Hausarbeit zum Thema Videoüberwachung im...

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Friedrich-Schiller-Universität Jena Fakultät für Mathematik und Informatik Institut für Informatik Dozent: Prof. Dr. Eberhard Zehendner Seminar: Informatik und Gesellschaft Semester: WS 2008/2009 Hausarbeit zum Thema Videoüberwachung im öffentlichen Raum Bearbeitungszeitraum: 23.02.2009 - 05.03.2009 vorgelegt von: Torsten Wender 1. Semester Angewandte Informatik Matrikel-Nr.: 91067 E-Mail: [email protected]

Transcript of Hausarbeit zum Thema Videoüberwachung im...

Friedrich-Schiller-Universität Jena

Fakultät für Mathematik und Informatik

Institut für Informatik

Dozent: Prof. Dr. Eberhard Zehendner

Seminar: Informatik und Gesellschaft

Semester: WS 2008/2009

Hausarbeit zum Thema

Videoüberwachung im öffentlichen Raum

Bearbeitungszeitraum: 23.02.2009 - 05.03.2009

vorgelegt von:

Torsten Wender

1. Semester Angewandte Informatik

Matrikel-Nr.: 91067

E-Mail: [email protected]

nez
Hervorheben

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ....................................................................................................................... 1

2 Geschichtliche Wurzeln der Videoüberwachung ............................................................. 2

2.1 Die Entwicklung in Deutschland ....................................................................................... 2

2.2 Vergleich mit den Ausmaßen der Kameraüberwachung in England ............................... 3

3 Von Raumkontrolle zur sozialen Kontrolle ...................................................................... 3

3.1 Räumliche Kontrollmethoden .......................................................................................... 3

3.2 Soziale Kontrolle und ihre Technisierung ......................................................................... 4

3.3 Funktionen und Folgen der Videoüberwachung .............................................................. 4

4 Videoüberwachung in Deutschland ................................................................................ 5

4.1 Bewertung der Videoüberwachung ................................................................................. 5

4.1.1 Argumente für die Videoüberwachung..................................................................... 5

4.1.2 Argumente gegen die Videoüberwachung ............................................................... 5

4.2 Wirkungen der Kameras auf die Bevölkerung.................................................................. 6

4.2.1 Kriminalitätsfurcht ..................................................................................................... 6

4.2.2 Risikoeinschätzung .................................................................................................... 7

4.2.3 Persönliches Schutz-und Vermeideverhalten ........................................................... 7

4.3 Problem der Verlagerung der Kriminalität: Leipzig als Fallbeispiel ................................. 8

5 Gesetzliche Grundlagen .................................................................................................. 8

5.1 Grundlegende Gesetze ..................................................................................................... 8

5.2 Voraussetzung für das Einsetzen von Kameras ................................................................ 9

5.3 Voraussetzung für das Auswerten des Materials ............................................................. 9

6 Fazit ............................................................................................................................. 10

Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 11

1

1 Einleitung

„Der Gebrauch einer Kamera ist ähnlich der eines Messers: Man kann damit Kartoffeln

schälen, aber auch eine Flöte schnitzen.“ Mit diesem berühmten Ausspruch von Erich

Kahlmeyer ist wohl gemeint, dass nicht alle Fotografien einen künstlerischen Wert haben,

jedoch lässt sich die Deutung durchaus auf einen unmoralischen Wert verallgemeinern. In

unserer heutigen Zeit benutzen wir so viele Kameras, dass uns Missbrauch und Eingriffe in

unsere Privatsphäre nicht erspart bleiben.

