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Bei einem Engpass in der Guyon-Loge ist hauptsächlich der motorische Anteil des N. ulnaris betroen, was zu einer Atro- phie des Hypothenars führen kann. Der Ausfall des M. ad- ductor pollicis erschwert das Festklemmen eines Blatt Pa- piers. Der Patient versucht, diesen Ausfall durch Flexion der Daumenendphalanx zu kompensieren (Fromment-Zeichen). Außerdem liegt eine Krallenhand vor. Meist zeigt sich dieses Syndrom, wenn ein Patient zu langen und zu starken Druck auf der ulnaren Handkante hatte, z. B. nach langen Rad-/Motorradtouren, an Krücken laufen oder wiederholtem Hämmern mit dem Hypothenar. Es kann aber auch ein Ganglion, eine Fraktur, eine Thrombose u. a. vorlie- gen. Krallenhand Bei einer Schädigung des N. ulnaris (C 8 bis Th 1) kommt es durch die Lähmung der Mm. interossei zur Unfähigkeit, die Finger zu spreizen und zu schließen. Durch das Übergewicht des M. extensor digitorum tritt eine Streckung in den Grund- gelenken (MCP) auf. Die Flexoren überwiegen in den Inter- phalangealgelenken, wodurch das klinische Bild der Krallen- handentsteht. 8.2 Ellenbogen Die engen, gelenkigen Verbindungen im Ellenbogen (Art. cubiti) haben zur Folge, dass eine Blockierung in einem Gelenk zumeist auch die anderen mit erfasst. Es kann somit nötig sein, die anderen gelenkigen Verbin- dung ebenfalls zu behandeln. Dies betrit nicht nur Ulna und Radius, sondern auch das Hand- und Schultergelenk. Das Ellenbogengelenk ist aufgeteilt in 3 Gelenke (Abb. 8.30): Art. humeroulnaris: Sattelgelenk zwischen Oberarm (Humerus) und Elle (Ulna) Art. humeroradialis: Verbindung zwischen Oberarm und Speiche (Radius) Art. radioulnaris: Verbindung zwischen Radius und Ul- na Die Bewegungsumfänge des Ellenbogens sind in Tab. 8.2 aufgeführt. Den Bewegungsumfang des Ellen- bogengelenks veranschaulicht Abb. 8.31. 8 Obere Extremität 160 Abb. 8.30 Ellenbogengelenk. (Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011: 276, Abb. AaAd) aus: Simon, Lehrbuch Chiropraktik (ISBN 9783830476931) © 2015 Karl F. Haug Verlag

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Bei einem Engpass in der Guyon-Loge ist hauptsächlich dermotorische Anteil des N. ulnaris betroffen, was zu einer Atro-phie des Hypothenars führen kann. Der Ausfall des M. ad-ductor pollicis erschwert das Festklemmen eines Blatt Pa-piers. Der Patient versucht, diesen Ausfall durch Flexion derDaumenendphalanx zu kompensieren (Fromment-Zeichen).Außerdem liegt eine Krallenhand vor.Meist zeigt sich dieses Syndrom, wenn ein Patient zu langenund zu starken Druck auf der ulnaren Handkante hatte, z. B.nach langen Rad-/Motorradtouren, an Krücken laufen oderwiederholtem Hämmern mit dem Hypothenar. Es kann aberauch ein Ganglion, eine Fraktur, eine Thrombose u. a. vorlie-gen.

KrallenhandBei einer Schädigung des N. ulnaris (C 8 bis Th 1) kommt esdurch die Lähmung der Mm. interossei zur Unfähigkeit, dieFinger zu spreizen und zu schließen. Durch das Übergewichtdes M. extensor digitorum tritt eine Streckung in den Grund-gelenken (MCP) auf. Die Flexoren überwiegen in den Inter-phalangealgelenken, wodurch das klinische Bild der „Krallen-hand“ entsteht.

8.2

Ellenbogen

Die engen, gelenkigen Verbindungen im Ellenbogen(Art. cubiti) haben zur Folge, dass eine Blockierung ineinem Gelenk zumeist auch die anderen mit erfasst. Eskann somit nötig sein, die anderen gelenkigen Verbin-dung ebenfalls zu behandeln. Dies betrifft nicht nur Ulnaund Radius, sondern auch das Hand- und Schultergelenk.

