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  • Lieferung 17

    Hans Kngaus: Existiert Gott? Antwort auf die Gottesfrage der

    Neuzeit (Mnchen/Zrich, 1978), S. 625631

    Gott eine Sache des Vertrauens

    Die Alternativen sind deutlich geworden: Ein Nein oder Jazu Gott ist mglich. Stehen wir also nicht erneut vor einemPatt, einem Unentschieden?

    Hier genau liegt der entscheidende Knoten zur Lsung5der Frage nach der Existenz Gottes, und . . . diese Lsung. . . lt sich nun ganz kurz zusammenfassen:

    Wenn Gott ist, ist er die Antwort auf die radikale Fraglich-keit der Wirklichkeit.

    Da Gott ist, kann angenommen werden:10nicht stringent aufgrund eines Beweises oder Aufweisesder reinen Vernunft (Natrliche Theologie),nicht unbedingt aufgrund eines moralischen Postulats derpraktischen Vernunft (Kant),nicht ausschlielich aufgrund des biblischen Zeugnisses15(Dialektische Theologie).

    Da Gott ist, kann nur in einem in der Wirklichkeitselbst begrndeten Vertrauen angenommen werden.

    Schon dieses vertrauende Sich-Einlassen auf einen letztenGrund, Halt und Sinn der Wirklichkeit und nicht erst das20Sich-Einlassen auf den christlichen Gott wird im allge-meinen Sprachgebrauch zu Recht als Glauben an Gott be-zeichnet: als Gottesglaube. Entsprechend dem Grundver-trauen knnte man auch generell von Gottvertrauen re-den, wenn dieses Wort nicht allzu theologisch oder emo-25tional besetzt wre. Um dieses wichtige Wort nicht vlligdem Verschlei preiszugeben, sprechen wir manchmal inbewuter Analogie zum Grund-Vertrauen von Gott-Ver-trauen. Dabei geht es selbstverstndlich um echten Glau-ben, freilich in einem weiten Sinn: insofern solcher Glaube30nicht notwendig von der christlichen Verkndigung pro-voziert sein mu, sondern auch Nichtchristen (Juden, Mos-lems, Hindus . . . ) mglich ist. Die Menschen, die sich zueinem solchen Glauben bekennen, werden zu Recht obChristen oder Nichtchristen als Gottglubige bezeich-35net. Demgegenber erscheint der Atheismus, insofern erVerweigerung des Vertrauens zu Gott ist, wiederum im all-gemeinen Sprachgebrauch durchaus zu Recht als Unglau-be.

  • Die Existenz Gottes 2

    So hat sich gezeigt: Nicht nur bezglich der Wirklich-keit als solcher, nein, auch bezglich eines Urgrunds, Ur-halts und Urziels der Wirklichkeit ist fr den Menschen ei-ne freie, wenn auch nicht willkrliche Entscheidung un-umgnglich: Da sich die Wirklichkeit und ihr Urgrund, Ur-5halt und Urziel nicht mit zwingender Evidenz aufdrngen,bleibt Raum fr die Freiheit des Menschen. Der Mensch sollsich entscheiden, ohne intellektuellen Zwang, allerdingsauch ohne rationalen Beweis. Atheismus wie Gottesglaubesind also ein Wagnis und ein Risiko. Gerade die Kritik10an den Gottesbeweisen macht es klar: Glaube an Gott hatEntscheidungscharakter, und umgekehrt: Entscheidung frGott hat Glaubenscharakter.

    Um eine Entscheidung also, um eine Lebensentschei-dung, geht es in der Gottesfrage, die freilich in eine noch15ganz andere Tiefe reicht als die angesichts des Nihilismusnotwendige Entscheidung fr oder gegen die Wirklichkeitals solche: Sobald diese letzte Tiefe fr den Einzelnen auf-bricht und sich die Frage stellt, wird die Entscheidung un-umgnglich. Wie beim Grundvertrauen, so gilt auch in der20Gottesfrage: Wer nicht whlt, whlt: er hat gewhlt, nichtzu whlen. Stimmenthaltung in einer Vertrauensabstim-mung zur Gottesfrage bedeutet Vertrauensverweigerung,faktisch ein Mitrauensvotum. Wer hier nicht zumindestfaktisch Ja sagt, sagt Nein.25

