

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setzungen für diese Entwicklung zu schaffen. Dazu gehört aber ebenso die Um-setzung entsprechender Kommunikations- und Kooperationsstrategien. Unter dem Stichwort: Eine „neue Hanse“ – ein Netzwerk entlang der Wasserstraßen, könnte die Vernetzung und Wahrnehmung der Häfen weiter gestärkt werden.

Wichtig ist zudem die Versachlichung der Kommunikation, die ergebnisoffene Diskussionen von Lösungsmöglichkeiten zulässt. Die proaktive Information (z. B. die Bekanntgabe von Schiffsentladungszeiten), die Möglichkeit zur di-rekten Kommunikation (Telefonhotline), das Öffnen des Hafens gegenüber der Öffentlichkeit (z. B. Tag der offenen Tür) und der Einbezug von „Hafengegnern“ sind erste Schritte zur Überwindung unnötiger Blockaden. Zudem könnte auf Verbandsebene eine Datenbasis als objektive Referenz (Lärmgutachten) bzw. eine Wissensbasis als argumentative Grundlage angelegt werden.

Hafenentwicklung als Stadtentwicklung begreifen2.4

Wie bereits erwähnt, können Binnenhäfen in Zukunft für eine stadtverträgli-che Ver- und Entsorgung (wieder) an Bedeutung gewinnen, wenn ihr Entlas-tungspotenzial erkannt und gesichert wird. Effiziente Logistikkonzepte sind auf verkehrlich gut erschlossene, aber auch durch Lager-, Umschlag- und Trans-porttätigkeiten belastbare Standorte angewiesen. So bieten die Stadthäfen gute Voraussetzungen für die Abwicklung der Logistik im Einklang mit den Anforde-rungen von Luftreinhalte- bzw. Lärmaktionsplänen.

Wichtig ist hier eine erhöhte Transparenz. Der Nutzen des Logistikhafens muss aufgezeigt werden. Städte, die Vorsorge betreiben, vermarkten ihre Binnenhäfen als neutralen logistischen, trimodalen Knoten, entwickeln Kooperationen weiter und definieren das Aufgabenprofil, die Zuständigkeiten und die Ziele des ge-meinsamen Agierens. Dabei geht es auch um ein neues Image der Hafenstandor-te, die als integrierten Teil der Stadt / Region positioniert werden müssen („eine neue Hanse“: flächensparsam, umweltverträglich).

Im Aushandlungsprozess müssen die Interessenunterschiede akzeptiert werden. Die Themen Flächenkonkurrenz, Lärm, Emissionen, Denkmalschutz, Verkehrs-aufkommen, Verkehrsinfrastrukturausbau, Port Security usw. können nur im Dialog geklärt werden. In der Regel wird die proaktive Lösung von Interessen-konflikten diejenige mit den wenigsten Reibungsverlusten sein.

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Hier könnte auch die Erstellung eines abgestimmten, allgemein akzeptierten Ha-fenentwicklungskonzepts, das auch Fragen der Koordination und Kooperation benachbarter Häfen (Funktionsklärung) detailliert beleuchtet, hilfreich sein.

Allerdings werden getrieben durch die Product Carbon Footprint Projekte nur diejenigen (Binnen-)Häfen in künftigen Transportketten eine bedeutende Rolle spielen, die sowohl ihre eigenen Prozesse und Technologien effizient gestaltet haben, als auch flexible, trimodale Transportketten anbieten können. Mindestens genauso wichtig, wird aber auch die kollaborative Auseinandersetzung mit den Stakeholdern des Hafens (insbesondere Beschäftigte, Umfeld), um die sich kon-kurrierenden Ziele bzw. Nutzungsansprüche in Einklang zu bringen.

Quellen2.5

Abgeordnetenhaus zu Berlin (Hrsg.): Stadtverträglicher Wirtschafts- und Güter-verkehr in Berlin. Drs 15/4720. 02.02.06.

Flämig, Heike; Hertel, Christof: Wirtschaftsverkehr in Ballungsräumen. In: Bun-desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Direkt - Verbes-serung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, Heft 62/2006.

Meister, Verena; Bayer, Steven: Lokale Akzeptanz von Binnenhäfen. Analyse der Bedingungen für ein konfliktfreies Miteinander von städtischen Binnenhäfen und Anwohnern. Berlin: FU Berlin / Institut für Geographische Wissenschaften (= METAR – Papers in Metropolitan Studies; Bd. 56) (im Erscheinen), Berlin 2010.

Nagel, Josef: Aufbau und Aufgaben der deutschen Binnenhäfen. Hoppenstedt: Berlin, 1938.

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Die Zukunft der Binnenhäfen – Das System 3Wasserstraße gestern - heute - morgen

Rainer Schäfer, Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen e.V. (BÖB) sowie Geschäftsführer der Neuss-Düsseldorfer Häfen GmbH & Co. KG

Die Finanzmarktkrise hat die Wirtschaft weltweit in die Knie gezwungen und zu spürbaren Einbußen bei den Binnenhäfen geführt. Trotzdem sagen die langfris-tigen Prognosen der Verkehrswissenschaftler, dass sich der Güterverkehr auch weiterhin exponentiell entwickeln wird. Die Aufgabe der Transport- und Logis-tikwirtschaft ist es, sich darauf vorzubereiten. Die Binnenhäfen haben exzellente Ausgangsbedingungen für eine Zukunft, in der nachhaltige und grüne Logistik immer wichtiger wird.

Mobilität und Logistik sind Nachfrage getrieben und haben eine dienende Funk-tion für Handel und Industrie. In den letzten Jahren ist es dem Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen e.V. gelungen, die positiven Entwicklungen der Bin-nenhäfen in diesem Bereich in eine politische Strategie einzubinden, die heute Früchte trägt. Die Binnenhäfen sind politisch „angekommen“. Dabei unterliegen sie einem ständigen Veränderungsprozess, der insbesondere durch das kommu-nale Umfeld begrenzt ist. Im Folgenden soll die Auseinandersetzung mit der weiteren Entwicklung den Kern bilden und den späteren Dialog öffnen – denn Hafen- und Stadtentwicklung dürfen aus übergeordneter Sicht kein Widerspruch sein, sondern müssen integrierend wirken.

Wirtschaftlicher Rahmen3.1

Hervorgerufen durch die Finanzkrise in Amerika und die daraus entstandene Wirtschafts- und Nachfragekrise hat die Logistik stark gelitten. Der Güterver-kehr in Deutschland ist im letzten Jahr zwar deutlich zurückgegangen, aber weniger stark als befürchtet. Die Transportleistung insgesamt sank im Jahr 2009 um 11,7 Prozent. Das System Wasserstraße konnte sich diesem Trend nicht entziehen und hat Rückgänge in Höhe von 16,2 Prozent zu verzeichnen,

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was bezogen auf die vorherige Entwicklung mit Wachstumsraten ebenfalls im zweistelligen Bereich eine – nicht nur bildliche – Umkehrung der Vorzeichen darstellte. Dennoch existiert kein Anlass an den langfristigen Wachstumsprogno-sen zu zweifeln, denn die Vorzeichen ändern sich ja nicht. Wirtschaftswachstum bedingt Verkehrswachstum regional wie global. Die Vorteile der Arbeitsteilung hat nicht erst Adam Smith erkannt, aber er hat sie wissenschaftlich dargelegt. Arbeitsteilung nutzt den komparativen Vorteil des Einzelnen gegenüber dem an-deren durch Spezialisierung. Spezialisierung wiederum verlangt nach Austausch und so ist die Grundlage für Produktion und Handel geschaffen. Dass heute in weltumspannenden Produktionsnetzwerken gewirtschaftet wird, ist sowohl dem Vorhandensein komparativer Kostenvorteile zwischen den einzelnen Ländern zu verdanken, aber insbesondere auch dem Transport und der Logistik, die diesen Austausch möglich machen.

Der Transport von Waren über den See- und Wasserweg gehört zu den ältesten Transportwegen überhaupt. Die Wasserstraßen sicherten weit vor der Industriali-sierung die Versorgung und den Warenaustausch zwischen Menschen über kurze, mittlere und entfernte Distanzen hinweg – das Thema lässt sich in Europa bis weit in die Zeit des römischen Reiches zurückverfolgen. Städte entwickelten sich an den Wasserwegen und die Handelsplätze am Wasser – auch wenn sie noch nicht Häfen waren oder hießen – waren sie Zentren der wirtschaftlichen Betäti-gung. Das hat sich nie grundlegend verändert, allerdings hat die industrielle Re-volution neue Möglichkeiten des Transports hervorgebracht, die grundsätzliche Veränderungen auf tradierten Wegen bringen sollte. Die Möglichkeiten des tech-nischen Fortschritts haben zu einer neuen Mobilität von Menschen und Gütern geführt, die bis heute als Grundlage unseres Wirtschaftens gilt. Dabei ist deutlich erkennbar, dass sich die gesellschaftliche Entwicklung in Bezug auf Wohnen und Arbeiten phasenverzögert, aber immer mit derselben Stoßrichtung entwickelte. Fortschritt ist durch eine massive Senkung der Transportkosten gekennzeichnet. Er hatte zur Folge, dass Menschen mehr Mobilität beispielsweise für den Urlaub nutzen, denn die Raumdurchlässigkeit lies auch den täglichen Weg von und zur Arbeit wachsen.

Mit der Urbanisierung des Raumes wurden nicht nur die Städte größer, der länd-liche Raum entwickelte sich ebenfalls zum begehrten Feld für Wohnen – noch dazu im eigenen Heim, das bis dato als unerschwinglich galt. Unter dem Stich-wort der Suburbanisierung kommt es danach auch zur Ansiedlung von Industrie

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und Wirtschaft im nichtstädtischen Umfeld. Eine Zersiedlung, die bis heute zu einem erheblichen Flächenverbrauch führt.

Komparative Kostenvorteile sind bis heute bei den Flächenkosten gegeben, zu-mal die Ansiedlung von Industrie und Handel nach wie vor ein Kernthema der regionalen Wirtschaftsförderung ist. Allerdings muss erwähnt werden, dass der Raum wesentlich durch Pkw und Lkw erschlossen wurde, was heute zu stark monomodalen Strukturen geführt hat. Die Veränderung im so genannten Modal Split, der Verteilung der Verkehrsleistung unter den einzelnen Verkehrsträgern, basiert auf wesentlichen Entwicklungen:

Globalisierungseffekt - der weltweiten Arbeitsteilung • dem Güterstruktureffekt - der Veränderung der transportierten Ware im Be- •zug auf Größe und Warenwert dem Logistikeffekt - der Forderung nicht nur nach dem singulären Trans- •port sondern der ergänzenden Dienstleistung.

Diese Entwicklung hat sich insbesondere für den Transport auf der Wasserstraße deutlich negativ ausgewirkt – als Verkehrsträger mit hervorragenden Massengut-eigenschaften sind mit dem Ende der Kohleförderung und dem Ausverkauf der Stahlindustrie in erheblichem Maße Märkte weggebrochen. Das war bis Mitte der 1990er Jahre der Fall und hatte entscheidende Auswirkungen auf die Bin-nenhäfen. Wenn sich allerdings feststellen lässt, dass letztlich genau in diesem Zeitraum, mit dem Ende der Aufteilung der Welt in sich feindlich gegenüber stehende politische Blöcke, die Wachstumsraten des Welthandelsvolumens deut-lich höher sind als der Zuwachs des Welt-Bruttoinlandsprodukts, dann hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur insgesamt.

Auch in nationaler Betrachtung nimmt der Güterverkehr stärker zu als das Volks-einkommen. Dies ist die Folge einer national sowie international fortschreiten-den Arbeitsteilung, deren Produktivitätsgewinne unseren Wohlstand begründen. Folglich hat die EU-Kommission im „Weißbuch Verkehr 2010“ die Entkop-pelung von Transportvolumen und Wirtschaftswachstum (Schlagwort: „Mehr Wohlstand mit weniger Verkehr!“) als Ziel formuliert. Angesichts der begrenz-ten Verfügbarkeit des öffentlichen Raumes sowie aus umwelt- und gesellschafts-politischen Beweggründen gibt es langfristig auch keine Alternative zu diesem Ziel. In der Praxis aber gibt es kaum Anzeichen, dass dieses Ziel auf absehbare Zeit erreicht werden kann. Damit wird die Bewältigung auch künftig wachsen-

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der Güterströme zu einem Problem, das auf europäischer sowie auf nationaler Ebene einer Lösung harrt. Bei stark wachsendem Verkehrsaufkommen und nur begrenzten Möglichkeiten zum weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, wird die intelligente Organisation von sicheren, leistungsfähigen, ökologisch vertret-baren und zuverlässigen Transporten immer wichtiger. Zu berücksichtigen ist dabei die aktuelle Weiterentwicklung innerhalb der Logistikdienstleistung. Die Verkehrsmärkte haben sich zu umfassenden logistischen Märkten mit höherer Wertschöpfung weiterentwickelt, in denen die Bildung von Logistikketten im-mer mehr an Wert gewinnt. Logistische Ketten entstehen durch das arbeitsteilige Zusammenwirken logistischer Betriebe mit der innerbetrieblichen Unterneh-menslogistik; sie umfassen alle Transport- und Umschlagprozesse vom Zuliefe-rer über die Produktion und Lagerhaltung bis zur Auslieferung des Endprodukts an den Kunden einschließlich logistischer Zusatzleistungen wie Kommissionie-rung, Verpackung, Etikettierung, Fakturierung und weiteren Diensten.

Die Position der Binnenhäfen3.2

Die Binnenhäfen sind Teil des Systems Straßenverkehr-LKW und des Systems Schienenverkehr-Eisenbahn. Sie sind aber vor allem mit ihrer Umschlagfunktion integraler Bestandteil des Systems Wasserstraße.

Alle Bestrebungen der Verkehrspolitik, wachsende Güterverkehrsmengen zu be-wältigen und die logistischen Lösungen durch eine stärkere Einbeziehung des nassen Systems zu optimieren, setzen ein dichtes Netz von selbstverständlich leistungsfähigen und funktionierenden Binnenhäfen voraus. Binnenhafenstand-orte, die etwa wegen mangelnder Leistungsfähigkeit nicht (mehr) zu diesem Netz gehören, können die für ihre wirtschaftliche Prosperität so wichtige Transport-kostengunst nicht oder nicht in vollem Umfang nutzen und fallen im Standort-wettbewerb zurück. Die damit einhergehende Gefahr für den Standort wird von den kommunalen Eignern der Binnenhäfen noch nicht überall erkannt.

Auf der europäischen Ebene setzt die EU-Kommission inzwischen auf eine stärkere Einbeziehung des Systems Wasserstraße zur Bewältigung wachsender Güterverkehrsströme. Dazu hat sie im Januar 2006 das Aktionsprogramm NAI-ADES (Navigation and Inland Waterway Action and Development in Europe) vorgelegt, mit dessen Hilfe das nasse System stärker als bislang in Transport-ketten integriert werden soll. Dazu bedarf es unter anderem einer Verbesserung

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der Leistungsfähigkeit des Wasserstraßennetzes, aber auch einer Stärkung der Häfen, die eine wirksame Integration der verschiedenen Verkehrsträger ermög-lichen und darüber hinaus logistische Mehrwertdienste anbieten. Folgerichtig spricht sich die EU-Kommission für eine Stärkung und Weiterentwicklung der Binnenhäfen mit ihren Funktionen und Kapazitäten aus. Die Raumplanung wird aufgefordert, der Sanierung vorhandener wasserstraßennaher Industriegebiete größeres Gewicht beizumessen. Eine in diesem Sinn auf die Entwicklung von Industriestandorten im Umfeld von Binnenhäfen ausgerichtete Raumentwick-lungspolitik liefert gleichzeitig einen wirksamen und nachhaltigen Beitrag zur angestrebten Verkehrsverlagerung. NAIADES spricht diesbezüglich Empfeh-lungen für Maßnahmen (einschließlich Unterstützungsmaßnahmen) der Europä-ischen Gemeinschaft, der Mitgliedstaaten und anderer Beteiligter aus.

Nahezu zeitgleich zu den europäischen Aktivitäten ist auch auf der nationalen Ebene die Bedeutung des nassen Systems zur Lösung der verkehrspolitischen Aufgaben stärker ins Blickfeld der Politik gerückt und setzt im letztes Jahr vor-gelegten Nationalen Hafenkonzept für See- und Binnenhäfen auf den Ausbau der Binnenhäfen zu intermodalen Knoten (auch) zur besseren Vernetzung von See- und Binnenhäfen. Allen verkehrspolitischen Überlegungen der EU und des Bundes gemeinsam, ist die Zielsetzung, die Funktionsfähigkeit der Binnenhäfen als Knoten im Verkehrsnetz und natürliche Güterverkehrszentren zu sichern und zu stärken. Für die Kommunen – bis heute vielfach Eigentümer der Binnenhäfen, in jedem Fall aber Träger der Planungshoheit über die Stadtentwicklung – ergibt sich daraus eine Situation, die sich vereinfacht wie folgt charakterisiert:

• Entweder unterstützen sie mit ihrem Instrumentarium der Stadtentwick-lungspolitik die oben dargelegten Grundlinien der europäischen und natio-nalen Verkehrspolitik zur Stärkung des Logistikstandorts Binnenhafen und machen sich Standortfaktoren wie günstige Logistikkosten zur Ansiedlung von Industrie und Gewerbe mit ihren positiven Folgewirkungen für ihre regionalwirtschaftliche Entwicklung zu eigen.

• Oder sie räumen anderweitigen kommunalen Entwicklungszielen (wie die Umnutzung von Hafenflächen, Entwidmungen, verstärkte Denkmalschutz und Umweltschutzauflagen) Vorrang ein, wobei sie dann aber Gefahr lau-fen, aus dem Netz der leistungsfähigen Logistikstandorte mittel- bis lang-fristig auszuscheiden.

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Vor diesem Hintergrund kommt der künftigen Hafenentwicklung eine neue ver-stärkte Bedeutung zu. Hafen- und Stadtentwicklung stehen seit der Gründung von Häfen am Wasser in enger Verbindung zueinander. Damit die Häfen ihre Verkehrs-, Industrie- und Handelsfunktion beibehalten können und damit leucht-turmartig unter anderen Standorten herausragen können, sollten Hafen- und Stadtentwicklung in Zukunft im Sinn einer Nachhaltigkeitsstrategie miteinander verzahnt sein.

Die Begriffe Nachhaltigkeit und Logistik sind gleichermaßen in aller Munde – sie hier zusammenzubringen, ist eine geradezu logische Kombination. Wer von Nachhaltigkeit spricht, meint im Wesentlichen die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit:

Ökologische Nachhaltigkeit: Sie orientiert sich am stärksten am ursprünglichen Gedanken, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben. Ökologisch nachhaltig wäre eine Lebensweise, die die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie diese sich regenerieren.