Das Ellenbogengelenk ist aufgeteilt in 3 Gelenke(▶Abb. 8.30):● Art. humeroulnaris: Sattelgelenk zwischen Oberarm

(Humerus) und Elle (Ulna)● Art. humeroradialis: Verbindung zwischen Oberarm

und Speiche (Radius)● Art. radioulnaris: Verbindung zwischen Radius und Ul-

na

Die Bewegungsumfänge des Ellenbogens sind in▶ Tab. 8.2 aufgeführt. Den Bewegungsumfang des Ellen-bogengelenks veranschaulicht ▶Abb. 8.31.

8 – Obere Extremität

160

▶Abb. 8.30 Ellenbogengelenk. (Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie undBewegungssystem. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011: 276, Abb. Aa–Ad)

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" KlinikFallhandDie Integrität des N. radialis (C 6 bis C 8) kann man sowohlmotorisch (Ramus profundus), indem man den Patienten dieFinger strecken lässt (Extension der Finger), wie auch sensi-bel am Handrücken zwischen Daumen und Zeigefinger (MTCI und II), dem Autonomiegebiet des Pars superficialis, testen.Kombinierte motorische und sensible Ausfälle treten nur beieiner Schädigung in Höhe des Ellenbogens oder proximal da-von auf, da sich der N. radialis nach dem Ellenbogen in seinebeiden Endäste aufteilt. Die Fallhand beruht auf demmoto-rischen Ausfall der Streckung in den Hand- und Finger-grundgelenken.

SchwurhandHohe Verletzungen des N. medianus (C 6 bis C 7), also aufHöhe des Ellenbogens oder proximal davon, verhindern ei-nen Faustschluss. Dies verursacht einen Ausfall der langenFingerbeuger, vor allem der Zeige- und Mittelfinger, die nichtmehr im Mittel- und Grundgelenk gebeugt werden können.Der 4. und 5. Finger werden vom N. ulnaris innerviert, daherkann man diese weiterhin flektieren.

8.2.1 Techniken beim Tennisellenbogen

Beim klassischen Tennisarm (Epicondylitis humeri radia-lis oder lateralis) handelt es sich um eine Subluxation desRadiusköpfchens (Capitulum radii) im Art. humeroradia-lis.

Der Schmerz entsteht durch Reizung (und dadurch be-dingte entzündliche Prozesse an der Kapsel) der Sehnen-ansätze, des Bandapparats und der umliegenden Exten-sorenmuskulatur der Hand, insbesondere am Ursprungs-ort des M. extensor carpi radialis, durch die Fehlstellungdes Radiusköpfchens. Der Schmerz ist normalerweise inder Nähe des Radiusköpfchens zu finden, in der Extenso-renguppe für die Hand (am lateralen und proximalen An-teil des Unterarms) und tritt insbesondere bei maximalerFlexion der Hand auf.

Ein Tennisarm kann beim Tennisspielen entstehen,wenn der Spieler schlägt und dabei einen Spin auf denBall gibt, also eine Rotationsbewegung des Unterarmswährend des Schlages ausführt – daher der Name Tennis-ellenbogen. Diese Subluxation kann aber auch im Alltag,z. B. beim Auf-/Zudrehen eines Marmeladenglases oderbeim Einschlagen vieler Nägel oder durch eine falscheSchlafposition, ausgelöst werden.

Palpation: Eine Palpation ist am besten möglich, indemder Patient auf der Liege vor einem sitzt. Die Arme hältder Patient entspannt angewinkelt, mit den Unterarmenauf seinen Oberschenkeln und die nach oben gerichtetenHandflächen. Nun kann man leicht von lateral und vondorsal gleichzeitig die Stellung des rechten und linkenRadiusköpfchens palpieren und miteinander vergleichen.

8.2 Ellenbogen

Obe

reExtrem

ität

161

Flexion150°

Pro-nation

Supi-nation

Caputradii

Flexion/Extension150/0/0°(bei Frauen und Kindernkann bis 15° überstrecktwerden)Pronation/Supination90/0/90°

Proc.stylo-ideusulnae

0° 0°

90°

I II

II

Bewe-gungs-

achse

Bewe-gungs-

achse

Exten-sion15°

a b c I

▶Abb. 8.31 Bewegungsumfang im Ellenbogengelenk. (Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. All-gemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011: 283, Abb. C und D)

▶ Tab. 8.2 ROM des Ellenbogens nach der Neutral-Null-Methode.

