Hausarbeit Raubritter Der Adel in Der Krise
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1. EINLEITUNG........................................................................................................... 1
2. DER BEGRIFF RAUBRITTER; ADEL AUS DER SICHT DES FRÜHEN 19. JAHRHUNDERTS............................................................................................................. 1
3. FEHDE, SELBSTHILFE ODER LEGITIMATION FÜR RAUB UND MORD ?.....3
3.1. TRADITION DER FEHDE..............................................................................................43.2. EINSCHRÄNKUNG DER FEHDE DURCH BUẞE UND SÜHNE..........................................53.3 DIE FORMALISIERUNG DER FEHDE...........................................................................6
4. LANDFRIEDENSBEWEGUNG UND GOTTESFRIEDEN......................................8
5. STÄDTEFEINDSCHAFT ALS KONFLIKT ZWISCHEN ADEL UND BÜRGERTUM................................................................................................................... 9
5.1 DIE FEHDE HANS DIEMARS MIT SCHWÄBISCH GMÜND.............................................95.2. DIE FEHDE HANNOVERS MIT SEINEM LANDESHERRN.............................................12
6. ENTWICKLUNG DES MILITÄRS IM SPÄTMITTELALTER.............................14
6.1. FOLGEN FÜR DEN ADELSSTAND...............................................................................16
7. SCHLUSSBETRACHTUNG...................................................................................16
©Kevin Lindner 2005
1. Einleitung
Das Phänomen des Raubrittertums ist auf den ersten Blick gesehen eine
Geschichte verwegener Helden und übler Schurken des Mittelalters. Dieses
von der Allgemeinheit akzeptierte Bild stammt aber eher aus der Feder und
Einbildungskraft romantischer Dichter und bürgerlicher Historiker, als das es
die Realität des späten Mittelalters wiedergeben würde. In meiner Arbeit
möchte ich die Entstehung des Raubritterbegriffs beleuchten und mit den
wirklichen Motiven und Fakten vergleichen. Gab es die adligen Wegelagerer,
wie sie aus Sagen bekannt sind? Sahen sie sich selber als Raubritter die
Morden und Plündern oder hegten sie andere Motive. Im Spätmittelalter
veränderten sich die Machtverhältnisse. Bürgertum und städtische
Verwaltungen entwickelten Gesetze und Normen die das Gewohnheitsrecht
ablösten. Es kam zu einer sozialen Umwälzung und -strukturierung. Welche
Faktoren begünstigten den Niedergang des edlen Rittertums, das ebenso
sagenumwoben ist, wie die spätmittelalterlichen Auswüchse der Fehde. Das
Ständesystem wurde neu bewertet und die Adligen sahen sich in Bedrängnis.
Gab es eine Legitimation für Raub und Brandschatzung die bei genauer
Analyse nachvollziehbar wird? Aus der Sicht der Geschichtsschreiber des 19.
Jahrhunderts war die Fehde jedenfalls eine ruchlose und veraltete
Verhaltensweise.
2. Der Begriff Raubritter, Adel aus der Sicht des frühen 19.
Jahrhunderts.
Das aufgeklärte, herrschende Bürgertum des 18.-19. Jahrhunderts sah natürlich
in den Übergriffen der Adligen auf die Bürger damaliger Zeiten, ungerechte
Akte der Barbarei. Habgier und Mordlust waren Motive, die den Raubritter zu
seinen Taten anstachelten, um die friedliebenden Kaufleute zu drangsalieren.
Entwirrt man das Geschichtsbild der vergangenen zwei Jahrhunderte, stellt
man fest, dass der Begriff Raubritter kein Terminus des eben im Spätmittelalter
bedrängten und befehdeten Bürgertums ist, sondern ein Begriff, den
beispielsweise der Historiker Friedrich Christoph Schlosser in seiner
Weltgeschichte verwendete. Dieser Bestseller des frühen neunzehnten
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Jahrhunderts prägte das Geschichtsbewusstsein der Menschen und so setzte
sich das Bild der Raubritter für Jahre in den Köpfen fest.1 Darüber hinaus war
das emanzipierte Bürgertum während des Abschüttelns der Ständegesellschaft
auf einem geradezu Adelsfeindlichen Standpunkt angelangt, der das
Geschichtsbild weiter zu Ungunsten der Adelsdynastien verschob. Als Beispiel
möchte ich hier eine Passage, mit der Überschrift „Dynastie“, aus dem
„Politischen ABC fürs Volk“ von 1848 zitieren: „Das Wort Dynast bedeutet in
der alten Zeit ein Despot. Ein Theil des Volkes nämlich, welches sich durch
Raub und Bedrückung über seine Stammesgenossen erhoben hatte, der
sogenannte, Adel zerfiel im Mittelalter […] und diesem verblieb der
Ehrenname Dynastie. Sie führten ihren Namen mit demselben Rechte wie die
Raubritter selbst, denn ihre Stellung dem Staate gegenüber war keine […]
Berechtigtere. Die Raubritter des Mittelalters hielten sich privilegiert von ihren
hohen Burgen herab […] auf jede Gesellschaft von Kauffahrern zu lauern und
dieses […] ganz zu nehmen, oder […] eine hohe Entschädigung zu erpressen
[…] wer daran zu zweifeln wagte, dem bewiesen sie es mit ihrem Schwerte,
und […] Burgverließen […] gänzliche Unterdrückung des Volkes, maßloseste
Willkürherrschaft waren die Grundzüge ihres Wirkens.“2
Anhand dieses Zitats von 1848 wird recht schnell offensichtlich in welchem
Licht der Adel und das Recht der Fehdeführung im frühen neunzehnten
Jahrhundert dargestellt wurden. Zeitnah erschienene Sagensammlungen wie
beispielsweise das „Thüringer Sagenbuch“ von 1858 sprechen von Raubrittern
an der Weinstraße von Franken nach Thüringen die mehr Wein raubten als sie
zu trinken vermochten.3 Auch der Stadt Pößneck haftete der Ruf eines
Raubritternestes an: „ die Gegend und die Stadt wurde „der Bösen Ecke“
genannt, wegen der vielen Raubritter, die sich dort und rings umher
aufgehalten, und die ganze Gegend unsicher machten.“4 Die Namensgenese
Pößnecks hat allerdings einen ganz anderen Ursprung, sie beginnt mit dem
nachweisbaren Bisnig das sich dann über Beßniz und Beßnig zu Pößneck
wandelte. Von Raubrittern die nach verschiedenen Sagen namensgebend
gewesen sein sollten kann hier nicht die Rede sein.5 Märchenhaft erscheinen
1 Vgl. (Rösener kein Datum) S. 469.2 (Seegen und Schlesinger 1848) S. 173-174. 3 Vgl. (Bechstein 1858) S. 245-246.4 (Bechstein 1858) S.174.5 Vgl. (Bechstein 1858) S.174.