Gehen wir über öffentliche Plätze, in Kaufhäuser, durch Parkanlagen, an Tankstellen oder

Bahnhöfe, Kameras zeichnen unsere Bewegungen auf. „Videokameras sind weitgehend

unbemerkt zu ständigen Begleitern in unserem Alltag geworden.“1

Insbesondere ist das schnelle Anwachsen der Anzahl der Kameras besorgniserregend. Es ist

davon auszugehen, dass es bereits fast eine halbe Millionen Kameras in Deutschland gibt, die

das Treiben in der Öffentlichkeit aufzeichnen. Allein 40.000 davon werden durch öffentliche

Stellen betrieben, weiterhin ist bekannt, dass an deutschen Bahnhöfen bis zu 120 Kameras

installiert sind. Die Industrie für Videoüberwachungsgeräte verzeichnete erhebliche

Umsatzsteigerungen, wurden 2001 Geräte für 4,66 Milliarden US-Dollar verkauft, so sollen

es 2015 bereits 10,61 Mrd. US-Dollar sein. Dies entspricht einer jährlichen Wachstumsrate

von über 12%.2

Zwischen Befürwortern und Datenschützern entsteht daher eine Diskussion um die

Rechtfertigung dieser Kameras. Kernpunkte sind, wie auch bei der Diskussion im Seminar

„Informatik und Gesellschaft“, die Themen öffentliche Sicherheit, Recht auf informationelle

Selbstbestimmung und Privatsphäre. Ich werde im Gliederungspunkt 4.1. die wichtigsten

Argumente beider Seiten herausarbeiten.

Die Kameras werden sowohl im öffentlichen Bereich als auch im öffentlich zugänglichen

Raum eingesetzt. Unter letzterem versteht man Bereiche außerhalb oder auch innerhalb von

Gebäuden, die man frei oder nach Erfüllen bestimmter Voraussetzungen betreten kann. 3

Da die rechtlichen Bestimmungen hier durch das jeweilige Hausrecht definiert sind, werde

ich mich im Kapitel 5 auf den öffentlichen Bereich beschränken. Darin sollen die rechtlichen

Grundlagen rund um das Thema Kameraüberwachung beschrieben werden.

Ziel dieser Arbeit soll es sein, den Leser vor die Entscheidung zu stellen, ob die

Videoüberwachung als Problem der Gesellschaft zu sehen ist, oder ob sie als harmlose

Nebenerscheinung der bloßen technischen Realisierbarkeit betrachtet werden kann.

1 Zitat von B. Gärtner aus „Warnung vor Überwachungswahn“

2 Zahlen aus: „Videoüberwachung im öffentlichen Raum“ von Manuela Urbich. Kapitel 2

3 „Fragen und Antworten zur Videoüberwachung“ Seite 14 der Datei: http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C4818694_L20.pdf

2

2 Geschichtliche Wurzeln der Videoüberwachung

In diesem Kapitel soll dargelegt werden, wie die Entwicklung der Videoüberwachung in

Deutschland vorangetrieben wurde. Es sollen die Meilensteine dieses Prozesses beschrieben

werden.

2.1 Die Entwicklung in Deutschland

Die junge Geschichte der Kameraüberwachung beginnt erst in der zweiten Hälfte des 20.

Jahrhunderts, mit der Errichtung einer Verkehrszentrale in München im Jahr 1958. Hierbei

filmten bereits 17 stationäre Kameras die Verkehrsknotenpunkte. Kurz darauf folgen

ähnliche Projekte in Hamburg und Hannover, wo Anfang der 60er Jahre zielgerichtet

Kameras zur Überwachung von " Rand- oder Problemgruppen" errichtet wurden.4

Es wurden hier eine Anlage zur Überwachung des Straßenverkehrs während einer

Industriemesse und Luftfahrtausstellung eingesetzt. Diese wurde ein Jahr später durch

bereits mobile Kameras ergänzt.

1976 war ein entscheidendes Jahr für die Entwicklung der Videoüberwachung, es war erneut

Hannover wo der Schritt zum Dauerbetrieb von 25 Kameras gewagt wurde.5 Im gleichen

Jahr wurden, im Rahmen der „Aktion Paddy“, bundeseinheitlich Polizeieinheiten zur

„Beweissicherung- und Dokumentation“ ausgebildet, die mit Hochleistungskameras

ausgestattet den Auftrag hatten, das NATO Hauptquartier in Heidelberg vor RAF Anschlägen

zu beschützen.6

In der Folgezeit wurden durch den technischen Fortschritt immer mehr Gebäude,

Rolltreppen, Warenhäuser u.a. mit Kameras bestückt, es wurde auch verstärkt von

Privatleuten gefilmt, begünstigt durch die erschwinglich gewordenen Anschaffungskosten

entsprechender Geräte.