Ellenbogen

Flexion/Extension 150/0/0°

Pronation/Supination 90/0/90°

* Frauen und Kinder können bis 15° überstrecken.

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k PraxisDie häufigste Subluxationsrichtung befindet sich nachdorsoradial (lateral) oder dorsoulnar (medial), abergenerell nach dorsal!Subluxationen nach ventroulnar findet man seltener,da diese durch den Patienten – meist instinktiv richtig –selber korrigiert werden. Dies erfolgt durch maximaleFlexion des Unterarms, unter Zuhilfenahme des anderenArms.

Tennisarm in dorsoradialer und dorsoulnarerSubluxation

Dorsolaterale/-ulnare Subluxation rechter Arm

Pos. Patient: Der Patient kann stehen oder sitzen.

Pos. Behandler: Diese Technik wird am besten im Ste-hen durchgeführt, wobei sich der Behandler je nach demWinkel der Subluxation positioniert:● Befindet sich die Subluxation weiter ulnar, steht der

Behandler mehr dorsal (▶Abb. 8.32), rechts des Patien-ten.

● Befindet sich die Subluxation weiter radial, steht derBehandler mehr ventral (▶Abb. 8.33), rechts des Pa-tienten.

Durch diese verschiedenen Stellungen ergibt sich auto-matisch die „Line-of-Drive“, also die Adjustierung in diekorrekte Richtung. Wie weit der Behandler vor oder hin-ter dem Patienten steht, hängt von der Subluxationsstel-lung des Radiusköpfchens ab. Das kann der Behandlerdurch Palpation im Vergleich mit dem anderen Ellenbo-gen diagnostizieren.

Durchführung: Wenn der Behandler richtig steht,nimmt er mit seiner linken Hand den ganz lockeren undentspannten rechten Unterarm des Patienten am Hand-gelenk und rotiert ihn inmaximale Pronation. Das Hand-gelenk wird dabei etwas flektiert. Die Handfläche des Pa-tienten zeigt somit zum Behandler.

Nun legt der Behandler flächig seinen rechten Daumenauf das Radiusköpfchen. Die Daumenspitze sollte am dis-talen Ende des Radiusköpfchens anliegen, also am Ge-lenkspalt, und die restliche Endphalanx entlang des Dau-mens im weiteren Verlauf des Radius. Die übrigen Fingerder rechten Hand umfassen den Unterarm des Patientenum die Extensorengruppe herum, sodass der Daumen si-cher, aber sanft auf seinem Kontaktpunkt, dem Radius-köpfchen, bleibt.

Nun hebt der Behandler den Arm des Patienten etwasan. Im Oberarm kommt es durch diese Bewegung zueiner Abduktion und im Ellenbogengelenk zu einer Flexi-on. Die Flexion sollte nur gering sein, ca. in einem Winkelvon 10° bis maximal 30°.

Wenn der Patient dabei nicht wirklich entspannt ist,kann man den Arm etwas „schaukeln“, und zwar nachrechts/links sowie herauf/-runter, bis man merkt, dassder Patient den gesamten Arm in Schulter und Ellenbo-gen ganz locker fallen lässt.

In diesem Moment erfolgt ein schneller chiroprakti-scher Impuls durch eine Art Pumpbewegung: Mit demrechten Daumen drückt man nach vorne, gleichzeitigzieht man mit der linken Hand, sodass der Arm des Pa-tienten in eine Extensionsbewegung gebracht wird

8 – Obere Extremität

162

▶Abb. 8.32

▶Abb. 8.33

▶Abb. 8.34

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(▶Abb. 8.34). So wird das Radiusköpfchen nur mit demDaumen weiter nach ventral bewegt.

Hierbei sollte nicht mit Kraft, sondern mehr mit Ge-schwindigkeit gearbeitet werden (wie bei allen chiro-praktischen Impulsen). Die Geschwindigkeit kann mannur erreichen, wenn der Patient seinen Arm locker fallenlässt, daher ist dieses Zusammenspiel zwischen Behand-ler und Patient sehr wichtig.