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auch Aussagen am Kyffhäuser über Raubritter die „auf Burg Kiphausen
wohnen, welche sich Fräulein rauben, und mit diesen […] in hellen Nächten
auf schneeweißen Pferden über den Berg reiten.“6
Bemerkenswerterweise ist, das der Terminus Adel, ein Quellenbegriff des 15.
Jahrhunderts ist. Joseph Morsel stellte die These auf, dass die
Sammelbeschreibung Adel gerade dort auftauchte, wo der städtefeindliche
Diskurs besonders stark verbreitet war. Die Bezeichnung Adel für alle
Personen vom Edelknecht bis zum Fürsten ist Beweis für einen soziologischen
und politischen Prozess, in dem sich Bürger und städtische Räte von den
Wohlgeborenen abzugrenzen versuchten.7
3. Fehde, Selbsthilfe oder Legitimation für Raub und Mord ?
Um das Raubrittertum zu beschreiben ist es nötig, das alte Rechtsmittel der
Fehde zu konkretisieren. Durch die ständige Konkurrenz der Fürsten mit dem
Königtum konnte sich über das Mittelalter kein Gewaltmonopol mit
einheitlicher Gesetzgebung bilden. Streitigkeiten zwischen Fürsten wurden
wenn überhaupt vom König geschlichtet. Die Selbsthilfe bot in einer unklaren
Situation, die nicht durch Gewohnheitsrecht geklärt werden konnte eine
Möglichkeit Recht durchzusetzen. Der Kampf zwischen Einzelpersonen oder
verschiedenen Parteien mag aus heutiger Sicht als anarchistisches Mittel
erscheinen, tatsächlich bot die Fehde im Mittelalter eine gewisse
Rechtssicherheit. Geschlossene Verträge konnten per Fehdedrohung
durchgesetzt und eingehalten werden.8 Gilden, die Hanse und Zünfte stellten
teilweise Fehdeinstitutionen dar, die einerseits vor Übergriffen schützten
andererseits eine überzeugende militärische Kraft darstellten, musste einmal
ein Rechtsgeschäft durchgesetzt werden. Jurisdiktion im Mittelalter ging
prinzipiell ausschließlich vom König aus und verteilte sich dann
gewohnheitsrechtlich in der Herrschaftspyramide nach unten. Da der König nur
selten zur Stelle war um bei Streitigkeiten zu vermitteln mussten andere
Lösungen gefunden werden. Aufgrund der unklaren Kompetenzen waren die
6 (Bechstein 1858) S.2537 Vgl. (Graf 1997) S. 184.8 Vgl. (Volckart 2004) S. 6-9.
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Zuständigkeiten aber wage und gefällte Urteile nicht zwingend verbindlich.
Nach vollendetem, aber nicht zufrieden stellendem Rechtsstreit ging man nicht
wie heute in Revision sondern versuchte Recht mit Gewalt durchzusetzen. Die
Unterscheidung zwischen Raubrittertum und gerechter Fehde ist formell
unproblematisch. Am direkten geschichtlichen Beispiel verschwimmen die
Übergänge jedoch und eine klare Abgrenzung wird schwierig. Luise von
Winterfeld kam „zu dem Ergebnis, daß das Wort Raubritter durchaus ein
zutreffender Terminus für denjenigen Adligen ist, der nicht aus Gründen der
Ehre rittermäßige Fehden mit den Waffen austrug, sondern den Armut und
Raublust veranlaßten, unter dem Schutz des Fehdebriefes oder häufig auch
ohne Fehdeansage die Räuberei als Erwerbsform zu betreiben.9
3.1. Tradition der Fehde.
Die Fehde und das Faustrecht standen bereits dem freien Germanen zu, wenn
er sich in seiner Ehre, seinem Recht oder Besitz gekränkt sah. Er und die
nahen, waffenfähigen Verwandten seiner Sippe hatten sogar die Verpflichtung
Genugtuung zu fordern und Buße durch Gewaltanwendung oder ein
Schiedsurteil zu erzwingen. Germanische Rechtssammlungen sprechen von
„faida“ als Erb- und Blutsfeindschaft die durch Rechtsverletzung und
Beleidigung hervorgerufen werden kann. Schon Tacitus hat in seiner Germania
die Fehde der Germanen beschrieben. Die entstandene Friedlosigkeit konnte
bis zur Vernichtung einer Fehdepartei oder der Beilegung des Konfliktes durch
Sühne andauern.10 Da Fehden mit ihren Brandschatzungen, Heimsuchungen
und Morden meist größeres Leid anrichteten als es ihr Auslöser bereits getan
hatte, gab es schon immer Versuche die Ausmaße der Gewalt durch Sühne
oder Komposition zu beschränken. So existierte die Möglichkeit durch die
Zahlung eines Wergeldes an den Geschädigten, den Konflikt beizulegen oder
selbst die Arbeitskraft eines getöteten Familienmitgliedes zu ersetzen. Oft war
die beschuldigte Partei aber nicht in der Lage und manchmal nicht gewillt, sich
Verknechten zu lassen oder Geld zu zahlen. In so einem Fall konnten die
Kampfhandlungen bis zur bitteren Entscheidung fortgesetzt werden. Nicht
9 (Rösener kein Datum) S. 472.10 Vgl. (von Wächter 1845) S. 248-250, Vgl. (Andermann kein Datum) S. 331.