Das Pilotprojekt “Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten“ in Leipzig im Jahr

1996 ist ein weiteres wichtiges Ereignis in diesem Zusammenhang. Hierbei ging es vorrangig

darum, gegen Auto- und Taschendiebstahl, sowie Drogenhandel vorzugehen.7

Damit erhielt diese Entwicklung eine neue Qualität und war in den Folgejahren, bis heute

nicht mehr aufzuhalten.

4 „Videoüberwachung und Sicherheit(sgefühl)“ von Dominik Willkommen Kapitel 3.2.

5 „Videoüberwachung in Dresden“ Seite 6 der Datei:

http://www.neustadtgruene.de/fileadmin/media/logo_button_banner/videoueberwachung-1.pdf 6 „Videoüberwachung und Sicherheit(sgefühl)“ von Dominik Willkommen Kapitel 3.2

7 Rolf Müller (1997) „Pilotprojekt zur Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten in der Leipziger Innenstadt“

3

2.2 Vergleich mit den Ausmaßen der Kameraüberwachung in England

In Großbritannien ist die Kameraüberwachung nicht nur bereits viel früher, sondern auch in

erheblich höherem Maße ausgeprägt, als in den vergleichbaren Industrienationen. Nach

Schätzungen existieren hier zwischen 200.000 und 400.000 Kameras im öffentlichen

Raum, welche jeweils zu ca. 200 geschlossenen Systemen pro Durchschnittsstadt

zusammengeschlossen sind.8

Diese Systeme sind in England unter dem Begriff CCTV („Closed Circuit Television“) bekannt

geworden und wurden anschließend von anderen Ländern übernommen. Es handelt sich um

einen geschlossenen Kreis von Kamera und Bildschirm. Alle von der Kamera

aufgenommenen Bilder werden dabei an eine Zentrale geleitet, welche für die Steuerung

der Kameras, die Verteilung der Videosignale auf einzelne Monitore, die Speicherung bzw.

Protokollierung von bestimmten Informationen und die Kommunikation mit anderen

Systemen zuständig ist.9

Die Gründe für die verbreitete Anwendung in England liegen vor allem im Rechtssystem.

Anders als in anderen europäischen Ländern, gibt es hier kein Recht am eigenen Bild. Bis

1998 gab es keine Regelungen, die das Einsetzen von Videoüberwachungssystemen regelte.

Wegen der Abwesenheit von gesetzlichen Bestimmungen, haben sich die CCTV Operatoren

ihren eigenen Verhaltenscodex geschaffen.10

3 Von Raumkontrolle zur sozialen Kontrolle

In diesem kurzgehaltenen Abschnitt werde ich nach den gesellschaftlichen Ursachen der

Videoüberwachung suchen und die soziologischen Hintergründe beleuchten. Auch wenn

dieses Kapitel nur angrenzend mit dem Thema zu tun hat, halte ich es für wichtig, da es

Erklärungsansätze für die Verbreitung von Videoüberwachung liefert.

3.1 Räumliche Kontrollmethoden

Die Exklusion von Anormalem ist eine räumliche Kontrollmethode, die der Lauf der

Geschichte hervorgebracht hat. Hierbei werden Kranke oder gesellschaftlich nicht integrierte

Menschen aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen und in isolierten Räumen

untergebracht. Beispiele hierfür sind Gefängnisse und Anstalten.

8 Bannister/Fyfe: “Closed circuit television and the cityS” 89 ff.

9 „BHE-Richtlinien für CCTV-Überwachungsanlagen“ Datei:

http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern/ST/BHE_Richtlinien_CCTV.pdf.html 10

http://www.privacyinternational.org/

4

Eine zweite Methode ist die Integration, bei der absolute Kontrolle der Personen im Raum

hinaus erfolgen soll. Die Gesellschaft soll damit vollständig regierbar gemacht werden, es

geht dabei darum, Möglichkeiten für abweichendes Verhalten zu minimieren.