Ökonomische Nachhaltigkeit: Eine Gesellschaft solle wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben, da dies zwangsläufig zu Einbußen der nachkommenden Generationen führen würde. Allgemein gilt eine Wirtschaftsweise dann als nach-haltig, wenn sie dauerhaft betrieben werden kann.

Soziale Nachhaltigkeit: Ein Staat oder eine Gesellschaft sollte so organisiert sein, dass sich die sozialen Spannungen in Grenzen halten und Konflikte nicht eskalie-ren, sondern auf friedlichem und zivilem Wege ausgetragen werden können.

Dabei „streitet“ die Theorie noch, ob es eine vierte, die regionale Dimension gibt. Dazu eignet sich das Beispiel Binnenhafen: In den letzten Jahren haben sich die öffentlichen Binnenhäfen durch entsprechende Neustrukturierungen und Weiterentwicklungen – gerade auch im Management – von traditionellen Infra-strukturAnbietern zu Plattformen für die multimodale Logistik weiterentwickelt. Sie haben strategische Bündnisse mit der Logistikwirtschaft geschlossen und sind insbesondere auch im Eisenbahnverkehr zunehmend wichtige Elemente im System der Verkehrsträger. Die öffentlichen Binnenhäfen sind einmalig – jeder für sich standortbezogen. Sie haben allerdings alle ein Alleinstellungsmerkmal, welches sie zunehmend gemeinsam vermarkten – die trimodale Anbindung. Die-se macht es möglich, dem Kunden verkehrsträger-übergreifende Logistiklösun-

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gen anzubieten und dabei den Einsatz der Ressourcen schonenden alternativen Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße zu forcieren.

Ökologische Nachhaltigkeit 3.3

Das System Wasserstraße belegt hinsichtlich der Umweltfreundlichkeit und in Bezug auf den volkswirtschaftlichen Nutzen nach wie vor die Spitzenposition. Dies ist das eindeutige Ergebnis eines aktuellen Gutachtens der Planco Con-sulting GmbH zum verkehrswirtschaftlichen und ökologischen Vergleich der Verkehrsträger Straße, Bahn und Wasserstraße, das bereits im November 2009 abgeschlossen wurde.

In den Punkten Energieverbrauch, Schadstoffemissionen, Verkehrssicherheit und Lärm schneidet das Binnenschiff durchweg besser ab als die Güterbahn oder der Lkw. In nahezu allen Relationen ist das Binnenschiff zudem im direkten Trans-portkostenvergleich der günstigste Verkehrsträger.

In der Vergangenheit wurden Verkehrsträgervergleiche wiederholt mit veralte-tem Zahlenmaterial und mit falschen Annahmen durchgeführt. In der nun vorlie-genden Untersuchung wurden erstmals aktuelle Berechnungen auf verkehrsträ-gertypischen Relationen durchgeführt, und zwar sowohl für den Massengut- als auch für den Containertransport. Eindeutig sind die Aussagen der Gutachter etwa hinsichtlich des Energieverbrauchs:

Im Massenguttransport verbraucht das Binnenschiff 67 Prozent weniger •Energie als der Lkw und 35 Prozent weniger als die Bahn.

Das gleiche Bild zeigt sich beim Containertransport: Hier liegt der Vorteil •des Binnenschiffs je Container gegenüber dem Lkw bei 52 Prozent und gegenüber den Güterzügen bei 38 Prozent.

Der geringe Energieverbrauch hat unmittelbare Auswirkungen auf die Klima-bilanz der Verkehrsträger: Bei dem für den Klimawandel besonders relevanten CO2-Ausstoß weist das Binnenschiff im Durchschnitt die geringsten Emissionen aus, während im Bereich der sonstigen Luftschadstoffe, z. B. Stickoxide, Koh-lenmonoxid oder Schwefeldioxid, durchaus noch Verbesserungsbedarf besteht. Allerdings, so die Gutachter, ist aufgrund der zu erwartenden Verschärfung der

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Schadstoffrichtlinien mit einem weiteren drastischen Sinken auch bei diesen Werten in der Binnenschifffahrt zu rechnen.

Die Gutachter kommen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass deutsche Autobahnen bereits heute in weiten Teilen überlastet sind und zukünftig weite-re Verschlechterungen zu befürchten sind. Auch in wichtigen Abschnitten des Schienennetzes sind die Kapazitätsgrenzen erreicht bzw. teilweise bereits über-schritten. Einzig die Binnenwasserstraßen verfügen über das Potenzial, erhebli-che weitere Transportmengen aufzunehmen, um die prognostizierten Güterver-kehrszuwächse zu bewältigen.

Ökonomische Nachhaltigkeit3.4

Die Binnenhäfen sind Knotenpunkte einer stadtnahen und regionsbezogenen Lo-gistik. Vielmehr als dies vielleicht für den Seehafen gilt, sind Binnenhäfen eng mit der heimischen Wirtschaft verflochten und leisten direkt und indirekt – über die von den Häfen getätigten Investitionen – in ihrer Stadtregion einen wesent-lichen Beitrag zur Schaffung und Stärkung von Wirtschaftskraft, Einkommen und Beschäftigung. Ihren sichtbaren Ausdruck finden derartige Verflechtungen zwischen Hafen und Hafenstandort in den drei traditionellen Hafenfunktionen: Binnenhäfen sind nicht nur Orte der Verknüpfung der verschiedenen Verkehrs-träger (Verkehrsfunktion), sondern immer auch Standorte von Unternehmen aus der Produktionswirtschaft (Industriefunktion) und des Handels (Handelsfunkti-on). Dies lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: An den im BÖB organisierten Standorten sind rund 2.000 Mitarbeiter in den Hafenverwaltungen beschäftigt, gleichzeitig repräsentieren die Binnenhäfen Standorte für rund 2.300 angesiedelte Unternehmen, die nach einer entsprechenden Erhebung in unserem Verband rund 235.000 direkte Beschäftigte darstellen. Rechnet man jetzt noch die indirekten Arbeitsplätze der Zuliefererindustrie, sowie der angeschlossenen Unternehmen hinzu, rechnen die Gutachten den Binnenhäfen ein Beschäftigungspotential von 400.000 Arbeitnehmern zu.

Wird „neudeutsch“ gerne von Clustern gesprochen, dann liefern die Binnenhäfen ein Beispiel für ihr Funktionieren. Das System aus den Faktoren Infrastruktur (Hafen), Suprastruktur (Anlagen) und Ansiedlung (Unternehmen) führt zu Ag-glomerationen, die heute im Wettbewerb zueinander stehen – dass heißt aber auch, dass sie nicht einfach trennbar sind. Ein Herauslösen eines Faktors wird

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ggf. zur Schwächung des gesamten Systems führen. Das gerade auch im Hin-blick auf Wertschöpfung und die damit verbundenen Potenziale für die Einnah-mesituation der öffentlichen Haushalte.

400.000 Arbeitsplätze, das war nur möglich, weil sich die Standorte weiterent-wickelt haben und neue Bereiche in der Logistikdienstleistung integriert wurden. Die Verkehrsmärkte haben sich zu umfassenden logistischen Märkten mit höherer Wertschöpfung weiterentwickelt, in denen die Bildung von Logistikketten immer mehr an Wert gewinnt. Logistische Ketten entstehen durch das arbeitsteilige Zu-sammenwirken logistischer Betriebe mit der innerbetrieblichen Unternehmens-logistik; sie umfassen alle Transport- und Umschlagsprozesse vom Zulieferer über die Produktion und Lagerhaltung bis zur Auslieferung des Endproduktes an den Kunden, einschließlich logistischer Zusatzleistungen, wie Kommissionie-rung, Verpackung, Etikettierung, Fakturierung und weiteren Diensten.

Genau diesen Trend erleben die Binnenhäfen: längst hat der Hafen nicht mehr den „Landlord“-Charakter, sondern ist aktiver Partner der Logistik. Damit stellen die Binnenhäfen aktiv die Verbindung zu ihren Märkten her. Die Binnenhäfen liegen im Zentrum ihrer Märkte und decken weite Teile Deutschlands ab. Zehn von elf Monopolregionen verfügen über einen Wasserstraßenanschluss und ihre Stärke, maßgeschneiderte Logistikkonzepte, die sich an Pünktlichkeit und Zuver-lässigkeit orientieren, bieten der verladenen Wirtschaft echte Alternativen zum Straßenverkehr und werden gezielt ausgebaut durch die Bündelung logistischer Kompetenz am Standort. Der Binnenhafen verknüpft die Verkehrsträger aktiv.

Nur im Binnenhafen können die Vorteile aller Verkehrsträger genutzt werden und nur hier findet der Kunde die ideale Verknüpfungsmöglichkeit von Was-serstraße, Schiene und Straße – die natürliche Trimodalität. Nur hier erhält der Kunde maßgeschneiderte und fertige Angebote, die Verkehrsträger nach seinen individuellen Vorstellungen kostenoptimal zu kombinieren. Dieser Ansatz ist insofern wichtig, da das System Wasserstraße als Produkt heute großflächiger gesehen werden kann, als der reine Binnenschifftransport.

Ein Beispiel: Angesichts von Hoch- und Kleinwasser-Situationen, die sich in Fol-ge des Klimawandels gegebenenfalls noch verstärken, hat sich bei der verladen-den Wirtschaft leider allzu oft der Eindruck manifestiert, die Binnenschifffahrt würde an mangelnder Zuverlässigkeit leiden. Im System Wasserstraße ist genau das Gegenteil der Fall. Sollte es zum Ausfall von Kapazitäten beim Transport

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mit dem Binnenschiff kommen, so steht durch die trimodale Anbindung in den Häfen zunächst die Bahn als Alternativ- und Ergänzungsangebot zur Verfügung. Letztlich ist darüber hinaus immer der Rückgriff auf den LKW möglich, was der Binnenhafen aus ökonomischen und ökologischen Gründen gleichfalls nicht vordringlich nutzt. Letztendlich wird damit dem Verlader ein Produkt angebo-ten, welches alle Chancen für einen durchgängigen Transport der Ware jederzeit ermöglicht.

Das Binnenschifffahrtsgewerbe sieht zu Unrecht nur den Konkurrenten Bahn. Aber die Bahn ist Partner des Binnenschiffs, da die Kapazitäten insbesondere aber auch die Organisation der Containerlogistik zum Beispiel im Seehafen Rot-terdam an ihre Grenzen gelangt ist, führt das zu Abfertigungsproblemen bei den Binnenschiffen. Diese müssen bis zu 100 Stunden Liegezeiten im Seehafen auf sich nehmen, bis sie abgefertigt werden. Ein Problem für das Binnenschifffahrts-gewerbe, allerdings auch für die Logistik, wenn keine Alternativen vorhanden sind. Der wasserseitige Containerumschlag in den Binnenhäfen des BÖB hat sich in den letzten Jahren exponentiell steigend entwickelt, nun ist der Bruch da. Die Abfertigungsprobleme in den Seehäfen führen zu sinkenden Umschlagsmengen auch in den Binnenhäfen. Sinkend allerdings nur bezogen auf den Verkehrsträger Wasserstraße.

Über ihre Einbindung in ein funktionierendes Bahnsystem, durch Bereitstellung eigener oder kooperativer Eisenbahnverkehrsdienstleistungen organisieren die Binnenhäfen selbst die Weiterleitung der Containermengen in die Binnenhäfen. Der Umschlagszuwachs bahnseitig gleicht dabei den Rückgang im wasserseiti-gen Umschlag aus.

Neben dem bundeseigenen Schienennetz steht mit der Öffnung privater Infra-strukturen ein System zur Verfügung, das volkswirtschaftlich noch nicht richtig bewertet wird. Gerade über dieses Netz kann in Zukunft die Entlastung belasteter Trassen ebenso erreicht werden, wie mehr Wettbewerb auf der Schiene durch neutrale Bahnhöfe. Deshalb unterstreicht der BÖB die Forderung nach einer adäquaten Instandhaltungsverpflichtung des Bundes für die gesamte öffentliche Schieneninfrastruktur.

Neue Konzepte eröffnen neue Märkte. Auch wenn durch die anfangs angespro-chene wirtschaftliche Krise derzeit Überkapazitäten in den Seehäfen bestehen, so ist doch erkennbar, dass bei wieder einsetzendem Wachstum Grenzen der

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wirtschaftlichen Entwicklung erreicht werden, wenn keine „Aufteilung“ zwi-schen den Standorten gelingt. Leistungen, die aufgrund komparativer Vorteile auch zwischen den Standorten besser in den Binnenhäfen übernommen werden, entlasten die Seehäfen und schaffen neue Wertschöpfung.

Die beiden Verbände BÖB und ZDS (Zentralverband der Deutschen Seehafen-betriebe) sehen sich durch den Masterplan Güterverkehr und Logistik und das aktuell vorgelegte Nationale Hafenkonzept bestätigt, die Idee der stärkeren Ver-netzung von See- und Binnenhäfen auch organisatorisch konsequent voranzu-treiben. Es wurde vereinbart, eine intermodale Logistikkonzeption für See- und Binnenhäfen zur Umsetzung zu bringen. Die Verbände organisieren hierzu eine Projektgruppe, die konkrete unternehmerische Konzepte zur Netzwerkbildung erarbeitet und daraus gemeinsame politische Anforderungen entwickelt. Die Umsetzung des Hafenkonzeptes wird so nicht nur begleitet, sondern stützt die Forderung der Politik, neue Konzepte im System Wasserstraße zu entwickeln.

Soziale Nachhaltigkeit3.5

Das Heranziehen logistischer Kompetenz an den Standort Binnenhafen verlangt nach einer zukunftsorientierten Entwicklungsperspektive gerade im Flächenan-gebot und gerade hier sehen sich die öffentlichen Binnenhäfen aktuell zunehmend an zahlreichen Standorten konkurrierenden Nutzungsansprüchen ausgesetzt.

Der Binnenhafen muss durch seine Funktionsvielfalt auch ein Kristallisations-punkt für negativ empfundene Emissionen sein. Im Vergleich zur Bewertung und Kartierung von Emissionen im Bereich von Flughäfen liegen heute so genann-te „Footprints“ vor, die den Emissionsteppich darstellen. Auch wenn derartige Footprints für Binnenhäfen nicht existieren, gibt es dennoch Umfeldanalysen, die zu Lärmkontigenten führen, die zwingend zu erfüllen sind. Mit neuen Pro-dukten wie dem 24 Stunden Containerhandling kommen neue Emissionsquellen hinzu – Licht wird zunehmend als negativer Faktor wahrgenommen.

Viele ehemalige Hafenflächen sind bereits zu Büro-, Wohn- und Freizeitimmobi-lien umgewidmet worden, für viele weitere wassernahe Flächen steht eine Um-widmung zumindest in der Diskussion. Diesen alternativen Nutzungsansprüchen aus kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen heraus Platz einzuräumen, kann irreparable Entwicklungen einleiten, die über kurz oder lang sogar dazu geeignet

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sind, den Fortbestand der Häfen und damit ihrer Bedeutung als Standortfaktor in Frage zu stellen.

Fazit 3.6

Um damit an den Anfang zurück zu kommen – hier schließt sich der Kreis. Nicht nur die Logistik erkennt den Standortfaktor Stadthafen. Mit neuen Lebensbil-dern, bei denen sich die Menschen einen „Rückzug“ in die Städte wünschen, stellt die zur Verfügungstellung von Wohnraum in den Städten eine hohe Her-ausforderung dar.

Dabei wage ich die These, dass die Schaffung von Wohn- und Büroraum in Ha-fenarealen Leerstand in anderen städtischen Bereichen schafft, weil es sich ledig-lich um einen „Standortwechsel“ handelt. Ein solcher Standortwechsel ist für die Logistik ausgeschlossen: Ohne den Hafen verliert die Logistik ihre Basis.

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Der Binnenhafen als Gewerbestandort: 4Arbeitsmarkt vs. Stadtverträglichkeit?

Prof. Dr. Markus Hesse, Universität Luxemburg, Lehrstuhl für Stadtforschung, Arbeitsgruppe Geographie und Raumplanung

Agenda und These 4.1

Dieser Beitrag befasst sich mit einem besonderen Aspekt im Verhältnis von Stadt und Hafen: der Bedeutung der Binnenhäfen für städtische Arbeitsmärkte. Nach einer kurzen Einführung werden einige Anmerkungen zum Strukturwandel der Städte folgen, bevor die Rolle der Binnenhäfen für den Arbeitsmarkt angespro-chen werden. Das Ende bilden drei konkrete Schlussfolgerungen.

Was ist die These? Erstens: es handelt sich hier zweifellos um ein relevantes Thema für die Städte, und zwar ganz jenseits der Frage, wo man überall attrak-tives Wohnen am Wasser realisieren kann. Zweitens wurde dieses Thema bisher stark vernachlässigt: es gibt kaum belastbare Informationen, Daten und Wissens-bestände. Dieser Tatbestand an sich ist schon sehr erstaunlich – wo man doch denken könnte, dass es heute kaum ein besseres Argument für diesen oder jenen Sachverhalt gibt als die Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen. Drittens resultieren aus diesen Feststellungen meines Erachtens einige wichtige Schluss-folgerungen für den weiteren Umgang mit diesem Thema: So sollte der Arbeits-markt eine viel größere Rolle in der Diskussion um die Binnenhäfen – speziell im Konflikt um Weiterentwicklung oder Umnutzung – spielen als bisher. Und es muss als Voraussetzung dafür eine valide Datenbasis über die arbeitsmarktpoliti-sche Dimension des Binnenhafens erstellt werden. Nur dann kann die Diskussion überhaupt auf einer zuverlässigen Grundlage geführt werden.

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Städte im Strukturwandel4.2

Was ist der Hintergrund dieser Diskussion? Ein zentraler Punkt ist sicher, dass die Entwicklung der europäischen Städte und vor allem ihrer ökonomischen Ba-sis seit den vergangenen drei bis vier Dekaden eng mit dem Stichwort des sek-toralen Strukturwandels verbunden wird. Damit sind insbesondere der Nieder-gang der Industrie und der Aufstieg des Dienstleistungssektors gemeint. Diese Tendenz ist in unterschiedlicher Ausprägung nahezu in allen Städten vorfindbar bzw. nachweisbar. Wir sprechen heute ja auch über diejenigen Städte, die im Forschungsvorhaben Binnen_Land untersucht werden; Dazu gehört u. a. die Landeshauptstadt Düsseldorf. Abbildung 5 zeigt einige Eckdaten zum sektoralen Strukturwandel seit dem Jahr 1961 in Düsseldorf (Landeshauptstadt Düsseldorf 2007). Es ist ersichtlich, dass enorme Unterschiede zwischen dem produzieren-den Gewerbe und dem Dienstleistungssektor bestehen. Düsseldorf vertritt sicher einen ausgeprägten Fall, ist aber keineswegs singulär für den starken Einbruch der Industrie spätestens seit den 1970er Jahren und den entsprechenden Zuwachs bei den Dienstleistungen.