Tennisarm in ventroradialer Subluxation(selten)

Ventroradiale Subluxation linker Arm

Pos. Patient: Der Patient kann stehen oder sitzen.

Pos. Behandler: Der Behandler steht links vom Patientenund nimmt den entspannten Arm des Patienten mit sei-ner linken Hand auf der Höhe des Handgelenks.

Hier wird die „Line-of-Drive“ (IR) mit dem Grad der Su-pinationsbewegung angepasst:● Ist das Radiusköpfchen „nur“ nach radial subluxiert,

dann wird der Unterarm in Pro-/Supinationsmittelstel-lung gehalten (Daumen des Patienten zeigt RichtungDecke, also 0°).

● Ist das Radiusköpfchen „nur“ nach ventral subluxiert,wird der Unterarm maximal supiniert (Daumen desPatienten zeigt in ca. 90° nach außen/radial).

Die Subluxation ist normalerweise eine Kombination bei-der Stellungen: Wenn beispielsweise der Radiuskopf imgleichen Maße nach lateral und ventral subluxiert ist,dann würde der Daumen des Patienten in eine Supinati-on von ca. 45° gebracht werden, also der Unterarm umca. 45° nach außen gedreht.

Durchführung: Man flektiert den Unterarm auf ca. 90°und bringt ihn in die erforderliche Supinationsstellung, jenach dem Grad der Subluxation. Mit der rechten Dau-menkuppe arbeitet man sich am Ellenbogengelenk durchdie Extensorengruppe in der Lücke zwischen M. brachio-radialis und M. pronator teres von der ventralen Seite andas Radiusköpfchen heran (▶Abb. 8.35). Bei dieser Tech-nik fällt es dem Patienten normalerweise leicht, sich zuentspannen.

Der Impuls erfolgt gleichzeitig mit beiden Händen. Mitder linken Hand wird der Unterarm des Patienten weiterflektiert. Dadurch wird der Daumen des Behandlers zwi-schen Humerus/Bizeps und Radiusköpfchen eingeklemmt(▶Abb. 8.36). Somit wird von sich aus das Radiusköpf-chen weiter nach dorsal bewegt. Gleichzeitig gibt manmit dem rechten Daumen einen Impuls in Richtung derdistalen Verlängerung des Humerus.

k PraxisBei der Subluxation des Radiusköpfchens findet man oftdie lange Bizepssehne ebenfalls in einer falschen Positionan der Schulter vor.

8.2 Ellenbogen

Obe

reExtrem

ität

163

▶Abb. 8.35

▶Abb. 8.36

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" KlinikPronatio dolorosa („pulled elbow”)Die „schmerzhafte Pronation“ ist eine häufige Subluxationim Kleinkindalter (5–7 Jahre, das Verletzungsrisiko sinkt mitzunehmenden Alter, da der Bandapparat stärker wird). DieseVerletzung wird durch einen abrupten Zug, meist mit nachinnen gedrehtem Unterarm hervorgerufen, z. B. wenn dasKind grob an der Hand/demUnterarm gezogen wird. Dabei„rutscht“ das Radiusköpfchen unter dem Lig. anulare radiihervor. Das Ligament wird dabei zwischen Radius und Capi-tulum humeri eingeklemmt. Somit kommt es zu einer Blo-ckierung des Ellenbogens in leicht gebeugter (flektierter)Stellung und zu einer Pronationsstellung des Unterarms.Wegen der Subluxation und den damit verbundenenSchmerzen, lässt das Kind den Arm bewegungslos herabhän-gen. Dadurch entsteht der Eindruck einer Lähmung.Im Vorfeld der Behandlung ist eine Röntgenuntersuchung in2 Ebenen zum Ausschluss knöcherner Verletzungen der Epi-physenfugen des Caput radii obligat (Fraktur). Aufgrund derRöntgenuntersuchung kommen Heilpraktiker nur sehr un-wahrscheinlich in die Situation, diese Technik anzuwenden.

8.2.2 Techniken beim Golferellenbogen

Beim klassischen Golferellenbogen (Epicondylitis humeriulnaris oder medialis) handelt es sich um eine Subluxati-on der Ulna am Olekranon im Art. humeroulnaris.