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immer ließen sich die ehrbedachten Germanen durch Geldzahlungen
besänftigen. Häufig ist zu beobachten, dass „der Geschädigte es ablehnte […]
seinen Sohn oder Vater im Beutel zu tragen.“11
3.2. Einschränkung der Fehde durch Buße und Sühne.
Die Beschränkung der Fehde durch Eingreifen einer Zentralgewalt wurde oft
versucht. Childebert II. führte Bußzahlungen und die Todesstrafe bei Mord ein.
Rothari ein langobardischer König des siebenten Jahrhunderts versuchte
Wertesysteme zu entwickeln um Getötete, Geraubtes oder Zerstörtes in ein
Verhältnis zu setzen und gegeneinander abwägen zu können. Kirche und
Königtum strebten bei bedeutenden Fehden die Erzwingung von Sonder- und
Regionalfrieden an. Ein Kapitular von 802 beweist, dass selbst der Königbann
ins Feld geführt wurde um die Familie eines Ermordeten zur Annahme eines
Wergeldes zu bewegen.12 Die Etablierung der Fehde als standesgemäße
Reaktion der Ritterschaft hat gewiss den Frieden negativ beeinflusst. Manche
Ritter sahen die Fehde als eine noble Pflicht. Hatten sie eine Verfehlung
begangen stand Mord und Kampf besser zu Gesicht als Sühne und
Friedensschluss.13 Bürgerkriegsähnliche Zustände ausgelöst durch
Nichtigkeiten bedrohten Kirchlichen Besitz, die Bauern und damit die
Versorgung ganzer Regionen. Die Fehde galt als Traditionspflege.14 Der
Edelmann war zur Rache verpflichtet, um seine Ehre zu bewahren. Rationale
Beweggründe spielten bei diesem Teufelskreis aus Schadentrachten und
Vergeltung nur noch untergeordnete Rolle. War ein Unfreier getötet worden,
so war der Grundherr berechtigt den Mörder zu befehden oder Ersatzzahlungen
zu verlangen. Die unfreien Familienmitglieder des Ermordeten durften nur
selten an der Fehde teilnehmen und wurden mindestens genauso mäßig an dem
Wergeld für ihren Verstorbenen beteiligt. War der Mörder selbst unfrei, so
konnte er solange angegriffen werden, bis sich sein Herr dazwischen stellte und
seinerseits die Fehde beendete oder kämpfte. Das Unfreie selbstständig Fehde
führten, oder besser selbstständig befehdet wurden, wird angesichts des
Kompetenz- und Obrigkeitsgerangel zwischen benachbarten Herren eher die
11 (Andermann kein Datum) S.331.12 Vgl. (Andermann kein Datum) S.332.13 Vgl. (Rösener kein Datum) S.476.14 Vgl. (Graf 1997) S.179.
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Ausnahme als die Regel gewesen sein. Die Sachsen jedoch überließen den
Unfreien samt Sippe ganz der Rache des Beleidigten. In Burgund und unter
salischer Herrschaft wurde der Übeltäter dem Ankläger ausgeliefert um die
Fehde zu beenden.15 Weitere Verfahrensweisen waren Geldzahlungen nach
dem Vorbild Childeberts. In den angelsächsischen Gesetzen von Clothar ist
beispielsweise nachzulesen: „Wenn eines mannes knecht einen adligen mann
erschlägt, wo der sei, 300 schill. gelte er. Der eigenthümer gebe den mörder auf
und dazu dreier männer werth. Wenn der mörder entkommt, thue er eines
vierten mannes werth hinzu und bekenne mit guten eidhelfern, dass er den
mörder nicht bekommen könne.“16 Es gab also ein ausgeklügeltes
„Umrechnungssystem“ um durch Geldzahlungen weitere Gewalttaten
ausschließen zu können. Es lässt sich des Weiteren erkennen, „dass der friede
der unfreien und hörigen ebenfalls nur durch den schutz ihrer herrn gesichert
war, und man kann daher sagen, dass der herr sein gesammtes gesinde in seiner
friedensbürgschaft hatte.“17
3.3 Die Formalisierung der Fehde.
Die Historiker und Juristen des frühen neunzehnten Jahrhunderts glaubten „das
Fehde- und Faustrecht des Mittelalters sey ursprünglich nichts anderes
gewesen als ein absolutes Recht des Stärkeren, ein maassloses Recht der
rohesten Gewalt!“18 Aber schon von Wächter war 1845 klar, dass „die
Missbräuche, die Einzelne vom Fehderecht machten und die freilich unzählige
Male vorkamen […] nicht als Beweis für das angeführt werden [können] was
als Recht bestand, so wenig man bei uns aus den häufigen Diebstählen folgern
kann, dass dermalen in Deutschland das Stehlen ein erlaubter Modus
acquirendi sey! “19 Tatsächlich unterlag das Fehdeführen im Mittelalter
bestimmten Normen. Im Vorfeld der Heimsuchung und des Schadentrachtens
mussten Verhandlungen geführt werden. Im Falle ihres Scheiterns galt die
folgende Gewaltanwendung als legitime Form der Selbsthilfe.20 Die Fehde
15 Vgl. (Unger 1842) S. 14-17.16 (Unger 1842) S.17.17 Vgl. (Unger 1842) S.19.18 (von Wächter 1845) S. 47.19 (von Wächter 1845) S. 48.20 Vgl. (Rösener kein Datum) S. 473.