Aus anderen westdeutschen Städten sind durchaus vergleichbare Entwicklungen dokumentiert; ich nehme die ostdeutschen Städte hiervon einmal aus, da es sich bei der Wende um Strukturbrüche gehandelt hat. Dieter Läpple aus Hamburg hat

Städte im Strukturwandel - Düsseldorf 1961-2005Abbildung 5:

Quelle: Stadt Düsseldorf, LDS NRW

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4 Der Binnenhafen als Gewerbestandort: Arbeitsmarkt vs. Stadtverträglichkeit? 51

sich vor einigen Jahren mit der Entwicklung der Arbeitslandschaft in den west-deutschen Großstädten befasst und einige aufschlussreiche Analysen angestellt. Dabei hat er nicht nur wie üblich Wirtschaftszweige untersucht, sondern auch Tätigkeitsfelder, auf der Basis der Statistik der Berufsgruppen der Bundesanstalt für Arbeit (Läpple 2006).

Für einen Großteil der Verdichtungsräume ergibt sich der Befund, dass die ge-werblichen Arbeitsplätze, die typischer Weise im Industriegebiet ansässig sind, auf dem Rückzug sind. Dies gilt übrigens auch für die Arbeitsplätze in Logistik und Transportwirtschaft, von der man zumindest nicht sagen kann, dass es eine Wachstumsbranche per se ist (vgl. Plehwe/Noppe 2007). Demgegenüber gewin-nen andere unternehmensnahe Dienstleistungen, Forschung und Entwicklung sowie das Gesundheitswesen, wie insgesamt die Dienstleistungsberufe. Je nach dem ökonomischen Profil einer Großstadt sind diese Berufe heute dominant.

Arbeitsmarktfaktor Binnenhafen 4.3

Was heißt dies nun für die Bewertung der Arbeitsplatzangebote, die traditionell an Binnenhafenstandorten vorgehalten werden? Bei der Bestimmung des Ar-beitsmarktfaktors Binnenhafen interessieren uns vor allem zwei Fragen:

in welchen Größenordnungen tragen Binnenhäfen zur Beschäftigung bei, •und wie verändert sich diese Bedeutung im Zeitablauf?

welche Qualifikationsprofile werden dabei von den in Binnenhäfen an- •sässigen Unternehmen nachgefragt, und gibt es jenseits der quantitativen Größenordnungen eine spezifische Bedeutung der Binnenhäfen für solche Tätigkeits- und Berufsfelder, die in der Stadt des Strukturwandels eher auf dem Rückzug sind?

Bei der Klärung dieser Punkte stellen sich zunächst zwei statistische Herausfor-derungen. Erstens: In der amtlichen Statistik lassen sich nur die Erwerbstätigen oder sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze der Verkehrswirtschaft erhe-ben, nicht auch die logistikrelevanten Tätigkeiten in Handel und produzierendem Gewerbe. Im Fall der Binnenhäfen müssen natürlich auch diejenigen Arbeits-plätze mit berechnet werden, die von anderen ansässigen Unternehmen als den Transport- und Logistikbetrieben beigesteuert werden. Dies kann im Grunde nur auf lokaler Ebene erfolgen, nicht anhand der Makrodaten der Statistik.

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Zweitens: In vielen Fällen liegen überhaupt keine Daten zum Umfang der hafen-bezogenen Beschäftigung vor. Nach nicht mehr ganz frischen Zahlen des BÖB waren Anfang bis Mitte der 1990er Jahre in Deutschland zirka 235.000 Beschäf-tigte in den rund 2.800 Unternehmen tätig, die direkt im Hafen oder in hafen-nahen Industriegebieten angesiedelt waren. Hinzu kamen bundesweit rund 3.000 Beschäftigte bei den Hafenbetreibern selbst. Weitere Arbeitsplätze lassen sich im Einzugsgebiet der Binnenhäfen lokalisieren. Die Gesamtheit der direkt oder in-direkt auf die wirtschaftliche Aktivität der Binnenhäfen bezogenen Arbeitsplätze belief sich nach diesen Zahlen insgesamt auf rund 400.000 Beschäftigte (Daten nach BÖB).

Mit diesen Zahlen lässt sich natürlich wenig Beweismaterial zur Lösung lokaler Konflikte liefern. Dies müssen die Hafenunternehmen und -nutzer schon selber beibringen. Beispielsweise liegen mit der von den Neuss Düsseldorfer Häfen GmbH (NDH) veranlassten Planco-Studie dankenswerterweise aktuelle Zahlen vor (PLANCO o. J.). Diese Studie beziffert die direkte Beschäftigungswirkung des Hafens in Düsseldorf auf 5.044 Arbeitsplätze, die indirekte Beschäftigungs-wirkung auf 9.586 Arbeitsplätze. Dies ergibt zusammen ein Beschäftigungsvo-lumen von 14.630 Arbeitsplätzen allein am Standort Düsseldorf. Die Effekte der Standorte Neuss und Krefeld sind ebenfalls in Tabelle 1 zu sehen. Man hat insofern neben den Argumenten der Erreichbarkeit, der Transportsicherheit und des Bestandsschutzes für Gewerbebetriebe und -flächen auch legitime Veranlas-sung, das Argument der Arbeitsmarktpolitik stärker in den Diskurs von Hafen und Stadt einzubringen.

Beschäftigungseffekte der NDHTabelle 1:

Hafen Hafen-wirtschaft

i.e.S.

Hafen-wirtschaft

i.w.S.

Industrie Direkt hafen-

abhängig

Indirekt hafen-

abhängig

Gesamt

Düsseldorf 623 1.151 3.270 5.044 9.586 14.630

Neuss 751 1.522 813 3.086 5.054 8.140

Neuss-Düsseldorf 1.374 2.673 4.083 8.130 14.639 22.769

Krefeld 545 632 4.965 6.142 11.641 17.783

Quelle: PLANCO/NDH

In den planerischen Abwägungsfällen zwischen Bestandssicherung oder Aufga-be bzw. Umnutzung wird zudem – wenn überhaupt … – allein die Anzahl der

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4 Der Binnenhafen als Gewerbestandort: Arbeitsmarkt vs. Stadtverträglichkeit? 53

gewerblichen Arbeitsplätze in Hafen-, Transport- und hafenrelevanten Industrie-betrieben ermittelt und dem Potenzial an „modernen“ Dienstleistungsarbeitsplät-zen gegenübergestellt – und zwar nur dann, wenn solche Primärdaten überhaupt erhoben wurden. Einem solchen Vergleich kann das Hafengewerbe aufgrund völlig anderer Produktivitäten i. d. R. nicht standhalten. Es muss sich prinzipiell aber auch nicht dahinter verstecken.

Auch hier ist nochmal auf das Beispiel Düsseldorf hinzuweisen, man könnte die 5.044 direkt hafenabhängigen sowie die 3.709 indirekt hafenabhängigen Arbeits-plätze mit den 8.400 Arbeitsplätzen, die in den 718 Unternehmen des Medienha-fens Düsseldorf ansässig sind, vergleichen (vgl. Abb. 6). Letzteres hat zumindest eine aktuelle Erhebung der Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt Düssel-dorf auf dem dortigen Gelände identifiziert. Man kann im Licht dieser Daten zurecht die Frage stellen, ob das Wachstum der Dienstleistungszweige (und ihre gefühlte ‚Modernität‘) allein schon hinreichende Kriterien sind, diesen Sektor höher zu gewichten als die gewerblichen Arbeitsplätze im alten Hafen.

Hinzuweisen bleibt auch auf das spezifische Angebot an Arbeitsplätzen. Dies ist ein wichtiger Punkt, denn in vielen Binnenhäfen werden eben noch gewerblich-industrielle Tätigkeiten und Qualifizierungen nachgefragt, die den Städten im Zuge des skizzierten Strukturwandels verloren gegangen sind – vor allem be-dingt durch den Niedergang bzw. die Abwanderung der Industrie. Je mehr diese Arbeitsplätze fehlen, um so stärker müssen die Unternehmen der Transport-, La-

Hafenwirtschaft vs. Medienhafen - Arbeitsplätze im VergleichAbbildung 6:

Quelle: PLANCO/NDH; Wirtschaftsförderung Düsseldorf

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ger- und Umschlagwirtschaft für Kompensation sorgen. Dies gilt prinzipiell für einfache und Hilfstätigkeiten, etwa im Lager-, Verpackungs- und Umschlagbe-reich, wie auch für qualifizierte gewerbliche Arbeitsplätze. Aufgrund der Orien-tierung der Hafenwirtschaft an der Binnennachfrage sind diese Tätigkeiten aber womöglich nachhaltiger (d.h. dauerhafter) als „moderne“ Dienstleistungsarbeits-plätze, die auch modischen Schwankungen unterliegen können. Es gibt sogar die (wenn auch strittige) These, dass heute die Logistik an die Stelle der Industrie getreten ist, wenn es um sogenannte „entry-level“ Jobs geht, also um gering-qualifizierte Tätigkeiten. Solche müssen Städte aber vorhalten, wollen sie nicht einen relevanten Teil der Erwerbspersonen vom Arbeitsleben ausschließen.

Aus stadträumlicher Sicht ist zudem noch wichtig darauf hinzuweisen, dass viele Binnenhäfen die letzten innerstädtischen Standorte für gewerbliche Nutzungen darstellen, die zentral gelegen sowie gut erreichbar sind. Auch in dieser Hinsicht sind sie für den Arbeitsmarkt eine wichtige Reserve. Sie sind logistisch erprobt und zugleich „robust“ gegenüber entsprechenden Belastungen. Dies heißt natür-lich nicht, dass den Anliegern jedwede Belastung durch Immissionen, Licht und Lärm etc. zuzumuten wäre. Doch bietet sich hier im Bestand der gewerblichen Nutzungen ein Potenzial, das die Städte strategisch nutzen sollten. Dies gilt auch verglichen mit den hohen planungs- und umweltrechtlichen Anforderungen, die eine Verlagerung von Hafen- oder Gewerbeflächen an periphere Standorte mit sich bringen würde.

Drei Schlussfolgerungen4.4

Welche Schlussfolgerungen können aus diesen Überlegungen resultieren? Ers-tens: Der städtische Arbeitsmarkt sollte als Faktor in der Abwägung bei Konflik-ten zwischen Hafen und Stadt stärker als bisher gewichtet werden – im Interesse von Stadt und Hafen. Angesichts des großen Nutzungsdrucks, den der Aus- und Umbau der Wasserlagen zu Wohnstandorten, zum Kreativquartier oder zur Mari-na in vielen Städten erzeugt, ist es problematisch, dass gesamtstädtische Fragen wie diejenige des Arbeitsmarktes eher am Rande der Aufmerksamkeit stehen.

Zweitens muss - als Voraussetzung dafür - auf absehbare Zeit das Datenproblem gelöst werden. Wir wissen viel über die Seeschifffahrt, die Seehäfen und auch die

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4 Der Binnenhafen als Gewerbestandort: Arbeitsmarkt vs. Stadtverträglichkeit? 55

Binnenschifffahrt, nicht zuletzt zu Umfang und Veränderung der Erwerbsarbeit. Die Binnenhäfen stehen offenbar nicht nur am Ende vieler Transportketten, son-dern rangieren auch eher am unteren Level in der Ökonomie der Aufmerksam-keit. Vielleicht lässt sich die im Projekt Binnen_Land geschaffene Arbeits- und Kommunikationsstruktur auch dazu nutzen, mehr Licht in den hier herrschenden empirischen Nebel zu bringen.

Kritisch zu reflektieren ist drittens, dass es nur in den seltensten Fällen klare und hinsichtlich ihrer Folgen absehbare Strategien von Stadtplanung und Standort-entwicklung gibt, über die kontrovers zu diskutieren wäre. Der Nutzungswandel vollzieht sich eher schleichend: planerische Umwidmungen erfolgen oft in Aus-baustufen und scheibchenweise. Wenn die Häfen in dieser Situation lieber den Status Quo sichern als offensiv auf Konflikte hinweisen bzw. Bestandsschutz einfordern, dann ist dies politisch durchaus nachvollziehbar. Im Zweifel wird aber eine Eigendynamik in Gang gesetzt, die später kaum zu bremsen ist. Grund-sätzlich problematisch ist, wenn kurzfristige Nutzungsinteressen ohne stadtpla-nerische Abwägung der langfristigen Konsequenzen verfolgt werden. Natürlich „lohnt“ sich nicht für alle Häfen die Strategie des Weiterbetriebs als logistischer Knoten, genauswenig wie es für alle in Frage kommenden Städte automatisch sinnvoll wäre, jede sich bietende Wasserlage nun aufwerten und umnutzen zu wollen. Solche pauschalen Vorstellungen helfen hier nicht weiter.

Sorgfältige, transparente Abwägungsprozesse bilden dagegen eine gute Voraus-setzung dafür, zu allgemein akzeptierten Lösungen zu kommen. Und es kommt zentral darauf an, welche Faktoren in die Abwägung konkurrierender Entschei-dungsalternativen einfließen und wie man diesen Prozess organisiert. Ich habe versucht deutlich zu machen, dass auf dem Feld der Arbeitsmarktpolitik – ebenso wie im Kontext einer städtischen Industrie- und Gewerbepolitik – noch ein Fun-dus von Argumenten verborgen liegt, der zur Bestandssicherung und Weiterent-wicklung vieler Binnenhäfen genutzt werden könnte.

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Quellen4.5

Läpple, D. (2006): Handlungsfeld Ökonomie der Stadt. Verantwortlichkeiten und Kooperationsformen. Vortrag auf dem Kongress „Stadt als Motor von Wachstum und Innovation“, 30./31. Oktober 2006 in Berlin.

Landeshauptstadt Düsseldorf (2007): Daten und Fakten. Der Wirtschaftsstandort Düsseldorf in Zahlen. Düsseldorf.

Landeshauptstadt Düsseldorf. Website zum Wirtschaftsstandort – Medienhafen.

Planco (o. J.): Regional- und gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Häfen Düs-seldorf, Neuss und Krefeld. (unveröffentlicht).

Plehwe, D. u. R. Noppe (2007): Arbeitsmarktentwicklung im Logistiksektor – Bedeutung, Dynamik und (De-) Regulierung der Distributionswirtschaft. In: Z. f. Wirtschaftsgeographie 51 (2), 77-92.

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5 Logistikhub vs. Denkmalschutz 57

Logistikhub vs. Denkmalschutz 5

Peter Stäblein, Geschäftsführer der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (BEHALA)

Kooperation statt Konfrontation5.1

Der Berliner Westhafen hat etwas zu bieten, womit kaum ein Binnenhafen auf-warten kann: Ein denkmalgeschütztes Ensemble von Gebäuden aus den 1920er Jahren. Die großen Lagerhallen atmen Industriegeschichte. Ford ließ dort schon 1926 Autos vom legendären Typ Modell T, auch als Tin Lizzy bekannt, montieren.

Doch was für Hafenbesucher ein Ausflug in die Geschichte ist, macht dem Lo-gistiker Probleme: Der Denkmalschutz hat den Erhalt der Gebäude zum Ziel, die Hafenbetreiber müssen zusehen, dass der Ertrag stimmt. Diesem Zielkonflikt begegnet die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (BEHALA) mit einem Konzept, das nicht auf Konfrontation, sondern auf Kooperation und Weitsicht setzt.

Die BEHALA wurde im Februar 1923 gegründet und betreibt seitdem die Berliner Binnenhäfen mit den an den Standorten befindlichen Lagerhäusern, Immobilien

Lagerhalle II, Montage von Ford-Automobilen (1927-1931)Abbildung 7:

Quelle: BEHALA

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und Freiflächen. Anfang des Jahres 1994 wurde die BEHALA in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt und im Jahr darauf wurden erste Umnutzungen der historischen und für die moderne Logistik ungeeigneten Gebäude im Westha-fen realisiert. So wurde u.a. das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und die Zeitungsabteilung der Staatsbibliothek in den früheren Getreidespeicher verlagert. Im gleichen Jahr erfolgte der Baubeginn für ein neues Bürogebäude und die Eintragung der historischen Bauten in die Denkmalschutzliste.

Von den geschützten Gebäuden im Westhafen wird heute nur noch das Verwal-tungsgebäude für seinen ursprünglichen Zweck genutzt. Die alten Lagergebäude sind zwar groß, aber für die heutigen Anforderungen der Logistikbranche kaum mehr geeignet. Es fehlt an allem, was moderne Lagerhallen auszeichnet: hohe

Der Westhafen um 1930, Becken IIAbbildung 8:

Quelle: BEHALA

Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek im alten Getreidespeicher Abbildung 9:

Quelle: BEHALA

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Tore, Rampengeschosse, die nötige Deckenhöhe für Hochregale und eine ausrei-chende Traglast. Ein zeitgemäßer Umbau scheitert daher nicht nur an den Kos-ten, sondern auch am Denkmalschutz. Bleibt nur die Umwidmung für andere Nutzungen, etwa für hochwertige Büroflächen. Doch auch hierfür muss einiges verändert und gebaut werden, und das geht selbstverständlich nur mit Einwilli-gung der Denkmalpfleger.

Das ist leichter gesagt als getan. BEHALA-Geschäftsführer Peter Stäblein kennt die langwierige Abstimmung mit den Denkmalpflegern: „Da treffen völlig kon-träre Perspektiven aufeinander. Wir als Hafenbetreiber müssen wirtschaftlich arbeiten, und das heißt auch schnell. Denkmalschützer denken in viel längeren Zeitabschnitten.“ Doch Konflikte helfen niemandem, meint Peter Stäblein: „Je-der, der ein denkmalgeschütztes Gebäude vermarkten muss, weiß: Am Denk-malschutzlässt sich nicht rütteln. Was hilft es mir da, wenn ich mich mit den Be-hörden anlege? Das kostet nur Zeit.“ Die BEHALA geht deshalb einen anderen Weg. Seit einiger Zeit entwickeln Mitarbeiter der BEHALA einen Denkmalpfle-geplan für das Areal des Westhafens. Das Besondere an diesem Plan: Er wird von Anfang an in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalschutzbehörde verfasst. Konflikte brechen nicht so leicht aus, wenn beide Seiten an einem Tisch sitzen. Der Plan skizziert auch die Rahmenbedingungen für Gebäude, für die es noch gar keine veränderte Nutzung oder konkrete Planungen gibt. Damit versucht der Ha-

Umbau einer Lagerhalle in BüroräumeAbbildung 10:

Quelle: BEHALA

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fenbetreiber, Verzögerungen durch Denkmalschutzvorgaben zu reduzieren: „Die Erfahrung zeigt: Je schneller wir mit dem Denkmalschutz in einen Dialog treten, desto günstiger wird ein Projekt für uns.“ Mithilfe des Denkmalpflegeplans kann die BEHALA also schon heute einschätzen, welche Probleme bei künftigen In-vestitionen auftreten können und kann frühzeitig darauf reagieren. Auch wenn es die Arbeit des Geschäftsführers nicht einfacher macht, erkennt Stäblein durchaus den Reiz des geschützten Ensembles: „Der Immobilienmarkt in Berlin ist längst übersättigt. Nur wer etwas Besonderes bieten kann, hat da noch eine Chance. Ein Büroloft in einem Lagergebäude aus den Zwanzigern, und das inmitten des Hafengeländes – das ist außergewöhnlich. Eine vergleichbare Location gibt es in ganz Berlin nicht.“ Dabei ist aber auch klar: Wer als Mieter Hafenromantik möchte, darf sich nicht am Logistikbetrieb auf dem Gelände stören.