3.2 Soziale Kontrolle und ihre Technisierung Unter sozialer Kontrolle verstehen wir Mechanismen, die soziale Übereinkünfte

(Gesellschaftliche Normen) kontrollieren und umfasst damit unsere Reaktion auf

abweichendes Verhalten anderer.11

Videoüberwachung bietet sehr wohl ein Instrument der sozialen Kontrolle, da sie präventiv

Fehlverhalten verhindert. Der Übergang von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft wird

damit beschritten. Die Zugangsberechtigung zu Informationen wird zur Macht.12

Die moderne Gesellschaft hat einen steigenden Bedarf nach sozialer Kontrolle da sie immer

komplexer wird und sich ethisch und kulturell ausdifferenziert und individualisiert. Das

elektronische Zeitalter bringt jedoch entsprechende Medien zur Deckung dieses Bedarfs mit

sich. Wir benutzen also Raumkontrolle durch Kameras lediglich als rationalste Form der

Bedarfsdeckung an sozialer Kontrolle.13

3.3 Funktionen und Folgen der Videoüberwachung

Durch eine erhöhte Überwachung entsteht eine Disziplinargesellschaft, diese ändert die

Funktion der Macht. „Die traditionelle Macht ist diejenige, die sich sehen läßt, die sich zeigt,

die sich kundtut und die die Quelle ihrer Macht gerade in Bewegung ihrer Äußerung findet.

(...)Die Disziplinarmacht setzt sich durch, indem sie sich unsichtbar macht, während sie den,

von ihr Unterworfenen, die Sichtbarkeit aufzwingt.“14

Die Kameraüberwachung wird zu verschiedenen Zwecken eingesetzt, hauptsächlich um

Informationen über Gefahrenquellen, also z.B. verdächtige Personen einzuholen, aber auch

um Straftäter zu identifizieren. Die häufigsten aufgeklärten Vergehen sind Diebstahl,

Körperverletzung und Sachbeschädigung. Die Einsatzgebiete reichen von

Verkehrsknotenpunkten, über Flughäfen, Abfallsammelstellen, Schulen, Sportanlagen bis zu

öffentlichen Plätzen und Gebäuden. 15

11 Wolfgang Ludwig-Mayerhofers: „Soziale Kontrolle – Selektivität, Disziplinierung, Sozialer Ausschluß“ Datei:

http://www.wl-m.de/Sozkontr/#a4 12

S. Cohen (1985) S. 150 13

eigene Behauptung 14

„Überwachen und Strafen: die Geburt des Gefängnisses“ von M. Foucault S. 241 15

„Videoüberwachung durch öffentliche Organe“ Datei: http://www.datenschutz.ch/themen/2002_bericht_videoueberwachung.pdf

5

4 Videoüberwachung in Deutschland

4.1 Bewertung der Videoüberwachung

In diesem Kapitel werde ich die Vor- und Nachteile der Kameraüberwachung aufzählen und

eine Abwägung vornehmen, welche die Situation bewerten soll.

4.1.1 Argumente für die Videoüberwachung

Wie bereits erwähnt werden häufig Straftaten durch Videoübertragung aufgeklärt, man kann

leicht eine Reihe von Beispielen aufzählen. So wurde der „Münchner U-Bahn-Schubser“

wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer 33-monatigen Haftstrafe verurteilt, da er,

durch eine Überwachungskamera, überführt wurde, ein 13 jähriges Mädchen vor eine U-

Bahn zu stoßen. 16

In einigen Fällen gelingt es auch die Straftaten zu vereiteln bevor sie ausgeführt werden.

Durch den Einsatz von Kameras kann der finanzielle und personale Aufwand relativ gering

gehalten werden. Außerdem ist eine Abschreckfunktion in den gefilmten Bereichen zu

erwarten, beim Bürger steigt das Sicherheitsgefühl. Das aufgezeichnete Material kann, falls

es lange genug gespeichert wird, als Beweismittel herangezogen werden.

Insbesondere bei milieubezogener Kriminalität führt das Aufzeichnen zu messbaren

Verbesserungen.