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wurde in gerechte und unrechte Fehde eingeteilt und von den Zeitgenossen als
solche erkannt.21 Allein die Notwendigkeit als Fehdeführender, die Gründe für
Agression den Gelehrten, Verbündeten und Befehdeten nahezubringen war ein
Element des Fehderechts das die Willkür stark einschränkte und auch den Grad
der Brutalität beschränkte. Fehdeansagen und Absagen dienten nicht nur der
Information des Gegners über bevorstehende Kampfhandlungen. Ausschreiben
buhlten, rhetorisch ausgeklügelt, um die Gunst der öffentlichen Meinung.
Propaganda besaß bei vielen Fehden einen hohen Stellenwert. Oft wurden
Argumente ins Feld geführt, die nichts mit dem eigentlichen Fehdegrund zu tun
hatten.22 Wie sich aus dem Beispiel des Götz von Berlichingen ablesen lässt,
wurden auch gerne Belange Dritter also pro amico vertreten um Raub und
Überfall zu legitimieren. In Goethes Werk nutzt die Hauptfigur einen simplen
Sachverhalt um sich als Feind der Stadt Köln zu präsentieren. Sein Bekannter
Hans Sindelfinger nahm an einem Schützentournier teil und wurde von den
Stadtvätern der austragenden Stadt um das Preisgeld geprellt. Götz nahm den
Betrug an Sindelfinger zum Anlass, der Stadt Köln die Fehde per Brief zu
erklären. Die zweijährige Auseinandersetzung, ausgelöst durch ein Preisgeld
von 100 Gulden endete mit einer Sühnezahlung der Stadt Köln. Eberhard von
Königsstein war der Vermittler dieses kostspieligen Friedens und von
Berlichingen konnte sich über einen Teil der geleisteten 1000 Gulden freuen.23
„Das Recht der Fehde zu führen stand nur dem rittermäßigen Manne zu, nicht
Bauern, Bürgern, Klerikern, Juden und Frauen.“24 Diese Prämisse wurde aber
nur zu oft umgangen oder gebrochen wie uns zahlreiche Erzählungen belegen
können. So erklärte ein Koch von Eppenstein seinem Herren, einem Grafen
von Solms per Brief die Fehde, weil er sich bei der Zubereitung eines Hammels
das Bein verletzte und die Schuhknechte von Leipzig befehdeten sich mit den
Studenten ihrer Stadt25 Auch der Angriff des nichtadligen Hans Diemar, der
sich seinen Titel erschlich, auf Schwäbisch Gmünd lässt sich in diese Rubrik
einordnen.
21 Vgl. (Andermann kein Datum) S. 332.22 Vgl. (Graf 1997) S. ***17***23 Vgl. (Volckart 2004) S. 3.24 (Andermann kein Datum) S. 333.25 Vgl. (von Wächter 1845) S. 57.
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Friedrich Barbarossa beschäftigte sich auch mit dem Fehdeverbot und stellte
Raub, Mord und Brandschatzung im Reichslandfrieden von 1152 unter Strafe,
egal ob ihnen ein Fehdebrief vorausgegangen war. 1182 muss er einsehen, dass
der Wehrstand sich nicht durch einen Landfrieden vom Fehdeführen abhalten
lässt. Um trotzdem eine gewisse Mäßigung und Kontrolle zu erwirken,
formalisierte Friedrich I. das Fehderecht. Sein Friedensgesetz von 1182 legte
fest, das der Fehde eine schriftliche Ansage voraus zu gehen hat, die 3 Tage
vor den ersten Kampfhandlungen zugestellt werden muss.26 „Seit dem
berühmten Mainzer Reichslandfrieden von 1235 wird zudem als
Voraussetzung der Fehde festgelegt, daß der Fehdeerklärung der vergebliche
Versuch voraufgehen muß, auf dem Rechtswege zum Ziel zu kommen.“27
4. Landfriedensbewegung und Gottesfrieden
Von kirchlicher Seite wurde die Fehde durch Gottesfrieden oder bestimmte
Zeiträume beschränkt in denen es nicht gestattet war zu kämpfen. Die
Fastenzeit oder das Weihnachts- und Osterfest waren christliche Feste in deren
Zeitraum alle Waffen ruhen sollten. Frauen, Kleriker und Bauern die ihr Land
bestellen mussten konnten durch Gottesfrieden geschützt werden. Trotz des
himmlischen Rückhalts war die Wirkung dieser göttlich verfügten
Waffenstillstände eher mäßig.28 Mit der Emanzipation der Juristen und
Kanzleien, unterstützt durch die Landfriedensbewegung, wurde das Recht der
Fehdeführung immer weiter eingeschränkt und Selbsthilfe kriminalisiert.
Landfrieden enthielten sowohl den Charakter eines einseitig beschlossenen
Gesetzes als auch den eines Vertrages zwischen zwei Parteien. Solche
Beschlüsse wurden auf Hoftagen vom Herrscher mit Rat und Zustimmung
seiner Lehnsmänner beschlossen. Die Landfrieden und Reichslandfrieden
wurden im 13. Jahrhundert von einer feudalen Elite ausgehandelt. Zu den
Tugenden eines Herrschers gehörte die Friedenswahhrung29 Friedensschlüsse
sowie Beschränkung der Auseinandersetzungen wurden weniger durch Einung
der Parteien erreicht, sondern grundsätzlich durch Gesetze reglementiert. Die
Selbstjustiz entwickelte sich von ehrbarer Tradition, die zum Handeln
26 Vgl. (Rösener kein Datum) S. 476-477.27 (Rösener kein Datum) S.477.28 Vgl. (Andermann kein Datum) S. 332.29 Vgl. (Klementowski 2004) S. 94
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verpflichtete, zu einer barbarischen Verhaltensweise überwundener Zeiten.