Denkmalpflegeplan5.2

Durch seine zum Großteil noch original vorhandene Bausubstanz und vor al-lem wegen dem historischen Ensemble um das Becken II ist der Westhafen in seiner Geschlossenheit und noch heutigen Nutzbarkeit deutschlandweit einzig-artig. Das war der Anlass für das Landesdenkmalamt Berlin, dem Fachbereich Denkmalschutz des Bezirksamtes Mitte und der BEHALA die Belange von Denkmalschutz und Denkmalpflege sowie die betrieblichen und wirtschaftlichen

Umbau einer Lagerhalle zum BüroloftAbbildung 11:

Quelle: BEHALA

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5 Logistikhub vs. Denkmalschutz 61

Erfordernisse des Betriebes des innerstädtischen Hafens und Logistikzentrums in Einklang zu bringen und im Denkmalpflegeplan festzuschreiben.

Dieser ist in die Hauptbereiche A (Bestandsaufnahme) und B (Planungs- und Handlungskonzept) gegliedert und umfasst die folgenden Teile:

Teil I:

Verkehrsanlagen (Straßennetz/Schienennetz/Binnenschifffahrtswege)

Teil II:

Bedeutsame Hochbauten

Originalbauten bis 1923 (Verwaltungsgebäude, Lagerhallen 1-3; Getreide-speicher, Wirtschaftsgebäude, Zollspeicher, Badehaus, Werkstatt, Meisterhaus)

Teil III:

Kai- und Krananlagen, technische Denkmäler

Teil IV:

Beschilderung, Beleuchtung, Werbeanlage

Teil V:

Weichbild

Die Teile I, IV und V sind bereits abgeschlossen. Die Teilbereiche „Kaimauern“ und „freistehende Krananlagen“ sind ebenfalls fertig gestellt. Der Teilbereich „historische Kräne und gebäudeseitige Krananlagen“ ist noch offen. Hier wird eine Zusammenarbeit mit den Fachbereichen Restauration und Stahlbau der FHTW Berlin angedacht. Es ist geplant, im Rahmen von Diplomarbeiten Res-taurations- und Tragfähigkeitsgutachten für die Zustandsbeurteilung und spätere Restaurierung zu erstellen. Der Teil II ist derzeit in Arbeit. Begonnen wurde hier mit dem Verwaltungsgebäude und der Lagerhalle 1. Alle weiteren Gebäude fol-gen nach und nach.

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Somit eröffnet der Denkmalpflegeplan die Möglichkeit der zukünftigen nut-zungsbedingten Umstrukturierung auf dem Westhafengelände unter Berücksich-tigung und Einbeziehung der historisch wertvollen Bausubstanz.

Das Beispiel der BEHALA macht einmal mehr deutlich wie wichtig die Kommu-nikation zwischen den verschiedenen Seiten ist und dass Kooperation weitsich-tiger ist als Konfrontation.

DenkmalpflegeplanAbbildung 12:

Quelle: BEHALA, B-Plus Planungs AG

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6 Perspektive Hafen Düsseldorf – zwischen Wirtschaftshafen und ... 63

Perspektive Hafen Düsseldorf – zwischen 6Wirtschaftshafen und Medienhafen

Michael Happe, BKR Essen

Seitdem in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts am Berger Hafen in Düsseldorf der Landtag, ein Fernsehturm und der WDR angesiedelt wurden, war die Umwidmung mehr oder weniger großer Abschnitte des Wirtschaftshafens zu einem „Medienhafen“ ein kommunalpolitisches Thema erster Güte. Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hatte bereits im Jahr 1976 auf der Grundlage ei-nes Hafengutachtens beschlossen, etwa 19 Hektar des Wirtschaftshafens in zwei Freistellungsphasen umzuwandeln. Später kam als dritte Freistellungsphase die Speditionsstraße hinzu. Nach ersten Teiluntersuchungen des BKR Essen in den 1990er Jahren, nach anhaltenden Diskussionen um die Nutzung von bestimmten Bereichen des Hafens und aufgrund der dynamischen Entwicklung des Medien-hafens bedurfte der bisherige Konsens zur Hafenentwicklung einer Modifizie-rung. Im Frühjahr 2001 beschloss der Stadtrat ein Gutachten über die Zukunfts-aussichten des Hafens in Auftrag zu geben. Deshalb wurde im Jahr 2001 von den Stadtwerken Düsseldorf (als Eigner des Wirtschaftshafens) in enger Abstimmung mit der Stadtverwaltung, deren Spitze den Medienhafen forcieren wollte, ein Gutachten an die Arbeitsgemeinschaft BKR Essen / PLANCO Consult vergeben, um räumliche Gesamtkonzepte zu untersuchen und unter wirtschaftlichen, städ-tebaulichen und umweltbezogenen Aspekten zu bewerten.

Ziel der Untersuchung6.1

Der Düsseldorfer Hafen ist seit über 100 Jahren ein wichtiger Bestandteil der Güterversorgung der Wirtschaftsregion. Außerdem stellt er mit der von ihm er-wirtschafteten Wertschöpfung und der von ihm induzierten Beschäftigung einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Seine Rolle in dem sich wandelnden wirt-schaftlichen Umfeld gilt es neu zu bestimmen. Der Düsseldorfer Hafen besitzt eine verkehrswirtschaftlich günstige Lage am Niederrhein mit guter Anbindung an die Rheinmündungshäfen. Zusätzlich liegt er an der Bahnstrecke zwischen

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Antwerpen und Hannover. Auch der Straßenanschluss mit Nähe zu den Bun-desautobahnen A 52, A 57, A 46 und A 3 machen seine Bedeutung als regionaler Verkehrsknotenpunkt deutlich. Der Düsseldorfer Hafen erfüllt sämtliche Voraus-setzungen eines trimodalen Güterverkehrszentrums. Gleichzeitig besteht durch die Nähe zur Innenstadt ein Wettbewerb zwischen der originären Hafennutzung und den Nutzungen durch den tertiären Sektor um Flächen des Haupthafens.

Die Erschließung des Medienhafens macht das Standortpotential des Hafens für Wohnen und Arbeiten am Wasser deutlich. Ein solcher Standort mit entsprechend attraktiver Architektur stellt einen wichtigen Imagefaktor für die Stadt Düssel-dorf dar. Mit dem Bericht „Perspektiven für den Düsseldorfer Hafen“ wurde im Jahr 1992 ein Interessenausgleich zwischen diesen Nutzungsarten formuliert, der im Jahr 1997 aktualisiert wurde. Diskussionen um eine Ausweitung der Nutzung durch den tertiären Sektor und der Möglichkeit, das Wohnen auf dem Hafenge-lände zu etablieren, erforderten im Jahr 2001 eine neue Analyse der Situation sowie die Entwicklung einer längerfristigen Perspektive. Hierbei mussten neben dem Ausdehnungspotential des Medienhafens auch die bestehenden Potentiale der Hafenwirtschaft und deren Entwicklungsmöglichkeiten in der Analyse be-rücksichtigt werden.

Das Ziel der Untersuchung war es, eine Bewertung verschiedener Entwicklungs-varianten des Düsseldorfer Haupthafens aus wirtschaftlicher, städtebaulicher und ökologischer Sicht vorzunehmen und daraus Handlungsempfehlungen für die zukünftige Nutzung abzuleiten. Insbesondere wurde herausgearbeitet, wie die Flächennutzung in dem Sinne optimiert werden kann, dass ein Interessenaus-gleich zwischen der Ansiedlung des tertiären Sektors mit Wohnen am Wasser auf der einen Seite, und der Nutzung als Wirtschaftshafen bzw. auch der teilweisen Nutzung als Industriegebiet für Unternehmen mit hafenaffiner Produktion auf der anderen Seite gefunden werden kann.

Ausgangslage6.2

Aufgrund der gewachsenen Struktur des Düsseldorfer Hafens eignet sich dieser Standort für eine Nutzung als Wirtschaftshafen. Er ist für hafengebundene, ge-werbliche und industrielle Nutzungen der einzige Standort in Düsseldorf, da der Reisholzer Hafen in Richtung hochwertiger, nicht wesentlich störender Betriebe umstrukturiert wird bzw. werden soll. Für hafengebundene Industrie- und Ge-

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6 Perspektive Hafen Düsseldorf – zwischen Wirtschaftshafen und ... 65

werbebetriebe steht im Düsseldorfer Stadtgebiet kein Alternativstandort zur Ver-fügung. Der Haupthafen bietet mit modernen Umschlaganlagen, insbesondere mit dem trimodalen Umschlag Wasser – Bahn – Straße, der mit der Erweiterung der Düsseldorfer Container-Hafen GmbH (DCH) und dem Ausbau des TTD noch wesentlich leistungsfähiger werden soll, beste Voraussetzungen für einen Wirt-schaftshafen. Problematisch ist die Straßenanbindung; bei einer prognostizierten Zunahme des Straßengüterverkehrs um 40 Prozent bis zum Jahr 2015 stößt diese bisher einzige Straßenanbindung an ihre Grenzen. Für den Wirtschaftshafen ist eine zweite Hafenerschließung angesichts der zu erwartenden Entwicklung des Umschlags im Haupthafen und der Entwicklung in der bestehenden Medienmei-le unumgänglich.

Wirtschaftliche Bedeutung des Hafens 6.3

Im Rahmen der Analysen wurden u.a. alle im Hafen ansässigen Betriebe erfasst, ferner wurde eine Betriebsbefragung durchgeführt. Die hafenabhängigen Betrie-be sind großflächig im Hafen angelegt und benötigen großzügige Lager- oder Produktionsflächen. Bei Wegfall des Düsseldorfer Wirtschaftshafens entfielen insgesamt 4.722 Arbeitsplätze, das heißt 76 Prozent der erfassten Beschäftigten. In der Region Düsseldorf entfielen 2.193 Beschäftigte, d.h. 69 Prozent der durch Hafenanlieger generierten Arbeitsplätze. Die Bruttowertschöpfung (BWS) im Hafen betrug im Jahr 2001 134 Millionen €, davon 62 Prozent durch hafenab-hängige Betriebe. Die regionalen Beschäftigungswirkungen manifestieren sich in einer hafenbedingten BWS, die im Umland nochmals um 75 Prozent höher ist, z.B. bei der Papierversorgung der Region. Bis zum Jahr 2015 ergeben sich so-wohl für den Containerumschlag im Düsseldorfer Hafen (+50 Prozent) als auch für den Stückgutumschlag (+57 Prozent) bemerkenswerte Perspektiven, die bei Entscheidungen über die zukünftige Funktion des Hafens berücksichtigt werden müssen.

Stärken und Schwächen des Standortes6.4

Aufgrund seiner Lagegunst eignet sich der Standort aus städtebaulicher Sicht für unterschiedliche Nutzungen. Vorstellbar ist die Beibehaltung des heutigen Wirtschaftshafens, aber auch eine (teilweise) Entwicklung des Hafens zu einem

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Büro- bzw. Wohnstandort oder zu einem gemischt genutzten Quartier. Die Eig-nung der Flächen zur Umnutzung wird durch Rahmenbedingungen wie z.B. das Kraftwerk Lausward im Westen bestimmt, das im Rahmen des Gutachtens als fixe Größe betrachtet wurde. Wesentliche Voraussetzung für Umnutzungen im Hafen, der an der Grenze des Kraftwerks endet, ist, dass die zu entwickelnden Bereiche in ausreichender Entfernung zum Kraftwerk liegen müssen, um nicht in den Einwirkungsbereich von Umweltbelastungen durch das Kraftwerk zu kom-men. Gleiches gilt für emittierende Betriebe, die im Wirtschaftshafen ansässig sind und nicht ohne weiteres verlagert werden können.

Bei der Eignung des Hafens als Bürostandort bietet der Hafenstandort gegenüber anderen Schwerpunkten für Bürostandorte in der Stadt Düsseldorf die einmalige Möglichkeit, neben der Medienmeile weitere Büroflächen am Wasser mit einem großen Imagewert und eigenem Profil in relativer Innenstadtnähe zu realisieren. Im Düsseldorfer Stadtgebiet gibt es augenblicklich keinen weiteren Standort für eine Büroflächenentwicklung am Wasser, der jetzige Medienhafen ist diesbezüg-lich ein Standort mit Alleinstellungsmerkmalen in Düsseldorf. Bei einer insge-samt expansiven Entwicklung des Büroflächenmarkts zeigten die Erfahrungen aus anderen Freistellungsbereichen, dass der Markt an diesem Standort mit sei-nem Preisniveau und dem angestrebten Branchenmix mehr als 10.000 qm BGF pro Jahr nicht aufnimmt.

Eine großflächige reine Büronutzung neben der schon bestehenden einseitigen Struktur der Medienmeile wäre jedoch nicht wünschenswert für den Standort und das angrenzende Stadtviertel Unterbilk, da die Gefahr einer „toten Stadt“ vor allem in den Abendstunden und am Wochenende besteht, mit Folgen für die Sicherheit, Aufenthaltsqualität, einseitige Auslastung der Infrastrukturen usw. Das städtebauliche Ziel der Stadt Düsseldorf ist es daher, ein gemischt genutztes Quartier am Wasser zu planen, welches sowohl Wohn- als auch Büronutzungen, Gastronomie und stadtteilbezogene Läden integriert.

Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist es jedoch, die verkehrliche Erreichbar-keit des Standorts deutlich zu verbessern. Durch die Nutzungsintensivierung wäre eine erhebliche Zunahme des Quell- und Zielverkehrs zu erwarten, der mit den heutigen MIV- und ÖPNV-Verkehrsnetzen nicht bewältigt werden kann. Für eine weitergehende Umnutzung der Hafenflächen wäre eine gesonderte Erschlie-ßung für den Individualverkehr ebenso erforderlich wie eine leistungsfähige ÖPNV-Linie.

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Zur Eignung des Hafens als Wohnstandort wurde festgestellt, dass sich die wei-ter vom Kraftwerk entfernten Flächen des Hafens für eine Wohnnutzung eignen. Neben der direkten Lage der Wohnungen am Wasser ist auch die Nähe zur In-nenstadt und zum Erholungsgebiet Rheinaue sowie Rheinpark Bilk ein großer Lagevorteil. Die Stadt Düsseldorf verfügt zwar über schon bestehende Stadtteile am Wasser, diese Standorte verfügen jedoch, im Gegensatz zu den Flächen des Haupthafens, über keine direkte Lage am Wasser, ihnen vorgelagert sind Hoch-wasserschutzdeiche und das Vorland des Rheins. Der Hafenstandort hat somit auch eine Alleinstellungsfunktion als direkter Wohnstandort am Wasser.

Allerdings gibt es zwei wesentliche Restriktionen für einen Wohnstandort Ha-fen. Ein reines oder allgemeines Wohngebiet wäre angesichts der betrieblichen Gegebenheiten vieler Betriebe im Hafen nur mit einem sehr hohen Aufwand zu realisieren. Eine Nutzungsmischung von Wohnen und Arbeiten im Rahmen ei-nes MI/MK-Gebiets ist wesentlich leichter einzufügen, allerdings müssen dabei bestehende Immissionskonflikte durch Lärm, Staub- und Geruchsbelastungen im östlichen Hafenbereich gelöst werden. Durch die Nutzungsintensivierung ist eine erhebliche Zunahme des Quell- und Zielverkehrs zu erwarten, der mit den vorhandenen MIV- und ÖPNV- Verkehrsnetzen nicht bewältigt werden kann.

Aus wirtschaftlicher Sicht liegen die Stärken des Düsseldorfer Haupthafens in den guten Serviceleistungen, sowohl im Bereich der Stückgutlogistik wie auch des Containerverkehrs. Weitere Stärken liegen in der Automobillogistik sowie im Bereich des Altmetallhandels. Wichtige Potenziale stellen die geplante Ter-minalerweiterung des Containerterminals und der Ausbau des Hafens zum trimo-dalen Güterverkehrszentrum dar. Eine weitere Chance ist die weitere Etablierung der Automobillogistik.

Neben den Hauptschwächen des Düsseldorfer Hafens, des fehlenden Angebots an überregionalen Güterzügen und der schlechten straßenverkehrlichen Erschlie-ßung, sind die fehlende Ausdehnungsmöglichkeiten und der hohe Anteil an nicht hafengebundenen Unternehmen als Schwächen anzuführen.

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Szenarien zur Entwicklung des Düsseldorfer 6.5Haupthafens

Es wurden Szenarien für die Bereiche erstellt, die grundsätzlich für eine Um-nutzung unter den dargestellten Voraussetzungen in Frage kommen. Im Einver-nehmen mit den Stadtwerken und der Stadt Düsseldorf wurden vier Szenarien mit inhaltlichen Schwerpunkten definiert, die jeweils mögliche Endstufen einer Umnutzung von Teilen des Wirtschaftshafens darstellen, wobei für zwei Sze-narien alternative Entwicklungsmöglichkeiten in die Überlegungen einbezogen wurden. Im Gutachten wurden folgende Szenarien modelliert:

Szenario 1 • zeigt die Entwicklung des Gebiets Kesselstraße zu einem einge-schränkten Gewerbegebiet für Dienstleistungsbetriebe, in dem Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude zulässig sind.

Szenario 2 • beinhaltet die Entwicklung der Kesselstraße zu ei-nem Mischgebiet und eingeschränktem Gewerbegebiet, in dem

Perspektiven für den Düsseldorfer Hafen – Szenario 3bAbbildung 13:

Quelle: BKR Essen / PLANCO Consult: Perspektiven für den Düsseldorfer Hafen, Essen 2001

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Wohnen und Arbeiten ermöglicht werden. Szenario 2 (optimiert) stellt die Entwicklung der Kesselstraße mit Wohnen und Arbeiten sowie die Umnutzung des Ostteils der Weizenmühlenstraße für Büronutzungen vor.

Szenario 3a • beinhaltet die Umnutzung von Kesselstraße und Teilen der Weizenmühlenstraße sowie der Bremer Straße hin zu Büros und Wohnnutzung.

Die Variante 3b • zeigt die Entwicklung der Kesselstraße und teilweise der Bremer Straße mit Wohnungen und Büros sowie die Umnutzung des Ost-teils der Weizenmühlenstraße für Büros.

Version 3c • stellt die Umnutzung der Kesselstraße, der Weizenmühlenstra-ße und der Spitze der Bremer Straße komplett mit Wohnungen und Büros dar.

Szenario 4 • zeigt die konsequente Entwicklung des gesamten Wirtschafts-hafens zur Medienmeile.