Der Schmerz entsteht durch Reizung und entzündlicheProzesse an den Sehnenansätzen von Muskeln der Flexo-rengruppe der Hand sowie an der Kapsel und dem Band-apparat durch die Subluxation und somit Fehlstatik derUlna. Der Schmerz ist meist in der Nähe des Olekranonszu finden, häufig in der Flexorengruppe, also ulnar undproximal des Unterarms.

Ein Golferellenbogen kann beim Golfen eintreten,wenn der Golfer den Schlag zu tief in das Gras setzt undder Abschlag somit abrupt gestoppt wird, daher der Be-griff „Golferellenbogen“.

Palpation: Diese ist am besten möglich, indem der Pa-tient auf der Liege vor einem sitzt. Die Arme hält der Pa-tient entspannt angewinkelt, mit den Unterarmen aufseinen Oberschenkeln und nach oben gerichteten Hand-flächen. Nun kann man leicht von dorsal gleichzeitig dieStellung des rechten und linken Olekranons palpierenund miteinander vergleichen.

k PraxisDie Subluxationsrichtung der Ulna ist meistens poste-rior/dorsal und radial, da die Trochlea humeri zur ulnarenSeite steiler und höher gewachsen ist als zur radialen.Eine Subluxation nach ulnar kann ebenfalls auftreten.

Golferellenbogen in dorsoradialerSubluxation

Dorsoradiale/laterale Subluxation rechter Arm

Pos. Patient: Der Patient sitzt oder steht und abduziertseinen Oberarm auf ca. 90° mit der Handfläche nach obengerichtet (maximale Supinationsbewegung).

Pos. Behandler: Der Behandler steht rechts neben undhinter dem Patienten, sodass er den rechten Arm des Pa-tienten mit seiner rechten Hand am Handgelenk des Pa-tienten hochhalten kann.

KP: Mittelphalanx des linken Zeigefingers und linke Dau-menspitze auf dem rechten Olekranon des Patienten.

Durchführung: Man hält den rechten Arm des Patientenin der Abduktionsstellung auf ca. 90° mit seiner rechtenHand am Handgelenk hoch. Mit der linken Hand unter-stützt man den rechten Arm des Patienten, indem manKontakt am Olekranon aufnimmt.

Bei der Handhaltung ist zu beachten, dass man seinelinke Daumenendphalanx flächig auf die Mittelphalanxdes linken Zeigefingers auflegt. Der Zeigefinger wirddann im PIP und DIP maximal flektiert, sodass die Dau-menendphalanx vom Zeigefinger umschlossen ist unddie Daumenspitze nach oben zeigt.

Zwischen Daumenspitze und Zeigefingermittelphalanxentsteht eine kleine Lücke. In dieser Lücke legt man dasOlekranon des Patienten auf (▶Abb. 8.37). Der Unterarmdes Behandlers sollte stabil unter dem Olekranon des Pa-tienten ausgerichtet sein, sodass man den Arm des Pa-tienten ausschließlich mit seinem linken Arm hochhält.

Nun wird der rechte Unterarm des Patienten leichtflektiert, indem man mit der rechten Hand das Hand-

8 – Obere Extremität

164

▶Abb. 8.37

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gelenk etwas anhebt und mit der linken Hand gleichzeitigetwas nach unten nachgibt. Die Flexion ist nur gering, ca.10° bis maximal 20° (▶Abb. 8.38).

CaveMan sollte nicht mit viel Kraft arbeiten, da dasOlekranon und die Bandstrukturen dabei verletztwerden könnten.

Der Impuls erfolgt schnell und fast nur mit dem Gewichtdes völlig entspannten Unterarms. Die Impulsrichtungführt bei einer dorsalen Subluxation mit der linken Handnach oben (zur Decke), mit der rechten Hand leicht nachunten (zum Boden). Bei einer lateralen Subluxation er-folgt mit der linken Daumenkuppe ein schräger Impulsnach oben und gleichzeitig nach ulnar (▶Abb. 8.39).

Golferellenbogen in dorsoulnarer Subluxation

Dorsoulnare Subluxation rechter Ellenbogen

k PraxisDiese Subluxation tritt seltener auf, da die Trochlea nachmedial steiler und höher verläuft und die Subluxations-richtung durch die Gelenkstellung erschwert ist.