Den Fehdeherren winkten keine Respektsbekundungen oder Lösegelder mehr,
sondern Landsknechte, Gerichte und Kerker.
5. Städtefeindschaft als Konflikt zwischen Adel und Bürgertum
Im späten Mittelalter ist zu Beobachten, das weniger Fehden innerhalb adliger
Parteien ausgetragen werden, aber die Auseinandersetzungen zwischen Städten
und Adel stark zunehmen. So ist in einem Fehdebrief der Ritter von Herzog
Ludwig dem Bayer an verschiedene Reichsstädte30 nachzulesen: „und ob ihr
Reichsstädt ob solcher Feindschaft Schaden nehmen möchtet, es wäre mit
Brand, Brandschatzen, Todschlägen oder anderen Sachen, wie sich das machen
oder begeben wird, dessen wollen wir unsre Ehre hiermit bewahrt haben.“31
Der Herzog begründet seine Fehdehandlung also als Bewahrung der Ehre. Ein
Edelmann, der sich in seinen Herrschaftsrechten beschnitten sah war mit einer
Ehrkränkung konfrontiert, die er unmöglich ungesühnt lassen konnte. Städte
die sich mit ihren Räten selbst verwalten wollten, die Gerichtsbarkeit erkauft
hatten und sich mit eigenen Söldnerheeren rüsteten, mussten von den Adligen
Herrschaftsträgern als Anmaßung des Pöbels aufgefasst werden. Zur
Untermauerung des Konflikts zwischen Adel und Städten sollen zwei Beispiele
dienen.
5.1 Die Fehde Hans Diemars mit Schwäbisch Gmünd.
Ich möchte, entgegen der Chronologie, mit der Fehde des Hans Diemars von
Lindach gegen die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd (1543-1554) beginnen, die
uns durch zahlreiche Akten, entstanden in der württembergischen Kanzlei und
dem Reichskammergericht, überliefert ist. Hans Diemar war kein wirklicher
Adeliger jedoch hatte sein Vater, ein Landjunker, den Lindacher Turm, ein
Gebäude staufischer Zeit, samt Anwesen erwerben können. Dieses
Statussymbol und die Tatsache, dass ein fränkisches Adelsgeschlecht mit
Namen Diemar existiert, veranlasste Hans Diemar wohl das „von Lindach“
30 Zu nennen sind hier unter anderem: Ulm, Esslingen und Augsburg.31 (von Wächter 1845) S. 57.
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©Kevin Lindner 2005
seinem Namen hinzuzufügen. Eine geschickte Hochstapelei die ihm
Herrschaftsansprüche und gewisse Privilegien wie eben die Fehdeführung
eröffnete. Außer des elterlichen Wohnsitzes besaß Hans Diemar keinen
finanziellen Rückhalt um seiner nichtadligen Herkunft edlen Anschein zu
verleihen. Er stellte sich selbst als armen Adligen dar, der sich gegen die
wohlhabenden städtischen Kaufleute durchsetzen muss. Nach dem Tode des
Vaters erbte sein Bruder den Turm, er nur etwas Land und Gut in der
Umgebung Lindachs. Um seinen Lebensstandart zu verbessern und sich als
Edler zu gebärden war der Lindacher nun bemüht, Besitz und Herrschaft
auszuweiten32 „Der Konflikt mit der benachbarten Reichsstadt Schwäbisch
Gmünd war sozusagen vorprogrammiert,…“33. Kleine Streitigkeiten um eben
diesen Besitz verschlechterten das Klima zwischen dem Neuadligen und der
benachbarten Stadt. Zur Eskalation kam es als die Stadt Gmünd einen
Bauernhof ankaufte der angeblich unter dem Herrschaftsanspruch Hans
Diemars stand. Dieser wartete nicht lange sondern suchte den Bauern, welcher
sein Gut verkauft hatte, heim. Als Reaktion auf diesen Gewaltakt verklagte
Gmünd den Lindacher vor dem Gericht in Speyer. Vertreten durch einen
Advokaten aus Speyer und mit Unterstützung württembergischer Fürsten
ignorierte der Beklagte die Ladung und antwortete Gmünd im Oktober 1543
mit einem Fehdebrief, Raub und Brandschatzung. Das ihm seine Reaktion und
das Fernbleiben vom Gericht Speyer die Reichsacht einbrachte schien Hans
Diemar nicht zu stören. Seit dem Ansagen der Fehde, waren die Gmünder nicht
mehr sicher.34 Das Aufstellen eines Söldnerheeres und die Vergrößerung und
Modernisierung der sechzehn Hektar umfassenden Befestigungsanlagen aus
der Stauferzeit sowie der 1350 begonnenen zweiten Stadtumwehrung, brachten
nur den Stadtbewohnern Schutz.35 Diemar und seine angeworbenen
Landsknechte steckten Höfe in Brand, erpressten die Dorfbewohner und
verbreiteten Schrecken. Acht und die damit verbundene Konfiszierung der
Güter des Neuadligen hielten ihn und seine Mitstreiter nicht davon ab die
Befehdung der Reichsstadt fortzusetzen. Zweifellos erhielt der
Emporkömmling Obdach und Unterstützung durch württembergische Adlige
32 Vgl. (Graf 1997) S. 168-169.33 (Graf 1997) S.169.34 Vgl. (Graf 1997) S. 169.35 Vgl. (Herrmann 2004) S. 1-2.
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©Kevin Lindner 2005
bis hin zum Herzog. Jedoch wurde der Fehdeherr während des
Schmalkaldischen Krieges in Württemberg festgenommen. Trotz des
Bemühens der Gmünder, Diemar peinlich zu Verhören und kaiserlicher
Anweisungen den Landfriedensbrecher in strenger Gefangenschaft zu halten
kam er dank Herzog Christoph von Württemberg 1551 wieder auf freien Fuß.