Die perspektivische Entwicklung des Düsseldorfer Hafens wurde anhand dieser vier Szenarien mit den jeweiligen Alternativen vorgestellt, bestehend aus

Entwicklungszielen für die Teilbereiche, •

Voraussetzungen zur Erreichung des Ziels, •

den zu erwartenden räumlichen Situationen und •

den Mengengerüsten als Grundlage zur Abschätzung der Auswirkungen. •

Ein wesentliches Ergebnis der Szenarien ist, dass die verkehrstechnische Er-reichbarkeit des Standorts Hafen deutlich verbessert werden muss. Das gilt sowohl für den Individual- als auch für den Öffentlichen Personennahverkehr. Neben dem Ausbau von Straßen im Hafengebiet sehen die Planungsvorschläge auch neue Brücken über die Hafenbecken für Straßenbahn, Autos, Radfahrer und Fußgänger vor. Die Straßenbahn sollte aus der Franziusstraße heraus westwärts verlängert werden.

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Bewertung der Szenarien: Beispiel Szenario 3b6.6

Anschließend wurden die Szenarien städtebaulich-umweltbezogen sowie regio-nal- und volkswirtschaftlich bewertet.

Städtebaulich-umweltbezogene Bewertung

„Insgesamt kann bei diesem Szenario eine deutliche städtebauliche Aufwertung erfolgen, indem ein neues Quartier am Wasser (Speditionsstraße, Kesselstraße und Bremer Straße) mit einer lebendigen Mischung von Wohnen und Arbeiten, Gastronomie und Läden auf einer Fläche von 15,5 Hektar entsteht. An der Wei-zenmühlenstraße werden neue Bürogebäude und alte Mühlen nebeneinander bestehen, sicherlich teilweise mit Qualitätseinbußen. Die exponierte Lage der Bremer Straße und der Weizenmühlenstraße lassen jedoch bei einer attraktiven Architektur einen nachhaltigen Imagegewinn für die Stadt erwarten. Insgesamt werden ca. 630 Wohnungen für 1.250 Einwohner (ca. 20 Prozent der BGF) ent-stehen. Auf einer Bruttogeschoßfläche von 260.000 qm wird Raum für 6.500 Arbeitsplätze geschaffen. Der Wirtschaftshafen wird durch die Freistellung nur in eingeschränktem Maß geschwächt: er verliert 14,5 Prozent seiner Fläche. Alle Mühlen bleiben erhalten, alle zu verlagernden Betriebe können Ersatzstandorte finden bis auf einen hafenabhängigen Kleinbetrieb. Zwar rückt das Wohnen an einige der Betriebe näher heran, die Einschränkungen hinsichtlich ihrer Emis-sionsspielräume hinnehmen müssen, doch ist davon auszugehen, dass dies mit Immissionsschutzmaßnahmen – ohne weitere Verlagerungen – zu erreichen ist. Es werden zusätzlich 25.000 Kfz-Fahrten auftreten, für die eine zusätzliche vier-spurige Erschließung erforderlich wird. Die Verkehrserzeugung ist erheblich, die Verkehrsemissionen kompensieren gewerbliche Umweltentlastungen. Eine ÖPNV-Anbindung wird im gleichen Umfang notwendig wie bei Szenario 3a.“

Aus regionalwirtschaftlicher Sicht waren die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, die Bruttowertschöpfung und die Versorgungsfunktion des Hafens herauszuarbei-ten und den Investitionskosten der jeweiligen Maßnahmen gegenüberzustellen.

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Regionalwirtschaftliche Bewertung

„In Szenario 3b werden die regionalwirtschaftlichen Kosten gegenüber Szenario 3a deutlich gesenkt. Dennoch muss, selbst wenn man von einer weitgehenden Verlagerung innerhalb des Hafens ausgeht, mit einem wenn auch geringfügigen Verlust an Arbeitskräften gerechnet werden. Allerdings kann die Nachfrage nach Büroflächen ebenso wie in Szenario 2 langfristig unter Inkaufnahme eines höhe-ren Vermarktungsrisikos befriedigt werden. Die Arbeitsplatzverluste werden mit jährlichen Kosten von 0,1 Millionen € bewertet. Bruttowertschöpfungsverluste sind in Höhe von 0,8 Millionen € zu verzeichnen. Die Einschränkung der Versor-gungsfunktion entspricht der des Szenarios 2 optimiert. Die Investitionskosten sind mit 29 Millionen € mehr als doppelt so hoch wie in Szenario 1.“

Ferner wurde für jedes Szenario eine volkswirtschaftliche Nutzen-Kosten-Analyse durchgeführt, außer für Szenario 4, welches die vollständige Aufgabe des Wirtschaftshafens bedeutet hätte. Im Rahmen der Nutzen-Kosten-Analyse wurde der Imagegewinn durch Bodenpreissteigerungen durch Umwidmung von Hafenflächen zu einem Bürostandort bzw. einem Mischgebiet mit Wohnen quan-tifiziert. Für den Fall, dass für eine Maßnahme hafenabhängige Betriebe aus dem Düsseldorfer Hafen heraus verlagert werden müssen, wurde angenommen, dass diese zum Duisburger Hafen verlagert werden, weil dieser die größten Flächen-reserven hatte.

Im Ergebnis zeigte sich, dass Nutzen-Kosten-Verhältnisse > 1 bei optimierten Maßnahmen in allen 4 Szenarien erzielt werden können. Die Gutachter veran-schlagen z.B. bei Szenario 3b Investitionen in Höhe von 29 Millionen Euro. Sie rechnen im Gegenzug - dank der Änderung der Nutzung - mit einer Steigerung des Bodenpreises von 44 Millionen Euro.

Zusammenfassende Einschätzung der Gutachter6.7

Der Vergleich zwischen den Szenarien zeigte, dass aus gutachterlicher Sicht insgesamt nur eine Entscheidung zwischen den Szenarien 2 optimiert und 3b in Frage kam. Die Szenarien 1 und 2 greifen aus städtebaulicher Sicht zu kurz und bieten keine längerfristige Perspektive für die Medienmeile. Szenario 4 ver-drängt den Wirtschaftshafen völlig, ohne auf der ganzen Fläche gut vermarktbare

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Flächen für Wohnen und Arbeiten zu erzeugen, und schafft kaum bewältigbare Verkehrsprobleme.

Auf längere Sicht, mit einer Perspektive bis zum Jahr 2040, sind auch Kombina-tionen aufeinander aufbauender Szenarien denkbar. Dabei sollten aber nur Zwi-schen- und Endzustände in Betracht gezogen werden, welche die Ziele erfüllen und insbesondere wirtschaftlich sinnvoll sind.

Eine mögliche Entscheidung sollte jedoch auch das Ziel verfolgen, die Risiken von Umnutzungen möglichst gering zu halten. Hierbei sind vor allem folgende betriebliche Umweltrisiken, Vermarktungsrisiken, Umsetzungsrisiken und spezi-fische Hafenrisiken zu beachten. Bei einer Realisierung des Szenarios 2 werden die hafenwirtschaftliche Belange am geringsten gestört, weshalb aus gutachterli-cher Sicht das Szenario 2 mit relativ geringen Eingriffen in den Wirtschaftshafen favorisiert wurde.

Aus städtebaulicher Sicht erreichte das Szenario 3b städtebaulich fast die Vorteile von 3a, die Eingriffe in den Wirtschaftshafen sind jedoch erheblich geringer, weil weniger Fläche in Anspruch genommen wird, keine hafengebundene Betriebe verdrängt werden und eine aufwendige Verlagerung der Mühlen vermieden wird. Im Unterschied zum Szenario 2 opt. wird die Spitze der Landzunge der Bre-mer Straße in die Umnutzung einbezogen, die ein herausragendes Potential als Wohnstandort besitzt. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wird hiermit das zweit-beste Nutzen-Kosten-Verhältnis erreicht.

Den Empfehlungen gemäß wurde abschließend ein zweistufiges Baustufenkon-zept für die Entwicklung des Düsseldorfer Haupthafens skizziert. Es realisiert zunächst die Maßnahmen des Szenarios 2 und die Hafenerschließung (bis Ende 2006) und verfolgt anschließend die weiteren Maßnahmen gemäß Szenario 3b.

Der weitere Fortgang6.8

Das 2001 fertiggestellte Gutachten stieß auf breite Zustimmung bei den Auf-traggebern, der Düsseldorfer Wirtschaft und auch im Stadtrat. Aufbauend auf den gutachterlichen Untersuchungen wurden 2003 Aufstellungsbeschlüsse für 4 Bebauungspläne gefasst, die den gesamten Bereich des Hafens abdecken. Die verbindliche Bauleitplanung für den Hafen soll Planungssicherheit für die vor-

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6 Perspektive Hafen Düsseldorf – zwischen Wirtschaftshafen und ... 73

handenen Betriebe gewährleisten und andererseits die Entwicklung im Hafen zügig voran bringen. Seit dem Frühjahr 2004 liegt ein Bebauungskonzept für die Kesselstraße vor, das in den Planverfahren diskutiert und verfeinert wurde.

Heute stellt die Stadt Düsseldorf die Hafenentwicklung wie folgt dar:

„Seit 1976 werden Teile des Düsseldorfer Hafens in Entwicklungsphasen umgewandelt:

Berger Hafen/Zollhafen Entwicklungsphase 1: Umwandlung ist •abgeschlossen.

Handelshafen/Hammer Straße Entwicklungsphase 2: Die Umwand- •lung im Mediengebiet ist bis auf den Bau einzelner Projekte nahezu abgeschlossen.

Hafen Speditionstraße Entwicklungsphase 3: Die Planung der Um- •wandlung ist weit fortgeschritten, die Bauprojekte auf der Ostseite der Speditionstraße weitgehend realisiert. Für die Westseite läuft das Bebauungsplanverfahren.

Hafen Kesselstraße Entwicklungsphase 4: Der Bebauungsplan für die •Kesselstraße ist mit der Ausweisung Mischgebiet für Wohn-, Büro- und Gewerbenutzung im Verfahren.“

EntwicklungsphasenAbbildung 14:

Quelle: Stadt Düsseldorf

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Synergien zwischen Stadt und Hafen 7

Hans-Peter Hadorn, Direktor Schweizerischen Rheinhäfen Sabine Villabruna-Behring, Stv. Leiterin Areal und Hafenbahnen, Schweizeri-schen Rheinhäfen

Schweizerische Rheinhäfen im Dreiländereck7.1

Die Schweiz ist eine hochentwickelte Industrienation mit einem der höchsten Wirtschaftsaufkommen pro Kopf weltweit. Sie ist außerdem das einzige Binnen-land der Welt, das über eine eigene Hochseeflotte verfügt. Und mit dem Rhein hat sie eine wichtige Wasserstraße für die Binnenschifffahrt.

Die Transportleistung für die Schweiz beträgt knapp 5 Milliarden Tonnenkilo-meter, was mehr als die Hälfte der von den SBB jährlich erbrachten Güterver-kehrsleistung entspricht. In den Schweizerische Rheinhäfen werden jährlich über 7 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen. Dies sind zwischen 12 Prozent und 13 Prozent der gesamten schweizerischen Güterimporte. Die Grundlage für den freien Zugang der Schweiz zum Meer bildet die sogenannte «Mannheimer Akte» von 1868 (revidiert 1963). Sie gewährt der Schweiz im ganzen Rheinstromge-biet und teilweise darüber hinaus volle Verkehrsrechte. So gilt der Rhein bis zur Mittleren Brücke in Basel als internationales Gewässer.

Drei Hafenteile bilden die Schweizerischen Rheinhäfen: Kleinhüningen, Birsfel-den und Muttenz-Au. Sie sind optimal an das europäische Strassen- und Schie-nennetz angebunden und bieten somit beste Voraussetzungen für zuverlässige und leistungsfähige Logistikketten.

Kleinhüningen: Auf dem rechten Rheinufer befinden sich die Hafenbecken I und II sowie ein Wendebecken. Der Hafenteil in Kleinhüningen verfügt über drei Containerterminals von wachsender Bedeutung. In Kleinhüningen werden aber auch klassische Trockengüter wie z.B. Stahl, Aluminium, Buntmetalle sowie flüssige Treib- und Brennstoffe umgeschlagen und gelagert.

Birsfelden: Der linksrheinische Birsfelder Hafenteil ist auf den Umschlag und die Lagerung von Stahl und anderen Metallen im Verbund mit Produktionsan-

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7 Synergien zwischen Stadt und Hafen 75

lagen spezialisiert. Ferner dient dieser Hafenteil dem Verkehr mit weiteren Tro-ckengütern, Containern und Mineralölerzeugnissen.

Muttenz-Au: Im linksrheinischen Hafenteil Muttenz-Au werden insbesondere flüssige Treib- und Brennstoffe umgeschlagen und gelagert. Ferner dient dieser Hafenteil dem Verkehr mit Speiseöl sowie Dünger, Tonerde, Getreide und ande-ren Trockengütern. Eine Spezialität bildet die Bearbeitung von Schwergut.

Hafenteil KleinhüningenAbbildung 15:

Quelle: Eigenes Foto

Hafenteil BirsfeldenAbbildung 16:

Quelle: Eigenes Foto

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St. Johann: Der linksrheinische Hafen St. Johann wird seit dem 01.01.2010 rück-gebaut und die Hafenfunktionen wurden auf die anderen Hafenteile verlagert.

Raus aus der Sackgasse7.2

Auch wenn es in der Diskussion um das Minarettverbot etwas in den Hintergrund gerückt ist: Fast zweihundert Jahre Neutralität haben die Schweizer zu Meistern der Diplomatie gemacht. Entsprechend geschickt gingen die Schweizerischen Rheinhäfen Basel mit der Frage um, wie sich aus dem Zielkonflikt zwischen Stadtplanung und Hafen ein gemeinsames Interesse entwickeln lässt. Die Ant-wort darauf kann vielen anderen Hafenstandorten als Vorbild dienen.

Gentrifizierung ist ein gesamteuropäisches Phänomen und führt europaweit zu einer Umnutzung und Neuplanung von ungenutzten Hafenarealen und ufernahen Flächen. Auch in der Schweiz fordern Stadtplaner den Zugriff auf Flächen ent-lang des Rheins für Wohnbebauung und als Dienstleistungsstandorte und kon-kurrieren damit mit der Nutzung für Hafenindustrie und -logistik. Ein weiterer Konfliktpunkt: Was Stadtplaner für nutzlose Brache halten, ist für Hafenlogisti-ker vielfach die dringend benötigte Erweiterungsfläche. Stadtplaner verweisen

Hafenteil Muttenz-AuAbbildung 17:

Quelle: Eigenes Foto

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7 Synergien zwischen Stadt und Hafen 77

wiederum gerne auf Ersatzflächen am Rande der Stadt. Für Hafenlogistiker stellt dies keine realisierbare Alternative dar. Sie kontern mit langen Planungszeiten und verweisen darauf, dass innenstadtnahe Häfen nicht nur eine wichtige über-regionale Funktion besitzen, sondern immer stärker auch der Distribution von Gütern in die City dienen – umso mehr, seit Lkw zunehmend aus den Innenstäd-ten verbannt werden.

Hans-Peter Hadorn, Direktor der Schweizerischen Rheinhäfen Basel, kennt die-se Streitpunkte – und es ist klar, auf welcher Seite er steht. Doch er weiß auch, dass eine reine Abwehrhaltung nicht zum Ziel führt. „Der alte Weg des Konflikts, der vielerorts noch gegangen wird, führt in die Sackgasse“, schätzt er ein. „Er-folgversprechender ist es, gleichgerichtete Interessen zu erkennen und sich dann gemeinsam an einen Tisch zu setzen.“ Die Schweizer setzen also auf Diplomatie – es gilt nicht mehr, sich gegen jede Form von Veränderung zu wehren, sondern zu erforschen, wo sich Synergieeffekte nutzen lassen. Hadorn: „Wir haben im-mer versucht, beide Seiten, Hafen und Stadtentwicklung zu betrachten. Dabei haben wir festgestellt, dass es gerade bei der Vermeidung von Lkw-Verkehr in der Stadt mehr gemeinsame Interessen gibt als oft vermutet.“

Die besonderen politischen Rahmenbedingungen der Schweiz kommen ihm hier-bei zu Gute. Die Güterverkehrspolitik in der Schweiz ist sehr verlagerungsorien-tiert. Die Politik hat ein großes Interesse daran, Gütertransporte von der Straße auf andere Verkehrsträger umzulenken. Dahinter stecken sowohl umweltpoliti-sche Erwägungen als auch die Vorbeugung gegenüber dem Risiko einer Über-lastung des Straßennetzes. Die Schweiz hat deshalb schon lange eine flächen-deckende, kilometerabhängige Maut auf allen öffentlichen Fernverkehrsstraßen und eine Beschränkung der Anzahl der Lkw, die pro Tag über die Transitstrecken fahren dürfen. Die Auswirkungen dieser Politik lassen sich auch am Modal Split der Rheinhäfen ablesen: 70 Prozent aller schiffsseitigen Güter werden landsei-tig per Bahn transportiert, nur 30 Prozent mit dem Lkw. Dennoch profitiert die Binnenschifffahrt immer noch zu wenig. Insbesondere erhält sie bislang noch nicht die gleiche Förderung für ihre Transportleistungen wie der Schienenver-kehr. Die Schifffahrt möchte in Zukunft für den alpenquerenden Containerver-kehr, ein Segment, welches mittelfristig weiter wächst, die gleiche Förderung in Anspruch nehmen können wie die Kombiverkehrs-Operateure auf der Bahn. Regierung und Parlament signalisieren, dass sie bereit sind, die Rheinschifffahrt künftig auch einzubeziehen. Es wird in der Logistik allgemein immer wichtiger, Kooperationsmöglichkeiten zu nutzen. Bei der neuen grenzüberschreitenden Ko-

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operationsplattform RheinPorts Basel-Mulhouse-Weil steht der Ausbau der Part-nerschaft mit den Seehäfen im Vordergrund. Diese brauchen verlässliche Partner im Binnenland, doch die Vielzahl an Binnenhäfen in Westeuropa macht die Zu-sammenarbeit sehr unübersichtlich. RheinPorts möchte als Hinterland-Hub am Rhein gerade für die ARA-Häfen noch attraktiver werden.