    Doch leider stehen die Tiefe (oder Hhe) einerWahrheit und die Sicherheit ihrer Annahme durch denMenschen in umgekehrtem Verhltnis. Je banaler die Wahr-heit (Binsenwahrheit, Platitde), desto grer die Si-cherheit. Je bedeutsamer die Wahrheit (etwa im Vergleich30zur arithmetischen die sthetische, moralische, religiseWahrheit), um so geringer die Sicherheit. Denn: Je tieferdie Wahrheit fr mich ist, um so mehr mu ich mich frsie erst aufschlieen, innerlich bereiten, mich mit Intellekt,Wille, Gefhl auf sie einstellen, um zu jener echten Ge-35wiheit zu kommen, die etwas anderes ist als abgesicherteSicherheit. Eine fr mich uerlich unsichere, von Zwei-feln bedrohte tiefe Wahrheit (Gott existiert), die ein starkesEngagement meinerseits voraussetzt, kann viel mehr Er-kenntniswert besitzen als eine sichere oder gar absolut40sichere banale Wahrheit (2 x 2 = 4).

    Der Gottesglaube als letztlich begrndetesGrundvertrauen

    Folgt aber aus der Mglichkeit des Ja oder Nein nicht die45Gleichgltigkeit des Ja oder Nein? Keineswegs!

    Das Nein zu Gott bedeutet ein letztlich unbegrndetesGrundvertrauen zur Wirklichkeit: Der Atheismus vermag

  • Die Existenz Gottes 3

    keine Bedingung der Mglichkeit der fraglichen Wirklich-keit anzugeben. Wer Gott verneint, wei nicht, warum erletztlich der Wirklichkeit vertraut.

    Das heit: Der Atheismus lebt, wenn schon nicht aus ei-nem nihilistischen Grundmitrauen, so jedenfalls aus einem5letztlich unbegrndeten Grundvertrauen. Im Nein zu Gott ent-scheidet sich der Mensch gegen einen ersten Grund, tief-sten Halt, ein letztes Ziel der Wirklichkeit. Im Atheismuserweist sich das Ja zur Wirklichkeit als letztlich unbegrn-det: ein frei treibendes, nirgendwo verankertes, gehaltenes,10gerichtetes und deshalb paradoxes Grundvertrauen. ImNihilismus ist ein Ja zur Wirklichkeit wegen des radikalenGrundmitrauens berhaupt nicht mglich. Der Atheis-mus vermag keine Bedingung der Mglichkeit der fraglichenWirklichkeit anzugeben. Deshalb lt er, wenn gewi auch15nicht jede, so doch eine radikale Rationalitt vermissen,was er freilich oft verschleiert durch ein rationalistisches,aber im Grund irrationales Vertrauen zur menschlichenVernunft.

    Nein, es ist nicht gleichgltig, ob man Ja oder Nein zu20Gott sagt: Der Preis, den der Atheismus fr sein Nein zahlt, istoffenkundig! Er setzt sich der Gefhrdung durch eine letzteGrundlosigkeit, Haltlosigkeit, Ziellosigkeit aus: der mg-lichen Zwiespltigkeit, Sinnlosigkeit, Wertlosigkeit, Nich-tigkeit der Wirklichkeit berhaupt. Der Atheist setzt sich,25wenn er sich dessen bewut wird, auch ganz persnlich derGefhrdung durch eine radikale Verlassenheit, Bedrohtheitund Verfallenheit aus mit allen Folgen des Zweifels, derAngst, ja der Verzweiflung. Dies alles natrlich nur, wennAtheismus Ernstfall und nicht intellektuelle Attitde, sno-30bistische Koketterie oder gedankenlose Oberflchlichkeitist.