Die Machtlosigkeit von Reich und Kammergericht wird deutlich, da nichts
mehr gegen Hans Diemar unternommen werden konnte und am 10. März ein
Vergleich zwischen ihm und Gmünd geschlossen wurde, der Forderungen und
Fehdehandlungen für die Zukunft ausschloss.36
Von den Landesherren durften die Städte, wie aufgezeigt, meist wenig
Unterstützung erwarten.
Das noch zu erörternde Beispiel von Hannover zeigt, das sie teilweise auch
selbst zur Waffe griffen um die Metropolen zu schwächen. Anderen Herzögen
war es nur Recht, wenn Niederadlige diesen Job selbstständig ausführten. Die
Verfolgung adliger Landfriedensbrecher von Seiten des Lehnsherren oder
Fürsten viel bestenfalls halbherzig aus. Konrad Stolle ein Chronist aus Erfurt
beklagte um 1450, dass der Kurfürst von Sachsen Geschenke der Stadt
entgegen nahm und gleichzeitig gegen Erfurt vorging und auch seine
Verbündeten, die Städtefeinde beherbergten: „Her nam von den von Erfforte
das gelt, silber unnd golt zu geschencke, und liss sy gliche sere verfolgen,
schinden und rouben. Grafe Heinrich von Schwarzburg was der von Erfforte
gute frunt der thet desselbigen glichen ouch, der hilt der von Erfforte fiende uff
in synen steten.“37
Das Ausrauben von Kaufleuten galt als Bagatelldelikt. Ein Ausspruch des
Markraf Friedrichs an seine Ritter belegt das deutlich: „ Es geet wohl hin, den
kaufleuten die deschen schütlen, aber allain am Leben sollt ir inen nichts
thon.“38 Der Graf steckte also deutliche Grenzen für die Anwendung von
Gewalt legitimierte aber den Straßenraub für seine Ritter. Solange kein
Kaufmann bei den Überfällen ermordet wurde konnten sich die Edelleute des
Rückhalts, durch ihren Herrn sicher sein.
Das der Niederadel benachbarte Städte befehdete, um seiner immer schwächer
werdenden politischen Position stärkeren Nachdruck zu verleihen, erscheint
36 Vgl. (Graf 1997) S. 169-171.37 (Graf 1997) S. 184.38 (Rösener kein Datum) S.471.
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einleuchtend. Aber sogar die Landesherren waren nicht abgeneigt dem
erstarkenden städtischen Räten und Kaufleuten persönlich durch kriegerische
Auseinandersetzung Einhalt zu gebieten.
5.2. Die Fehde Hannovers mit seinem Landesherrn.
Im Roten Stadtbuch von Hannover lässt sich ein bemerkenswertes Ereignis
nachlesen, „das Bürgermeister, Rat und Geschworene dort eintragen ließen.“39
Der im Januar 1491 vom Stadtschreiber Gerhard Kolshorn verfasste Bericht,
schildert den Überfall des Landesherren Heinrichs des Älteren auf seine Stadt
Hannover. Diese kriegerische Aktion hat in der Bevölkerung Hannovers ein
hohes Maß an Betroffenheit ausgelöst. Das Bedürfnis dieses Ereignis für die
Nachwelt, in diesem Fall den folgenden Amtsträgern, zu erhalten und es genau
zu beschreiben ist also wenig verwunderlich. „Die Bedeutung des
Überfallberichts liegt darin, daß er als Zeichen für das erwachende städtische
Selbstbewusstsein im Jahr 1491 steht. Erstmals wurde die Schriftlichkeit in der
Stadt genutzt, nicht nur um Rechtsverhältnisse glaubwürdig belegen zu
können, sondern um ein Ereignis, das der Stadt widerfahren war, vor der
Vergessenheit zu bewahren.“40 In der Edition der Chronik von Otto Jürgens
wird dieser Eintrag im Roten Buch als erste Geschichtsdarstellung der Stadt
Hannover gewürdigt.41 Die politische Führungselite war darauf bedacht diesen
Angriff des Herzogs für ihre Nachfolger als Lehrmaterial zu bewahren. Im
Schlussteil des Berichts wird dieses Motiv leicht deutlich und eine weitere
Tradition angemahnt: „Up dat sodans gedechtnisse van mynschen to mynschen
in der gedechtnisse blyve unde nummer vorgeten werde, hebben wy dat tor
dechtnisse scriven laten.“ Der lateinische Abschlusssatz „Et ergo nolite
confidere in Princibus!“42, ein leicht abgewandeltes Bibelzitat, ist bezeichnend
für die Einstellung der Stadtobersten gegenüber dem Fürsten. Auch die
Charakterisierung Heinrichs des Älteren und seiner „boser archwilliger
rathgever“ fällt dementsprechend negativ gefärbt aus. Im Diskurs von
Städtfeindschaft und Fürstenangst wurde diese Formulierung (nolite confidere
in Princibus) des Öfteren verwendet. Traut nicht den Fürsten in ihnen ist kein
39 (Kreter 1996) S. 66.40 (Kreter 1996) S.72.41 Vgl. (Kreter 1996) S. 66.42 (Kreter 1996) S. 87.