In Basel wurden Umwandlungsdiskussionen zuletzt um den Hafenteil Kleinhü-ningen geführt. Die neue Strategie der Zusammenarbeit hat sich dabei bewährt. Gerade wurde in einem partnerschaftlichen Prozess ein Richtplan entwickelt, der den Interessen aller Parteien Rechnung trägt: Der Stadthafen nutzt ufernah künftig auch Flächen für die Stadtentwicklung (diese bleiben im Hafenperime-ter), im Gegenzug unterstützt die Stadt den Hafen bei der Beschaffung adäquater Ausgleichsflächen. Die Verdrängung des Wirtschaftshafens an den Stadtrand ist vom Tisch. Bei allem diplomatischen Geschick – ganz einfach war das nicht. „Dahinter verbergen sich drei Jahre Diskussion und Planung“, erklärt Hadorn. „Doch eine reine Abwehrhaltung von unserer Seite wäre auf lange Sicht nicht erfolgreich gewesen – auch bei den Häfen muss sich etwas bewegen.“

Städteplanerische Projekte im Hafenbereich7.3

Zwei Beispiele für solche Konflikte zwischen Stadtentwicklung und Hafenent-wicklung sind in dem Schweizerischen Rheinhafen Basel in der Diskussion. Dort liegen die Hafenareale, betrachtet in Hinblick auf die Gesamtagglomeration, im Zentrum von Basel. Eine Verlagerung der Hafenaktivitäten in die Randgebiete würde eine Bewegung in deutsches oder französisches Grenzgebiet und hier-mit auch eine Veränderung rechtlicher und zolltechnischer Rahmenbedingungen bedeuten und stellt aus diesem Grund keine Alternative für die Schweizer Ha-fenbetreiber dar. Das Interesse an den Flächen im städtischen Hafengebiet ist jedoch groß. Die Wasserlage für städtischen Wohnraum wird stark nachgefragt, gleichzeitig steigt durch benachbarte Wohngebiete auch das Konfliktpotenzial durch Lärmemissionen die zu betrieblichen Einschränkungen führen können.

In Hinblick auf diese unvermeidlichen Veränderungen fahren die Schweizeri-schen Rheinhäfen eine Vorwärtsstrategie. Zusammen mit dem Hochbau- und Planungsamt des Kantons Basel-Stadt wurde im Jahr 2006 ein Teil-Verlage-rungsprojekt für den Hafen St. Johann erarbeitet. Es befindet sich in der Reali-sierungsphase. Ein zweites Verlagerungs-Projekt für den Hafen Kleinhüningen

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7 Synergien zwischen Stadt und Hafen 79

befindet sich in einer sogenannten «Testplanung». Die Schweizerischen Häfen in Basel sind zuversichtlich über diese Zusammenarbeit, sowohl für die Hafen- als auch die Stadtentwicklung perspektivische und partnerschaftliche Lösungsansät-ze entwickeln zu können.

Das Hafenareal St. Johann wird zugunsten der Projekte „Novartis Campus des Wissens“ (weiße Markierung) und „Rheinuferpromenade St. Johann“ (blaue Markierung) an dieser Stelle rückgebaut. Im September 2005 wurde die Reali-sierung der Projekte und damit der Rückbau beschlossen.

Bestand 2006 „Novartis Campus“ mit dem Hafen St. JohannAbbildung 18:

Quelle: Eigene Darstellung

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Projekt RheinuferpromenadeAbbildung 19:

Lageplan Wettbewerb

Visualisierung Visualisierung Wettbewerbsmodell Strömungslehre

Quelle: Eigene Darstellung

„Hafenquartier Kleinhüningen“7.4

Für die anstehenden Veränderungen im Hafen Kleinhüningen bedeutet dies zunächst eine Testplanung gemeinsam mit den Akteuren der Stadtentwicklung für die Vision „Hafenquartier Kleinhüningen“ durchzuführen. Die Ziele dieser Testplanung aus Sicht der Schweizerischen Rheinhäfen sind an der Erhaltung der Hafenfunktion für die Stadt Basel orientiert. Hierbei stehen die Klärung der Zukunftsoptionen als Logistikdrehscheibe Kleinhüningen und mögliche Alterna-tiven für die Hafenentwicklung im Vordergrund. Weitere Ziele sind die Konkre-tisierung von Optionen des Richtplans, die Deblockierung für die Entwicklung und Umnutzung einzelner Brachflächen sowie die Schaffung von Planungssi-cherheit sowohl für die Hafenfirmen als auch die Investoren.

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8 Hafen und Stadt – Zehn Thesen zur Rolle der Binnenhäfen als ... 81

Hafen und Stadt – Zehn Thesen zur Rolle 8der Binnenhäfen als Bestandteile des Logistiksystems

Björn Pistol, Universal Transport Consulting GmbH, UNICONSULT

Einleitung8.1

Der Verkehrs- und Logistiksektor hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten volkswirtschaftlichen Wachstumstreiber entwickelt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die deutschen Binnenhäfen von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise des letzten Jahres hart getroffen sind. Umschlageinbrüche von 20 Prozent und mehr waren im Jahr 2009 keine Seltenheit. Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung werden nicht ausbleiben.

Stadtplaner entdecken immer häufiger Entwicklungspotenziale für Flächen an Wasserstraßen, die jenseits der Logistik festzumachen sind. Die wertschöp-fungsintensive Dienstleistungsbranche fragt attraktive Büro- und Wohnlagen am Wasser nach und schaut dabei häufig auch auf bisherige Umschlagflächen in „Innenstadtlage“.

Zwischen dem Umschlaggeschäft und Stadtplanungsvisionen entsteht so ein Nutzungskonflikt um Flächen am Wasser – in fast 25 Prozent aller öffentlichen Binnenhäfen Deutschlands.

Man kann den Eindruck gewinnen, dass manche Häfen in dieser Gemengelage in die Defensive geraten sind. Schrottumschlag oder Bürolofts in Glasfassade? Reachstackerfahrer in Blaumann oder Anzugträger auf Kickboard? Krachen-der Kohleumschlag oder summende Server? In diesem Spannungsfeld müssen Bürgermeister und Stadtplaner Prioritäten setzen. Schwierig wird die Situation deswegen, weil auch die folgende Frage beantwortet werden muss: Versorgung des Ballungsraums durch umweltverträgliche Binnenschiffe oder durch Smog verursachende Lkw?

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Denn trotz der gegenwärtigen Wachstumsdelle im Logistiksektor ist mittel- und langfristig von weiter wachsenden Güterverkehren auszugehen. Angesichts stei-gender Transportnachfrage kommt daher einer qualitativ wie quantitativ ausrei-chenden Infrastrukturausstattung eine entscheidende Bedeutung zu.

Industrieunternehmen wenden sich trimodalen Knotenpunkten (Binnenhäfen mit Schienen- und Straßenanschluss) mit leistungsfähigen Anbindungen an die See-häfen und die relevanten Produktions- und Konsumzentren zu. Die Binnenhäfen erfüllen in diesem Zusammenhang eine herausragende Rolle als Orte, in denen Verkehr, Produktion und Handel miteinander verknüpft werden.

Zehn Thesen zur Rolle der Binnenhäfen als 8.2Bestandteile des Logistiksystems

In diesem Positionspapier wird mittels zehn Thesen dargestellt, warum der Si-cherung der Binnenhäfen als zentrale Bestandteile des Logistik- und Verkehrs-systems im Sinne einer wirtschaftlich, ökologisch und stadtpolitisch positiven Entwicklung von Ballungsräumen hohe Priorität eingeräumt werden sollte.

Fortschreitende Globalisierung erfordert leistungsfähige Logistiksysteme

Globalisierung bedeutet weltweite Arbeitsteilung und Vernetzung der Märkte. Ermöglicht wird die Globalisierung durch leistungsfähige Transport- und Lo-gistiksysteme. Deutschland profitiert aufgrund der exportorientierten Wirtschaft von der Globalisierung. Unter den G8-Staaten hat kein anderes Land einen ähn-lich hohen Anteil der Ex- und Importe am Bruttoinlandsprodukt. Qualität und Quantität der Verkehrsinfrastruktur sind als zentraler Erfolgsfaktor in Deutsch-land im internationalen Vergleich noch gut, wenngleich in den letzten Jahren die Verkehrsleistung schneller wuchs als die entsprechende Infrastruktur.

Im Logistics Performance Index (LPI) 2010 der Weltbank belegt Deutschland den ersten Platz vor Singapur und Schweden (bei 155 untersuchten Staaten).

Trotz der derzeitigen weltwirtschaftlichen Probleme ist der Globalisierungstrend ungebrochen. Es ist davon auszugehen, dass der globale Warenhandel auch nach

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der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 weitergehen wird. Anders ausgedrückt: Es gibt ein Leben nach der Krise. Und dieses Leben wird mindestens so logisti-kintensiv wie die Zeit vor der Krise!

Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und damit der Wohlstand Deutschlands werden auch weiterhin maßgeblich von der Qualität der logistischen Schnittstel-len abhängen. Die Binnenhäfen üben hierbei eine wichtige Funktion aus. Sie stellen die Schnittstellen, die „Verbindungsstücke“ zwischen produzierenden Unternehmen und den Weltmärkten dar. Um solchen Unternehmen und neuen ansiedlungswilligen Unternehmen Wachstumsperspektiven eröffnen zu können, müssen die derzeitigen Infrastrukturen mit ihren Umschlag- und Lagermöglich-keiten gesichert werden.

Viele Aussagen bedeutender Verlader deuten darauf hin, dass die Nachfrage nach dem Logistiksystem Wasserstraße steigen wird. Die Aktivierung der hieraus re-sultierenden Potenziale setzt voraus, dass sich die Kaikante nicht zur limitie-renden knappen Ressource im Logistikprozess entwickelt. Der bedarfsgerechte und nach Güterarten diversifizierte Ausbau der Umschlagstellen wird daher eine wichtige Voraussetzung, um auch von der „Globalisierung 2.0“ profitieren zu können.

TOP-10-Staaten im International LPI ranking 2010Tabelle 2:

Int. LPI Rank Country LPI

1 Germany 4.11

2 Singapore 4.09

3 Sweden 4.08

4 Netherlands 4.07

5 Luxembourg 3.98

6 Switzerland 3.97

7 Japan 3.97

8 United Kingdom 3.95

9 Belgium 3.94

10 Norway 3.93

Quelle: http://info.worldbank.org/etools/tradesurvey/mode1b.asp

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Logistik ist eine Boombranche, die eine Basis braucht

Die Logistikbranche gehört auf mittel- und langfristige Sicht zu den Boombran-chen in Deutschland mit großen Wachstumspotenzialen. Trotz der Finanzkrise und einem Rückgang um etwa 9 Prozent generierte die Transport- und Logistik-branche 2009 in Deutschland einen Umsatz von etwa 200 Milliarden Euro. Bis zum Jahre 2015 wird demnach mit einem jährlichen durchschnittlichen Umsatz-wachstum von etwa 5,5 Prozent gerechnet. Der Logistiksektor ist nach Umsät-zen der drittwichtigste Wirtschaftszweig Deutschlands (nach der Automobilwirt-schaft und dem Maschinenbau). Etwa 2,6 Millionen Beschäftigte erwirtschaften eine Wertschöpfung von rund 120 Milliarden Euro. Die durchschnittliche Wert-schöpfung je Arbeitsplatz liegt bei etwa 45.000 Euro. (Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Technologien der Logistik-Dienstleistungswirtschaft ATL, 2009)

Die Binnenhäfen spielen beim Transport in Deutschland eine herausragende Rol-le. Im Jahr 2009 wurden etwa 236,4 Millionen t Güter per Binnenschiff transpor-

Güterbeförderung in Deutschland Schiene, Straße, Wasserstraße Abbildung 20: 2000-2008

Quelle: Eigene Darstellung (Daten: Statistisches Bundesamt 2010)

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tiert, davon 14,4 Millionen Tonnen in Containern (entsprechend 1,42 Millionen TEU) (Statistisches Bundesamt 2010).

Für die Binnenschifffahrt ist das Rheingebiet, einschließlich von Lahn, Main, Mosel, Neckar und Saar mit einem Anteil von 64 Prozent die bedeutendste Region.

In den Top-10-Häfen wurden im Jahr 2009 etwa 40 Prozent des Gesamtumschla-ges der Binnenschifffahrt durchgeführt. Von herausragender Bedeutung ist dabei Duisburg als größter Binnenhafen Europas.

Die Logistikbranche ist fundamental abhängig von leistungsfähigen Transport-systemen. Zur Aktivierung der Potenziale der Logistikwirtschaft müssen daher Flächen gesichert und bereitgestellt werden. Insbesondere trimodal angebundene Standorte, also Binnenhäfen mit Schienen- und Straßenanschluss, üben immer stärker Schlüsselfunktionen als Verbindungspunkte der Transport- und Produk-tions- bzw. Handelswirtschaft aus.

Güterbeförderung nach Wasserstraßengebieten/-abschnitten 2009Abbildung 21:

Quelle: Eigene Darstellung (Daten: Statistisches Bundesamt 2010)

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Binnenhäfen sind wichtiger Bestandteil des Schienengüterverkehrs

Trimodalität ist für die Wettbewerbsfähigkeit von Logistikstandorten eine zen-trale Bedingung. Die Möglichkeit, alle drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße an einem Punkt nutzen und sinnvoll miteinander verknüpfen zu können, ist eine Voraussetzung für die Gestaltung effizienter Logistikketten. Die an trimodalen Standorten durchgeführten Transport- und Umschlagprozesse be-inhalten alleine jedoch nur begrenzt direkte Wertschöpfungsmöglichkeiten. Des-wegen ist es wichtig, im unmittelbaren Umfeld des Umschlags Flächen vorzu-halten, auf denen sich logistiknahe oder logistikabhängige Dienstleistungs- und Produktionsunternehmen ansiedeln können. Diese Unternehmen schaffen Ar-beitsplätze und tragen zu positiven regionalökonomischen Entwicklungen bei.

Binnenhäfen sind mittlerweile auch für den Schienengüterverkehr wichtige Schnittstellen. Der Schienenverkehr ist häufig mehr als nur eine Ergänzung der im Hafen angebotenen Dienstleistungen.

Deutsche Top-10-Binnenhäfen 2009 Abbildung 22:

Quelle: Eigene Darstellung (Daten: Statistisches Bundesamt 2010)

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Aufgrund der häufig historisch gewachsenen Lage der Binnenhäfen in der Nähe zu den Stadtzentren erfüllen sie einerseits eine wichtige Funktion bei der schie-nengebundenen Bedienung von Konsumzentren. Andererseits ist die Verknüp-fung von Schienen- und Binnenschiffstransporten insbesondere im Massengut-bereich alternativlos. Ein auf Elbe und Rhein eingesetztes Großmotorgüterschiff kann potenziell 2.100 Tonnen Güter transportieren, auf dem Rhein sind noch größere Lots möglich. Für den Weitertransport dieser Menge sind zwei bis drei Ganzzüge erforderlich. Würde man diese Menge auf der Straße transportieren wollen, müssten mindestens 100 bis 150 Lkw eingesetzt werden. Die Verknüp-fungsmöglichkeit zweier unterschiedlicher Massenverkehrsmittel an einem Ort ist nur in Binnenhäfen gegeben. Fällt diese Verknüpfungsmöglichkeit weg, pro-fitiert der Lkw. Und die Belastung der Straße steigt enorm – mit allen „Neben-wirkungen“ vor allem hinsichtlich hoher Emissionen.

Binnenhäfen sind vielfältig

Binnenhäfen können alles – zumindest aus logistischer Sicht. Der Umschlag von Containern, flüssigen und trockenen Massengütern, konventionellen Stückgütern oder Projektladung, das Packen und Auspacken von Containern, das Laschen und Sichern von Ladung, die Lagerung und Zwischenpufferung von Gütern, die Abholung und Gestellung von Ladung, die Zolldienstleistung, die Umsetzung intermodaler Transportkonzepte – fast alles, was Industrie und Verbraucher aus logistischer Sicht benötigen, wird heute (noch nicht in allen, aber) in vielen Bin-nenhäfen geboten.

Das Wachstum in der Logistik war in den vergangenen Jahren getrieben vom Containertransport. Alle vorliegenden Prognosen sagen für einen Zeitraum von fünf bis 15 Jahren ein Transportwachstum im Containerbereich voraus, das deut-lich über dem weltwirtschaftlichen Wachstum liegen wird. Deswegen setzen heute viele Binnenhäfen auf den Containerumschlag, der klassische Umschlag von Massengut und Massenstückgut darf und wird aber nicht vergessen werden. Deswegen ist es wichtig, dass regionale Hafenstrategien sowohl Umschlagmög-lichkeiten für das stark expansive Container- und Projektladungsgeschäft als auch das Massengutsegment beinhalten.

Die große Chance für mehr Wertschöpfung in den Binnenhäfen besteht in der Entwicklung integrierter Logistikangebote. Die Weiterentwicklung des Binnen-

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hafens vom reinen Umschlagplatz hin zum gestaltenden Akteur im System Was-serstraße erfordert neben anderem auch Fläche, die bereitgestellt werden muss.

Die Wasserstraße hat im intermodalen Vergleich die größten Restkapazitäten

Der Transport in Europa wird zurzeit zum Großteil über die Straße organisiert. Verschiedenen Prognosen zufolge wird der Lkw-Transport weiter zunehmen. Studien gehen von einer Verdoppelung bis 2050 aus. (Progtrans, 2007)

Kapazitiv ausgelastete Verkehrsysteme gefährden beispielsweise durch Staus die Zuverlässigkeit und Planbarkeit von Logistikketten. Daher geraten mit zu-nehmender Verkehrsdichte auf den Straßen alternative Verkehrskonzepte in den Fokus von verladenden Unternehmen.

Da die Schiene kapazitiv gleichfalls hoch ausgelastet ist, steigt grundsätzlich in Europa die Bedeutung der Wasserstraße als das Verkehrssystem mit den größten Restkapazitäten.

In Hamburg und Bremerhaven soll das Binnenschiff sukzessive gestärkt werden, um Transporte insbesondere von der Straße zu verlagern. Dabei bewegt man sich auf relativ niedrigem Niveau (in Hamburg soll beispielsweise der Anteil des Binnenschiffs im Container-Hinterlandverkehr von heute zwei Prozent auf fünf Prozent bis zum Jahr 2015 gesteigert werden). In dem größten europäischen Containerhafen Rotterdam soll der Anteil des Binnenschiffs von heute etwa 30 Prozent auf 45 Prozent bis zum Jahr 2035 steigen.

Alternative Logistikkonzepte weisen daher dem Binnenschiff eine tragende Rol-le zu. Die Umsetzung dieser Konzepte erfordert jedoch leistungsfähige Schnitt-stellen. Standorte, die über bedarfsgerechte, nach Gütergruppen diversifizierte Binnenhäfen verfügen, gewinnen an Attraktivität für verladende Unternehmen. Die Binnenhäfen ermöglichen als „Portale“ eine Nutzung der großen Restkapa-zitäten auf den Wasserstraßen.

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Das Wachstum in den Seehäfen erfordert leistungsfähige Binnenhäfen

Im Jahr 2009 sind – entgegen aller bestehenden Prognosen – die Umschlagzah-len in allen größeren nordeuropäischen Containerhäfen im Vergleich zum Vor-jahr zurückgegangen (beispielsweise Hamburg: -28 Prozent). Es gibt noch keine validen neuen Prognosen, die nach der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 erstellt wurden. Die Realität hat die vorliegenden Prognosen in fast allen Fällen korrigiert. Im Jahr 2010 werden beispielsweise in Hamburg nicht wie prognos-tiziert 12,8 Millionen TEU umgeschlagen werden, sondern eher 8-9 Millionen. Dennoch: Die Finanzkrise der vergangenen zwei Jahre wird nicht das Ende der weltweiten Arbeitsteilung und des weltweiten Warenaustausches bedeuten.