    Fr den Atheisten bleiben jene letzten und doch zu-gleich nchsten, und durch kein Frageverbot zu verdrn-genden ewigen Fragen des menschlichen Lebens unbe-35antwortet [. . . ] Fragen, die aufs Ganze gehen: Fragen, nichtnur fr Sterbende, sondern fr Lebende. Nicht nur frSchwchlinge und Uninformierte, sondern gerade fr In-formierte und Engagierte. Nicht Ausflchte vor dem Han-deln, sondern Anreiz zum Handeln. All dies sind Fragen,40die im Atheismus zutiefst unbeantwortet bleiben. Dagegendie These:

    Das Ja zu Gott bedeutet ein letztlich begrndetes Grund-vertrauen zur Wirklichkeit: Der Gottesglaube als das radi-kale Grundvertrauen vermag die Bedingung der Mglich-45keit der fraglichen Wirklichkeit anzugeben. Wer Gott be-jaht, wei, warum er der Wirklichkeit vertrauen kann.

    Der Gottesglaube lebt aus einem letztlich begrndeten Grund-vertrauen: Im Ja zu Gott entscheide ich mich vertrauensvollfr einen ersten Grund, tiefsten Halt, ein letztes Ziel der50Wirklichkeit. Im Gottesglauben erweist sich mein Ja zur

  • Die Existenz Gottes 4

    Wirklichkeit als letztlich begrndet und konsequent: ein inder letzten Tiefe, im Grund der Grnde verankertes undauf das Ziel der Ziele gerichtetes Grundvertrauen. MeinGott-Vertrauen als qualifiziertes, radikales Grundvertrau-en vermag also die Bedingung der Mglichkeit der fraglichen5Wirklichkeit anzugeben. Insofern zeigt es, anders als derAtheismus, eine radikale Rationalitt, die freilich nicht ein-fach mit Rationalismus verwechselt werden darf.

    Nein, es gibt kein Patt zwischen Gottesglauben undAtheismus! Der Preis, den der Gottesglaube fr sein Ja erhlt,10ist offenkundig. Weil ich mich statt fr das Grundlose freinen Urgrund, statt fr das Haltlose fr einen Urhalt, stattfr das Ziellose fr ein Urziel vertrauensvoll entscheide,vermag ich nun mit gutem Grund bei aller Zwiespltig-keit eine Einheit, bei aller Wertlosigkeit einen Wert, bei15aller Sinnlosigkeit einen Sinn der Wirklichkeit von Weltund Mensch zu erkennen. Und bei aller Ungewiheit undUngesichertheit, Verlassenheit und Ungeborgenheit, Be-drohtheit, Verfallenheit, Endlichkeit auch meines eigenenDaseins ist mir vom letzten Ursprung, Ursinn und Urwert20her eine radikale Gewiheit, Geborgenheit und Bestndig-keit geschenkt geschenkt. Freilich nicht einfach abstrakt,isoliert von den Mitmenschen, sondern immer in einemkonkreten Bezug zum menschlichen Du. [. . . ]

    So erhalten jene letzten und nchsten Fragen des Men-25schen eine zumindest grundstzliche Antwort, mit derder Mensch leben kann: eine Antwort aus der allerletzten-allerersten Wirklichkeit Gottes. [. . . ]

    Wenn der Mensch im Gottesglauben das Allervernnf-tigste tut, um was fr eine Art von Rationalitt handelt es30sich hier? Diese Rationalitt ist derjenigen des Grundver-trauens hnlich:

    Keine uere Rationalitt, die eine abgesicherte Sicher-heit verschaffen knnte: Die Existenz Gottes wird nichtzuerst vernnftig bewiesen oder aufgewiesen und dann ge-35glaubt, was so die Rationalitt des Gottesglaubens garan-tierte. Nicht zuerst rationale Erkenntnis Gottes, dann ver-trauende Anerkenntnis. Die verborgene Wirklichkeit Got-tes zwingt sich der Vernunft nicht auf.

    Eine innere Rationalitt vielmehr, die eine grundlegende40Gewiheit gewhren kann: Im Vollzug, durch die Praxisdes wagenden Vertrauens zu Gottes Wirklichkeit, Vernnf-tigkeit seines Vertrauens: gegrndet in einer letzten Iden-titt, Sinn- und Werthaftigkeit der Wirklichkeit, in ihremUrgrund, Ursinn, Urwert.45

    Ist so nun der Zusammenhang zwischen Grundvertrauen undGottesglauben nicht offenkundig geworden? Material ge-s