Hannes Jaenicke im Einsatz für die Eisbaeren

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FOTOS: KENNAN WARD/CORBIS, DPA, ZDF (3);INFOGRAFIK: RALF POWIERSKI NATUR TV-Star HANNES JAENICKE kämpft mit einer ergreifenden Doku für die Eisbären. Exklusiv in HÖRZU: sein Dreh-Tagebuch aus Kanada Einsatz im Unterwegs mit Hannes jaenicke Hier können Eisbären noch überleben Mit dem Eis schmilzt der Bestand der Tiere Ein tödlicher Countdown: Mit dem Klimawandel schrumpft der Lebensraum der Eisbären. Sie verlieren Jagdreviere und Kinderstuben. Weltweit gibt es heute noch etwa 25.000 Exem- plare. Bis 2050 werden davon zwei Drittel verschwinden. Die Karte zeigt, wo heute rund um den Nordpol noch Eisbären leben. <200 200–500 500–1000 1000–1500 1500–2000 2000–2500 2500–3000 unbekannt Anzahl der Bären RUSSLAND Alaska (USA) ISLAND NORWEGEN GRÖNLAND KANADA Nordpolar- meer Pazifischer Ozean Atlantischer Ozean Moskau Oslo Hudson Bay Foxe- Becken Tschuktschen- see Laptewsee Karasee Barentssee Grönland- see Beringmeer Beaufort- see Baffin Bay Davisstraße 2000 km Nordpol Wapusk - Nationalpark Vom Aussterben bedroht: Eisbären in der Arktis D er Mann ist hart im Nehmen: Als Schauspieler mimt Hannes Jaenicke (49) oft harte Kerle, Agenten oder Gerichtsmediziner („Post mortem“). Nun schlug er sich durch Kanadas eisige Wildnis, um mit einer aufwendigen Tier- Dokumentation auf den Überle- benskampf der Eisbären aufmerk- sam zu machen (siehe TV-Tipp). Privat engagiert sich der Star schon seit Längerem für den Schutz be- drohter Tierarten wie Orang-Utans, Haie und Gorillas. Exklusiv für HÖRZU schrieb er ein Dreh-Tagebuch: Oktober 2008 · Mein erstes Ziel ist Berlin. Hier möchte ich den berühmtesten Eisbären der Welt besuchen: Knut. Ich erwarte, dass viele Fans vor seinem Gehege stehen – doch da ist niemand. Wurde Knut etwa verkauft? Plötzlich taucht ein mittelgroßer Bär mit schmutzig grauem Fell auf. Er entdeckt un- ser Team und tapst zum Wassergraben auf uns zu. Das ist Knut – zwei Jahre alt, 250 Kilo schwer. Er wirkt degeneriert, macht wie ein Zirkustier Männchen. Ein trauriger Anblick! Ich werde bald ins nördliche Kanada reisen, um zu sehen, wie seine wilden Artgenossen in der Arktis leben – zumindest der Rest dieser großartigen Tiere, der es geschafft hat, die Folgen des Klimawandels zu überleben. Mitte November 2008 · Vor dem Abflug nach Churchill an der Südküste der Hudson Bay lese ich alles zum Thema „Ursus maritimus“. Die Reise nach Kanada dauert 40 Stunden. Vor Ort in Churchill registriere ich fassungs- los, wie viele Menschen hierherkommen, um Eisbären in „ihrer natürlichen Umgebung“ zu erleben. In einem Glaskasten neben der Ge- päckausgabe hängt kopfüber ein riesiges Eis- bären-Fell samt Kopf mit aufgerissenem Ra- chen. Darunter auf einem Messingschild: der Name des Jägers. Nebenan verkauft ein Herr Eisbären-Souvenirs: Krallen und Zähne, zu Schmuck verarbeitet. Churchill gilt als „Hauptstadt der Eisbären“. Im Mündungsgebiet des gleichnamigen Flus- ses verbringen die Tiere ihren eisfreien Som- mer: Sie kommen monatelang ohne Fressen aus, weil sie sich im arktischen Winter bis zu 40 Prozent des Körpergewichts an- gefuttert haben. Ende September ziehen sie an die Küsten der Hud- son Bay auf das Eis, um Robben an deren Luftlöchern aufzulauern. Genau hier liegt das Problem: Wegen des Klimawandels friert das Meer immer später zu – und taut früher auf. Folge: Die Jagdsaison der Bären wird kürzer. Die Tiere müssen hungern. Die Weibchen werden immer dünner, bekommen weniger Junge. Immer mehr Eisbären suchen in Häu- sern nach Fett und Öl. Doch die Menschen profitieren vom Elend der Bären: Unter 7000 US-Dollar ist ein Eisbär-Trip in die Stadt nicht mehr zu haben. Ebenfalls traurig: In Kanada ist die Jagd auf Eisbären erlaubt. In „Notwehr“ darf man sie erschießen. Angeblich passiert das höchstens fünfmal pro Jahr. Ein schwa- cher Trost, schließlich gibt es weltweit nur noch 22.000 bis 25.000 Exemplare! Dezember 2008 · Besuch im bayerischen Garmisch-Partenkirchen bei einer Import- firma für Jagdtrophäen. Wir betreten das Gruselkabinett von Frau Weißmann. Gerade hat sie vier Eisbären-Exemplare im Angebot: drei Felle als Kaminvorleger, ein „Frischkopf- präparat“ als Raumdeko. Weißmann hält sich streng an die Importbestimmungen: „Solan- ge das erlaubt ist, machen wir das natürlich.“ Die Trophäen erzielen bis zu 14.000 Euro. Die Käufer? Hauptsächlich Industrielle. Februar 2009 · Auf Europas größter Jagd- messe, der „Jagd und Hund“, finde ich sechs Reiseveranstalter, die ganz legal Eisbären- Jagden anbieten. Für rund 40.000 Euro kön- nen Großwildjäger dort Reisen in die Arktis buchen – inklusive einer „hundertprozen- tigen Abschussgarantie“ für Eisbären. Zuletzt reise ich wieder zu Knut. Am Ge- hege treffe ich seinen Patenonkel, Umwelt- minister Sigmar Gabriel. Er will Eisbären schützen, scheiterte jedoch innerhalb der EU. Der Grund: Dänemark will seine Jagdgeset- ze nicht ändern. Doch Beschlüsse zum Jagd- verbot müssen einstimmig erfolgen. Mein Fa- zit: Nur wir Konsumenten können etwas für die Eisbären tun, indem wir uns gegen den Kli- mawandel engagieren. HANNES JAENICKE HÖRZU: Um bedrohten Tieren zu helfen, reisen Sie um die ganze Welt. Stört es Sie, dass man Sie deshalb als Öko beschimpft? Hannes Jaenicke: Nein, ich lass mich gern als Öko, Kör- nerfresser oder PC-Hannes beschimpfen, also als lang- weilig, „politically correct“. Oder was immer Zeitgenos- sen noch einfällt, um sich über Fahrrad fah- rende Bioladen-Kunden lustig zu machen. Welches Erlebnis hat Sie beim Dreh in der Arktis am meisten bewegt? Ich sah einen Bären, der keine Lust hatte, län- ger auf das Eis zu warten, wo er Nahrung fin- den würde. Er schwamm Richtung Horizont – obwohl da weit und breit kein Eis war. Ein tragisches Bild! Aber realistischer als die niedlichen Tierfilme über Knut und Flocke. Das Fazit Ihrer Arktis-Reise? Vielleicht müssen wir uns einfach damit ab- finden, dass der größte Teil der Tiere in Zu- kunft nur noch in Zoos, Reservaten und Tier- parks überleben wird. Die Weltbevölkerung wächst zu schnell – und mit ihr der Energie- verbrauch, die Müllproduktion und der Raub- bau an der Natur. Industrie, Politik, aber auch wir Konsumenten sind zu unwillig, tatsächlich etwas zu ändern. Der Traum, diese Tiere noch retten zu können, ist leider sentimentale Schwärmerei. INTERVIEW: MIKE POWELZ HANNES JAENICKE: IM EINSATZ FÜR EISBÄREN Dokumentarfilm DI 8.9. ZDF 20.15 UHR HARTER EINSATZ Jaenicke (r.) belegt in seiner Doku: In Kanada ist Eisbären-Jagd legal ENDE DER EISZEIT In der Arktis wird es immer wärmer. Die Eisbären verlieren ihren Lebensraum INTERVIEW: „Ich lasse mich gern als Öko beschimpfen“ „Felle von Eisbären erzielen bis 14.000 Euro.“ Hannes Jaenicke Tierschützer Hannes Jaenicke schreibt exklusiv in 23 22