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©Kevin Lindner 2005
Heil ist uns auch bei dem Konflikt der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd mit
Diemar von Lindach begegnet.43 Die Auseinandersetzung mit dem Herzog
wurde exakt datiert: „dede was de dach sancti Crisogoni martiris, is nomptliken
de avent der hilligen juncfrowen sancte Katherinen nach Christi unses heren
gebort verteynhundert na im negentigesten Jare,“44 Dem Verfasser war hier
eine genaue Angabe wichtig um später auf das Ereignis Bezug nehmen zu
können, welches als Eskalation eines seit 1486 schwelenden Konfliktes zu
sehen ist . „Selbst die nächtliche Ankunftszeit des Herzogs vor Hannover
wurde festgehalten, weil sie einmal zum Verständnis der List beiträgt, sie aber
auch zu den Fakten gehört, worüber sich die Hannoveraner empörten: „in
nachtsclapender tidt“ erscheint kein guter Bürger und kein Herzog vor der
Stadt, wenn er es ehrlich meint.“45 Durch einen einfachen Stadtbürger sollte der
Überfall vereitelt werden. Cord Borgentrick beobachtete die nachts
heranschleichenden Soldaten und konnte das kurz vor dem Angriff den
Verteidigern melden. Als das Angriffssignal, ein Schuss, ertönte blieben die
Tore für die heranstürmenden Truppen des Herzogs, mit Fußsoldaten, Reiterei
und getarnten Fuhrwerken, verschlossen. Die Stadt wurde also belagert, das
Umland geplündert und verwüstet. Durch die Aufzeichnungen wird das wie
folgt beschrieben: „is he“ gemeint ist der Herzog „dar mede nicht gesediget
gewesth, sunder hefft vort de Dornder lantwere bemannet“46 In diesem Satz
soll auch die Habgier des Landesherren deutlich gemacht werden, die als
gerechter Grund für Fehde und Händel auszuschließen ist. Des Weiteren
bemängelt der Text das vollkommene Fehlen einer Gewaltandrohung oder
Fehdeerklärung. Der Verfasser der Chronik stellt die Unrechtmäßigkeit des
Angriffs, nach damaligen Gesichtspunkten, klar heraus: „Welcke erbenomde
unfurstlike ungehorde vornhemynge is alle begangen van dem sulven fursten
ahne alle vorwaringe unde veyde…“47 Das Wort unfürstlich wurde im
Zusammenhang mit den adligen Herrschaftsträger öfter gebraucht. Da Princeps
Fürst und Herrscher gleichermaßen bedeutet bin ich der Meinung, dass die,
sich neu emanzipierenden bürgerlichen Herrschaftsträger der Stadt, mit dieser
Formulierung, dem Landesherren eine gewisse Herrschaftsunwürdigkeit
43 Vgl. (Kreter 1996) S. 81.44 (Kreter 1996) S. 85.45 (Kreter 1996) S. 71.46 (Kreter 1996) S.87.47 (Kreter 1996) S.87.
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ankreiden wollten. Wie schon erwähnt stieg das Selbstbewusstsein der
wohlhabenden Städte im ausklingenden Mittelalter rasch an. Die alte Elite
wurde mit dem aufstrebenden Bürgertum konfrontiert das sich mit seinen
kompetenten Kanzleien, Juristen und Beamten in einer politisch erstarkenden
Position befand.
6. Entwicklung des Militärs im Spätmittelalter.
Militärisch waren die Städte besser und besser gerüstet. Im hohen Mittelalter
musste jeder Bürger, egal wie vertraut er mit dem Kriegshandwerk war, zur
Waffe greifen, um die Stadt zu schützen. Angesichts der bestens trainierten und
mit Harnisch, Schild und Schwert bestückten Ritter dürften die Chancen eines
einfachen Bauern oder Handwerkers zur Gegenwehr, mäßig ausgefallen sein.
Im späten Mittelalter wandelte sich das Blatt zugunsten der Städte.
Leichtbewaffnete Söldnertrupps die sich berufsmäßig militärisch beschäftigten
wurden angeworben und ausgerüstet um die Zentren samt Umland vor
Landfriedensbruch zu bewahren. Die Erfindung des englischen Langbogens
und das Bekanntwerden des Schießpulvers in Europa änderten den taktischen
Wert des wohlhabenden und damit gegen alle Waffenangriffe gut gerüsteten
Ritters. Der Bogen, ist schon seit dem Paläolithikum nachweisbar, wegen der
Möglichkeit aus der Ferne und dem Hinterhalt anzugreifen, war er aber als
unritterliche Waffe im Mittelalter geächtet. Als sich die europäischen
Kreuzritter mit den muslimischen Bogenschützen konfrontiert sahen, rüsteten
auch englische und nordfranzösische Fürsten Bogentruppen aus.48 Obwohl der
Bogen als Fernwaffe eingesetzt wurde, geschah dies nur sporadisch. Die
kurzen Bogen erreichten im Kampf gegen schwer gepanzerte Ritter wegen der
geringen Durchschlagskraft kaum Bedeutung. Das änderte sich durch die
Entwicklung des Langbogens unter König Edward I.. Er konnte durch die
Formation der Schützen und das salvenweise Schießen mit dem äußerst
durchschlagskräftigen Langbogen der gegnerischen Ritterschaft peinliche
Verluste beibringen.49 Der Aufstieg des Langbogens vermindert die Bedeutung
der teuren, dem Adel vorbehaltenen Rüstung enorm. Ihre Verstärkung
48 Vgl. (Lanz 2005) S. 112.49 Vgl. (Lanz 2005) S. 112.
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schränkte die Bewegungsfreiheit immer mehr ein und das zunehmende
Gewicht wurde zur unerträglichen Belastung für Träger und Pferd. Ein
einfacher Bauer oder Unfreier war jetzt in der Lage, mit einem Bogen gerüstet,
mehrere Ritter im Kampf tödlich zu treffen ohne selbst verletzt zu werden.