4.1.2 Argumente gegen die Videoüberwachung

Film man die öffentliche Gemeindefläche, so werden alle Personen erfasst, unabhängig ob

dies nötig ist, oder nicht, damit werden die Datenschutzgesetze berührt. Das

Missbrauchspotential ist vergleichsweise hoch und die Rechtsstaatlichkeit kann außer Kraft

gesetzt werden, da die Unschuldsvermutung missachtet wird. 17

Die Effektivität der Kameraüberwachung ist sehr schwer nachweisbar. Während einer

Sachverständigenanhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags sagte Dr. Thilo

Weichert: “Vorliegende Statistiken, wonach in beobachteten Gebieten Straftaten massiv

zurückgegangen sein sollen, scheinen diese Vorteile zu bestätigen. Tatsächlich ist mir aber

bis heute, trotz des seit über 30 Jahren erfolgenden Einsatzes dieser Technik , keine seriöse

wissenschaftliche Studie bekannt, wonach Videoüberwachung im öffentlichen Raum durch

16 Bericht Focus-Online Datei:

http://www.focus.de/panorama/vermischtes/muenchen-haftstrafe-fuer-muenchner-u-bahn-schubser_aid_363935.html 17 Kurzstatement des FoeBuD zur geplanten Videoüberwachung in Bielefeld Datei:

http://www.foebud.org/video/videobielefeld/videobielefeld-kurz

6

die präventive und repressive Wirkung zu einer nachhaltigen Verbesserung der

Sicherheitslage allgemein geführt hätte.“

Meiner Meinung nach sollte einer Videoüberwachung auf öffentlichen Wegen und Plätzen

nur dann zugestimmt werden, wenn sich diese auf Grund eindeutig vorliegender

Erkenntnisse als Kriminalitätsschwerpunkte erwiesen haben. Videoüberwachung darf dabei

nicht als Allheilmittel angesehen werden, sondern es ist erforderlich, dass die notwendigen

ergänzenden personellen Maßnahmen getroffen werden.

Es muss gewährleistet sein, dass die laufenden Aufzeichnungen ständig beobachtet werden

können und anlassbezogen jederzeit Aufzeichnungen vorgenommen werden können.

Notwendige polizeiliche Präsenz ist durch die technische Überwachung nicht zu ersetzen.

Der Einsatz technischer Überwachungsmittel muss durch eine offensive Öffentlichkeitsarbeit

begleitet werden. Der Bevölkerung muss klar gemacht werden, dass sie gefilmt wird. Die

technischen Mittel dürfen nur auf Grund klarer rechtlicher Grundlagen eingesetzt werden.

Wo diese noch nicht vorhanden sind, sollten sie durch die zuständigen Gesetzgeber

geschaffen werden.

Auf den öffentlichen Wegen und Plätzen, wo mittels Videotechnik eine Überwachung

erfolgt, sollte durch mehrsprachige Hinweisschilder darauf hingewiesen werden. Kameras

sollten offen und leicht erkennbar sein. Die Überwachungsmaßnahmen sollten in

regelmäßigen zeitlichen Abständen auf ihre Effektivität, ihre Effizienz und daraufhin

überprüft werden, ob durch sie Verdrängungsprozesse ausgelöst werden.

Datenschutzrechtliche Bestimmungen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

müssen Berücksichtigung finden, um zu verdeutlichen, dass Ängste vor einer

flächendeckenden Überwachung und damit der Annäherung an den gläsernen Menschen

nicht angebracht sind. (siehe dazu Kapitel 5)

4.2 Wirkungen der Kameras auf die Bevölkerung

Die Frage, ob und wie Kameras auf die Bevölkerung wirken möchte ich differenziert

betrachten. Ich konzentriere mich dabei auf die folgenden 3 Aspekte:

4.2.1 Kriminalitätsfurcht

Im Allgemeinen lässt sich Kriminalitätsfurcht als die Angst von Personen bezeichnen, Opfer

krimineller Handlungen zu werden. Damit ist also die Angst vor kriminellen Handlungen

gemeint. Also beispielsweise die Bedenken einer Mutter, wenn ihr Kind abends nicht

rechtzeitig nach Hause kommt. Diese Angst wird durch bloße Anwesenheit von Kameras

7

nicht beeinflusst, da durchaus bewusst ist, dass Kameras zwar präventiv auf Kriminalität

einwirken können, sie meistens jedoch nicht verhindern.