Die Basis, auf der die vorliegenden Prognosen erstellt wurden, wird weiter be-stehen, wenngleich sich die Wachstumskurven im Vergleich zu den bisherigen Prognosen flacher verlaufend und rechtsverschoben zeigen werden. Insgesamt ist hieraus zu schließen, dass die logistischen und infrastrukturellen Herausfor-derungen für die Seehäfen bestehen bleiben.

Je nach Wachstumsperspektive werden viele Seehäfen innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre ihre heutigen kapazitiven Leistungsgrenzen erreichen. Die Herausforderung, die erwartete Containermenge mit der Kapazität der Kaikan-te, des Umschlaggeräts, der Yard- und Logistikfläche und der bestehenden Ver-kehrsinfrastruktur abfertigen zu können, steigt.

In diesem Zusammenhang bieten die Binnenhäfen mit ihren Infrastrukturen po-tenzielle Wachstumsperspektiven für die Seehäfen. Unter verschiedenen Termini – Hinterland Gateway, Extended Gate(way), Hinterland Hub, dry port usw. – werden seit einiger Zeit Konzepte für Inland Terminals entwickelt. Die Grund-idee dieser Konzepte ist, die Standzeiten der Container aus dem Seehafen in das Hinterland zu verlagern und so Kapazitätsgewinne auf den Terminals zu erzielen. Durch die konsolidierten Verkehre (idealerweise terminalreine Ganzzüge und Binnenschiffe, die zwischen dem Seehafen und dem Inland Terminal pendeln) wird die Verkehrsinfrastruktur höchst effizient ausgelastet. Zugleich entsteht für die Verlader und Empfänger der Vorteil, dass sie die Gestellung nicht ab/zum Seehafen organisieren müssen, sondern nur bis zum Inland-Terminal. Den Kunden ermöglicht die Abfertigung via Inland Terminal eine bessere Planung

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und höhere Zuverlässigkeit der Transportkette. Die Fuhrunternehmer wiederum können im Optimalfall mehr Umläufe pro Tag schaffen.

Ein Inland Terminal kann also wie folgt definiert werden: Es ist durch eine hochfrequente Shuttleverbindung per Bahn oder Binnenschiff mit dem Seehafen verbunden, ermöglicht den Umschlag von Containern und bietet Flächen für die Lagerung von Containern und logistische Mehrwertdienste (Value Added Servi-ces). Außerdem kann die Anlage wie herkömmliche KV-Terminals z. B. direkt per Lkw und über weitere Bahn- und/oder Binnenschiffsverkehre bedient wer-den. Ein Inland Terminal ist unter logistischen Gesichtspunkten die erste bzw. letzte Station des Seetransportes.

Die Binnenhäfen sind mit ihren trimodalen Strukturen logische Orte für den Aufbau von Inland-Terminals. Dies gilt für Standorte an der Rheinschiene noch stärker als für Standorte beispielsweise im Elbstromgebiet, weil ein hohes regi-onales Aufkommen von großer Bedeutung ist, um so eine Grundauslastung ga-rantieren zu können. Konzepte, die nur auf die Gestaltung von Kettenverkehren (also Transporte mit einem Massenverkehrsmittel wie Bahn oder Binnenschiff zu einem Standort, um nach einer Lagerung von dort aus wiederum mit einem Massenverkehrsmittel weiterzulaufen) fokussieren, werden vermutlich wenig

Schematische Darstellung des Inland Terminal KonzeptesAbbildung 23:

Quelle: Eigene Darstellung

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Erfolg haben. Die Kosten, die für noch einen weiteren Umschlag und den Ein- und Auslagerungsaufwand entstehen, sind nach allgemeiner Markteinschätzung wirtschaftlich sinnvoll kaum darstellbar. Im Elberaum wurden entsprechende Projektideen entwickelt – eine tatsächliche Umsetzung eines solchen Konzeptes bleibt bisher aus.

Vor dem Hintergrund der limitierten Wachstumsoptionen in vielen Seehäfen der Nordrange liegen also die Binnenhäfen als virtuelle Erweiterungen der Seehäfen im vitalen Interesse der deutschen Wirtschaft.

Die Kompatibilität von gemeinsamer Stadtentwicklung und Binnenhafenent-wicklung sinkt aufgrund negativer Implikationen bei der Umsetzung von Inland-Terminal Konzepten (steigende Verkehrsbelastungen durch tägliche Ankünfte und Abfahrten von Zügen, Binnenschifftransporte sowie starker Lkw-Verkehr verursachen Emissionen wie Lärm, Licht, CO2 oder Feinstaub).

Jedoch sind die regionalökonomischen Effekte, die in den Konzepten liegen, positiv. Der erhöhte Containerumschlag generiert Einnahmen und steigert die Vermarktungsmöglichkeiten für weitere Gewerbegebiete in der jeweiligen Regi-on. Dadurch ergeben sich neben der Schaffung neuer, unmittelbarer Arbeitsplät-ze weitere Chancen für zusätzliche Wertschöpfung. Ein einhergehender Aufbau leistungsfähiger Infrastrukturen erhöht zusätzlich die wirtschaftliche Attraktivi-tät einer Region.

Die deutsche Wirtschaft ist elementar abhängig von leistungsfähigen Seehäfen. Daher muss die Umsetzung von Inland Terminal Konzepten bei wieder steigen-den Umschlagvolumina in den Seehäfen im Interesse der deutschen Wirtschafts-politik liegen. Die oben skizzierte Inkompatibilität zwischen Standentwicklung und Inland Terminal Entwicklung erfordert daher von den politischen Entschei-dungsträgern einen Abwägungsprozess, der aus logistischer und wirtschaftspoli-tischer Sicht für die Inland Terminals ausfallen muss.

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Das Binnenschiff senkt im intermodalen Vergleich die Logistikkosten

Das Binnenschiff ist im intermodalen Vergleich das kostengünstigste Transport-mittel. Im Massenguttransport gilt dies noch stärker als im Containerbereich. Gerade in Zeiten konjunkturellen Abschwungs müssen Unternehmen Kosten reduzieren. Im Logistikbereich wird dabei grundsätzlich noch Potenzial gese-hen. Standorte, von denen aus kostengünstige Logistikketten organisiert werden können, gewinnen damit an Bedeutung.

Im Straßengüterverkehr mit Last- und Sattelzügen belaufen sich die betriebswirt-schaftlichen Transportkosten bei einer Entfernung von 200 Kilometer und einer durchschnittlichen Beladung von 12,3 Tonnen auf 14,3 Cent je Tonnenkilometer, bei 1.000 Kilometern Entfernung auf 8,8 Cent je Tonnenkilometer. Bei der Bahn

Betriebswirtschaftliche Transportkosten der Verkehrsträger auf Abbildung 24: ausgewählten Massengutrelationen

Quelle: PLANCO, 2007

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liegt der Tonnenkilometer-Satz bei einer Transportentfernung von 200 Tonnen-kilometern Entfernung bei etwa 16 Cent je Tonnenkilometer und bei 1.000 Kilo-metern bei 7,4 Cent je Tonnenkilometer. (PLANCO, 2007)

Für ein voll abgeladenes Großmotorgüterschiff ergibt sich bei einer Entfernung von 200 Kilometern und leerer Rückfahrt ein Betrag 2,73 Cent je Tonnenkilome-ter, bei 1.000 Kilometern Entfernung ein Betrag von 1,95 Cent.

Insbesondere für den Massenguttransport auf langen Strecken ist das Binnen-schiff aus Sicht der betriebswirtschaftlichen Transportkosten vorteilhaft.

Auch beim Containertransport ist das Binnenschiff wettbewerbsfähig, wenn-gleich die Berechnung in der Abbildung nicht die Preisnachlässe berücksichtigt, die von den Fuhrunternehmen zurzeit unter dem Eindruck der Umschlageinbrü-che in den Seehäfen gewährt werden.

Betriebswirtschaftliche Transportkosten der Verkehrsträger auf Abbildung 25: ausgewählten Containerrelationen

Quelle: PLANCO, 2007

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Das Binnenschiff verursacht die geringsten externen Kosten

Wie oben ausgeführt werden trotz der derzeitigen weltwirtschaftlich angespann-ten Lage mittel- und langfristig die Gütertransporte ansteigen. Angesichts dieser Entwicklung ist es die Aufgabe politischer Akteure – auf europäischer, natio-naler, Landes- und kommunaler Ebene – Rahmenbedingungen zu schaffen, um diese Transporte in gemeinwohlverträglicher Weise gestalten zu können.

Dazu gehört es auch, Logistikkonzepte mit geringen externen Kosten zu ermögli-chen. Die externen Kosten beinhalten in diesem Zusammenhang Unfall-, Lärm-, Schadstoff- und Klimakosten sowie Zusatzkosten in städtischen Räumen. Die durchschnittlichen externen Kosten im gesamten Güterverkehr in Deutschland betrugen im Jahr 2005 rund 3,9 Cent je Tonnenkilometer für den Lkw, 0,95 Cent je Tonnenkilometer für die Bahn und 0,69 Cent für das Binnenschiff. Damit ver-ursacht der Lkw je Tonnenkilometer 565 Prozent höhere externe Kosten als das Binnenschiff. (PLANCO, a.a.O.)

Eine Schwächung der Binnenhäfen hätte eine Stärkung des ungünstigen Lkw-Verkehrs zur Folge. Eine solche Entwicklung würde einer gemeinwohlverträgli-chen Verkehrspolitik zuwiderlaufen.

Der Bedarf nach „green logistics“ steigt

Wer zukünftig wettbewerbsfähig sein will, wird „grüner“ produzieren müssen. Seit einigen Jahren steigt in der Logistikbranche die Bedeutung nachhaltiger Transporte. Konsumenten und Verlader verlangen nach ökologisch verträglichen Transporten. Durch verschiedene supranationale Initiativen wie den CO2-Zerti-fikatehandel kann der „Nachhaltigkeitsgrad“ von Logistikketten in absehbarer Zukunft auch Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit nehmen. Viele Unternehmen lassen sich nach ISO 14001 oder anderen Öko-Audits (beispielsweise EMAS) zertifizieren, womit sie dokumentieren, einen kontinuierlichen Verbesserungs-prozess in Bezug auf die Umweltleistung anzustreben.

Der Begriff „green logistics“ gehört mittlerweile zur gängigen Terminologie der Logistikbranche. In einer Umfrage des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME-Umfrage, 2009) aus dem Jahr 2009 ergab, dass

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für nahezu 70 Prozent der befragten Unternehmen das Thema „Green-Logistics“ heute bzw. in den nächsten drei Jahren eine hohe Bedeutung für sie hat. Über die Hälfte der Befragten ging davon aus, dass die CO2-Emissionen künftig ein wesentlicher Kostenfaktor sein werden. Für 37 Prozent hat eine Verlagerung der Transporte von der Straße auf die Schiene bzw. das Binnenschiff in den nächsten drei Jahren herausragende Bedeutung.

Transport- und Logistikunternehmen geraten unter verstärkten Druck, die Waren ihrer Kunden umweltschonend zu transportieren. Mehr als jedes vierte Unter-nehmen aus der Konsumgüterindustrie und dem Einzelhandel verlangt bis zum Jahr 2012 von seinen Logistikdienstleistern den Nachweis ihrer CO2-Emissio-nen. Jeder fünfte Betrieb will seinen Transporteuren ein umfassendes Emissions-Reporting zur Auflage machen. (Branchenkompass 2010)

Das Binnenschiff ist das Verkehrsmittel, das am besten den steigenden Nachhal-tigkeitsansprüchen der verladenden Unternehmen genügt: Während die spezifi-schen CO2-Emissionen des Lkw bei etwa 164 g je Tonnenkilometer, die der Bahn bei etwa 48 g je Tonnenkilometer liegen, beträgt der Wert des Binnenschiffs 33,4 g je Tonnenkilometer1. Die Umweltbilanz des Binnenschiffs verbessert sich ge-genüber dem Lkw noch weiter, wenn man beispielsweise Aspekte wie Flächen-versiegelung (Straßenneubau vs. vorhandene Wasserstraßen) oder Lärmemissio-nen betrachtet (beim Binnenschiff fast zu vernachlässigen).

Der Erhalt und Ausbau von Binnenhäfen sichert wichtige Schnittstellen für öko-logisch verträgliche Transporte.

Binnenhäfen sind Industriegebiete

In der Debatte um die stärkere Integration der Binnenhäfen wird insbesondere von der stadtplanerischen Seite gelegentlich eine stärkere Ausschöpfung des tou-ristischen Potenzials von Binnenhäfen angemahnt. Zweifelsohne sind die Bin-

1 Hinsichtlich der verkehrsträgerspezifischen CO2-Emissionen liegen unterschiedliche Berech-nungen von verschiedenen Instituten vor. Die im Text angegeben Werte stammen von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Eine Synopse verschiedenerer Berechnungen (PLANCO, WSV, UBA, BVU und Ifeu), die vom Verfasser vorgenommen wurde, zeigt folgende durchschnittliche Emissionen: Lkw: 105,16 g/Tonnenkilometer, Bahn: 30,65 g/Tonnenkilome-ter, Binnenschiff: 33,16 g/Tonnenkilometer. Die unterschiedlichen Zahlen rekurrieren auf ver-schiedenen Grundannahmen hinsichtlich Auslastung, Strommix, Strecke usw.

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nenhäfen aufgrund ihrer Lage, ihrer Umschlagaktivitäten und ihrer eingesetzten Gerätschaften für viele Menschen von großem Interesse.

Häfen sollten sich durchaus im Rahmen von „Tagen der offenen Tür“ oder „In-formationstagen“ für private Besucher öffnen und die Menschen über das Ha-fengeschäft und die logistischen Prozesse informieren. Eine solche proaktive und offene Informationspolitik muss sich aber auf wenige Tage beschränken. Binnenhäfen können einen unkontrollierten Publikumsverkehr nicht zulassen, da es strenge Sicherheitsregelungen einzuhalten gilt. Nach den terroristischen An-schlägen in den USA vom 11.09.2001 wurden die Sicherheitsbestimmungen in der Transportwelt erheblich verschärft. Seit dem 1. Juli 2004 gilt der International Ship and Port Facility Security – Code (ISPS-Code). Dieser definiert konkrete Anforderungen zur Sicherheit der maritimen Transportkette, die Maßnahmen in den Hafenanlagen nach sich ziehen. Unter den Geltungsbereich des ISPS fallen alle Hafenanlagen, in denen Schiffe über 500 BRZ im internationalen Verkehr abgefertigt werden. Durch diese Definition unterliegen die großen Binnenhäfen – insbesondere entlang der Rheinschiene – den ISPS-Vorgaben. Der Normalzu-stand (Stufe 1) schränkt die Bewegungsfreiheit an den frei zugänglichen Stellen des Hafens insofern ein, als dass Zugangskontrollen für Personen und Fahrzeuge gewährleistet sein müssen.

Die Hafenanlagenbetreiber sind gemäß ISPS-Code aufgefordert, im „Regel- be-ziehungsweise Normalbetrieb“ optimierte und angemessene Maßnahmen der Sicherung und Überwachung von Betriebsabläufen vorzuhalten. Dabei sollten die Maßnahmen so angelegt sein, dass sie gleichzeitig die Basis für zusätzliche und zeitlich begrenzte Maßnahmen in den Gefahrenstufen 2 und 3 bilden. Hafen-anlagenbetreiber haben unter anderem durch den ISPS-Code die Verpflichtung, Schädigungen zu verhindern, in dem der unberechtigte Zugang in die jeweilige Hafenanlage unmöglich gemacht wird. (W & S Verkehr, 3/2006, S. 28f)

Deswegen können sich die Häfen nicht komplett für Besucherverkehr öffnen, selbst wenn sie es wollten.

Neben den Sicherheitsgesetzen ist aber auch das alltägliche Umschlaggeschäft nicht „tourismuskompatibel“. In Binnenhäfen bewegen sich schwere Geräte, Reachstacker mit einem Leergewicht von 45 bis 90 Tonnen, die Container trans-portieren, Hafenkrane, die Schrott und Massengut laden und löschen, Lkw, die Güter liefern und abholen. Es wäre eine erhebliche Einschränkung, wenn die

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Hafenarbeiter während des Betriebs auf Spaziergänger, Rollerblader oder Ship-spotter achten müssten.

Insofern sollte man Binnenhäfen akzeptieren als das, was sie sind: Industrielle Logistikstandorte.

Fazit8.3

Überall dort, wo politische Akteure Entscheidungen zwischen Stadtentwicklung und Hafenentwicklung treffen müssen, gilt es Für und Wider sorgfältig abzuwä-gen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in der stadtplanerischen Entwick-lung attraktiver – bislang von Binnenhäfen genutzten – Flächen Potenziale für Arbeitsplätze und Wertschöpfung schlummern. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich ein schickes Büroloft in einer Stadtbroschüre besser darstellen lässt, als ein staubiges Massengutterminal. Entscheidungsträger dürfen in ihrem Abwägungsprozess aber nicht nur die glitzernden Fassenden betrachten, sondern sie müssen berücksichtigen, welchen Beitrag eine städtische Nutzung und wel-chen Beitrag eine Hafennutzung für das Gesamtsystem eines Ballungszentrums leisten.

Es gilt daher, positive und negative Implikationen leistungsfähiger Häfen und positive und negative Implikationen stadtplanerischer Verwendungen jeweils im Kontext der Erfordernisse von Logistikbranche, Dienstleistungssektor und Woh-nen zu bewerten.

Dabei kann man im Einzelfall durchaus zu unterschiedlichen Konklusionen kommen. Grundsätzlich jedoch scheinen bei einer Gesamtsystembetrachtung die kurzfristigen Gewinne durch städtische Flächenvermarktung zumeist nicht die mittel- und langfristigen Verluste für Ballungsräume durch die Schließung eines Binnenhafens kompensieren zu können.

Angesichts mittel- und langfristiger Trends in der Weltwirtschaft wird die Nach-frage vor allem nach trimodal erschlossenen Binnenhäfen in Konsumzentren erheblich zunehmen. Nicht zuletzt im Zuge verschiedener Planungen wie dem Masterplan Güterverkehr und Logistik oder dem Nationalen Hafenkonzept wird die Vernetzung von Seehäfen und Binnenhäfen und damit der Transfer von Wert-schöpfung aus den Seehäfen in die Binnenhäfen angestrebt. Binnenhafenstand-

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orte haben die Chance, hiervon zu profitieren und mit integrierten Hafenstra-tegien, die eine sinnvolle, bedarfsgerechte und wechselwirkende Entwicklung der Häfen im System Wasserstraße beinhalten, Potenziale für Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu aktivieren.