Eine neue Situation für die Edlen, die zwar mit Bauern kurzen Prozess
machten, Ihresgleichen aber verschonten um Lösegeld zu erpressen. 1364 ist
eine weitere Quelle nachweisbar, die von Waffen spricht, der kein Harnisch
trotzen könne. Bei dieser Überlieferung aus Peruga geht es um die ersten
nachweisbaren Überlieferungen von Handfeuerwaffen.50 Der Einsatz des
Schießpulvers führte den unwirksamen Schutz durch schwere, teure Harnische
ad absurdum. Dieses Gemisch aus Holzkohle, Salpeter und Schwefel stammte
ursprünglich aus China. Durch den Kontakt der europäischen mit arabischen
Kaufleuten wurde es auch in Europa bekannt. Als einfaches Treibmittel
revolutionierte es die Art der Waffen, Belagerungsmaschinen und auch die
Rüstung. Waren die ersten Kanonen noch äußerst ungenaue Metallungetüme,
so nahm die Bedeutung des Schießpulvers stetig zu und die Erfindung der
„Büchse“ brachte den Durchbruch. Verschiedene Kaliber und die Möglichkeit
Steine oder Metall zu verschießen machten diese Erfindung zu einer variabel
einsetzbaren und immer gefährlicheren Waffe.51 „Und diese neue Waffe hat
wohl 1374 den ersten Sieg direkt herbeigeführt, als es den Franzosen gelang,
die Stadtmauer von Saint-Saveur-le-Vicomte niederzuschiessen. 1377 zerstörte
Philipp der Kühne, Herzog von Burgund, bei der Belagerung von Odruik die
Mauern der Befestigung mit Kanonen und gelangte so zum Sieg bzw. zur
Einnahme des befestigten Ortes. Als England 1380 eine Invasion durch
französische Truppen drohte, verstärkten sie als erstes Calais mit 60 Büchsen,
während auf der Gegenseite die Franzosen und die Burgunder dazu
übergingen, ihre Schiffe
mit Büchsen der verschiedensten Kaliber auszurüsten.“52
6.1. Folgen für den Adelsstand
50 Vgl. (Lanz 2005) S. 113.51 Vgl. (Lanz 2005) S. 111-113.52 (Lanz 2005) S. 110.
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Das Krieg führen, als Hauptbeschäftigung des Adligen geriet durch den Einsatz
des Langbogens und des Schießpulvers in den Hintergrund. Ein Landesherr
brauchte nur noch wenige, taktisch gut geschulte Offiziere um die neuen
Waffengattungen zu koordinieren. Die Landsknechte und Söldner der Städte
verzichteten verständlicherweise auf Adlige in den Führungspositionen.
Aufgrund der neuen Taktiken waren Ritter in ihren Reihen überflüssig
geworden. Mit dem Verschwinden der Rüstungen nahmen auch die
Rittertourniere und höfischen Feste ab. Die Repräsentation der Niederadligen
musste immer sparsamer ausfallen. Aus ihrer Sicht erscheint es verständlich,
wenn sie sich gegenüber dem reichen Bürgertum in einer Krise sahen. Der
Griff zum Rechtsmittel der Fehde muss für einige Adlige der nächste Schritt
gewesen sein um der Anmaßung des Pöbels Einhalt zu gebieten, vor allem
wenn sich so ein Einsatz selbstständig refinanziert. Ein proadliger Autor mit
dem Künstlernamen „Bauernfeind“ schrieb über die Kaufleute: „ Den richesten
den ist nit zu getrüwen./ Kein bedermann sal uf sie büwen./ Sie überheben sich
der hohen müren./ Sie achten aller Herren nicht./ und sint doch filzgeburen.“53
Nur verständlich wenn die Herren bestrebt waren, sich wieder Achtung zu
verschaffen.
7. Schlussbetrachtung
Das Raubrittertum ist kein Phänomen, was auf breiter Front im Spätmittelalter
sein Unwesen trieb. Jede Erzählung über Raubritter muss gesondert betrachtet
werden. Die vielschichtigen Bündnisse zwischen Städten und die
verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Adelsgeschlechtern
erschweren die Motivsuche und die Abstraktion der einzelnen Fälle. Die Fehde
als Institution wurde zur Herrschaftserhaltung oder Züchtigung missbraucht
und gerechte Motive wurden konstruiert. Ebenso diente sie aber der
Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit. Jede Fehde und jeder Überfall
birgt eine Vielzahl von wahren und konstruierten Gründen, von Tradition und
Zwang und von Willkür und Gier. Der Raubritter in Reinform war eine
äußerste Seltenheit. Was offensichtlich wird, wenn man die Entwicklung des
Adels insbesondere des Niederadels betrachtet, ist die zunehmende
Marginalisierung der Edlen durch die gleichzeitige Emanzipation bürgerlicher
Eliten. Die Krise des Adels, hervorgerufen durch Neuerungen im Militärwesen 53 (Graf 1997) S. 182.
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und veränderte Erfordernisse in Herrschaft und Verwaltung, erzwang
Verhaltensweisen, die später als Raubrittertum verallgemeinert wurden.
Ritterliche Fähigkeiten konnten nicht mehr genutzt werden und wurden
weniger geachtet, die Bildung des reichen Bürgertums löste das Geburtsrecht
auf Herrschaft, langsam auf. Repräsentation war den adligen Eliten mit der
nötigen finanziellen Ausstattung vorbehalten. Der Niederadel musste sich dem
Bürgertum langsam unterwerfen. Die Auswüchse der Fehde stellten den letzten
Wiederstand gegen die aufziehende moderne Epoche des aufgeklärten
Bürgertums dar.
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