Jedoch gibt es verschiedene Personentypen, die unterschieden werden müssen, einerseits

jene, die bisher noch kein Opfer von Verbrechen geworden sind, andererseits die Gruppe,

die bereits solche Erfahrungen gemacht hat. Die Intensität der Furcht ist in diesen Gruppen

sehr unterschiedlich. Es gilt aber in der Regel, dass Personen mit Opfer-Erfahrungen höhere

Kriminalitätsfurcht vorliegt. Auch Alter einer Person und soziales Umfeld spielen eine Rolle.

Es hat sich gezeigt, dass im höheren Alter die Kriminalitätsfurcht steigt.18

4.2.2 Risikoeinschätzung

Die Risikoeinschätzung der Menschen wird durch das Aufstellen von Kameras, im Gegensatz

zur Kriminalitätsfurcht, verändert. Es kann ein in Metern messbares Fernbleiben gewisser

Personen von konkreten Räumen festgestellt werden, was auf reduzierte Risikoeinschätzung

zurückgeführt werden kann. Es sinkt also die Wahrscheinlichkeit eines Überfalls auf eine

Bank, wenn diese kameraüberwacht wird. Diese Einschätzung erfolgt jedoch subjektiv.

4.2.3 Persönliches Schutz-und Vermeideverhalten

Dieser dritte Aspekt wird von Kameras nicht beeinflusst, da die Teilung in sichere bzw.

unsichere Gebiete hauptsächlich subjektiv erfolgt. Deshalb ist die Einschätzung von

verschiedenen Räumen von vielen Faktoren, wie Geschlecht, Alter oder Nationalität

Abhängig. Beispielsweise fühlen sich ältere Menschen in Discotheken eher bedroht als

jüngere, das heißt die kognitive Dimension des Sicherheitsgefühls ist nicht allein

ausschlaggebend für Veränderung des Sicherheitsgefühls.19

Jedoch kann die Anwesenheit von Kameras oder Polizei in diesem Zusammenhang ein

Problem herbeiführen. Offensichtliche Präsents hält zwar Minderheiten fern, ruft aber

Unsicherheit bei der Mehrheit hervor, da diese eine reale Gefahr suggeriert wird. 20

Das Sicherheitsgefühl ist also durchaus von der räumlichen Gestaltung abhängig. Bereits das

Vorhandensein der Kameras bedeutet für den Bürger, beobachtet werden zu können. Dies

allein ist ausreichend, um Effekte einer panoptischen Stadt hervorzubringen. (panoptisch

von griechisch panoptes=„das alles Sehende“) 21

18

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1995), S. 189. 19

Wehrheim: „Menzel und Ratzke“ 2003, S.199 20

Wehrheim: „Die überwachte Stadt - Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung“ 2002, S. 214 21

Wehrheim: „Die überwachte Stadt - Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung“ 2002, S. 209

8

4.3 Problem der Verlagerung der Kriminalität: Leipzig als Fallbeispiel

Ein zentrales Problem der Videoüberwachung, ist die Verlagerung der Kriminalität auf

unbeobachtete Bereiche. Ich betrachte dazu einige Ereignisse bezüglich der

Videoüberwachung in Leipzig. Im Jahr 1995 erarbeitete die Polizeidirektion in Leipzig eine

„Konzeption zur Bekämpfung der offenen Rauschgiftszene“, da die Beschaffungskriminalität

zunahm. 22

Als verstärktes Polizeiaufgebot nicht zum gewünschten Erfolg führte, wurde

Kameraüberwachung erprobt. In den ersten 4 Wochen wurden hauptsächlich präventive

Effekte verzeichnet. Durch verbesserte Technik wurden auch Täteridentifizierung und