In den meisten Fällen würde die Schließung eines Binnenhafens verkehrspoli-tisch, umweltpolitisch und standortpolitisch falsch sein. Man würde sich selbst die Basis verkehrspolitischer Gestaltungsmöglichkeiten nehmen. Viele Standorte in Deutschland und Europa arbeiten zurzeit an Konzepten, die angesichts mittel- und langfristig stark ansteigender Gütermengen einen modal shift vom Lkw auf das Binnenschiff bewirken sollen. Dies geschieht einerseits um das hochbelastete Straßensystem zu entlasten, andererseits um die Lebensqualität in Ballungsräu-men durch reduzierte Abgas- und Lärmemissionen zu erhöhen. Umwidmungen von Binnenhafenflächen in Stadtquartiere wären vor diesem Hintergrund kaum erklärlich.

Leistungsfähige Binnenhäfen führen zu einer hohen regionalen Lebensqua-lität. Ein erheblicher Teil der Versorgungs- und Entsorgungsmenge von Bal-lungszentren – sowohl verbraucher- als auch industrieinduziert – läuft über die Binnenhäfen.

Die Schließung eines Binnenhafens führt in der Regel zu einer Verkehrsverlage-rung von der Wasserstraße und von der Schiene auf die Straße. Dadurch steigt der CO2-Ausstoß, Abgas- und Rußemissionen nehmen zu, der Lärm steigt, die Belastung der Straßen zieht Staus nach sich, die Infrastruktur leidet, die Attrak-tivität der Standort für angesiedelte bzw. ansiedlungswillige Unternehmen sinkt und Arbeitsplätze geraten in Gefahr.

Binnenhafenstandorte sollten ihre Chancen als leistungsfähige, zumeist trimoda-le Standorte, an dem nachhaltige Transporte gestaltet werden können, erkennen und nutzen. Im Sinne wirtschaftlich, ökologisch und stadtpolitisch positiver Ent-wicklungen sollten Hafenstrategien mit dem Ziel einer Weiterentwicklung des Logistiksystems Wasserstraße umgesetzt werden.

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Quellen8.4

Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Technologien der Logistik-Dienstleistungswirt-schaft ATL: „The Top 100 in European Transport and Logistics Services – 2009/2010“, Hamburg 2009.

Ernst, Martin: Unter sicherer Flagge, in: W & S Verkehr, 3/2006, S. 28f.

Progtrans: Abschätzung der langfristigen Entwicklung des Güterverkehrs in Deutschland bis 2050, Basel 2007.

Planco: Verkehrswirtschaftlicher und ökologischer Vergleich der Verkehrsträger Straße, Bahn und Wasserstraße, Essen 2007.

BME-Umfrage: Green-Logistics – hohe Bedeutung auch in Krisenzeiten, Frank-furt 2009.

Steria Mummert Consulting: Branchenkompass 2010 Transport, Hamburg 2010.

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Hafen und Stadt – ein neues altes 9Spannungsfeld der Stadtentwicklung

Prof. Dipl.-Ing. Christa Reicher, Technische Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung FG Städtebau, Stadtgestaltung + Bauleitplanung

In Zeiten, in denen die Hafenentwicklung ihre stadtnahen Flächen nicht mehr ge-brauchen konnte, hat sich die Stadtentwicklung diese (vielfach notgedrungen) zu eigen gemacht: unattraktive Brachen sind zu städtischem Leben erweckt worden. Heute sind beide Partner, Hafen und Stadt, an vielen Standorten Konkurrenten um Flächen und an anderen beklagen sie Nutzungskonflikte. Welche Hintergrün-de und Ursachen hat diese „Hassliebe“ in der Stadtentwicklung? Lässt sich die-ses neue alte Spannungsfeld auflösen? Und wenn ja, wie?

Von der Industrie- zur Wissensgesellschaft9.1

Wer auf derartige Fragen Antworten sucht, muss sich mit den grundlegenden Triebkräften räumlicher Entwicklung befassen und wird dabei feststellen, dass – abgesehen von Krieg und Katastrophen – es vor allem die Ökonomie ist, die die Städte verändert: Sobald sich die ökonomischen Grundlagen eines Raums, einer Gesellschaft wandeln, ändern sich naturgemäß Struktur, Gebrauch und Funktionsweise dieses Raums. Häufig ist dies verbunden mit grundlegenden technischen Innovationen; so haben beispielsweise Dampfmaschine, Eisenbahn, Elektrizität (und später das Automobil) das Industriezeitalter begründet – und damit auch die Stadt des Industriezeitalters, die sich fundamental von der Stadt des Mittelalters oder den Residenzstädten des Barock unterscheidet. Das Prinzip dieser Stadt der Industriegesellschaft ist das der Arbeitsteilung: Die Charta von Athen mit ihren räumlich separierten Funktionsbereichen „Wohnen“, „Arbei-ten“, „Sich Versorgen“ und „Sich Erholen“ ist nicht nur eine Reaktion auf die mit dem enormen Stadtwachstum verbundenen Probleme (Bevölkerung, Industrie, Verkehr), sondern setzt das Grundprinzip jenes Zeitalters – eben das fordistische Modell des Neben- respektive Nacheinander einzelner, spezialisierter (und belie-big wiederholbarer) Tätigkeiten – in ein leitbildhafte Vorstellung von Stadt um.

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9 Hafen und Stadt – ein neues altes Spannungsfeld der Stadtentwicklung 101

Dass eine Stadt aus Wohngebieten und Industriegebieten, aus Geschäftszentren und Naherholungsbereichen besteht, dass diese Teile der Stadt ihrem jeweiligen Zweck gemäß zu optimieren sind, und dass diese Funktionsbereiche einer Stadt mit einem leistungsfähigen Verkehrssystem untereinander zu verknüpfen sind, all das ist über viele Jahrzehnte des Credo der offiziellen Stadtplanung gewesen und findet sich genauso in den Rechtsgrundlagen dieser Stadtplanung wieder.

Für dieses räumliche Trennen gab es und gibt es selbstverständlich gute Grün-de, denn oft lassen sich Nutzungskonflikte zwischen zum Beispiel großflächigen Industrieanlagen, insbesondere auch Hafen- und Logistikarealen, und Wohnsied-lungen gar nicht anders (oder kaum effektiver) lösen. Es ist ein einfaches und zumeist eindeutiges Prinzip: jeder Ort in der Stadt hat seine Funktion, seine „Be-stimmung“. Es bedeutet aber auch, dass jene, die in einer Stadt wohnen, arbeiten, sich versorgen und sich erholen wollen, ständig zwischen diesen spezialisierten Bereichen einer Stadt hin- und herpendeln, also zwangsläufig mobil sein müssen: Die autogerechte Stadt, ein anderes Leitbild aus den 1950er und 1960er Jahren, ist da eine nahezu zwangsläufige Folge dieses Prinzips der Funktionstrennung. Die Grenzen dieses Konzepts, mithin auch die Grenzen von Mobilität und Ge-schwindigkeit, hat Paul Virilio als dromologischen Stillstand bezeichnet: „Der so genannte dromologische Stillstand kann als Effekt der Selbstblockade ver-standen werden. Die Menschen werden immer mobiler … und stehen im Stau“ (Virilio 2008). Entstanden ist eine Stadt der (räumlich wie zeitlich) langen Wege, die jene ursprüngliche Idee der möglichst effizienten und deshalb arbeitsteiligen Raumstruktur ab absurdum geführt hat.

Mit dem Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft stellt sich jedoch die Frage, ob sich nicht ohnehin die Geschäftsgrundlagen für die räumliche Or-ganisation von Stadt verändern: Wohnen und Arbeiten werden mehr und mehr kleinräumig kombiniert, Arbeiten wird generell sehr viel wohnverträglicher, weil aufgrund des technologischen Fortschritts umweltverträglicher produziert werden kann und der Anteil industrieller Produktion am gesamten Wirtschafts-geschehen seit vielen Jahren zurückgeht. Zugleich beobachten wir neue, eher ungeplante Kombinationen, die vor allem darauf zurück zu führen sind, dass ganz unterschiedliche Nutzungen mitunter ähnliche Standortanforderungen aufweisen: beispielsweise Gewerbegebiete, die durch die Ansiedlung von groß-flächigen Fachmärkten und kommerziellen Sport- und Freizeiteinrichtungen zu Mischgebieten neuen Typs geworden sind.

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Wir stellen demnach fest, dass sich unter postindustriellen Bedingungen nicht nur die „alten“ Nutzungen räumlich neu, nämlich anders ordnen, sondern teil-weise auch zu „neuen“ Nutzungstypen entwickeln.

Hafen- und Logistikareale als Stadtbausteine 9.2

Manche Stadtraumtypen sind für den Wandel zur Wissensgesellschaft und für neue urbane Nutzungsmischungen zweifellos gut geeignet; wie aber sieht es in den Teilen der Stadt aus, die bislang kaum oder gar nicht an einer (Re)-Urba-nisierung teilhaben? Welche Chancen haben beispielsweise monofunktionale Hafen- und Logistikareale, die häufig als „Schmuddelkinder der Baukultur“ vor-geführt werden, zu urbanen Stadtbausteinen zu werden?

Häfen sind über viele Jahrhunderte Orte von Handel und Produktion gewesen, denn auf den Flüssen des Landes wurden bereits Waren transportiert, als es noch keine ausgebauten „Chauseen“ (vgl. Strähler 1999, 9) und Eisenbahnen gab. An dieser Situation hat sich vordergründig wenig geändert: Noch heute besitzen die meisten Hafenareale die traditionelle Funktion eines Produktions-, Umschlag- und Handelsplatzes, allerdings hat sich die Bedeutung der Logistik und die Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern merklich erhöht. Häfen sind zu logistischen Drehscheiben geworden und für die globalen Warenströme auch künftig unverzichtbar.

Dennoch sind in den letzten Jahrzehnten auch Hafenareale brach gefallen – vor allem kleinere stadtnahe Hafengebiete, die den heutigen, hafenlogistischen An-forderungen nicht mehr genügten – und mit neuen Nutzungen besetzt worden: Dienstleistungsquartiere, Marinas, Kultur- und Gastronomieeinrichtungen und nicht zuletzt das Wohnen haben in vielen Stadthäfen Einzug gehalten und sind dort über das eigentliche Hafenareal hinaus zu wichtigen Impulsen für die Stadt-entwicklung geworden. Die bekanntesten Projekte in Nordrhein-Westfalen sind der Rheinauhafen in Köln, der Medienhafen in Düsseldorf und der Binnenhafen in Duisburg. Sie zeichnen sich durch einen Mix an sanierter historischer Bau-substanz und ambitionierter neuer Architektur aus – und eben auch durch den Nutzungsmix aus Wohnen, Arbeiten, Kultur und Freizeit.

Die drei Standorte sind in ihren jeweiligen Städten zu wichtigen Orten der Kre-ativwirtschaft geworden: Bis 2008 sind im Düsseldorfer Medienhafen ca. 7.000

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Arbeitsplätze entstanden, der Duisburger Binnenhafen wies im Jahr 2008 bereits einen Besatz von ca. 5.000 Arbeitsplätzen auf (Heidenreich 2008, 21).

Im Rahmen der Landesplanung sind aktuell eine Vielzahl von Flächenpotenzi-alen in Häfen bzw. in Hafennähe ermittelt und bilanziert worden (MBV 2008, 31). Diese Flächenpotenziale bieten sehr unterschiedliche Entwicklungsoptio-nen: mancher Ortens, gerade dort, wo Logistik- oder rohstoffintensive Produk-tionsbetriebe ansonsten auf andere Standorte weitab der Häfen angesiedelt wer-den würden, bietet sich der Ausbau eher hafenaffiner Nutzungen an. In anderen Fällen bestünde die reale Möglichkeit, andere, eher klassisch-urbane Nutzungen ans Wasser zu führen und das „Element“ Wasser für städtebauliche Innenent-wicklung nutzbar zu machen („urban waterfront development“). Dennoch gibt es zweifellos Konkurrenzsituationen zwischen künftiger Hafen- und Stadtentwick-lung, gerade dort, wo sich die noch vorhandenen Flächenpotenziale für beiden Entwicklungsrichtungen eignen. Die Diskussion um solche Nutzungskonkur-renzen wird jedoch vielfach zu statisch geführt, weil sie vom Entweder-Oder der künftigen Nutzung ausgeht: Gerade die Geschichte jener langsamen, über Jahrzehnte verlaufenden Hafenkonversionen zeigt aber, dass eine Koexistenz von z.B. Güterumschlag und kulturwirtschaftlichen Nutzungen für beide Seiten durchaus tragfähig sein kann. Sie kann sogar produktiv sein, wenn die rohen und widersprüchlichen Umgebungsbedingungen solche Areale für Unternehmen und Einrichtungen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft möglicherweise erst richtig interessant machen. Da braucht es dann ein temporäres Übereinkommen zwischen den Beteiligten, um derartige neue Nachbarschaften, die man bislang „Gemengelagen“ nennt, zu erproben.

Ein wenig anders ist die Ausgangsituation in den zahlreichen neueren Logistik-arealen abseits der Häfen. Diese Gebiete sind häufig an den sensiblen Übergängen von Stadt- und Landschaftsraum platziert, werden weitgehend monofunktional genutzt und lassen grundlegende architektonische und städtebauliche Qualitäten vermissen. Begründet (oder besser: entschuldigt) werden die fehlenden Quali-täten mit der einseitig auf Funktionalität und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Nutzung dieser Areale; sie wurden lange als stadtgestalterisches Niemandsland akzeptiert. Dass dies nicht so sein muss und durchaus korrigierbar sein kann, zeigt nicht nur die Praxis in anderen Ländern und Regionen, wie in der Schweiz oder im österreichischen Vorarlberg, sondern dies legen auch neuere Modellvor-haben und Studien hierzulande nahe. Ein Forschungsprojekt zum Zusammen-hang von „Städtebau und Logistik“ (Clausen / Reicher 2006) kommt zu dem

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Ergebnis, dass die Bereitschaft, in ein Mehr an städtebaulichen und architekto-nischen Qualitäten zu investieren, sowohl bei Städten als auch den ansässigen Logistikunternehmen größer ist als gemeinhin angenommen wird.

Die Kommunen sind jedoch hinsichtlich der tatsächlichen Durchsetzbarkeit von Qualitätsstandards nach wie vor eher skeptisch. Die (ökonomische) Notwendig-keit, stärker in die baulich-räumliche Qualität solcher Stadtgebiete zu investieren, dürfte allerdings größer sein, wenn solche Teilräume der Stadt auch von anderen Nutzern nachgefragt und sich beispielsweise verschiedenartigste gewerbliche Nutzungen, Dienstleistungsbetriebe oder Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtun-gen ansiedeln würden. Die Potenziale derartiger Nutzungsmischungen werden allerdings nicht hinreichend erkannt. Zudem gibt es gegenwärtig noch zu wenig Erfahrung, wie die für solche Areale geeigneten Strategien und Instrumente aus-sehen könnten.

Vielfalt durch Toleranz9.3

Die skizzierten Beispiele von Stadthäfen und Logistikarealen zeigen, dass die Rahmenbedingungen für mehr Nutzungsmischung in unseren Städten sehr un-terschiedlich sind. Mit dem Wandel zur Wissensgesellschaft werden jedoch jene städtischen Räume an Bedeutung gewinnen, in denen die Produktion von Wis-sen am besten gelingt und in denen die wissensintensiven Branchen die besten Umgebungsbedingungen vorfinden. Dies sind nach dem jetzigen Erkenntnisstand vorwiegend Stadträume, die sich durch einen hohes Maß an Vielfalt auszeichnen: durch funktionale Vielfalt (im Sinne einer intensiven Verflechtung von Wohnen, Arbeiten, Bildung, Kultur, Versorgung und Erholung), durch baulich-räumliche Vielfalt (im Sinne eines abwechslungsreichen, manchmal auch widersprüchlichen Settings an Gebäuden und Freiräumen) und durch soziale Vielfalt (im Sinne eines räumlichen und kommunikativen Neben- und Miteinanders verschiedener Milieus und Lebensstilgruppen) – mit anderen Worten durch jene „urbane Vielfalt“.

Auch wenn dieser Anspruch an Urbanität nur bedingt bei Hafenareale einzulösen ist, so lassen sich doch erste Schritte eines Miteinanders identifizieren. Gerade Häfen, die sich heute als No-Go-Areas von der Stadt abgrenzen und deren Ak-tivitäten kaum nach außen dringen, könnten als Orte der Arbeit und des Trans-portes in den Köpfen der Menschen wieder präsent werden. Dies erfordert eine stärkere (zumindest temporäre) Öffnung der Areale für neugierige Blicke und

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9 Hafen und Stadt – ein neues altes Spannungsfeld der Stadtentwicklung 105

Aktivitäten jenseits des Arbeitens. Dabei kann es nicht um ein Entweder – Oder gehen, sondern um Fragen, wie eine solche gezielte Öffnung organisiert werden kann, ohne die Zukunftsperspektiven der Häfen als Arbeitsorte einzuschränken. Häfen müssen sich als städtische Orte profilieren – nicht nur virtuell, sondern auch räumlich.

Die heute im Städtebau und in der Stadtentwicklung wieder wertgeschätzte Nut-zungsmischung kann nicht nur auf die Innenstädte beschränkt bleiben. Auch mo-nofunktionale Gewerbeareale müssen sich den Bedürfnissen nach vielfältigen, komplexen Stadträumen anpassen, allerdings immer mit Blick auf die Grenzen der Integrationsfähigkeit dieser Stadträume. Dabei sind manche Nutzungen wie Gewerbe und Freizeit eher kombinierbar als es die sensible Nutzung Wohnen ist. Auch künftig wird es nicht so sein, dass jede Form von Nutzungsmischung sinn-voll und verträglich ist. Gleichwohl existiert ein erkennbarer Bedarf, die heute gültigen planungsrechtlichen Regelungen den neuen Wirklichkeiten anzupassen. Die vielleicht wichtigste Einsicht lautet jedoch: Wer sich, als Stadtbewohner oder Stadtplaner, abwechslungsreiche Städte wünscht, wird mehr Toleranz – für Brüche, für Konflikte, für Zumutungen – aufbringen müssen.

Quellen9.4

Clausen, Uwe; Reicher, Christa (2006): Logistik und Städtebau, Raumverträg-lichkeit von Logistikstandorten, Dortmund

Heidenreich, Christoph (2008): Zukünftige Hafenentwicklung in NRW, Diplom-arbeit an der Fakultät Raumplanung, Dortmund

Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (MBV) (2008): Wasserstraßenverkehr, Binnenhäfen und Logistik in Nordrhein-Westfa-len, Fortschreibung des Wasserstraßenverkehrs- und Hafenkonzeptes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Reicher, Christa, et al. (2008) (Hrsg.): StadtPerspektiven, Stuttgart/Zürich

Strähler, Walter (1999): Zwischen Rhein, Ruhr und Nordsee – Die Geschichte der Westdeutschen Kanäle, Gelsenkirchen

Virilio, Paul (2008): Rasender Stillstand, Frankfurt