Pos. Patient: Patient sitzt oder steht und streckt denganzen Arm gerade nach vorne aus, mit nach oben ge-richteter Handfläche.

Pos. Behandler: steht vor dem Patienten

KP: Mit dem rechten Zeigefingergrundgelenk nimmtman Kontakt am medialen Teil des Olekranons auf.

Durchführung: Mit der linken Hand hält man den linkenArm des Patienten am Handgelenk etwas hoch. Mit derrechten gestreckten Hand in maximaler Ulnarabduktionund weggestrecktem Daumen nimmt man mit dem rech-ten Zeigefingergrundgelenk Kontakt von schräg dorsal-medial am Olekranon auf (▶Abb. 8.40). So stützt manauch automatisch den ausgestreckten Arm des Patienten.

Man flektiert den Unterarm des Patienten nur ganzwenig (um ca. 10°), indem man mit der linken Hand denUnterarm des Patienten am Handgelenk etwas nach obenanhebt und gleichzeitig mit dem rechten Arm etwas nachunten nachgibt, ohne den KP zu verlieren.

CaveHier wird ohne große Kraftanwendung gearbei-tet, mehr mit einer hohen Geschwindigkeit, da essonst zu einer Verletzung des Olekranons und derBandstrukturen kommen kann.

8.2 Ellenbogen

Obe

reExtrem

ität

165

▶Abb. 8.39

▶Abb. 8.40

▶Abb. 8.41

▶Abb. 8.38

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Der Impuls mit der rechten Hand erfolgt schnell undohne großen Kraftaufwand schräg, mehr nach radial,aber auch nach ventral, ungefähr in Verlängerung des Un-terarms des Behandlers. Gleichzeitig zieht man mit derlinken Hand den Unterarm des Patienten nach unten undleicht nach ulnar (▶Abb. 8.41). So wird das Olekranonvon ulnar (medial) nach radial (lateral) in der Trochleahumeri korrigiert.

8.3

Schulter

Das Schultergelenk (Art. glenohumerale) ist recht kom-plex, da die Bewegung des Arms ein Zusammenspiel von2 Gelenksystemen erfordert und dabei direkt 17 Muskelninvolviert sind (Kap. 2.3.12). Die Bänder des Schultergür-tels zeigt ▶Abb. 8.42.

Es gibt 2 Gelenksysteme:● glenohumerales System:

– Art. humeri– Bursa subacromialis (▶Abb. 8.43)– bizipitaler Gleitmechanismus

● skapulothorakales System:– primär:

• Art. acromioclavicularis• Art. sternoclavicularis• skapulothorakale Gleitfläche

– sekundär:• Artt. costovertebrales (Th 1 bis Th8)• Artt. costotransversaria (Th 1 bis Th8)• Artt. vertebrales (C 4 bis Th8)

Die Rotatorenmanschette ist ein Muskelsystem, das alstransversaler Stabilisator des Schultergelenks fungiert,und besteht aus dem M. infraspinatus, M. supraspinatus,M. subscapularis, Caput longum des M. biceps brachiiund M. teres minor.

Voraussetzungen für endgradiges Bewegen Die volleBewegungsfreiheit des Oberarms ist von folgenden Fak-toren abhängig:● freie Entfaltungsmöglichkeit der Gelenkkapsel● subakromiale Gleitfähigkeit● funktionierendes Zusammenspiel der Rotatorenman-

schette mit dem M. deltoideus

8 – Obere Extremität

166

Lig. coraco-claviculare

Atlas (C I)

Dens axis(C II)

Incisurascapulae

FossasupraspinataSpina

scapulae

Acromion

Lig. acromio-claviculare,

Art. acromio-clavicularis

CapsulaarticularisTuberculum

majusTuberculum

minus

Humerus

Epicondyluslateralis

Condylus humeri

Lig. coraco-acromiale

Proc.coracoideus

ClaviculaCosta I

Lig. sterno-claviculareposterius

Lig. sterno-claviculare anterius,

Art. sternoclavicularis

Sternum

Lig. transversumscapulae superius

▶Abb. 8.42 Bänder des Schultergürtels. (Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Ana-tomie und Bewegungssystem. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011: 260, Abb. A)

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