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Unterwegs mit Hannes Jaenicke

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TV-Star Hannes jaenicke kämpft mit einer ergreifenden Doku für die Eisbären. Exklusiv in HÖRZU: sein Dreh-Tagebuch aus Kanada

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Hier können Eisbären noch überleben

Mit dem Eis schmilzt der Bestand der Tiere

ein tödlicher countdown: Mit dem klimawandel schrumpft der lebensraum der eisbären. sie verlieren Jagdreviere und Kinderstuben. weltweit gibt es heute noch etwa 25.000 exem-plare. bis 2050 werden davon zwei Drittel verschwinden. die karte zeigt, wo heute rund um den nordpol noch eisbären leben.

<200200–500500–10001000–15001500–2000

2000–2500

2500–3000

unbekannt

Anzahl der Bären

RUSSLAND

Alaska(USA)

ISLAND

NORWEGEN

GRÖNLAND

KANADANordpolar-

meer

PazifischerOzean

Atlantischer Ozean

MoskauOslo

HudsonBay Foxe-

Becken

Tschuktschen-see

Laptewsee

Karasee

Barentssee

Grönland-see

Beringmeer

Beaufort-see

BaffinBay

Davisst

raße

2000 km

Nordpol

Wapusk-Nationalpark

Vom Aussterben bedroht: Eisbären in der Arktis

Der Mann ist hart im Nehmen: Als Schauspieler mimt Hannes Jaenicke (49) oft harte Kerle, Agenten oder Gerichtsmediziner („Post mortem“).

Nun schlug er sich durch Kanadas eisige Wildnis, um mit einer aufwendigen Tier- Dokumentation auf den Überle-benskampf der Eisbären aufmerk-sam zu machen (siehe TV-Tipp). Privat engagiert sich der Star schon seit Längerem für den Schutz be-drohter Tierarten wie Orang-Utans, Haie und Gorillas. Exklusiv für HÖRZU schrieb er ein Dreh-Tagebuch: Oktober 2008 · Mein erstes Ziel ist Berlin. Hier möchte ich den berühmtesten Eisbären der Welt besuchen: Knut. Ich erwarte, dass viele Fans vor seinem Gehege stehen – doch da ist niemand. Wurde Knut etwa ver kauft? Plötzlich taucht ein mittelgroßer Bär mit schmutzig grauem Fell auf. Er entdeckt un-ser Team und tapst zum Wassergraben auf uns zu. Das ist Knut – zwei Jahre alt, 250 Kilo schwer. Er wirkt degeneriert, macht wie ein Zirkustier Männchen. Ein trauriger Anblick! Ich werde bald ins nördliche Kanada reisen, um zu sehen, wie seine wilden Artgenossen in der Arktis leben – zumindest der Rest dieser großartigen Tiere, der es geschafft hat, die Folgen des Klimawandels zu überleben. Mitte November 2008 · Vor dem Abflug nach Churchill an der Südküste der Hudson Bay

lese ich alles zum Thema „Ursus maritimus“. Die Reise nach Kanada dauert 40 Stunden. Vor Ort in Churchill registriere ich fassungs-los, wie viele Menschen hierherkommen, um Eisbären in „ihrer natürlichen Umgebung“ zu erleben. In einem Glaskasten neben der Ge-päckausgabe hängt kopfüber ein riesiges Eis-bären-Fell samt Kopf mit aufgerissenem Ra-chen. Darunter auf einem Messingschild: der Name des Jägers. Nebenan verkauft ein Herr Eisbären-Souvenirs: Krallen und Zähne, zu Schmuck verarbeitet.