Beweissicherung verbessert, die Presse reagierte positiv. Es gab einen 30-60%igen Rückgang

der drogenverbundenen Kriminalität 23

Eine später durchgeführte Analyse zeigte, dass die Zahl der festgestellten Drogendelikte um

25% anstieg, wobei eine Verdrängung der Szene in nicht überwachte Bereiche festgestellt

werden konnte. Gesamtgesellschaftliche Probleme, wie beispielsweise Trinker, Obdachlose,

u.a. wurden durch die Videoüberwachung nicht gelöst. 24

5 Gesetzliche Grundlagen

Nun möchte ich die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Videoüberwachung aufzeigen. Es

soll deutlich werden dass sie nur unter Bestimmten Bedingungen erlaubt ist.

5.1 Grundlegende Gesetze

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bildet die Basis, es besagt im Wesentlichen,

dass jedermann grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner

personenbezogenen Daten bestimmen darf. Es ist also immer dann heranzuziehen, wenn es

und die Frage geht, wer was wann wieso über Sie wissen darf, also welche Ihrer Daten

erhoben, gespeichert, verändert, übermittelt, gesperrt, gelöscht oder sonst wie genutzt

werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht formulierte dazu: „Jedermann darf

grundsätzlich selbst und alleine bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild im

Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen“25

22

Drogenpolitische Leitlinien des Stadt Leipzig 23

laut Landeskriminaldirektor Müller 24

Freders; zur Praxis der polizeilichen Videoüberwachung in Möller, K. P. (2000); S.51 25

BVerfG 35, 202 „Lebach Urteil“, aus „Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte“ von Horst-Peter Götting

9

Es ist zu klären, was unter dem Begriff der personenbezogenen Daten zu verstehen ist. Dem Gesetz nach sind dies Informationen, die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person betreffen.26 Eine Überwachung durch Videoaufzeichnung auf öffentlichen Wegen stellt einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffen dar und ist nur durch Würdigung aller Umstände im Einzelfall zugelässig.27 Natürlich hat das Recht auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Einschränkungen. Personenbezogene Daten dürfen nämlich sehr wohl erhoben, gespeichert, verändert, verarbeitet und übermittelt werden, wenn die nachfolgenden Tatbestände erfüllt sind.

5.2 Voraussetzung für das Einsetzen von Kameras

Ein Eingriff in dieses Recht durch Polizei oder staatliche Organe bedarf einer

„Ermächtigungsgrundlage“, diese ist gegeben bei Verhältnismäßigkeit, Geeignetheit und

Erforderlichkeit der Maßnahme und bei überwiegendem Allgemeininteresse. Zusätzlich zur

Verhältnismäßigkeit verlangt das Bundesverfassungsgericht das Gebot der Normenklarheit,

das heißt aus der gesetzlichen Grundlage heraus müssen die Voraussetzungen und der

Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar sein. Desweiteren muss der

Gesetzgeber angesichts der Gefährdungen, die sich durch die automatische

Datenverarbeitung ergeben können, organisatorische und verfahrensrechtliche

Vorkehrungen treffen.28

5.3 Voraussetzung für das Auswerten des Materials

Ebenfalls gesetzlich geregelt sind die Bedingungen, welche Erfüllt sein müssen, um das

bereits gefilmte Material auswerten zu dürfen.

Es ist notwendig, dass die Auswertung zum Erreichen des verfolgten Zweckes unerlässlich ist

und die entsprechenden Personen darüber informiert werden, falls keine

Verdunklungsgefahr besteht. Desweiteren sind die Daten nach der Auswertung unverzüglich

zu löschen und sie dürfen nur Polizei, Richter und zuständigen Behörden zugänglich gemacht

werden, das Erstellen von Kopien ist nicht gestattet. 29

26

§ 3 Abs. 1 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) 27

Urteil Bundesgerichtshof am 25.4.1995 28

BVerfGE 65, 1 (43f.) 29

ebenda

10

6 Fazit

Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist meiner Meinung nach eine zwiespältige

Angelegenheit. Es ist anzuerkennen, dass sie in einigen Einsatzgebieten, wie beispielsweise

öffentlichen Verkehrsmitteln, sinnvoll ist und häufig ihre disziplinierende Wirkung erfüllt.