Churchill gilt als „Hauptstadt der Eisbären“. Im Mündungsgebiet des gleichnamigen Flus-ses verbringen die Tiere ihren eisfreien Som-mer: Sie kommen monatelang ohne Fressen aus, weil sie sich im arktischen Winter bis zu

40 Prozent des Körpergewichts an-gefuttert haben. Ende September ziehen sie an die Küsten der Hud-son Bay auf das Eis, um Robben an deren Luftlöchern aufzulauern. Genau hier liegt das Problem: Wegen des Klimawandels friert das

Meer immer später zu – und taut früher auf. Folge: Die Jagdsaison der Bären wird kürzer. Die Tiere müssen hungern. Die Weibchen werden immer dünner, bekommen weniger Junge. Immer mehr Eisbären suchen in Häu-sern nach Fett und Öl. Doch die Menschen

profitieren vom Elend der Bären: Unter 7000 US-Dollar ist ein Eisbär-Trip in die Stadt nicht mehr zu haben. Ebenfalls traurig: In Kanada ist die Jagd auf Eisbären erlaubt. In „Notwehr“ darf man sie erschießen. Angeblich passiert das höchstens fünfmal pro Jahr. Ein schwa-cher Trost, schließlich gibt es weltweit nur noch 22.000 bis 25.000 Exemplare! Dezember 2008 · Besuch im bayerischen Garmisch-Partenkirchen bei einer Import-firma für Jagdtrophäen. Wir betreten das Gruselkabinett von Frau Weißmann. Gerade hat sie vier Eisbären-Exemplare im Angebot: drei Felle als Kaminvorleger, ein „Frischkopf-präparat“ als Raumdeko. Weißmann hält sich streng an die Importbestimmungen: „Solan-ge das erlaubt ist, machen wir das natürlich.“ Die Trophäen erzielen bis zu 14.000 Euro. Die Käufer? Hauptsächlich Industrielle. Februar 2009 · Auf Europas größter Jagd-messe, der „Jagd und Hund“, finde ich sechs Reiseveranstalter, die ganz legal Eis bären-Jagden anbieten. Für rund 40.000 Euro kön-nen Großwildjäger dort Reisen in die Arktis buchen – inklusive einer „hundertprozen-tigen Abschussgarantie“ für Eisbären.

Zuletzt reise ich wieder zu Knut. Am Ge-hege treffe ich seinen Patenonkel, Umwelt-minister Sigmar Gabriel. Er will Eisbären schützen, scheiterte jedoch innerhalb der EU. Der Grund: Dänemark will seine Jagdgeset-ze nicht ändern. Doch Beschlüsse zum Jagd-verbot müssen einstimmig erfolgen. Mein Fa-zit: Nur wir Konsumenten können etwas für die Eisbären tun, indem wir uns gegen den Kli-mawandel engagieren. HannEs JaEnicKE

HÖRZU: Um bedrohten Tieren zu helfen, reisen sie um die ganze Welt. stört es sie, dass man sie deshalb als Öko beschimpft?Hannes Jaenicke: Nein, ich lass mich gern als Öko, Kör-nerfresser oder PC-Hannes beschimpfen, also als lang-weilig, „politically correct“. Oder was immer Zeitgenos-

sen noch einfällt, um sich über Fahrrad fah-rende Bioladen-Kunden lustig zu machen. Welches Erlebnis hat sie beim Dreh in der arktis am meisten bewegt?Ich sah einen Bären, der keine Lust hatte, län-ger auf das Eis zu warten, wo er Nahrung fin-den würde. Er schwamm Richtung Horizont – obwohl da weit und breit kein Eis war. Ein tragisches Bild! Aber realistischer als die niedlichen Tierfilme über Knut und Flocke. Das Fazit ihrer arktis-Reise?

Vielleicht müssen wir uns einfach damit ab-finden, dass der größte Teil der Tiere in Zu-kunft nur noch in Zoos, Reservaten und Tier-parks überleben wird. Die Weltbevölkerung wächst zu schnell – und mit ihr der Energie-verbrauch, die Müllproduktion und der Raub-bau an der Natur. Industrie, Politik, aber auch wir Konsumenten sind zu unwillig, tatsächlich etwas zu ändern. Der Traum, diese Tiere noch retten zu können, ist leider sentimentale Schwärmerei. inTERviEW: MiKE PoWElz

HAnnEs JAEnickE: im EinsAtZ füR EisbäREn Dokumentarfilm

DI 8.9. ZDF 20.15 Uhr

Harter einsatz Jaenicke (r.) belegt in seiner Doku: in kanada ist Eisbären-Jagd legal

ende der eiszeit in der Arktis wird es immer wärmer. Die Eisbären verlieren ihren Lebensraum

inTERviEW: „ich lasse mich gern als Öko beschimpfen“

„Felle von Eisbären erzielen bis 14.000 Euro.“Hannes Jaenicke

TierschützerHannes Jaenickeschreibt exklusiv in

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