Andererseits ist die Gefahr eines Missbrauchs sehr hoch und kann durchaus, in gewisser

Weise, zu Freiheitsberaubungen führen. Desweiteren kann man zeigen dass Verdrängungs-

und Verlagerungseffekte bei der Kriminalität auftreten, welches einigen elementaren

Argumenten der Befürworter den Wind aus den Segeln nimmt.

Ich denke von Kameras beobachtet zu werden ruft zwar ein Sicherheitsgefühl hervor, dieses

unterscheidet sich aber qualitativ deutlich zu dem, was bei Kontakt zu Polizisten entsteht.

Die Meinung, dass Videoüberwachung in der Summe kaum zu mehr Gerechtigkeit führt,

sondern nur selten verhindert, dass jemand Opfer einer Straftat wird, ist daher für mich

vertretbar.

Man sollte im Vorfeld vernünftig über die Einsatzgebiete dieser Technologie entscheiden, ich

finde dass sie bei Demonstrationen, Streiks, oder gezielter Verfolgung von Kriminellen

durchaus sinnvoll und auch effizient ist.

Problematisch ist aber in jedem Fall, dass man sich einer Überwachung nicht entziehen kann,

vor allem vor dem Hintergrund, dass die Technik der Überwachung noch in den

Kinderschuhen steckt und die Ausbreitung ein enormes Potential hat. Der Bevölkerung

müssen die Gefahren bewusst gemacht werden, ich schließe mich also zum Großteil der

Meinung von Dr. Helmut Bämler (Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein) an, der

sagte: „Denn die einzelne Videokamera mag für sich gesehen sinnvoll und nützlich sein. Aber

viele aneinandergereihte sinnvolle und nützliche Videokameras können gleichwohl

freiheitstötend sein.“

11

Literaturverzeichnis

Bücher: “Closed circuit television and the city” (1998) von Bannister und Fyfe in “Surveillance, Closed Circuit Television and social control” von Clive Norris „Die überwachte Stadt - Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung“ (2002) von Jan Wehrheim veröffentlicht von Budrich Verlag „Handbuch zum Recht der inneren Sicherheit“ (2006) von Hartmut Aden veröffentlicht von BWV Verlag „Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses“ (1994) von Michel Foucault 9. Auflage veröffentlicht von Suhrkamp Verlag

Artikel: „Videoüberwachung im öffentlichen Raum“ (2005) von Manuela Urbich (Studienarbeit) „Videoüberwachung und Sicherheit(sgefühl)“ (2005) von Dominik Willkommen (Vordiplomarbeit)

„Warnung vor Überwachungswahn“ (07.06.2005) von Birgit Gärtner

Internet: „BHE-Richtlinien für CCTV-Überwachungsanlagen“

http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern/ST/BHE_Richtlinien_CCTV.pdf.html „Fragen und Antworten zur Videoüberwachung“ http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C4818694_L20.pdf Haftstrafe für Münchner „U-Bahn-Schubser“ Focus Online

http://www.focus.de/panorama/vermischtes/muenchen-haftstrafe-fuer-muenchner-u-bahn-

schubser_aid_363935.html

http://www.privacyinternational.org/ „Kurzstatement des FoeBuD zur geplanten Videoüberwachung in Bielefeld“ http://www.foebud.org/video/videobielefeld/videobielefeld-kurz „Videoüberwachung in Dresden“ http://www.neustadtgruene.de/fileadmin/media/logo_button_banner/videoueberwachung-1.pdf

Recht: Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) Kunsturhebergesetz (KUG)

12

Anhang: Eine von Forsa durchgeführte, aktuelle Umfrage, welche belegt dass die Mehrheit der Befragten für eine erhöhte Videoüberwachung stimmen. Die deutet meiner Meinung nach darauf hin, dass die Gefahren und Schattenseiten noch nicht ausgeprägt im Bewusstsein der Menschen angekommen sind.

Frage: Denken Sie, dass Videoüberwachung Sicherheit schafft?